Nachwort Peter Niedermair Die Frage, wer Othmar Motter war, was seine Bedeutung als Grafikdesigner und Schriftenentwickler, Impulsgeber und Begründer neuer Formen von Atelierkooperationen war, fällt mit der Frage nach den historischen, politischen und ökonomischen Entwicklungen im 20. Jahrhundert zusammen. Provinzialität ist heute nicht mehr eine ›Funktion des Ortes‹, sondern Ausdruck einer Haltung, wie sie in der Landes- und besonders der Kulturpolitik Vorarlbergs nach 1945 unter den Landeshauptleuten Ulrich Ilg und Herbert Kessler sichtbar wurde. Die Kultur wurde zur Chefsache erklärt, die Kulturauffassung zeigt deutliche Kontinuitäten zur Praxis des austrofaschistischen Ständestaates. Ein ausgeprägtes katholisches Weltbild und eine restaurative Grundhaltung in der Politik der ÖVP lassen sich insbesondere in der Kulturpolitik des Landes, wie sie unter Arnulf Benzer, dem leitenden Kulturbeamten, der bis in die Mitte der 1970er Jahre das Sagen hatte, nachweisen. Dies lässt sich u.a. ablesen an der Schriftstellerförderung, den Literaturpreisen und Buchankäufen, an der Zensurpolitik (Twistverbot 1962), an den Spielplänen des Vorarlberger Landestheaters und der Bregenzer Festspiele, für die der damalige LH Ulrich Ilg absolut nichts übrig hatte, sie seien ›hinausgeworfenes Geld‹.
schlossene Welt mit all ihren Abgrenzungs- und Abschottungsversuchen war nicht mehr länger möglich. Hinzu kommt ein wirtschaftlich-gesellschaftlicher Aspekt, der die gesamte Entwicklung maßgeblich mitbeeinflusste. Diverse in Vorarlberg ansässige Firmen, die begonnen hatten, transnational zu agieren, wollten und mussten aus ökonomischen Gründen ihren Austausch in Europa und darüber hinaus intensivieren. Dies produzierte auch mehr Öffnung und verlangte nach einer anderen Dimensionierung der Bildung und der Kunst und machte die Notwendigkeit der Internationalisierung klar. Auf der nationalen Ebene spiegeln sich diese Entwicklungen in der mit der Regierung Kreisky einsetzenden Politik der Reformen, in der Bildungs- und Kulturpolitik. Dieser Diskurs reichte hinein in andere politische Handlungsfelder, in soziale, ökonomische und kulturelle, insgesamt in demokratiepolitische. Als gewollte Form gesellschaftlichen Lebens waren alle diese Fragen auszuverhandeln. Der Kulturboom in Vorarlberg, der mit Ende der Siebziger Jahre einsetzte, geht Hand in Hand mit dem Going Abroad vieler Vorarlberger Firmen, die sich international einen Namen gemacht hatten. Einer, der indirekt daran maßgeblichen Anteil hatte, war Othmar Motter und sein Partner Sylvester Lička. Kontinuitäten und Spezifika In beiden Biografien — wie in denen zahlreicher anderer Vorarlberger — gibt es Nähen zur In der vorarlbergischen Landesgeschichte gibt es Ideologie des Nationalsozialismus, wie es sie in Kontinuitäten, die in die Zeit des NS reichen und vielfacher Art und Weise auch in der unmittelmit einer Person, mit Elmar Grabherr verknüpft baren Nachkriegsgeschichte gibt. Wenn man sind. Er war viele Jahre lang einer der mächtigsschaut, mit wieviel juristischem Geschick große ten Männer Vorarlbergs. 1944 noch sicherte er Unternehmen wie u.a. F. M. Hämmerle in Dornbirn Gauleiter Franz Hofer in Innsbruck in mehreren sich um die beiden Entnazifizierungsgesetze Briefen seine Unterstützung für die Ideologie des herumdrückten, eine Firma in jener Stadt, die NS zu. Als Wortführer der Pro-Vorarlberg-Initiative, sich rühmte, ›das erste völlig braune Nest zu die ›mehr Selbständigkeit‹ für Vorarlberg forderte, sein‹. Nach 1945 waren jene re-installiert worden, erlangte er 1979/80 erneut großen Einfluss. Bis die im Ständestaat installiert waren, in der Regel ca. um 1970 trug der Kulturbereich mehr oder jene aus der dritten und vierten Reihe. Sie weniger alle Insignien eines Kirchenstaates. In kamen zum Zug, weil unter den Tausenden aus den Jahren bis 1970 hatte sich jedoch vieles dem Land Gejagten, ins Exil Gezwungenen oder grundlegend geändert. Die bis dahin gein die Konzentrationslager Verbrachten und dort 341
Nachwort