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ALPINISMUS CHILE
Skitourenreise nach Chile 13. – 29. September 2019 20 Jahre – so viel Zeit verging von der ersten Planung bis zur Realisation der SAS-Expedition ans andere Ende der Welt. 10 Teilnehmende erlebten Skitouren und Skifahren auf den chilenischen Vulkanen.
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Bereits vor mehr als 20 Jahren beabsichtigte der SAS, die formschönen Vulkane in den chilenischen Anden zu besuchen, was aber wegen zu geringer Teilnehmerzahl bei der Absicht blieb. In diesem Herbst klappte es im zweiten Anlauf, nicht zuletzt dank der entschiedenen Fürsprache von Dres Schild und der vorzüglichen Reiseorganisation von Ruedi Kellerhals vom Berner Bergsteigerreiseunternehmen Kobler & Partner, das bereits mehrmals für den SAS Skitourenreisen organisiert hatte. Firngenuss und perfekte Skihänge am Pazifik wurden im Vorfeld versprochen; entsprechend neugierig und erwartungsvoll trafen wir uns am Freitag Abend mit Ski, Pickel und schwerem Gepäck im Flughafen Zürich zu einem langen und ereignislosen Flug nach Santiago, der Hauptstadt von Chile.
Die ersten Tage in Santiago waren touristisch bestimmt. Zunächst besuchten wir das direkt am Pazifik gelegene Strandhaus des chilenischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda in Isla Negra, wo wir ob der kühlen Pazifikfrische des Humboldtstromes überrascht waren. Danach ging es nach Valparaiso, einer wichtigen Hafenstadt, deren farbiger Stadtkern zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Am dritten Tag besuchten wir im nahe gelegenen Casablanca-Tal ein Weingut, das sich der Produktion biodynamischer Weine verschrieben hat. Auch eine Weindegustation fehlte nicht im Programm und wurde unter Beilage chilenischer Schokolade durchgeführt, was allerdings nicht jedermanns Geschmack war. Mit ein paar Flaschen Wein im Gepäck ging es mit dem Bus zurück nach Santiago und danach mit dem Flugzeug weiter nach Puerto Montt, das rund 1000 km südlich liegt und als chilenisches Tor Patagoniens gilt. Dort wurden wir der Gegend entsprechend mit Nieselregen und Windböen empfangen.
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ENDLICH IN DIE BERGE Nach drei Tagen brachten uns drei geländetaugliche Mietwagen rund 400 km über die Panamericana in Richtung Norden, bis wir am frühen Abend in der Nähe des Skigebiets von Corralco in einer hübschen Holzlodge für zwei Nächte Unterkunft bezogen. Dann ging es endlich in die Berge, wo sich eingangs des Skigebiets Corralco unser Tagesziel – der 2890 m hohe Vulkan Lonquimay – zunächst bei strahlendem Sonnenschein präsentierte. Geplant war eine eher kurze Einlauftour ab dem obersten Skilift und ein zweiter Aufstieg für diejenigen, die noch Lust auf mehr Höhenmeter hatten. Innert kurzer Zeit frischte aber der Wind so stark auf, dass die oberen Skilifte geschlossen wurden; auch die deutsche Männerskimannschaft, die hier ihr Sommertraining absolvierte, musste das Speedtraining abbrechen. So marschierten wir schliesslich einige hundert Höhenmeter tiefer als geplant sowie bei Sturm und Nebel los,
zunächst der verlassenen Skipiste entlang und danach der immer steiler werdenden Westflanke hoch zum Krater. Wiederholt mussten wir wegen starken Sturmböen ums Gleichgewicht ringen. Schliesslich erreichte eine dezimierte Teilnehmerzahl den Gipfel, während der Rest wegen den garstigen Wetterverhältnissen vorzeitig umgekehrt war. Nach kurzer Rast ging es auf windgepresstem Harsch und bei Nebel wieder bergab. Die erste Tour war mit Bestimmtheit mehr K(r)ampf als Vergnügen. Dennoch waren beim Abendessen wieder alle zufrieden; es gab ja noch Luft nach oben.
ALLE ERREICHEN DEN GIPFEL Für den zweiten Skitag stand eigentlich der 2554 m hohe Vulkan Sierra Nevada auf dem Programm, doch wegen des schlechten Wetters ging es bloss zum 1857 m hohen Cerro di Prado hoch. Wir starteten direkt an der Hauptstrasse und genossen den sanften Aufstieg durch die wunderbaren Araukarienwälder, ebenso die rassige Abfahrt im Bruchharsch! SAS-Plaisir: alle Teilnehmer bewältigten die 600 Höhenmeter zum Gipfel. Noch gleichentags ging es durch unberührte Landschaften in Richtung nächsten Vulkan, dem Lliama. Seinem Leitspruch folgend – «Auf Naturstrassen fährt sich mit Speed am besten» – bretterte Ruedi so zügig durch die zahlreichen Schlaglöcher, bis ein Reifen schlappmachte. Dumm nur, dass der
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Reifenwechsel alles andere als zügig klappte: zunächst war unklar, wie das Ersatzrad zu entriegeln war und danach wollte sich das platte Rad partout nicht von der Achse lösen. Als provisorische Notlösung half schliesslich ein Dichtungsmittelspray, den uns ein vorbeifahrender Automobilist mitleidvoll überliess, und so kamen wir erst bei Dämmerung in der wunderbaren Lodge La Baita am Fusse des Lliama an.
AUF DEM VULKAN Der siebte Tag stand ganz im Zeichen des noch aktiven Vulkans Lliama, dem mit 3125 m höchsten Gipfel unserer Reise. Mit den verbleibenden zwei Geländewagen fuhren wir auf einem Naturpfad aus Lavasand bis zur Schneegrenze empor, wo wir die Skis anschnallten. Weil die über 2000 Höhenmeter nicht jedermanns Sache waren, wurden zwei Gruppen gebildet, die eine unter der Führung von Ruedi mit Ziel Hauptkrater und die andere in Richtung eines etwas tieferen Nebenkraters, die von Dres geleitet wurde. Gemächlich stiegen wir die weiten Hänge
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empor, die allmählich steiler wurden. Für den letzten Drittel des Aufstiegs mussten die Harscheisen angeschnallt werden. Nach rund fünf Stunden Marsch lag auch die steile Westflanke unter uns und wir genossen vom Kraterrand aus die prächtige
Weitsicht über den Naturpark Conguillo. Die Abfahrtsroute folgte dem Aufstieg; so kämpften wir uns im steilen oberen Teil durch Bruchharsch und windgepressten Schnee, der sich im unteren Teil in feinen Firn wandelte. Am Ausgangsort trafen wir dann wieder auf die zweite Gruppe, deren Geländewagen bei der Heimfahrt im Schnee durchgebrochen und deshalb steckengeblieben war. Alles Schaufeln half nichts; nur dank der Abschlepphilfe aus der Lodge konnte der Wagen aus der misslichen Lage befreit werden. Zufrieden mit der Tour erreichten wir die Lodge und liessen den Tag bei einem feinen Abendessen mit chilenischem Wein ausklingen.
ENDLICH DER RADWECHSEL! Bevor es zum 2282 m hohen Sollipulli ging, fuhren wir in die nahe Ortschaft Melipeuco zu einem Vulcanizador, damit dieser endlich die Reifenpanne behebt. Mit einem schweren Hammer schlug der stämmige Mapuche zwei Mal auf den Reifen und schon löste sich das kaputte Rad unter Applaus von der Achse. Während wir danach zum Sollipulli fuhren, reparierte der Vulcanizador das defekte Reifenventil fachkundig. Angekommen beim Büro des Nationalparks ging es zunächst mit den Skis auf dem Buckel über einen engen Trampelpfad durch einen dichten Araukarien- und Bambuswald, wobei der frische Schnee fortwährend wie Regen auf unsere Köpfe tropfte. Nach rund einer Stunde konnten wir endlich die Skis anschnallen und unsere nassen Kleider trocknen. Es präsentierte sich nun ein strahlend blauer Himmel und eine warme Frühlingssonne, die allerdings den Neuschnee faul werden liess. Bei diesen Verhältnissen waren die verbleibenden Höhenmeter rasch überwunden. Mit Ausnahme des obersten Teils, wo wir bei herrlichem Firn eine westlich gelegene Rinne hinunterfuhren, folgte die Abfahrt im Wesentlichen der Aufstiegsroute. Weil sich ab der Mitte der Firn in faulen Neuschnee wandelte, war für den Schlussteil Aufmerksamkeit gefordert. Am späten Nachmittag hiess es wieder Dislokation: nach einer rund dreistündigen Autofahrt nach Süden erreichten wir Pucon, einen touristisch gut erschlossenen Ort am Fusse des Vulkans Villarica und am See mit gleichem Namen.
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Eben dieser 2860 m hohe Villarica stand auf dem Programm des nächsten Tages. Leider war der Gipfel wegen vulkanischer Aktivität nicht freigegeben; maximal bis zur obersten Flanke – wo die genau lag, wussten auch unsere beiden örtlichen Guides nicht – war ein Aufstieg gestattet. Weiter war angedacht, die ersten paar Höhenmeter per Skilift zu bewältigen, damit wiederum alle Teilnehmer das Gipfelziel erreichen. So viel die Vorinformationen, als wir uns auf den Weg ins Skigebiet von Pucon machten. Bei der Ankunft im Skigebiet fielen uns die zahlreichen Jugendlichen in Renndress auf; offenbar fand ein chilenisches Jugendskirennen statt. Der untere Sessellift war ein lebendiges Zeugnis der Sesselbahngeschichte, dem in der Schweiz die Konzession sofort entzogen worden wäre. So waren wir alle froh, als wir heil zur Mittelstation gekommen waren, und nicht allzu traurig, als uns dort eröffnet wurde, dass wir nun laufen mussten, weil der zweite Sessellift defekt war. So schnallten wir die Skis an und liefen gemächlich hoch, zunächst der Skipiste entlang und danach den Vulkankegel hoch. Nach einer Rast bei einer nicht mehr betriebsbereiten Bergstation erreichten wir einen verschneiten Felsvorsprung, der die untere Grenze des Tageszieles bildete. Für diejenigen, die noch einige Höhenmeter mehr machen wollten, ging es unter der Führung von Dres sowie in einem etwas rascheren Tempo zur oberen Flanke hoch. Damit