Programmheft (Auszug) "Orestie"

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ORESTIE in einer Neubearbeitung von Robert Icke

nach Aischylos

Auszug 1


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ORESTIE nach Aischylos in einer Neubearbeitung von Robert Icke Deutsch von Ulrike Syha


ORESTIE nach Aischylos in einer Neubearbeitung von Robert Icke

Orest Elektra Klytämnestra Agamemnon / Ägisth Kassandra / Athene  Menelaos Talthybios Ärtzin Kilissa / Furie Kalchas Junger Orest Iphigenie

Peer Oscar Musinowski Anne-Marie Lux Sylvana Krappatsch Matthias Leja Therese Dörr Michael Stiller Felix Strobel Marietta Meguid Elke Twiesselmann Paula Skorupa Ruben Kirchhauser / Tim Grunwald Aniko Sophie Huber / Salome Sophie Roller

Robert Icke Hildegard Bechtler Anthony Almeida Tim Reid Natasha Chivers, Tim Deiling Tom Gibbons, Andrew Josephs Gwendolyne Melchinger

Inszenierung Bühne und Kostüme Co-Inszenierung Video Licht Ton Dramaturgie

Regieassistenz Bühnenbildassistenz Kostümbildassistenz Soufflage Inspizienz Regiehospitanz Kostümhospitanz

Frida Bräumer Helen Stichlmeir Natalie Nazemi Simone Weinmann Thomas Hoffmann Thien Than Do Sara Hilt

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Technische Direktion Schauspiel Guido Schneitz | Bühnenoberinspektor Manuel Willi | Technische Einrichtung Hans-Peter Erdmann | Leitung Beleuchtung Felix Dreyer | Beleuchtungseinrichtung Adrian Groß, Alexander Kotelnikov | Leitung Ton & Video

Frank Bürger | Leitender Tontechniker Jonathan Eichhorn | Ton Phillipp Reineboth | Leitender Videotechniker Merten Lindorf | Video Jochen Gehrung, Martin Stolper | Leitung Requisite Philipp Unger | Requisite Sybille Reger, Jörg Schellenberg | Leitung Maschinerie Mustafa Agacdograyan | Direktion Dekorationswerkstätten Bernhard Leykauf | Konstruktion Andreas Guhl | Technische Produktions­planung Olaf Lintelmann a.G. | Leitung Malsaal Lisa Fuß | Leitung Bildhauerei Maik Glemser | Leitung Dekorationsabteilung Dirk Herle | Leitung Nähsaal Heidi Lange | Leitung Schreinerei Oliver Bundschuh | Leitung Schlosserei Patrick Knopke | Masken­direktion Jörg Müller | Leitung Maske Nena Frei | Maske Jörg Götz, Susanne Lang, Gabriele Nessel, Franziska Rupp | Kostümdirektion Elke Wolter | Produktions­ leitung Kostüme Petra Bongard | GewandmeisterInnen Mareile Eder, Vivien Schlickel (Damen), Anna Volk, Aaron Schilling (Herren) | Leitung Färberei Martina Lutz, Milenko Mociljanin | Leitung Modisterei Eike Schnatmann | Leitung Rüst­meisterei Achim Bitzer | Leitung Schuhmacherei Verena Bähr, Alfred Budenz | Kunstgewerbe Nicola Baumann, Daniel Strobel | Leitung Statisterie Isabelle Grupp Die Maskenabteilung der Staatstheater Stuttgart wird unterstützt durch MAC Cosmetics Oresteia in der Regie von Robert Icke wurde produziert und erstmalig aufgeführt am Almeida Theatre London am 29. Mai 2015. Ein besonderer Dank geht an die Ambassador Theatre Group (ATG).

Schauspielhaus

Aufführungsrechte Aufführungsdauer Premiere

Rowohlt Theater Verlag, Reinbek bei Hamburg 3:45 Stunden, 2 Pausen 17. November 2018

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DER KRIEG IST NACH HAUSE GEKOMMEN zum STück Am Anfang war alles gut. Eine scheinbar intakte Familie mit den Eltern, Agamemnon und Klytämnestra, und den Kindern Orest, Elektra und Iphigenie. Der Tisch, an dem sich die Familie versammelt, symbolisiert Zusammenhalt und Frieden. Doch ein Fluch lastet auf dem Haus, der den Zerfall herbeiführt. Die Zeichen stehen auf Krieg. Die feindlichen Truppen rüsten zum Kampf. Eine Prophezeiung fordert den Kriegsgeneral Agamemnon zum Handeln auf – allerdings mit fatalen Folgen. Denn die Prophezeiung besagt, dass Agamemnon den Krieg gegen Troja nur gewinnen kann, wenn er seine jüngste Tochter, Iphigenie, opfert. „Das Kind ist der Preis“. Was soll er tun? Soll er das Allgemeinwohl seines Volks höher stellen als sein persönliches Glück, das Wohl seines Kindes? Klytämnestra, seine Frau und Mutter Iphigenies, ist verzweifelt und versucht mit aller Kraft diese Tat zu verhindern. Vergeblich. Unterstützt von seinem Bruder, Menelaos, tötet Agamemnon seine Tochter. Damit verliert er nicht nur seine Ehefrau, sondern entzweit auch die Familie. Orest muss währenddessen beobachten, wie sich die tragische Geschichte seiner Familie, die er schon einmal erlebt hat, erneut von seinen Augen abspielt. Immer wieder wird er zu dem Geschehen befragt, muss sich erinnern, sich dazu verhalten, bis er schließlich selbst erneut als Beteiligter in die Geschichte einsteigt. Mit dem Mord an Iphigenie setzt die Spirale der Blutrache ein und der Krieg, den Agamemnon gewonnen hat, verlagert sich nun in das Innere, nimmt am Familientisch Platz. Der Krieg dauerte viele Jahre. Ein anderer Mann, Ägisth, Liebhaber Klytämnestras, hat Agamemnons Platz eingenommen. Die Heimkehr

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des Ehegattens kann nichts Gutes bedeuten. Auch hat Klytämnestra ihrem Mann den Mord an Iphigenie nicht verziehen. Dass Agamemnon auch noch eine fremde Frau, Kassandra, mit nach Hause bringt, sieht sie als weitere Bestätigung des Unrechts, das ihr zugefügt wurde. Die Rache folgt auf schnellem Fuße. Eigenhändig bringt sie beide um. Das Gleichgewicht muss wiederhergestellt werden – so meint sie zumindest. Die Rechnung allerdings hat sie ohne ihren Sohn, Orest, gemacht. Unterstützt von seiner Schwester Elektra, wollen sie sich an dem Mord des Vaters rächen, der Plan ist, die Mutter und den Geliebten umzubringen. Als Fremder getarnt, schleicht sich Orest ins Haus. Und es geschieht, was geschehen muss. Die Spirale des Tötens dreht sich weiter. Auch Mutter und Geliebter müssen sterben. Erst als die Göttin Athene den Muttermörder Orest vor ein Gericht stellt, das seine Schuld oder Unschuld beweisen soll, wird der Blutrache ein Ende gesetzt … Aischylos verfasste die Orestie 458 v. Chr. Sie ist die einzige erhaltene Tragödientrilogie des antiken griechischen Theaters und zählt zu den bedeutendsten Dramen der Weltliteratur. Der britische Theatermacher Robert Icke überträgt seine Adaption und Inszenierung der Orestie ins Hier und Jetzt. Die von Mord und Blutrache geprägte Geschichte einer Familientragödie erzählt er mit moderner Sprache und mit heutigen Figuren und Fragestellungen. Gleichzeitig gelingt es ihm nahe am Original zu bleiben. Viele Metaphern, Bezüge und Bilder, die Aischylos verwendet hat, lassen sich in seiner Bearbeitung wiederfinden. Drei größere Änderungen nimmt er vor: Erstens ergänzt er die Orestie um einen weiteren Teil, der sich mit der Vorgeschichte beschäftigt (Agamemnon opfert seine Tochter Iphigenie, um den Krieg gegen Troja zu gewinnen) die Aischylos voraussetzt. Zweitens ersetzt er den Chor mit Journalisten, die die Figuren zum Geschehen und ihren Taten befragen. Und drittens schiebt er eine zweite Zeitebene ein. In dieser ist die Tragödie bereits passiert und Orest muss seine Geschichte und die seiner Familie – ähnlich einer Therapiesitzung, noch einmal durchlaufen und sich zu ihr verhalten. Gwendolyne Melchinger

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„ WIR MÜSSEN AKZEPTIEREN, DASS UNSERE ELTERN MENSCHEN SIND. NICHT GRÖSSER ODER BESSER ALS WIR. AM ENDE EINFACH NUR MENSCHEN. “ 8


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UM DIESES HAUS IST ES NICHT GUT BESTELLT A n to n Bi e rl i m G e s p r äc h m i t de r Dr a m at u rg i n Gwendolyne Melchinger Gwendolyne Melchinger: Warum gehört die Orestie zu den beliebtesten Tragödien der Theaterliteratur? Anton Bierl: Für die Beliebtheit der Orestie spricht sowohl ein geistesgeschichtlicher als auch ein rein theaterimmanenter Grund. Die Orestie gehört als einzige vollständig erhaltene Trilogie – alle Tragödien wurden im Kontext von drei mehr oder minder zusammenhängenden Stücken aufgeführt, die ein und derselbe Chor in neuen Rollen begleitete – zu den tiefgründigsten Texten, die jemals geschrieben wurden. Seit der Uraufführung im Jahr 458 v. Chr. bis heute hat sie eine enorme Wirkung ausgeübt. Die Stimmen der Superlative sind Legion: Nach Algernon Charles Swinburn ist die Trilogie „perhaps the greatest achievement of the human mind“. Goethe nannte die Orestie „das Kunstwerk der Kunstwerke“. Im 19. Jahrhundert wurde die Orestie zu einem Schlüsseltext philosophischer und kultureller Reflexion der Moderne. Zeitgleich mit dem Aufkommen historischer Entwicklungskonzepte projizierte man auf den komplexen Ablauf der Trilogie Theorien des Fortschritts der Menschheit. Hegel diente die Orestie als geschichtsphilosophisches Strukturmodell des Dreischritts von These, Antithese und Synthese. Nach liberaler Lesart spiegelt sich in der Trilogie die Entwicklung von der Vendetta zum Rechtsstaat oder der ökonomische Fortschritt von

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Ungleichheit zu sozialer Gerechtigkeit. In Zeiten des Poststrukturalismus und der Dekonstruktion wurde das begründende Narrativ, die ‚große Erzählung’, bald in seiner Brüchigkeit und Widersprüchlichkeit erkannt, wobei das Ende als göttliche Manipulation entlarvt wurde. Deutlich wird sichtbar, wie die zeitlich gebundene Weltanschauung in die Interpretation und theatrale Spielweise dieses kanonischen Meistertexts der Weltliteratur einfließt. Aischylos spitzt als Dramatiker die Handlung zu, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen. Doch es ist verfehlt, die Oppositionen von Uraltem und Neuem, den älteren, chthonischen und jüngeren, olympischen Göttern, die in den Eumeniden in einem heftigen Kampf gezeigt werden, mit geschichtsphilosophischen oder anthropologischen evolutionären Prozessen gleichzusetzen. Vielmehr ist das Stück gerade deshalb so faszinierend, weil die mythische Handlung der tragischen Verwicklungen im Haus des Agamemnon auf allen Ebenen so erbittert und in voller Parteilichkeit ausgetragen wird. Theatral äußert sich dies in einem Konflikt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Blutrache und Gerichtswesen, Monströsem und Schönem, DunklemErdhaftem und hellem Licht, Weiblichem und Männlichem, Urgewalt und zivilisiertem Geist. Zugleich ist der lange Weg nie nur eindimensional affirmativ gezeichnet, sondern von Rissen und Brüchen durchzogen. Wie vor mehr als 2500 Jahren die im Theater versammelte Stadt Athen damit zum Denken über zentrale Fragen in einer Gemeinschaft angeregt wurde, so vermag dies die Orestie auch heute noch. Der Text hat offenbar Klassikerstatus, weil jede Generation sich an dem Modell sowohl inhaltlich als auch formal abarbeiten kann. Die Geschichte der Wiederaufführungen und Adaptionen sind Beleg für die Aktualität der Orestie, die sich gleichsam in unsere kulturelle DNA eingeschrieben hat. GM: Und was zeichnet den Dramatiker Aischylos aus? AB: Aischylos steht als geniale Dichtergröße ganz am Anfang des westlichen Theaters. Seine Stücke sind geprägt von einer mächtigen, dunklen und enorm poetischen Sprache voller Tiefe, Wucht und Pathos. Auf weiten Strecken beherrscht der Chor, der Körper und

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Das komplette Programmheft zu „Orestie“ können Sie beim Besucher­­service oder in unserem Theater­shop zum Preis von 2,50 € erwerben.


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