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Ein Paradigmenwechsel muss her

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Gewichtsvorteil

Gewichtsvorteil

Wir haben ein goldenes Zeitalter der Bauwirtschaft erlebt. Die Auftragsbücher waren prall gefüllt, reihenweise wurden neue Umsatzrekorde gebrochen. Dann kamen Corona, der Ukraine-Krieg und die Gewissheit, dass zu hohe Materialkosten, eine Energieverknappung und eine stockende Logistik die Wirtschaft empfindlich treffen können. Aber anders als dieser Tage gern prognostiziert, schlittert die Branche keineswegs in eine Krise. Vielmehr hat sie sich auf unruhige Zeiten einzustellen, die das politische Parkett, aber auch die Wirtschaft dazu ermahnen, ihre längst überfälligen Hausaufgaben zu machen.

Zugegeben, ein Durchatmen bleibt der amtierenden Bundesregierung bislang nicht vergönnt. Seit Amtsantritt befindet sich die Ampel-Koalition in einem langwierigen Krisenmodus. Erst Corona, dann die Ukraine, nun die hohe Inflation. Umso mutmachender waren die Worte des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck anlässlich des kürzlich veröffentlichten Jahreswirtschaftsberichts: »Wir haben die Krise beherrschbar gemacht.« Zwar sei die schwierige Situation noch lange nicht vorbei, dafür habe man die schlimmsten Szenarien in ökonomischer Hinsicht verhindert. »Die erwartete Rezession für 2023 wird, wenn überhaupt, weit kürzer und milder verlaufen, als wir es noch vor wenigen Monaten prognostiziert haben«, so Habeck. Für das laufende Jahr geht der Bundesminister nunmehr sogar von einem Wachstum von 0,2 % aus und erwartet keinen scharfen Einbruch mehr. Gleichwohl, und auch das gehört zur Wahrheit, wird die Aufgabenliste für die Bundesregierung trotz mutmachender Aussichten nicht unbedingt kürzer – auch und gerade mit Blick auf die Baubranche.

Sie hat sich in den vergangenen Jahren als Zugpferd der deutschen Wirtschaft erwiesen und konnte gerade in Krisenzeiten mit Kontinuität punkten. Aktuell reiht sie sich aufgrund des eingebrochenen Wohnungsbaus und der zu hohen Bauund Energiepreise aber ebenfalls in die Reihe der

Sorgenkinder ein und verlangt nach politischer Unterstützung. »Konkret fordern wir, dass die Bundesregierung eine vernünftige Förderkulisse schafft«, so Peter Hübner, Präsident beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, der in dieser Ausgabe ab Seite 18 im bauMAGAZIN-Interview über die aktuellen Sorgen der Branche spricht. »Wir werden 2023 Bauleistung einbüßen müssen, ein reales Minus von sechs Prozent halte ich hier für realistisch. Trotzdem bleibe ich optimistisch. Wir müssen uns innerhalb der Bauwirtschaft auf unsere Stärken verlassen.«

Fakt ist, dass in diesem Land an allen Ecken und Kanten gebaut werden muss. Wichtige Infrastrukturprojekte müssen angegangen, die Digitalisierung vorangetrieben und der Wohnraumknappheit entgegengewirkt werden. Erst kürzlich hatte Olaf Scholz im Rahmen einer Fragestunde im Bundestag klargestellt, dass auch er Handlungsbedarf sieht. »Insbesondere sollten wir das serielle Bauen fokussieren. Einerseits, um Planungs- und Vergabeprozesse zu beschleunigen, andererseits, um das Bauen selbst schneller voranzutreiben.« Doch unabhängig von einzelnen Hebeln muss die Bundesregierung allgemeingültige Fakten schaffen. Ähnlich dem Krisenmanagement in Zeiten von Corona und der Ukraine, sollte Berlin nach Ansicht vieler mit langfristigen Lösungen glänzen, statt immer neue Löcher im ohnehin schon malträtierten deutschen Flickenteppich zu hinterlassen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine interessante Lektüre. Bleiben Sie optimistisch und lassen Sie uns, wie in dieser Branche aus der Tradition heraus üblich, die Dinge endlich anpacken!

Dan Windhorst Chefredakteur

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