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bauMAGAZIN-Sicherheit | Welche
Den Schutz für Alleinarbeiter hoch ansetzen
Ein Arbeitnehmer führt allein, außer Sicht und Rufweite seiner Kollegen, eine Tätigkeit aus. Im Arbeitsalltag ist das nicht ungewöhnlich; gefährlich wird es, wenn keine Maßnahmen getroffen werden, mit denen der Arbeitnehmer im Notfall Hilfe anfordern kann – denn dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein verunfallter Arbeiter über einen längeren Zeitraum nicht gefunden wird. Diese Zeit kann für die Gesundheit und das Leben der Betroffenen aber entscheidend sein, sodass es besonders im Fall der Alleinarbeit wichtig ist, Schutzmaßnahmen auszuarbeiten.
Jessy von Berg
Alleinarbeit liegt nach der DGUV-Regel 100-001 »Grundsätze der Prävention« vor, wenn Tätigkeiten von einer Person allein außerhalb der Rufund Sichtweite zu anderen Personen ausgeführt werden. An und für sich ist die Arbeit an Einzelarbeitsplätzen (EAP) zulässig, sofern nicht staatliche oder Vorschriften der Unfallversicherungsträger die Einrichtung von konkreten EAP untersagen, was beispielsweise für Silos gilt.
Da sich die alleinarbeitende Person nicht in Rufund Sichtweite zu anderen befindet, ist eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) die entscheidende Basis für den erfolgreichen Arbeitsschutz an einem EAP. Aufgrund der Beurteilung muss der Arbeitgeber darüber hinaus geeignete Maßnahmen formulieren und diese nach § 6ArbSchG dokumentieren. Wichtig ist hierbei vor allem die lückenlose Betrachtung aller Arbeitsschritte und der damit verbundenen Gefahren, sodass der EAP sicher und ordnungsgemäß ausgestattet werden kann. Die Kernfragen dabei sollten sein: Wie hoch ist die Gefährdung bei der zu erledigenden Arbeit? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls bei der betrachteten Tätigkeit? Und schließlich: Wie lange dauert es bis zum Eintreffen von Ersthelfern oder professioneller Rettungskräfte?
Mögliche Risiken richtig beurteilen Auch die Gefährdungsdefinitionen nach der DGUVRegel 112-139 müssen zu einer Risikobeurteilung berücksichtigt werden (siehe auch Kasten »Fakten« auf Seite97). Ein geringes Risiko besteht, wenn die Person nach einem Unfall handlungsfähig bleibt und keine Lebensgefahr verursacht wird. Ist die verunfallte Person im Notfall eingeschränkt handlungsfähig, beispielsweise bei Brand- oder Explosi-
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onsgefahr, spricht man von einem erhöhten Risiko. Das bedeutet, dass bei einem Unfall erhebliche Verletzungen entstehen können, der Arbeitnehmer aber dennoch handlungsfähig bleibt. Ein kritisches Risiko besteht, wenn die Person im Notfall vollständig handlungsunfähig ist, zum Beispiel bei Arbeiten mit Absturzgefahr. In diesem Bereich ist Alleinarbeit zum Schutz der Arbeitnehmer nur unter besonderen Einschränkungen erlaubt: So muss der Arbeitgeber nach § 8 Abs.2 der DGUV-Vorschrift1 über die allgemeinen Schutzmaß nahmen hinaus für zusätzliche technische oder organisatorische Personenschutzmaßnahmen sorgen, beispielsweise mit Kontrollgängen durch eine zweite Person, durch zeitlich abgestimmte Telefon-oder Funkmeldesysteme oder durch den Einsatz von geeigneten Personen-Notsignal-Anlagen (PNA).
Meldesysteme als Schutzmaßnahme Im Zusammenhang mit Alleinarbeit und dem damit verbundenen Risiko, im Notfall auf sich allein gestellt zu sein, kommt die Sprache immer wieder auf die PNA. Zur Absicherung von allein arbeitenden Personen sind diese nach der DIN VDE V 0825-1 grundsätzlich geeignet; die Überwachung mittels PNA wird in der DGUV-Regel 112-139 ausführlich beschrieben: Sie erläutert § 10 des ArbSchG, § 4 Abs. 5 der Arbeitsstättenverordnung sowie §§ 8 und 25 der DGUV-Vorschrift 1 »Grundsätze der Prävention«.
Eine PNA besteht aus einem oder auch mehreren Personen-Notfall-Gerät(en) (PNG), beispielsweise einem Telefon, Funkgerät oder Pager mit Zusatzfunktionen für den willensabhängigen und willensunabhängigen Alarm sowie einer Lokalisierungsfunktion, und einer Personen-NotsignalEmpfangszentrale (PNEZ) oder einer Empfangs einrichtung (EE). Bei wechselnden Einsatzorten, beispielsweise bei Monteuren, kann bis zur Gefährdungsstufe »erhöht« auch die sogenannte PNA-11 gemäß DIN VDE V 0825-11 eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um PNA, die zur Signalübertragung öffentliche Telekommunikationsnetze verwenden. Manche Hersteller bieten auch spezielle Smartwatches und Apps an, die im Notfall Alarm schlagen können.
Zu beachten ist jedoch, dass auch die PNA den Arbeitnehmer nicht vor Gefährdungen schützen kann. Sie dient im Fall einer Notsituation dazu, die Ersthelfer oder professionelle Rettungskräfte zum Träger des PNG zu leiten und eine Versorgung der verunfallten Person zu gewährleisten. Dementsprechend wichtig sind die sichere Übertragung der Signale und das ordnungsgemäße Bearbeiten des einlaufenden Alarms durch die EE oder die PNEZ. j
PNA
Der Arbeitgeber muss über allgemeine Schutzmaßnahmen hinaus für zusätzliche technische oder organisatorische Personenschutzmaßnahmen sorgen, beispielsweise mit Kontrollgängen durch eine zweite Person, durch zeitlich abgestimmte Telefon- oder Funkmeldesysteme oder durch den Einsatz von geeigneten PersonenNotsignal-Anlagen (PNA).
FAKTEN
Die Risikobeurteilung > Die Risikobeurteilung bezeichnet im Rahmen des RisikoManagements von Unternehmen die Beurteilung sämtlicher vorhandener Risiken. Zur Risikobeurteilung nach DGUVRegel 112139 sind drei Faktoren zu berücksichtigen: > 1. Wird der Beschäftigte bei einem Notfall noch handlungsfähig, eingeschränkt handlungsfähig oder gegebenenfalls nicht mehr handlungsfähig sein? Der Gefährdungsgrad wird dabei mit der
Gefährdungsziffer (GZ) zwischen »1« und »10« bewertet, dabei ist »1« niedrig und »10« hoch. > 2. Ist ein Notfall unwahrscheinlich bzw. möglich oder muss sogar mit Notfällen gerechnet werden? Die Notfallwahrscheinlichkeit (NW) ist ebenfalls mit einer Ziffer zwischen »1« und »10« zu bewerten. > 3. Wie lange ist die Zeit zwischen der Alarmauslösung und dem Beginn der Rettungs bzw.
ErsteHilfeMaßnahmen vor Ort? Die Zeit für die Einleitung von Hilfsmaßnahmen (EV) muss auch mit einer Ziffer zwischen »1« und »10« bewertet werden. > Aus diesen drei Faktoren kann mit der Formel R = (GZ + EV) × NW der Risikowert (R) ermittelt werden. Bei einem RWert unter 30 liegt ein akzeptables Risiko vor und Alleinarbeit ist zulässig.
Übersteigt der RWert 30 sind zunächst weitere Maßnahmen zur Verringerung des Risikos erforderlich, sonst ist Alleinarbeit unzulässig.