SACHEN MIT WOERTERN - Dunst. - 4. Ausgabe

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Zeitschrift für Literatur und Ähnliches. 4. Ausgabe, Juli 2014

SACHEN MIT WœRTERN Dunst.


O schaurig ist’s übers Moor zu gehn, / Wenn es wimmeltvom Heiderauche, / Sich wie Phantome die Dünste drehn / Und die Ranke häkelt am Strauche (Der Knabe im Moor // ANnette von DrosTe-Hülshoff) Die specifische Dichtigkeit des Stoffes, woraus die Kometen entstehen, ist von mehrerer Merkwürdigkeit, als die Grösse ihrer Massen. Vermuthlich, da sie in der obersten Gegend des Weltgebäudes sich bilden, sind die Theilchen ihres Zusammensatzes von der leichtesten Gattung; und man darf nicht zweifeln, dass dieses die vornehmste Ursache der Dunstkugeln und der Schweife sei, womit sie sich vor andern Himmelskörpern kenntlich machen. (Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels // Immanuel Kant)

Und darum liegt das Potsdam meiner Kindheit in so blauer Luft, als wären seine Trauermäntel oder Admirale, Tagpfauenaugen und Aurorafalter über eine der schimmernden Emaillen von Limoges verstreut, auf denen die Zinnen und Mauern Jerusalems vom dunkelblauen Grunde sich abheben. (Berliner Kindheit um Neunzehnhundert // Walter Benjamin)

Bedecke deinen Himmel, Zeus, / Mit Wolkendunst! (Prometheus / / J . W. v o n Goethe)

Die Pflanzen teilen sich durch Geruch einander mit; das Medium ihrer Mitteilung ist der Dunst; ihre Sprache reicht wiederum weiter als die der vorigen Wesen. (Vergleichende Anatomie der Engel // Theodor Fechner)

It was a cold morning of the early spring, and we sat after breakfast on either side of a cheery fire in the old room at Baker Street. A thick fog rolled down between the lines of dun-coloured houses, and the opposing windows loomed like dark, shapeless blurs through the heavy yellow wreaths. (The Adventures of Sherlock Holmes // Arthur Conan Doyle)


it; t; r re o-

Sachen mit WĹ“rtern Dunst.


angedünstet

Liebe Leserinnen und Leser, Dunst ist bunt. Das meint vor allem: vielgestaltig. Normalerweise nehmen wir Nebel als weiß-grau wahr. Sind die Wassertropfen in der Luft aber nur ein kleines bisschen größer, wie etwa bei der Gischt von tosenden Wellen oder Wasserfällen, brechen sie das Licht und zerlegen es in sein farbspektrum. Ebenso wie die Physik folgt die Poesie diesem Gesetz. Sie bringt die Sprache zum Schillern, indem sie ein Wort in seine Bedeutungsfacetten auffächert, zum Vorschein bringt, was auf den ersten Blick nicht zu sehen war. So besinnt sich Sachen mit Wœrtern mit dieser Ausgabe in besonderem Maße auf seine Wurzeln: Die wunderbare Mannigfaltigkeit der Texte, die sich in einem simplen Wort der Alltagssprache verbergen, steht im Mittelpunkt. Alle jenen, die uns ermöglicht haben, das Spektrum mit Lyrik, Prosa, Interviews und journalistischen ebenso wie wissenschaftlichen Beiträgen zu vervollständigen, möchten wir danken. Eine augenzwinkernde Warnung, dass dieses Heft als Hommage an die textuelle Vielfalt zu verstehen ist und nicht als Huldigung eines „Künstlerweihrauchdunstes“, der unbedarfte Leser und Kritiker in seiner Unzugänglichkeit gleichermaßen einschüchtert, sei mit folgendem Gedicht vorangestellt.

Dunst // Jan Nivell Der Autor hat zwar keinen Dunst, doch schreibt zu diesem Thema, er hüllt um seine Worte Dunst, vollführt nach diesem Schema einen Schleier-, einen Eiertanz – geheimnisvoller Nebeldunst verdunkelt seine Ignoranz, verschaukelt Kritiker und Leser, denn dieser Künstlerweihrauchdunst beschlägt die Brillengläser und legt sich schläfrig über Schläfen – überflüssig all der Dunst, wenn die Worte Wahres träfen, wär’ es wahre, echte Kunst.

Die redaktion

Das Thema der nächsten Ausgabe ist „Strom“! Schickt uns eure Beiträge bis zum 15.09.2014 an sachenmitwoertern@mail.de. Ihr findet uns auch unter fb.com/sachenmitwoertern, auf sachenmitwoertern.wordpress.com sowie als Online-Ausgabe unter issuu.com/sachenmitwoertern. 4


Inhaltsverzeichnis

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Dunsthauben und wie man sie abzieht. Eine Kolumne von Theresa Lienau

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ein gebrechen im tag ... // Simone Scharbert

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Wo // Sofie Lichtenstein

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Nebel Leben Berlin // Arno Schlick

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Gräulich-weiß, weich und schwabbelig. Nebulöses Geschwafel von Laura Schlingloff

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Kolibri // Kathrin Bach

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Lichtung im Nebel // Rabea Senftenberg

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An welches Fenster klopfst du? // Susanne Schmidt

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Im Nebel der Metaphern. Ein Beitrag aus der kognitiven Linguistik von Judith Daute

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Überfahrten // Axel Straube

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Wolken // André Patten

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Die Kihansi-Gischtkröte // Mikael Vogel

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Dunst. Vier Illustrationen von Sophia Melone

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Meine Poesie ist klein ... // Thomas Glatz

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Zwischen Dunst und Mottenkugeln! // Sven-Eric Zahl

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Achtundfünfzig Millionen Schweine // Jannis Poptrandov

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Einzeiliges Gedicht // Clemens Schittko

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Dunst (Auszug) // Valentin Moritz

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Biester // Jana Volkmann

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Im Raucherbereich. Ein Interview über Lyrik und Szene mit Jan Skudlarek und Peggy Neidel technosphäre // Peggy Neidel tyler had been around a long time // Jan Skudlarek

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ikarus weimar // Kathrin B. Külow

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spiegelbild – dunstverhangen // Nina Dähn

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Im Dunstkreis von Sachen mit Wœrtern #4

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3 x 100 Wörter zum Thema 5


Dunsthauben und Kolumne: Theresa Lienau Um uns ist Dunst. Wir sind umgeben von der Atmosphäre – atmós heißt auf Altgriechisch Dunst, sphaĩra ist die (Erd)kugel. Die Gasschicht, in die unsere Erde eingehüllt ist, können wir ebenso wenig sehen, wie die Atmosphäre im Sinne einer besonderen Stimmung. Einige Phänomenologen gehen dennoch davon aus, dass man diese Atmosphären, wenn schon nicht sehen, so doch über den Leib erfahren kann. Walter Benjamins Begriff der Aura geht diesem Verständnis voraus: Aura kann man atmen oder sie wahrnehmen, indem man Dinge mit einem Blick belehnt. für Benjamin ist diese Belehnung ein Quellpunkt der Poesie. In Über einige Motive bei Baudelaire schreibt er: „Wo der Mensch, das Tier oder ein Unbeseeltes, vom Dichter so belehnt, seinen Blick aufschlägt, zieht es diesen in die ferne“. Dunst und ferne scheinen nun erst einmal gar nicht zusammenzupassen: Wo Dunst ist, verschwindet die ferne und wirkt selbst das Nahe entrückt. Wo Dunst ist, müssen wir genauer hinsehen, um uns orientieren zu können. Vielleicht zeigt uns Dunst einfach, was ohnehin immer da ist, wenn wir nicht gerade im Benjaminschen Sinne dichterisch tätig sind: Den Schleier, der uns von allen Menschen, Tieren und dem Unbeseelten trennt. Nicht nur für die Dichter unter uns wäre es von Zeit zu Zeit außerordentlich praktisch, trügen wir eine Dunstabzugshaube über unseren Köpfen, die uns von allem befreien könnte, was uns umhüllt und einlullt, was uns benebelt und unsere Sicht trübt. Weil uns nämlich doch heiß macht, was wir nicht wissen. Oder zumindest lässt es uns nicht kalt. Gegen die Suppe draußen sind wir machtlos – die Suppe im Kopf müssen wir selbst auslöffeln. Was ist nun also Dunst, was macht das Sein von Dunst aus? Genauer: Was macht das

Unnützes (Halb-)Wissen über dunstige Angelegenheiten:

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1. Dunst ist fein. Das Wort bezeichnet feinen Nebel, aber auch feinen Schrot und ein Mehlprodukt, das feiner ist als Grieß (wenn auch nicht ganz so dunstig-fein wie Mehl). Bierdunst sei hier ausgenommen, feinen Bierdunst hat es bei aller Liebe zum Bier mit großer Sicherheit noch nie gegeben.

2. Dunstkiepe ist ein berlinerisches Wort für einen Hut. Das niemand kennt. 3. Dunst hat so dramatisch klingende Synonyme wie Brodem, Wrasen oder Brüden.


wie man sie abzieht Sein von etwas aus, dessen wesentliche Eigenschaft es ist, sich über das Sein von etwas anderem zu legen? Dringt man durch den Schleier der Alltagswahrnehmung, landet man bei Benjamins Aura, die nicht weniger dunstig ist – also Dunst, so weit das Auge reicht? Oder andersherum: reicht unser Auge nur bis zum Dunst? Soßen und Suppen kann man eindampfen lassen und sie immer weiter auf das reduzieren, was ihren Geschmack bestimmt – würde man Dunst evaporieren, was bliebe dann? Wie schmeckt Dunst? Wir reden über Dunst als einen Vorhang, einen Schleier, der sich über die Welt legt, sich über ihr ausbreitet und uns einhüllt. Wir sagen: Es zieht sich zu, der Himmel ist verhangen. Unser Dunstkreis umfasst den Bereich, den unsere (geistigen) Ausdünstungen betreffen, jener blassen Dunst, den wir so oft nicht haben, manchmal aber doch. Wo die Sicht getrübt und die Lichtdurchlässigkeit gemindert ist, liegt nicht automatisch immer Trübsinn und Düsterheit. Dunst ist hell und dunkel zugleich, und er birgt das rätsel in sich: Das Nebulöse und Schleierhafte bleibt uns unklar, sind wir benebelt, ist unser Verstand eingeschränkt. Vom althochdeutschen Wort tunkal, welches dunstig bedeutete, stammt dunkel ab. Dunst aber ist milchig-weiß – dunkles Weiß, halbes Licht, Zwielicht. Dunst und Nebel sind Wolken mit Bodenkontakt. Vielleicht schließt sich hier der Kreis zu Benjamins Begriff der Aura, die er als „einmalige Erscheinung einer ferne, so nah sie sein mag“ beschreibt. Vielleicht reimt sich Dunst nicht umsonst auf Kunst und vielleicht liegt hier der Wert des Dunstes für den Künstler: fernab jeder Trennschärfe die ferne im Nahen finden, Atmosphäre atmen, gleichzeitig auf und durch das Ungesehene und Unsichtbare blicken. Wolken mit Bodenkontakt: Luftschlösser bauen, ohne abzuheben.

4. Dunst verringert die Lichtdurchlässigkeit durch seine hohe Albedo (!), dem Maß für das rückstrahlvermögen von diffus reflektierenden, also nicht selbst leuchtenden Oberflächen. 5. Die im Mutterleib abgestorbene frucht eines rindes heißt Dunstkalb.

6. Im Dunstkreis von Dunst tummeln sich Wörter, die mit „Sch“ beginnen: Schleier, Schwaden, Schwall, Schicht, Schwalk. (Dem achtsamen Leser wird auffallen, dass auch unter den Namen der Autoren dieser Ausgabe auffällig viele mit diesem einlullenden S/ Sch/St-Laut beginnen. Hier sei angemerkt, dass dies kein Auswahlkriterium war! Ssssachen mit Wörtern plant keine S-Thetisierung!)

7. Dunst bzw. Nebel kann von optischen Erscheinungen begleitet werden, die so schöne Namen tragen wie Brockengespenst und Glorie. 8. Kirsten Dunst. 7


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Simone Scharbert

ein gebrechen im tag: wir nennen es angst und flüstern uns fäden zu, lang und endlos, die wir um unsere hände spulen, so machen wir garnrollen aus angst, die wir durch unsere rippen ziehen, durch deine und durch meine, ineinander die fäden weben, einen über den anderen legen, immer wieder, bis etwas außerhalb der sichtbarkeit entsteht, ein dünnes brustkorbgeflecht, farblos bestimmt, zerbrechlich vielleicht, und das uns doch hält: wir nennen es dunst.

Simone Scharbert ist 1974 im bairischen Aichach geboren, hat Politikwissenschaft, Philosophie & Neuere Deutsche Literatur in München, Augsburg und Wien studiert, anschließend in Politikwissenschaft promoviert; lebt und arbeitet in der Nähe von Köln.

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Sofie Lichtenstein

Wo Neuerdings, ohne dass es mir tatsächlich neu erscheint, klettere ich von einem Feld aus in den Zug. Beetz-Sommerfeld vielleicht? Keine Ahnung, aber ich muss da rein, denke ich, ich gehe da jetzt rein. Ich schaue nochmal gen Horizont und fühle mich dabei und auch danach nicht klüger. Der Zug zeichnet sich vage durch den Nebel ab wie eine Ahnung hinter blassem Dunst. Wo bin ich eigentlich, könnte ich mich fragen, ohne es zu tun. Aber ich muss in den Zug, klare Sache. Mir wird ganz anders, dort, ja wo eigentlich? Dort jedenfalls erwartet mich womöglich keine gute Wendung. Es riecht alles danach, als könnte es in die Hose gehen, konkreter, noch mehr in die Hose gehen als in, ja wo eigentlich? Ich geh da jetzt mal rein, denke ich nicht, sondern mache es. Das ist der Regio, weiß ich. Ein harter Cut während des Vorgangs, ohne Überblende. Schon sitze ich auf dem Platz, ohne dass ich auf dem Weg dorthin dabei gewesen wäre. Maria Suprano sitzt neben mir. Die hat sich seit damals auch nicht mehr verändert und geändert genauso wenig. Wir reden. Ich höre zu. Sie sagt konkret, sie muss auch dahin, wo ich hin muss, und redet verwaschen über sich selbst und über – hm? Ich gucke rüber. Hochgeklappte Sitze in einer Reihe sehe ich, da, wo die Plätze für Radfahrer und Kinderwagen sind. Es sieht überall so aus hier. Man kann geradeaus durch den Zug streben, nach vorn. Und mir ist schleierhaft, wofür das in einem geschlossenen Raum gut sein soll. Wir sind im Regio. Wir fahren gerade vorbei an, ich weiß nicht. Ich gucke aus dem Fenster. Es ist kein Milchglas. Dass Maria auch dahin muss, wo ich hin muss, wusste ich bereits, ehe sie es mir sagte. Wir kommen beide aus demselben Wo her. Jahre haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Einigermaßen komisch, dass sie jetzt mit mir spricht. Aber irgendwie auch ganz selbstverständlich. Ein harter Cut während der Gesprächspause.

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Ein Mann, der es wissen muss und vor allem besser wissen muss als ich, weil er weiß, wo er hin muss, wo er hingehört und wo das ist, sitzt neben mir und sagt, meine Prognose sehe schlecht aus. Welche Prognose, frage ich mich und stelle fest, tue ich ja gar nicht, es ist der Mann, der meine Frage, die nie gestellt wurde, beantwortet. Mir sei nicht zu helfen, sagt er. Wobei. Um was es im Großen und Ganzen geht, weiß ich gewissermaßen. Das sei wirklich sehr schlecht, die Sache mit mir, sagt er. Ich weiß, dass das sehr schlecht ist, denke ich und fühle mich verloren. Mir ist, als säße ich in der Luft. Ich spüre meinen Sitz nicht mehr unter dem Hintern, keinen Grund unter den Füßen, keine Hände auf den Schenkeln. Da ist nur noch etwas, das mich fühlt und denkt. Etwas würde den Mann fragen, was ich tun kann. Ich kann gar nichts tun, denkt etwas dann unvermittelt. Der Mann weiß auch nichts, wird irgendwo gewusst. Und dennoch vertraut etwas, das mich fühlt und denkt, der unheilvollen Prognose des Mannes, der es wissen muss und vor allem besser wissen muss als ich. Doch dass er so ein Mann ist, ein Mann mit einer schwimmbrettzuverlässigen Gewissheit, ist doch auch nur eine Unterstellung von mir, oder: von irgendwo her. Er redet weiter über die Prognose, und das genauso undurchsichtig, wie es draußen aussieht. Vielleicht wird aber auch einfach nur nicht richtig zugehört, wer weiß. Wenn man sich auf dem Sitz umdreht und zum Fenster hinaus guckt, sieht man im Schleier versunkene Häuser und Bäume vorbeiziehen. Irgendwo wird gedacht, bewegte Uhren laufen langsamer. Bis der Zug hält. Endstation Hier. Es wird ausgestiegen, schwirrend. Und es wird das Wo, zu dem man reisen musste, erkannt. Es tritt wie eine Ahnung hinter blassem Dunst hervor. Was aber bewegt sich auf mich zu, fragt es irgendwo, wo bin ich eigentlich? Man schwebt haltlos in der Luft.

Sofie Lichtenstein, geboren 1989 in Neuruppin, lebt in Berlin. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften. Schreibt gegenwärtig an ihrem ersten Buch. 11


Arno Schlick

Arno Schlick wurde 1970 in N체rnberg geboren und studierte Philosophie und Biologie in Berlin und Potsdam. Er besch채ftigte sich mit Wissenschaftsund Systemtheorie sowie mit Sprachphilosophie. Seine literarischen Gattungen sind Lyrik, Kurzprosa und seit 2012 auch verst채rkt Konkrete Poesie.



Gräulich-weiß, weich u n Klar und deutlich würden wir gern die Welt verstehen. Der in ihr versteckte Sinn soll sich aus dem Chaos herauskristallisieren. „Clair et distinct“ waren auch für René Descartes die wesentlichen Kriterien für die Wahrheit einer Erkenntnis: Alles, wovon man ein eindeutiges geistiges Bild haben kann, soll doch zumindest prinzipiell so in der Welt möglich sein. Das mit den klaren und deutlichen Gedanken ist allerdings ziemlich vertrackt.

tanz, auf der unser Wesen basiert. Und die Prozesse im Gehirn erst – sie erscheinen uns nebulös und geheimnisvoll. Unser Gehirn trickst und täuscht, fabuliert und schwindelt, um uns eine einheitliche, geradlinige, folglich sinnvolle Bewusstseinserfahrung vorzugaukeln. Keine Spur von Klarheit: Das Denken ist konzeptualisierbar als „Black Box“, als Kasten, der Informationen aufnimmt, sie irgendwie verarbeitet und Output generiert. „Feuern“ oder „Nicht-Feuern“

Um das Unbegreifbare beschreibbar zu machen, vergleichen Wissenschaftler Die allerklarste Erkenntnis, fand Descarunser menschliches kognitives System tes, ist die, welche wir von der Existenz manchmal mit einem Computer (oder unseres eigenen Geistes haben. Intuitiv besser: mit einem parallel arbeitenden würden auch wir zustimmen: Ich weiß Netzwerk aus verteilten Komponenten). doch wohl, wie ich selbst denke und fühStatt Nullen und Einsen codiert der le! Aber wir sind komplizierte Hybride, Rechner im Kopf jeden Gedanken, jedes auf gewisse Weise frei in Gedanken und Gefühl mit „Feuern“ oder „Nicht-Feutrotzdem unentrinnbar biologischen ern“ der rund 100 Milliarden Neuronen, Notwendigkeiten unterworfen. Deshalb die jeder von uns besitzt. Unglaublich zeigen Psychologie und Hirnforschung komplex ist das aus ihnen besteaus der außenstehenden Unser Gehende Gehirn-Netz: Eine einzelne Perspektive immer wieder aufs Nervenzelle kann viele Tausend Neue, dass wir eigentlich noch hirn trickst recht wenig Ahnung davon ha- und täuscht, Verbindungen haben, über die sie ben, was in dem geheimnisvol- fabuliert und Informationen vermittelt; insgesamt gibt es etwa eine Billiarde Kontakte len Raum zwischen unseren schwindelt zwischen allen Neuronen. Ohren wie vor sich geht. Auf fabelhafte Weise realisiert also das Rein optisch ist der organische DenkapZusammenspiel einzelner Komponenten parat in unserem Schädel wenig auf– von den Synapsen bis hin zu spezischlussreich. Gräulich-weiß, weich und alisierten Strukturen aus bestimmten schwabbelig, umwoben von einem Netz Gehirnteilen – die große Bandbreite aus faserigen Blutbahnen ist die Subs14


u nd schwabbelig der mentalen Fähigkeiten, zu denen wir imstande sind. Freude, Schmerzen, Überlegungen, Erinnerungen, Theorien, Geistesblitze und große Das bewusste Selbst als Resul- Werke: Sie alle gehen aus dem Dunst unvortat elektrostellbarer Mengen von chemischer elektrochemischen ImImpulse pulsen in der grau-weißen Substanz hervor. Auch die einzigartige Idee vom „Selbst“ entsteht so. Woher kommt unsere Sprache? Viele dieser mentalen Phänomene spielen sich sprachlich ab: Symbole sind das Medium unseres geistigen Daseins und machen uns dabei wesentlich als Menschen aus. Evolutionär geht die Entwicklung der menschlichen Sprache Hand in Hand mit anderen Fortschritten unserer Spezies. Was zuerst da war, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt: Führten komplexe soziale Kontakte zu mehr kognitiver Leistungsfähigkeit oder andersherum? In unserem Gehirn jedenfalls sind für sprachliche Fähigkeiten das Broca- und das Wernicke-Areal besonders wichtig, die bei den meisten Menschen auf der linken Seite liegen. Oft sind es mit Hirnschäden verknüpfte geistige Fehlfunktionen, die etwas über die Struktur unseres mentalen Systems verraten. Das Gehirn ist zwar weitgehend redundant konstruiert, sodass viele Teile auch einmal die Arbeit anderer Bereiche übernehmen können, aber bestimmte Strukturen sind für ihre jeweilige Funkti-

Nebulöses Geschwafel von Laura Schlingloff

on unerlässlich. Ein interessantes Beispiel dafür sind Aphasien, Störungen der Sprachfähigkeit. Bei Aphasie-Patienten wurden Teile des Hirns geschädigt (vornehmlich Broca- und Wernicke-Areal), weshalb sie Probleme damit haben, Sprache zu verstehen und zu nutzen – obwohl viele ihrer kognitiven Fähigkeiten intakt bleiben. Läsionen in den für Sprache relevanten Bereichen der rechten Gehirnhälfte können hingegen zum Beispiel zu Aprosodie führen – der Unfähigkeit, emotionale Signale sprachlich zu nutzen oder zu begreifen. Die Verständnismaschine Gehirn Aber wie bereits festgestellt, ist das Gehirn aufgebaut wie ein komplexes organisches Netzwerk, und so sehr sich Sprache ist weitaus mehr Neurowissenschaftler das auch wünschen, als nur effizient lassen sich die Facetten des Geistes nicht eindeutig bestimmten Hirnbereichen zuordnen. Meistens ist mehr involviert, als man denkt – bezüglich der vielfältigen Verbindungen tappen Hirnforscher oftmals noch im Dunkeln. Es ist auch fraglich, ob unsere Sprache jemals „entschlüsselt“ sein wird. Man darf nämlich nicht davon ausgehen, dass Sprache nur dem Informationsaustausch dient und wie bei einem Computer nur die minimale Menge an Information vom Sender codiert und vom Empfänger entziffert wird. Effizienz ist hier nicht unbedingt das wichtigste Kriterium. 15


soll, zu hoch gegriffen. Möglicherweise macht die Welt manchmal weniger Sinn, Im als unser mentales System es uns suggeHinblick auf riert. Und vielleicht spielt die Struktur ihre Funkder Sprache manchmal Klarheit vor, wo tion sind Gehirne keine ist. Etliche Denker des 20. Jahrunglaublich komplexe hunderts waren dieser Idee auf der Spur; VerständnismaschiLudwig Wittgenstein schrieb „gegen die nen: Mit ihnen können Verhexung unseres Verstandes durch die wir detailliert und Mittel unserer Sprache“ an. zuverlässig die Welt Der Gedanken- Wo soll man dann überhaupt einschätzen und Geschehnisse dunst weckt das nach Klarheit suchen? In der vorausahnen. Die Sprache erBedürfnis nach Struktur der Wirklichkeit? Im möglicht es uns noch dazu, uns Verständnis biologischen oder kognitiven in einer intersubjektiven Welt Setup des Gehirns und des voller Gedanken und Gefühle nuanBewusstseins? In der Logik der Sprache? ciert zurechtzufinden. Wir verdanken Und, noch viel wichtiger: Welche Art bedeutungsvollen Symbolen, Buchstavon Klarheit ist überhaupt erstrebensbenkombinationen, die arbiträr mit Sinn wert? Wird das menschliche Wesen gefüllt sind, unsere spezifische Situation nicht vielmehr durch die „Verhextheit“ in der Welt. Ganz einfach: Ohne Sprache unseres Geistes, durch Ungewissheit und wäre auch Selbstreflexion philosophisch, Unbestimmtheit ausgemacht? Trotzdem psychologisch, lyrisch kaum möglich. sind wir dazu gezwungen, um Klarheit Sie ist Ausgangspunkt und gleichzeitig zu ringen, auch wenn sie möglicherweise das wichtigste Werkzeug auf der Entaußer Reichweite bleiben wird. deckungsreise ins Innerste, denn der Gedankendunst in uns lässt erst das Eine Möglichkeit, das zu tun, ist MenBedürfnis nach Verständnis entstehen. schen schon seit sehr langer Zeit eigen: So hangelt man sich entlang wortgewaltidas Erzählen von Geschichten. Der ger Schöpfungskraft, um dem Wesen der Neurowissenschaftler Antonio Damasio Dinge auf den Grund zu gehen. argumentiert, „Geschichten zu erzählen ... ist wahrscheinlich eine Obsession Unklarheit aushalten des Gehirns und setzt vermutlich schon relativ früh ein ... Geschichtenerzählen Bisweilen allerdings schießt die Vergeht der Sprache voraus, denn es ist eine ständnismaschine Gehirn übers Ziel Vorbedingung der Sprache.“ Ob sprachhinaus. Die betrügerische Natur der lich oder vielleicht sogar vorsprachlich: Sprache lässt uns glauben, dass mit ihr Durch Geschichten entsteht für uns Sinn, eine reine, objektive Wahrheit prinzipiell auch wenn dieser sich oft in dunstigen zu finden ist – zum Beispiel schon, inGefilden bewegt. Unsere Narrative müsdem sie „wahr“ und „falsch“ voraussetzt. sen Unklarheiten und Mehrdeutigkeit Aber vielleicht ist Descartes’ Anspruch eben aushalten können. an Erkenntnis, die „clair et distinct“ sein 16


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Kathrin Bach

KOLIBRI

KOOG

insekten fliegen in meinen mund wie vögel nur ohne knochen ich ziehe sie auch die nase hoch mein mund also ein nest hat den wärmegrad deiner zunge ich fahre an der wiese vorbei an der mit dem löwenzahn ist die temperatur geschichtet wie in einem see heizt es kühlt am abend zieht dunst auf die käfer fliegen an mir vorbei zu einer anderen schicht wiese ich liege neben dir knistere

in diesen tagen setzt du nicht ab es gibt keine straßen mehr also musst du eine neue bauen die sandsäcke sind tiere geworden gut genährte seehunde zuhauf ich fange an die haut zu wringen du arbeitest tags nachts fließt wasser durchsucht die häuser nach schwimmern draußen lerne ich meine zunge als tauchsieder zu benutzen damit der laich es warm hat du musst erneut mit dem trocknen beginnen

Kathrin Bach, 1988 in Wiesbaden geboren, macht Sachen mit Wörtern – zur Zeit auch mit französischen. Lebt dazu in Marseille, wo es wenig Dunst gibt.

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Rabea Senftenberg

There is no reælity – until you mæke one. Rabea Senftenberg built her own universe. She prefers playing on different surfaces like walls, wood, stones, brick, canvæs, elephants, cotton, skin or pæper. Her wørk is inspired by this & thæt, club culture and party hedønism. Since 2010 she has been giving the Robot Army Berlin a visual ID. There are rumours that she´s a fæmous German politician with imigrætion bæckground but we think that´s just a hoax. 19


Susanne Schmidt

An welches Fenster klopfst du? Gierig löffelte die kleine Gesellschaft die dampfenden Suppenteller leer. Hier war kein Platz für Worte, nur das Schaben auf teurem Porzellan, das Schmatzen und Schlucken und schwere Atmen war zu hören. Der glatzköpfige Koch füllte jeden leeren Teller ungefragt wieder auf, bis sein Kessel kein Zwiebelchen und kein Faserchen Fleisch mehr hergab. Von wachsamen Blicken begleitet, schleppte er Kessel und Kelle hinaus in die angrenzende Küche. Mit jedem Hin und Her der morschen Schwingtür schlugen die Herzen der satten Gäste etwas langsamer. Kaum kam die Tür zur Ruhe, fielen alle Augen zu, rotwangige Köpfe sanken auf den Tisch oder an die Schultern des Nachbarn und ein Schnarchen und Grunzen erfüllte die Luft. „Deine Suppe war gut, sehr gut“, sagte Karl zu Francis und schlug ihr anerkennend auf die rauen Hände, dann nahm er sie fest in die Arme und küsste sie hungrig. Francis schob ihn weg wie eine lästige Fliege und stellte sich an die offene Durchreiche. „Bist du sicher, dass alle unterwegs sind? Was ist mit dieser mageren Frau dort, ich meine, sie bewegt sich noch?“ Karl schaute mit zusammengekniffenen Augen auf die schlafende Menge und küsste Francis erneut, bevor er flüsterte: „Die sind längst unterwegs. Komm, wünschen wir ihnen eine gute Reise. Höflichkeit ist eine Tugend.“ Sie lachten. Im stäubenden Mehl zwischen Zwiebelschalen und blanken Rindsknochen wälzten sie sich wolllüstig erst aufeinander, dann ineinander und erkundeten ein weiteres Mal die schier unendlichen Möglichkeiten der Körper. Die kleine Gesellschaft – zwei Frauen, zwei Männer – kämpfte sich zur gleichen Zeit durch den zähen Dunst der anderen Seite. Sie mühten sich durch tiefen Sumpf. Ihre Augen sahen kaum weiter als ihre kurzen Gedanken. Kein Widerspruch war möglich, kein Stehenbleiben oder Rasten. All ihr Streben richtete sich auf ein trübes Licht am Ende der Wegstrecke. Doktor Benjamin Schneider erreichte es als Erster, ließ sich einfach fallen in den Schein. Adele Becanté tat es ihm nach. Frau Brigitte Hinze und der Hosentritt Michael schleppten sich hinterher. Da lagen sie nun auf einem Fleck und jammerten. Allen tat alles weh, alle wollten getragen werden, gebadet, gesalbt und geliebt. Eine wogende Nebelwelle kündigte sie an: Kastania E. Bleich betrat den Ort. Ihr weiter Mantel schlug noch lange weiche Falten.

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Mit einer einzigen Handbewegung erschuf sie Thron, Tisch und Stille. Zitternd vor Begehren schaute die kleine Gesellschaft. Keine Bewegung wollte sie versäumen, keinen Augenblick, kein Nasenflügelflattern sollte ihnen entgehen. Kastania E. Bleichs Stimme durchschnitt die Luft, ein glänzend schwarzer Nachtkäfer verlor seinen Flug und fiel scheppernd auf den Rücken. Doktor Benjamin Schneider zerquetschte ihn sorgfältig und wischte das Käferfleisch mit seiner blauen Krawatte beiseite. „Wo wollt ihr hin?“ Diese Frage hallte durch ihre Köpfe, durch den Sumpf, bis an die Grenzen der anderen Seite und von dort wieder zurück. Die kleine Gesellschaft schwang hin und her und her und hin und drehte sich und schrie und hielt sich die blutenden Ohren. Die Frage durchdrang ihre Körper wie Wasser. „Wo wollt ihr hin?“ Und als niemand eine Antwort wusste oder wollte, erhob sich Kastania E. Bleich und schritt voran, durch die Gewächse hindurch, über die Erden hinweg. Ihr Mantel fegte ihnen einen glatten, klaren Weg. Die kleine Gesellschaft formierte sich, erst die Frauen, dahinter die Männer. Der Weg war lang, ob er auch weit war, vermochten sie nicht einzuschätzen. Die Beine schmerzten, die Schuhe zerrissen, Frau Brigitte Hinze verlor ihre Funktionswäsche und lieh sich den langen Kittel des Doktors. Adele sang ein leises Lied auf ihre Art. Der Hosentritt Michael wischte die halben Töne und zerklüfteten Melodien mit einem schmerzhaften Schulterzucken weg. Doktor Benjamin Schneider fühlte nur den eigenen Puls. Oben, am Rand der Klüfte, hielten sie an. Kastania E. Bleich hob gebieterisch die Hand und zeigte auf jede Einzelne, jeden Einzelnen. „Du, du, du und du – findet etwas oder verliert. Die Entscheidung liegt bei euch. Ihr habt Zeit bis 12 Uhr mittags.“ Aus dem Nichts schwebte ein Minutenzeiger über ihnen, die Ziffern zeigte der Dunst. Es war schwer zu sagen, wie spät es sein sollte, noch schwerer, wie viel Zeit bis 12 Uhr mittags blieb. Sie fingen an zu streiten, schlugen sich um die Zeit, konnten nicht verstehen, wollten nicht loslassen, nichts. Kastania E. Bleich klatschte in die Hände. „Schluss jetzt. Braucht, was ihr habt. Macht euch auf den Weg. Erfüllt die Erwartungen, erfüllt die Erwar-

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tungen nicht – was geschieht, wird, wenn es geschehen ist.“ Mit der nächsten Dunstwelle flog sie davon, aus den Augen, aus dem Sinn. Die kleine Gesellschaft schrie und jammerte, sie fühlten sich leer und klein. Der Hosentritt Michael nahm die beschlagene Brille ab, wischte sich die Tränen vom Gesicht und klopfte den Nebel aus dem Anzug. „Ich gehe jetzt.“ „Warte, nimm mich mit, lass mich nicht allein hier“, rief Adele Becanté und pustete ein Dunstwölkchen von ihrem Handgelenk. Frau Brigitte Hinze und der Doktor schauten herablassend zu, wie sich die beiden auf den Weg machten, stolperten, hinfielen, wieder aufstanden, weiterstolperten. Schließlich wurden sie vom Dunst verschluckt und nur noch schwache, ferne Töne wehten zum Doktor, zur Frau Hinze. Sie verachteten die gesamte Situation. Der Minutenzeiger schwang nach links und schwang nach rechts, niemanden interessierte ihre Verachtung. Und so blieben sie einfach hocken, spielten an sich herum, zupften an Lippen, knabberten an Ohrläppchen, strichen über das Weiche und Warme ihrer Unterschiede und richteten sich ein. Um sie herum sammelte sich der Nebel und wurde dichter, dichter stand schließlich still und starr. Sie versanken in sich, während sie im Dunst verschwanden. Adele Becanté und der Hosentritt Michael hielten sich fest, sie quetschten sich durch die Atmosphäre und gaben nicht nach. Es war ihnen egal, wie zäh und klebrig der Weg war. Die ganze kleine Gesellschaft war also in Bewegung, sie dachten nicht nach, sie wühlten und wagten ohne ein Wohin. Auf der anderen Seite fegte der glatzköpfige Koch die Küche. Francis kämmte ihre langen Haare über dem Kessel. Käfer und Spinnchen fielen in sanften Bögen zu eleganten Mustern. Als die morsche Schwingtür quietschte, sahen sie hoch. Kastania E. Bleich nahm den Kelch vom Tablett und trank in einem Zug; mit einer weißen Serviette tupfte sie die roten Tropfen aus den Mundwinkeln und warf sie zu den Kesseltierchen. „Sie sind unterwegs.“ Francis und Karl kicherten und schauten erneut auf die kleine Gesellschaft. „Sie sind unterwegs“, sagten auch sie und fegten und kämmten dann mit konzentrierter Sorgfalt weiter. Kastania E. Bleich schaute eine Weile zu, bevor sie sich verabschiedete: „Ich bin müde.“ 22


Und Karl lief voraus, um ihr die schwere Holztür zur Treppe zu öffnen. Auch die kleine Gesellschaft war müde. Sie hatten über all dem Stolpern und Knabbern Zeit und Sein vergessen. Als die Nebeluhr schlug Dung Dung Dung Dung Dung Dung Dung Dung Dung Dung Dung Dung sprangen sie hoch, mit jedem Dung taten ihre Herzen einen Sprung und die Füße sprangen mit. Danach war Stille. Hosentritt Michael und Frau Brigitte Hinze, Adele Becanté und Doktor Benjamin Schneider fanden sich zwischen allen Nebelfetzen und Dunstwellen vor einem Fenster wieder. „Klopft da wer?“, flüsterte Frau Hinze. „Da klopft doch niemand“, antwortete Doktor Benjamin Schneider. „Doch, jemand klopft, wir sollten öffnen, alles andere wäre unhöflich“, flüsterte Hosentritt Michael. Adele Becanté schaute die anderen an und wartete auf ihr Nicken, bevor sie das Fenster öffnete. Der glatzköpfige Koch reichte ihnen starke Hände. Sie waren verlegen, ihre Blicke rutschten über Schultern, fielen zu Boden. Statt einem Abschiedsgruß räusperten sie sich, nuschelten in Mantelkrägen, hüstelten in Wollschals. Die Frauen kicherten in Taschenspiegel, die Männer schlossen Knöpfe und Reißverschlüsse.

1976 kommt Susanne Schmidt aus dem Ruhrgebiet nach Berlin – seitdem zieht und zerrt die Stadt an ihr, macht aus ihr eine Autorin, Texterin, Vorleserin, Stadt-und Naturführerin, politische Aktionskünstlerin ... Ihre Geschichten haben alle einen Bezug zu Berlin und erzählen von der Last und der Lust. Besonders fasziniert sie Kunst, Politik, der öffentliche Raum und die wilde Natur mitten in der Großstadt. 23


Im Nebel der Ob der Bär, der einem sprichwörtlich aufgebunden wird, nun die Lüge als besonders große Last symbolisiert oder auf eine Notiz von Heinrich Heine über die Verfahrensweise mit Schuldnern in italienischen Restaurants zurückzuführen ist, bleibt unbekannt. Sicher überliefert ist dagegen, dass die Redewendung „jemandem einen blauen Dunst vormachen“ aus dem 16. Jahrhundert stammt.

dieses Konzept lassen sich zahlreiche Ausdrücke zurückführen. Auch wenn manche Forderungen unanfechtbar scheinen, können Argumente angegriffen werden und kann die Kritik ins Schwarze treffen, um den Streit zu gewinnen Metaphorische (oder zu verlieren). Du Konzepte sind bist anderer Meinung? kulturspezifisch Dann schieß mal los! Wichtig ist, dass wir nicht nur über einen Streit sprechen, als wäre er ein Kampf, sondern es auch so empfinden. Viele unserer Konzepte sind kulturspezifisch. Es ist durchaus denkbar, dass ein Streit in anderen Kulturen als etwas anderes angesehen wird, z. B. als Tanz. Da dies aber nicht mit unserer Konzeption von Streit übereinstimmt, würden wir Auseinandersetzungen in einer solchen Kultur schwer bis gar nicht als Streit interpretieren. Es würde unserem Denken zuwiderlaufen.

Da verwendeten nämlich Zauberer auf Jahrmärkten blauen Dunst, um ihre Tricks vor dem Publikum so zu verbergen, dass diese eben wie Zauberei schienen. Redensarten wie diese zeigen, dass der Gebrauch von Metaphern nicht nur auf die Literatur beschränkt ist. Kognitions- und Sprachforscher haben Metaphorische Konzepte bestimdie These entwickelt, dass die Metaphern men unseren Alltag Bildhaftigkeit der Sprache gibt es nicht auf metaphorische Konzepte Ein weiteres Beispiel für ein wichtinur in der in unserem Denken zurückges metaphorisches Konzept ist die zuführen ist. Ein Beispiel für Literatur sogenannte conduit-Metapher. Sie ein solches metaphorisches beschreibt unsere Sprache über Sprache, Konzept ist ein Streit ist ein Kampf. Auf

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Metaphern die überwiegend durch folgende Konzepte gekennzeichnet ist: Ideen (oder Meinungen) sind Objekte. Sprachliche Ausdrücke sind Behälter. Kommunikation ist Senden. Ein Sprecher fasst Ideen und Meinungen in Worte und übermittelt sie einem Zuhörer, der wiederum die Ideen den Nicht-kompatible AsWorten entnimmt. Für pekte werden das Englische wurden über hundert Ausdrücke verdeckt gefunden, die mit diesen Konzepten erklärbar sind, was ungefähr 70 Prozent der Ausdrücke umfasst, die für das Sprechen über Sprache genutzt werden. Auch im Deutschen lassen sich schnell Beispiele finden: Zu Beginn hatte ich den Eindruck, seine Worte trügen wenig Bedeutung, sie klangen hohl. Also riet ich ihm, zu versuchen, mehr Dinge in weniger Worte zu packen. Wenn er eine gute Idee habe, solle er sie sofort in Worten festhalten. Er entgegnete, es falle ihm schwer, seine Ansichten in Worte zu packen. Als seine Argumente endlich zu mir durchgedrungen waren, wurde mir klar, die Idee hatte er von mir. Betrachtet man alltägliche sprachliche Ausdrücke genauer, finden sich noch viele weitere solcher metaphorischen Konzepte, bei denen ein Konzept (z. B. das des Behälters) seine Eigenschaften teilweise auf ein gänzlich anderes, hier abstraktes Konzept (das des Wortes) überträgt. Wir finden Zeit ist ein wertvolles und begrenztes Objekt/Zeit ist Geld (ich habe keine Zeit mehr, das kostet Zeit, ich schenke dir meine Zeit), fröhlich/

Ein Beitrag aus der kognitiven Linguistik von Judith Daute gut gelaunt ist oben (er ist in Hochstimmung), schlecht gelaunt ist unten (ich bin niedergeschlagen, meine Laune sinkt). Blauer Dunst im Kopf Über die metaphorischen Konzepte spielt unser Denken mit uns und lässt nur eine bestimmte Sichtweise auf Dinge zu, während es andere Aspekte, die mit der Metapher nicht kompatibel sind, verdeckt. Wenn wir im Streit versuchen, die Verteidigung unseres Gegners zu durchbrechen, um an Boden zu gewinnen, verlieren wir den kooperativen Aspekt eines Streits aus den Augen. Wir könnten auch anerkennen, dass unser Gegner uns seine Zeit (ein kostbares Gut) schenkt im Bestreben, wichtige Meinungen und Ideen zu übermitteln, indem er mit uns streitet. Doch dadurch, dass das Konzept des Streits in unserem Denken teilweise durch Eigenschaften des Konzepts Kampf definiert ist, gehen diese Aspekte verloren. Unser Denken lässt uns also nur bestimmte Dinge sehen, während es andere verdeckt – ganz ähnlich wie der blaue Nebel der Zauberer auf dem Jahrmarkt. Quellen: George Lakoff und Mark Johnson (2011): Metaphors we live by. University of Chicago Press. Chicago u. a. Dudenredaktion (2014): Wer hat den Teufel an die Wand gemalt? Redensarten – Wo sie herkommen, was sie bedeuten. Bibliographisches Institut. Berlin. 25


Axel Straube

überfahrten für Fabian während horizont und meer ineinander fließen die wellen das wasser, der wind vom schiff eine möwe fliegt vor und zurück und fliegt vor und die tage während küste und welle aneinander brechen die flügel der möwe, die lerche in erdbraunen federn kündet vom land und vom morgen, vom land und wie flüsse während nebel und tag auseinander tropfen an fenstern aus spiegeln, aus lampen die helle steigt langsam ein lied und ein klagen, ein lied und in meere

Axel nutzt Lyrik als verdichtetes Gegengewicht zum Alltag eines studierenden Chemikers. Außerdem ist er Wahl-Leipziger, Wahl-Waliser, Wahl-Tenor und wahlweise Optimist, Realist oder Pessimist. Manchmal auch alles auf einmal. 26


André Patten

WOLKEN sind in der Regel grau wenn man nicht in den Süden fährt flüchtig stoffen sie den Himmel voll versammeln Sprache und Zeigefinger alle Kräfte der Beschreibung bevor der Tunnel in die Tram fährt

SEENEBEL versanden im Licht, wo Schiffe verschwimmen und resistente Möwen kamikazen dringender, hysterischer stürzen sie durch den toten Winkel auf zwei Stückchen Brot

André Patten, geboren 1984 in Neuss, ist Mitgründer des Autoren- und Künstlerkollektivs F ANG und arbeitet aktuell am Theater und als Texter in Köln. Veröffentlichungen in verschiedenen Zeitschriften, zuletzt in Der Greif #7 und im möchte magazin der Bauhaus Universität Weimar. Gewinner des fünfzehnminuten-Festivals 2013, 3. Platz beim Wettlesen des Kölner Literaturateliers 2013, Mitwirkung an zahlreichen performativen Lesungen in Deutschland und Österreich. 27


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Mikael Vogel

Die Kihansi-Gischtkröte Zwei Zentimeter klein, gelb Lebte sie in der Gischt unter einem achthundert Meter tief fallenden Wasserfall im Regenwald des östlichen Tansania. Ein Staudamm schrumpfte 1999 ihren Wasserfall zum Rinnsal, ihr Lebensraum, das Kleinste bislang bekannte Habitat eines Wirbeltiers, verschwand. In der Wildnis ausgeStorben, überdauert nur im Bronx Zoo und im Toledo Zoo in den USA. Die Idee für eine Wiederauswilderung: Sprenkleranlagen

Mikael Vogel, 1975 geboren, lebt in Berlin. Im Verlagshaus J. Frank, Berlin, erschien sein vierter Gedichtband Morphine. Das hier abgedruckte Gedicht stammt aus einem vor Kurzem beendeten neuen Gedichtband über ausgestorbene Tierarten: Dodos auf der Flucht.

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Sophia Melone

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Werbung Ende

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Sophia Melone, geb. in Berlin, macht Illustrationen, Drucke und künstlerische Arbeiten. Sie studiert Textil- und Flächendesign an der Kunsthochschule Weißensee. Kontakt: sophiamelone@gmail.com.


Thomas Glatz

Meine Poesie ist klein – Sie wird am Küchentisch geschrieben. Mein Gedicht ist mein Küchenmesser. Nur manchmal langsam steigen Worte auf wie Kaffeeduft Der am Morgen Tote zum Leben erwecken zu scheint Zur Dunstabzugshaube.

Glatzrast Als ich mit dem Wagen durch Benediktbeuren fuhr, fiel mir an einer Hauswand eine Lüftlmalerei von Goethes Rast in Benediktbeuren im Jahre 1796 auf. Stell dir vor, du bist Dichter und zweihundert Jahre später wird an einem Gebäude ein Display angebracht, das auf deinen Aufenthalt hinweist! Hier aß der Dichter Thomas Glatz eine Portion Pommes. Hier hat der Dichter Glatz Geld abgehoben. Hier war der Dichter Glatz in zahnärztlicher Behandlung. Was tun? Kein Tagebuch führen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schlechte Texte schreiben! Gar nicht erst berühmt werden!

Thomas Glatz studierte Soziale Arbeit und Bildende Kunst. Er arbeitet in den Bereichen Hörspiel, Bilderwitz und Konzeptkunst. Herr Glatz erhielt 2010 das Literaturstipendium des Freistaats Bayern für Parken nur Café Frühtau. 34


Sven-Eric Zahl Zwischen Dunst und Mottenkugeln! Nur eine tote Kuh war eine gute Kuh, überlegte sich der nur mit einer Strickjacke bekleidete Mann, während er das Balzverhalten zweier Motten verfolgte, die erregt um die altmodische Küchenlampe flatterten. Gnadenlos einsam war er, wie er so in der dunstigen Szenerie seiner schummrigen Beleuchtung saß und glückliche Flugtiere anglotzte. In diese trübsinnige Stimmung stolperte mit der Ungeschicktheit tausender Zirkusclowns Fritzler, der Schwager des Mannes, der einst Waldemar Potgornin in nur drei Sätzen besiegte. Sie lauteten: Deine Frau gefällt mir! Ich sehe besser aus als du! Ich werde sie mitnehmen, denn ich habe viel Geld! Er hielt ein Handy aus den Anfangsjahren der Mobilfon-Entwicklung in der Hand und fiel über den Läufer, der im Flur lag. Schimpfend erhob sich dieser, rückte seine Startnummer zurecht und setzte den Marathon fort, den er hier gestern Abend erschöpft unterbrochen hatte. Die angestrebte Platzierung unter den ersten Zweihundert galt heute aber als aussichtslos. Fritzler registrierte es ohne größere Verwunderung und marschierte in die Küche. „Träumst du?“, fragte er seinen Schwager, erwischte eine Motte mit der knubbligen Antenne seines Uralt-Handys und stellte somit das Gleichgewicht zwischen Freud und Leid wieder her. „Was hast du getan?“, stieß der Mann hervor und hob das arg demolierte Insekt auf. Sein Schwager lachte blöd, hielt sich einen Kochlöffel ans Ohr und fragte immer wieder in verschiedenen Tonlagen „Wer ist da? Wer ist da?“ Von einem Stapel Kochrezepte wehten Knödel in Senfsoße herüber. Jens-Jörge, wie der Mann mit der Strickjacke hieß, fing das Blatt und wickelte das Tier darin ein. Dann schüttelte er es vorsichtig, damit kein Senf heraustropfte und öffnete es wieder. Die Motte flog benommen, aber heil durch die von Staub neblige Luft zu seiner Partnerin zurück, die noch geduldig die Lampe umkreiste. Fritzler goss sich ein Glas Saft ein und leerte es in einem Zug. In Aachen musste er umsteigen, also war Eile geboten. Jens-Jörge ging mit und erhöhte um dreißig. „Tolle Party!“, schmiss er seinem Schwager entgegen und verschwand an einen Ort, den nur er kannte. Die Tür klappte leise ins Schloss und König Stille gewann die Oberhand. Das Flattern der Flügel unterhalb der Decke sprang übermütig durch die gesamte trübe Wohnung. Innerlich aufgewühlt spülte der Schwager das Glas ab und fütterte sein Handy mit Nichtigkeiten, die nur er für interessant hielt. Dann ging er schlafen. ENDE

Sven-Eric Zahl, geboren 1964 in Berlin, gelernter Bankkaufmann, seit 1999 in der Werbebranche tätig. Schrieb die meisten seiner Texte in den 80er Jahren, danach folgten mit eigenen Fotos bebilderte Reiseberichte. Zu seinen favorisierten Autoren zählen Max Goldt, Bill Bryson und Terry Pratchett.

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Jannis Poptrandov

„ACHTUNDFÜNFZIG MILLIONEN SCHWEINE werden jährlich in Deutschland geschlachtet“, sagt er. „Europarekord.“ „Ja?“, sage ich. „Ja“, sagt er. Wir sitzen in der Vorhölle namens Ess-Station. Irgendwo im sechsten oder siebten Hinterhof. Ab 4:00 Uhr gibt es hier Hackfleischbrötchen mit Majo und Eiersalat oder wahlweise XXL-Buletten.

„Ich habe meinen eigenen Becher dabei“, sage ich. „Also zahle ich nur dreißig Cent.“ „Zum Mitnehmen macht fünfzig Cent.“ „Ja, aber zum Hiertrinken dreißig.“ „Zum Mitnehmen macht fünfzig Cent.“ „Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass sich die Mehrkosten in Höhe von zwanzig Cent durch das Bereitstellen eines Pappbechers erklären, was sich, und das müssen Sie wohl zweifelsohne zugeben, in meinem Fall erübrigt.“ „Claudi – der hier hat seinen eigenen Becher dabei!“

Die Plastikstühle sind hart und die Tapete war früher mal weiß, jetzt ist sie gelbgrau und an manchen Stellen bricht Unkraut durch.

„Nee – dit jeht nicht“, brüllt Claudi von hinten. „Kann er sich gleich abschminken. Wenn sich dit rumspricht, kommt hier jeder mit ’nem eigenen Becher anjedackelt.“

Tayfun zupft an seiner Kappa-Trainingsjacke und fragt, ob ich Gras benötige und ich sage: „Danke, nein.“

„Macht dreißig Cent.“

„Fünfundsechzig Kilo Fleisch isst der Deutsche im Jahr“, sagt er. „Muss kurz was erledigen“, sage ich.

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„Macht fünfzig Cent“, sagt die Dicke hinter der Theke.

Ich laufe zur Theke und bestelle Kaffee zum Mitnehmen.

„Gut, dann geben Sie mir einen Kaffee zum Hiertrinken.“ Die Dicke werkelt an der FünfhundertLiter-Kanne und schwups schon knallt sie die Tasse auf die Theke. Ich schlendere zurück in den Raucherraum. Tayfun drückt seine qualmende Zigarette auf dem Plastiktisch aus. „Sicher?“, sagt er.


Ein Boxer läuft vorbei, er mustert die anwesenden Kanaken und setzt sich in die hintere Ecke.

Salamibrötchen und sie bestellten hustend Grützwurst und plötzlich stand John Stymer an der Tür und Johnny Boy flüsterte mir etwas aus seinem Nexus-Monolog ins Ohr.

„Nazi-Sohn“, sagt Tayfun. „Elektriker. Schon seit Ewigkeiten in der Maßnahme.“

Ist es nicht offenbar, dass unsere ganze Lebensweise eine Hingabe an den Tod ist?

Im Raucherraum sind jetzt sämtliche Stühle besetzt, es ist eng und verqualmt und es gibt keine Fenster, die Gesichter werden täglich bleicher und bleicher und manchmal landet eine vertrocknete Kakerlake in der XXL-Bulette, macht nix, sagen die arbeitslosen Maurer und Müllkutscher und Estrichleger, Kakerlaken enthalten jede Menge Proteine und außerdem knackt es so schön beim Kauen, im dritten Hinterhof rammte letztens eine Krähe ihren Schnabel in die Augen einer zuckenden Ratte, einige dieser traurigen Clowns warfen Steine nach der Krähe und alle lachten und noch mehr Steine wurden geworfen und dann setzten sie sich in den Rauch, zu ihrer Bohnensuppe und ihren

Ich blicke zur Tür.

„Was?“ „Dass du kein Gras brauchst?“

Nein. Heute steht er nicht dort. Hat wohl was Besseres zu tun. Vielleicht Tee trinken mit Henry Miller. Oder angeln. „Ich habe den ganzen Winter über Schnee geschippt“, sagt Tayfun. „Vier Monate lang. Als ich zum Büro der Firma gehe, um mein Geld zu holen, ist das Büro nicht mehr da. Nur ein leerer Raum. Ich arbeite nie mehr wieder für einen Türken.“ Ich kippe den Kaffee in meinen Becher. „Stimmt es, dass du gefeuert wurdest, weil du deinen Chef nicht gegrüßt hast?“, sagt er. „Ja.“ „Wo war das?“ Ich nenne den Namen der Firma und eine Stimme sagt: Okay, Frühstückspause ist zu Ende, und wir laufen zurück 37


zum Bewerbungstraining, dieser Windows-98-Farce, durch sechs oder sieben Hinterhöfe, wir, die Armee der Arbeitslosen, die Brigade des Niedergangs westlich zivilisierter Zustände, die Randnotiz des boomenden Kapitals und stündlich tauchen neue Gesichter auf und der Debütroman von Vea Kaiser spielt in einem Bergdorf oben in den Alpen, das Zicklein ist spurlos verschwunden und die Bewohner des Dorfes machen sich große Sorgen und Vea Kaiser wird von Giovanni di Lorenzo hofiert, Vea Kaiser wird von Denis Scheck gelobt, Vea Kaiser sitzt bei Marcus Lanz und sagt: Die drei Dinge, die mich richtig glücklich machen, sind Stöckelschuhe, Fußball und Altgriechisch, und ich hebe einen Stein auf und suche die verfluchte Krähe, aber sie ist nirgends zu sehen.

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Jannis Poptrandov, 39 Jahre alt, halb Grieche, halb Bulgare, geboren im UrbanKrankenhaus. Nach Rumgetingel durch die halbe Stadt nun wieder in Kreuzberg wohnhaft, keine Ahnung, wie er das geschafft hat. Hier und da kleine Veröffentlichungen, immer weiter und weiter, bloß nicht nachdenken.


Clemens Schittko

In diesem einzeiligen Gedicht kann man nicht zwischen den Zeilen lesen.

Clemens Schittko. Geboren 1978 in Berlin/DDR. Ausgebildeter Gebäudereiniger und Verlagskaufmann. Arbeitete u. a. als Fensterputzer und Lektor. lauter niemand preis für politische Lyrik 2010. Letzte Buchveröffentlichung: Und ginge es demokratisch zu (SuKuLTuR, Berlin 2011). Lebt in Berlin(-Friedrichshain). 39


Valentin Moritz Dunst (Auszug) Er ist ja vier Jahre dort gewesen, vier Jahre in den Schützengräben der Westfront, vom Anfang bis zum Ende. Später ist er dann krank geworden. Wegen der ganzen Entbehrungen. Und als ich ungefähr fünfzehn war, hat mein Vater sein Bett schon nicht mehr verlassen können. Frühjahr 1927, ein außergewöhnlich milder Tag. Der Alte hat sich frühmorgens einen Rucksack angeschnallt und den fünfjährigen Sepp auf das Velo gepackt. Obwohl der Weg holprig ist und der Vater beim Treten dem Bub immer wieder in die Seite stößt, ist der Sitz auf der Längsstange des Fahrrads der gemütlichste Ort, den sich der Sepp vorstellen kann. Er schaut in der Gegend umher, Bach, Felder, Wald; gut hält er sich am Lenker fest, links und rechts die großen Hände des Vaters, der so harzig und moosig riecht wie die Umgebung, und es ist ein bisschen so, als umarme er den Sohn für die Dauer der Fahrt. Seit einem Jahr ungefähr nimmt der Alte seinen Größten hin und wieder auf dem Fahrrad mit, wenn er zur Kirche, zu einer Versteigerung oder einer Versammlung nach Schwörstadt runter fährt. Wie immer ist es auch heute mühsam; in den Steigungen des Weges schnauft der Vater, es rasselt in ihm drin bei jedem Atemzug. Als die letzte Anhöhe erreicht ist, steigt der Vater ab, zittrig, mit einer sonderbaren Blässe in den Augen, und der Bub weiß nichts zu sagen, soll ja nicht dumm fragen immer, beobachtet bloß den stummen Tropfen an der Nasenspitze seines Vaters. Dann geht es den steilen Hang hinunter. Der Vater versucht, das Rad in der rechten Fahrspur zu halten, und unten, in der letzten Kurve vor Schwörstadt, wo in der Senke zwischen hohen Bäumen wie fast immer zur Frühjahrszeit ein Nebel hängt, wo die Sicht plötzlich schlecht wird, es sich kalt und feucht auf Gesicht und Finger legt und wo über ihnen milchig sich die Sonne durch die Schleier kämpft, rollen sie hinein und durch; der Sepp denkt an den Milchtropfen in den Augen seines Vaters. Und dies ist, woran er sich später, viel später vielleicht noch erinnern wird: dass nicht nur Fahrrad- und Panzerketten rasseln; dass die Sonne, wenn man tief in sie hineinblickt und die Augen schließt, sich auf dem Innern der Augenlider abzeichnet und dort für eine Weile kleben bleibt, und dass sich eine Krankheit über einen Menschen legen kann, ermattend, kalt und trübe wie ein diesiger Nebel, fast unmerklich mit den Jahren um die Ecken schleichend. Meine Eltern haben sich nach dem Krieg kennengelernt und geheiratet ... Und 1922, als sie schon vierzig war, bin ich geboren worden. Meine drei Geschwister folgten in den nächsten vier Jahren ... Wir hatten gute Eltern und kaum Probleme in der Schule. 40


Weil der Kleine bei der Versammlung nicht dabei sein darf, scheucht der Vater den Sepp fort. Aber die Feuerwehrwagen im Spritzenhaus darf er sich von den größeren Burschen zeigen lassen und ihnen beim Fußball zuschauen. Zum Mitspielen ist er zu klein, sagen sie, es geht halt nicht. Und weil er aus Niederdossenbach ist ... Später kommen die Bauern lärmend aus der Sitzung raus, die meisten gehen in die Wirtschaft auf einen Schoppen oder zwei. Der Vater vom Sepp aber ist ziemlich stinkig, will gleich wieder los, meckert in sich hinein, der Käser, der blöde Sack, und der Tropfen an seiner Nase wackelt hin und her und fällt erst, als den Alten ein Hustenanfall packt. Auf dem Nachhauseweg kein Wort, nur irgendwann ein Auto. Der Vater hält am Wegrand, steigt ab, hebt die Hand zum Gruß, der Wagen braust vorüber, der Sepp verdreht den Kopf, zurück bleibt nur ein rußig-öliger Geruch. Der Bauunternehmer Mayer in Schwörstadt hatte eins. Der Schuhmacher hatte eins. Sonst eigentlich keiner. Verrückte Kisten sind das gewesen, Marke Auto-Union oder Opel Laubfrosch vielleicht ... Einmal im Jahr, am Weißen Sonntag, ist immer einer von denen aus Schwörstadt hochgefahren und hat diejenigen, die in der Kirche singen sollten oder Weißen Sonntag hatten, mitgenommen. Die Eltern sind meistens gelaufen. Die Kinder wollten natürlich alle mit ... Eine Gaudi war das! Der Karren kam ins Dorf hoch, man hörte ihn schon von Weitem, und dann sind alle aufgesprungen ... Während der Fahrt ist es eigentlich ganz gut gegangen, doch am Hof angekommen, bricht wieder ein Husten aus dem Alten hervor, in trockenen, schmerzhaften Stößen. Es steckt was in ihm drin, doch will es dort nicht raus. Mein Vater war bei der Infanterie. Ausbildung in Offenburg, dann Westfront. Elsass, Verdun, Reims ... Ich erinnere mich, dass er uns Kindern erzählt hat, wie es plötzlich mal einen Granateneinschlag gab, direkt neben der vierspännigen Lafette, die er gerade fuhr ... Zwei der Tiere waren sofort tot. Die anderen beiden mussten wegen der schweren Verletzungen erschossen werden. „Ich kam mit dem Leben davon“ – mehr hat er dazu nicht gesagt. Und auch sonst hat er nie viel erzählt. (...) Valentin Moritz wurde 1987 im Südschwarzwald geboren, zwanzig Jahre später Studium der Germanistik, Hispanistik und Literaturwissenschaft in Berlin. 2012 Teilnehmer des vom Peter-Szondi-Instituts der Freien Universität Berlin ausgerichteten Autorenkollegs bei Rainald Goetz. Seitdem auf kleineren Berliner Lesebühnen zu Hause – als Gast, Organisator und als Lesender. 41


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Jana Volkmann Biester Es war so ein Wetter, bei dem nicht einmal die Wäsche in der Wohnung richtig trocknen wollte. Die warme Regenluft machte alles klamm. Marlene spürte sie auf der Haut. Der Wetterwechsel hatte sie empfindlich gemacht für solche Kleinigkeiten, für alles Wesentliche fehlte ihr dagegen der Sinn. Sie hatte eine Tablette gegen die Kopfschmerzen genommen, aber die Begleiterscheinungen blieben. Die Haut zwischen ihren Fingern juckte. Sie spreizte die Hand und dachte an Schwimmhäute. Ohne es zu bemerken, begann sie sich zu kratzen und hörte erst damit auf, als die Haut ganz rot geworden war. Das Pochen unter der Stirn legte wieder los, am Fenster brummte eine Fliege, schlug gegen die Scheibe. Die Fliege rieb ihre Arme aneinander. Vor dem Fenster liefen ein paar Köpfe unter Regenschirmen vorbei, mehr sah sie nicht von den Passanten. Die Fassaden der Nachbarhäuser verschwanden im Dunst. Sie würde noch Zigaretten kaufen müssen, dachte sie noch. Dann kam es anders. Er klingelte an der Tür. Marlene hatte so eine Ahnung gehabt, dass er bald wieder auftauchen würde. Die Möglichkeit, dass er vielleicht nicht allein sein würde, hatte sie hingegen nicht bedacht. Karen wirkte scheu, fast ängstlich, wie sie da neben Manuel stand, und für einen langen Augenblick wusste niemand so recht, was zu tun oder zu sagen war. Marlene hasste solche Situationen. Sie schämte sich für ihn, für sich, vor der anderen, die nicht aussah, als sei sie immer so blass und ernst, so unsicher. Die Kopfschmerzen kamen und gingen, unter ihrer Schläfe pochte es, dann war es wieder still. Sie war kurz davor, die beiden freundlich hinauszubitten, aber in Karens Blick lag etwas, das sie gefangen nahm. Sie stellte sich vor, wie die beiden einander begegnet waren. Wahrscheinlich hatte er sie ins „Bateau Ivre“ eingeladen. So, wie er eben alle ins „Bateau Ivre“ einlud. Dort merkte man nichts vom Wetter und auch nichts davon, dass der Sommer vorbei war. Marlene sah deutlich vor sich, wie alles abgelaufen war. Ein wenig seitwärts, fast aus dem Augenwinkel, sah Manuel Karen beim Trinken zu. Sie hatte Wein bestellt, einen spanischen mit einem eigenartigen Namen. Ihm hatte gefallen, wie souverän sie ihn aussprach. Es klang ganz mühelos. Er mochte auch ihre Art, das Glas am Kelch zu halten, wohl, weil er dann ihre Finger sehen konnte, die ihm gefielen, weil sie so schmal und weiß waren. Sie hatte die Nägel in einem Rot lackiert, das fast zu aufregend war für ein solches erstes Treffen, und sie sah ihm zu, wie er ihr zusah. So ein Rot verrät viel. Es erzählte jedenfalls mehr als die Worte, die sie sprach. Er erfuhr, was Karen machte, wie sie ihre Tage verbrachte, wo 43


sie arbeitete und was, und dass sie seit ein paar Monaten allein war. Ohne Freund. Er legte keinen Wert auf diese Erklärungen, aber er unterbrach sie nicht, schließlich wollte er sie weder verärgern noch ihren Redefluss stören. Sie hatte die linke Hand auf der Tischplatte abgelegt. Die roten, runden Nägel an der hellen Hand auf dem weißlackierten Holz ließen ihn an die japanische Flagge denken. Sie redete, er starrte. Das ging eine ganze Weile so weiter, ihr fielen immer neue Dinge ein, die sie erzählen konnte, und er entdeckte immer mehr an ihr, das ihn berührte. Es dauerte lange, bis es ihm zu viel wurde und sein Verlangen, ihr die Worte mit der flachen Hand aus dem Kopf zu schlagen, lauter wurde als ihr Gerede. „Ich weiß, wo wir hingehen“, sagte er, lächelte und stand auf. „Wohin denn?“ Karens Blick war zum ersten Mal, seit sie miteinander sprachen, schwer zu deuten. Er meinte, darin eine große Neugier zu sehen. Und eine noch größere Angst vor dieser Neugier. Er war nicht sicher, was er lieber mochte. Ihr Gesicht gefiel ihm viel besser ohne die Sicherheit, die zu Beginn darin gelegen hatte. „Du hast mir geschrieben, dass du gern ein paar Dinge ausprobieren möchtest. Also komm. Lass uns etwas ausprobieren.“ Die Gehwege auf der Oranienstraße waren viel zu schmal, selbst bei diesem Wetter drängelten die Leute umher. Karen ging hinter ihm. Er griff ihre Hand und ließ sie auch dann nicht los, als sie längst in einer ruhigen Seitenstraße nebeneinander liefen. „Sag schon. Wohin gehen wir?“ „Ich habe eine Bekannte. Wir besuchen sie. Jetzt. Du hast geschrieben, du würdest gern wissen, wie das ist mit einer Frau. Find’s raus.“ Und nun waren sie hier. Marlene ging auf die andere zu und nahm ihr die Jacke ab. Betrachtete die weiße Haut in ihrem Nacken und am Hals, auf der ein paar dunkle Muttermale saßen. Wie das Negativ einer Sternenkarte, dachte sie noch, und das war der letzte klare Gedanke für diesen Abend. Er hatte das schon ein paarmal gemacht – Frauen mit zu ihr gebracht. Er wusste, dass ihr das gefiel, und dass sie ihn am nächsten Morgen gehen lassen würde ohne Aufregung, ohne Drama, ohne langes Reden. Aber es war nie so gewesen wie mit Karen. Sonst war es ein ewiger Kampf um die Mitte gewesen, denn wer in der Mitte lag, hatte die besten Chancen, den Wettstreit um Aufmerksamkeit zu gewinnen. Den Platz in der Mitte zu ergattern war ein Sieg. Wer in der Mitte lag, der hatte nicht den kalten Raum im Rücken, sondern immer die Haut der anderen. Wer in der Mitte lag, hatte die anderen wie ein Schutzschild um sich herum, ein Exoskelett. Mit Karen gab es keinen solchen Wettkampf. Mit Karen waren sie zum ersten Mal ein verschlungenes, sich selbst verschlingendes Biest mit drei 44


Köpfen, drei Zungen, sechs Armen, die das andere in sich erkundeten, als wäre es nicht fremd. Marlene streichelte über Karens Bauch, als er in ihr war, sah ihr in die Augen, sah ihre Sternenkartenhaut an, und Karen hielt sich an Marlenes Arm fest und hielt ihrem Blick stand. Auch, als Marlene die Hand um ihren Hals legte, ohne zu zögern zudrückte und ihrem Gesicht ganz nah kam mit dem ihren. Manuel küsste sie, gierig, glücklich, beide küsste er, nacheinander, nur dass es eben kein Nacheinander mehr gab. Sie waren gleich. Gleichzeitig. Die Nacht dauerte lang. Sie blieben. Erst als die Gäste schliefen, gab es wieder eine Mitte. Karen lag dort, erschöpft und verschmiert. Sie schlief auf der Seite, auf derselben wie Manuel, und beide hatten Marlene den Rücken zugewandt. Ihr Schlaf hatte etwas so Sorgloses und Unbeschwertes, dass Marlene unter der Last ihrer Seligkeit lange keine Ruhe fand, obwohl ihr Körper erschöpft war. Als gäbe es in diesem Raum nur noch Glück für zwei. Irgendwann sanken ihre Augenlider ganz von selbst. Sie wurde wach von etwas, das sie an der Wange kitzelte, das dort krabbelte und kratzte. Mit Grauen dachte sie an die Fliege am Fenster, mit ihren langen Fliegenbeinen. Aber als sie die Augen öffnete, sah sie, dass es nur Karens Haare waren, die sie kitzelten, ihr Lockenkopf bewegte sich sacht im Takt ihres Atems, seines Atems, und Marlene hätte für einen kurzen, kleinen Augenblick einiges dafür gegeben, wenn zufällig eine Schere auf ihrem Nachttisch gelegen hätte. Aber dieser Augenblick war schnell vorüber. Karen wachte nicht auf, als sie ihr die Haare beiseite strich und sie von hinten umarmte. Marlene konnte nämlich sehr sanft sein, und ihre Hände waren federleicht.

Jana Volkmann wurde 1983 in Kassel geboren, hat in Berlin studiert und lebt und schreibt seit 2012 in Wien. Sie war bei unterschiedlichen Lesebühnen aktiv. 2012 erschien ihr Debüt Schwimmhäute im Periplaneta Verlag. 45


Im Raucherbereich. Über L Der assoziative Sprung von „Dunst“ zu „Dunstkreis“ ist nur ein kleiner, lenkt aber mitten hinein in das Schlachtfeld Szene. Kaum ein anderer Begriff wird so kontrovers be- und abgenutzt im Diskurs von Eigen- und Fremdwahrnehmung, von Zugehörigkeit, Lokalität und Identität der Kreativen dieser Stadt. Dazu gehören nicht zuletzt die jungen Autoren. Jan Skudlarek und Peggy Neidel stellten im November 2013 in der Lettrétage in Kreuzberg zusammen ihre Debüts vor – unter dem Titel elektrosmog/ weiß. Für uns ein entzückender semantischer Anlass, mit zwei jungen Lyrikern über die Umstände der Umstände zu sprechen ... Interview: Mena Koller und Anneke Lubkowitz Hat euch die Doppelpremiere eurer Bücher zusammengeführt oder kanntet ihr euch vorher schon? Jan Skudlarek: Wir sind seit einiger Zeit befreundet. Peggy Neidel: Wir sind auch zusammen in einer Berliner Textwerkstatt. Wir treffen uns einmal monatlich und arbeiten in einer Gruppe von Autoren gemeinsam an unseren Texten. Die Lyrik ist ein kleiner Bereich, eine kleine Szene, man kennt sich untereinander. 46

JS: Ich glaube, der Teich ist einfach kleiner, wenn man so möchte. PN: Ja, dadurch ist auch ein anderer Zusammenhalt da.

„Es ist wichtig, nicht nur im eigenen Dunstkreis zu arbeiten“ - Peggy

JS: Die Textwerkstatt ist entstanden aus ehemaligen Open-Mike-Teilnehmern. Ich finde es wichtig, Kollegen zu haben, deren Meinung man vertraut und deren Kompetenz man ernst nimmt, und die sogar in den Textentstehungsprozess eingreifen können oder dürfen. PN: Es ist auch wichtig, nicht immer nur alleine zuhause im eigenen Dunstkreis zu arbeiten. Die Kritik der anderen funktioniert wie ein Spiegel und macht die eigene Arbeit fokussierter, besser. Ursprünglich kommt ihr beide nicht aus Berlin. Wie fällt der Vergleich zum Dunstkreis anderer Städte aus? PN: Ich habe vor drei Jahren in Düsseldorf den Literaturclub gegründet, in einer Stadt, in der es keine nennenswerte zeitgenössische Literaturszene gibt jenseits der Wasserglaslesungen im Heine-Haus. Das war zwar ein Kraftakt, ist aber sehr gut angenommen worden. In Berlin dagegen gibt es an jeder Ecke etwas, die Stadt ist einfach ein Magnet – wenn man etwas mit Literatur macht, muss man sozusagen irgendwann hierherkommen. JS: Nein, muss man nicht! PN: Aber hier passiert doch einfach so viel! JS: Zu meinem Buch wäre ich auch gekommen, wenn ich in Münster geblieben wäre.


r Lyrik und Szene PN: Aber ist es nicht schöner, sich ein wenig zuhause zu fühlen? In Düsseldorf kam ich mir manchmal vor wie ein Alien! JS: Mir ging das anders. Die Vernetzung ist doch nicht nur eine räumliche. Sich zu sehen auf Veranstaltungen und zusammen Bier zu trinken, das ist wunderbar, aber nicht die einzige form der Kontaktaufnahme. Die Illustratorin meines Buches, beispielsweise, kenne ich durch das Internet, es gibt Autoren, mit denen bin ich seit Jahren verbunden, ohne sie je persönlich getroffen zu haben. PN: Aber auch über die literarische Vernetzung hinaus ist Berlin doch sehr anziehend. für mich hat beides eine rolle gespielt bei meiner Entscheidung, hierherzukommen. JS: Ich gehöre nicht zu den Leuten, die immer schon nach Berlin wollten. Natürlich hat es mir hier dann doch sehr gut gefallen, und ich habe realisiert, wie viel hier möglich ist, wie groß das Angebot an Lesungen, Bühnen oder Workshops ist.

Ein Interview mit den Lyrikern Jan Skudlarek und Peggy Neidel

JS: Andererseits bin ich auch nicht zum Stubenhocken hierhergezogen. PN: Die Balance ist eben wichtig. Ihr habt einen sehr unterschiedlichen literarischen Hintergrund – Jan, du hast gesagt, dein Interesse am Lesen und Schreiben kam erst in den letzten Jahren auf. Ist für dich ein „Migrationshintergrund“ spürbar oder sind die Grenzen zur literarischen Welt eher durchlässig gewesen? JS: Die Barrieren sind gar nicht so hoch. Die Anonymität des Internets und die Vielfältigkeit der Szene, nicht nur in Berlin, machen eine Vernetzung sehr leicht. Es ist doch nicht so, als sei die Szene ein Kolosseum, in dem man sich vor der Gruppe 47 beweisen muss. Sie ist sehr dezentral und zugänglich, finde ich. PN: Ja, es sind sehr flache Strukturen.

JS: Gerade in dieser jungen Indie-Szene, in der wir uns bewegen, gibt es auch viele kleine Verlage, die sich ein Lyrikprogramm nicht nur „dazuleisten“, PN: Das ist ein gutes Stich„Die Szene ist sondern sich mit Herzblut der wort, die Masse der Angesehr dezentral Poesie verschrieben haben. Verlage bote, dieser Dunstkreis, der wie luxbooks, kookbooks, poetenkann einem auch manchmal und zugängladen, die von wenigen Leuten am lich“ Jan die Sicht vernebeln. Man Leben gehalten werden, teilweise mit geht montags zu Kreuzwort Nebenjobs finanziert, aber trotzdem eine und dienstags ist etwas in der Lettrétage große resonanz erfahren, weil sie einfach und mittwochs dann Literaturwerkgute Arbeit machen. Diese Leute sind statt – manchmal lenkt mich das auch nicht elitär, man kann sie alle kennenlersehr von meiner Arbeit ab, man bleibt nen, auf der Leipziger Buchmesse zum doch immer noch ein wenig, trinkt noch Beispiel stehen auch immer alle im rauein Bier, unterhält sich ... Manchmal cherbereich der Moritzbastei zusammen. muss man sich bewusst zurücknehmen. 47


(aus: Peggy Neidel, weiß. reihe Neue Lyrik, Poetenladen, Leipzig, 2013)

Peggy Neidel ich ziehe mir die technosphäre über wie eine zweite haut, trunken von der vorstellung etwas zu sein das ich gleichzeitig habe nehme ich die nächste kombination greife mit den armen nach etwas das aussieht wie du

Peggy Neidel, geboren in Zwickau, ist Mitbegründerin des Literaturclub Düsseldorf und arbeitet unter anderem als freie Journalistin und Kritikerin für den Freitag und die taz. Ihr Lyrikdebüt weiß erschien im Herbst 2013 in der Reihe Neue Lyrik bei poetenladen.

wenn es kein schicksal gibt wer ruiniert hier eigentlich wen?

Wie habt ihr jeweils euren Zugang gefunden zu dieser offiziellen Szene?

trotzdem weiterzuschreiben. Herta Müller hat zum Beispiel gesagt, Preise seien etwas „Man *Lettrétage Außerliterarisches. Und PN: Ich habe irgend- braucht ein das stimmt. Man sollte Das junge Literaturhaus in wann gemerkt, dass Kreuzberg dickes Fell“ weder sein Ego noch ich, wenn ich meinen - Jan www.lettretage.de den Wert seiner Texte an Lyrikband fertigstellen literarischen Auszeich*elektrosmog will, einfach mehr Zeit zum nungen festmachen. Lyrikdebüt von Jan SkudArbeiten brauche. Ich schreibe larek. Erschienen 2013 bei PN: Sehr schön gesagt! nicht abends nach der Arbeit luxbooks mal eben ein paar Gedichte, JS: Aber wenn man welche be*weiß das ist ein richtiger Beruf, also kommt, ist das trotzdem gut! Lyrikdebüt von Peggy Neidel. habe ich mich nach einem ArErschienen 2013 bei poetenbeitsstipendium umgesehen. Uns interessiert auch euer laden Standpunkt zu den sogenannJS: Ich habe einfach ange*Open Mike ten literarischen „KaderInternationaler Wettbewerb fangen, an Ausschreibungen schmieden“ in Hildesheim teilzunehmen. Man muss sich junger deutschsprachiger und Leipzig. Wie seht ihr das schon ein dickes fell zulegen, Prosa und Lyrik Konzept der Schreibschulen? www.openmikederblog. man bekommt oft AblehKleine Legende zu Peggys und Jans Dunstkreisen:

wordpress.com 48

nungsschreiben, aber da muss man durch. Es geht darum,

JS: In Deutschland gibt es viele Vorbehalte gegen die


Jan Skudlarek

aus: Jan Skudlarek, Elektrosmog. Luxbooks LABOr, Luxbooks, Wiesbaden, 2013.)

tyler had been around a long time die vorstellung, schlafend ins meer getragen zu werden; ein halbes dutzend haarige arme, sechzig fleischige finger, fear death by water. schnitt : ein tagtraum am fkk-strand, er hantierte mit treibholz, honigwarme sonne. ich schlief, träumte vom schlafen. ein sommer wie libellen

Jan Skudlarek, *1986 in NRW. Veröffentlicht seit 2007 Lyrik. Sein Buch elektrosmog erschien im November 2013 bei luxbooks.

unter der haut, ich+er, auslaufmodelle auf kollision. manches weiß man halt erst später, z.b. here is no water but only rock

Akademisierung kreativen Schreibens, die es in den USA seit über einem halben Jahrhundert schon nicht mehr gibt. Das hat sicher auch etwas mit der Idee des Genies im Elfenbeinturm zu tun – entweder man kann es von allein oder eben nicht. Andererseits geht man davon aus, dass zum Beispiel die bildenden Künste erlernbar sind. PN: Der Ansatz ist gar nicht so weit entfernt von unserem eigenen. Was wir in privaten Textwerkstätten machen, findet dort institutionalisiert statt, aber es ist im Kern der gleiche Prozess. Vielleicht wird für die Studenten in Hildesheim und Leipzig eine andere Wahrnehmung

generiert, auf den Buchmessen gibt es zum Beispiel diese Lesungen des DLL, bei denen Lektoren namhafter Verlage im Publikum sitzen. JS: Auch der Open Mike, an dem immer viele Autoren der Literaturinstitute teilnehmen, hat eine gewisse Türöffnerfunktion. Das ist schon so, man kann sich Türen öffnen lassen, aber man muss selbst den Willen haben, durchzugehen. Ob man sein Publikum gestellt bekommt oder sich selbst eines sucht, ohne geht es nicht. Ist es in Berlin leichter oder schwerer als anderswo, ein Publikum zu finden? JS: In Berlin ist es meistens schwer, Aufmerksamkeit zu

*Literaturclub Neue literarische Experimentierbühne in Düsseldorf www.literaturclubduesseldorf.de *Kreuzwort Lesereihe für junge Literatur in Kreuzberg www.kreuzwortberlin.wordpress.com *Literaturwerkstatt Berliner Literaturzentrum in der Kulturbrauerei www.literaturwerkstatt.org *luxbooks Junger Independentverlag in Wiesbaden www.luxbooks.de *kookbooks Junger Independentverlag im Taunus und Berlin www.kookbooks.de 49


erregen, weil so wahnsinnig viel los ist.

laden benutze ich auch, das ist eine Seite, die erst später zum gleichnamigen Verlag wurde. PN: Meinst du? In Düsseldorf Die Plattform bietet Autoren musste man immer kämpdie Möglichkeit, sich zu repräfen – hier stellt man etwas sentieren, mit Kontaktadresse, *Moritzbastei auf Facebook ein und sodass man einfach angeKulturzentrum in Leipzig „Berlin schon kommen ein www.moritzbastei.de schrieben werden kann. hat klare Dazu gibt es Rezensionen, paar Leute. *Schreibschulen Vorteile“ Links zu LiteraturmagaziJS: Das stimmt natürLiteraturinstitut in Leipzig - Peggy nen und Ähnliches. (BA Literarisches Schreiben) lich. Die Internetforen www.deutsches-literaturins- spielen eine wichtige Hat man irgendwann seinen titut.de Rolle, gerade bei der VerHafen gefunden oder komnetzung untereinander. Man Institut für Literarisches men immer wieder mal auch kann sich seinen Dunstkreis Schreiben & Literaturwisneue Orte und Veranstaltunauch virtuell erschaffen, da senschaft an der Universität gen dazu? gibt es die einschlägigen Hildesheim (BA Kreatives „Von KonSchreiben und Kulturjourna- Seiten – JS: Natürkurrenz ist lismus) lich kommt PN: Poetenladen, Fixpoetry. kaum etwas www.uni-hildesheim.de/ ständig schreiben zu spüren“ auch Neues JS: Genau, und Literaturport. - Peggy dazu, diesen *DLL PN: Und Lyrikline, und Herbst erst Deutsches Literaturinstitut Uschtrin. Leipzig (s.o.) zum Beispiel haben ein paar junge, coole Leute die neue JS: Mit dem Aufkommen von *Fixpoetry Lesereihe Kabeljau & Dorsch Literaturplattform Facebook hat sich das ein in Neukölln gegründet und www.fixpoetry.com bisschen gebündelt, die Foren haben direkt mitgemischt! waren eher in den Nullerjah*poetenladen Literaturplattform und -verlag in Leipzig. www.poetenladen.de

*Literaturport Literaturplattform www.literaturport.de *Lyrikline Poesieplattform www.lyrikline.org

*Uschtrin Autorenplattform des Uschtrin Verlages www.uschtrin.de

ren angesagt, aber heute sind ja auch die meisten literarischen Events auf Facebook.

Überwiegt für euch eher der Zusammenhalt oder die Konkurrenz in der Szene?

PN: Das ist natürlich praktisch, aber ich setze mich trotzdem am liebsten mit Leuten von Angesicht zu Angesicht hin.

PN: Von Konkurrenz ist kaum etwas zu spüren, es ist eher so, dass alle ein Interesse daran haben, sich gegenseitig zu unterstützen, und ich bin immer wieder begeistert von dem, was die anderen so machen.

JS: Na gut, aber wenn man,

* Kabeljau & Dorsch wie ich damals in Münster, Lesereihe für junge Literatur das nicht kann – in Neukölln www.kabeljau-und-dorsch.de PN: Ja, das verstehe ich. Es 50

hat klare Vorteile, selbst wenn man in Berlin wohnt. Poeten-

In diesem Sinne: Euch beiden alles Gute und vielen Dank für das Gespräch!


Kathrin B. Külow

ikarus weimar wir streifen unsere hüllen in den nebel in kahlen ästen fließen wir in eins reiben die häute sich schwer hängen flügel der morgen rinnt nicht ist der bruch des lichts signal wir starten blind landschaft gerundet dunkle läufe hundert hände schmelzen das wachs den anderen erhitzend und um uns rauschen federn in strömen fällt der traum zurück zur erde wir gleiten lassen welten hinter uns

Kathrin B. Külow wurde in Greifswald geboren, Studium der Geschichte und Judaistik. Veröffentlichungen in diversen Zeitschriften und Anthologien, Sonderpreis Lyrik der 4. Berner Bücherwochen 2013. Mitglied in der Autorinnengruppe Alphabettínen. Lebt in Berlin.

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Nina Dähn

spiegelbild –

dunstverhangen.

wasserdampf angst verantwortung ehrgeiz müdigkeit erinnerung rücksicht un geduld wasser dampf lethargie eitelkeit selbst zweifel rollen spiele routine zeit aufgelöst in wasser dampf . als der nebel sich lichtet, schmücken kondensperlen mein gesicht.

Nina Dähn, Lyrik und Prosa. *1977 in einer niedersächsischen Kleinstadt. Studium in Berlin und Göttingen, Diplom in Psychologie.

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IM DUNSTKREIS VON SACHEN MIT WŒRTERN #4

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3 x 100 Wörter zum Thema

Unter Dunst versteht man die Trübung der Atmosphäre durch feine kondensierte Wassertröpfchen oder kleinste feste Schwebepartikel. Diese streuen das Sonnenlicht anders als die „normalen“ Luftbestandteile und erzeugen dadurch einen sichtbaren Schleier. Je nach Feuchtigkeitsgehalt spricht man von trockenem Dunst (horizontale Sichtweite 1 bis kleiner 8 km und relative Luftfeuchte kleiner 80 Prozent) oder von feuchtem Dunst (horizontale Sichtweite 1 bis kleiner 8 km und relative Luftfeuchte größer/gleich 80 Prozent). Starke Trübung der Luft erleben wir häufig als Dunstglocke über Großstädten oder Industriestandorten – in bestimmten Regionen der Erde auch bei Sandstürmen. Dunst entsteht häufig bei windschwachen Wetterlagen, zumeist im Zentrum von Hochdruckgebieten. Andreas Friedrich, Diplom-Meteorologe, Pressesprecher und Tornadobeauftragter des Deutschen Wetterdienstes. In der Meteorologie werden Sichtweiten zwischen 8 km und 1 km als Dunst, darunter liegende als Nebel bezeichnet. Die Sichtminderung wird durch feine Wassertröpfchen oder kleinste feste Schwebepartikel, sogenannte Aerosole, verursacht. Der feuchte Dunst entsteht normalerweise durch Kondensation des in der Luft enthaltenen Wasserdampfes, sofern die Luftfeuchtigkeit groß genug ist und ausreichend viele Aerosole vorhanden sind. Die feinen Wassertröpfchen streuen das Sonnenlicht und erzeugen dadurch einen sichtbaren milchig-weißen bis schmutzig gelben Schleier. Dunst bildet sich besonders bei windschwachen Wetterlagen in Hochdruckgebieten unter einer Inversion aus, wenn der Luftaustausch reduziert ist. In Industrieballungsgebieten kann der Dunst zeitweise mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen angereichert sein. Gudrun Rosenhagen, Diplom-Meteorologin.

Hat die Redensart „keinen blassen Dunst“, d. h. keinen blassen Schimmer haben, etwas mit der aus der Küche bekannten Dunstabzugshaube zu tun, oder fischt man hier im Trüben? In der Meteorologie und Physik hat Dunst tatsächlich etwa mit „im Trüben fischen“ zu tun, man denke an Dunstglocken über Städten. Dunst beeinträchtigt unsere Sicht – und daher manches Mal wohl auch unsere Sichtweise. Er kann trocken oder feucht sein und besteht aus kleinen Teilchen mit wenig oder viel Wassergehalt. Diese streuen und schwächen Licht. Bei wenigen kleinen Teilchen in der Luft können wir noch einige Kilometer weit sehen, bei vielen größeren kann das bis auf 1 km sinken. Bei noch kleineren Sichtweiten stochern wir dann tatsächlich im Nebel herum. Prof. Dr. Michael Vollmer, Professor für Experimentalphysik an der FH Brandenburg. 57


Impressum Herausgabe, Redaktion und Vertrieb: Anneke Lubkowitz Theresa Lienau Laura Schlingloff Mena Koller Kontakt: Anneke Lubkowitz, NordbahnstraĂ&#x;e 10, 13359 Berlin E-Mail: sachenmitwoertern@mail.de Illustration: Petrus Akkordeon und Sophia Melone Layout: Theresa Lienau Druck: Metropol Druck Berlin Auflage: 250 Exemplare Alle Rechte an den abgedruckten Texten liegen bei den Autoren. Ausgabe 04, Juli 2014 UnterstĂźtzt von:

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The breeze – the breath of God – is still – / And the mist upon the hill, / Shadowy – shadowy – yet unbroken, / Is a symbol and a token – / How it hangs upon the trees, / A mystery of mysteries! (Spirits of the Dead // Edgar Allan Poe)

Zu Gera kamen zwei fremde Gesellen in ein Haus, darinnen schon etliche Personen an der Pest gestorben waren, und zechten miteinander. Da sah der eine einen seltsam blauen Rauch, wie ein dünner Nebel, in einem Winkel ganz sachte aufsteigen, stieß seinen Kameraden an, und da sah der den blauen Dunst auch, und sahen beide, wie derselbe sich in eine Klunze in der Wand sachte hinein verschlich. (Deutsches Sagenbuch: Der blaue Dunst // Ludwig Bechstein)

Zu Gera kamen zwei fremde Gesellen in ein Haus, darinnen schon etliche Personen an der Pest gestorben waren, und zechten miteinander. Da sah der eine einen seltsam blauen Rauch, wie ein dünner Nebel, in einem Winkel ganz sachte aufsteigen, stieß seinen Kameraden an, und da sah der den blauen Dunst auch, und sahen beide, wie derselbe sich in eine Klunze in der Wand sachte hinein verschlich. (Deutsches Sagenbuch („Der blaue Dunst“) // Ludwig Bechstein)

A haze rested on the low shores that ran out to the sea in vanishing flatness. The air was dark above Gravesend, and farther back still seemed condensed into a mournful gloom, brooding motionless Then all averover the biggest, and the red, I had kilgreatest, town on earth. (Heart of Darkness led the bird / That // Joseph Conrad) brought the fog

and mist. / ‘Twas right, said they, such birds to slay, / That bring the fog and mist. (The Rime of the Ancient Mariner // Samuel Taylor Coleridge)

Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; / Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert / Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert. (Faust I: Zuneig u n g / / J. W. von Goethe)

Der Mond ist aufgegangen, / Die gold ’nen Sternlein prangen / Am Himmel hell und klar; / Der Wald steht schwarz und schweiget, / Und aus den Wiesen steiget/ Der weiße Nebel wunderbar. (Abendlied // Matthias Claudius)


Kathrin Bach // Nina Dähn // Thomas Glatz // Kathrin B. Külow // Sofie Lichtenstein // Valentin Moritz // Peggy Neidel // Jan Nivell // André Patten // Jannis Poptrandov // Simone Scharbert // Clemens Schittko // Arno Schlick // Susanne Schmidt // Rabea Senftenberg // Jan Skudlarek // Axel Straube // Mikael Vogel // Jana Volkmann // Sven-Eric Zahl

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