THEATERZEITUNG 10 | 2019
In der Schwebe
Gebannte Energie
REBELL ODER HEILSBRINGER DAS NEUE BALLETT VON STIJN CELIS Wer ist Prometheus? Zum Allgemeinwissen gehört, dass Prometheus jener Titan aus der griechischen Mythologie ist, der sich gegen den Göttervater Zeus aufgelehnt und den Menschen das Feuer gebracht hat – und dafür zur Strafe an einen Felsen im Kaukasus gekettet wurde, wo ein Adler jeden Tag von seiner Leber frisst (die sich stets erneuert). Doch seit 700 v. Chr., als der griechische Dichter Hesiod erstmals Prometheus beschrieb, haben Dichter und Denker immer wieder ein neues Bild dieses Heros geschaffen. Den Prometheus, den wir zu kennen glauben, finden wir bei Aischylos (5. Jahrhundert v. Chr.): den Rebellen, der von Zeus so gnadenlos gerichtet wurde. Man kann in Prometheus denjenigen sehen, der den Menschen den Schlüssel zur Technik schenkt,
oder den, der sich gegen die Herrschenden auflehnt, oder den, der die Menschen zu Bildung und Vernunft führt. Im Jahr 1801 vollendete Ludwig van Beethoven eine Komposition für ein Ballett des damals hochgeschätzten Choreographen Salvatore Viganò: »Die Geschöpfe des Prometheus« – es geht um von Prometheus, die erst durch die Künste zu wahren Menschen werden. Beethovens einstündige Ballettmusik wurde bis heute relativ selten für den Tanz verwendet, und im Konzertsaal konnte nur die Ouvertüre heimisch werden. Dies ist umso überraschender, als »Die Geschöpfe des Prometheus« dem Beethoven-Liebhaber einen höchst faszinierenden Einblick in die Werkstatt des Meisters geben: In den 18 Abschnitten erkennen wir die Fingerübungen eines
Genies, es sind sinfonische Experimente im Häppchenformat. Vieles, was Beethoven später in seinen Instrumentalwerken in höchster Vollendung präsentiert, kündigt sich in den »Geschöpfen des Prometheus« an. Ballettdirektor Stijn Celis geht es nicht darum, die Handlung von 1801 wiederaufleben zu lassen. Er gestaltet abstrakte Körperbilder und Ensembleformationen zu Beethovens kraftvoller Musik, um so der Urgewalt der Musik etwas Entsprechendes entgegenzusetzen. Als Kontrast und Ergänzung zu Beethovens Sinfonik erklingen eigens für das Ballett arrangierte elektronische Zwischenspiele und ein Epilog des zeitgenössischen Komponisten Lorenzo Bianchi Hoesch. Ein aufregender Abend für Musik- und Tanzliebhaber! Klaus Kieser
PROMETHEUS ML Stefan Neubert Ch Stijn Celis B Sebastian Hannak K Catherine Voeffray Mit Christian, Dougherty, Davilla Gómez, Kraeling, Lambrou, Pierini, Serrano Romano, Shimizu, Tam von Burg, Taufkirch, Andison, Biosca, Bormann, Cino, Lakaev, Meseguer Alves, Ros Serrrano, Serio, Throop, Saarländisches Staatsorchester Premiere Samstag, 5. Oktober 2019 19:30 Uhr, Großes Haus In Kooperation mit dem Theater Bonn zum 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens