Ödön von Horváth
in einer Bühnenbearbeitung von Zino Wey und Gwendolyne Melchinger
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Jugend ohne Gott Ödön von Horváth in einer Bühnenbearbeitung von Zino Wey und Gwendolyne Melchinger
Jugend ohne Gott Ödön von Horváth in einer Bühnenbearbeitung von Zino Wey und Gwendolyne Melchinger Lehrer Marco Massafra T / PFARRER / VERTEIDIGER / MUTTER T Robert Rožić Z / W / VATER W Julian Lehr N / VATER N / STAATSANWALT Daniel Fleischmann EVA / E / TORMANN Celina Rongen JULIUS CAESAR / FELDWEBEL / Sebastian Röhrle RICHTER / PHILIPPI Inszenierung Zino Wey Bühne Davy van Gerven Kostüme Veronika Schneider Musik Ziggy Has Ardeur Licht Rüdiger Benz Dramaturgie Gwendolyne Melchinger Kampftraining Dörte Jensen Regieassistenz Benjamin Zeeb Bühnenbildassistenz Raminta Blinstrubyté Kostümbildassistenz Ulf Brauner
Soufflage Ulf Wolter Inspizienz Roberto Rochow Regiehospitanz Evelin Gerter
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Technische Direktion Schauspiel Guido Schneitz | Technische Leitung Kammertheater
Stephan Abeck | Technische Einrichtung Nils Marstaller | Beleuchtung Walter Bühler | Ton Thomas Tinkl | Requisite Adrian Vajcovic | Direktion Dekorationswerkstätten Bernhard Leykauf | Konstruktion Andreas Guhl | Technische Produktions planung Philipp Neal | Leitung Malsaal Lisa Fuß | Leitung Bildhauerei Maik Glemser | Leitung Dekorationsabteilung Dirk Herle | Leitung Nähsaal Heidi Lange | Leitung Schreinerei Oliver Bundschuh | Leitung Schlosserei Patrick Knopke | Masken direktion Jörg Müller | Leitung Maske Nena Frei | Maske Bettina Löffler, Susanna Lang | Kostümdirektion Elke Wolter | Produktionsleitung Kostüme Petra Bongard | Gewandmeister*Innen Mareile Eder, Vivien Schlickel (Damen), Anna Volk, Aaron Schilling (Herren) | Leitung Färberei Martina Lutz, Milenko Mociljanin | Leitung Modisterei Eike Schnatmann | Leitung Rüstmeisterei Achim Bitzer | Leitung Schuh macherei Verena Bähr, Alfred Budenz | Kunstgewerbe Nicola Baumann, Daniel Strobel | Leitung Statisterie Isabelle Grupp Die Maskenabteilung der Staatstheater Stuttgart wird unterstützt durch MAC Cosmetics
Kammertheater
Aufführungsdauer 1:45 Stunden, keine Pause Premiere 25. November 2018
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Horváths Frühlingserwachen Zu Jugend ohne Gott „Was wird das für eine Generation? Eine harte oder nur eine rohe?“, fragt der Lehrer in Ödön von Horváths 1937 erschienenem Roman Jugend ohne Gott. Krieg und Totalitarismus bestimmen die Welt in Horváths Roman. Den Krieg vor Augen, den Faschismus in unmittelbarer Nähe, zeichnet Horváth eine Welt, die aus den Fugen geraten ist, in der Humanität mit den Füssen getreten wird und junge Menschen zu Maschinen abgerichtet und für Kriegswaffen vorbereitet werden. Ein totalitäres System, in dem der Mensch nichts zählt, wo Denken verboten ist und die Liebe keinen Platz hat und aus dem Gott schon lange verschwunden ist. In einem Klima gegenseitiger Bespitzelung, unausgesetztem Misstrauen, der Lügen und der Gewalt, in dem Schüler für das System erzogen und missbraucht werden, ist es wenig verwunderlich, dass ein Lehrer um seine Stelle bangen muss, wenn er bloß einen Satz fallen lässt, der nicht systemkonform ist. Einen Glauben an die Zukunft? Haben die Schüler keinen. Einen Aufbruch in eine neue Welt? Schon gar nicht. Was zählt, ist allein das Überleben im Hier und Jetzt, wo die Macht des Stärkeren regiert. Disziplin und Gewalt sind deren fraglose Voraussetzungen. 80 Jahre, nachdem Horváths Jugend ihren Gott begraben hatte, ist weit und breit kein neuer in Sicht. Horváth hat kein Rezept und Jugend ohne Gott keine Antworten – aber die Fragen, die sie stellten und die, die sie stellen, sind relevanter denn je. Ein Frühlingserwachen in unserer Zeit heißt es in einem frühen Entwurf zu Jugend ohne Gott. In Umrissen ist alles da: Die Geschichte eines Leh-
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rers, der in einen Konflikt gerät zwischen der Welt, wie sie ist, und wie sie sein sollte, zwischen den Schülern, ihrer Verrohung und Kälte, aber auch ihrer Sehnsucht und Einsamkeit. Die Situation spitzt sich zu, als er seine Schüler in ein Zeltlager begleitet, das zur militärischen Vorausbildung dient. Ein Schüler wird tot im Wald aufgefunden. Jemand hat ihn mit einem Stein erschlagen. Der Verdacht fällt auf einen Mitschüler und ein Mädchen aus dem Dorf. Wie konnte so etwas passieren? Und wo war der Lehrer, als der Mord begangen wurde? Er wird befragt, muss Rede und Antwort stehen. Ein Prozess soll den Fall aufklären. Die Wahrheit muss ans Licht. Die Fragen nach Schuld, Verantwortung und Gerechtigkeit werden immer dringender, verfolgen den Lehrer, lassen ihn nicht mehr los und zwingen ihn schließlich zum Handeln. Jugend ohne Gott ist der dritte Roman des österreichisch-ungarischen Dramatikers Ödön von Horváth, den er kurz vor der Machtübernahme Hitlers schrieb und der 1937 veröffentlicht wurde. Innerhalb eines Jahres wurde er in acht Sprachen übersetzt. 1938 setzten ihn die Nationalsozialisten wegen seiner „pazifistischen Tendenzen“ auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“. Der verbotene Roman wurde verstanden. Gwendolyne Melchinger
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„ AM ANFANG EINER JEDEN NEUEN ZEIT STEHEN IN DER LAUTLOSEN FINSTERNIS, DIE ENGEL MIT FEURIGEN SCHWERTERN. “ 8
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Über Parameter von Gewalt und den inneren Kompass Der Regisseur Zino Wey im Gespräch mit der Dramaturgin Gwendolyne Melchinger
Gwendolyne Melchinger: Welche Beziehung hast du zum Körper auf der Bühne und welche zur Sprache? Zino Wey: Die SchauspielerInnen, die sich in Beziehung zu einem Raum und einem Text stellen, sind für mich der Ausgangspunkt meiner Arbeit. Mich interessiert, zu untersuchen, was für ein Verhältnis eine Figur oder ein Körper zu der Welt hat, in der er beziehungsweise sie sich befindet, welche Verhältnisse und Wechselwirkung da stattfinden. So werden die Körpersprache und die Bewegung zum choreographischen Ausgangspunkt meiner Untersuchung. Dazu kommt die Text-Sprache, die in meinen Arbeiten immer eine sehr zentrale Rolle spielt. Die Essenz eines Textes sind seine Worte und Gedanken. Diese freizulegen, auszustellen und in einen (körperlichen) Kontext zu setzen, gehört zu meiner Annäherung an einen Stoff. Vielmehr als um eine psychologisierte und naturalistische Darstellung einer Geschichte geht es mir darum, die Körper, die Sprache und den Raum in ein Verhältnis zu setzen und dann daraus zu erzählen anzufangen.
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GM: Dabei arbeitest du sehr intensiv und präzise mit deinen SpielerInnen. Was für ein Gegenüber ist der Schauspieler und wie setzt du ihn ein? ZW: Ich bin sicher ein Regisseur, der mit genauen Ideen und Vorstellungen in einen Probenprozess startet; deswegen ist es nicht egal, welche SchauspielerInnen bei mir spielen. Ich möchte mit den SchauspielerInnen innerhalb eines Systems eine eigene Welt und eine Spielweise erfinden – die nach gemeinsamen Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Gesetzmäßigkeiten, die viel mit meiner grundsätzlichen Arbeit zu tun haben, aber auch immer wieder aufs Neue in einem gemeinsamen Prozess gefunden und definiert werden wollen. Ich verstehe meine Arbeit als Einladung für die SchauspielerInnen, innerhalb dieser Welt oder System ein Eigenleben zu entwickeln – und im besten Fall kann dann vielleicht eine Begrenzung auch eine Befreiung bedeuten. GM: Wir haben uns am Schauspielhaus Zürich kennengelernt und dort zwei Produktionen zusammen erarbeitet, die sehr unterschiedlich waren. Die Dramatisierung von „Jugend ohne Gott“ ist unsere dritte gemeinsame Arbeit. Bei allen drei Inszenierungen sind Rhythmus, Musik und choreografische Vorgänge wesentlich Elemente. Warum? ZW: Wie schon gesagt, interessiert mich immer die Erfindung einer eigenen Welt für eine Geschichte, ein Stück. Dabei arbeite ich daran, jenseits von situativen Bebilderungen Orte zu erschaffen. Und dabei bediene ich mich oft emotionaler Mittel wie der Musik, körperlichen Vorgängen und Arrangements. Ich probiere, Geschichten über Tableaus zu erzählen – Spannungsfelder zu bauen, die der Betrachter noch selber zu Ende formulieren kann. Ich will den Zuschauern nicht einen „pfannenfertigen“ Abend liefern, sondern sie auch herausfordern, die einzelnen Elemente selber zusammenzufügen. Im besten Fall wird der Zuschauer so ein aktiver Teil des Abends, der zum Nachdenken herausgefordert wird. GM: Häufig beschreibst du den Schauspielern Vorgänge oder Spielanleitungen in Bildern oder in Temperaturen bzw. Aggregatzuständen. Das funktioniert sehr gut. Die Methode hat sich bewährt …
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Das komplette Programmheft zu „Jugend ohne Gott“ können Sie beim Besucherservice oder in unserem Theatershop zum Preis von 2,50 € erwerben. www.schauspiel-stuttgart.de
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