Theaterzeitung - Saarländisches Staatstheater | Mai bis Juli 2019

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THEATERZEITUNG 5 – 7 2019

Strahlende Minna im Mittelpunkt der Hotelgesellschaft

Verliebt: Minna und Tellheim

SPRACHE DES HERZENS UND DES WITZES LESSINGS »MINNA VON BARNHELM« IM GROSSEN HAUS »Gierig nach Leben, durstig nach Liebe« so übertitelt Harald Jähner ein Kapitel seines Sachbuch-Bestsellers »Wolfszeit«, in dem er die Stimmungslage vieler Frauen in Deutschland nach 1945 beschreibt. Auch in Gotthold Ephraim Lessings Lustspiel »Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück« sehnen sich die Frauen am Ende des Siebenjährigen Krieges nach Liebe und einem unbeschwerten Leben. Die junge, schöne und reiche Minna von Barnhelm aus Sachsen liebt den preußischen Major von Tellheim und er sie. Doch als kriegsversehrter Freitruppen-Offizier, der zudem der Bestechlichkeit verdächtigt wird, fühlt Tellheim sich in seiner Ehre gekränkt. Dazu plagen ihn finanzielle Sorgen in dieser unsicheren Nachkriegszeit, in der keiner mehr weiß, wie viel

das Geld, das man gerade in der Hand hat, noch wert ist. Das Geld, das er zu Verwahrung von seinem ehemaligen Wachtmeister Paul Werner bekommen hat, muss sein ihm treuer Diener Just unberührt lassen. In dieser Situation eine Ehe einzugehen, ist für Tellheim völlig unvorstellbar. So muss Minna ihre ganze Klugheit und ihren Einfallsreichtum aufbringen, um Tellheim aus seinem Selbstmitleid und seiner Depression zu befreien und ihn erneut für die Liebe zu entflammen. Dabei nutzt sie auf gewitzte Weise die Verwechslung ihrer Verlobungsringe. Aber auch ihre Freundin Franziska hat es nicht leicht mit den Männern … Die junge Regisseurin Anne Bader interessiert sich in ihrer Inszenierung des alten Lessingschen Lustspiels aus dem Jahr 1767 weniger für Tellheims Ehrbegriff

als vielmehr für das Innenleben der Figuren. Welche Sehnsüchte und Träume haben Menschen zu einer Zeit, in der alles verloren scheint, und wie könnte ein »Wiederaufbau« eines unbeschwerten Alltags aussehen? Dabei spielt – wie es in der LessingForschung so treffend heißt – Minnas »Sprache des Herzens« eine genauso große Rolle wie die »Sprache des Witzes« des französischen Leutnants Riccaut de la Marlinière. Die Ausstatterin Sylvia Rieger hat ihr dafür eine zweigeteilte Bühne entworfen. Auf der einen Seite ein modernes bunkerartiges Hotel, in der die neugierige Wirtin immer die besten Geschäfte machen will, und auf der anderen Seite einen deutschen Wald als romantischen Sehnsuchtsort. In dieser Zweiteilung der Welt haben die

Kostümentwürfe von Luisa Wandschneider mit ihren Anspielungen an den deutschen Heimatfilm der Nachkriegszeit ihren ganz eigen Reiz. Horst Busch MINNA VON BARNHELM ODER DAS SOLDATENGLÜCK R Anne Bader B Sylvia Rieger K Luisa Wandschneider M Matthias Schubert Mit Rieckhof, Schwindling, Struppek; Berber, Geiling, Köhler, Weigand Premiere Samstag, 18. Mai 2019 19:30 Uhr, Großes Haus


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