Ich bin wie ihr, ich liebe äpfel Theresia Walser
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Ich bin wie ihr, ich liebe äpfel Theresia Walser
Ich bin wie ihr, ich liebe äpfel Theresia Walser Frau Imelda Anke Schubert Frau Margot Christiane Roßbach Frau Leila Paula Skorupa Gottfried Sven Prietz Inszenierung Burkhard C. Kosminski Bühne Florian Etti Kostüme Ute Lindenberg Musik Hans Platzgumer Licht Nicole Berry Dramaturgie Ingoh Brux
Regieassistenz Magdalena Schönfeld Bühnen- und Kostümbildassistenz Francesca Carletti Dramaturgieassistenz Bastian Boß
Soufflage Mirjam Dienst Inspizienz Thomas Hoffmann
Schauspielhaus
Aufführungsrechte Aufführungsdauer Stuttgarter Premiere
Rowohlt Theater Verlag, Reinbek bei Hamburg 1:30 Stunden, keine Pause 23. November 2018
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Technische Direktion Schauspiel Guido Schneitz | Bühnenoberinspektor Manuel Willi | Technische Einrichtung Ralf Bogusch | Leitung Beleuchtung Felix Dreyer | Beleuchtungseinrichtung Peter Krawczyk, Thomas Pfisterer | Leitung Ton & Video Frank
Bürger | Leitender Tontechniker Jonathan Eichhorn | Ton Sebastian Thein | Leitung Requisite Philipp Unger | Leitung Maschinerie Mustafa Agacdograyan | Direktion Dekorationswerkstätten Bernhard Leykauf | Technische Produktionsplanung Monika
Höger | Leitung Malsaal Lisa Fuß | Leitung Bildhauerei Maik Glemser | Leitung Dekorationsabteilung Dirk Herle | Leitung Nähsaal Heidi Lange | Leitung Schreinerei Oliver Bundschuh | Leitung Schlosserei Patrick Knopke | Maskendirektion Jörg Müller | Leitung Maske Nena Frei | Maske Hanna Maile, Franziska Rupp, Susanne Ziegler | Kostümdirektion Elke Wolter | Produktionsleitung Kostüme Kerstin Hägele | Gewandmeister*Innen Mareile Eder, Vivien Schlickel (Damen), Anna Volk, Aaron Schilling (Herren) | Leitung Färberei Martina Lutz, Milenko Mociljanin | Leitung Modisterei Eike Schnatmann | Leitung Rüsmeisterei Achim Bitzer | Leitung Schuhmacherei Verena Bähr, Alfred Budenz | Kunstgewerbe Nicola Baumann, Daniel Strobel | Leitung Statisterie Isabelle Grupp Die Maskenabteilung der Staatstheater Stuttgart wird unterstützt durch MAC Cosmetics
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Teufel in Chanel Ehefrauen der Tyrannen von Angelique Chrisafis
Ihre Männer sind die Herrscher der arabischen Welt – verantwortlich für Unterdrückung, Gewalt, Bürgerkrieg. Aber auch eine Frau Assad oder Madame Mubarak spielen in diesem System eine wichtige Rolle: Sie geben Tyrannei und Korruption ein freund liches Gesicht. London – Sie trafen sich zum Lunch unter den goldenen Kronleuchtern des Élysée-Palastes: die französische First Lady Carla Bruni und Asma al-Assad, die Frau des syrischen Präsidenten. Brav saßen sie mit ihren mächtigen Ehemännern an einem Tisch. Das Tischtuch war mit Schmetterlingen bedruckt, ein pastellfarbenes Blumengesteck schmückte die Tafel. Kurz machte ein Fotograf seine Bilder für ein französisches Klatschblatt. Denn aus seiner Sicht tagten hier zwei Hohepriesterinnen der Mode und des Stils: Ein ehemaliges italienisches Supermodel hatte eine Chanel-Trägerin zu Gast, die das französische Magazin „Elle“ einmal zur „elegantesten Frau in der Weltpolitik“ erklärt hat. „Paris Match“ dichtete gar hingebungsvoll, die in London aufgewachsene Asma sei eine „Diana des Morgenlands“ und „ein Lichtstrahl in einem Reich des Schattens“. Nur wenige Tage nach diesem glanzvollen Mittagessen nahm sich ein verzweifelter tunesischer Gemüsehändler das Leben, indem er sich selbst verbrannte – und löste damit den Arabischen Frühling aus. Dass Sarkozys Butler den Assads auf silbernen Tabletts und in bestem Kristall frisch gepressten Orangensaft kredenzten, registrierten Diplo-
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maten mit Unbehagen. Ein französischer Präsident, der freundlich mit dem Herrscher eines Regimes plauderte, das für seinen grausamen Umgang mit politischen Gefangenen bekannt war? Aber Nicolas Sarkozy weiß um die Bedeutung fotogener Frauen an der Seite von Politikern – für ihn war Asma so etwas wie eine Garantie, dass nichts falsch interpretiert werden würde. Der frühere französische Außenminister Bernard Kouchner erzählte die Episode Journalisten später so: „Als wir ihm sagten, dass wir es da mit einem schlimmen Tyrannen zu tun hätten, erwiderte Sarkozy: ‚Baschar beschützt die Christen, und wenn er eine solche moderne und aufgeschlossene Frau hat, kann er so übel nicht sein‘ “. Elf Monate später sind Tausende Syrer dem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen und Zehntausende ins Exil geflohen – Assad lässt die Opposition im Land brutal unterdrücken. Damit ist allerdings auch Asmas sorgfältig gepflegtes Image als freundliches Gesicht des Regimes dahin. Als sie am vergangenen Sonntag – wie immer elegant gekleidet – an der Seite ihres Manns an die Wahlurne trat, um ihre Stimme für die neue Verfassung abzugeben, hat sie den Verdacht der Opposition bestätigt, dass es sich bei ihr wohl um eine moderne Marie-Antoinette handele. Im vergangenen Jahr hatte es bereits große Aufregung gegeben, als Reporter der amerikanischen „Vogue“ ihr karitatives Engagement und ihre Schuhe von Louboutin in einer peinlichen Lobeshymne priesen. Auch ihr Auftritt bei einer Kundgebung, als sie öffentlich ihre Kinder herzte und für die Politik ihres Gatten warb, kam beim Volk nicht gut an. Dasselbe gilt für eine Mail an die Londoner „Times“, in der sie darlegte, warum sie die Politik Baschar al-Assads weiter unterstütze. Sie hat damit zumindest eines erreicht – eine Diskussion über die Rolle der Despotenfrauen in der Arabischen Revolution anzustoßen. „Jede Revolution hat ihre Lady Macbeth“, seufzte vor kurzem ein Nahost-Experte in Paris. Die Frauen an der Seite der Tyrannen mögen alle sehr verschieden sein, doch sie eint der Hass, den sie auf sich ziehen, die unglaublichen Reichtümer, die sie angehäuft haben und ihre exquisite Garderobe. Ähnlich auch ihre Rolle im Regime – als Galionsfigur eines sogenannten arabischen Feminismus oder Vorsitzende karitativer Organisationen. Sie lenken von der Brutalität der Herrschaft ab, das ist ihre Aufgabe.
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Wer waren und sind die mächtigsten Frauen der arabischen Welt? Leila Trabelsi war von allen Tyrannenfrauen in der arabischen Welt wahrscheinlich die am meisten gehasste. Die politisch ehrgeizige Frau des tunesischen Autokraten Ben Ali war das lebende Symbol für Vetternwirtschaft und Korruption: Sie bediente sich so schamlos am Volkseigentum der Tunesier, dass einem selbst Imelda Marcos mit ihren 3000 Paar Schuhen noch harmlos vorkommen mag. Trabelsi hat mit ihrer mafiagleichen Herrschaft über das Land der Arabischen Revolution das Leitmotiv vom „Unrecht“ geschenkt. Sie plünderte ihr Land aus, um ihre eigenen Taschen zu füllen und die Familie ihres Gatten zu beschenken. 30 bis 40 Prozent der tunesischen Wirtschaft, heißt es, wurden von ihr und ihrem Clan kontrolliert. Vom Autohandel über Supermarktketten und den Bananenimport bis zum tunesischen Zoll – alles Geschäftsfelder der Herrscherfamilie. Wenn sie Land brauchten, haben sie die rechtmäßigen Besitzer enteignet. Wenn sie ein Unternehmen für profitabel hielten, haben sie es einfach beschlagnahmt. Trabelsi hat ihren Palast mit archäologischen Artefakten dekoriert, ihre Tochter und ihr Schwiegersohn ließen sich aus St. Tropez Eiscreme einfliegen, wenn sie Gäste hatten. So hat sich Trabelsi, die sich „Madame La Présidente“ nennen ließ, den Ruf verdient, den Arabischen Frühling ausgelöst zu haben. Bis heute erfüllt es die Tunesier mit Grauen, wenn sie von Machenschaften der Madame hören. Vor kurzem hat einer ihrer Butler ein Buch veröffentlicht, in dem er genau beschreibt, wie sie regelmäßig Chamäleons in einem Ritual geopfert habe, um ihren Gatten mit einem Zauber zu belegen. Jetzt sitzt sie mit Ben Ali in ihrem saudi-arabischen Exil und versucht, Einspruch gegen das Urteil einzulegen, das in ihrer Abwesenheit verhängt wurde: 35 Jahre Gefängnis wegen Hochverrats. Als sich das Tyrannenpaar abgesetzt hatte, fand man in ihrem Palast vor den Toren von Tunis Bargeld und Schmuck im Wert von 27 Millionen Dollar, außerdem Waffen und zwei Kilo diverser Drogen.
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Die Medien im Westen gieren offenbar nach Hochglanzfotos von jungen, modernen, bestens ausgebildeten Frauen aus dem Nahen und Mittleren Osten. Möglichst nach dem Vorbild der jordanischen Königin Rania, die in einem Ranking von „Harper‘s Bazaar“ als drittschönste Frau der Welt geführt wird. Als Asma al-Assad im Jahr 2000 auf der Bildfläche erschien, schien sie dieses Verlangen perfekt zu bedienen. „Es ist schon sehr merkwürdig“, sagt Karim Bitar vom Pariser Institut für Internationale Beziehungen, „dass die Assads vor der Revolution bei allen als fortschrittliches, junges Paar galten.“ Erst mit Beginn des Arabischen Frühlings seien „kalte, selbstsüchtige Züge“ erkennbar geworden. Asma kam in London zur Welt, ihre Eltern waren Syrer, der Vater Kardiologe, die Mutter Diplomatin. Sie wuchs in einer kieselgrauverputzten Doppelhaushälfte in Acton auf, ging erst auf die Grundschule der Anglikanischen Kirche und später auf eine angesehene Privatschule. Sie studierte Informatik am King’s College in London und fand einen Job als Investmentbankerin bei JP Morgan. Die Assads kannte sie schon von Kind auf; sie war zehn Jahre jünger als Baschar, der nach England übersiedelte, um Augenheilkunde zu studieren. Mit diesem Hintergrund eignete sie sich hervorragend als freundliches Gesicht eines Regimes, das seinem Volk Reformen versprach. Als sie in einem Interview gefragt wurde, ob sie nicht zögern würde, ihren schönen Job und das MBA-Studium für die Rolle einer First Lady in Syrien aufzugeben, antwortete Asma zuckersüß: „Wer würde schon Harvard den Vorzug über die Liebe geben?“ Sie würde natürlich ihre Expertise sowie ihre Fähigkeit, „auch unter enormem Druck zu arbeiten“, in den Dienst diverser NGO einbringen, deren Vorsitz sie nun übernehmen sollte. In Damaskus ließ sich das Paar gerne dabei beobachten, wie es abends ausging oder mit dem Auto durch die Stadt kurvte. Das Bild, das sie der Welt vermitteln wollten, war das eines jungen, unbekümmerten Paars, das die Bequemlichkeiten einer eigenen Luxuswohnung dem Pomp und Protz eines Palasts vorzog. Ein großer Auftritt gelang Asma einmal in Paris, wo sie unter den Augen der heutigen IWF-Chefin Christine La garde eine vielbeachtete Rede hielt – ohne Redemanuskript, völlig frei. In einem Interview mit CNN verurteilte sie 2009 die israelische Offensive im Gaza-Streifen als „barbarisch“ und verlangte das sofortige Ende
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der Kampfhandlungen – „als Mutter und als Mensch“. „Wir leben im 21. Jahrhundert. Wie kann so etwas in unserer Zeit noch geschehen? Unglücklicherweise geschieht es eben doch“, sagte sie in ihrem bedächtigen britischen Akzent. Worte, die sie jetzt verfolgen dürften. Ganz am Anfang, als sie in die Rolle der fotogenen First Lady hineinwuchs, versuchte sie noch Abstand zu wahren. Im Gespräch mit NBC sagte sie einmal: „Das ist nur, was ich tue, und nicht, was ich bin. Ich werde immer die Person sein, die ich war, bevor ich den Präsidenten geheiratet habe.“
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Das komplette Programmheft zu „ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ können Sie beim Besucherservice oder in unserem Theatershop zum Preis von 2,50 € erwerben.