Steven Schneider. Wir Superhelden – Kleiner Kursus für Kerle zu Liebe und Leben

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KOSTENLOSE LESEPROBE


Inhalt

11 Prolog 16 Kleine Helden

anFanGEn 19 Aussterben ist auch keine Lösung 26 Peter lude, Psychologe: » Das geschieht reflexartig 37 Ach, diese Ängste!

und dauert ein Leben lang.«

SChEItERn 39 Als Außerirdischer auf der Erde 43 rIet Grass, Outplacement-Berater: » Ich kollidierte mehrmals 53 Bekenntnisse eines Gescheiterten

6  Inhalt

mit dem Leben.«


lIEBEn 56 Dieser Magnetismus! 61 WIlhelm schmId, Philosoph: » Das wechselseitige Wohlwollen 73 Notfallzettel für die Beziehung

ist entscheidend.«

BEWUnDERn 74 Take the Long Way Home 78 marcel Fässler, Rennfahrer: » Siegen ist 89 Die Heldenreise, Teil 1

nicht einfach.«

WaChSEn 92 Die Zukunft ist weiblich 100 thomas sPIelmann, Psychologe: » Mannsein bedeutet, das 113 Ich bastle mir meine Männerrolle

Risiko einzugehen, zu leben.«

EntSChEIDEn 115 Drum prüfe, wer sich ewig bindet 119 thomas meyer, Autor: » Niemand kommt zur Welt,

um zu leiden.« 130 Alternative Beziehungsmodelle  7


ZWEIFEln 132 Der Weg nach oben 137 Bruder maGnus, Mönch: » Der andere ist 148 Die Heldenreise, Teil 2

viel mächtiger als du.«

StREItEn 151 Harte haben zwei Herzen 158 urs leuthard, Journalist: »Wichtig ist nicht,

168 Der Streitfragebogen

warum der Streit beginnt, sondern wie er endet.«

SChaFFEn 176 Ein Mann muss tun, was er tun muss 182 chrIstoPh JordI, Unternehmer: »Ich muss nicht werben, 192 Anleitung fürs Bewundern

8  Inhalt

sondern mich kümmern.«


BERÜhREn 193 Das größte Organ 197 Klaus heer, Therapeut: »Von Zeit zu Zeit

211 Na?

muss ein Mann ein Update herunterladen.«

aChtEn 213 Die Schöne und das Biest 217 GerI müller, Politiker: » Respekt bedeutet, 227 Was Helden so treiben

jemanden zu berücksichtigen.«

laChEn 228 Besser wie ein Held leben 234 claude cuenI, Schriftsteller: » Der Mensch ist stärker, 245 Die Heldenreise, Teil 3

als er meint.«

249 Epilog 252 Dank

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PRoloG »Wir werden alle sterben, jeder von uns, was für ein Zirkus! Das alleine sollte uns dazu bringen, uns zu lieben, aber das tut es nicht.«

Charles Bukowski

Es war in der Nähe von Bern, als sich nach einem unserer Auftritte, bei denen wir aus unseren Kolumnenbüchern vorlesen und aus unserem Leben erzählen, ein hünenhafter, etwa fünfzigjähriger Mann im Foyer des Veranstaltungsortes vor mich hinstellte. Er blickte zu mir herunter – er war mindestens einen Kopf größer als ich – und sagte: »Schneider, Sie sind mein Held.« Ich lachte. »Schon gut, es freut mich, wenn es Ihnen gefallen hat.« Er lachte ebenfalls, schlug mir seine Pranke auf die Schulter, kam mit dem Gesicht näher und flüsterte: »Ich meine es so. Schneider, Sie sind mein Held.« »Ich habe vorhin erzählt, dass ich in eine leere Cola-Flasche uriniert habe, weil ich nicht aus dem Auto rauskam, und dass ich unseren Hund vor einem Laden im Ort angebunden und dann vergessen habe, als meine Frau im Tessin auf Erholung war.« Wieder lachte der Hüne. »Genau. Und das macht Sie zum Helden für mich. Jeden Tag stehe ich auf und versuche, es so gut wie möglich zu machen. Manchmal geht alles schief. Wie bei Ihnen. Und manchmal ist es nicht einfach in meiner Beziehung. Aber ich gebe nicht auf.« Zum Abschied legte er seine Hand auf meine Schulter und drückte fest zu: »Danke.«

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Auf der Rückfahrt durch die Nacht dachte ich nach. Es war nicht das erste Mal, dass mir ein Zuhörer nach einer Lesung sagte: »Schneider, mein Held!« Was genau meinten die Männer? Die sahen ja nicht ernsthaft einen Helden in mir, der Kinder aus dem siebten Stock eines brennenden Hauses rettete. Meine Schulter surrte noch immer, meine Frau auf dem Beifahrersitz verstummte – wie immer eine Stunde nach dem Ende einer Lesung, wenn das Adrenalin nachlässt. Der Verkehr auf der Autobahn erforderte kurz vor Mitternacht wenig Aufmerksamkeit. Ich gähnte. Das schreckte meine Frau auf, ich kam ihr aber zuvor und sagte: »Geht gut, ich brauche nur Sauerstoff.« Im Radio unterhielt sich ein Moderator mit einem Telefongast über dessen Modelleisenbahn, und in kleinen roten Ziffern prangte 23:49 auf dem Armaturenbrett. Noch etwa neun Minuten, dann würde der Sender die Schweizer Nationalhymne bringen. Ich mag sie, sie klingt erhaben. Als Bub wünschte ich mir immer, dass die Hymne für mich auf dem Fußballplatz gespielt werden würde: ein Stadion, gefüllt mit 50 000 Zuschauern, ich in der Platzmitte im Dress der Nationalmannschaft, kaugummikauend, neben mir aufgereiht meine Mitspieler. Meine Rolle wäre die des erfahrenen Mittelfeldstrategen, klein gewachsen, aber dafür wendig, einer, der das Spiel lesen konnte und mit genialen Pässen die Stürmer lancierte. Angestimmt wurde die Hymne für mich aber nie bei einer Sportveranstaltung, höchstens mal im Militärdienst bei der Fahnenübernahme. In diesem Augenblick blitzte es. Ein Schauer jagte meinen Rücken hinab, ich blickte auf den Tacho. Großartig! Das Nachdenken darüber, ob und wenn ja was ich für ein Held sei, hatte mich soeben etwa 100 Franken gekostet. »Warst du viel zu schnell?«, fragte meine Frau, jetzt auf einmal sehr munter. »Keine Ahnung, wird aber bestimmt nicht teuer«, schwindelte ich. Sie schnaufte und war zu müde, um das zu sagen, was sie jeweils zu sagen pflegte, nämlich, dass ich doch nur den Tempomat einzustellen 12  Prol o G


bräuchte und dass es keine sinnlosere Art gäbe, Geld aus dem Fenster zu schmeißen, als durch das Bezahlen von Geschwindigkeitsbußen. Natürlich hatte sie recht, aber es war sinnlos, das jetzt zu erwähnen. Ich ging vom Gas, ärgerte mich noch eine Weile lang und dachte: »Mach was draus!« Gute Idee. Ich würde darüber nachdenken, was das mit diesem Heldenzeugs auf sich hatte. Vielleicht war ich tatsächlich für andere so etwas wie ein kleiner Held. Schließlich gab es da draußen auch Helden für mich. Unerreichbare Ikonen aus Sport, Kunst, Politik, Wissenschaft. Dann diejenigen, die tatsächlich Kinder aus brennenden Häusern und reißenden Flüssen retteten. Und waren da nicht noch etliche Männer, meist ältere, die ich bewundernswert fand, vielleicht auch nur deshalb, weil sie gelassen waren, voller Humor oder Witz? Dann erklang im Radio die Hymne. Natürlich mal wieder nicht für mich.

Wer liebt, lebt länger Einige Wochen später geriet ich bei einer Einladung mit einem Bekannten ins Gespräch. Wir unterhielten uns über Sport, etwas Politik, alles, was man genauso sein lassen könnte, weil es mehr darum geht, miteinander zu plaudern, als einander wirklich zuzuhören. Auf einmal sagte er, dass er etwas von mir gelesen habe, eine Kolumne, es sei darum gegangen, dass ich in einer Menschenmenge meine Frau auf mich zukommen sah. »Du hast geschrieben: ›Wow, dass diese Frau auf mich steht, was habe ich für ein Glück!‹ Erinnerst du dich?« Ich nickte und staunte. Ich fand’s großartig, dass er etwas von mir gelesen hatte. Jeder, der schreibt, sollte sich regelmäßig bei seinen Lesern bedanken. Aber ich kam nicht dazu, denn er sprudelte begeistert und etwas zu laut los: »Genau so geht es mir auch! Genau so! Wenn ich meine Frau anschaue, denke ich: Mann, bin ich ein Glückspilz! Echt, ich sage dir, sie macht einen besseren Mann aus mir.«   13


Ich blickte mich um. Das war jetzt ein wenig schräg. Ich war auch überzeugt, dass meine Frau einen besseren Mann aus mir machte, aber mich mit einem anderen Mann darüber zu unterhalten, das war neu. Es ist einfacher, darüber zu schreiben. Nun brachen alle Dämme. Wir hielten uns an unseren Bierflaschen fest und schwärmten einander von unseren Frauen vor. Einmal kam meine Frau in unsere Nähe und erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei. Wir nickten schweigend, sie ging, und wir führten unser Gespräch über die Liebe und das Leben weiter. Abends vor dem Einschlafen ging mir unsere Unterhaltung noch einmal durch den Kopf. Mit dem Gedanken, dass ich mich in meinem Leben viel zu wenig mit der Liebe auseinandergesetzt habe, schlief ich ein. Am nächsten Tag ging ich in eine Buchhandlung und kaufte mir mehrere Bücher über die Liebe, las ausgiebig darin und gewann nach einigen Wochen folgende drei Erkenntnisse: • Wer liebt, lebt länger. • Die Liebe eines einzigen Menschen animiert uns zu Höchstleistungen und holt das Beste aus uns heraus. • Die Liebe ist ein Ort, wo man einander beim Wachsen hilft. Na, was wollte ich mehr? Liebe ist ein Zaubertrank. Ein Lebenselixier. Legales Doping. Eine Superkraft. Und Helden haben Superkräfte. Superpuste, Röntgenblick, Supergehör. Braucht man auch, um die Welt zu retten. Aber mir reichte schon, mich selbst und meine unmittelbare Umgebung zu retten, dabei ist Superpuste nett, aber nicht zwingend. Zwingend ist eher die Superkraft Liebe. Mir kam die Idee, mit anderen Männern darüber zu reden, was das Leben ist, die Liebe, denn, ehrlich gesagt, die ganze Sache schien mir nicht so einfach zu sein. Und gleichzeitig wollte ich mich erinnern an diesen seltsamen, komplizierten, von Missverständnissen und Niederlagen gepflasterten Weg der Liebe, der bis heute durch den ganz 14  Prol o G


gewöhnlichen Alltag führt, mit Arbeit und Verpflichtungen, mit Ärger und Kollisionen. Ich müsste nur lange genug suchen, dachte ich, dann würde ich schon irgendetwas Heldenhaftes finden.

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Kleine Helden Selbst wenn wir im Leben keine Sieger sein sollten – einen großen Sieg haben wir auf jeden Fall davongetragen, errungen in einem Kampf auf Leben und Tod.

1972 drehte Woody Allen den Film Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten. Eine von sieben Episoden spielt im Innern eines Mannes, der ein Rendezvous mit einer attraktiven Frau hat und mit ihr in einem Restaurant diniert. Alle Funktionen – essen, reden, hinsehen, lachen – werden vom Kontrollzentrum im Gehirn gesteu­ ert, dargestellt von Schauspielern, die auf der Kommandobrücke stehen und den diversen Abteilungen im Körper die jeweiligen Anweisungen ge­ ben (»Gehirn an Magen, Essen kommt runter.« – »Welcher Art?« – »Fet­ tuccine.« – »Auch das noch!«). Auf der Brücke hoffen die Verantwort­ lichen auf einen erfolgreichen Ausgang des Rendezvous, vor allem, als die Augen ein Bild von der Dame in den Kontrollraum senden, das von den Ingenieuren im Gehirn als ausnehmend reizvoll bezeichnet wird. Schnell werden sie sich einig, dass Geschlechtsverkehr zu begrüßen wäre, umso mehr, als die Ohren die eindeutige Zustimmung der Dame auf die Brücke übertragen. Allerdings herrscht Skepsis vor, da es die beiden Male zuvor nicht geklappt hat, weil keine genügend harte Erektion möglich war. Auch diesmal müssen die Arbeiter in der Leistengegend hart arbeiten, ächzend und schwitzend drehen sie im überhitzten Maschinenraum an der Kurbel der Hebevorrichtung, doch erst als ein Priester, der heimlich das Lustzen­ trum sabotierte, von dort entfernt wird, wird die Kopulation realistischer. Die in weiße Kostüme gehüllten Spermien, darunter Woody Allen mit Hornbrille, machen sich bereit. Die Kulisse ähnelt einem Flugzeug mit Fallschirmjägern, die über feindlichem Gebiet abspringen müssen. Die meisten freuen sich, Woody aber hat Bedenken. Seine Kumpels reden ihm gut zu: 16


»Du hast einen Eid geleistet zu Beginn deiner Ausbildung: entweder ein Ei zu befruchten oder beim Versuch dein Leben zu lassen.« »Nein, ich hab Angst, ich will da nicht raus.« »Es geht wieder los!« »Ich gehe aber da nicht raus. Ich lasse mich nicht aus dem Ding raus­ schießen! Und wenn er masturbiert? Dann fliegen wir wahrscheinlich an die Decke!« Schließlich springen die Spermien ab: »Hurra, wir machen Babys!«

Winzige Kanonenkugeln Während im Kommandozentrum die Ingenieure mit Sekt auf ihre gute Arbeit anstoßen, fängt für andere das Abenteuer erst an – genau, für die Spermien. Deren Reise böte nochmals Stoff für einen Abenteuerfilm der Extra­ klasse: Wie die menschliche Kanonenkugel im Zirkus werden sie nämlich mit der sagenhaften Geschwindigkeit von bis zu 17 Stundenkilometern aus der männlichen Kanone herausgeschleudert, und nun beginnt die gefährliche Reise von knapp 20 Zentimetern über den Eileiter zur Eizelle. Ein Vordringen in lebensfeindliches Gebiet, verdammt viele werden da­ bei draufgehen, denn der weibliche Organismus bekämpft Fremdkörper ohne Gnade. Im Grunde genommen ist es ein Massaker, von 300 Mil­ lionen Spermien werden nur 300 die Reise überleben, und die Mission erfüllen kann zuletzt nur eines. Oder in seltenen Fällen zwei. Gegen das tödlich saure Klima in der Scheide umhüllt sich ein Spermium mit der basischen Samenflüssigkeit. Das vom Ei ausgeschüttete Progesteron hilft ihm wiederum, seinen Kalziumgehalt zu erhöhen, was Schlagweise und Schlagkraft der Geißel auf eine Weise beeinflusst, dass es sein Ziel besser findet. Allerdings hat sich nach dem explosiven Start die Geschwindigkeit massiv verringert: Nun beträgt das Tempo nur noch etwa 0,0002 Kilo­ meter pro Stunde, etwa drei bis vier Millimeter pro Minute, und bei der 17


Eizelle angekommen, versucht das Spermium mittels seiner Kappe, dem Akrosom, möglichst rasch die beiden Schutzhüllen der Eizelle aufzulösen. Nur dasjenige, das es als Erstes schafft, dringt ein. Dann ist das Ei dicht. Der heroische Kampf endet. Und es entsteht, vielleicht, ein Anfang.

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ZUm aUtoR

Steven Schneider, geboren 1964, ist Alltagschronist und Beobachter der feinen Unterschiede zwischen Frau und Mann. Als Co-Autor der Paarkolumne »Schreiber vs. Schneider«, die seit rund zwei Jahrzehnten Kultstatus in der Schweiz genießt, schreibt er den Männern wöchentlich aus der Seele. Ob in seiner Arbeit als Autor, Dozent, Journalist, Texter, live auf der Bühne oder im richtigen Leben: Steven Schneider sucht immer und überall nach Liebe. Und dies meist mit Humor. Er lebt mit seiner Frau, seinen beiden Töchtern, einer Hündin, zwei Katern und drei männlichen Rennmäusen in der Nähe von Zürich. www.schreiber-schneider.ch   255


Braucht es Männer in Zukunft noch? Steven Schneiders Antwort: Aussterben ist auch keine Lösung.

Erhältlich in Ihrer Buchhandlung und unter www.salisverlag.com

9 ISBN 783906 195872 978-3-906195-87-2 Mit zwölf Männern wie Bestsellerautor Thomas Meyer, Tagesschau-Chef Urs Leuthard, Paartherapeut Klaus Herr, Rennfahrer Marcel Fässler oder Bruder Magnus führt Schneider tiefgründige und berührende Gespräche SALIS_Schneider_WirSuperhelden_EAN_30x40.indd 18.02.19 1 11:40 übers Anfangen und Scheitern, über Entscheidungen und Streit, über Bewunderung und Humor, über Veränderung und Sex. In dieser höchst amüsanten, selbstironischen und geistreichen Heldenreise erzählt Schneider auch von seiner ganz persönlichen Suche nach der grössten aller Superkräfte auf diesem Planeten: der Liebe. Aber Achtung: Dieses Buch ist nur für Männer! Mit einer Ausnahme: Frauen.


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