Programmheft (Auszug) "Vögel"

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VÖGEL Wajdi Mouawad

Auszug


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Deutschsprachige Erstaufführung

VÖGEL Wajdi Mouawad Historische Beratung: Natalie Zemon Davis Übersetzungen von Eli Bijaoui (Hebräisch), Linda Gaboriau (Englisch), Uli Menke (Deutsch) und Jalal Altawil (Arabisch)


VÖGEL Wajdi Mouawad

Wahida Amina Merai Eitan Martin Bruchmann David, sein Vater Itay Tiran Norah, seine Mutter Silke Bodenbender Etgar, sein Großvater Dov Glickman Leah, seine Großmutter Evgenia Dodina al-Hasan al-Wazzan Ali Jabor Eden, eine Soldatin Maya Gorkin Ärtzin Hagar Admoni-Schipper Kellner Fathi Kösoglu* / Eduard Zhukov* Statisterie Inszenierung Bühne Kostüme Musik Übertitel Licht Dramaturgie Regieassistenz Bühnenbildassistenz Kostümbildassistenz Dramaturgieassistenz Videoassistenz Soufflage Inspizienz Kostümhospitanz

Burkhard C. Kosminski Florian Etti Ute Lindenberg Hans Platzgumer Anna Kasten Felix Dreyer Ingoh Brux Anja Schoenwald Saskia Bellmann Maïté Forster Bastian Boß Roman Müller Mirjam Dienst Lars Erik Bohling Sonja Stolzenwald

*Studierende der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart

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Technische Direktion Schauspiel Guido Schneitz | Bühnenoberinspektor Manuel Willi | Technische Einrichtung Jan Krause | Leitung Beleuchtung Felix Dreyer | Beleuchtung

Franz Born | Leitung Ton & Video Frank Bürger | Leitender Tontechniker Jona­than Eichhorn | Ton Matthias Gräf | Leitender Videotechniker Merten Lindorf | Video Robert Seidel, Yvonne Strotzer | Leitung Requisite Philipp Unger | Requisite Erol Papic, Stephan Holzweißig | Leitung Maschinerie Mustafa Agacdograyan | Direktion Dekorationswerkstätten Bernhard Leykauf | Konstruktion Andreas Guhl | Technische Produktions­planung Monika Hoeger | Leitung Malsaal Lisa Fuß | Leitung Bild­hauerei Maik Glemser | Leitung Deko­rationsabteilung Dirk Herle | Leitung Nähsaal Heidi Lange | Leitung Schreinerei Oliver Bundschuh | Leitung Schlosserei Patrick Knopke | Masken­direktion Jörg Müller | Leitung Maske Nena Frei | Maske Andrea Wagner, Hanna Maile, Sabine Hellweg | Kostümdirektion Elke Wolter | Produktionsleitung Kostüme Kerstin Hägele | Gewandmeister*Innen Mareile Eder, Vivien Schlickel (Damen), Anna Volk, Aaron Schilling (Herren) | Leitung Färberei Martina Lutz, Milenko Mociljanin | Leitung Modisterei Eike Schnatmann | Leitung Rüstmeisterei Achim Bitzer | Leitung Schuhmacherei Verena Bähr, Alfred Budenz | Kunstgewerbe Nicola Baumann, Daniel Strobel | Leitung Statisterie Isabelle Grupp | Die Maskenabteilung der Staatstheater Stuttgart wird unterstützt durch MAC Cosmetics

Schauspielhaus

Aufführungsrechte Aufführungsdauer Deutschsprachige Erstaufführung

Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 3:30 Stunden, 1 Pause 16. November 2018

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DIE LEGENDE VOM AMPHIBIENVOGEL von Wajdi Mouawad An einem See übt sich ein Jungvogel zum ersten Mal im Fliegen. Als er die Fische unter der Wasseroberfläche sieht, erfüllt ihn große Neugier für diese wunderbaren Tiere, die so anders sind als er. Er fliegt im Sturzflug zu ihnen herunter, aber der Vogelschwarm, seine Großfamilie, fängt ihn sogleich ab und warnt ihn: „Gehe nie zu diesen Wesen. Sie sind nicht von unserer Welt und wir nicht von ihrer. Wenn du in ihre Welt gehst, wirst du sterben, so wie sie sterben würden, kämen sie zu uns. Unsere Welt würde sie töten und ihre Welt würde uns töten. Wir sind nicht dazu geschaffen, uns zu begegnen.“ Die Jahre vergehen und tiefe Schwermut überwältigt ihn, wenn er die Fische beobachtet, die für ihn unerreichbar sind. Als er eines wunderschönen Tages am See ist, um sie zu bewundern, erfasst ihn ein Rausch: „Ich kann mein Leben nicht ohne das, was mich mit Leidenschaft erfüllt, vergehen lassen. Lieber sterben, als das Leben zu leben, dass ich führe.“ Und er taucht hinab. Aber seine Liebe für das, was anders ist, ist so groß, dass ihm noch im selben Augenblick, als er die Wasseroberfläche durchbricht, Kiemen wachsen und ihm das Atmen ermöglichen. Inmitten der Fische sagt er zu ihnen: „Ich bin’s, ich bin einer von euch, ich bin der Amphibienvogel.“ Die persische Legende vom Amphibienvogel ließ mich träumen, als man sie mir als Kind erzählte. Und diese Geschichte einer Verwandlung bewegt mich noch heute, weil sie etwas über unsere Zeit erzählt, über unsere Welt und unsere Beziehung zum Anderen, dem Feind, gewissermaßen.

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IN SPRACHEN SCHREIBEN Ein Gespräch mit Wajdi Mouawad Charlotte Farcet: Am Ursprung dieses Projektes stand ein Gedanke: Das Stück sollte in den Sprachen der Personen gespielt werden. Der Text musste also schon vor den Proben existieren, um vorab übersetzt werden zu können, was eigentlich nicht deinem Probenprozess entspricht. Wie hat diese Notwendigkeit dein Schreiben verändert? Wajdi Mouawad: Diese Situation hat mich gezwungen, anspruchsvoller zu sein, denn wegen der Zeitspanne aufgrund der Übersetzungen konnte ich bei den Proben nicht korrigieren und umschreiben. Ich musste entschlossener schreiben als gewöhnlich. Nicht, dass mir das gefallen hätte, denn ich komme gern mit Szenen, die Spielraum zum Suchen lassen. Der Text war immer zentral, aber er sollte nicht allmächtig werden. Anders gesagt, neben den Worten schreibe ich gern auch mit Klängen, Licht, Raum und den Schauspielerkörpern. Dieses polyphone Schreiben ist möglich, wenn der Text formbar bleibt. Mein Schreiben kam mir deshalb bestimmter vor, weil es notwendigerweise endgültiger sein musste als gewöhnlich. CF: Sobald er geschrieben war, wurde der Texte den Übersetzern anvertraut, damit er seinen Weg auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Hebräisch finden konnte. Die Sprache, in der er geschrieben ist, ist also von der Bühne verschwunden. Die Übertitel haben wegen der Zwänge des simultanen Lesens oft auf die Originalworte verzichten müssen und so eine andere Sprache zum Vorschein gebracht, eine andere Veränderung. Es ist, als zöge sich die Originalsprache zurück, als verschwände sie.

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Was bedeutet dieses Verschwinden, wenn die Muttersprache schon verschwunden ist? Welche Verwandlung erzeugt das? WM: Wenn es in der Kindheit passiert, ist das Besondere beim Verschwinden der Muttersprache das Fehlen von jeder Art von Bewusstsein, von Schmerz. Die Sprache verschwindet, und das Kind hat überhaupt kein Bewusstsein von den Folgen dieses Verschwindens. Das Bewusstwerden kann viel später kommen. Man kann die Sprache natürlich neu erlernen, aber im Grunde ist das ein schrecklicher Widerspruch. Niemand ist dazu geschaffen, eine Muttersprache neu zu erlernen. Vielleicht steckt in dem Verschwinden der Sprache, in der das Stück geschrieben ist, der Wunsch, diese besondere Erfahrung noch einmal zu machen. Mit dem Hebräischen und Arabischen Versteck zu spielen, ist eine schmerzhafte Art zu schreiben, denn jedes Wort erinnert mich an den Verlust. Und letztlich hat diese Intuition immense Konsequenzen: die Begegnung mit Schauspielern, die dieselbe Geschichte mit mir teilen, mit einer Region, die sich zerreißt. Wie kann man sich anders als durchs Erzählen begegnen? CF: Was für eine Landschaft zeichnet diese Fragmentierung der Sprache? WM: Sie hat uns gezwungen, je nach Sprache zu denken. Übrigens ist schon die Geschichte eine Geschichte der Fragmentierung. Das ist ein seltsamer Widerspruch. Die Figuren fragmentieren sich, um ihre Geschichte zu erzählen. Dafür mussten wir Schauspieler zusammenbringen, die Hebräisch, Deutsch, Englisch und Arabisch sprechen. Es war faszinierend zu sehen, wie die Figuren sich in verschiedenen Sprachen entfalteten. Manchmal gelang es uns bei den Proben nicht, herauszubekommen, ob die Figur bei diesem oder jenem Satz Hebräisch oder Deutsch sprechen soll. Die Sprache ist eine Matrix, deren Quelle immer ungreifbar ist. Wenn Vater und Sohn beide perfekt Deutsch und Hebräisch sprechen, wie soll man dann entscheiden, ob dieser und jener Satz in dieser und jener Sprache gesprochen wird? Da kommt sofort die Geschichte ins Spiel. Am Ende wird die Landschaft zu einem Ruinenfeld, in dem die Figuren alles tun, um sich weiter zu lieben, und jeder ihrer Versuche macht sich bezahlt.

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Das komplette Programmheft zu „Vögel“ können Sie beim Besucher­­service oder in unserem Theater­shop zum Preis von 2,50 € erwerben. 12


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