DIE SIEBEN TODSUNDEN / SEVEN HEAVENLY SINS PREMIERE: 2. FEBRUAR 2019 – SCHAUSPIELHAUS
INSZENIERUNG: ANNA-SOPHIE MAHLER FEATURING PEACHES
BALLETT MIT GESANG VON KURT WEILL, TEXT VON BERTOLT BRECHT
LIVE TESTIMONIAL BY PEACHES
ZUM ABEND
D
ass der Menschheit nichts Schlimmeres passieren kann, als ein weiteres Jahrhundert des ungebremsten Kapitalismus, dürfte allgemein bekannt sein. Weiterer Aufklärungsarbeit über die zerstörerische Kraft des Wachstums bedarf es nicht, wie es um die Welt steht, weiß heute jedes Kind. „Daher, liebe Theater“, so mag man als aufgeklärter Kunstliebhaber womöglich meinen, „bitte kramt doch nicht immer wieder die alten Kamellen von Bert Brecht und Kurt Weill hervor, die uns lehren sollen, dass der Kapitalismus Teufelswerk ist – muss man denn auch im Jahr 2019 noch wiederholen, was längst errungen und allgemein bekannt ist?“ „Ja“, antworten darauf vielleicht sanft die Theater, „denn bisher hat sich nichts geändert, im Gegenteil, es wird sogar immer schlimmer und wenn das stimmt, dürfen wir doch erst recht nicht resignieren und das Verhängnis seinen Lauf nehmen lassen!“ „Aber müssen es denn“, so mag der davon noch nicht ganz überzeugte Kunstliebhaber weiterfragen, „partout Die sieben Todsünden sein, ein Stück, das für seine Kapitalismuskritik ausgerechnet ein katholisches Angstinstrument nutzt, das so unzeitgemäß ist, dass kaum jemand diese sogenannten Todsünden auswendig aufzählen kann?“ „Ja“, antworten geduldig wiederum die Theater, „denn die Todsünden sind für Brecht und Weill ja nur ein griffiges Vehikel, um die Funktionsweise des Kapitalismus anschaulich zu machen und auch ohne die Sieben Sünden parat zu haben, kann man den dialektischen Gedankenspielen durchaus folgen. Außerdem“, so fahren die Theater immer selbstsicherer fort, „können die Todsünden so überholt nicht sein, wenn sogar ein prominenter Autor wie der Sohn und FAZ-Theaterkritiker Simon Strauß darüber ein ganzes Buch schreibt!“ Und wie zum Beweis schließen die drei künstlerischen Sparten der Würt-
tembergischen Staats theater sich zu Beginn des Jahres 2019 zusammen und machen Die sieben Todsünden von Bertolt Brecht und Kurt Weill zum Ausgangspunkt ihrer ersten Kooperation seit 23 Jahren. Damals, als das so genannte „Ballett mit Gesang“ im Jahr 1933 entstand, scherte es noch niemanden, dass die beiden Urheber und auch der Auftraggeber und Choreograf George Balanchine allesamt weiß, männlich und heterosexuell waren. Heute, im Jahr 2019 hingegen, kann man nicht umhin, sogleich zu bemerken, missmutig womöglich, dass die drei trotz Exil und politischer Verfolgung sich in durchaus pri vilegierten Situationen befanden. Um so mehr als dass vor allem Brecht ja durchaus fürstlich von den Begabungen der ihn umgebenden Frauen profitierte, so dass Ruth Berlau, Elisabeth Hauptmann, Marieluise Fleißer, Helene Weigel, Margarete Steffin und wie sie alle heißen, erst spät oder gar nicht die Früchte ihrer Arbeit für den Meister ernten konnten. Und ausgerechnet die Lebensgeschichte einer Frau haben die beiden Männer Bertolt Brecht und Kurt Weill nun ins Zentrum ihrer Sieben Tod sünden gestellt, die Geschichte von Anna, die sich den gnadenlosen Regeln ihrer Familie und des Gelderwerbs unterwerfen muss. Diese Familie, die Anna mal mehr mal minder gewaltvoll zwingt, sich einem äußerst rigorosen Regime zu unterwerfen, lassen Brecht und Weill dabei inklusive der für eine Bassstimme geschriebenen Rolle der Mutter, sinnigerweise von vier Männern singen, genauer gesagt von vier Opernsängern. Sollte man also heutzutage ob der Erkenntnis der Privilegien der Autoren das Stück von den Spielplänen verbannen? Vielleicht. Andererseits könnte man die (womöglich recht banale) Erkenntnis über die historische Identität der beiden Autoren zwar berücksichtigen, aber Die sieben Todsünden trotzdem als überraschend ab-
gründige Parabel auf strukturelle Gewalt verschiedener Couleur betrachten. Denn es ist ja gerade die merkwürdige Selbstverständlichkeit, mit der patriarchale Strukturen sich nach wie vor halten, die Brecht und Weill in ihrem Stück durchleuchten. Man kann Die sieben Todsünden somit als Bestandsaufnahme betrachten, als eine unterhaltsame Lektion darüber, warum der eine entscheidet und die andere spurt. Denn angesichts von Frauenzeitschriften mit millionenstarken Auflagen, eines stagnierenden Gender Pay Gap und der nach wie vor zu 80 Prozent von Frauen erledigten Hausarbeit kann man wahrlich nicht sagen, dass das Patriarchat Geschichte wäre und derartige Lektionen überflüssig. Selbst wenn es vereinzelt Frauen gibt, die ökonomisch und sozial selbstbestimmt sind, so befestigen diese tokens doch oft nur die streng biologische Einteilung der Welt in Mann und Frau, statt ein Zeichen für die selbstverständliche Gleichberechtigung aller zu sein, gleich welchen Geschlechts, welcher Klasse, welcher Hautfarbe sie sind. Warum können nur so wenige unabhängig und selbstbestimmt ihren Weg gehen? Warum sind nur so wenige Menschen frei und warum so viele unfrei? Und kann eine einzelne Person überhaupt den Mut und die Beharrlichkeit aufbringen, sich gegen die perfiden Methoden von Unterdrückung, Ausbeutung und Einflussnahme zu wehren? Verantwortlich für Ausgrenzung und Gewalt sind nicht nur „die Anderen“, auch die Benachteiligten selbst können häufig nicht anders als tatenlos hinzunehmen, dass sie schlecht behandelt werden, verprügelt, missbraucht, gedemütigt, getötet. „Man wird nicht unterdrückt geboren, sondern man wird es“, wie die französische Philosophin Manon Garcia eine berühmte feministische Sentenz von Simone de Beauvoir auf größere Unterdrückungszusammenhänge erweitert. Der Widerstand, der feministische, antirassistische, soziale, queere Widerstand formiert sich nur langsam und so hat sich seit der Ent-
stehung der Sieben Todsünden an den Verhältnissen wenig geändert. Allerdings ist es wohl zu einfach, bei dieser Bestandsaufnahme stehenzubleiben, zumal im Theater auch Anklage und Kritik meist vor dem ersten Klatschen verhallen. Vielleicht aber kann man im Theater ausprobieren, wie es anders gehen könnte? Darum geht es im zweiten Teil dieses Theaterabends. Es ist der Teil von Peaches, der kanadischen Elektro clash-Sängerin Peaches, die in feministischen und queeren Kreisen ein wahrer Star ist, weil sie auf beispielhafte Weise gegen alle Widerstände und Verletzungen ihre Unabhängigkeit gesucht und gefunden hat. Seit Jahrzehnten ist sie als unabhängige Künstlerin im männer- und geldgetriebenen Musikbusiness erfolgreich und hat dabei ihre Sexualität so frei und wild und schön erfunden, dass das Patriarchat einpacken kann. Die von Brecht und Weill geschilderte Welt hat Peaches hinter sich gelassen und einen eigenständigen, individuellen, selbstbestimmten Weg gefunden, am Leben zu sein. Es geht an diesem Abend nicht so sehr um die Kritik bestehender Verhältnisse. Vielmehr geht es darum, die Verhältnisse, zumindest die eigenen, neu zu erfinden. Zusammen mit dem Staatsorchester Stuttgart unter der Leitung von Stefan Schreiber, der Schauspielerin Josephine Köhler, dem Balletttänzer und Choreografen Louis Stiens und der Balletttänzerin Melinda Witham wird Peaches an diesem Abend auf der Bühne stehen. Wie kommt man raus aus der systemischen Gewalt und den strukturellen Zwängen? Die Regisseurin Anna-Sophie Mahler und ihre Kolla borateur*innen wollen die großen Fragen nach der Möglichkeit von individueller Freiheit und den Bedingungen für ein selbstbestimmtes Leben stellen. Und dabei eine gute Zeit haben. Put your dick in the air. KD
LIVE TESTIMONIAL BY PEACHES DIE SIEBEN TODSÜNDEN / SEVEN HEAVENLY SINS BALLETT MIT GESANG VON KURT WEILL TEXT VON BERTOLT BRECHT
DIE SIEBEN TODSÜNDEN Ballett mit Gesang von Kurt Weill. Text von Bertolt Brecht. Fassung für tiefe Frauenstimme bearbeitet von Wilhelm BrücknerRüggeberg, englische Übersetzung: W. H. Auden und Chester Kallman KING KONG THEORIE von Virginie Despentes SEVEN HEAVENLY SINS von Peaches THE UNANSWERED QUESTION von Charles Ives MIT Elliott Carlton Hines * Josephine Köhler Gergely Németi Peaches Christopher Sokolowski * Florian Spiess Louis Stiens Melinda Witham sowie als Zweite Geige Kirsten Frantz/ Veronika Unger und an der Gitarre Jonas Khalil/ Martin Wiedmann
REGIE Anna-Sophie Mahler featuring Peaches MUSIKALISCHE LEITUNG Stefan Schreiber CHOREOGRAFIE Louis Stiens
AUFFÜHRUNGSDAUER 1:30 Stunden, keine Pause
STUDIENLEITUNG Alan Hamilton TON Frank Bürger
BÜHNE Katrin Connan
MUSIKALISCHE ASSISTENZ UND KORREPETITION Harald Braun
KOSTÜME Marysol del Castillo
BOXCOACH Alexander Butz
PEACHES’ KOSTÜME HEAVENLY SINS Charlie Le Mindu
KÜNSTLERISCHE PRODUKTIONS LEITUNG TECHNIK OPER Susanne Gschwender
VAGINA-KOSTÜME UND LED-HARNISCH Courtesy of Peaches Collection
BÜHNENBILDASSISTENZ Francesca Carletti
LICHT Jörg Schuchardt DRAMATURGIE Katinka Deecke
* Mitglied des Internationalen Opernstudios
ES SPIELT DAS Staatsorchester Stuttgart
BALLETTMEISTERIN Sonia Santiago
REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIELLEITUNG Carmen C. Kruse, Benjamin Zeeb
KOSTÜMASSISTENZ Ulf Brauner INSPIZIENZ Lars Erik Bohling, Michael Steiner REGIEHOSPITANZ UND ÜBERTITELINSPIZIENZ Sophie Bischoff BÜHNENBILDHOSPITANZ Joanna Trawka KOSTÜMHOSPITANZ Sonja Stolzenwald
KOPRODUKTION VON STAATSOPER STUTTGART, STUTTGARTER BALLETT UND SCHAUSPIEL STUTTGART
SETZ DICH NICHT ZWISCHEN ZWEI STÜHLE
HALTE DICH ZURÜCK
NÜTZE DIE JUGEND NICHT
VERZICHT AUF DIE FREUDEN
Bertolt Brecht
TEIL DER REVOLUTION
I
m Gespräch mit der Dramaturgin Katinka Deecke sprechen die künstlerisch Verantwortlichen des Abends über Brecht und Weill, über die Begegnung verschiedener Künste in der Probenpraxis und über die Frage, ob und wie Die sieben Todsünden sich mehr als 80 Jahre nach ihrer Uraufführung in unsere Gegenwart einfinden. Es unterhalten sich die Regisseurin Anna-Sophie Mahler, die Schauspielerin Josephine Köhler, die Sängerin und Musikproduzentin Peaches, der Dirigent Stefan Schreiber, der Choreograf Louis Stiens und die Balletttänzerin Melinda Witham. Was ging Dir durch den Kopf, Peaches, als die Regisseurin Anna-Sophie Mahler Dich anrief und fragte, ob Du Lust hättest, an einem Projekt in Stuttgart über Brecht und Weill und ihre Todsünden beteiligt zu sein? PEACHES: Ich dachte, was für eine tolle Herausforderung, das ist die Gelegenheit, aus meiner Komfortzone rauszukommen. Und Du, Anna? Wie bist Du auf den Gedanken gekommen, Peaches einzuladen? ANNA-SOPHIE MAHLER: Ich kannte Peaches. Einmal hätten wir beinahe zusammen gearbeitet und daher wusste ich, dass sie grundsätzlich Lust hat, in Kontexten wie Theater und/oder Oper zu arbeiten. Für die Rolle der Anna, die bei Brecht und Weill hauptsächlich als Erzählerin der Handlung in Erscheinung tritt, war mir wichtig, dass eine Frau mit Lebenserfahrung leicht distanziert auf ihre eigene Vergangenheit zurückschauen kann. Eine Frau, die es bereits zu etwas gebracht hat, aber auf eine ganz andere Weise, als man es von Anna, wie sie in den Sieben Todsünden am Ende beschrieben wird, erwarten würde. Mit Peaches hatte ich diese Frau gefunden. Mit ihr konnten wir im zweiten Teil die Erzählung der Sieben Todsünden weiterführen und zeigen, wie Anna aus der ihr von den männlichen Autoren zugeteilten weiblichen Opferrolle herausgefunden hat. Somit erscheint im zweiten Teil Peaches als Peaches und singt ihre Songs. Wir hatten mit der Entscheidung, Peaches als Erzählerin der Anna zu besetzen, automatisch auch die passende Form und Musik für den zweiten Teil gefunden und konnten den ganzen Abend zu der Erzählung eines ganzen Frauenlebens verdichten. Man könnte meinen, dass das katholische Sünden-Konzept ganz schön überholt ist und nicht mehr unsere moralischen Kategorien von heute bedient. Auch die Kapitalismuskritik, die Brecht und Weill mit dem Vehikel der Todsünden ausüben, mag recht staubig anmuten. Was hat Dich trotzdem gereizt, diesen Stoff auf die Bühne zu bringen? ANNA-SOPHIE MAHLER: Sehr reizvoll fand ich, dass von Anfang an klar war, dass zu den Sieben Todsünden von Brecht/Weill noch ein zweiter Teil erfunden werden müsste, denn das Stück selbst dauert nur 35 Minuten. Das heißt, wir konnten uns überlegen, was wir aus einer heutigen Perspektive Brecht und Weill entgegensetzen möchten. Wir waren
uns ziemlich schnell sicher, dass wir nicht einfach ein zweites Stück an Die sieben Todsün den ranhängen, sondern Die sieben Todsünden als Ausgangspunkt nehmen möchten, um das Leben einer Frau zu erzählen. Damit konnten wir den womöglich etwas verstaubt anmutenden Gestus von Brecht/Weill nutzen, indem wir das Stück eher zu einer Vergangenheitsbewältigung machten, als darin eine Beschreibung unserer Gegenwart zu suchen. Wie lautet die Erzählung, die der neu erfundene Rahmen für Die sieben Todsünden ist? ANNA-SOPHIE MAHLER: Eine Frau namens Anna schaut auf ihr Leben zurück. Sie durchläuft nochmal ihre Vergangenheit und lässt Revue passieren, was ihr die eigene Familie angetan hat. Als sie ein junges Mädchen war, wurde sie von der Familie weggeschickt, um so viel Geld zu verdienen, dass ein kleines Einfamilienhaus in Louisiana angeschafft werden kann. Um dieses Geld zu verdienen, musste Anna all ihre lebenserhaltenden Instinkte zerstören. Bei uns auf der Bühne wird dieser innere Kampf als ein Boxkampf von zwei Alter Egos dargestellt: Die Schauspielerin – Josephine Köhler aus dem Ensemble des Schauspiels und der Halbsolist – Louis Stiens vom Stuttgarter Ballett, ein Kampf, den die Familie (die interessanterweise von vier männlichen Opernsängern gesungen wird) immer weiter treibt, bis zur totalen Selbstzerstörung. Die Erzählerin Anna verliert im Laufe dieses Rückblicks ihre innere Distanz und wird in ihre eigene Vergangenheit hineingezogen, bis sie schließlich einen Ausweg aus den immer gleichen Mechanismen der Selbstzerstörung findet. Wie dieser Ausweg aussieht, weiß man nicht bis der zweite Teil beginnt. Die Erzählerin der Anna kommt als Peaches erkenntlich zurück und feiert in ihrer Show zusammen mit den beiden Alter Egos eine Art Fest der Gegenwart. Der Choreograf George Balanchine hat das Werk 1933 bei Brecht und Weill in Auftrag gegeben und nach ihm haben nicht nur viele Regisseur*innen sich an den Sieben Todsünden versucht, sondern immer wieder haben auch Choreograf*innen sich des Werkes angenommen, an erster Stelle natürlich Pina Bausch. Louis, wie ordnest Du Dich in diese Tradition ein? Oder spielt sie für Dich gar keine Rolle? LOUIS STIENS: Da ich das Stück nie live getanzt gesehen habe und auch sonst die Songs und Geschichte für mich Neuland waren, meine ich, sehr neutral an das Werk heran gegangen zu sein. Es ermutigt mich zu wissen, dass bereits große Meister*innen von dem Stoff fasziniert waren und sich seiner angenommen haben. Allerdings halte ich es für schwierig, deren Choreografien mit unserer Produktion zu vergleichen, denn wir probieren in vielerlei Hinsicht neue Herangehensweisen aus, um den Stoff zeitgerecht aufzuarbeiten. Wie würdest Du Weills Musik in Hinblick auf ihre Tanzbarkeit beschreiben? LOUIS STIENS: Die Musik spielt bewusst provokativ mit der Tanz- und Unterhaltungsmusik ihrer Zeit, die ich tänzerisch umzudeuten und zu brechen versuche. In Hinsicht auf ihre Entstehungsgeschichte kommt bei mir ein Gefühl innerer Verbundenheit zu Musik und Text hinzu. Sie ist politisch und prangert an, sodass ich ihr mit meinem Tanz zustimmen will! Die Stadt- und Staatstheater in Deutschland sind wahrscheinlich die am wenigsten queer und feministisch orientierten Institutionen überhaupt, sie sind hierarchisch, patriarchisch und durch den Kanon, den sie aufgerufen sind, am Leben zu halten, sind sie konservativ.
Peaches, Du wiederum kämpfst seit Jahren gegen solche Strukturen. Wieso hast Du Dich entschieden, trotzdem bei diesem Projekt mitzuwirken? PEACHES: Ich glaube, genau aus diesem Grund. Es ist immer einfach, längst offene Türen einzurennen. Aber obwohl die queer-feministische Lebensweise, die ich verfolge, mehr und mehr Aufmerksamkeit bekommt, leben wir nach wie vor in einer Blase. Wir müssen rausgehen, um die großen Institutionen einzubeziehen, und ihnen eine Chance geben, Teil der Revolution zu sein. Wir müssen sie an die Kämpfe erinnern, die zumindest zum Teil den klassischen Kanon überhaupt erst haben entstehen lassen oder zumindest sie in dieser Hinsicht wachrütteln. Melinda, die Choreografie von Louis Stiens ist das letzte eigens für Dich entwickelte Stück, bevor Du bald nach einer langen Ballettkarriere Deinen Abschied von der Bühne nimmst. Vermutlich ist es schwierig, das in Worte zu fassen, aber wenn Du es doch versuchen magst: Wie fühlt sich das an? MELINDA WITHAM: Ballett ist mein Leben, vor allem das Stuttgarter. Ich habe als Fünf jährige 1959 in Mobil/Alabama/USA angefangen zu tanzen. Jetzt haben wir 2019, ich bin 64 Jahre alt und ich stehe mein Leben lang auf der Bühne – ich habe nichts anderes gemacht und es über alles geliebt. Ich habe gelitten und getanzt. Mein langes Tänzerleben und meine jetzigen Erfahrungen bei der Produktion Die sieben Todsünden habe ich John Cranko, Marcia Haydée, Reid Anderson und jetzt Tamas Detrich zu verdanken. Eigentlich noch vielen mehr … Ich habe also als eine der letzten Nachkömmlinge Crankos mein Tänzerinnenleben in Stuttgart aufgebaut, eine Familie gegründet und ein erfüllendes, aber auch gnadenlos hartes Tanzen hinter mir. Nachdem ich zwei Kinder bekommen hatte, wurde ich Ballettmeisterin und Charakterdarstellerin. In meinem jetzigen Alter noch einmal eine so geile Produktion mitzuerleben und -zu gestalten inspiriert mich total und bringt mir einen zweiten Frühling. Nachdem ich die letzten Jahre beim Stuttgarter Ballett hauptsächlich in bereits existierenden Stücken von John Cranko getanzt habe, waren meine Vorbereitungen und auch der Probenbeginn selbst eine Herausforderung. Aber Timing ist alles – die Zeit passte. Anna-Sophie hat eine ältere Tänzerin gesucht und Tamas Detrich hat mich vorgeschlagen. Jetzt als erfahrene Darstellerin darf ich die alte Anna präsentieren. Ich danke dir, Anna-Sophie! Ich weiß, dass nach meiner langen Theaterzeit das Ende in Sicht ist. Jetzt noch einmal so viel Neues zu erleben, bringt mich so viel weiter! Und wir haben alle wahnsinnig Glück, dass unsere drei neuen Intendanten Louis die Choreografie anvertraut haben. Er ist nicht nur ein hervorragender und liebenswerter Mensch, sondern auch ein absolutes Choreografiegenie für diese Produktion. Ich habe nie eine Person erlebt, die mir mit solch einer enormen Sensibilität, mit Respekt und Geduld begegnet. In diesem Stück bekomme ich das Gefühl, gebraucht zu werden. Ich bin also unheimlich dankbar, ein Teil dieser Produktion zu sein. Das ist der Beginn eines Abschieds – but never say no … Josephine, Du bist an diesem Abend nicht nur als Schauspielerin gefragt, sondern singst auch und bist tänzerisch sehr stark involviert. Was bedeutet transdisziplinäres Arbeiten für Dich? Was ist schön daran, aber vielleicht auch schwierig? JOSEPHINE KÖHLER: Ich hatte das Glück, außer mit dem Ballett schon mit allen Sparten zusammenarbeiten zu dürfen. Ich liebe die Oper und mir ist ein großer Wunsch erfüllt worden, als ich zum ersten Mal mit einem Orchester und Sänger*innen zusammen-
arbeiten konnte. Sicherlich unterscheiden sich die Arbeitsweisen der drei Sparten sehr stark. Man nimmt sehr verschiedene Wege, um zu einem künstlerischen „Ergebnis“ zu gelangen, aber doch gibt es immer wieder Momente, in denen sie sich annähern. Und dass Louis als Tänzer und Choreograf mich so ernst genommen hat, war ein großes Geschenk. Louis und ich haben einen ähnlichen Ehrgeiz, haben dasselbe Tempo und glücklicherweise sind wir auch geschmacklich auf einer Wellenlänge. Mir hat besonders das choreografische Arbeiten Spaß gemacht. In den Bewegungen hat Louis oft das Abstrakte und Bildhafte gesucht und ich konnte ihn mit den dazu passenden Emotionen unterstützen, die ich als Schauspielerin in einem Körper sehe. Was bedeutet für Dich, Louis, die Arbeit mit Nichttänzer*innen oder auch mit einem älteren Körper? LOUIS STIENS: Josephine hat eine Tanzausbildung, was uns beim gemeinsamen Choreografieren zu Gute kam. Ich schätze ihre direkte physische Aussagekraft und habe gelernt, Bewegungen konkret und logisch zu entwickeln, um einen tänzerischen Text zu kreieren, der unsere Geschichte erzählt. Melinda Witham steht als eine Frau mit viel Erfahrung auf der Bühne, deren Qualitäten es choreografisch besonders zu würdigen gilt. Dabei halte ich mich nicht zurück, sondern stehe im engen Austausch mit ihr, um auch ihrer Erzählung Ausdruck zu verleihen. Was bedeutet es musikalisch, dass wir an diesem Abend so heterogene Stimmen zusammenführen? Vier Opernsänger, eine Schauspielerin, zwei Balletttänzer*innen, eine Elektroclash-Sängerin und alle singen! Was für einen Klang hatten Brecht und Weill im Kopf und sind wir da eher nahe dran oder weit weg? STEFAN SCHREIBER: Gegenfrage: Was glaubst Du, kann ein Theaterabend heute erreichen, dessen Grund-Parameter ein homogener Gesang ist? Die sogenannte große Erzählung vielleicht? Also das glaube ich nicht wirklich. Die Erfahrung ganz verschiedener Qualitäten stimmlichen Ausdrucks spiegelt dagegen unsere Lebenswirklichkeit und ich denke, das hätten die Herren Brecht und Weill auch ganz gut gefunden. Kannst Du beschreiben, Peaches, inwiefern die Darstellungsweisen bei Brecht/Weill und in Deiner eigenen Show im zweiten Teil des Abends sich unterscheiden? PEACHES: Der zweite Teil ist für mich recht einfach, denn da geht es um eine performative Praxis, die ganz und gar meine eigene ist und die ich in den vergangenen zwanzig Jahren entwickelt habe – auch wenn es sich neu anfühlt, meine Arbeit in diesem Kontext zu zeigen. Der erste Teil hingegen ist für mich natürlich viel begrenzter und es ist keine mir vertraute Arbeitsweise. Die Herausforderung besteht darin, beide Teile mit derselben Energie und Kraft aufzuladen, auch wenn sie so extrem unterschiedlich sind. Am Ende des Abends kommt noch einmal der symphonische Klang zurück und das Stuttgarter Staatsorchester spielt The Unanswered Question des amerikanischen Komponisten Charles Ives. Wie verhält sich dieser letzte Teil des Abends zu dem Rest? ANNA-SOPHIE MAHLER: Naja, wenn man ein ganzes Leben erzählen will, fehlte uns nach dem Fest der Gegenwart noch das letzte Kapitel des Lebens. Das Alter und das Abschied
nehmen von dieser Welt. Auch fanden wir es interessant, das Älterwerden einer Frau, das auch heute noch ein schwieriges Thema ist, zu zeigen. Daher haben wir noch eine zukünftige Anna erfunden, die sich mit einem letzten Tanz vom Leben verabschiedet. In The Unanswered Question von Ives gibt es neben sphärischen, liegenden Akkorden immer wieder einschneidende Störungen durch eine Trompete, die den himmlisch sanften Klang durch ,Fragen‘ unterbricht. Interessanterweise sind es sogar wieder genau sieben Fragen, die dann ein Holzbläserpart zu beantworten versucht. Die Struktur dieser Musik ist wie gemacht, um das letzte Kapitel eines Lebens zu beschreiben, und erstaunlicherweise passt es sogar harmonisch perfekt zum letzten Song von Peaches Light in places. Somit konnten wir auch hier einen nahtlosen Übergang schaffen. Weill, Peaches, Ives – das ist ja schon eine ungewöhnliche Kombination. Wie sieht die musikalische Linie des Abend aus? STEFAN SCHREIBER: Ich kann es Dir vielleicht anhand der Komposition von Charles Ives umschreiben: Da hörst Du einen stetig ruhigen Streicher-Choral in einer festen Tonart, und dazu mehrmals die Phrasen der Solo-Trompete in einem eigenen harmonischen Spannungsfeld und in einem zum Choral rhythmisch irrationalen Verhältnis, abwechselnd mit verschiedenen Holzbläser-Sätzen ohne harmonischen Bezug und in verschiedenen vom Choral unabhängigen Tempi. Was Du so in der Vertikalen hörst, bestimmt unseren Abend gleichsam in der Horizontalen: Zwar lassen sich einzelne Bezüge zwischen der Musik der Herren Weill oder Ives mit den Songs von Peaches finden, aber diese Musik geht erst einmal nicht zusammen, da gibt es keine musikalische Linie für den ganzen Abend, kein Kontinuum, und das ist auch ganz gut so. Du arbeitest schon eine ganze Weile an der Staatsoper Stuttgart. Was bedeutet aus Deiner Perspektive die Kollaboration der verschiedenen Häuser für die Württembergischen Staatstheater? Geht es bei der Zusammenarbeit vor allem um ein politisches Zeichen oder hoffst Du auch auf die Einlösung eines ästhetischen Versprechens? STEFAN SCHREIBER: Wenn derart unterschiedliche künstlerische Ausdrucksformen zusammenkommen, aus denen in ihrer geschichtlichen Entwicklung ganz verschiedene künstlerische „Betriebe“ entstanden sind, ist das natürlich immer auch ein politisches Zeichen, in einer ähnlichen Richtung, wie wir gerade über die heterogenen Stimmen als Ausdrucksträger sprachen. Das Interessante entsteht doch, wenn die verschiedenen Arbeitsformen der künstlerischen Produktion erst einmal gerade nicht zusammen passen und sich notwendigerweise verändern müssen, vielleicht sogar in ganz grundlegenden Aspekten der jeweiligen Kunstform selbst. Dann ist Hoffnung auf ein Neu-Anderes, und wenn wir dazu mit unserer Arbeit an den Staatstheatern einen Anstoß gegeben haben, bin ich sehr froh! ANNA-SOPHIE MAHLER: Für mich ist das Zusammenbringen der verschiedenen Künste vielleicht die größte Herausforderung an diesem Projekt. Denn ich habe es hier mit drei völlig unterschiedlichen Sparten zu tun, Oper, Schauspiel und Ballett, die am Ende so zusammengefügt werden müssen, dass sie nicht mehr voneinander getrennt gedacht werden können. Und jede Sparte hat ihre eigene und sehr spezifische Herangehensweise, Dinge zu entwickeln und auszudrücken. Vielleicht würde ich in unserem Falle sogar von vier Sparten sprechen, wenn wir Peaches dazuzählen, die aus der Welt der Performance
und Rockmusik kommt. Das macht die Suche nach einer gemeinsamen Sprache natürlich nicht leicht. Am Ende denke ich aber, dass genau dieses die Qualität und Kraft des Abends sein wird. Es ist großartig zu sehen, wie Louis Stiens als Tänzer und Choreograf seine Welt des nicht-narrativen Tanzes in unsere Erzählung einbringt und wie Josephine Köhler sich als Schauspielerin auf das Singen und vor allem auch auf den Tanz mit Haut und Haar einlässt. Und wir sind sehr glücklich, dass auch Melinda Witham sich überzeugen ließ, dabei zu sein. Die sieben Todsünden sind tatsächlich Melindas letzte eigens für sie entstandene Choreografie, bevor sie ihre Bühnenkarriere beendet, und somit geht es hier auch um einen realen Abschied. Diese verschiedenen Kräfte werden – so hoffe ich! – dem Abend eine besondere Tiefenschärfe und Einzigartigkeit geben, die man sich zu Hause allein in seinem Zimmer niemals ausdenken könnte. Und das finde ich großartig! Josephine, findest Du, die Künste können voneinander lernen? Und wenn ja was? JOSEPHINE KÖHLER: Die Künste können NUR voneinander lernen, ja! Das Schauspiel vom Ballett zum Beispiel, was Disziplin betrifft, nacheinander zu arbeiten, sich mehr zu überprüfen und, sagen wir mal, in der Arbeit ein bisschen praktischer und effizienter zu werden. Im ersten Teil des Abends gibt es keinen Text, an dem ich mich abarbeiten könnte, so wie ich es gewöhnt bin, und es war eine schwierige Aufgabe, ausschließlich aus der Musik, den Bewegungen und den Mitspieler*innen Fantasien zu entwickeln. Immer wieder aber konnten wir alle feststellen, dass Theater in erster Linie ein großes Miteinander bedeutet, egal in welcher Sparte man unterwegs ist. Melinda, im Laufe Deiner Karriere hast Du gewiss schon viele spartenübergreifende Begegnungen gehabt. Fällt Dir etwas auf, was Du an diesem Arbeitsprozess besonders interessant findest oder das anders ist als sonst? MELINDA WITHAM: Prinzipiell finde ich eine Kooperation der Sparten sehr bereichernd. Alle inspirieren sich gegenseitig und sehr verschiedene Welten treffen aufeinander. Das Ballett ist meine kleine Heimat. Bei einem spartenübergreifenden Projekt ist es wie ein offenes Feld. Alle Künstler*innen – ob Tänzer*in, Sänger*in, Schauspieler*in – machen ihr eigenes Ding und bringen es ein. Durch solche Kooperationen lernt man großartige Menschen kennen. Ich bin absolut begeistert von allen Annas, allen anderen Darsteller*innen und dem ganzen Team dahinter.
PUT YOUR DICK IN THE AIR FUCK THE KISS YOUR PAIN AWAY CYST SHAKE THE SYSTEM
Peaches ï‚Š
ELIMINATE THE CLASS
JOSEPHINE KÖHLER Josephine Köhler ist Schauspielerin und war von 2011 bis 2018 Ensemblemitglied am Staatstheater Nürnberg. Mit Beginn der Intendanz von Burkhard C. Kosminski wechselte sie ins Ensemble des Schauspiel Stuttgart.
ANNA-SOPHIE MAHLER ist Regisseurin in Musiktheater und Schauspiel und arbeitet sowohl an großen Stadt- und Staatstheatern als auch mit ihrer eigenen Gruppe Capri Connection in der Freien Szene. 2016 wurde ihre Arbeit Mittelreich zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
PEACHES ist eine kanadische Sängerin und Musikproduzentin, die seit über 20 Jahren queer-feministische Lebensweisen auf der Bühne zelebriert. Berühmt wurde sie mit ihrem mittlerweile ikonischen Song Fuck the Pain away (siehe auch ausführliche Biografie).
STEFAN SCHREIBER ist Pianist und Dirigent und verantwortete neben zahlreichen Uraufführungen auch die Produktion Der Doppelgänger von David Marton. Seit 2006 ist er an der Oper Stuttgart beschäftigt.
LOUIS STIENS kam 2011 ans Stuttgarter Ballett, wo er 2015 zum Halbsolisten ernannt wurde. Als Choreograf arbeitet er ebenfalls seit 2011 und betritt dabei sowohl klassische Theaterräume als auch experimentellere Anordnungen.
MELINDA WITHAM ist eine US-amerikanische Balletttänzerin, für die bedeutende Choreograf*innen des 20. Jahrhunderts wie Jiří Kylián und William Forsythe viele Rollen kreierten. Die sieben Todsünden ist die letzte für sie geschaffene Rolle, bevor sie demnächst ihren Abschied von der Bühne nimmt.
der Biennale von Venedig. 2010 brachte sie die semi-biografische Elektro-Rock-Oper Peaches Does Herself auf die Bühne, für die ihre Karriere als lose Grundlage diente. Der gleichnamige Film feierte seine Premiere 2012 auf dem Toronto International Film Festival (TIFF) und wurde anschließend auf über 70 Festivals weltweit gespielt. Peaches blieb am Theater und brachte ihre eigene Interpretation von Andrew Lloyd Webbers Jesus Christ Superstar unter dem Namen Peaches Christ Superstar heraus, die nach wie vor weltweit auf Theaterbühnen und auf Festivals gespielt wird und 2016 zum Repertoire der Münchner Kammerspiele gehörte. Die facettenreiche Künstlerin sang 2013 die Hauptrolle in einer Berliner Produktion von Monteverdis epischer Oper L’Orfeo aus dem 17. Jahrhundert und schloss sich mit Yoko Ono zusammen: Auf dem Meltdown Festival in London hauchte sie 2013 der legendären Performance Cut Piece von Yoko Ono aus dem Jahr 1964 neues Leben ein. Onos Fazit: „Keine Performance von Cut Piece wird je von größerer Kunstfertigkeit sein. Ich habe es ganz klar vor Augen, wie sich zukünftige Künstlerinnen von Peaches’ kreativem Mut inspirieren lassen.“ Des Weiteren gab es Kollaborationen mit Major Lazer, Le Tigre, REM und vielen anderen Künstler*innen. Im Sommer wird Peaches anlässlich des 20. Jubiläums von The Teaches of Peaches auf Kampnagel in Hamburg eine neue Show präsentieren.
kannt wurde. Peaches’ 2000 erschienenes Debütalbum The Tea ches of Peaches war ein Riesenerfolg. Die Hauptsingle Fuck The Pain Away war überall zu hören, unter anderem in Lost in Translation von Sofia Coppola, in der US-amerikanischen Sitcom 30 Rock, in South Park und in der HBO-Serie True Blood. Thom Yorke hörte ihn vor der Aufnahme des RadioheadAlbums In Rainbows rauf und runter und Madonna machte dazu Sport. Das Musikmagazin Rolling Stone beschrieb das Album als „surreal lustig und versaut.“, die Wochenzeitung Village Voice bezeichnete es als eines der besten Alben des Jahres. 2015 wurde es mit dem Slaight Family Polaris Heritage Prize ausgezeichnet, ein Musikpreis, der kanadische Alben von „höchster künstlerischer Qualität“ würdigt. „Ich wollte mich nie im Mainstream bewegen”, sagt Peaches, deren aktuelles Album Rub die Kritiker*innen begeisterte und das sie erneut als Pionierin einer modernen Auffassung von Weiblichkeit, Sexualität und Macht ins Gespräch brachte. „Der Mainstream sollte sich auf mich zubewegen. Und so war es dann auch.” Peaches ist darüber hinaus eine erfolgreiche Performance-Künstlerin. Bei über zwanzig ihrer Musikvideos hat sie selbst Regie geführt und gemeinsam mit dem Fotografen Holger Talinski brachte sie ein
rin und Performance-Künstlerin Peaches hat Kult-
status. Seit über zwei Jahrzehnten setzt sie sich
über Grenzen hinweg und durchbricht Barrieren.
Sie geht dabei einen mutigen und sexuell progres-
siven Weg, der nicht nur die Popkultur ausschlag-
gebend verändert hat, sondern auch vielen Nach-
folger*innen die Türen öffnet. Durch ihre Musik, ihre
Kunst, ihre Filme, Theaterprojekte, Fernsehauftritte
und Buchproduktionen räumt sie mit Stereotypen
auf, bricht Tabus und hinterfragt soziale Normen
und patriarchale Machtgefüge. Mit voller Wucht
und furchtloser Authentizität tritt sie für die Rechte
der LGBTQ-Gemeinde ein und gilt als Vorreiterin im
Gender-Diskurs.
Peaches wuchs als Merrill Nisker in ihrer Heimat-
stadt Toronto auf. Sie wurde als eine von nur sieben
Studierenden zum renommierten Studiengang der
Theaterregie an der York University in Toronto zu-
gelassen und machte dort auch ihren Abschluss.
Die Anfänge ihrer Musikkarriere reichen in die frü-
hen 90er-Jahre zurück, ihren Künstlernamen ent-
nahm sie dem Song Four Women von Nina Simone.
In einem Interview mit der Zeitschrift The Gentle
woman sprach sie über ihren Künstlernamen: „Mein
Name hat nichts mit den Problemen der Frau zu
tun, von der der Song handelt. Es ging mir um die
Eindringlichkeit, mit der Nina am Ende des Songs
beteiligt, darunter der Art Basel Miami Beach und
gen der wichtigsten zeitgenössischen Kunstmessen
und verwandelte sich in eine sexuell aufgeladene,
tierte mit Genres und dramaturgischen Konzepten
Die feministische Sängerin, Produzentin, Regisseu-
VON ANTHONY D‘AMATO
der Bühne dokumentiert. Außerdem war sie an eini-
explosive Performerin, wodurch sie weltweit be-
PEACHES Foto-Tagebuch heraus, das ihr Leben auf und hinter
singt: ‚Peaches! PEACHES!‘ Ich habe mir gewünscht, dass Nina es für mich singt.“ Peaches experimen-
MITARBEITER*INNEN TECHNISCHE DIREKTION SCHAUSPIEL Guido Schneitz BÜHNENOBERINSPEKTOR Manuel Willi TECHNISCHE EINRICHTUNG Hans-Peter Erdmann LEITUNG BELEUCHTUNG Felix Dreyer BELEUCHTUNG Alexander Kotelnikov LEITUNG TON UND VIDEO Frank Bürger LEITENDER TONTECHNIKER Jonathan Eichhorn
LEITUNG MALSAAL Lisa Fuß
LEITUNG RÜSTMEISTEREI Achim Bitzer
LEITUNG BILDHAUEREI Maik Glemser
LEITUNG SCHUHMACHEREI Verena Bähr, Alfred Budenz
LEITUNG DEKORATIONSABTEILUNG Dirk Herle
KUNSTGEWERBE Nicola Baumann, Daniel Strobel
LEITUNG NÄHSAAL Heidi Lange LEITUNG SCHREINEREI Oliver Bundschuh LEITUNG SCHLOSSEREI Patrick Knopke MASKENDIREKTION Jörg Müller LEITUNG MASKE Nena Frei
TON Tim Heumesser, Phillipp Reineboth, Sebastian Thein
MASKE Melanie Jatzkowski, Sarah Lechner, Franziska Rupp
LEITUNG REQUISITE Philipp Unger
KOSTÜMDIREKTION Elke Wolter
REQUISITE Alaoui Masbahi
PRODUKTIONSLEITUNG KOSTÜM Petra Bongard, Astrid Eisenberger
LEITUNG MASCHINERIE Mustafa Agacdograyan DIREKTION DEKORATIONSWERKSTÄTTEN Bernhard Leykauf KONSTRUKTION Tobias Laaber TECHNISCHE PRODUKTIONSPLANUNG Philipp Neal
GEWANDMEISTER*INNEN Mareile Eder, Vivien Schlickel (Damen), Anna Volk, Aaron Schilling (Herren) LEITUNG FÄRBEREI Martina Lutz, Milenko Mociljanin LEITUNG MODISTEREI Eike Schnatmann
IMPRESSUM DIE SIEBEN TODSÜNDEN / SEVEN HEAVENLY SINS Ballett mit Gesang von Kurt Weill, Text von Bertolt Brecht / Live Testimonial by Peaches Koproduktion von Staatsoper Stuttgart, Stuttgarter Ballett und Schauspiel Stuttgart Spielzeit 2018/2019 INTENDANTEN Viktor Schoner, Tamas Detrich, Burkhard C. Kosminski REDAKTION Katinka Deecke TEXTNACHWEISE UND ÜBERSETZUNGEN Der Text Zum Abend, das Interview Teil der Revolution und die Biografie von Peaches sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Übersetzung Biografie Peaches Cornelia Enger/Panthea Übersetzung Interview (Peaches): Katinka Deecke
BE HER
AUFFÜHRUNGSRECHTE Kurt Weill: Schott Music Mainz
Peaches
Virginie Despentes: KING KONG THEORIE Editions Grasset & Fasquelle, 2006 Übersetzung: Claudia Steinitz und Barbara Heber-Schärer Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag, Reinbek bei Hamburg Charles Ives: Peermusic Classical, New York & Hamburg FOTO Bernd Weissbrod
DRUCK Druckerei Mack GmbH, Schönaich
DANKSAGUNG Großen Dank an Emperess Stah Power für die Hexagon-Inspiration, an Esther Perbandt für die Kooperation bei Peaches’ Kostüm im 1. Teil und an Cyndy Villano und Dana Tucker für die Hilfe bei allen großen und kleinen Fragen zum Peaches-Universum.
STICK IT IN
GESTALTUNG Peter Meyer