Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011
Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011
www.Boropa.dE
Stadtwerke Bochum
anders [ agenten, bochum
Wir geben Ihnen die nรถtige Energie
Editorial
Liebes Publikum,
Titel: Paul Koek ILLUSTRIERT VON Philipp Lemm
jedes Theater hat seine eigene Geschichte. Oft ist sie verbunden mit Erinnerungen und Anekdoten oder einem Labyrinth eigenartiger Ecken und Winkel, Stiegen und Flure. Die Geschichte des Schauspielhauses Bochum ist vor allem verbunden mit besonderen Menschen, die sich hier in den letzten Jahrzehnten auf und vor der Bühne trafen und die nicht selten Theatergeschichte geschrieben haben. Wie kaum ein anderes Theater in Deutschland ist das Schauspielhaus Bochum in der Stadt verwurzelt, die selbst in schwierigen Zeiten alle Kraft in ihr Theater gibt, um den Künstlern, die dort arbeiten, das Besondere zu ermöglichen. Und wie in kaum einer Stadt hat das Schauspielhaus in guten Zeiten immer auch das Leben in der Stadt geprägt und sie durch seine Arbeit zu etwas Besonderem gemacht. Bochum und sein Theater gehören von jeher eng zusammen. Nun gilt es, in dieser gemeinsamen Geschichte das nächste Kapitel aufzuschlagen, aber auch den nächsten Schritt zu wagen. In einer Gegend, die sich immer wieder neu erfindet und die das Zusammenleben von Menschen aus über 150 Nationen täglich neu regelt und gestaltet, ist es notwendig, nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft zu blicken, Visionen und Träume zu entwerfen und vor allem Verbindungen herzustellen: zwischen den unterschiedlichen Menschen und Kulturen dieser Region, aber auch zwischen dieser Region und dem Rest der Welt. Die Frage, wie wir in Zukunft zusammenleben werden, lässt sich dabei weder regional noch national beantworten. Wir brauchen Gespräche mit Menschen aus vielen Ländern und Kulturen, brauchen den weiten Blick, um über Zukunft nachdenken zu können. Die Menschen, die wir zum Neustart des Schauspielhauses Bochum eingeladen haben, kommen deshalb nicht nur aus dem Ruhrgebiet und aus ganz Deutschland, sondern auch aus Warschau und Istanbul, den Niederlanden, Italien und der Schweiz, aus Tunis und der Elfenbeinküste. Sie bringen ihre ganz eigenen Geschichten mit und ihren besonderen Blick: auf die Zukunft, auf Deutschland und auf das, was sie hier in der Region vorfinden. Gemeinsam mit dem Ensemble des Schauspielhauses Bochum werden sie von dem erzählen, was das Zusammenleben ausmacht. In Bochum wie in Europa, gestern, heute und in Zukunft. Das Schauspielhaus Bochum wird so zu einem Ort, an dem unterschiedliche Künstler und Kulturen aus ganz Europa und darüber hinaus aufeinander treffen, mitsamt ihren verschiedenen Sprachen und bekannten und unbekannten Formen Theater zu spielen. Vor allem aber wird es zu einem Ort der Verbindung von Bochum und Europa. Boropa entsteht, ein neuer Ort, ein neues Land, mitten im Ruhrgebiet, mitten im Zentrum der Stadt.
In der ersten Ausgabe unseres Magazins, das den Namen dieses neuen Landes der Begegnungen und Utopien trägt, möchten wir Ihnen die Menschen vorstellen, die uns im kommenden Jahr begleiten werden und mit denen wir gemeinsam das Theater, die Stadt und Boropa entdecken wollen. Dazu gehören sowohl europäische und internationale Regisseure als auch deutschsprachige Regisseure wie David Bösch oder Roger Vontobel, die sich fest an das Haus binden werden. Außerdem die vielen neuen und so manche bekannte Gesichter des neuen Ensembles sowie eine ganze Generation junger Autoren, die in ihren Stücken und Auftragsarbeiten für das Schauspielhaus Bochum von einem Land in Bewegung erzählen und die Zeit beschreiben, in der wir leben. Etwas ganz Besonderes kann das Schauspielhaus Bochum jedoch nur mit Ihnen, dem Publikum, werden. Ich lade Sie herzlich ein, gemeinsam mit uns das Theater mit Leben zu füllen und zusammen ein Stück Zukunft zu erfinden.
Herzlichst Ihr Anselm Weber
INHAlT
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6 Der Spielplan 2010/2011
36 Ich lebe in einem schizophrenen Land
Alle Stücke, alle Regisseure, alle Premierendaten auf einen Blick.
8 Der Utopist
Fadhel Jaibi kommt aus Tunesien. Ein Gespräch über Mut, den Präsidenten und einen Blick auf Deutschland.
44 Mittelmeerbewohner Der algerische Philosoph und Professor für internationale Beziehungen Mustapha Cherif über das komplizierte Verhältnis von Orient und Okzident.
48 Life Stream. Ein Brief von Dries Verhoeven Der Regisseur und Musiker Paul Koek hat, wie sich das für einen Niederländer gehört, eigentlich Gärtner gelernt. Ein Besuch in Holland.
18 renegade in residence
Nachricht vom anderen Ende der Welt.
50 Schuld & Verantwortung
Renegade ist Tanztheater, das von der Straße kommt. Und außerdem neuer Partner des Schauspielhauses.
24 Schwarzweiß total Er ist seit über 40 Jahren in der Politik. Wer, wenn nicht er, sollte wissen, wie es geht? Ein Gespräch mit Otto Schily.
56 NExt GENEratIoN
Monika Gintersdorfer war auf dem besten Weg, eine ganz normale Theaterregisseurin zu werden. Gut, dass sie vorher noch einmal in die Elfenbeinküste gefahren ist.
30 David Bösch
Der zukünftige leitende Regisseur hat das Schauspielhaus fotografiert. Ein persönliches Fotoalbum.
Die Zukunft des Ruhrgebiets liegt in den Händen seiner Bewohner von morgen. Eine Übersicht über das Kulturhauptstadtprojekt und ein Ausblick von Nuran David Calis.
62 Das neue Ensemble
Sie spielen für Sie. Abend für Abend. Hier sind ihre Namen und ihre Gesichter. Das neue Ensemble des Schauspielhauses Bochum.
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68 Wie kommt die Welt ins theater?
108 theater für alle
Theater braucht Autoren, die gute Stücke schreiben. Fünf von ihnen schreiben für Bochum. Ein Treffen.
Das Programm des Jungen Schauspielhauses.
112 Bochum für fast umsonst
76 Phantomschmerz
lisa Nielebock inszeniert einen günstigen Tag in ihrer lieblingsstadt.
114 Phönix aus der Kohle Ranjit Hoskote ist Kulturkritiker für die Bombay Times. Trotzdem fühlt er sich im Ruhrgebiet auf merkwürdige Weise zu Hause.
116 In Bochum
Warum wir seit 100 Jahren um etwas trauern, das schon immer fort war.
BÜHNE
82 Mephistanbul
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8 8 340 2 Faust ist der deutscheste allerReiStoffe. he 1 372 342 374 344 406 3 76 e 13 408 In Istanbul sieht man das möglicherweise anders. 378 Reih 410 380 442 412 444 e 14 414 Ein Gespräch mit dem Regisseur Günsiray. Reih Mahir 446 416
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2 49 544 520 4 522 Ein Spaziergang durch Venedig mit hder Schauspielerin und 546 524 e 17 548 526 Rei 576 550 528 552 578 Regisseurin Katharina Thalbach. 554 580 55
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Orte mit besonderer Bedeutung. Mitten in oder 3der Stadt 27 5 29 7 9 31 53 11 3 16an Rand. Gesucht und von 3Schauspielern 13 55 18 deren 15 gefunden 20 5 17 3 22 19 24 7 83 21 26 23 5 25 37 39 59 85 41 38 115 61 43 87 40 Ensembles. des 45 42 47 63 44 49 46 51 48 117 52 89 50 65 68 102
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0 12 2 12 Linker Katholik, konservativer Rebell, klassikaffiner Punk. 4 12 g 05 6 Ran 142 144 Ein Porträt des polnischen Regisseurs Jan Klata. 146 6 g0 Ran
104 Spielregeln Die türkische Regisseurin Sahika Tekand über den Unterschied von Kunst und leben und ihre eigene Methode Theater zu machen.
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99 83 85 Der 80Serviceteil mit allen 87Informationen 101zum Theaterbe82 89 84 91 86 90 88 117 103 Ran 119 5 g0 121 107 10 104 106 5 111 109 108 110 ob 123 115 113 such. Egal, oder ohne Abonnement. 112 mit 114 116 125 141 132
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Verneigung
Das neue Jahrzehnt hat ohne zwei Ikonen des Bochumer Theaters begonnen: Peter Zadek und Tana Schanzara. Beide sind in den Erinnerungen des Bochumer Schauspielhauses und seiner Besucher tief verwurzelt, beide haben auf ihre Weise ganze Generationen von Theaterschaffenden geprägt. Und das nicht nur in Bochum. Zeit, dem Andenken an diese beiden Künstler einen angemessenen Raum zu geben. Deshalb heißt das TuT ab sofort wieder, wie sein Gründer Peter Zadek es ebenso schlicht wie anschaulich genannt hat: „Theater unten“. Und die Speisekammer, das gastronomische Herz des Hauses in den Kammerspielen, heißt jetzt „Tanas“. Und soll in Zukunft noch lauter, fröhlicher und persönlicher schlagen. 4
FOTO: DIANA KüSTER
nachbarschaftshilfe
„Meine Erinnerung an das Ruhrgebiet ist ein Geruch. Hier roch es in meiner Kindheit immer nach Erbsensuppe. Ich weiß nicht, ob das von der Zeche oder vom Metzger kam. Auf jeden Fall ist für mich der Duft von Erbsensuppe seitdem immer der Geruch des Ruhrgebiets.“ Dies ist eine der Erinnerungen, die die Regisseurin Mirjam Strunk aufgezeichnet hat. Ein Jahr lang zieht sie mit einem mobilen Archiv durch das Revier und sucht „Das Gedächtnis des Ruhrgebiets“. Die gesammelten Erinnerungen gibt es auf der Bühne des Schauspielhauses am „Tag der Generationen“ am 19. November 2010 zu sehen, zu hören – und gegebenenfalls auch zu riechen. Die Dokumentation ihrer Suche, weitere Erinnerungen und die Möglichkeit zum Mitmachen unter: www.gedaechtnis-des-ruhrgebiets.de
FOTO: HARALD HOFFMANN.cOM
Das ruhrgebiet riecht nach erbsensuppe
VERMIScHTES
Der Bochumer wohnt mittendrin und hat fast alles, was er braucht. Und falls dann doch mal was fehlt, ist es nicht weit zum Nachbarn, der gerne mit dem Vermissten aushilft. Egal, ob man einen Liter Milch, einen Rasenmäher oder eine Karte für die Oper braucht. Denn ab sofort wird eine besondere Form der Nachbarschaftshilfe von zwei großen Kulturinstitutionen des Ruhrgebiets angeboten: Das Schauspielhaus Bochum knüpft eine enge Partnerschaft mit dem Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen. Wem in Bochum also die Oper fehlt, bekommt sie ab sofort unkompliziert beim Nachbarn in Gelsenkirchen. Und wenn die Gelsenkirchener ins Schauspiel wollen, helfen die Bochumer gerne aus. Zum Beispiel durch das neue st ädt eüberg reifende Rev i e r- A b o n n e m e n t beider Häuser (Infos siehe Seite 137). Weitere Nachbarschaftspflege ist geplant.
Man muss nicht immer übers Meer segeln, um neue Welten zu entdecken. Manchmal reicht der Weg ins Theater. Und der wird leichter durch „columbus“, das neue Besucherangebot des Jungen Schauspielhauses speziell für Schulklassen des 9. und 10. Jahrgangs aus Bochum und Umgebung: Wer mit „columbus“ gemeinsam mit seiner Schulklasse zwei Jahre lang jeweils zweimal ins Theater geht, bekommt zu seinem Besuch noch eine Einführung vorher oder eine Begegnung mit den Theatermachern im Anschluss dazu. Die teilnehmenden Klassen müssen also nur noch entscheiden, welche Stücke sie sehen wollen, den Rest erledigt das Theater.
gastgastgeber
OBJEKT: JURGEN BEy / FOTO: JANNES LINDERS
Mit coluMbus Die welt entDecken
VERMIScHTES
Ein GastGastgeber ist einer, der als Gast kommt, um den Gastgebern zu helfen Gäste zu empfangen. Praktisch für alle, dass er dafür sein eigenes Gasthaus gleich mitbringt. So kann er in der Fremde den Fremden leichter aufnehmen. Im Falle des niederländischen Architekten und Aktionskünstlers Hans Venhuizen heißt das, dass er im Jahr 2010 mit einer Sammlung von alten Wohnwagen, aufblasbaren Zelten und gestrandeten Rettungsinseln hilfreich durchs Ruhrgebiet eilt. Das Besondere: Alle Objekte sind von namhaften niederländischen Künstlern und Designern umgebaut und neu gestaltet. Und in den meisten von ihnen kann man sogar wohnen. Kein Wunder, schließlich ist niemand so erfahren mit mobilen Heimstätten wie die Holländer. Eine Kostprobe an Gastfreundlichkeit bieten die GastGastgeber im Oktober 2010 auf dem Platz vor dem Schauspielhaus.
achtung hollänDer!
Im Fußball sind sie unsere leidenschaftlichsten Gegner. Aber wenn wir schnell ans Meer wollen, sind sie unser beliebtestes Reiseziel. Wir machen blöde Witze über sie, nicht nur, weil sie angeblich nicht Auto fahren können. Dafür haben sie eine Königin und die besten Pommes-Variationen der Welt. Ohne Frage, unser Verhältnis zu den Niederlanden ist ein widersprüchliches. Beruhigend, dass das umgekehrt nicht anders ist. Und höchste Zeit, einmal genauer hinzuschauen, was aus unserem nächsten Nachbarland eigentlich alles an ausgezeichneter Kunst kommt. Das Schauspielhaus Bochum ist Partner des Programms NLRUHR, das zum Kulturhauptstadtjahr viel Hochkarätiges in die Region bringt. Theater kommt deshalb vor allem nach Bochum. Was genau, steht in diesem Magazin und auf www.nl-ruhr.de. 5
jetzt wirDs persönlich
Bei jedem Neueinzug kommen neue Gesichter ins Haus, neue Namen müssen gelernt werden, neue Gewohnheiten halten Einzug und vermischen sich mit dem Altbekannten und Liebgewonnenen. Das gegenseitige Kennenlernen geht dabei nicht immer ohne Scheu und Fremdheitsgefühle einher. Damit die Neuen und die Alten, die auf der Bühne, die hinter der Bühne und die im Zuschauerraum, schneller persönlich miteinander bekannt werden, stellen wir uns ab Herbst regelmäßig vor – im Tanas, der Speisekammer des Schauspielhauses. Wir spielen Musik von unseren Lieblingsplatten, singen die Lieder unseres Lebens, lesen die spannendsten, traurigsten und lustigsten Stellen der Bücher, die uns am meisten bedeuten, wir zeigen Dias aus alten Tagen und schwärmen von dem Neuem, das wir erst kürzlich in der Stadt entdeckt haben, so dass aus den Fremden hoffentlich viele Freunde werden.
Spielplan 2010/2011 Candide oder der optimiSmuS
medea
Premiere am 23. September 2010 im Schauspielhaus Eine Koproduktion mit der Veenfabriek Leiden, Niederlande
Premiere am 8. Oktober 2010 in den Kammerspielen
von Voltaire Regie: Paul Koek
nouvelle pieCe Renegade in Residence Choreografie und Regie: Malou Airaudo
Uraufführung am 24. September 2010 in den Kammerspielen Eine gemeinsame Produktion von Schauspielhaus Bochum und Pottporus/Renegade, Herne
eleganz iSt kein verbreChen
von Gintersdorfer/Klaßen Regie: Monika Gintersdorfer Uraufführung am 24. September 2010 im Theater unten
der Sturm
von William Shakespeare Regie: David Bösch Premiere am 25. September 2010 im Schauspielhaus
eiSenStein
von Christoph Nußbaumeder Regie: Anselm Weber Uraufführung am 26. September 2010 in den Kammerspielen
life Streaming Eine Weltverbindung von Dries Verhoeven
Premiere am 1. Oktober 2010 auf dem Platz vor dem Schauspielhaus Eine Produktion von Dries Verhoeven in Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum, dem Festival a/d Werf, Utrecht und LIFT, London
in einer Bearbeitung von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi Regie: Fadhel Jaibi
die labdakiden
Eine Politsaga – Ödipus, Sieben gegen Theben und Antigone von Sophokles und Aischylos Regie: Roger Vontobel Premiere am 9. Oktober 2010 im Schauspielhaus
next generation daS StuCk von Nuran David Calis und Jugendlichen aus dem ganzen Ruhrgebiet Regie: Nuran David Calis
Uraufführung am 28. Oktober 2010 in den Kammerspielen Ein Projekt von Schauspielhaus Bochum, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010
Jim knopf und lukaS der lokomotivfuhrer Kinder- und Familienstück von Michael Ende Regie: Katja Lauken
Premiere am 14. November 2010 im Schauspielhaus
hoChStapeln von Jan Neumann Regie: Jan Neumann
Uraufführung am 2. Dezember 2010 im Theater unten
oft iSt die natur niCht einmal SChon
Ein romantisches Requiem von Christoph Frick und Karsten Riedel Regie: Christoph Frick Musik: Karsten Riedel Premiere am 3. Dezember 2010 in den Kammerspielen
fauSt
von Johann Wolfgang von Goethe Regie: Mahir Günsiray Premiere am 4. Dezember 2010 im Schauspielhaus
die ratten
von Gerhart Hauptmann Regie: David Bösch Premiere am 28. Januar 2011 in den Kammerspielen
Cyrano de bergeraC
von Edmond Rostand Regie: Katharina Thalbach Premiere am 29. Januar 2011 im Schauspielhaus In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität
kaSimir und karoline
von Ödön von Horváth Regie: Lisa Nielebock Premiere am 19. Februar 2011 im Schauspielhaus
Jimi bowatSki hat kein SChamgefuhl von Dirk Laucke Regie: Heike M. Götze
Uraufführung am 25. März 2011 in den Kammerspielen
amerika
von Franz Kafka Regie: Jan Klata Premiere am 2. April 2011 im Schauspielhaus
der fall deS robert k.
von Reto Finger Regie: Anselm Weber Uraufführung im Mai 2011 in den Kammerspielen
der aufhaltSame aufStieg deS arturo ui von Bertolt Brecht Regie: Sahika Tekand
Premiere am 28. Mai 2011 im Schauspielhaus
die Jungfrau von orleanS von Friedrich Schiller Regie: Roger Vontobel Premiere im Juni 2011 in den Kammerspielen
next generation die zukunftShauSer mit Jugendlichen aus Bochum, Essen, Duisburg, Herne und dem ganzen Ruhrgebiet
Bei X-Vision in Wattenscheid, in den Ausbildungswerkstätten des Opel-Werks Bochum, der Ruhr-Universität Bochum, dem Medien-Bunker Marxloh in Duisburg, in Essen-Altendorf, den Jugendhäusern des Essener Nordens, der UNESCO-Schule Essen, bei Pottporus in Herne und mit einem Erinnerungsmobil zwischen Essen und Bochum. Ein Projekt von Schauspielhaus Bochum und Schauspiel Essen, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 Partner: Deutschlandradio Kultur
Weiter im Spielplan:
a tribute to Johnny CaSh Musikalische Leitung: Torsten Kindermann und Karsten Riedel Regie: Arne Nobel
honigherz
Ein Stück für Kinder ab 2 von Cristina Gottfridsson Regie: Martina van Boxen Premiere am 3. Oktober 2010 im Melanchthonsaal
hikikomori
von Holger Schober Regie: Martina van Boxen Premiere am 26. November 2010 im Melanchthonsaal
Übernahmen aus dem Repertoire des Schauspiel Essen:
ubu
von Alfred Jarry/Simon Stephens Regie: Sebastian Nübling Eine Koproduktion mit Toneelgroep Amsterdam
woyzeCk
von Georg Büchner Regie: David Bösch
don CarloS
von Friedrich Schiller Regie: Anselm Weber
parzival
peer gynt
Premiere am 18. Februar 2011 in den Kammerspielen In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität
tranSit
von Lukas Bärfuss Regie: Martina van Boxen
Weiter im Spielplan:
die verwirrungen deS zoglingS torleSS von Robert Musil Regie: Martina van Boxen
von Henrik Ibsen Regie: Roger Vontobel nach dem Roman von Anna Seghers in einer Bearbeitung von Reto Finger Regie: Anselm Weber
nathan der weiSe
von Gotthold Ephraim Lessing Regie: Lisa Nielebock
effi brieSt
von Theodor Fontane Regie: Cilli Drexel und weitere Inszenierungen von David Bösch, Carola Bühn und Stephanie Sewella
P a u l K o e k i s t S c h l a g z e u ge r, K o mp o n i s t u n d T h e a t e r r e g i s s e u r. Vo r seinem Musik studium in Den Haag hat er, wie fast alle in seiner Familie, eine Lehre als Gär tner gemacht und in den Koek’schen Gewächshäusern Schnittblumen für Europa gezüchtet.
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Paul Koek — Der Utopist
DER UTOPIST
TExt: Olaf Kröck FOtos: Mycha schekalla
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Ein St端ck Klischee-Holland mit K端hen und Schafen auf gr端nen Wiesen und sogar Windm端hlen drehen sich. a b e r v o m To u r i s m u s w i r d d i e R e g i o n i g n o r i e r t .
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„ a l s i c h d i e M u s i k vo n c a ge u n d Va r è s e z u m e r s t e n M a l ge h ö r t h a b e , war das für mich eine Offenbarung. Das klang wie das Zeug, das ich selber ausprobiert hatte.“
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Paul Koek — Der Utopist
ie ein endloser Trommelwirbel prasselt der Regen auf das Dach des Gewächshauses. Es regnet schon den ganzen Tag und wird noch lange nicht aufhören. Nass von oben und unten, Holland eben. Umgeben von dünnen Wassergräben steht das Gewächshaus in einem Dorf in der Nähe von Leiden auf einem der unzähligen Polder, mit denen die Niederländer nahezu die Hälfte ihres Landes dem Meer abgerungen haben. Im Glashaus sind es tropische 29 Grad bei achtzigprozentiger Luftfeuchtigkeit. Draußen nähert sich das Quecksilber dem Gefrierpunkt. „Diese Temperatur mag ich sehr. Ich habe viel an solchen Orten gearbeitet. Meine ganze Kindheit und Jugend habe ich dort verbracht. In meiner Familie sind fast alle Gärtner, nur ich bin letztlich doch das schwarze Schaf geworden“, sagt Paul Koek und lacht, während er die beschlagenen Gläser seiner Hornbrille am Fleecepullover säubert. „Ein friedlicher Ort, nicht?“ Er lässt die Stille wirken, die nur durch ein Radio gestört wird, das leise Popmusik spielt. „Ich habe bei der Arbeit nie Musik gehört. Ich habe die Stille genossen. Die ist hier oft wie eine Meditation. Du musst welke Blätter zupfen, fängst vorne an und bewegst dich tagelang ganz langsam von Pflanze zu Pflanze durch den Raum.“ Er macht noch eine Pause. Wieder rauscht nur der Regen, und es könnte auch ein feiner Wasserstaub sein, der auf die fleischigen Blätter der Topfpflanzen gesprüht wird, die hier zu zehntausenden gezüchtet werden. Es ist die Dieffenbachia, vor allem die beliebte
Sorte „Tropical Snow“, die in dieser holländischen Dschungel-Hitze für Millionen europäische Wohnzimmer wächst. Sein Schwager, dem das Gewächshaus gehört, hat die Züchtungsrechte für ganz Europa an der Zimmerpflanze mit ihrer giftigen Milch, die aus dem brasilianischen Regenwald kommt. „Ich hatte ja auch gar keine Ahnung von Musik. Das kam ja alles erst später. Heute höre ich viel Musik bei der Arbeit, vor allem wenn ich mich vorbereite. Dann höre ich moderne Klassik des 20. Jahrhunderts, Varèse, Cage, so was. Es war für mich fast eine Offenbarung, als ich damals diese Musik kennen lernte. Ich hatte ja jahrelang keinen Musikunterricht und habe mir alles selbst beigebracht. Und auf einmal waren da diese Kompositionen, die so klangen
„Vielleicht bin ich hier geblieben, weil ich das Mädchen von nebenan geheiratet habe.“
wie das Zeug, das ich selbst ausprobiert hatte.“ Während Paul Koek mir voraus durch das Gewächshaus geht, stelle ich ihn mir als jugendlichen Gärtner vor, der umgeben von Tulpen und Fresien bei der Arbeit mit Klängen und Rhythmen experimentiert und noch nicht weiß, dass er einmal ein bedeutender europäischer Musiktheatermacher sein wird. Ein seltsam schönes Bild. Paul Koek – dessen Name man übrigens „Kuck“ und nicht „Köck“ ausspricht – ist heute Musiker, Komponist und Theaterregisseur. Vor seinem Musikstudium hat er, wie fast alle in seiner Familie, eine Lehre als Gärtner gemacht und schließlich in den Koek’schen Gewächshäusern gearbeitet. Doch nebenher ging er heimlich seiner größten Leidenschaft nach – er spielte Schlagzeug. Als er nach Abschluss seiner Gärtnerlehre auf die Meisterschule gehen sollte, radelte er an den Berufsschultagen in den Proberaum und ließ die Gärtnerklasse ausfallen. 12
Dort spielte er stundenlang alleine oder mit Band, hörte Musik der aktuellen Rockmusikgrößen wie Soft Machine oder Pink Floyd und genoss die Bewunderung der Mädchen aus der Nachbarschaft. Bis eines Tages die Tür aufflog und sein Vater im Bandraum stand. Ein Schock für den schulschwänzenden jungen Drummer, der gerade – umgeben von Mädchen – Tee trank und Haschisch rauchte. Der Vater fixierte den Sohn streng im Kreis der erschrocken verstummten Teenager. Dann verschwand er wieder, ohne wirklich etwas gesagt zu haben. Aus Angst vor dem bevorstehenden Familienkrach kam Paul erst spät in der Nacht nach Hause. Drei Tage sprachen Vater und Sohn kein Wort miteinander. Erst am vierten Morgen war es der Vater, der seinem Spross schnörkellos mitteilte, dass er ihn an der Musikschule von Leiden angemeldet habe. Und dann ging alles recht schnell. Paul Koek war schon zu diesem Zeitpunkt viel zu gut für die Musikschule. Aber er hatte sich alles selbst beigebracht und keinerlei Technik gelernt. Sein Schlagzeug-Lehrer, der auch am Königlichen Konservatorium von Den Haag unterrichtete, nahm ihn mit in die Musikhochschule und von nun an studierte Koek dort. Früh morgens und an den Wochenenden arbeitete er weiterhin als Gärtner, an den Wochentagen studierte er Schlagzeug am Konservatorium. Bis heute ist Paul Koek der renommierten Ausbildungsstätte verbunden. Er ist Professor und leitet den gerade von ihm und seinem Dramaturgen Paul Slangen gegründeten Studiengang für Musiktheater. „Mein Vater glaubte mir erst, dass ich von der Musik leben kann, als er mich in diesem riesigen Symphonieorchester im Frack sitzen sah. Und was habe ich da gespielt? Triangel. Nach zwei Tagen habe ich meine Orchesterkarriere für immer beendet“, grinst er. Dann fügt er erklärend hinzu: „Die Mentalität dort war nicht das, was ich von der Musik wollte. Ich wollte keine Sicherheit, ich wollte Risiko.“ Wir verlassen die tropische Wärme. Paul zieht die Gewächshaustür
Paul Koek is t ein Idealis t. Er e xper imentier t immer. Er w 채hlt nie das s i c h e r e Te r r a i n . U n d e r h a t e i n e S c h w 채 c h e f 체 r v i s i o n 채 r e M e n s c h e n .
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PaUL KOEK — DER UTOPIST
hinter sich fest ins Schloss, damit die wertvolle Wärme nicht entweicht. Sofort schlägt uns der eisige Regen ins Gesicht. Wir flüchten in den Wagen, fahren ein Stück über das „Platte Land“, wie sie die Gegend hier
„als Meine Kinder noch Klein waren, haben wir einige Jahre in eineM gewächshaus gewohnt.“
nennen. Tatsächlich würde man bis zum Horizont sehen können, wenn der Regen nicht wäre. aber auch so sieht man weit ins Land, sieht grüne Wiesen, Kühe und Schafe auf den Feldern und mehrere Windmühlen. Eine von ihnen dreht sich sogar. Ein Stück Klischee-Holland, das vom Tourismus vollkommen ignoriert wird. „Ich bin aus dieser Gegend eigentlich nie weg gekommen“, sagt Koek, während er die Richtung weist. „Obwohl ich hier natürlich nie mehr gearbeitet habe und mit den Bands und Theaterproduktionen auf der ganzen Welt auf Tour war, habe ich immer in dem Dorf gelebt, in dem ich geboren wurde. Und das ist ein echt hässliches Kaff. Vielleicht bin ich hier geblieben, weil ich das Mädchen von nebenan geheiratet habe“, sagt er und lacht schallend. Es ist nicht zu erkennen, ob ihm vor Lachen die Tränen kommen oder ob sich Regentropfen hinter die vom Großvater geerbte Brille geschlichen haben. Wir kommen an einen See, den man mit dem Meer verwechseln könnte, so groß ist er. Und da passt es doch, dass im Niederländischen das „Meer“ heißt, was bei uns ein See ist, und die „Zee“, gesprochen „See“, das Meer meint. auf dem grauen Wasser des Braassemermeers schwimmen nur wenige Boote. Die großen Eisschollen am Ufer lassen ahnen, dass man hier vor kurzem tatsächlich noch Schlittschuh laufen konnte. Es ist still und schön. Nur das Eis klingt leise, wie zerbrechendes Glas. Das kleine Backsteinhaus, das Paul von seinem Onkel geerbt hat, liegt direkt am Ufer. Dahinter rei-
hen sich wieder Gewächshäuser aneinander. „als meine Kinder noch klein waren, haben wir einige Jahre in einem Gewächshaus gewohnt. Ich mochte die Wärme darin, auch im Sommer. aber als sich dann durch die feuchte Luft all meine Bücher auflösten und wir tagelang die Seiten zusammenkleben mussten und als die Felle meiner Trommeln Risse bekamen, sind wir doch in das Haus gezogen. Es ist natürlich viel kleiner, aber letztlich war es besser.“ Vier Kinder hat Koek. Sein Sohn ist auch
IN SEINEM HaUS aM SEE STEHT EIN aLTES ScHLaGZEUG. DaS BENUTZT ER, WENN ER ES NIcHT IN DEN PROBERaUM ScHaFFT.
Schlagzeuger. „Ich habe ihn nie unterrichtet“, stellt er entschieden fest. „Er spielt viel besser als ich, hatte eine eigene, erfolgreiche Popband, aber trotzdem wird er in jedem Interview immer erstmal auf seinen Vater angesprochen. Für ihn ist das kein Problem, aber ich finde es schrecklich. Ich verstehe schon, was Pasolini meinte, als er gesagt hat, dass jeder Sohn erst einmal seinen Vater töten muss.“ Und dann fragt er gleich im anschluss: „Hunger?“ Die richtige Frage zur rechten Zeit. Wir machen uns auf den Weg, um unsere frierenden Leiber und knurrenden Mägen mit einer landestypischen Spezialität zu besänftigen – mit Pommes, oder wie sie die Holländer nennen – „Patatjes“. In der Frittenbude, die ein amerikanisches Diner mäßig gelungen imitiert, bestellen wir Pommes Spezial, also mit Mayonnaise, Ketchup und gehackten Zwiebeln. auf einem übergroßen Flachbildfernseher berichtet derweil ein Nachrichten-Ka14
nal über die aktuelle Regierungskrise im Land. Gleichzeitig laufen in der unteren Bildzeile die Börsenwerte globaler Großunternehmen. Koek stöhnt und sagt mehr zu sich selbst, dass das jetzt sehr schlimm für sein Land werden kann. Nach dem Scheitern der Regierungs-Koalition haben die Rechten enorme Wählerzuläufe. Das Land, das so viele Jahre für seine Politik der Toleranz und Integration europaweit Standards gesetzt hat, driftet nach zwei spektakulären, politisch motivierten Morden nach rechts. Vor allem die Ermordung des umstrittenen Filmemachers Theo van Gogh durch einen religiösen Fanatiker hat das Land unter Schock gesetzt. In den Niederlanden, wo selbst Königin Beatrix über viele Jahrzehnte keinen aufwendigen Personenschutz benötigte, ist der Geist der Toleranz aufs Meer hinausgeweht und braune Wolken sind über dem Land aufgezogen. Da wissen auch die Intellektuellen und Künstler kein Mittel gegen diese Entwicklung. „Natürlich haben wir eine echte Kriminalitäts- und Gewaltproblematik mit Zugewanderten, vor allem in den Großstädten. aber die Rezepte, die dagegen verkündet werden, sind einfach absurd“, sagt Koek. Es sieht
„Jeder sohn Muss erst einMal seinen Vater töten. das Verstehe ich.“
ganz danach aus, als könnten die Niederlande das erste Land Europas werden, das einen rechts-nationalen Ministerpräsidenten bekommt. „aber gerade deswegen müssen wir weiterhin das tun, was wir tun.“ Paul Koek ist kein agitator. Er ist leise und bedächtig in seinen Äußerungen. auch in seinen Stücken bringt er keine tagesaktuelle Politik auf die Bühne. aber seine arbeit ist nie frei von kritischer auseinandersetzung mit der Welt. Seit vielen Jahren setzt er sich mit den Menschen, die die Welt verändern wollten, und ihren Konzepten auseinander. Seine Faszination gilt all jenen, die es gewagt haben, Utopien zu formulieren.
PaUL KOEK — DER UTOPIST
Es sind die manifestverfassenden Künstlerinnen und Künstler, die Dadaisten und Futuristen, die ihn beschäftigen. So widmete er sich 2009 beispielsweise mit seiner Truppe, der „Veenfabriek“, dem Gesellschaftstheoretiker charles Fourier. Der Franzose, dessen Theorien aus dem 18. Jahrhundert heute nahezu vergessen sind, hat die Grundlagen einer Gesellschaftsform gelegt, die heute als „anarchismus“ eher berüchtigt als bekannt ist. In einem Flugzeughangar, auf einem ehemaligen Militärflughafen nahe dem Badeort Katwijk, hat Koek mit der Veenfabriek das Leben Fouriers in einer großen dadaistischen Musiktheater-aufführung nachgezeichnet. Mit einem zwanzigköpfigen Orchester, mit tanzenden camping-Zelten und dem von der Veenfabriek gegründeten ersten Sirenen-Orchester der Welt. In der gigantischen Halle – neben der Flugpiste, auf der die Königin zuweilen landete, aber auch Slobodan Miloševic´, als der dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal überstellt wurde – übersetzte das Ensemble die Ideen dieses Utopisten in visionäres Musiktheater. Paul Koek ist ein Idealist. Er will etwas mit seinem Theater. Er experimentiert immer. Er wählt nie das sichere Terrain. Er forscht, kramt vergessene Texte aus, baut verloren gegangene Instrumente nach, wie die Geräuschtrompeten der Futuristen, die Intonarumori. Die kombiniert er dann mit Instrumenten alter Musik wie des Mittelalters und des Barock. Dazu spielt er Instrumente, die man in Spielzeugabteilungen von Kaufhäusern findet, und mischt sie mit Sounds aus dem computer. Diese Musik spielt er zu den bildgewaltigen aktionen, den verschmitztkomischen Handlungen und spektakulären visuellen Effekten seiner Stücke. Sein Musiktheater ist keine verschreckende, anstrengende Experimentalkunst. Es sind schöne, fremde, emotionale Tonwelten, die seine Stücke bevölkern. Zum Theater kam Paul Koek zunächst als Bühnenmusiker. Dann begegnete er Mitte der 1980er Jahre dem Regisseur Johan Simons. Die beiden waren von Beginn an ein un-
zertrennliches Team, wie Brüder, die alles voneinander wissen und sich ohne Worte verstehen. „Wir waren ständig zusammen unterwegs. Er wohnte ja schon fast bei mir. Gemeinsam fuhren wir mit seinem cadillac durch die Gegend und redeten pausenlos. Wir dachten uns neue Projekte aus, suchten Orte, an denen wir unser nächstes Stück entwickeln konnten, sprachen über die Proben, die vor oder hinter uns lagen. Einmal fuhren wir an einem Schild vorbei, auf dem stand, dass jemand Zirkus-
Bei Hollandia gründete Paul Koek, der ab 1993 der künstlerische Koleiter des Theaters war, das „Veen Studio“. „Veen“, das holländische Wort für Moor und Sumpf, spielt auf die feuchte Landschaft an, aus der Koek stammt. Im Veen Studio wurde mit einem eigenen Ensemble zeitgenössisches elektronisches Musiktheater erprobt. Der Musiker, Komponist und Koregisseur von Hollandia begann so, das Verhältnis von Theater und Musik zu untersuchen. auch im Ruhrgebiet, in Bochum, hinterließen Paul Koek und Johan Simons einen bleibenden Eindruck mit ihrer Produktion „Sentimenti“. 2003 inszenierten sie für die Ruhrtriennale in der Jahrhunderthalle diese Bühnenfassung nach dem Roman „Milch und Kohle“ von Ralf Rothmann mit Musik von Verdi. Diese arbeit ist bis heute eine der Inszenierungen, die für das Ruhrgebietsfestival stilbildend waren. Sie war zugleich die letzte arbeit der beiden unter dem Dach von Hollandia. Nach der Auflösung der Gruppe 2005 zögerte Paul Koek nicht lange,
DIE BRILLE HaT PaUL IN EINER KISTE SEINES GROSSVaTERS GEFUNDEN UND NUR NEUE GLÄSER EINSETZEN LaSSEN.
zelte verkaufe. Das war so was wie ein Laden für Second-Hand-Zirkuszelte irgendwo in Nord-Holland. Sofort steuerte Johan den amerikanischen Schlitten in die Seitenstraße und wir verhandelten über eines der Zelte. Wir kauften es tatsächlich und der schräge alte Kerl erklärte uns, wie wir es aufbauen mussten. So zogen wir mit dem Zirkuszelt übers Land, um in abgelegenen Gegenden unsere Stücke zu spielen.“ Wer es nicht besser weiß, muss annehmen, dass Koek und Simons eine Zirkustheatertruppe betrieben haben. Tatsächlich war es aber die von Simons gegründete Gruppe „Hollandia“, die in den 1990er Jahren zum bedeutendsten zeitgenössischen Theaterensemble der Niederlande wurde und zu den einflussreichsten Gruppen Europas zählte. Sie tourten über den ganzen Kontinent, zeigten ihre Produktionen auf Festivals weltweit und wurden mit diversen Preisen ausgezeichnet, so im Jahr 2000 mit dem Europäischen Preis für Innovation im Theater. 15
„so zogen wir Mit deM zirKuszelt übers land, uM in abgelegenen gegenden unsere stücKe zu spielen.“
als ihm eine ehemalige Fabrikhalle im Zentrum von Leiden angeboten wurde, nur wenige Kilometer von seinem Haus am See entfernt, um dort seine arbeit fortzusetzen. Zusammen mit Ensemblemitgliedern von Hollandia, allen voran dem Musiker Ton van der Meer und dem Dramaturgen Paul Slangen, gründete er die Veenfabriek. Er ließ die ehemalige MilitärdeckenFabrik umbauen und machte sie zum Stammsitz des Musiktheaterensembles. Heute beherbergt das Gebäude ein Restaurant, eine Galerie, ateliers und vor allem die Büros, Proben- und aufführungsräume der Gruppe. Dennoch spielt die Veenfabriek nach niederländischer Theatertradition überall im Land. In den großen Städten und in der Provinz.
Und wie schon bei Hollandia entwickeln die Musiker und Schauspieler mit Koek auch weiterhin Stücke für Orte, die kein Theater sind. Eine Produktion führten sie in verschiedenen Kaufhäusern des größten Warenhauskonzerns des Landes auf. Das Besondere dabei: das Kaufhaus war während der Vorstellung geöffnet. So gab es skurrile und tiefgründige Begegnungen von Theater und Leben, von Kunst und Konsum. „Ein Künstler muss immer einen Bezug zur Wirtschaft haben, sonst verliert er den Kontakt zur Welt“, zitiert Koek die amerikanische Musikerin Laurie anderson. Paul Koek hat die Grande Dame der elektronischen Popmusik vor einigen Jahren eingeladen, um sich das von der Veenfabriek gegründete Sirenen-Orchester anzuhören. „Wir haben einen Weg gefunden, wie man Sirenen, die man vom Feueralarm kennt, wie ein normales Instrument spielen kann. Wir haben also mit den umgebauten Sirenen ein Orchester gegründet und Songs von Laurie anderson einstudiert. Ich habe ihrem agenten geschrieben und sie zu einem Privatkonzert eingeladen. Ja, und dann habe ich ihn angerufen und gefragt, ob sie schon geantwortet hat. Jeden Tag habe ich angerufen. Zwei Wochen lang.“ Wen wundert es, dass die amerikanische Künstlerin tatsächlich zusagte und zwei Tage bei der Veenfabriek verbrachte. Mittlerweile stehen wir im Flugzeughangar, der weiterhin auf militärischem Sperrgebiet liegt. Nur gegen Vorlage des ausweises kommt man in die zweite arbeitsstätte der Veenfabriek. Wir gehen in einen kleinen, beheizten Nebenraum und schauen auf das Rollfeld, wo keine Flugzeuge mehr landen. Es hat tatsächlich für einen augenblick aufgehört zu regnen. Jetzt macht nur die Kaffeemaschine röchelnde Geräusche. „Im Sommer ist es hier sehr schön. Dann kann man die Hasen beobachten. Man hat einen weiten Blick, fast bis zum Meer. Seit der Flughafen nicht mehr benutzt wird, sieht man, wie sich die Natur das Gelände langsam zurückerobert. Das gefällt mir.“ Da steht er hinter der kleinen Theke in der Kaffeeküche und trommelt einen schnellen, komplizierten Rhythmus
mit den Händen auf den Tresen. Und wieder lacht dieser fröhliche Mensch. „aber das wird so nicht bleiben. Die planen hier zwölftausend Wohnungen zu bauen. Verrückt. alles wird abgerissen und umgepflügt und wir müssen weg. Es bleibt kein Platz für Künstler und ihre Visionen.“ Und dann flammt gleich wieder eine Vision in seinen augen auf: „Vielleicht sollte man mit den Baugeräten ein riesiges Konzert der Maschinen veranstalten. Das wäre ein schöner abschluss, nicht?“ Er wünscht sich mehr Kontinuität für die arbeit der nächsten Jahre und will sich mit anderen verbünden. Daher hat er sich vorgenommen, in den nächsten drei Jahren mit seinem Ensemble am Schauspielhaus Bochum zu arbeiten. „Das wird großartig. Das Theater ist so schön und es gibt hier für uns viele Möglichkeiten.“ als Paul Koek zum abschied winkt, beginnt der Regen auf einen Schlag heftig auf den Wagen einzuschlagen. Nur mit der höchsten Stufe des Scheibenwischers verschaffe ich mir Durchblick durch die Windschutzscheibe. Und dann fahre ich weg aus diesem nassen Land, 230 Kilometer an einen Ort, an dem das Wetter nicht besser ist, wo aber bald einer sein wird, der etwas wagen will.
paul KoeK wurde 1954 in Roelofarendsveen, einem Dorf in der Nähe von Leiden, in den Niederlanden geboren. Er arbeitete als Schlagzeuger mit Künstlern wie Peter Greenaway, Heiner Goebbels oder Bob Wilson. 1987 schloss er sich der Theatergruppe „Hollandia“ von Johan Simons an, wo er 1993 künstlerischer Koleiter wurde. 2005 gründete er sein eigenes Musiktheaterensemble, die „Veenfabriek“ in Leiden. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Im Jahre 2009 erhielt Paul Koek die höchste Kulturauszeichnung der Niederlande, den Prinz Bernhard Kulturfond Theaterpreis. Seine gemeinsam mit Johan Simons erarbeitete Inszenierung von Horváths „Kasimir und Karoline“ ist zum Berliner Theatertreffen 2010 eingeladen.
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Candide oder der optimismus von Voltaire
Premiere am 23. September 2010 im Schauspielhaus Ist das hier schon alles oder wartet die beste aller möglichen Welten noch irgendwo auf uns? Das ist die zentrale Frage, der Voltaires Roman von 1759 mit bösem Spott auf die weltverbesserlichen ansichten seiner Zeit nachgeht. In seinem Roman erzählt er das Leben des unbelehrbaren Optimisten candide, der am Hofe Westfalens vom Meister Pangloss unterrichtet wird. Der sagt, dass diese Welt die beste aller möglichen Welten sei. Doch candide muss diese Behauptung am eigenen Leib schmerzlich überprüfen: Unsanft wird er mit einem Tritt in den allerwertesten aus seinem herzöglichen Paradies verjagt. Trotzdem versucht er, sich die Worte des Lehrers weiterhin zu Eigen zu machen und in allem nur das Gute zu sehen – selbst als er in den Krieg gerät, einen Inquisitionsprozess, das große Erdbeben von Lissabon, Piratenangriffe und Schiffsuntergänge nur knapp überlebt. candide irrt in einer aberwitzigen Reise, die von den unwahrscheinlichsten Zufällen und verblüffendsten auferstehungen Totgeglaubter geprägt ist, über Meere und Kontinente. Er ist getrieben von der Hoffnung, seine geliebte Kunigunde und vor allem die beste aller Welten zu finden. Paul Koek bearbeitet mit dem Bochumer Ensemble und seiner Musiktheatergruppe diese große philosophische Erzählung zur Saisoneröffnung für das Schauspielhaus.
Regie: Paul Koek Bühne und Licht: Theun Mosk Kostüme: Dorothee Curio Film: David Lammers Komposition: Anke Brouwer Sounddesign: Will-Jan Pielage Dramaturgie: Olaf Kröck, Paul Slangen Mit: Reinout Bussemaker, Therese Dörr, Joep van der Geest, Jürgen Hartmann, Raiko Küster, andreas Maier, Veronika Nickl, Roland Riebeling, yonina Spijker, Jutta Wachowiak, anke Zillich; Musiker: Lieke arts, Hans van der Meer, Ton van der Meer, John van Oostrum, antonis Pratsinakis, Katya Woloshin Eine Koproduktion mit der Veenfabriek in Leiden, Niederlande Gefördert im Fonds Wanderlust der Kulturstiftung des Bundes sowie dem Theaterinstitut der Niederlande im Rahmen von NL-RUHR.2010
Sauber: Die Metropole Ruhr ist Kulturhauptstadt Europas!
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RENEGADE IN RESIDENCE
['renigeid|in|'rezid ns]
Air•chAir [e |t∫e ]
Der Tänzer steht waagerecht auf einer Hand oder beiden Händen (Double Air Chair). Der Ellbogen der Standhand befindet sich dabei am Rücken. Wegen des hohen Grades an Gelenkigkeit einer der schwierigsten und ästhetischsten Freezes zum Abschluss eines Sets.
IlluSTRATIoNEN: ANNIkA kEp
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RENEGADE IN RESIDENCE
Air•freeze [e |fr z]
Der Air Freeze ist im prinzip ein Handstand auf einem Arm. Die körperlage kann dabei variieren. Beispielsweise kann der Rücken zum Boden zeigen, aber auch, wie in diesem Fall, die Seite. Beim Air Freeze gibt es viele Möglichkeiten für Variationen, da die Beine und ein Arm vollkommen frei sind.
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RENEGADE IN RESIDENCE
Six•Step [siks|step]
Basis-Schritt, bestehend aus sechs Schritten für Footworks und damit wesentliches Element für jedes Style Set. Footworks sind Tanzschritte am Boden, Styles sind kombinationen aus Footworks und Freezes. Wichtig bei einem Style sind vor allem die originalität des Sets und des Stils, mit dem dieser getanzt wird.
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RENEGADE IN RESIDENCE
flAt•LINER [flæt|'lain ]
Das Fahren auf einem Fahrrad ist kein traditionelles Stilmittel des Tanzes, auch nicht des HipHop oder Breakdance. Doch richtig gebraucht, ist auch das BMX-Rad als Teil eines guten Sets einsetzbar. ob auf einem Rad oder auf zwei, ob vorwärts oder rückwärts oder sogar als Teil eines klassischen pas de deux.
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RENEGADE IN RESIDENCE
KicK•dowN [kik|da n]
Der kick Down wird benutzt, um beim Breakdance einen Sixstep oder einen Ebenenwechsel flüssig einzuleiten. Dabei wird ein Fuß in die kniekehle des anderen gestreckten Beines geführt. Dann erfolgen das Einknicken im kniegelenk und die landung auf der Fußsohle des anderen Fußes, der fest am kniegelenk bleibt.
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renegade. Neues tanztheater in Bochum
Es treffen sich drei B-Boys – Breakdancer – aus Duisburg und Herne, die zur Musik Bewegungen machen können, die sich ein normaler Mensch nicht einmal vorstellen kann, deren Bühne aber bisher ausschließlich die Straße war. Eine klassische Tänzerin aus Rom, die sonst auf den internationalen Ballettbühnen Europas zu Hause ist. Ein junger Modern Dancer, der direkt von der Folkwang universität in Essen kommt. und ein Flatliner – BMX-Radfahrer – mitsamt seinem Bike aus köln. Sechs Tänzer, die unterschiedlicher kaum sein könnten und die eigentlich, so sollte man meinen, nicht zusammengehören. In der Tanztheaterproduktion „Schwarze katze“ standen sie vor zwei Jahren trotzdem gemeinsam auf der Bühne in der Bochumer Jahrhunderthalle und zeigten zu einem gewagten Musikmix quer durch alle Stilrichtungen eine neue Form von Tanztheater, die es so vorher in der Ruhrregion nicht gegeben hatte. Choreografin des Abends war Malou Airaudo, langjährige Solotänzerin in der Compagnie von pina Bausch. Verantwortlich für die Mischung und dafür, dass diese Begegnung überhaupt zustande kam, war eine Truppe, die unter dem Namen „Renegade“ seit einigen Jahren von einem unscheinbaren gemeindezentrumsähnlichen Haus in Herne aus die Tanz- und Streetart-Szene der Region aufmischt. Die „Abtrünnigen“ (so die wörtliche Übersetzung) kommen von der
Straße, aber sie durchqueren in ihrer Arbeit die ganze Stadt. Sie haben es geschafft, aus den traditionellen Straßenkünsten wie HipHop, Breakdance und Graffiti in Verbindung mit klassischem Tanz und modernem Tanztheater eine Ästhetik zu entwickeln, die sich eindeutig draußen auf der Straße verortet, aber niemals im Vorstadt-Ghetto gefangen bleibt. Auf den vielfältigen Ebenen ihrer künstlerischen Arbeit verbinden sie immer wieder widersprüchliche kräfte und Strategien. Sie mixen Tanz, Musik, Schauspiel und bildende kunst zu einer neuen, hochaktuellen Ausdrucksform: ausgebildete Tänzer arbeiten mit den besten Streetart-künstlern des Ruhrgebiets, Deutschlands und Europas. So verbinden sich nicht nur soziale Milieus und kulturen, sondern auch künstlerische Techniken und Ausdrucksformen, die jenseits einer Trennlinie von Sub- und Hochkultur funktionieren. Nicht mehr Bühne gegen Straße, nicht Migranten-Battle gegen deutsche leitkultur, nicht drinnen gegen draußen, sondern eine neue kreative Mischung führt zu einer spannungsgeladenen eigenständigen Ästhetik. Das Schauspielhaus Bochum erhält wieder einen Tanzpartner: Mit Beginn der neuen Intendanz startet „Renegade in Residence“. Renegade nutzt die Räume des Schauspielhauses in Bochum, Choreografen und Tänzer werden Teil des Hauses und arbeiten immer wieder auch in den „klassischen“ produktionen des Hauses. und einmal im Jahr entsteht unter der künstlerischen leitung von Renegade eine gemeinsame produktion – mit den Tänzern, mit vielen künstlern aus Europa wie auch mit dem Ensemble des Schauspielhauses. Die erste gleich am Eröffnungswochenende der neuen Saison im Herbst. Die neue Zusammenarbeit ist zugleich Fortsetzung und Weiterentwicklung einer bereits erprobten Verbindung: Regisseurin und Choreografin des neuen Stückes ist Malou Airaudo.
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Nouvelle Piece Renegade in Residence Uraufführung am 24. September 2010 in den Kammerspielen Die erste neue Tanztheaterarbeit von Renegade am Schauspielhaus Bochum entsteht in der Regie und Choreografie von Malou Airaudo. Auf der Bühne stehen acht Tänzer, die teils aus dem professionellen Tanz- und HipHop-Bereich, teils aus dem regionalen und europäischen Streetart-Kontext stammen. Das Thema entwickeln Renegade und Schauspielhaus Bochum gemeinsam. Es wird um Momente des „Dazwischen“ gehen, in denen Neues entsteht oder Altes vergeht: Ein Bergsteiger im Moment des Absturzes, das Durchqueren eines Tunnels, Transiterfahrungen, der Augenblick zwischen Leben und Tod. Momente, in denen das Leben stillsteht und gleichzeitig an einem vorüberrast, in denen alles denkbar ist und zugleich alles im nächsten Augenblick zu Ende sein könnte. Momente, die sich anfüllen mit Erinnerungen, mit Visionen, mit ungeahnten Möglichkeiten und Vorstellungen. Momente, in denen sich Bekanntes mit Unbekanntem verbindet und daraus etwas Explosives entsteht. Die Tänzer dieser ersten gemeinsamen Produktion stammen aus Herne und Berlin, aus Duisburg und der Schweiz, aus Celle und Italien. Sie sind Pantomimen und B-Boys, klassische Tänzer und Modernisten.
Regie und Choreografie: Malou Airaudo Eine gemeinsame Produktion von Schauspielhaus Bochum und Pottporus/Renegade Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen
MAlou AirAudo wurde 1948 geboren und begann früh ihre Tanzausbildung. Schon im Alter von acht Jahren lernte sie an der Schule der Opéra de Marseille und tanzte dort unter der Leitung von Joseph Lazzini im Ensemble. Über Monte Carlo und Amiens gelangte sie 1970 nach New York, wo sie nicht nur mit Manuel Alum arbeitete, sondern auch Pina Bausch traf. So kam sie 1973 nach Nordrhein-Westfalen in die Compagnie des neu gegründeten Tanztheaters in Wuppertal und wurde dort eine der prägenden Solistinnen. Ihr Solo „Le Sacre du Printemps“ ist sicher die berühmteste Arbeit, die aus der Zusammenarbeit dieser beiden Tanztheater-Ikonen entstand. Später arbeitete sie in Paris, Lorraine und Genf, pflegt aber seit langem eine Verbindung zum Ruhrgebiet: Seit 1984 ist sie Professorin für Zeitgenössischen Tanz an der Folkwang Universität. So kommt sie nicht als Fremde, sondern als Freundin in die Region, wenn sie mit Renegade am Schauspielhaus Bochum arbeitet.
Monika Gintersdorfer & Gadoukou La star — schwarzweiss totaL
schwarzweiĂ&#x; total
text: arnd weseMann fotos: christian roLfes
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Monika Gintersdorfer & Gadoukou la Star — SchwarzweiSS total
ie Elfenbeinküste in Westafrika wird von zwei Präsidenten regiert. Vom echten und einem Schattenpräsidenten, der in der Opposition jederzeit mit Bürgerkrieg drohen kann. Darum ist der echte Präsident sehr vorsichtig, und das ist gut so. Nicht nur der Präsident, auch der Papst hat einen Gegenpapst, den Schwarzen Papst. Den hält er im Keller des Vatikan gefangen wie einen Anti-Christ. Sowas erzählt man in Abidjan, einer Stadt aus zehn eigenständigen Städten, die von der Lagune am atlantischen Ozean wie eine Krabbenschere ins Land greifen. Regiert wird das Land nicht von hier aus, sondern aus der Gegenhauptstadt Yamoussoukro. Dort steht die Basilika Notre-Dame de Paix, die aussieht wie der Petersdom in Rom. Nur ist sie sehr viel größer, das größte Christengebäude der Welt. Auch das ist gut so, denn ob der Islam oder das Christentum an der Elfenbeinküste zahlenmäßig stärker ist, ist nicht erwiesen. So liegt hier alles auf einer fein austarierten Waage. Es gibt nicht das Gute ohne das Böse, den Papst nicht ohne Gegenpapst, das Christentum nicht ohne Islam. Und man hörte ja schon vom Bürgerkrieg an der Elfenbeinküste, der trotz offiziellem Friedensvertrag noch nie ganz beendet wurde, weil Frieden ohne Krieg nicht existieren kann. In Abidjan gab es noch einen dritten Präsidenten, der Le prési-
dent Douk Saga hieß. Zu Beginn des Bürgerkriegs hielt sich Le président Douk Saga in Paris auf, um dann wie mit einem kulturellen Staatsstreich von Paris aus mitten in den Bürgerkrieg hinein in der Elfenbeinküste zu einem Präsidenten der Freude zu werden. Franck Edmond Yao alias Gadoukou la Star zog mit dem Präsidenten Douk Saga und seinen Freunden, dem selbsternannten ivorischen Jet Set, durch die Nachtclubs von Paris als Choreograf und Supertänzer. Gadoukou la Star ist ein sehr schöner, sehr kräftiger Mann mit viel Blingbling. Unter den Fanfaren eines DJs bewegt er sich cool, weich im Antritt, als würde er mit unglaublicher Beschleunigung aus sich selbst hinausspringen können. Gadoukou la Star kann das Land verlassen, um jederzeit im Triumphzug immer wieder einzuwandern. Ein Auswanderer, der ständig einwandert, ist kein Flüchtling, sondern ein personifizierter Privatjet zwischen Europa und Afrika, den man einen „Bengisten” nennt – der Botschafter eines Lebensstils, der in Abidjan, in Paris und längst auch in Deutschland „Couper Décaler” genannt wird.
Gadoukou la Star ist ein sehr schöner, sehr kräftiger Mann mit viel Blingbling.
„Couper” bedeutet abhauen, einen Schnitt machen, „Décaler” heißt umfallen, im Sinn von sich durchs Leben schlagen ohne die Balance zu verlieren. Den guten Stil wahren heißt, präsidialen Glamour zu zeigen und selber ein Label zu sein durch hauteng getragene Edelmarken – so liegen Ruch und Ruhm immer schön dicht beieinander. Die „fouka fouka”-Geste, ein hämmernder Oberarm, signalisiert Kraft durch Form. Der DJ des „Couper Décaler” betreibt das Sampling der Unterschicht mit dem der oberen Zehntausend. Es wirkt wie das lautstarke Verhöhnen der Armut und zugleich als vollkommene Karikatur des westlichen Lebensstils. Es ist perfekt in27
szenierter starkult, der aus nichts als eigenwerbung besteht. niemand will hier nur bescheidene fünfzehn Minuten berühmt sein. wenigstens so bekannt wie nivea-creme muss man sein, so unverwechselbar wie ein Päckchen Marlboro.
So Bekannt Wie niveacreMe MuSS Man Sein, unverWechSelBar Wie MarlBoro.
in bestem fummel auf einem sofa lümmelnd zählt Gadoukou la star geduldig seine investitionen für die perfekte ivorische inszenierung auf: Musik komponieren, ein studio mieten, die Musik „piratisieren” lassen, sie also umsonst ins internet stellen, die dJs „bestechen”, damit sie in den Grand Maquis die titel spielen, überall für sich spendable reklame machen und das Glück haben, im fernsehen aufzutreten, damit endlich ein großes Konzert stattfinden kann, das einen teil der unkosten wieder reinbringt. es ist vor allem der ruhm, der abfällt, der all das aufwiegt, worauf europa seine Langeweile begründet: ausgeglichene haushalte, unauffällige Gleichheit, Bürgerruhe, traditionelles Ballett, zeitgenössische tanzverweigerung. Ganz abidjan dagegen, so scheint es mitten in der nacht in den heißen Vierteln von Yopougon, ist ein gewaltiger tanzwettbewerb, eine große feier des ich, ein narzisstisches spiel wie vor den spiegeln in den Maquis der rue Princesse. kein einziges Mal trennen sich dort die tanzenden Mädchen von ihrer eigenen schönheit. „spiegel”, sagt franck, „dienen bei euch zur kontrolle, uns beweisen sie, dass wir stolz sein können.” Längst hat Gadoukou la star eine doppelkarriere als schauspieler in deutschland, wo er franck edmond Yao heißt. Monika Gintersdorfer, die Regisseurin, filmte ihn bei einem Gastauftritt in einem hamburger nachtclub. sie kennt die szene in abidjan wie ihre westentasche. dabei wäre sie fast eine ganz normale regisseurin am deutschen stadtthe-
ater geworden, lauter erstaufführungen junger autoren bis hin zu den salzburger festspielen, die statt zum höhepunkt zur endstation dieser Literatur-inszenierungen wurden. zum Glück. es folgte ein Jahr mit hundert aktionen, die den gesicherten rahmen verließen. in einer aktion namens „ausziehen” zerschmetterte sie in hamburg eine wohnung, lernte beim Brunnengraben an der alster den bildenden künstler knut klaßen kennen und verliebte sich an die elfenbeinküste. seitdem ist sie Übersetzerin, von theater in tanz, von afrika in europa, von wahrheit in wirklichkeit. Übersetzen heißt: sich einem wettbewerb stellen, sich von einem vollkommen trainierten körper, der überquillt von tanzlust, Bewegungsschärfe, Variantenwitz, nicht abhängen zu lassen. und es als europäer auch mal aushalten zu können, dass unsere todsünden, eitelkeit, neid, Gier, sämtlich afrikanische tugenden sind. Übersetzerin zu sein ist für Monika Gintersdorfer nicht das erklären einer afrikanischen kultur, die mit tanz redet. es gibt stattdessen in ihrer bekannten serie „Logobi” eine völlig angstlose konfrontation der ivorischen tänzer Gotta depri und franck edmond Yao mit je einem deutschen Übersetzer, einem schauspieler, tänzer oder choreografen. diese Pas de deux werden auf augenhöhe übersetzt, ohne gleich Gleichheit zu fordern. es werden schritte erklärt, ohne Pädagogik. es werden fremde welten geöffnet, ohne sie zu besetzen. Übersetzen heißt nicht: aneignen. sondern im fremden die Freiheit der eigenen Sprache zu finden. die der ivorer. und auch die der deutschen. arnd WeSeMann ist redakteur der zeitschrift „tanz”.
ElEganz ist kEin VErbrEchEn von Gintersdorfer/Klaßen Premiere am 24. september 2010 im theater unten dies ist die perfekte show! dieses theater ist reich, ist international, ist glamourös, virtuos und elegant. das ivorischdeutsche ensemble entwickelt mit seiner sprache, seinem Gesang und seinen tanzenden körpern einen funkelnden abend. hier geht es nicht um die perfekte Länge oder die perfekte dramaturgie. die schauspieler und tänzer aus Bochum in deutschland in europa und aus abidjan an der elfenbeinküste in afrika zeigen, welche texte, welche themen eine „perfekte show“ braucht. es geht in diesem abend nicht um illusionen, nicht um Parodien oder Verstellungen, es geht um schillernde Behauptungen und eine spekulative wirklichkeit. die show wird zu einer Verständigung zwischen kulturen jenseits der plattgetrampelten Pfade politischer korrektheit, die uns in unsere eigenen widersprüche verwickelt, indem sie mit Vorurteilen aufräumt und sie gleichzeitig zementiert.
Regie: Monika Gintersdorfer Bühne und Kostüme: Knut Klaßen Dramaturgie: Olaf Kröck Mit: friederike Becht, Jean claude dagbo alias dJ Meko, hauke heumann, franck edmond Yao alias Gadoukou la star
Monika Gintersdorfer wurde 1967 geboren. Sie studierte Germanistik und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft in Köln und Regie in Hamburg. 2000 bis 2004 inszenierte sie am Hamburger Schauspielhaus, an den Münchner Kammerspielen und bei den Salzburger Festspielen. 2002 erhielt sie für ihre Inszenierung „Bedbound“ von Enda Walsh den Gertrud-Eysold-Preis. Seit 2005 arbeitet sie regelmäßig mit dem ivorischen Choreografen und Tänzer Franck Edmond Yao und dem bildenden Künstler Knut Klaßen. Ihre Produktion „Othello, c’est qui“ wurde mit dem Jury-Preis des Impulse Festivals 2009 ausgezeichnet. Im April 2010 veranstaltete sie unter dem Titel „Rue Princesse“ ein ivorisch-deutsches Festival in Abidjan.
franck edMond Yao aliaS Gadoukou la Star wurde in Abidjan in der Elfenbeinküste geboren. Dort studierte er Tanz und Schauspiel. Von 2003 an gewann er in vier aufeinander folgenden Jahren den African Award als bester afrikanischer Tänzer in Paris. Seit 2005 arbeitet Franck Edmond Yao mit Gintersdorfer/Klaßen. 2008 veröffentlichte er sein Debüt-Album „Couper Décaler“ als Gadoukou la Star und wurde damit zum Shootingstar der ivorischen Popmusik. Franck Edmond Yao lebt in Paris und Abidjan. 28
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David Bösch — Ein Fotoalbum
David Bösch wird leitender Regisseur am Schauspielhaus Bochum. In Bochum hatte er mit acht Jahren sein erstes Theatererlebnis, allerdings nicht im Schauspielhaus, sondern bei „Starlight Express“. Am Schauspielhaus hat er dann seine erste große Inszenierung gemacht, „zum ersten Mal richtig Theater, in einer Guckkastenbühne mit allem, was dazu gehört“: Romeo und Julia. Das war vor sechs Jahren. Inzwischen hat er in Essen, Hamburg, Zürich, Wien und Berlin gearbeitet. Jetzt freut er sich darauf, zurückzukehren und richtig anzufangen an diesem Haus. Erstmal hat er es fotografiert, von innen, in den Ecken, die man als Zuschauer sonst nicht zu Gesicht bekommt.
Fotos und Text: David Bösch
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David Bösch — Ein Fotoalbum
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David Bösch — Ein Fotoalbum
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David Bösch — Ein Fotoalbum
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David Bösch — Ein Fotoalbum
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Der Sturm von William Shakespeare
Die ratten von Gerhart Hauptmann
Premiere am 25. september 2010 im schauspielhaus
Premiere am 28. Januar 2011 in den Kammerspielen
er muss für ordnung sorgen. das ist sein Ziel und dafür ist er bereit alles zu tun, was in seiner Macht steht. Jahrzehnte verbringt er auf einer einsamen insel, gemeinsam mit seiner t tochter Miranda und zwei wilden Kreaturen, die er nur mühsam zu bändigen vermag. er schmiedet Pläne und verteidigt Moral und Gesetz in einer feindlichen Welt. dann kommt der t tag, an dem sein Plan in erfüllung gehen wird. es beginnt mit einem mächtigen sturm und noch weiß niemand, wen dieser sturm am ende hinwegfegen wird. als eine kleine Gruppe Gestrandeter plötzlich hilflos über die insel irrt, ändert das alles. ihr erscheinen bringt die sensible ordnung in Prosperos kleiner Welt ins schwanken. Selber vollkommen hilflos und orientierungslos setzen die schiffbrüchigen in der hermetischen inselgesellschaft neue sehnsüchte und Gefühle frei. die beiden wilden Geister, ariel und caliban, spüren, dass der Moment gekommen ist, sich zu befreien. Miranda, aufgewachsen an der seite der beiden Wilden, entdeckt den sanften Ferdinand. es ist für alle der Moment der Wahrheit, der Regeln außer Kraft setzt. dass sie spielbälle sind in Prosperos Plan, interessiert am ende niemanden mehr. Prospero muss sich eingestehen, dass er die Kontrolle verloren hat. nicht er nimmt Rache für widerfahrenes unrecht, es sind die anderen, die sich rächen an ihm und einer ordnung, die die Welt beherrschen wollte. doch die Welt ist anders, als er dachte. dieses grausame Märchen von shakespeare, sein letztes Werk, inszeniert david Bösch zu Beginn der spielzeit in Bochum.
nichts wünschen sich Frau John und ihr Mann sehnlicher als ein Kind, seit ihr albertchen drei Monate nach der Geburt gestorben ist. als Frau John mit der Zeit klar wird, dass ihre hoffnungen umsonst sind, lässt sie sich auf ein zweifelhaftes Geschäft ein: sie nutzt die lange abwesenheit ihres Mannes und kauft sich ein Baby. v von der verzweifelten hochschwangeren Pauline Piperkarcka, die drauf und dran war, sich in die spree zu stürzen. so scheint erstmal allen geholfen. stolz präsentiert Frau John ihrem Mann und der nachbarschaft das Kind. doch Pauline bekommt Gewissensbisse und verlangt ihren sohn zurück. da Frau John das Kind jedoch freiwillig nicht hergeben will, vertauscht es Pauline heimlich mit dem todkranken Kind der nachbarin. die tragische Geschichte der verzweifelten Mütter entwickelt sich zur v verwechslungskomödie, in der schließlich niemand mehr weiß, wer was vor wem geheim hält und welches Kind zu wem gehört. eine „Berliner t tragikomödie“ nennt Gerhart hauptmann sein stück, das er 1909 am höhepunkt seines Ruhmes fast zwanzig Jahre nach seinem skandaldebüt „vor v vor sonnenaufgang“ schrieb. hier ist versammelt, was unter dem titel naturalismus am ende des 19. Jahrhunderts die theatermittel radikal erneuerte: in einer verkommenen Mietskaserne, auf deren dachboden der arbeitslose theaterdirektor hassenreuther seinen Kostümfundus untergebracht hat, tummeln sich die Ratten und die kleinen leute, deren lebensdramen hauptmann auf die Bühne bringt. dass der theologiestudent erich spitta, der unbedingt schauspieler werden möchte und bei hassenreuther unterricht nimmt, als eine art alter ego hauptmanns auftritt und vehement fordert, dass es auf der Bühne genauso lächerliche Figuren wie im leben geben sollte, hält dem naturalismus den spiegel vor und erinnert daran, dass manchmal die dramen des echten lebens die bewegendsten sind.
Regie: David Bösch Bühne: Dirk Thiele Kostüme: Meentje Nielsen Dramaturgie: Sabine Reich Mit: Manfred Böll, Florian lange, nicola Mastroberardino, Ronny Miersch, Bernd Rademacher, Felix Rech, henrik schubert, xenia snagowski, daniel stock, Werner strenger, Klaus Weiss
david bösch Auch wenn David Bösch in den letzten Jahren viel in Essen am Schauspiel inszenierte, oder in Wien, Zürich und Frankfurt, wohnt er in Bochum, wo er in den nächsten Jahren wieder regelmäßig arbeiten wird. Geboren wurde er 1978 in Lübbecke/ NRW, dann studierte er Regie an der Hochschule für Musik und Theater in Zürich. 2004 brachte er in Bochum „Romeo und Julia“ von Shakespeare auf die Bühne, 2005 eröffnete er die Intendanz von Anselm Weber am Schauspiel Essen mit seiner Inszenierung „Ein Sommernachtstraum“, 2006 gewann er mit „Viel Lärm um nichts“ (Thalia Theater Hamburg) den „Young Directors Award“ der Salzburger Festspiele. Aber nicht nur Shakespeare inszeniert er, er bringt Klassiker von Büchner, Hauptmann, Schiller und Goethe ebenso auf die Bühne wie zeitgenössische Stücke oder große Opern. 35
Regie: David Bösch Bühne: Patrick Bannwart
Fadhel Jaibi — Ich lebe in einem schizophrenen Land
Ich lebe in einem schizophrenen Land
Interview: Thomas Laue und Anselm Weber Fotos: Christian Rolfes
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FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land
Warum nicht? weil ich in meinem Gedächtnis, meinen Reflexen und dem, was ich bis jetzt gelernt oder erworben habe, dinge mit mir herumtrage, die nicht mehr auszulöschen sind. Ich habe, wie hoffentlich jeder Künstler, meine eigene welt, die mich schon sehr lange begleitet. Was beschäftigt dich in dieser Welt derzeit am meisten? die zukunft meiner tochter. sie ist einundzwanzig und lebt in paris. Warum lebt sie nicht in Tunesien? weil es einerseits notwendig war, sie ein bisschen von ihren eltern zu lösen. und weil das Leben in tunesien einen jungen menschen töten kann.
adhel Jaibi, anders als viele Regisseure inszenierst du nur ein Stück im Jahr. sogar weniger! Ich produziere ein stück alle drei oder vier Jahre. Warum brauchst du so lange, um eine neue Produktion vorzubereiten? nach der premiere begleite ich zunächst die aufführungen meiner stücke, die an vielen orten der welt gezeigt werden. In jeder neuen arbeit bringe ich dann junge schauspieler, die zum ersten mal mit mir arbeiten, mit schauspielern zusammen, die mich seit 20 Jahren begleiten. so wird jede produktion zu einem neuen, komplizierten abenteuer. Ich versuche dabei jedes mal, das vorangegangene stück zu vergessen. mit jedem neuen thema ändere ich meine art zu arbeiten. Fängst du immer wieder bei Null an? man fängt nie bei null an. es ist immer eine Kontinuität und ein bruch zugleich. aber null nicht. auch wenn ich wollte, könnte ich nicht bei null anfangen.
Wie das? der horizont dort ist eingeschränkt. die türen und Fenster dieses Landes schließen sich immer mehr: die religiöse und moralische zensur, die zensur der medien, die zensur des ausdrucks. Ich möchte, dass meine Tochter dem entfliehen kann. Aber wenn ich davon spreche, dass meine größte sorge die zukunft meiner tochter ist, dann meine ich auch die zukunft überhaupt. Während wir hier reden, sollte zu Hause in Tunis eigentlich eine neue Produktion von dir zu sehen sein. Aber die Premiere am letzten Samstag hat nicht stattgefunden, weil dein Stück von der Zensurkommission nicht freigegeben wurde. Wie geht es nun weiter? als ich am montag in düsseldorf am Flughafen auf meine Koffer gewartet habe, rief mich der minister
„Ich habe meIne eIgene Welt, dIe mIch, WIe hoffentlIch jeden Künstler, schon sehr lange begleItet.“
an, der letzten donnerstag eine probe meines stückes gesehen hat. Ich wartete seit samstag, an dem eigentlich premiere sein sollte, auf diesen anruf. als er dann anrief, verlangte 38
Wer unter bedIngungen theater macht WIe der tunesIsche regIsseur fadhel jaIbI, entWIcKelt vIele PersönlIchKeIten: er Ist eIner der schärfsten KrItIKer seInes landes und zugleIch eInes seIner WIchtIgsten aushängeschIlder. In jedem fall also eIne staatsangelegenheIt. eIn IntervIeW.
Fadhel Jaibi — Ich lebe in einem schizophrenen Land
der Minister die Textfassung des Stückes. Nun ist es so, dass dieser Minister früher selbst Regisseur war. Er kennt also die subversive Kraft des
„Ich begreife mich als unabhängigen Bürger und nicht als Künstler.“
Bildes und es ist erstaunlich, dass er, obwohl er die Aufführung schon kennt, jetzt auch noch den Text haben möchte. Nun erwarte ich jeden Moment seine Entscheidung. Es kann sein, dass das Stück wegen des Themas – es ist eine Metapher auf das Leben in der derzeitigen tunesischen Gesellschaft – ganz verboten wird, weil er Angst um sich selbst und seine Stellung hat. Vielleicht wird der Minister aber auch nur Kürzungen verlangen, die ich aber nur bereit bin vorzunehmen, wenn sie nichts an der Essenz des Stückes verändern. Wenn er die Essenz berühren will, werde ich nein sagen. Dann ist es mir lieber, dass das Stück ganz verboten wird. Dann müsste ich allerdings eine sehr schwere Verantwortung tragen: die für 20 Familien, die von mir und dieser Produktion abhängig sind. Würdest du dich unter diesen Arbeitsumständen als einen mutigen Mann bezeichnen? Ich bin nicht in der Position, so etwas von mir zu behaupten. Ich begreife mich in erster Linie als unabhängigen Bürger und nicht als Künstler. Ich habe nie Kunst um der Kunst willen gemacht, ich habe immer Ideen verteidigt, die dem tunesischen Establishment und der tunesischen Nomenklatura missfielen. Ich bin seit vierzig Jahren Regisseur und seltsamerweise hat man nur zweimal versucht, meine Stücke zu verbieten. Einmal unter Präsident Bourguiba und jetzt, viel radikaler, unter Ben Ali. Warum erlaubt man mir in der Regel, die Stimme zu erheben? Warum akzeptiert man, dass ich auf eine subversive Art sehr kritisch bin? Weil meine Arbeit respektiert wird und weil behauptet wird, dass ich wichtige Sachen auf intelligentere Art und
Weise sage als andere. Und weil ich für die Regierung auch eine Art Vorzeigekünstler bin, weil meine Stücke auf der ganzen Welt zu sehen sind. Wenn man mir in Tokio, in Seoul, in Berlin oder London die Frage stellt: „Du lebst doch in einer Diktatur?“, dann sage ich: „Ja“. Und dann wird immer gefragt, ob das Stück, das gerade gespielt wurde, in Tunesien zensiert ist, und ich antworte: „Nein“. Man versucht, mich zu vereinnahmen und durch mich die Illusion zu erzeugen, dass ich in einer Demokratie lebe. Aber ich lebe in einem Land der Schizophrenie: Man toleriert im Theater und im Kino durch mich und andere etwas, das im Fernsehen nie akzeptiert würde. Im Fernsehen bin ich seit zehn Jahren verboten. Weder meine Stücke noch meine Filme werden im tunesischen Fernsehen gezeigt. Auch meine Interviews sind nur im arabischen oder westlichen Fernsehen zu sehen. Ist Tunesien in dieser Hinsicht besonders streng im Vergleich zu anderen nordafrikanischen Ländern? Was die Medien angeht, ist Tunesien ein totalitäres Land. In Marokko und Algerien gibt es eine freie Presse, wie wir sie in Tunesien nicht haben. Aber
„Man toleriert im Theater und im Kino durch mich und andere etwas, das im Fernsehen nie akzeptiert würde.“
in Tunesien haben wir eine Freiheit im Tonfall, wie du sie weder in Marokko noch in Algerien und noch weniger in Libyen finden wirst. Aber das ist eine Freiheit, die sich der Einzelne, das Individuum einräumt, und keine, die vom System vorgegeben wird. Wir sind immer im Konflikt mit dem System. Meine Frau Jalila Baccar und ich stehen auf einer roten Liste. Die Schizophrenie, die du für deine eigene Arbeit beschreibst, also einerseits auf einer roten Liste zu stehen und gleichzeitig aber auch ein Aushängeschild der Kultur zu sein, was bedeutet die für das 40
Land und für die Menschen, die in diesem Land leben und die nicht in so einer ausgestellten Situation sind wie du? Mein Glück ist, dass meine Arbeiten im Ausland gezeigt werden. Alle anderen werden auf der Stelle erstickt. Leider haben nur wenige den Mut, durch Kunst das zu sagen, was sie denken. Fast alle meine Freunde, die wie ich im Ausland studiert haben, in Rom, London oder Paris, sind dem Staat hörig, um bestimmte Positionen und Posten zu bekleiden. Sie machen formales, oberflächliches oder historisches Theater, um nicht über die Realität zu sprechen. Viele bleiben aus Angst auch einfach zu Hause. In den sechziger und siebziger Jahren hat Tunesien unter dem ersten unabhängigen Präsidenten Habib Bourguiba einen enormen Aufschwung erlebt. Bourguiba hat sich auch sehr um die Künstler und Intellektuellen des Landes gekümmert. Inzwischen ist seit fast 25 Jahren Zine el-Abidine Ben Ali Präsident. Was hat sich verändert von Bourguiba zu Ben Ali? Und was hat sich für dich verändert? Was Bourguiba für Tunesien getan hat, ist außergewöhnlich und einmalig im afrikanischen Raum. Auf der Ebene der Bildung, der Gesundheit, der Freiheit der Frau und der Kultur. Er hat den Kulturdenkmälern, dem Buchwesen, den Medien und vor allem dem Theater ein großes Budget zur Verfügung gestellt. Er hat überall Kultur- und Jugendzentren eingerichtet. Aber das alles tat er nur um seiner selbst willen. Für seine eigene Ehre. Aber auf der Ebene der Freiheiten war er ein Monster, ein düsterer Diktator, schlimmer als Franco, schlimmer als Ceaus¸escu. Wir waren zu der Zeit noch sehr jung. Aber schon damals versuchte man, uns zu vereinnahmen, weil unsere Stücke von Anfang an im Maghreb und im mittleren Orient sehr gefragt waren. Die Nomenklatura wollte sich unserer bedienen, um durch junge Künstler zu glänzen. Was hat sich unter Ben Ali dann verändert? Unter Ben Ali gab es eine exponentielle Entwicklung von allem. Das
Fadhel Jaibi — Ich lebe in einem schizophrenen Land
heißt, es gibt immer mehr Leute auf dem Markt, immer mehr Kunstschaffende, immer mehr Techniker, Schauspieler, im Theater wie im Film. Er hat das Budget für Kunst nochmal erhöht, so dass jetzt 1,5 Prozent des Staatshaushalts für Kunst ausgegeben wird. Das ist für die arabische Welt äußerst ungewöhnlich.
Saal habe, sind mindestens 50 von ihnen Polizisten. Es ist völlig wahnsinnig. Es geht so weit, dass die Tunesier selber zu Polizisten werden. Es ist eine Terrorherrschaft. Ben Ali hat die Liga der Menschenrechte verboten. Er hat alle Parteien der Opposition verboten und die Zivilgesellschaft zerstört.
Heißt das, dass sich die Situation unter Ben Ali verbessert hat? Nein! Absolut nicht! Auch bei Ben Ali wird dieses Geld für seine eigene Ehre und die Ehre seines Staates eingesetzt und manchmal gibt es dann ein paar Krümel für unabhängige Künstler, wie wir es sind, in der Hoffnung, etwas davon zurückzuerhalten. Aber Ben Ali ist ein Diktator und die Freiheiten waren noch nie so eingeschränkt wie jetzt. Durch Ben
Welche Auswirkungen hat das auf das Leben der normalen Menschen, die eben nicht die Möglichkeit haben, sich künstlerisch auszudrücken? Es gibt mindesten zwei Arten von Tunesiern im Land. Viele sind wie du und ich. Sie sind die Kinder von Bourguiba und Erben des französisch- und englischsprachigen Raums. Laizisten und Republikaner, die eigentlich Bürger der Welt sind. Die an Freiheit, Demokratie und Menschenrechte glauben. Daneben existiert ein Land, das religiös und konservativ ist. Dieses Land zieht sich immer mehr auf sich selbst zurück. Seit dem 11. September und den Diskursen, die dieses Datum mit sich gebracht hat, wegen der Medien und des arabischen Fernsehens, wegen Israel und der Probleme in Palästina, aber auch wegen des Westens, der sich immer mehr verschließt, gibt es Leute, die sich radikalisieren. Innerhalb einer einzigen Familie gibt es so den progressiven Vater und den konservativen Sohn. Es gibt die progressive Tochter und die konservative Mutter. Innerhalb dieser Familien herrschen ständig Konflikte. Die gleichen Konflikte findet man in der Schule, auf der Straße und in den Büros. Und sogar unter der herrschenden Klasse. Ich habe das bei meinem Stück „Corps otages“ miterlebt. Minister und Abgeordnete aus der gleichen und einzigen Partei stritten sich darum, was mit mir zu tun sei. Sollte man mir mein Visum geben oder mich eher ins Gefängnis stecken? Man braucht mich. Die, die nicht für mich sind, sind nicht unbedingt gegen mich. Das ist schizophren.
„Es ist verboten, den Präsidenten zu kritisieren. Ihn und seine Familie, die Familie seiner Frau, ihre Brüder und Schwestern, die Mafia.“
Ali sind wir auf der roten Liste und dürfen nicht im Fernsehen auftreten. Durch Ben Ali sind wir zensiert, noch mehr als unter Bourguiba. Was hat diese Diktatur, die du beschreibst, für einen Charakter? Ist es eine religiöse Diktatur, wie wir sie aus anderen arabischen Ländern kennen? Nein, sie ist fast ausschließlich politischer Natur. Es ist verboten, den Präsidenten zu kritisieren. Ihn und seine Familie, die Familie seiner Frau, ihre Brüder und Schwestern, die Mafia. Es ist verrückt. Ich denke, dass Tunesien das Land auf dieser Welt mit den meisten Polizisten ist. Wenn du auf der Avenue Bourguiba in Tunis spazieren gehst, steht alle zehn Meter ein Polizist, in Uniform oder zivil. Es herrscht die totale Paranoia. Sie glauben, dass es alle zehn Meter ein Attentat geben könnte. Die Theater, die Stadien, die Moscheen, die Straßen sind voll von Polizisten. Wenn ich 500 Zuschauer in einem
Was bedeutet es für dich, in Europa, in Deutschland zu arbeiten? Ich denke nicht: ich werde zu Hause unterdrückt, also werde ich es aus41
nutzen, im Westen zu sein, um endlich zu sagen, was ich denke. Was ich euch jetzt gerade erzähle, könnte ich genau so gut in Tunesien erzählen. Deshalb spreche ich auch nicht gerne von Mut. Ich wurde nie bedroht oder verhaftet. Reporter werden abgewehrt, wenn ich komme, und Kameras werden zerstört, und jedes Mal erwarte ich, dass mir etwas angetan wird. Dass man meine Frau angreift oder meine Tochter entführt. Aber nein, nie passiert etwas. Aber ich lebe trotzdem in dieser Paranoia. Wenn ich nach Europa komme, ist das für mich erstmal ein menschliches und künstlerisches Aufatmen. Aber die „Medea“, die hier entstehen wird, wäre die gleiche, wie wenn ich alleine in Tunesien beschlossen hätte, „Medea“ zu produzieren. Wir haben dich eingeladen, in Bochum zu inszenieren, auch weil uns die Konfrontation mit einem fremden Blick interessiert. Wie schaust du auf Deutschland und sein eurozentristisches Weltbild? Erstmal denke ich, dass ich mit all meinen Eigenarten hierher komme. Ich entwickele ja selbst eine doppelte Identität: Zur Hälfte bin ich Araber, also aus einer muslimischen Kultur, obwohl ich Atheist bin. Das ist meine mediterrane, meine afrikanische Identität. Aber ich bin auch, ob ich will oder nicht, die Kreuzung von 33
„Wenn ich 500 Zuschauer in einem Saal habe, sind mindestens 50 von ihnen Polizisten.“
Völkern, die Tunesien im Laufe der Geschichte besetzt haben. Zusätzlich habe ich das Glück, dass ich reisen kann. Mein Theater und meine Filme reisen um die Welt. Ich arbeite überall und lerne dadurch auf der ganzen Welt Künstler kennen. Wenn ich ein Stück in Europa inszeniere, tue ich das mit den gleichen Ansprüchen, mit denen ich zu Hause inszeniere. Als ich vor fast zehn Jahren in Deutschland „Araberlin“ inszeniert habe, gab es deswegen viele Ausein-
andersetzungen. mit den schauspielern, dem dramaturgen, mit einem bestimmten publikum und mit einer bestimmten presse. Ich habe gelernt, dass es überall totalitäres und konservatives denken und auch Intoleranz gibt, in jedem Land. warum das Ganze? weil „araberlin“ sich getraut
„man braucht mIch. dIe, dIe nIcht für mIch sInd, sInd nIcht unbedIngt gegen mIch. das Ist schIzoPhren.“
hat, den deutschen zu sagen, dass es ihnen schwer fällt, sich von ihren alten rassistischen dämonen zu trennen. wenn ihr nach einem palästinensischen terroristen fahndet oder nach jemandem, den ihr dafür haltet, vergesst ihr, dass ihr mit baader meinhof das gleiche gekannt habt. Ihr urteilt über uns, und wir urteilen auch. versuchen wir also gemeinsam durch die Kunst uns ein bisschen besser zuzuhören. es war eine unglaubliche erfahrung, in der wir die Komplexität und die Widersprüche deutschlands entdeckt haben. Du lebst in Tunis, hast aber noch ein Haus an der Küste. Denkst du manchmal daran, dich dorthin zurückzuziehen und dich nur noch um deine Olivenbäume zu kümmern? nein. nach all der arbeit träume ich davon, mehr als nur ein wochenende dort zu verbringen. aber nach einem wochenende muss ich sofort die arbeit wieder aufnehmen. Wer kümmert sich dann um die Olivenbäume? Ich habe einen Gärtner.
ben würde. und ich hätte angst um sie, wenn sie nach tunesien zurückkehren würde. aus dem FranzÖsIsChen von aLmut pape
fadhel jaibi wurde 1945 geboren. Er hat in den 1960er und 70er Jahren an der Sorbonne und an der Université Internationale du Théâtre in Paris studiert. Anschließend ist er wieder in sein Heimatland Tunesien zurückgekehrt, wo er seitdem als Regisseur und Filmemacher arbeitet. In Tunis leitet er seit 1993 die Theater- und Filmcompagnie „Familia Productions“ und gilt als einer der profiliertesten, aber auch streitbarsten Künstler des Landes. Seine Inszenierungen, für die er mit seiner Frau, der Schauspielerin Jalila Baccar, meist auch die Texte schreibt, entstehen in der Regel in einer sehr intensiven und langen Proben- und Improvisationsphase gemeinsam mit dem Ensemble. Seine Arbeiten werden im gesamten arabischen Raum gezeigt, unter anderem in Beirut, Damaskus und Kairo. Zunehmend sind seine Arbeiten auch als Gastspiele in Europa zu sehen, unter anderem in Holland, Spanien, Portugal und Frankreich. „Junun“ entstand 2002 mit dem Festival Avignon, seine Produktion „Khamsoun“, eine Auseinandersetzung mit dem modernen Islam, 2006 als Koproduktion mit dem Theater l’Odeon in Paris und war anschließend weltweit auf Festivals zu sehen. Im April 2010 sollte in Tunis seine aktuelle Inszenierung Premiere haben, zum Zeitpunkt des Gesprächs war sie aber noch nicht von der tunesischen Zensurkommission freigegeben.
Wenn du also über die Zukunft deiner Tochter nachdenkst, was glaubst du, wie diese Zukunft aussieht? dieses schizophrene Land hat auch aus mir einen schizophrenen gemacht. Ich weiß heute selber nicht, was ich meiner tochter sagen soll: bleib im westen oder komm zurück nach tunesien. Ich wäre sehr unglücklich, wenn sie im westen blei42
Medea in einer Bearbeitung
von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi premiere am 8. oktober 2010 in den Kammerspielen wenn wir den namen medea hören, denken wir sofort an die ganz großen Gefühle und ihre tragischen Folgen: an Kindsmord und eifersucht, an hass und raserei. schon deswegen gehört ihre Geschichte bis heute zu den bekanntesten mythen der griechischen antike. aber medea ist auch die sehr gegenwärtige Geschichte einer doppelten Fremdheit: einer jungen Frau, die ihre heimat verlässt, weil sie sich dort, wo sie lebt, fremd fühlt, und statt zu bleiben, lieber dem mann folgt, den sie liebt: Jason. und die dort, wo Jason lebt, wieder fremd ist, als barbarin verschrien und als ungläubige verunglimpft. Kompliziert wird die Geschichte dadurch, dass auch Jason doppelt fremd ist: In medeas heimat gilt er als eindringling, als ungläubiger und als Fanatiker, der gekommen ist, um die Kultur des Landes zu zerstören und mit dem Goldenen vlies das heiligste zu rauben. und zu hause ist er ebenfalls fremd, weil er nicht alleine zurückkommt, sondern medea mitbringt, die andersartige, die nicht dazu gehört und so sehr auf den bräuchen und Kulturen ihres Landes beharrt. alles eine Frage der perspektive also. der tunesische regisseur Fadhel Jaibi wagt den versuch eines perspektivwechsels und erzählt mit einem deutschen ensemble und der autorin Jalila baccar seine überraschend nahe version einer fremden medea.
Regie: Fadhel Jaibi Bühne: Kaïs Rostom Kostüme: Gerhard Gollnhofer Licht: Yvan Labasse Dramaturgie: Thomas Laue mit: dunja dogmani, mandana mansouri, marco massafra, matthias redlhammer, nadja robiné, stephan ullrich
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MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF
MITTELMEER BEWOHNER
TEXT: MuSTApHA CHERIF
papst Benedikt der XVI. lud Mustapha Cherif 2006 ein zu einem Gespräch über das Verhältnis der Religionen in Europa, als der sogenannte „Clash of Civilizations“ heiß diskutiert wurde. „Der Clash der Kulturen“ ist ein Begriff des uS-amerikanischen politikwissenschaftlers Samuel phillips Huntington, der einen dauerhaften Kampf insbesondere von Christentum und Islam behauptet. Dem gegenüber erinnert der algerische philosoph und Soziologe Mustapha Cherif an die gemeinsamen Wurzeln von Okzident und Orient. Westen und Osten, oder anders gesagt, der Norden und Süden Europas, haben sich schon immer in einem engen und fruchtbaren Austausch entwickelt. Es waren die Kulturen des Mittelmeerraumes, die von Andalusien ausgehend bis in den Maghreb eine erste Idee von Europa formulierten. Er ruft auf zu einem Dialog, der sich erinnert und auf die Suche begibt nach einer Kultur Europas, die noch fehlt. 44
Dialog der Kulturen, diese Worte sind so abgenutzt, dass ihr Gebrauch suspekt erscheint. Bezeichnen sie nicht in einem Kontext, in dem Zynismus, Grausamkeit, Arroganz und Doppelzüngigkeit banalisiert werden, den Versuch, die Hegemonie zu rechtfertigen, deren Gesetz in der zunehmenden Konzentration des Reichtums und der Entscheidungsinstrumente besteht? Aber der, der sich als Mittelmeerbewohner und Erbe des andalusischen Geistes versteht, kennt den wahren Wert dieses Begriffes, der die Begegnung der Kulturen, die sich dennoch nicht vereinen, meint. Heute sind die zwei Welten durchdrungen und verflochten. Goethe, Hegel und Hölderlin, genau wie Averroès, Rumi und Ibn Arabi, sie alle wussten, dass der Islam Teil des Okzidents ist.
Ein Dialog ist immEr auch Ein Dialog mit sich sElbst. Es braucht immEr DEn anDErEn, um DEn EigEnEn horizont zu öffnEn.
So haben sich einstmals die Kulturen und Völker des Orients und des Okzidents gemischt. Warum sind wir heute nicht in der Lage, uns unsere Völker als einen Schmelztiegel vorzustellen, der eine Kultur, noch unbekannt und unvorhersehbar, hervorbringt? Die Globalisierung birgt die Chance, Raum für eine gemeinsame Sinngebung zu schaffen. Ich habe mich dieser Überzeugung verschrieben und daran glaube ich. Im Angesicht der Hegemonialstrategie und des Wiedererstarkens fremdenfeindlicher Strömungen sind Dialog, Annäherung und Öffnung der Kulturen umso wichtiger. Der Ausweg aus der moralischen Krise führt über den Dialog. Man spricht nicht miteinander, um dem anderen sein Gesetz aufzuzwingen. Ein Dialog ist nicht nur eine Begegnung von Fremden oder Gegnern. Ein Dialog ist immer auch ein Dialog mit sich selbst. Wir brauchen den anderen, um den eigenen Horizont zu öffnen.
„DiE WahrhEit DEs glaubEns kann niEmals im WiDErspruch sEin zur WahrhEit DEr VErnunft.“
Seit 1993 und schon vor den Attentaten des 11. Septembers waren die Theorien über den Clash der Kulturen zwischen der muslimischen Welt und dem Westen Ausdruck der Erfindung eines neuen Feindes. Sie wurden 1989 nach dem Fall der Berliner Mauer zur offiziellen Theorie. Die Islamfeindlichkeit ist eine Täuschung, die schon vor dem Terrorismus der Schwachen bestand. Das Konzept der „Kultur“
MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF
verbirgt die Widersprüche des vorherrschenden Systems und reduziert die Spannungen auf kulturelle Fragen. Die Islamfeindlichkeit im Norden und die entsprechenden Strömungen im Süden stellen angesichts jahrhundertelanger fruchtbarer Beziehungen verkürzte Sichtweisen dar. Sie verleugnen die Verbindungen zwischen dem „Griechen“ und dem „Araber“, zwischen dem „Juden“ und dem „Araber“, zwischen dem „Römer“ und dem „Araber“. Werturteile werden gebildet, die die Vielfalt negieren und imaginäre Gegensätze schaffen: Jesus und Mohammed, Orient und Okzident, Islam und Christentum, Barbaren und Zivilisierte, rationaler Westen und emotionale Araber. Der Okzident wurde sowohl jüdisch-islamisch-christlich als auch griechisch-arabisch geprägt. Der Monotheismus und der gemeinsame Raum des Mittelmeeres sind unsere gemeinsamen ursprünge. Man kann den Humanismus, das heißt die Frage „Was ist der Mensch?“, ohne den Dialog mit anderen Kulturen nicht verstehen. „Der Humanismus denkt nicht hoch genug über die ,humanitas’ des Menschen“, so Martin Heidegger. Die Kultur des Humanismus ist nicht sichtbar. Es geht nicht darum, auf das Religiöse als eine Lösung zurückzugreifen, sondern drei punkte zu sehen: 1. Der andere trägt dazu bei, zu verstehen, was „Menschsein“ bedeutet, 2. sich einem gemeinsamen Horizont zu öffnen hat wenig zu tun mit den Gefahren, denen geschlossene Systeme Freiheit und Menschenwürde aussetzen und 3. ein Zusammenleben ist möglich. Wie es Averroès ausdrückt: „Die Wahrheit des Glaubens kann niemals im Widerspruch sein zur Wahrheit der Vernunft.“ Es dominiert die Täuschung eines Clashs der Kulturen und sie nährt sich aus der Hegemonie des Nordens und den subjektiven Reaktionen des Südens. politiker, Intellektuelle und die Medien drängen dem Norden eine negative Debatte auf über den Islam, den propheten und die muslimischen Bürger in den Städten Europas und dem Süden drängen sie eine Debatte über den Okzident auf. Doch die zentrale Stellung des Mittelmeerraumes erfordert, dass man sich nicht nur auf technische projekte beschränkt. Ohne die politische und kulturelle Dimension ist die partnerschaft um wesentliche Teile verkürzt.
Europa: hEimgEsucht Vom gEspEnst DEr rEligion
Der Westen wurde im Grunde seit mehr als zweitausend Jahren von kulturellen umbrüchen geprägt. Es lohnt, sich die Säkularisierung, die als prozess von Europa monopolisiert wurde, zu hinterfragen. Religiösen Dogmatismus durch den Dogmatismus des Laizismus zu ersetzen, ist keine Lösung. Es setzen zwar nicht alle Europäer den Islam mit Fanatismus gleich, aber in weit verbreitetem unwissen betrachtet man den „Moslem“ als einen Gläubigen, der sich dem modernen Wertesystem verschließt. Moslems
Fragen zu stellen, ist legitim. Wir akzeptieren Kritik bezüglich problematischer Verhaltensweisen, aber keine Verallgemeinerungen. Das Licht der Aufklärung, das instrumentalisiert wurde, erleuchtete nicht alle Menschen. Wenn Fragen wie „Wie lernt man zu leben?“, „Was ist der Mensch?“, „Welchen Sinn dem Leben geben?“ gestellt werden, verweigert man uns das Recht, Formen der modernen Kultur zu kritisieren. Die Europäer fragen nach dem Zustand der muslimischen Welt: Es gibt Debatten über Reformen, pluralismus und gute politische Führung. Es ist nicht islamfeindlich, diese Fragen zu stellen. Aber im Gegensatz zu dem, was NichtMoslems denken könnten, existiert eine Islamfeindlichkeit, in der es der Moslem ist, der, wie vormals der Jude, verurteilt wird. Heimgesucht vom Gespenst der Religion wird Europa von zwei Bewegungen bestimmt: von dem Bemühen, Integration zu fördern und von einer verkrampften Haltung gegenüber den muslimischen Mitbürgern, die ihre Religion überwiegend friedlich ausüben.
Das licht DEr aufklärung ErlEuchtEtE nicht allE mEnschEn
Es stimmt nicht, dass der gesamte Westen „muslimisch“ mit „fanatisch“ gleichsetzt, aber die propagandisten, um ihre Defizite und ihre Schande zu verbergen, lassen uns glauben, dass der Islam eine Quelle der Gewalt sei. Diese propagandisten „machen“ den Terror und die „Terroristen“ und manipulieren sie, um Angst zu erzeugen und um die Besetzung und Vormachtstellung zu rechtfertigen. Chaos, ungerechtigkeit und eine politik wie in palästina, die mit zweierlei Maß misst, widersprechen den prinzipien, die der Norden selbst predigt. Im Kontext der brutalen präsenz fremder Soldaten auf islamischem Boden – 20 Mal zahlreicher als während der Kreuzzüge, wobei auf einen getöteten westlichen Soldaten oder einen getöteten Israeli 100 getötete Moslems kommen, die überwiegend Zivilisten sind – stellt sich eine Frage: Wie lange noch werden ungerechtigkeit und Aggression andauern, die im Süden Verzweiflung, Extremismus und eine Kultur der Wut hervorbringen und Angst im Norden erzeugen? Anstatt von Zusammenprall und Teilung zu sprechen, wäre es dringend an der Zeit, gemeinsam über die ursachen nachzudenken. Das unverständnis dominiert und die öffentliche Meinung erschöpft sich darin, nur noch die Gewalt des anderen zu sehen, obwohl sie nichts weiß über ihre Gründe. Natürlich nimmt die ganze Welt wahr, zu welchem Extremismus die fanatische Ausprägung bestimmter „Anhänger“ einer großen Religion wie des Islam führen kann. Dabei handelt es sich aber um Archaismen. Der Missbrauch des Namens des Islam ist unentschuldbar und „der Moslem ist manchmal eine Manifestation gegen seine Religion“, wie es vor einem Jahrhundert Emir Abdelkader El Djazairi formulierte. Aber dies ist, wie es Hannah Arendt unterstrich, oft das Ergebnis von provokationen und ungerechtigkeit: „In totalitären Regimen wird die provokati45
MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF
on […] eine Art und Weise, sich gegenüber seinem Nachbarn zu verhalten; eine Methode, der jeder, trotz guten Willens, folgen muss.“ Auch wenn die Vorurteile fünfzehn Jahrhunderte zurückreichen, es ist die Islamfeindlichkeit, die seit Ende des Kalten Krieges die blinden Reaktionen der muslimischen Welt ausnutzt und verstärkt. Die Strategie hinter dem Clash der Kulturen betreibt Desinformation und erzeugt die Vorstellung, dass Widerstand gegen Hegemonie und Besatzung einen Akt unzulässiger Gewalt darstellt. Doch der Einsatz von Gewalt wurzelt vielmehr in den Bedingungen, die seinen Gebrauch gestatten – oder untersagen. Im Islam kann die Frage des Widerstands, wie es der Hl. Augustinus für den Begriff des gerechten Krieges ausdrückt, nicht außerhalb seines Kontextes gedacht werden. So kann der Rückgriff auf „Gewalt“ nur erfolgen, wenn der Frieden, das Überleben oder die Würde beeinträchtigt werden. Dank des Monotheismus war die Humanisierung der menschlichen Beziehungen möglich. Die Freiheit hat der Gläubige im 18. Jahrhundert nicht gefunden, doch die Werte Abrahams sind eine der Quellen des Humanismus. Das, was probleme bereitet, sind die Repräsentation der modernen Welt und die Instrumentalisierung der Religion.
nicht Das EnDE DEr WElt, abEr Das EnDE EinEr WElt
Trotz der Emanzipation gegenüber religiösen Autoritäten und der logischen Trennung zwischen kirchlicher und staatlicher Autorität wie auch der öffentlichen und privaten Sphäre erleben wir einen Rückzug des Rechts, die Verdrängung der prinzipien Abrahams von Gastfreundschaft und Dialog sowie den Zusammenbruch der Gerechtigkeit. Das Risiko besteht in der Neutralisierung der beiden Dimensionen des Menschen: das politische (die Demokratie) und das Religiöse (die Ethik). Nichts ist politisch, nichts ist religiös, so sagt man, um dem Nihilismus und der parole „alles ist Ware“ Raum zu lassen. Diese Sichtweise erzwingt einen Dialog der Tauben mit katastrophalen Folgen. Die Sinnfrage hat für die meisten keine Verbindung mehr zur Religion. Das ist nicht das Ende der Welt, aber das Ende einer Welt. Das müssen wir verstehen, um etwas anderes zu finden, das sich der Begrenzung entzieht. Im Bereich des Wissens besteht der besorgniserregende Aspekt darin, dass die Möglichkeit des Denkens und des Andersdenkens in Frage gestellt wird. Das moderne Denken bevorzugt die Mathematik und ihre Anwendungen auf den Markt. Zwei paradoxe Sichtweisen der modernen Kultur besagen, dass die Religion entweder trösten soll, ohne sich in das Weltgeschehen einzumischen, oder sie ist Entfremdung. Im Bereich der politik wird die Gesellschaft als ein produktivkörper wahrgenommen, unterworfen den Interessen der Kapitaleigner. Diese Entpolitisierung stellt die Möglichkeit in Frage, ein Volk zu sein, das im Namen der Freiheit darüber entscheiden kann, einen Gesellschaftsentwurf nach erfolgter Debatte Realität werden zu lassen. 46
Trotz der Legitimität der Institutionen und des freien Marktes ist die öffentliche und gemeinsame Suche nach dem Gerechten, dem Schönen und dem Wahren rund um das Mittelmeer mit Hypotheken belastet. Diese Sackgassen, die sich globalisieren und von der politik der zwei Maße gegenüber den eher passiven Moslems noch vergrößert werden, macht die Idee des Clashs der Kulturen hinfällig und die Notwendigkeit einer neuen Kultur, die ein Zusammenleben ermöglicht, dringend.
notWEnDigkEit EinEr nEuEn kultur
Der Dialog hat drei Ziele: Das erste Ziel ist die wechselseitige Erkenntnis, verbunden mit der Notwendigkeit, den anderen und sich selbst zu erkennen. Das zweite Ziel ist die gemeinsame Suche nach dem Schönen, dem Guten und dem Wahren, um einen gemeinsamen Begriff und universelle Normen zu finden. Das dritte Ziel des Dialogs ist die Tat. Das Ziel ist die Vermehrung guter und gerechter Handlungen. Wechselseitige Erkenntnis, eine gemeinsame Sprache und Begriffe sowie Gerechtigkeit sind die drei Ziele des Dialogs zwischen Orient und Okzident. Was die muslimische Welt verstehen muss, ist, dass die Stärke der europäischen Kultur, trotz ihrer probleme, in der Entschlossenheit besteht, mit der sich die Vernunft ihren eigenen Grenzen stellt. Was der Okzident verstehen muss: der Islamismus ist ein Anti-Islam. Der Moslem jedoch hat immer schon teilgenommen und kann immer noch teilnehmen an der Suche nach einer Kultur, die noch fehlt. mustapha chErif IST pHILOSOpH, pROFESSOR FÜR INTERNATIONALE BEZIEHuNGEN AN DER uNIVERSITé D’ALGER uND, NEBEN VIELEN ANDEREN puBLIKATIONEN, AuTOR VON „DER ISLAM uND DER WESTEN – BEGEGNuNG MIT JACQuES DERRIDA“, WILHELM FINK VERLAG MÜNCHEN 2009. AuS DEM FRANZÖSISCHEN VON EVA NACKE
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WDR 3 Anzeige Schauspielhaus Bochum, Jahresprogramm · DIN A4, Beschnitt · 4c · 24. März 2010
25.03.2010 15:45:44 Uhr
Foto: Zhang huan
Dries VerhoeVen — nachricht Vom anDeren enDe Der Welt
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24. märz 2010
LIFE STREAMING Is it really possible to connect to people
hallo Bochum, hier kommt eine nachricht vom anderen ende der Welt: gerade arbeite ich an der Produktion „life streaming“, die wir im oktober an ihrem theater zeigen werden. ich habe eben mal im internet nachgesehen und herausgefunden, dass Bochum 8212 km von dem ort entfernt ist, an dem ich im augenblick bin. in den letzten Jahren habe ich Produktionen entwickelt, die die Distanz definiert haben, die wir zueinander haben; also die tatsächliche und die emotionale Distanz, die wir für Menschen empfinden, denen wir zufällig begegnen – im supermarkt, in der nachbarschaft, in dem haus, in dem wir leben. in „You are here“ habe ich ein hotel gebaut, das ein model für unsere gesellschaft sein sollte, in der wir nur 80 cm von unseren nachbarn entfernt schlafen, ohne sie eigentlich zu kennen. in „life streaming“ werde ich das gegenteil machen. ich versuche, die Distanz zu den menschen zu bestimmen, die wirklich ganz woanders leben, denen wir aber über das internet oder die medien zu jeder beliebigen tagesszeit in unseren Wohnzimmern begegnen können. ich arbeite mit einer gruppe von zwanzig Darstellern. Die eigentliche Vorstellung wird in einem internet-Café stattfinden, das wir auf dem Platz vor dem Schauspielhaus aufbauen werden. Jeder Zuschauer wird mit einem Darsteller in direkten Kontakt treten, der hier am strand sein wird. ich habe mich entschieden, nicht zu sagen, wo ich genau bin. Der ort liegt von Bochum etwa soweit entfernt wie miami, ist aber auf einem anderen Kontinent. ich arbeite in einem land, in dem es keine schauspielschule gibt. Die Vorstellungen, die ich hier bisher gesehen habe, würden wir europäer als Folklore beschreiben. es ist ein tourismusland, aber in der hauptstadt sind überall checkpoints des militärs. Die surfer am strand wurden gestern von einem Boot der marine bewacht. Vor noch nicht all zu langer Zeit waren Bilder einer Katastrophe aus diesem land auf der ganze Welt zu sehen. es scheint, als würden tourismus und tod manchmal hand in hand gehen: ich wohne gerade in einem der beliebtesten städtchen am meer und doch geben sich die leute hier keine mühe, die vielen gräber vor den touristen zu verstecken. aber wenn man es nicht selber gesehen hat, versteht man wahrscheinlich nicht, wie friedlich und schön es hier ist. Wie und ob ich all diese Eindrücke in die Produktion einfließen lasse, weiß ich noch nicht. Bis jetzt kann ich nur sagen, dass all dies sehr inspirierend und verwirrend ist. ich frage mich, wie wir europäer mit tod und Verlust umgehen, bei der Überdosis von Bildern, mit denen wir täglich in den acht-uhr-nachrichten konfrontiert werden. und ich frage mich, ob die menschen hier emotional anders beschaffen sind und uns das die erbärmlichen Bilder, die wir in europa empfangen, gar nicht vermitteln. schaffen medien wie das internet wirklich einfachere Verbindungen zwischen den menschen oder sorgt eine höhere Bandbreite der Datenströme für eine größere Unfähigkeit, wirklich miteinander in Kontakt zu treten? Es grüßt herzlich von einem windigen Ort Dries Verhoeven
aus Dem englischen Von olaF KröcK
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at the other side of the world? Eine Weltverbindung von Dries Verhoeven Premiere am 1. oktober 2010 auf dem Platz vor dem schauspielhaus Dries Verhoeven zählt zu den interessantesten jungen europäischen Künstlern. seine arbeiten bewegen sich zwischen Dokumentar-theater und bildender Kunst. Der 1973 geborene niederländer entwirft seit 2002 eigene installationen und experimentelle inszenierungen, die auf diversen Festivals gezeigt wurden. Sie finden oft im öffentlichen raum statt. in seinen aufwendigen Produktionen bekommt der Zuschauer immer eine aktive rolle und wird in das geschehen verwickelt. und man lässt es erstaunlicherweise gerne mit sich machen. Verhoeven spielt mit unserer Wahrnehmung, manipuliert die Besucher seiner installationen emotional. er kommt uns nahe, balanciert an der grenze, wo es zu nah werden kann. Dabei ist er aber nie aggressiv überrumpelnd, immer lässt er raum für den rückzug. so erlebt man in seinen inszenierungen die Welt auf eine neue, verwirrende und poetische Weise. 2009 erhielt er für seine hotel-installation „You are here“ den „Young Directors award“ der salzburger Festspiele. Jetzt zeigt er seine neue Produktion in Koproduktion mit dem schauspielhaus Bochum, in der sich die Zuschauer live mit dem anderen ende der Welt verbinden und mit fremden menschen in direkten Kontakt treten.
Konzept und Regie: Dries Verhoeven 30. September (Voraufführung); 1. (Premiere) bis 3. Oktober und 7. bis 10. oktober 2010 jeweils um 10.00 uhr, 12.00 uhr und 13.45 uhr für je 20 Personen auf dem Platz vor dem schauspielhaus. aufgrund der Zeitverschiebung zum anderen ende der Welt finden die Vorstellungen am Vormittag statt. Die Vorstellungen sind in englischer sprache. Eine Produktion von Dries Verhoeven in Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum, dem Festival a/d Werf (Utrecht) und LIFT (London) Mit Unterstützung durch den Fonds Podiumkunsten, Prince Bernhard Cultural Fund, Hivos-NCDO Cultural Fund, BKVB and SNS Reaal Fund, VSBfonds und dem Theaterinstitut der Niederlande im Rahmen von NL-RUHR.2010
& Otto Schily — Schuld & Verantwortung
Schuld
Verantwortung Ein Gespräch über Politik, Recht und Entscheidungsstärke mit Otto Schily
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OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung
Er wurdE in bochum GEborEn und ist sEit übEr viErziG JahrEn politisch aktiv. Er war anwalt von Gudrun Ensslin und GründunGsmitGliEd dEr GrünEn, spätEr sass Er für diE spd als bundEsinnEnministEr auf dEr rEGiErunGsbank. wEr, wEnn nicht otto schily, soll dEnn bEschEid wissEn übEr diE vErstrickunGEn von macht und vErantwortunG, von EntschEidunGsnot und schuld?
interView: thOmaS laue und Sabine reich FOtOS: harry weber
Herr Schily, woher nehmen Sie Ihre Überzeugungen? Wie kommen Sie dahin, zu sagen: „Das, was ich tue, ist richtig.“? indem ich das Für und wider abwäge. in der Politik gibt es eine einfache grundregel für entscheidungen: „was kann ich durch einen bestimmten Schritt gewinnen, und was kann ich verlieren?“ das ist eine abwägung, die ich immer vornehmen muss. Sie unterscheidet sich von der Frage „Kann ich die entscheidung verantworten, oder kann ich sie nicht verantworten?“ auch diese Frage muss ich mir stellen. da kommen Sie in der Politik nicht selten in sehr belastende entscheidungssituationen. Können Sie eine solche Entscheidung benennen? als ich ganz neu im amt als innenminister war, hatten wir es mit einem erpressungsversuch zu lasten der bahn zu tun ... da wollte jemand von der bahn viel geld. dann brachte er – oder die, die da am werke waren – einen güterzug zum entgleisen. Man merkte, das sind Profis, die verstehen ihr handwerk. und dann fingen die Erpresser an, sich an eine ice-Strecke heranzumachen.
die Vorstellung, ein ice-Zug könnte durch das verbrecherische treiben der erpresser verunglücken, hat mir seinerzeit schlaflose Nächte bereitet. es ist ja nicht einfach, hunderte von Kilometern der eisenbahnstrecke zu überwachen. um der erpresser habhaft zu werden, habe ich mich seinerzeit entschlossen, Kräfte der bundespolizei von der grenze abzuziehen. das war nicht ungefährlich, aber in der risikoabwägung war es sicherlich die richtige entscheidung. dank der ausgezeichneten arbeit der bundespolizei und des bundeskriminalamtes konnten wir schließlich den erpresser – es stellte sich heraus, dass es ein einzeltäter war – hinter Schloss und riegel bringen. eine weitaus schwierigere entscheidung war die beteiligung deutschlands am Kosovokrieg. wir kamen 1998 in die regierung und wurden
bereits in den ersten monaten mit dieser Frage konfrontiert. die entscheidung über den einsatz im Kosovo ist mir ungeheuer schwer gefallen. Sie begleitet mich bis heute und wird mich bis an mein lebensende begleiten. merkwürdigerweise ist mir in erinnerung geblieben, dass durch einen bombenabwurf auf ein Fernsehgebäude in belgrad eine Friseuse zu tode kam. Sie hatte mit dem ganzen nichts zu tun, hatte mit miloševic´ nichts zu tun, und sie verlor ihr junges leben. es sind viele andere umgekommen. wir bemänteln diese Opfer als so genannte Kollateralschäden 52
militärischer Operationen. entscheidungen, die wir in der Politik zu treffen haben, die lasten schwer auf uns. weil wir damit Konsequenzen in unsere Verantwortung aufnehmen, die mitunter grauenvoll sind. Stellt sich dann die Frage nach Schuld? das ist das thema der griechischen dramen: die unausweichlichkeit der Schuld. ganz egal, wie Sie handeln, Sie werden stets schuldig. Ist es ein Kern von Politik, dass man bereit ist Schuld auf sich zu laden? ich würde es eher Verantwortung nennen. wie gesagt, ich muss mich entscheiden: will ich die Konsequenzen verantworten, auch die negativen Konsequenzen? Vielleicht kann ich das mit einem medizinischen Vergleich erläutern. auch bei einer erkrankung müssen wir eine entscheidung treffen. anhand einer gründlichen anamnese gelangt der arzt im idealfall zu einer klaren diagnose der Krankheitsursache. dann müssen sich arzt und Patient für eine therapie entscheiden. meist ist es ratsam, zunächst die mildeste therapie zu wählen, vielleicht durch Verabreichung homöopathischer medikamente. ist der Krankheitsprozess schon weiter fortgeschritten, helfen möglicherweise nur noch allopathische Pharmazeutika und im schlimmsten Fall ist ein chirurgischer eingriff notwendig. in allen Fällen müssen Sie aufgrund einer lagebeurteilung risiken abwägen und danach ihre entscheidungen treffen. So ist es auch in der Politik. leider lässt sich auch in der Politik manchmal die chirurgie nicht vermeiden. Das beschreibt eine Position, von der aus man von außen auf Dinge schaut, beobachtet, analysiert und dann eingreift und handelt. Aber das Tragische in der Tragödie wie in der Politik ist ja, dass die Menschen nicht außen stehen, sondern dass die Personen, die handeln, immer Teil einer Geschichte sind und deshalb niemals einen distanzierten Blick haben. Ja, gut beobachtet. da haben Sie schon recht. Sie befinden sich manchmal in einem geschehen, in dem Sie selber nur noch weni-
OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung
ge möglichkeiten haben. ich kann ein ereignis wie den 11. September nicht mehr rückgängig machen. ich bin also vor eine Situation gestellt, aus der heraus ich handeln muss. natürlich hätte ich lieber den 11. September vermieden und die Folgerungen, die sich daraus ergaben. das wird übrigens sehr eindrucksvoll von leo tolstoi in den historischen Zwischenbetrachtungen seines großen romans „Krieg und Frieden“ dargestellt. er beschreibt dort, dass nicht nur das individuum entscheidet, sondern dass sich aus einer Vielzahl von wirkungen ein geschehen entwickelt und der einzelne mit seinen individuellen entscheidungen darin verwoben ist und seinem Schicksal gewissermaßen nicht entfliehen kann. Früher hieß es: „männer machen geschichte“. Vielleicht macht eher die geschichte die Personen. Sie beziehen sich auf reale Ereignisse, die nicht planbar sind, die aber plötzlich in das Leben treten, nicht nur eines Politikers, sondern auch einer Gesellschaft. Hat Realität Sie in Ihren Überzeugungen verändert? Jede neue erfahrung eröffnet neue einsichten. unser leben ist deshalb ein ständiger lernprozess. ich nehme für mich in anspruch, dass ich selbst im fortgeschrittenen alter noch die augen und Ohren offen halte. Vielleicht würde ich in der rückschau manches anders beurteilen und mich anders verhalten. aber Sie können ja manche Sachen nicht vorher wissen. da sind wir genau bei dem Punkt: Sie werden vor eine bestimmte Situation gestellt und Sie müssen rasch entscheiden. wie der berühmte Pilot, donald Sullivan, der auf dem hudson notgelandet ist, ein bewundernswerter mann. er kommt in eine äußerst bedrohliche lage, es geht um leben oder tod und er muss in Sekunden entscheiden. er war gut trainiert, auch kaltblütig und wusste mit der maschine umzugehen. und er war entscheidungsstark. das ist auch in der Politik wichtig. was übrigens gerhard Schröder auszeichnet. das ist ein mann mit außergewöhnlicher entschiedenheit und willensstärke.
Heißt das, dass es manchmal wichtiger ist, eine schnelle Entscheidung zu treffen als gar keine Entscheidung? gelegentlich ja. Auch wenn diese Entscheidung möglicherweise falsch ist? auch wenn sie mit einem risiko behaftet ist, ja. Dann ist Politik in jedem Fall mit Intuition verbunden, weil man in so einem kurzen Moment nicht mit der Vernunft entscheiden kann. mit intuition, ja. man muss die Situation erkennen. Sie müssen in der lage sein, mehrere Sachverhalte gleichzeitig zu erfassen. wenn Sie es sehr intellektuell angehen, dann wie ein Schachspieler, der mindestens drei Züge im Voraus berechnen kann. Schach ist bekanntlich ein intuitives Spiel. deshalb verdirbt uns zum bei-
spiel der computer das Schachspiel, weil Sie da nur ein flächiges Bild haben. immer, wenn ich mit dem computer Schach gespielt habe, habe ich mein Schachtalent verschlechtert. Schach ist ein räumliches Spiel und Sie müssen es räumlich erfassen können. Sie müssen die intuition haben und fragen: „wie kann sich das entwickeln?“ auf die Politik übertragen bedeutet das: Sie brauchen einfach die Fähigkeit, verschiedene Faktoren und Koordinaten so wahrzunehmen, dass Sie daraus eine Orientierung gewinnen.
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Danach scheint Politik etwas Intuitives, Schnelles zu sein, auch etwas Dynamisches, was aus bestimmten Situationen heraus agiert. Wohingegen doch Recht etwas Statisches sein muss, das sich von den Dingen abstrahiert. ich könnte sagen, das recht kommt immer a posteriori und die Politik kommt a priori. das heißt, die Politik ist vorausschauend, das recht beurteilt das geschehen aus der retrospektive. – na ja, eigentlich ist das nicht ganz korrekt, die rechtsnorm soll ja gewissermaßen auch eine handlungsanleitung sein. Gibt es Zwänge, in denen Sie in Ihrer Position als Innenminister waren, wo Sie aus politischen Überlegungen anders handeln mussten, als Sie als Jurist und Anwalt gehandelt hätten? cicero hat von sich gesagt, er habe unterschiedliche aufgaben innerhalb staatlicher institutionen und früher als anwalt wahrgenommen, und man dürfe nicht Äpfel mit birnen vergleichen. das gilt auch für mich. meine tätigkeit als anwalt im Vergleich zur tätigkeit als innenminister muss man ebenso in einem anderen Kontext sehen. ich betone aber, es gibt eine Kontinuität und das ist die rechtsstaatsorientierung. die gilt für den innenminister wie für den anwalt. Wie machtbewusst muss ein Politiker sein? er muss macht anstreben, selbstverständlich. Ohne macht kann er keine Politik gestalten. im demokratischen rechtsstaat ist machtausübung aber an legitimation gebunden. wenn Sie keine legitimation aufbauen, haben Sie keine Überzeugungskraft und dann geht es schief. Als Innenminister mussten Sie immer wieder Maßnahmen verantworten, die oftmals um die Frage kreisten, wie weit der Staat Persönlichkeitsrechte oder die Rechte des Einzelnen einschränken darf, um den Staat zu schützen. da kommen Sie leider in die verquere Fragestellung, der ich sehr häufig begegne. dass Sie nämlich einen gegensatz bilden wollen zwischen staatlichen Sicherheitsinteressen und den individualrechten. das,
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entschuldigen Sie, wenn ich das jetzt ein bisschen grob sage, ist ja unsinn. der Staat schützt ja nicht den Staat um seiner selbst willen. das tut vielleicht der totalitäre Staat, der demokratische Staat tut das nicht. im demokratischen rechtsstaat ist artikel 1 des grundgesetztes die höchste norm, mit der der Staat sich selbst grenzen setzt, sich selbst an die Verfassung und an die gesetze bindet und sich verpflichtet, das Individuum in seiner eigenmacht, in seiner autonomie zu respektieren. das kommt in dem grandiosen Satz von artikel 1 des grundgesetzes zum ausdruck: „die würde des menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen gewalt.“ So steht das in artikel 1. aber ein Satzbestandteil in artikel 1 wird oft übersehen. da steht nämlich nicht nur, der Staat hat die würde des menschen zu achten, sondern er hat auch die Pflicht, sie zu schützen. und darum geht es. der Staat hat eine Schutzverpflichtung gegenüber dem einzelnen. das heißt, er muss durch seine institutionen dafür sorgen, dass Sie nicht getötet werden, nicht verletzt werden, nicht erpresst werden, ihnen nicht ihr hab und gut weggenommen wird, Frauen nicht vergewaltigt werden. nun haben wir eine sehr freie und sehr offene gesellschaft, mit einem hohen maß an individuellen Freiheiten. wir leben heute in einem europa, das wir einen raum der Freiheit, der Sicherheit und des rechts nennen. heute reisen wir durch ganz europa ohne grenzkontrollen. aber es gibt leider menschen, die die Freizügigkeit missbrauchen. Verbrecher, Verbrecherbanden, organisierte Kriminalität und terrorismus. und der Staat darf sich damit nicht abfinden, etwa mit der behauptung, das sei der Preis der Freiheit. die Kernaufgabe des Staates ist daher, für die Sicherheit der bürgerinnen und bürger zu sorgen. denn ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit. Hat sich Politik im Laufe der letzten 40 Jahre, die Sie begleitet haben, verändert? Ja, sie hat sich verändert, meiner meinung nach durchaus zum guten.
das verdanken wir nicht zuletzt dem aufkommen der grünen. am anfang der bundesrepublik sah es so aus, als ob wir einen geschlossenen Kreis von politischen Kräften hätten, in dem sich nie etwas verändern kann. dann hat sich aber eine entwicklung vollzogen, in der neue politische Kräfte allmählich in den demokratischen Prozess hineingekommen sind und etwas verändert haben, auch die diskussionsweise. bestimmte Fragen haben einen anderen charakter gewonnen. Ökologische Fragen zum beispiel ... insofern bin ich überzeugt, dass die demokratisierung der gesellschaft in deutschland vorangekommen ist und die demokratie sich deutlich stabilisiert hat. in diesem Sinne ist auch die neu gewonnene staatliche einheit deutschlands eine erfolgsgeschichte. eine erfolgsgeschichte ist das vor allem deshalb,
dieser ewigen rückwärtsgewandten, nostalgischen Sicht. Früher hieß es, nach herbert wehner, helmut Schmidt, thomas dehler, Fritz erler, carlo Schmid und Konrad adenauer gibt es überhaupt keine Politiker mehr. helmut Schmidt, gewiss ein großer Staatsmann, lässt uns in seiner erhabenheit manchmal spüren, dass nach ihm nur noch Zwerge kommen. Sicher ist es wichtig, dass menschen, die Politik machen, eine Biografie haben. Willy Brandt hatte eine Biografie, er hatte auch Narben. Gerhard Schröder hat eine Biografie. Sie auch ... Ich hab auch eine Biografie, auch narben. ebenso Joschka Fischer, mit einer wirklich spannenden lebensgeschichte. demokratie ist sicherlich immer mit einer gewissen nivellierung verbunden. aber wissen Sie, das ist ein auf und ab. es werden auch wieder neue menschen heranreifen, und die werden ihre ganz eigenen spannenden Profile haben. Was vermissen Sie am meisten? aus der Politik? gar nichts! ich habe keine entzugserscheinungen. ich bin froh, dass ich die sieben Jahre als minister heil überstanden habe. im Parlament war ich 26 Jahre, das reicht völlig aus.
weil es gelungen ist, die staatliche einheit deutschlands mit der integration in die europäische gemeinschaft zu verbinden. das ist übrigens, bei aller Kritik, die ich sonst an ihm habe, ein unbestreitbarer historischer Verdienst von helmut Kohl. er hat die wiedervereinigung europäisch gestaltet. Hat sich in diesem Prozess der Politikertypus verändert? Gibt es die großen charismatischen Typen noch, oder brauchen demokratische Gesellschaften gar keine Helden mehr? ich scheue mich ein bisschen vor 54
Was ist Ihnen am wichtigsten, wenn Sie auf Ihre Laufbahn zurückschauen? die modernisierung der deutschen und europäischen innenpolitik, die reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts und die gestaltung einer weltoffenen Zuwanderungs- und integrationspolitik, aber auch die Stärkung der Kompetenz der Sozialdemokratie, für recht und Ordnung zu sorgen und Sicherheit als Fundament der Freiheit zu festigen. Würden Sie sagen, Sie haben Deutschland verändert? das glaub ich schon, ja. Und hat Deutschland Sie verändert? Ja, natürlich.
Stream of consciousness der regisseur roger vontobel über noch ungeordnete Gedanken vor dem ersten probentag. die labdakiden. lange vor dem ersten Probentag. ein berg von einem Stück. wie beginnen? Zwei textstellen während der Vorbereitung: „lass nicht ab, mein Zorn, lass nicht ab, und ihn, der großes sinnt, schlage nieder, miss dich mit ihm, zerfleische ihn selbst mit deinen händen. du suchst dem alkiden einen ebenbürtigen?! Keiner ist es, außer ihm selbst: so führe er fortan Kriege mit sich selbst! ... nun soll der Krieg beginnen: hell wird der tag, und in safranfarbigem aufgang tritt titan leuchtend hervor.“ das unauswegliche, geradzu unmögliche in den worten Senecas, die er als Juno im Prolog seinem Stück „hercules“ voranstellt, in Kombination mit folgendem Zitat aus Kleists Penthesilea:
der älteren generation von griechen zumindest. ach ja, und eigentlich meine lieblingsstelle aus dem „Philotas“ von lessing, die muss auch immer irgendwie noch am anfang mal im Kopf rumgeistern: „was wollte ich also sagen? So einen guten einfall nun, wollte ich sagen, als das glück oft in das albernste gehirn wirft, so einen habe ich jetzo ertappt. bloß ertappt; von dem meinigen ist nicht das geringste dazu gekommen. denn hätte mein Verstand, meine Erfindungskraft einigen anteil daran, würde ich ihn nicht gern mit dir überlegen wollen? aber so kann ich ihn nicht mit dir überlegen; er verschwindet, wenn ich ihn mitteile, so zärtlich, so fein ist er, ich getraue mir ihn nicht in worte zu kleiden; ich denke ihn nur, wie mich der Philosoph gott zu denken gelehrt hat, und aufs höchste könnte ich dir nur sagen, was er nicht ist.“
„wenn du dem wind, der von den bergen weht, willst horchen, Kannst du den donnerruf der Königin, gezückter waffen Klirren, rosse wiehern, drommeten, tuben, Zimbeln und Posaunen, des Krieges ganze eh’rne Stimme hören.“
roGEr vontobEl
Zusammen ergeben sie für mich den drang und die notwendigkeit Fragen zu stellen – theatral Fragen zu stellen – an menschen, über menschen, durch menschen. und vor allem wegen menschen. denn um menschen geht es immer in erster linie. um menschen und ihre geschichte, ihre Biografie – oder wie es die Griechen und nach ihnen viele mehr nannten: Schicksal. „tun. leiden. lernen“, heißt es in der „Orestie“, die ich 2008 in essen inszeniert habe. auch damals antike. und passend. denn tun tun wir alle, leiden auch manchmal wegen unseres tuns, und lernen können wir daraus, indem wir die Fragen an die beiden vorherigen tätigkeiten stellen und sie verknüpfen – und schon sind wir wieder beim motto der griechen,
geboren 1977, aufgewachsen in Zürich und Johannesburg, gehört derzeit zu den wichtigen Regisseuren seiner Generation. In seinen Inszenierungen sucht er immer wieder sehr genau nach einem eigenen ästhetischen Zugriff für den vorliegenden, meist literarischen Stoff. 2006 war er zum „Young Directors Project“ der Salzburger Festspiele eingeladen und wurde von den Kritikern der Zeitschrift „Theater heute“ zum Nachwuchsregisseur des Jahres gewählt. Seit der Spielzeit 2005/06 arbeitet er regelmäßig am Schauspielhaus Hamburg, an den Münchner Kammerspielen und am Schauspiel Essen, wo er „Das Goldene Vlies“ von Franz Grillparzer, „Die Orestie“ des Aischylos und zuletzt Ibsens „Peer Gynt“ inszeniert hat. Ab der Spielzeit 2010/2011 wird er Hausregisseur am Schauspielhaus Bochum.
So, und dann fangen wir mal an, das bevorstehende neue Stück zu lesen – erster Schritt: buchdeckel umklappen ...
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Die LabDakiDen Eine Politsaga – Ödipus, Sieben gegen Theben und Antigone von Sophokles und Aischylos
Premiere am 9. Oktober 2010 im Schauspielhaus Sie sind die herrscherfamilie thebens, benannt nach ihrem Stammvater, labdakos. Von generation zu generation geben sie die macht in der Stadt weiter, aber auch den blutigen Fluch, der ihre herrschaft keine glückliche sein lässt: laios, der Sohn des labdakos, wird von seinem Sohn Ödipus getötet, der dann, die eigene Schuld nicht kennend, mit seiner mutter iokaste vier Kinder zeugt: antigone und Ismene, Eteokles und Polyneikes. Kaum ist der Frevel entdeckt, bringt sich iokaste um und Ödipus geht ins exil. die nächste generation ist am Zug, doch sie ist nicht erfolgreicher: Polyneikes und Eteokles verwickeln die Stadt in einen blutigen bürgerkrieg, an dessen ende beide tot vor den Stadtmauern liegen. antigone, die Schwester, will einen von ihnen begraben, was gegen die gesetze ihres Onkels Kreon verstößt. der ist nun verzweifelt darum bemüht, recht und Ordnung wiederherzustellen und wenigstens etwas vom ruf der Familie zu retten. eine wuchtige Sage über die Kraft und Zerstörung von Politik und die beispielhaften Verwicklungen einer beispiellosen Familie – erzählt in drei großen antiken Stücken, inszeniert in einer Fassung für einen abend.
Regie: Roger Vontobel Bühne: Claudia Rohner Kostüme: Nadine Grellinger Dramaturgie: Anna Haas, Thomas Laue mit: manuela alphons, matthias eberle, Jonas gruber, Paul herwig, barbara hirt, dieter hufschmidt, Katharina linder, dimitrij Schaad, michael Schütz, lena Schwarz, Philipp weigand
Die Jungfrau von orLeans von Friedrich Schiller Premiere im Juni 2011 in den Kammerspielen Sie fragt sich nicht, woran sie glauben soll. Sie glaubt. eine göttliche Stimme hat ihr befohlen, Frankreich von den englischen invasoren zu befreien. dabei ist Johanna ein mädchen vom land. unbeirrt folgt sie ihrem göttlichen auftrag und führt das französische heer, dessen verzagender Führer, der französische König Karl, kurz vor der Kapitulation stand, von Sieg zu Sieg. Souverän bewegt sie sich auf dem männlichen Schlachtfeld von Krieg, macht und Politik. ihr glaube ist unerschütterlich, doch plötzlich gerät sie ins Straucheln: im Zweikampf mit dem engländer lionel verliebt sie sich – in den Feind. Völlig überrascht sieht sich die scheinbar unbesiegbare Jungfrau mit einer macht konfrontiert, vor der sie ihre waffen strecken muss. woran soll sie noch glauben? an ihren „Schlachten gott“, an die macht der liebe, an sich selbst?
Regie: Roger Vontobel Bühne: Claudia Rohner
next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets
ESSEn – UnESco-SchUlE: WEltWEItEIGEnhEIm schülerinnen unD schüler Der unesco-schule in essen, Die jugenDliche aus über 40 nationen Zum abitur führt, bauen auf ihrem schulhof ein haus Der Zukunft: mit allem, was sie sich für ein Zusammenleben Der kulturen wünschen – hausorDnung inklusiVe. ein weltweiteigenheim. im sommer wirD es mit einem grossen fest eingeweiht unD mit leben gefüllt.
ESSEn – mäDchEnBAnD DES noRDEnS Die popmusikerin, autorin unD performerin bernaDette la hengst hat im essener norDen eine mäDchenbanD gegrünDet. eigene texte werDen geschrieben, songs komponiert unD einstuDiert, ein konZertprogramm entwickelt. auf Der bühne Zeigen sie, Dass man Die Zukunft Der staDt auch singen kann. anschliessenD gehen sie auf tour Durchs ruhrgebiet.
BochUm – EIn JAhR opEl Die VerhanDlungen über Die Zukunft Des opel-werks in bochum sinD Zu einem internationalen wirtschaftskrimi geworDen. aber auch bei opel haben jugenDliche Vor kurZem erst ihre ausbilDung begonnen, sich Ziele gesetZt. nun ist ihre berufliche Zukunft schon am anfang ungewiss. Die Dokumentarfilmer unD grimmepreisträger ulrike franke unD michael loeken Drehen mit ihnen einen film über ein jahr opel.
hERnE
BochUm ESSEn DUISBURG
DUISBURG – mEDIEn-BUnkER mARxloh Die film- unD fotoexperten aus Dem meDien-bunker marxloh graben in Der Vergangenheit Des staDtteils, reflektieren ihre gegenwart, besuchen Die anDeren Zukunftshäuser unD entwickeln Daraus Visionen für Die staDt Von morgen. immer mit Der kamera im anschlag. am enDe stehen ein film unD ein bilDbanD über marxloh, Das ruhrgebiet unD Die welt Der nächsten generation.
ESSEn – AltEnDoRf Am BUnkER REchtS krupp kehrt Zurück unD baut sein neues hauptquartier am ranDe Von altenDorf. auch anDere akteure betreiben hier staDtumbau. Die regisseurin ines habich hat Zwischen ent weihter kirche, autofrieDhof unD geisterstrasse Das Zukunftshaus „am bunker rechts“ gegrünDet. mit jugenDlichen erkunDet sie Den staDtteil unD entwickelt ein Dokufiktionales theaterstück über, in unD für Die Zukunft Von altenDorf.
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GEDächtnIS DES RUhRGEBIEtS Zukunft braucht Vergangenheit, auf Der sie aufbauen kann. auf Der suche nach Dem geDächtnis Des ruhrgebiets wanDert mirjam strunk mit ihrem erinnerungsmobil Durchs ruhrgebiet. jung unD alt können ihre geschichten einspeisen: auf erinnerungskarten, auf ViDeo, per erinnerungshotline oDer im internet. beim tag Der generationen am 19. noVember 2010 entfaltet sich Dann Das geDächtnis Des ruhrgebiets in einer sZenischen installation im schauspielhaus.
next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets
nExt GEnERAtIon: DIE nEUERfInDUnG DES RUhRGEBIEtS NEXT GENERATION ist ein Projekt von Schauspielhaus Bochum, Schauspiel Essen, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen. Partner: Deutschlandradio Kultur. hERnE – REnEGADE: tAnz von DER StRASSE renegaDe ist tanZ, Der Von Der strasse kommt. für next generation entwickeln sie mit Der new Yorker choreografin patricia noworol ein stück tanZtheater mit jugenDlichen aus herne unD Dem ganZen ruhrgebiet. eine bewegte sprache Zwischen streetDance unD Zeitgenössischem tanZ, Die mehr über Zukunft sagt als tausenD worte.
BochUm – x-vISIon: hIphop In WAttEnSchEID x-Vision ist gelebte integration unD gelebter hiphop in wattenscheiD. hier schreiben, singen, rappen unD tanZen Die jugenDlichen nicht nur, sonDern proDuZieren ihre musik selbst. es geht um ihr leben, Die Zukunft Von wattenscheiD, ihre eigene unD Die ihrer musik. am enDe steht ein neues album unD DaZu – wie es sich gehört – ein lautes recorD-release-eVent.
DoRtmUnD
Der jugend gehört die Zukunft. familie, beruf, glück und erfolg – alles liegt vor ihnen, so denkt man. Doch das meiste liegt auch schwer auf ihren schultern. arbeit und familie, bildung und herkunft, das sind die säulen, auf denen ein gelungenes leben aufbaut. Doch selten zuvor waren diese zentralen bereiche so belastet und infrage gestellt wie heute. höchste Zeit also, die nächste generation selbst zu wort kommen zu lassen: wovon träumt sie? was will sie? welche bedeutung hat unsere herkunft in Zukunft? Die Zukunft der stadt und die Visionen ihrer jungen einwohner stehen im mittelpunkt dieses projekts. in zehn Zukunftshäusern in bochum, essen, Duisburg und herne erfinden Jugendliche aus sehr unterschiedlichen Stadtteilen gemeinsam mit filmemachern, musikern, theatermachern und wissenschaftlern ihre stadt neu. ein jahr lang erzählen sie sich gegenseitig und uns, was sie bewegt und wie sie in Zukunft leben möchten. sie erzählen von sich und ihrem stadtteil, drehen filme, spielen theater, gründen eine band oder bauen einfach den platz vor ihrer haustür um. sie diskutieren miteinander über das, was sie verbindet, und das, was sie trennt. und im herbst 2010 bringen sie dann ihre ideen mit dem regisseur nuran David calis auf die bühne der kammerspiele. Zum ersten mal gemeinsam, über alle grenzen der städte, kulturen und sprachen hinweg. Denn ob sich aus dem Dickicht der städte in Zukunft tatsächlich eine lebenswerte metropole bilden wird, liegt nicht zuletzt in ihren händen. es ist ihre geschichte: next generation. Aufführungen und Veranstaltungen in den Zukunftshäusern, im Schauspielhaus Bochum sowie in der gesamten Metropole Ruhr. Alle Infos unter: www.next-generation-2010.de
BochUm – RUhR-UnIvERSItät schon lange beschäftigt sich Das institut für theaterwissenschaft Der ruhr-uniVersität mit chorischem theater. nachDem Die stuDierenDen theorie-texte über generationenkonflikte gewälZt haben, Verknüpfen sie Diese erkenntnisse unter Der leitung Von „kainkollektiV“ mit ihren eigenen erfahrungen unD stehen im herbst 2010 mit einer eigenen insZenierung auf Der bühne. natürlich mit chor.
nExt GEnERAtIon – DAS Stück eine gemeinsame theaterproDuktion VerbinDet Die Zukunftshäuser miteinanDer: autor unD regisseur nuran DaViD calis ist Das jahr über unterwegs, um Die geschichten Der jugenDlichen Zu sammeln. er wirD ihre Vorstellungen Von Zukunft bünDeln unD mit beteiligten aus allen häusern im schauspielhaus bochum auf Die bühne bringen – als starkes stück theater Der nächsten generation.
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Text: Nuran David Calis
Hassan will es wissen. Folgende Frage lässt ihn nicht mehr in Ruhe schlafen: Warum werden 80 Prozent der in Berlin produzierten HipHop-Tracks im Ruhrgebiet verkauft und nur 20 Prozent in Berlin selbst oder im Rest der Republik? Hassan ist 16, er besucht das Gymnasium in Bochum und Zahlen sind sein Ding. Hassan ist X-VISION beigetreten, einem von zehn NEXT-GENERATION-Zukunftshäusern im Ruhrgebiet. Seins steht in Bochum-Wattenscheid. XVISION ist eine Musikproduktionsfirma. Und kein Jugendclub, betont er. Hier wird nicht rumgehangen.
Das gesamte Haus ist auf der Suche nach der Wahrheit. Und die muss auch wehtun dürfen.
Die Zukunftshäuser von NEXT GENERATION sind kreative ThinkTanks mit unterschiedlichen Schwerpunkten. X-VISION ist dabei so etwas wie die DEATHROW RECORDS des Ruhrgebiets. Ja, sie wollen die Antwort sein auf die EASTCOASTRapper aus Berlin. Wie damals, als N.W.A. in L.A. die Antwort auf Erik B. Rakim und Grand Master Flash in New York war. Und ja, Hassan will der 2Pac des Ruhrgebiets werden. Worüber die Berliner so rappen, das kann er auch: Man hat hier denselben Alltag zu bewältigen. Also warum dann nicht auch gleich selber darüber erzählen? Warum nicht selber Dinge produzieren? Warum immer das konsumieren, was andere auf die Beine stellen? Dann zieht Hassan seinen Pullover hoch und auf seinem Unterarm sieht man eine Tätowierung: NO PAIN NO GAIN. Träume verwirklicht man nicht durch Reden. Es gilt, Dinge anzupacken. Jetzt, meint Hassan. Und wenn er das nicht schafft, hat er immer noch sein Abitur. Hassan ist Träu-
mer und Realist zugleich. Ja, sagt er, das geht hier beides. Das muss. Diese beiden Dinge machen, dass ich morgens meinen Arsch hoch kriege, während andere ihr Handy noch auf Schlummermodus geschaltet lassen. STOP. Kurzes Innehalten und die Frage: Wird mit der Aussage, das Ruhrgebiet sei das New York der Zukunft, eigentlich der Startschuss für diesen Traum gegeben, oder hat man mit dieser Aussage diesen Traum bereits abgeschossen? Fakt ist: Im Moment gibt es mehr Sehnsüchte, als von allen Seiten gestillt werden können. Das ist Hassan und den Jungs und Mädels von X-VISION klar. Das ist allen Zukunftshäusern klar. Aber auch: Jugendzentrum war gestern. Aus den Räumen der Elendsverwaltung sind Ideen-Werkstätten geworden. Hier werden Gleise in die Zukunft gelegt. Sie arbeiten. Täglich. Morgens Schule. Abends Zukunftshaus. Sie wollen miteinander gestalten. Sie wollen Dinge, die nicht vereinbar waren, miteinander vereinen. Sie versuchen, im Kleinen ihre Welt zu verändern. Sie sind Real-Utopisten. Das Ruhrgebiet als Sanierungsfall. Im Zukunftshaus in DuisburgMarxloh haben sie eine Videowerkstatt gegründet und wollen die Dinge einfangen, wie sie sind. Keine Imagefilme nach dem Motto: schaut-wietoll-es-hier-ist. Das gesamte Haus ist auf der Suche nach der Wahrheit. Und die muss auch wehtun dürfen. Sie wollen die Chronisten dieser Region werden und ihren Wandel dokumentieren: narrativ, subversiv. Die Kids haben immer eine Einwegkamera bei sich und knipsen alles, was sie vor die Linse bekommen. Ein Bild lügt nicht, meint einer. Sie sind Wahrheitsjäger. In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde hier viel dafür ausgegeben, Dinge von außen nach innen zu holen. Dinge, die man brauchte, oder Dinge, mit denen man versuchte, das fragile Selbstbewusstsein dieser Region zu stärken. Aber überall hier gibt es kreatives Potenzial, das ungenutzt bleibt. Das muss sich ändern, darin sind sich alle einig. Wenn man mit den Leuten in den Zukunftshäusern redet, merkt man, 58
No Pain
next generation — Die neuerfindung des ruhrgebiets
NoGain
next generation — Die neuerfindung des ruhrgebiets
wie sehr sie an dieser Region hängen und die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen möchten. Es geht nicht um die Frage, wie weit das, was ein anderer hier aufstellt, in die Ferne leuchtet, sondern wie hell das, was sie tun, in die verwinkeltsten Gesellschaftsschichten ihrer Region strahlt. Wie tief haben sich die Identitäts-Wurzeln in diesen Boden, auf dem sie stehen, geschlagen? NEXT GENERATION ist keine Party, sondern eine Bestandsaufnahme. Mit diesen Gedanken im Kopf streife ich durch das Ruhrgebiet und sehe, wie vieles, was herangeschafft wurde, diese Region im wahrsten Sinne des Wortes ausgehöhlt hat. Das ganze Ruhrgebiet ist ein Schweizer Käse, das wissen die hier oben sehr gut. Aber nicht nur der Boden unter ihren Füßen ist löchrig, sondern auch vieles über der Erde. Die Gesellschaft ist löchrig. Das Miteinander ist löchrig. Das zwischenmenschliche Leben ist ausgehöhlt. Der Gesellschaftspakt in den Kommunen steht kurz vor seiner Kündigung. Das spüren sie täglich, wenn sie merken, dass sie nicht wirklich miteinander reden, sich nicht zusammentun.
Das Ruhrgebiet ist ein Schweizer Käse. nicht nur der Boden unter den FüSSen ist Löchrig, sondern auch vieles Über der Erde
Der Verteilungskampf werde härter, sagen sie bei POTTPORUS, dem Zukunftshaus in Herne. Man sei sich all die Jahre eher aus dem Weg gegangen als aufeinander zu. Damit muss Schluss sein. Die Zukunftshäuser wollen das ändern. Man will nicht nur für sich arbeiten, sondern miteinander und vor allem: füreinander. Schluss mit dem Klein-Klein der eigenen Ideen. Dieser Ideenwahn ist der goldene Käfig, aus dem man nicht mehr rauskommt. Stattdessen: Die Kräfte und die Ideen bündeln. Ab jetzt. Global denken? Oder: doch regional? Vielleicht: regional-global? Wer wagt es, die Bewegung von in59
nen nach außen zu tragen? Wie auch immer. Mit larmoyanten Frequenzen, kitschigen Selbstbeweihräucherungen, heimatlicher Folklore und Kochkursen ist Schluss. Dieser Wind geht durch alle Zukunftshäuser. Diese Region hat sich niemals vor Arbeit gedrückt. Sie sind in 1.000 Meter Tiefe gestiegen, um den Rest der Republik mit Wärme zu versorgen und die Zeche zu zahlen für einen sinnlosen 2. Weltkrieg. Und jetzt?
NEXT GENERATION ist keine Party, sondern eine Bestandsaufnahme.
Hier gibt es mit Abstand die jüngsten und zupackendsten Menschen unserer Republik. Nirgendwo sonst sieht man Migranten und Deutsche so eng und friedlich nebeneinander leben. Hier brennen keine Mülltonnen. Keine Polizeiautos. Keine Schulen. Keine Kirchen. Keine Synagogen. Keine Moscheen. Während die Schweiz über Minarette streitet, zieht hier ein deutscher Maurer die Innenwände einer Moschee hoch. Das sind die Leuchttürme, die in die Tiefe leuchten und die dunklen Löcher unserer Gesellschaft mit Licht füllen. Das sind Geschichten, die erzählt werden müssen. Mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen. Das sind die Antworten, die gefunden werden müssen und die aufhorchen lassen, wenn man durch die Gassen von Marxloh geht, durch Herne, durch Wattenscheid. Raus aus dem Zukunftshaus. Rein ins Leben. Seit Jahren sei hier nicht so was Großartiges gebaut worden, schwärmt der deutsche Maurer, Matthias, aus Marxloh. Und ja: er ist stolz auf diese Moschee, in der sein Kumpel, Massoud, der Araber, betet. Die Wand der Moschee hat er verputzt. Ärger hat er zunächst schon bekommen, einige haben ihre Aufträge zurückgezogen. Ein paar Leute seien richtig angepisst gewesen. Aber da habe er gemerkt, dass die gar kein Problem mit Massouds Glauben haben, sondern mit diesem Riesending. So als würde plötzlich einer, der die
WAS WIRD AUS MIR? 8. FESTIVAL POLITIK IM FREIEN THEATER HERBST 2011
www.bpb.de/politikimfreientheater
ganze Zeit einen klapprigen golf gefahren hat, jetzt einen porsche fahren. wie kommt das denn? neid sei das. nicht mehr, nicht weniger. Die wissen nicht, was gut und richtig ist, bis einer ihnen sagt, was gut und was richtig ist. und diese moschee ist richtig hier. und sonst nirgendwo. matthias und massoud sind zusammen aufgewachsen. warum soll massoud diesen ort hassen, wenn er hier ein stück seines glaubens errichtet? er kenne massoud und massoud scheißt nicht da, wo er isst. man ist hier zusammen durch dick und dünn gegangen. jetzt hat matthias kinder und massoud auch.
WEnn mAn mEnSchEn WIE pRImAtEn BEhAnDElt, BEnEhmEn SIE SIch IRGEnDWAnn AUch So.
anstatt den krieg zu beschwören, sollen die kriegsberichterstatter konkret sagen, wie das miteinander gehen könnte. sie sollen ihren platz verlassen und ihr ohr an den beton legen, den matthias für massoud hochzogen hat, damit massoud von außen gut sichtbar seinen glauben ausleben kann und nicht in einer garage, in einem heruntergekommenen hinterhof. wenn man einen menschen wie einen primaten behandelt, dann benimmt er sich irgendwann auch so. was bedeutet menschsein? Darüber will hassan rappen in wattenscheid. Darüber, dass man grenzen überwinden muss, um zu wachsen. Darüber wollen jens und asye aus marxloh einen film machen, in der Videowerkstatt. so werden träume verwirklicht. so was schafft eine gemeinsame identität. indem alle über ihren horizont springen und Dinge zulassen, an die man bis jetzt nicht gedacht hat. no pain no gain. Die welt da draußen soll sich nach uns umschauen, meinen sie, und sehen, wie es gelingt, nicht nur den traum von der koexistenz der verschiedenen ethnischen und kulturellen gruppierungen zu träumen. sondern wie sie diesen traum mit
herz, hirn und seele täglich anpacken und gestalten. Das sei die kohle, die sie jetzt hier rausholen müssen. Damit werde man die herzen der welt wärmen. und für einen moment bekommt der vage traum kontur: Diese kleinen Dinge werden die region zu einer metropole machen. schritt für schritt. Vielleicht nicht sofort, aber bald, sehr bald. und die menschen in dieser region mit ihren Zukunftshäusern müssen pioniere dieses traumes werden. es ist schmerzhaft, Dinge aufzugeben und neue Dinge anzunehmen. sich verwandeln tut weh. Das wird alles andere als eine party. Das wissen sie. aber sie stellen sich dem schmerz. irgendwann wird auch Zeit für party sein, aber sie ist nicht jetzt. auch das wissen sie. nURAn DAvID cAlIS ist autor, filmemacher unD regisseur. Das ganZe jahr 2010 ist er in Der ruhrregion unterwegs unD sammelt im rahmen Von next generation Die geschichten unD Die ZukunftsVorstellungen ihrer jugenD, Die ab oktober auf Der bühne Der kammerspiele Zu sehen sinD.
NEXT GENERATION hat eine Stimme, mit der sich die Jugend des Ruhrgebiets im Jahr 2010 weit über die Grenzen der Region hinaus Gehör verschafft: DEUTSCHLANDRADIO KULTUR begleitet das Projekt als Kooperationspartner. Regelmäßige Reportagen berichten von der Entwicklung in den Zukunftshäusern, gemeinsame Diskussionsveranstaltungen bündeln die Ergebnisse und mit der „Deutschlandrundfahrt“ macht der Sender mehrmals im Jahr mit einem Übertragungswagen in Essen, Bochum und Duisburg Station. Deutschlandradio Kultur ist in der Ruhrregion auf folgenden Frequenzen zu empfangen: Mülheim auf 93,7 MHz Bochum auf 89,3 MHz Essen auf 88,3 MHz
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Next GeNeratioN das stuck von Nuran David Calis
und Jugendlichen aus dem ganzen Ruhrgebiet premiere am 28. oktober 2010 in den kammerspielen Voraufführung am 27. oktober 2010 im rahmen des bundesfachkongress interkultur ein jahr lang haben sie gearbeitet. sie haben ihr leben transparent gemacht, die lage ihrer stadt analysiert und große und kleine pläne entworfen. sie haben gelernt zu tanzen, zu singen, zu spielen und filme zu drehen – und vor allem haben sie gelernt ihre meinung zu sagen. sie kommen aus bochum, essen, Duisburg, herne und dem gesamten ruhrgebiet. aus stadtteilen, die so unterschiedlich sind wie sie selbst. Vor einem jahr haben sie einander noch nicht gekannt und nur wenig voneinander gewusst. Zusammen stehen sie im herbst 2010 auf der bühne der kammerspiele im bochumer schauspielhaus. es wird ihr stück sein, das sie hier spielen, und ihre geschichte, die sie erzählen. alle gemeinsam und über die grenzen der städte hinweg. Der autor und regisseur nuran David calis wird die Zukunftshäuser das ganze jahr lang begleiten. unter seiner leitung gehen sie auf die bühne in bochum. egal wo sie herkommen, welche sprache sie sprechen und egal, wo sie in Zukunft leben werden: es wird ihr stück und ihre Zukunft. ein stück über das panorama einer besonderen stadtjugend und eine neue geschichte über die Zukunft an der ruhr.
Regie: Nuran David Calis Bühne: Irina Schicketanz Kostüme: Silke Rekort Musik: Vivan Bhatti Video: Karnik Gregorian Alle Infos aus den Zukunftshäusern und der Blog von Nuran David Calis unter: www.next-generation-2010.de NEXT GENERATION ist ein Projekt von Schauspielhaus Bochum, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen. Partner: Deutschlandradio Kultur.
DIETmar bär*
Friederike Becht
Anne-Marie Bubke*
Manuela Alphons
Manfred Böll
Maja Beckmann
Ensemble
matthias eberle
jonas gruber*
JĂźrgen Hartmann
Barbara Hirt
Martin Horn*
bettina engelhardt
Therese DĂśrr
Andreas GRothgar
Paul Herwig*
Florian Lange
Katharina Linder
Marco Massafra
Nicola Mastroberardino
Veronika Nickl
Kristina-Maria Peters
Raiko K端ster
Thomas Loibl*
Ronny Miersch
Roland Riebeling
Nadja RobinĂŠ
Armin RoHde*
Heiko Ruprecht*
Dimitrij Schaad
HEnrik Schubert
Matthias Redlhammer
Felix Rech*
Bernd Rademacher
Xenia Snagowski
Daniel Stock
Werner Strenger
Stephan Ullrich*
Joep van der Geest*
Jutta Wachowiak*
Krunoslav Šebrek
Lena Schwarz*
Michael Schütz
Klaus Weiss Franck Edmond Yao* Anke Zillich
*gäste Thomas Anzenhofer Roland Bayer Simon Breuer Reinout Bussemaker Dunja Dogmani Roeland Fernhout Christoph Finger Daniel Flieger Hauke Heumann Karolina Horster Dieter Hufschmidt Holger Kunkel WERNER LUSTIG Andreas Maier Mandana Mansouri Hadewych Minis Oliver Möller Karin Moog Frieda Pittoors Alwin Pulinckx Sierk Radzei Alexander Ritter THOMAS SCHWEIBERER Yonina Spijker Henriette Thimig Leon Voorberg Philipp Weigand Judith van der Werff Aljoscha Zinflou sowie Studierende der Folkwang Universität, Tänzer und Streetart-Künstler von Pottporus/Renegade und Teilnehmer der Next-Generation-Zukunftshäuser
Wie kommt die welt ins theater? — DIE AUTOREN
Das Schauspielhaus Bochum war schon immer auch ein Ort für Uraufführungen und neue Autoren. Fünf von ihnen werden in der kommenden Spielzeit ihre Stücke in Bochum zeigen. Sie gehören alle zur gleichen Generation, was nicht heißt, dass sie immer das Gleiche denken. Nicht einmal, dass sie alle immer das Gleiche tun. Wie unterschiedlich sie sind, wird Bochum bald nicht nur durch ihre Stücke erfahren, sondern auch durch viele Veranstaltungen, in denen sie von sich und ihrer Welt erzählen werden. Ein erstes Treffen mit Nuran David Calis, Reto Finger, Dirk Laucke, Jan Neumann und Christoph Nußbaumeder.
Interview: Anna Haas und Thomas Laue Fotos: Diana Küster
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Aus welchen Gründen entscheidet man sich heute dafür, ausgerechnet Theaterautor zu werden?
Jan Neumann: Arbeitest du immer noch als Jurist? Reto Finger: Ja, hin und wieder.
Reto Finger: Ich wollte ursprünglich gar nichts mit theater zu tun haben, obwohl es in meiner Familie einige musiker und theaterleute gibt. Ich habe Jura studiert. mit 25 habe ich gemerkt, dass mir das nicht reicht. Ich wollte mich nicht ausschließlich
Nuran David Calis: Immer, wenn ich ihn anrufe, höre ich: „Ich verfasse gerade einen Bericht für einen richter.“ Als ich ihn in Zürich besucht habe, sind wir durch das Büro irgendeines staatsanwaltes und haben Akten gesucht. manchmal findet man ihn nur noch im Gericht. Christoph Nußbaumeder: Ich wollte auch nie zum theater. Aber ich habe früh geschrieben. verschiedenes: Kurzprosa, Lyrik, alles mögliche und plötzlich entstand auch ein theaterstück. das wurde relativ rasch uraufgeführt und danach kamen die ersten stückaufträge. Ich hätte nie gedacht, dass es eine spezielle szene für dramatik gibt und dass man davon leben kann. Ich hatte mir Autoren immer eher wie Goethe vorgestellt (lacht): man macht irgendwie alles.
Christoph Nußbaumeder geboren 1978 in Eggenfelden/Niederbayern, lebt seit 11 Jahren in Berlin. 2004 gewann er den Preis des Stückewettbewerbs der Berliner Schaubühne für sein Stück „Mit dem Gurkenflieger in die Südsee“. Nußbaumeder schreibt in der Tradition des kritischen Volksstücks, erzählt von den Verlierern, aber auch von den Gewinnern unserer Gesellschaft. Mit wenigen Worten gelingt es ihm, seine Figuren messerscharf zu charakterisieren. Nußbaumeders Stücke wurden an der Schaubühne am Lehniner Platz Berlin, bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen, am Nationaltheater Mannheim, am Schauspiel Köln und am Schauspiel Essen uraufgeführt.
als Jurist mit dem Leben auseinandersetzen. nun wechsele ich hin und her: es gibt Phasen, in denen man das Leben beschreiben kann, und es gibt Phasen, in denen man es leben muss. Ich kann deshalb auch nicht durchgehend intensiv schreiben. Ich muss immer wieder außerhalb des theaters arbeiten, um auf neue dinge zu stoßen, die mich inspirieren.
Dirk Laucke: Ich habe szenisches schreiben studiert, an der udK in Berlin. mir war es auch nicht so klar, dass ich theaterautor werden möchte. Ich habe halt t texte geschrieben, auch mal ein theaterstück. Ich habe mich dann mit einem Fragment beworben und studiert, weil es besser war als Psychologie, was ich ursprünglich machen wollte. nach den ersten erfolgen bin ich dann auch in diese sogenannte spirale gekommen. Ich habe aber auch keinen Bock, einen anderen Beruf zu machen, also schreibe ich. Nuran, du bist Regisseur, Autor und Filmemacher. Was hast du studiert? Nuran David Calis: regie. In münchen, an der Falckenberg schule. daher kenne ich auch Jan neumann. der war auf der theaterakademie als schauspielschüler ein Jahrgang über mir. wir fanden das damals total krass, dass euer gesamter Jahrgang ans residenztheater engagiert wurde. Ihr wart unsere Idole. Jan Neumann: da hattet ihr aber komische Idole. 69
EisEnstE nst in nstE von Christoph Nußbaumeder uraufführung am 26. september 2010 in den Kammerspielen Glücklich sind sie nicht geworden, die schatzschneiders aus eisenstein. sind von eisenstein nach münchen gegangen, reicher geworden und mächtiger über die Jahre, aber das unglück lag wie ein Fluch über dieser Familie. dabei standen 1945 die sterne gut für den alten Josef schatzschneider: In den wirren der nachkriegsjahre hat er sich gut gestellt mit den Alliierten, hat seinen Bruder, der bei der ss war, durchbringen können und nebenbei noch erna, die junge Frau, die als Flüchtling zu ihnen kam in den letzten Kriegstagen. einen unehelichen sohn hat er mit ihr, glaubt er. der Junge Georg wächst in eisenstein auf, erhält Josefs Bruder zum stiefvater und wird zum ehrgeizigen und erfolgreichen unternehmer. Als Georg sich in Gerlinde, Josefs t tochter, verliebt, muss Josef seine v vaterschaft beichten und das Paar trennen. erna schweigt zu alledem, doch sie allein und die w wahrheit über Georgs wirklichen vater v könnten die beiden unglücklichen erlösen. Als sie zu reden beginnt, ist es zu spät. Georg heiratet Heidi, die jüngere schwester Gerlindes, die ehe scheitert. erst die dritte Generation der schatzschneiders ist in der Lage, das schweigen und die Lügen zu durchbrechen. eingebettet in historische und politische ereignisse erzählt Christoph nußbaumeder die saga einer zerrissenen Familie, die nicht zu sich findet. So ist es auch die Geschichte der Bundesrepublik deutschland, die sich nur langsam aus den schatten und dem schweigen der verganv genheit löst.
Regie: Anselm Weber Bühne: Patrick Bannwart Kostüme: Meentje Nielsen Musik: Cornelius Borgolte Video: Bibi Abel Dramaturgie: Thomas Laue, Sabine Reich mit: dietmar Bär, roland Bayer, maja Beckmann, Annemarie Bubke, Bettina engelhardt, Andreas Grothgar, Jonas Gruber, martin Horn, Karolina Horster, Kristina-maria Peters, sierk radzei, Krunoslav Šebrek
„Das finde ich vollkommen in Ordnung.“
wIe K Kommt dIe weLt L Ins tHeAter? Lt Ater? — dIe Autoren A
Jan, du hast auch mehrere Berufe oder? Jan Neumann: nach meinem erstengagement als schauspieler in münchen bin ich ans schauspiel Frankfurt gegangen. dort ging es mir eine Zeit lang nicht gut. Also habe ich geschrieben: mein erstes stück, das ich schon auf der schauspielschule begonnen hatte. die uraufführung fand ich so schlimm, dass ich herausfinden wollte, ob es am Stück lag oder an der regie. Ich habe die Leitung in Frankfurt solange bearbeitet, bis ich es selbst inszenieren durfte. so wurde ich Autor und regisseur. Seitdem finde ich es ziemlich irre, wie dieser „markt“ funktioniert: man hat das Gefühl, dass jedes Jahr eine neue Generation erfunden wird und stellvertretend einer in die höchsten sphären des Feuilletons geschossen wird. man weiß genau, dass da schnell wieder ein neuer name zwischen den sternen steht. Ich habe erlebt, dass ich eine gute Kritik in der „süddeutschen“ hatte, und plötzlich kamen die Anrufe. Auch von Leuten, die seit Jahren kaum mit mir geredet haben. die haben mir plötzlich sachen angeboten, ohne überhaupt etwas gesehen zu haben. Ich finde das interessant, aber auch enttäuschend. Worüber habt ihr euch zuletzt richtig geärgert? Jan Neumann: über die deutsche Bahn, gerade eben wieder. das klingt total kleinkariert, aber es ist etwas, über das ich mich wirklich aufregen kann. Ich gehe oft in den speisewagen und ärgere mich darüber, dass es dort seit Jahren schlechter, aber dafür immer teurer wird. es geht überall nur um Gewinnmaximierung und um nichts anderes mehr. das klingt wirklich kleinkariert und gewollt politisch! Aber es ist doch überall so: Als die deutsche Bank vor kurzem 5 milliarden Gewinn bekannt gegeben hat, habe ich mich richtig aufgeregt. Zwei tage vor der nacht, als Frau merkel und Herr Ackermann dieses erste rettungspaket für die Banken geschnürt haben, hat mich ein befreundeter Banker angerufen und meinte, er hätte gerade seine Konten bei der deutschen Bank aufgelöst,
denn es kursierten Gerüchte, dass die nächste w woche Pleite geht. Absolute Hysterie. und dann verkünden die wenige monate später einen 5-millarden-Gewinn! wahnsinn. was ich vermisse, ist eine generelle w Form von moral als ein Gegenprogramm zur Gewinnmaximierung. Dirk Laucke: Ich denke nicht, dass man von Bankern eine moralische
schimpfe, kann ich wenigstens eine sehnsucht formulieren. es gibt keine Gesprächskultur mehr, in der die dinge an- und ausgesprochen werden, wie sie sind. schon gar nicht in der Politik. Ich verstehe nicht, wie zum Beispiel so eine hochkarätige truppe t wie auf der Klimakonferenz keine Form der Kommunikation findet. Christoph Nußbaumeder: Ich glaube, das ist ein symptom für ganz viele Bereiche in der Gesellschaft, aber darüber kann ich mich nicht so echauffieren! Die Ursachen liegen ganz woanders. Jan Neumann: Klar, sind das nur symptome. die ursache kann ich aber letztendlich nicht greifen. Ich kann mich deshalb ehrlicherweise auch nicht hinstellen und sagen: Kapitalismus ist scheiße, weg mit dem Kapitalismus.
Jan Neumann geboren 1975 in München, lebt in Berlin. Der Autor, Schauspieler und Regisseur ist Spezialist für Stückentwicklungen. Dabei lässt er sich von einem Schlüsselbegriff leiten, dem er mit seinem Ensemble in Diskussionen, Recherchen, Improvisationen und biografischen Erkundungen nachgeht. So hat er bereits eine Anzahl spannender und weithin wahrgenommener Stücke und Inszenierungen geschaffen: „Kredit“ am Schauspiel Frankfurt, „Fundament“ am Staatstheater Stuttgart und zuletzt „Gott allein“ am Staatsschauspiel Dresden. Darüber hinaus inszeniert Jan Neumann auch die Werke anderer Autoren und schreibt Stücke, bei denen er nicht selbst Regie führt und die am Thalia Theater in Hamburg, am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Schauspiel Essen uraufgeführt wurden.
Position erwarten kann. die machen ihren Job aus ihrer sicht genau richtig, auch wenn sie scheiße bauen. das kann man ihnen nicht vorwerfen, sie sind schließlich nicht für Amnesty International engagiert. Jan Neumann: Aber wenn ich darüber 70
Nuran David Calis: der Gesellschaftspakt, den es ja mal gab und zu teit len immer noch gibt, wird nach und nach ausgehöhlt. unterm strich laufen die dinge gegen uns und überm strich soll es so aussehen, als würde alles für uns getan. Alles ist darauf bedacht, das system am Laufen zu halten, dabei wird es im Kern immer weiter ausgehöhlt. Also Revolution? Nuran David Calis: vielleicht utopien. w wo steuert unsere Gesellschaft hin? Dirk Laucke: michail Bakunin, ein Anarchist, meinte, dass die utopie die Leute verrät, weil sie ein Bild von einem Paradies schafft, das es gar nicht gibt. Bakunin ist im Prinzip für eine permanente entwicklung. das ist ja vielleicht auch im theater immer wieder der Fall. die Glücksmomente der Freiheit beim schreiben oder Proben sind ja die momente des Ausprobierens. Christoph Nußbaumeder: man kann von den meisten menschen nicht erwarten, dass sie permanent revolution betreiben. man sehnt sich ja auch nach sicherheit und festen or-
ten. das ist die diskrepanz zwischen wille und wirklichkeit. Dirk Laucke: wir ziehen uns zurück und horten unseren reichtum! Jan Neumann: Ich kann doch nicht glaubhaft den Aufruf zur revolution hinschreiben. Ich kann auch kein politisches theater machen, weil ich mich beim schreiben in viel zu viele Positionen hineindenken kann. Ich erzähle lieber von der schwierigkeit, Position zu beziehen und wie unmöglich das heute ist.
Nuran David Calis: mir reicht das nicht, es einfach nur bei der Kritik zu belassen oder zu sagen: es gibt so viele Antworten. eine Antwort reicht, wenn es deine ist. Ich will meine eine Antwort schon kundtun. dafür kassiere ich dann auch gerne Prügel. Jan Neumann: mir ist es wichtiger, Fragen zu stellen. oder zu fragen, welche Fragen nicht gestellt werden.
Reto Finger: es gibt nicht mehr nur die eine Antwort. das ist ein symptom unserer Generation. es ist eine große Herausforderung, davon nicht paralysiert zu werden. dass ich nicht nur schreiben darf, wenn ich die Gesamtantwort habe. Ich muss mich damit begnügen, die widersprüche zu ertragen und eine t teilantwort zu liefern. wir müssen uns damit abfinden, dass wir im Gegensatz zu der Generation vor uns keine monokausalen Antworten mehr liefern können.
Jan Neumann: Zu ihrer Zeit vielleicht nicht. Dirk Laucke: was in deutschland in der t tradition, in der wir stehen, überhaupt nicht geht, ist menschen von der Bühne herab modelle vorzusetzen, wo dann alle zur t tat schreiten sollen. Ich habe schiss vor Konzepten, die so einheitlich sind. es gibt ja nicht nur das linke Konzept. wenn w allen Leuten klar gemacht wird, dass deutschland sich abschotten muss vor einer Bedrohung, die Globalisierung heißt, dann ist auf jeden Fall auch das rechte Konzept im Kommen. es gibt sehr viele Parallelen in linken wie rechten Konzepten. daher habe ich Bedenken vor monokausalen Antworten. Ich sehe mich lieber als ein Finger in den wunden. w
uraufführung am 2. dezember 2010 im theater unten „Hochstapeln“ meint nicht nur die klassischen Hochstapler, millionenbetrüger, Lügner. das experiment wäre, diesen Begriff auf alle Lebensbereiche auszudehnen. wann w stapeln wir hoch? Welche Geschichten, welche Realitäten erfinden wir im Angesicht der Krise? welche w sicherheiten bleiben, wenn nichts mehr gedeckt ist? dem Geldwert schon längst kein sachwert mehr entspricht? und nichts mehr im verhältv nis steht? w welche Behauptungen werden aufgestellt? In der wirtschaft? der Politik? Im Privatleben? wie erschwindeln wir uns Geld? Aufmerksamkeit? Liebe? Wie erfinde ich mich selbst? In meinem Facebook-Profil? In meiner Beziehung? Im Beruf? Wann beginnen wir zu erfinden? Hochstapler sind märchenerzähler: „das wichtigste, wenn sie betrügen wollen, sie müssen ihre Geschichte einfach und logisch erzählen“, rät Profibetrüger Mark Z. sie sind Geschichtenerzähler, schauspieler, manipulierer – wie wir alle. „Hochstapeln“ ist eine stückentwicklung. Ausgehend von einem schlüsselbegriff entsteht der theatertext während der Probenzeit – gemeinsam mit den schauspielern, vor ort und für die stadt.
Regie: Jan Neumann Bühne: Thomas Goerge Kostüme: Nini von Selzam Dramaturgie: Anna Haas
Dirk Laucke: das finde ich vollkommen in ordnung. Christoph Nußbaumeder: die monokausalen stücke waren auch schlechte stücke.
HocHstapEln von Jan Neumann
Würdet ihr alle zustimmen, dass es eure Aufgabe ist, Dinge kritisch zu beschreiben? Jan Neumann: ein teil der Aufgabe, ja. Ansonsten natürlich spaß, unterhaltung, erzählen. Dirk Laucke: spaß bedeutet auch, dass ich spaß habe beim schreiben. Reto Finger: Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Probleme so zuspitzen, dass es irgendwann wieder denkbar wird, stücke zu schreiben, die die eine Antwort liefern. unsere Gesellschaft steuert auf missstände zu, die ab einem gewissen Punkt einfach zu beantworten sind. Ich kenne die situation in deutschland nur aus der Zeitung. In der schweiz werden unter dem titel „sparen“ sozialleistungen abgebaut, was früher oder später in schweizer städten zu sozialen unruhen führen wird. v vor zwei 71
„Der schonungslose, subjektive Blick.“
wIe K Kommt dIe weLt L Ins tHeAter? Lt Ater? — dIe Autoren A
w wochen hat in Zürich eine „reclaim the street“-Party stattgefunden. die ist in eine regelrechte straßenschlacht ausgeartet. Dirk Laucke: es gibt zurzeit eine starke t tendenz zu stücken oder Projekten, die lokal oder regional sind. da sehe ich Chancen, dass theater politisch wird. w wenn ich ein stück für ein bestimmtes theater schreibe, stelle ich die Frage, was in der region gerade so kocht, was da brennt. In dem moment ist man sehr konkret. dass diese paar einzelfälle, mit denen man sich beschäftigt, dann aber immer für etwas Großes stehen müssen, finde ich schwierig.
Dirk Laucke: In der Probenzeit gab es immer wieder Augenblicke, wo entweder die ganze Gruppe gedroht hat abzuspringen oder einzelne ausgestiegen sind. Aber es gab auch momente, die emanzipatorisch waren. wo sie im theater eine Chance gesew hen haben, die sie vorher nicht hatten. das ist irgendwann kaputt gegangen, weil ich dem Chef verboten habe, bei dem Projekt mitzumachen,
Dirk Laucke: da gab es einige missverständnisse. „ultras“ war ein Projekt, das ich in Halle mit Fußballfans entwickelt und inszeniert habe. die „ultras“ sind fanatische Fußballfans, die nicht überall rechts sind. In Halle allerdings schon. die sagen von sich, dass sie unpolitisch sind, und werden in der stadt geduldet. sie tragen rechte Klamotten, haben rechte Freunde und ein rechtes weltbild: w also Chauvinismus, Homophobie, sexismus, nationalismus, alles was rechts ist. und trotzdem sagen sie, sie seien unpolitisch. das war die schwierigkeit in der Arbeit mit ihnen, dass sie sich und der Öffentlichkeit nicht eingestehen wollten, dass sie selbst Faschos sind. Letzten endes konnte man es in der Inszenierung nicht mehr verbergen. sie haben sich durch ihr eigenes verv halten verraten. Jan Neumann: Ist das Bewusstsein im Laufe der Arbeit gewachsen?
Warum München? Nuran David Calis: Ich bin in Bielefeld groß geworden. wir sind dort ins Fußballstadion gegangen: Bayern gegen Arminia. Ich musste mit den Kumpels immer in die Fankurve der Bielefelder. Aber als ich den rummenigge gesehen habe, mit diesen krassen oberschenkeln, da wusste ich einfach, dass ich mehr münchner und Bayer bin. Christoph Nußbaumeder: wobei der rummenigge aus w westfalen kommt!
Christoph Nußbaumeder: Aber das ist doch die Kunst dabei. erstmal der schonungslose, subjektive Blick. das ist das Beste, reinste was man machen kann. w wenn darüber sprachbilder oder momente entstehen, die ein Bild für das so genannte Große sind, dann ist es wunderbar. Jan Neumann: dirk, du hattest doch diesen skandal mit den „ultras“ in Halle? das war lokal, dann überregional und am ende ein Politikum.
bin zutiefst FC-Bayern-Fan. Ihr werdet mich hassen.
Nuran David Calis: die haben ihn auch immer als v verräter beschimpft. Spielt Herkunft für euer Schreiben eine Rolle? Bist du beim Schreiben ein Bayer, Christoph?
Nuran David Calis geboren 1976 in Bielefeld, lebt heute in München. Der Autor, Theater- und Filmregisseur zeichnet sich durch ein großes Gespür für die Sprache und das Lebensgefühl junger Menschen aus. 2008 kam sein erster abendfüllender Spielfilm „Meine Mutter, mein Bruder und ich“ in die deutschen Kinos. Seine viel beachtete Bearbeitung von Wedekinds „Frühlings Erwachen!“, die am Schauspiel Hannover uraufgeführt wurde, hat er ebenfalls selbst verfilmt. Neben den Überschreibungen litera rischer Stoffe erarbeitet er Stücke mit Jugendlichen, darunter „Homestories“ am Schauspiel Essen. Für das Schauspielhaus Bochum entwickelt und inszeniert er im Rahmen von NEXT GENERATION ein Stück mit Jugendlichen aus Bochum, Essen, Duisburg und Herne (siehe Seite 56).
und ihnen klar geworden ist, dass sie als rechte wahrgenommen werden. Jetzt haben wir streit.
Christoph Nußbaumeder: natürlich spielt Herkunft eine rolle, wahrscheinlich das ganze Leben lang. Gewisse erfahrungen oder Begegnungen mit menschen aus einer bestimmten ortschaft oder Landschaft bringen eine gewisse mentalität mit sich. das sind eingebrannte Bilder. Reto Finger: das schärft sich noch durch den Abstand, wenn man weggeht. Christoph Nußbaumeder: Klar, und es ist ambivalent. man mag ganz vieles nicht und manches eben doch. es ist ein t teil von einem selbst. man schreibt ja auch über das, was man nicht aushält. Gerade das beschäftigt einen. Ich schreibe ja keine oden. Du bist Schweizer, Reto. Das war man früher ja gerne. Ist es in letzter Zeit schwieriger geworden?
Wo seid ihr zu Hause?
Reto Finger: es gab eine Zeit, wo das irgendwie süß, nett und schön war. Jetzt sind auch andere Adjektive dazu gekommen wie ...
Nuran David Calis: In münchen. Ich liebe diese stadt. schon immer. Ich
Jan Neumann: ... habgierig … böse … gehässig …
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Nuran David Calis: ... Gangster ... Bangster. Reto Finger: man hat ja nicht die wahl. Aber noch bin ich nicht sow weit, dass ich lieber Franzose oder deutscher wäre. Ich bin in einem kleinen dorf, fernab der stadt, im emmental groß geworden. das spielt für mein schreiben absolut eine rolle.
lasse beim schreiben extreme Zustände aufeinander zufahren. Ich brauche das, um in dialog mit einem t text zu kommen. dann kann ich ihn als Inspirationsquelle nehmen und mich dort im Kern aber frei bewegen. Jan Neumann: Für mich stehen am Anfang ein Gedanke oder eine situation. etwas, dass ich interessant
Kommst du nicht aus so einer HippieFamilie? Reto Finger: Ich war zum einen mit meiner mutter auf einem Bauerndorf in rumendingen und an den wochenenden bei meinem v w vater in einer Kommune im Jura. Heimat ist immer ein guter ort, um essenzielle dinge rausschälen zu können. Dirk Laucke: das finde ich auch. wobei ich durch Halle an der saale w nicht unbedingt positiv beeinflusst bin. man kann da von einer Hassliebe sprechen. es war nun mal eine sehr konfliktreiche Gegend und das lässt mich nicht mehr los: diese gesellschaftlichen umbrüche, die in meiner Familie stattgefunden haben, und was ich in meiner Jugend dort erlebt habe. w wenn ich recherchiere, fällt mir ein: Ach, ich kenne ja so einen stasi-mann – wo habe ich den kennen gelernt? – in Halle. dann kann ich den ja mal interviewen. so gesehen ist Halle noch immer meine Quelle. Würdest du dich als ostdeutschen Autor bezeichnen? Dirk Laucke: das würde ja heißen, dass ich so einen sonderfall von ostdeutschland annehme, und das klingt fast positiv besetzt, als ob ich das gut finden würde, dass es ein ost- und ein w westdeutschland gibt. Was ist als Erstes da, wenn ihr mit einem Stück beginnt? Reto Finger: eine Atmosphäre, eine temperatur, ein Gefühl dafür, wie es t schmecken muss, wenn es schmecken würde. Nuran David Calis: oder ein Film. Ich
Dirk Laucke geboren 1982 in Schkeuditz in Sachsen, wuchs in Halle an der Saale auf. Nach einem abgebrochenen Psychologiestudium in Leipzig studierte er von 2004 bis 2008 Szenisches Schreiben an der der Universität der Künste Berlin (UdK). Für sein Stück „alter ford escort dunkelblau“ erhielt er 2006 den Kleist-Förderpreis für junge Dramatik, 2007 wurde er in der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Theater heute“ zum Nachwuchsautor des Jahres gewählt. „Laucke hat eine eigene Sprache gefunden, die Wirklichkeit auf die Bühne zu bringen. Ausgestattet mit einem feinen Gespür für Figuren, nimmt er besonders Randfiguren der Gesellschaft ins Visier“, hieß es in der Jurybegründung zum Dramatikerpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI, mit dem er 2010 ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus entwickelt Dirk Laucke auch als Regisseur Theaterprojekte mit Laien, so zuletzt „Ultras“ mit jugendlichen Fußballfans am Thalia Theater Halle.
finde und über das ich weiter nachdenken möchte. Christoph Nußbaumeder: Bei mir ist es eine situation oder eine Konstel73
Jimi Bowatski Hat kEin H scHamg H Hamg EfüHl von Dirk Laucke uraufführung am 25. märz 2011 in den Kammerspielen Jochen Bowatski lässt sich von allen gerne Jimi nennen, weil alle Großen Jimi hießen – Hendrix, dean und morrison. nur sind alle großen Jimis tot und Jochen ist gerade 50 geworden. die Autozuliefer-Fabrik, in der er seit zwanzig Jahren arbeitet, wird nach Indien verfrachtet und er steht vor dem Aus. er schnappt sich seinen Kumpel markus welt, dessen t w tochter und Lebensinhalt sich demnächst wohl auch mit ihrer mutter, markus’ ex, aus dem radius seiner ALGII-technischen Residenzpflicht verabschieden wird. markus’ ex hat einen besseren Job in der schweiz. da marschieren Jimi und markus ins w werk, um dem Chef die rechnung zu präsentieren, doch statt den Chef im Büro erwischen sie seine Frau im Bett mit dem jungen, schicken Lúc, man kann ihn auch Lutz nennen. Als der w werksleiter auch noch tot aufgefunden wird, übernimmt Jimi Bowatski gänzlich die Kontrolle. die Inder werden am nächsten t tag heimgeschickt, das w werk besetzt. und Jimi Bowatski wäre kein Jimi Bowatski, wenn das kein von erfolg gekröntes unternehmen wäre. Jimis Aktion zur sicherung deutscher Arbeitsplätze wird als modellprojekt gepriesen. sogar markus’ ex kommt aus der schweiz vorbei, um mit ihm über seine v vaterrolle zu reden. nur der gigolomäßige Lúc will sich mit einer richtigen Arbeit nicht so ganz anfreunden und kriegt seine rechnung präsentiert, als Jimi Bowatski sein schamgefühl gänzlich verloren hat. dirk Lauckes neues stück erzählt von echten Helden und wahren Freunden, die bei jedem schritt auf neue Feindbilder stoßen, auch wenn stets die alten Abhängigkeiten im spiel sind.
Regie: Heike M. Götze
HEikE M. GöTzE wird das neue Stück von Dirk Laucke inszenieren. Bereits während ihres Studiums an der Zürcher Hochschule der Künste war Heike M. Götze mit ihren Inszenierungen zu den Zürcher Festspielen und zum Zürcher Theaterspektakel eingeladen. Für ihre Diplominszenierung „Spieltrieb“ nach Juli Zehs gleichnamigem Roman wurde sie 2008 mit dem Körber-Preis für Junge Regie ausgezeichnet. Seitdem arbeitet sie regelmäßig am Theater Basel, am Schauspielhaus Zürich und am Schauspiel Hannover. Am Schauspiel Essen hat sie in der vergangenen Spielzeit John Osbornes „Blick zurück im Zorn“ inszeniert. Ihre Inszenierungen zeichnen sich durch eine hohe körperliche, fast tänzerische Energie aus, verbunden mit absoluter Genauigkeit im Umgang mit Sprache. Hin und wieder steht sie auch selbst als Schauspielerin auf der Bühne, so zuletzt am Schauspiel Hannover als Christian in „Das Fest“ nach dem Film von Thomas Vinterberg.
Fotografie: Renate Ritzenhoff
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lation und dann gärt das erstmal vor sich hin. Ich habe ein notizbüchlein bei mir, da schreibe ich immer mal was rein. Vieles fliegt einem ja zu. Dirk Laucke: die Frage ist ja, wie kommt die w welt auf die Bühne? Bei mir ist es so, dass ich entweder eigene erlebnisse übersteigert weiterdenke oder Begegnungen mit menschen, die ich hatte. Ich habe einen soldaten aus Afghanistan kennen gelernt und mich mit ihm unterhalten. dann recherchiere ich auch gezielt, wie bei dem Stasi-Offizier. Ich gehe zwar nicht in Bibliotheken, aber ich lese viel. nicht so theaterkram, sondern eher politisches Zeug.
Christoph Nußbaumeder: die Frage muss ich aufteilen. w was wünscht man sich während der Arbeit und was von dem ergebnis? Gibt es da eine w wechselwirkung mit dem Publikum? Hat es überhaupt eine wirkung? das andere ist, dass ich auch einen fruchtbaren Austausch will, also einen offenen und schonungslosen – im besten sinne des wortes – und nicht nur als erfüllungsgehilfe
Nuran David Calis: Ich bin auch nicht der t typ, der in die Bibliothek recherchieren geht. Ich beziehe meine Arbeit aus dem Alltag und dem echten Leben. Jeder in meiner Familie oder der mit mir befreundet ist, muss mit der Gefahr leben, in einem meiner stücke zu landen.
Reto Finger: Je länger ich schreibe, desto wichtiger wird es, dass es eine Kontinuität im Austausch gibt. Auch um dinge abzubauen, die ich als nicht förderlich empfinde, wie Buhlen um v vertrauen oder Angst haben vor Premieren. In t truppen zusammenzuarbeiten, die eine gewisse Zeit dauern, finde ich immer wichtiger. Nuran David Calis: Ich mache theater aus dem Bewusstsein einer Gang, einer Bande heraus. w wo ich arbeite, entscheide ich über Persönlichkeiten: mit welchen menschen möchte ich theater machen und was für eine Geschichte verbindet uns. mit euch wäre ich überall hingegangen. die persönliche erfahrung mit einer theatermannschaft durch dick und dünn gegangen zu sein und am ende etwas auf die Beine gestellt zu haben, wo man nur für sich weiß, dass man da irgendwie schlauer raus geht, als man rein gegangen ist.
uraufführung im mai 2011 in den Kammerspielen „Lasst mich ein paar w worte an euch richten, ich kam zu spät, ich komm immer zu spät, wie Max zu sagen pflegt, aber lasst mich trotzdem, jetzt wo wir alle gegessen und auch ein wenig getrunken haben, ein paar w worte nur, wie gesagt, aus gegebenem Anlass: Auf die Blutsverbundenen und ihre Zugewandten! Auf die, die mich ein zweidrittel Leben lang begleitet haben. Ich bin selten betrunken genug, euch dafür zu danken, dabei müsste ich das viel öfters tun, weil man nur bei Blutsverbundenen und Zugewandten sicher sein kann, dass es keine meuchelmörder sind, und je älter man wird, desto wichtiger ist es, dass man einen Bogen macht um meuchelmörder.“ Robert in „Der Fall des Robert K.“ der unternehmer robert Keller feiert gerne Feste und sich selbst. Jedes Jahr laden er und seine Gattin Jasmin seinen Bruder max und dessen Frau sandra für ein langes wow chenende ein. der dritte Bruder, michael, ist nie eingeladen. er will auch nicht kommen. dass michael in diesem Jahr entgegen allen erwartungen plötzlich doch auftaucht, damit hätte robert nicht gerechnet. Als auch noch vera v auftaucht und behauptet, sie würde dazugehören, obwohl sie niemand kennt, beginnt die Fassade von roberts welt w zu bröckeln.
Reto Finger: Ja. das wird vom umfeld gefürchtet. Was wünscht ihr euch als Autoren vom Theater?
DEr fall f DEs roBErt k. von Reto Finger
Regie: Anselm Weber Reto Finger geboren 1972 in Bern, aufgewachsen im Emmental, ist ursprünglich Jurist. Heute arbeitet er am Bezirksgericht Zürich, schreibt Theaterstücke und inszeniert. Für „Kaltes Land“ erhielt er 2005 den Kleist-Förderpreis für junge Dramatik. Als Hausautor am Nationaltheater Mannheim entwickelte er die Reihe „Fingers Freunde“, die er auch am Schauspielhaus Zürich fortführte. Am Schauspiel Essen wurde sein Stück „Einer wie ich würde mich vom Springen auch nicht abhalten“ (2007) uraufgeführt, am Schauspielhaus Zürich „Vorstellungen und Instinkte“ (2009).
oder Autorenhaustier t texte abliefere. Dirk Laucke: Ich finde es spannend, ob ich in so einer stadt wie Bochum einen Blick finden kann, der angemessen ist. Im moment denke ich, dass das ruhrgebiet dem osten gar nicht so fern ist. und ich möchte herausfinden, ob das stimmt.
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Karsten Riedel & Christoph Frick — PHANTOMschmerz
PHANTOMSCHMERZ TExt: Sabine Reich FOtos: Lars hillen
Die meisten denken, Romantik sei dann vonNöten, wenn eine Frau verführt oder eine Ehe gerettet werden muss. Das ist falsch. Was stimmt, ist, dass Romantik immer dann zum Einsatz kommt, wenn es ungemütlich wird. Die Welt wird kalt und wir sitzen am künstlichen Kamin. Wir sind Romantiker, seit über hundert Jahren. Zeit, nicht länger den Mond anzuheulen und sich endlich mal was Neues auszudenken.
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Karsten Riedel & Christoph Frick — PHANTOMschmerz
sie prophezeit den drohenden Niedergang und Untergang, wenn Veränderungsprozesse erlitten und eingeschrieben werden in Menschen und Ordnungen. Beide Perspektiven kennzeichnen das moderne europäische Denken bis heute. Geschwindigkeit und Veränderung sind Leistungen, auf die Europa stolz ist: es geht voran. Technologie, Forschung, Ökonomie, perfekt verzahnt und immer in Bewegung. Wir glauben an den stetigen Wandel, an Fortschritt, Wachstum, Expansion und Innovation. Aus dem Selbstverständnis, stetiger Motor des Wandels zu sein, bezieht Europa im Kern seinen Stolz und seine hegemoniale Vormachtstellung in der Welt. Wir waren eben immer ein bisschen schneller als die anderen.
Der Herbstwind schüttelt die Linde, Wie geht die Welt so geschwinde! (Joseph von Eichendorff, Zum Abschied)
Wir sind so tief betrübt, wenn wir auch scherzen; Die Menschen tosen unten, gehen und reisen, Die Welt zieht still und streng in ihren Gleisen, Ein feuchter Wind verlöscht die lustgen Kerzen. (Joseph von Eichendorff, Sonett)
Welt ändert sich ständig und manchmal gibt es D ieMomente, in denen sie besonders schnell zu gehen
Karsten Riedel (vorherige Seite) ist Punk und Romantiker und einer der besten Musiker Bochums. Er trifft auf den Regisseur Christoph Frick (links).
scheint. Dann meinen wir zu sehen, wie sie rast und sich verändert so geschwinde. Es gibt Menschen, die glauben, jedes Mal wenn Steve Jobs mit einem Gerät in der Hand auf einem Bildschirm erscheint, verändere sich die Welt. Andere glauben, die Welt verändere sich, wenn junge Männer ohne Jacken Computer auf die Straße tragen und keine Arbeit mehr haben. Am 11. September 2001 haben wir endlos gedehnte lange Sekunden auf das Flugzeug gestarrt, das auf das Haus zuraste. Wir haben zugesehen, wie die Welt sich veränderte, geschwinde. Dass die Welt sich ändert, behaupten und befürchten wir nicht erst seit der letzten, aktuellen Krise. Wir hoffen auf die Erfolge der Wissenschaft, Forschung und Technologie, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Gesellschaften industrialisieren und modernisieren, doch ebenso lange kursieren katastrophische Szenarien. Die Zukunft Europas sah immer schon finster aus und das Abendland geht unter, nicht erst, seitdem Klimawandel und Globalisierung debattiert werden. Die stetige, immer rasanter werdende Veränderung der Welt ist einer der fundamentalen Glaubenssätze des modernen Europas. Es ist die tiefe Überzeugung der Moderne selber, die an Veränderung glaubt und sich niemals entscheiden kann, ob sie sie ersehnt oder fürchtet. In dieser Ambivalenz liegt ein Kern der Moderne: sie begrüßt die Veränderung der Welt als Triumph, wenn sie sich selber als Agent und Motor der Veränderung beschreibt, doch 79
wird die Moderne als tief greifende ErG leichzeitig fahrung von Verlusten beschrieben: der Verlust von Autonomie und Selbstbestimmung scheint massiv, Menschen und ganze Gesellschaften wirken maschinell und kalt. Weil nicht das Schöne und Gute, nicht Empfindungen zählen, sondern die Ware, die Effektivität und die Leistung. Weil wir zuviel verloren haben: die Natur, das Authentische, das Echte und Unmittelbare, die Moral und den Glauben. Weil wir den Boden unter den Füßen verlieren und wir uns viel zu schnell drehen. Auch gerade jetzt im Moment schauen wir zurück und konstatieren Verluste und Krisen in allen Bereichen: nie schien die Welt so dem Untergang geweiht, nie so krisengeschüttelt und finster. Wir bedauern den Verlust sozialer Sicherheit und familiärer Bindung, ökonomischer und politischer Verbindlichkeit. Aber daran sollten wir uns gewöhnt haben. Das ist nichts Neues. Es sind die alten Fragen und die alten Bilder, die uns leiten. Wir sind optimistische Führungspersönlichkeiten und hoffnungslose Melancholiker in einem Atemzug, selbstbewusste Macher und Romantiker. Doch wir trauern seit vielen Jahren um Verluste, an die wir uns nicht erinnern können. Phantomschmerzen.
Karsten Riedel & Christoph Frick — PHANTOMschmerz
Wir wollen stille sitzen und nicht weinen (Joseph von Eichendorff, Sonett)
I
t‘s the end of the world as we know it“ – davon sind wir seit dem Fin de Siècle, dem ausgehenden 19. Jahrhundert überzeugt. Seitdem herrscht Weltschmerz. Jede aufbegehrende Generation der immer neuen Modernen findet einen Grund zu trauern. Wir gehen unter, seit mehr als hundert Jahren. Dabei halten wir uns wie Ertrinkende fest an Konzepten, die die Realität weder damals noch heute adäquat beschreiben, sondern ästhetisch verklären. „Modernität“, das war kein Begriff der Ingenieure oder Wissenschaftler, die im 19. Jahrhundert Fabriken und Dampfmaschinen bauten. „Moderne“, das ist ein Begriff aus der Poetik, der die neue Literatur des Sturm und Drang und der Romantik von den Vorbildern der Antike emanzipierte. Die poetische Moderne war ein ästhetisches Konzept als Gegenentwurf zu einer rasenden Welt. Sie hat den Stillstand ausgerufen. Sie erfand Begriffe und Konzepte, die anriefen und beschworen, was verloren war oder niemals existiert hatte. Es stimmte damals so wenig wie heute. Es ging um „Nation“, als der Imperialismus erstarkte, Europa seine Grenzen ausweitete und die Gesellschaften zum ersten Mal Globalisierung erfuhren. „Heimat“ wurde im Moment der Heimatlosigkeit und in einer der „migrationsintensivsten Perioden der neueren Geschichte“ (Jürgen Osterhammel) zum zentralen Begriff und nichts konnte so sehnsuchtsvoll „das abwesende Ganze, die verlorene Kindheit des Menschen“ (Hans Robert Jauß) in einem Wort anrufen wie die „Natur“. Wir verbinden die Romantik mit schönen Gedichten über die Natur. In dieser deutschen Dichtung, die die Landschaft und den Wald besingt, glauben wir, Naturverbundenheit zu finden, die „wir Modernen“ heute schmerzlich vermissen. Dabei wird übersehen, dass diese deutsche Dichtung auch damals schon Verluste beklagte und ferne Idyllen besang. Die gesellschaftlichen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts griffen massiv in den Umgang mit den natürlichen Ressourcen ein. Als die Kohle ans Licht gefördert wurde und eine ganze Industrie zum Kochen brachte, war Natur nichts mehr als Rohstoff und Material einer unablässig wachsenden Industrie. In diesem Augenblick erkor die deutsche Empfindsamkeit die „Natur“ zum Labsal frierender Seelen, die an den Kältewellen der Industrialisierung und Modernisierung litten. Wie vor einem schönen Bild stehen wir bewundernd davor, allein und frierend. „Deswegen ist das Gefühl, womit wir an der Natur hangen, dem Gefühle so nahe verwandt, womit wir das entflohene Alter der Kindheit und der kindlichen Unschuld beklagen“, schrieb Schiller 1795. Die Blümchenmuster auf den Sitzkissen wärmten innen, als die Welt draußen ungemütlich und kalt wurde. 80
In einem kühlen Grunde, Da geht ein Mühlenrad, (...) Hör ich das Mühlrad gehen, Ich weiSS nicht, was ich will, Ich möcht’ am liebsten sterben, Da wär’s auf einmal still. (Joseph von Eichendorff, Lied)
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wischen Idylle und Nostalgie, Vision und Verlust bewegt sich die romantische Literatur und sie ist damit die erste moderne Literatur. Alle Spannungen und Widersprüche der Moderne finden sich in den Texten der Romantiker. Sie waren die, die genau hinsahen, als die Welt, die sie kannten, unterging. Nichts ohne Verfallsdatum, alles relativ: Wer heute modern ist, ist morgen schon passé. Nichts ist so alt wie das Kleid aus der letzten Saison, nichts so schal wie die Trends von Gestern. Plötzlich und blitzartig wechseln die Moden, Diskurse und Formen. Es ist diese spezifische Erfahrung von Zeitlichkeit, die sich über das Denken legt, die den Kern der Moderne ausmacht. Von nun an ist alles im Fluss: Geschichte und Moral, Kunst und Mensch, alles ist veränderlich und wandelbar, alles der Zeit unterworfen. Es ist immer schon vorbei und wir stehen immer schon auf schwankendem Boden. Doch aus genau dieser Spannung bezieht das moderne Denken seine Kraft und Dynamik. Genau deshalb beschreiben sich moderne Gesellschaften als offene und dynamische Gesellschaften, die Mobilität und Vielfalt positiv beschreiben. Genau deshalb verstehen wir Identität als einen vielschichtigen Prozess. Rollen und Biografien sind in Bewegung. Kultur und Heimat bestimmen sich nicht durch Herkunft, sondern entstehen aus dem faktischen Lebensentwurf eines jeden. Aus dieser Spannung heraus bilden sich eine Ambivalenz und ein Begriff von Freiheit, die es beide auszuhalten gilt. Das tut manchmal weh. Wie schön es ist, zu leiden, sehen wir bei Eichendorff. Und manchmal ist es wichtig, zu leiden und sich über Verluste zu verständigen. Um uns daran zu erinnern, brauchen wir die ersten Modernen und ihre Literatur. Aber es ist Zeit, den Weltschmerz des 19. Jahrhunderts zu überwinden. Wir leiden immer noch am selben Phantomschmerz und weigern uns einzugestehen, dass sich die Amputation vor mehr als hundert Jahren ereignete. Aber die Welt geht so geschwinde. Sie ändert sich immer.
kARSTEN RiEDEl & CHRiSTOPH FRiCk Karsten Riedel wurde 1970 in Wattenscheid geboren. Der Multiinstrumentalist Riedel, der in seiner Freizeit gerne Laminat verlegt und Schwarzbier mag, ist seit 1989 selbstständiger Musiker, Komponist und Produzent. Er war an Hörspielproduktionen für den WDR beteiligt, arbeitete für diverse Kinofilme und war und ist mit zahlreichen Bands im In- und Ausland unterwegs. Bekannt wurde er vor allem als Frontmann der legendären Bochumer Ska-Punk-Truppe „Alpha Boy School“. Der ehemalige Intendant des Schauspielhauses Matthias Hartmann holte ihn als Musiker und Komponisten ans Bochumer Theater. Es war Riedels erster Kontakt als Musiker mit der Theaterbühne. Es entstanden Soundtracks für Produktionen wie „1979“, „Einordnen, Ausflug, Land der Toten“, „Der Hauptmann von Köpenick“ oder „Ivanow“. In Essen lernte Karsten Riedel dann David Bösch kennen, der gerade von der Regieschule in Zürich kam. Zwischen Riedel und dem jungen Regisseur entstand eine intensive Arbeitsbeziehung. Außer in Essen arbeiteten sie am Thalia Theater Hamburg, am Deutschen Theater Berlin, am Schauspielhaus Zürich und am Wiener Burgtheater zusammen. Riedel, der weiterhin in Bochum lebt, arbeitet heute hauptsächlich im Theater mit den Regisseuren Matthias Hartmann, Roland Spohr, Niklas Helbling und eben David Bösch. Daneben entwickelte er auch verschiedene musikalische Programme mit Mitgliedern des Bochumer Ensembles. In „Oft ist die Natur nicht einmal schön“ trifft Karsten Riedel zum ersten Mal auf den in der Schweiz lebenden Regisseur Christoph Frick. Der wurde 1960 geboren und lebt seit vielen Jahren in Basel. Frick braucht keine Stücke, um Theater zu machen: eine gute Idee, ein Text oder ein Musikstück reichen ihm, um außergewöhnliche Theaterabende zu entwickeln. In Basel gründete er 1991 das Theater KLARA, eine freie Theatertruppe, mit der er kontinuierlich Stücke entwickelte, die in der Schweiz und im Ausland zu sehen waren und sind. So spielten sie unter anderem beim Theaterspektakel Zürich, am Kunstencentrum Vooruit Gent und beim Steirischen Herbst Graz. In Luzern arbeitete Frick 1999 erstmals an einem Stadttheater. In den folgenden Jahren entstanden außerdem Produktionen am Schauspiel Hannover und am Schauspiel Köln, später am Theater Freiburg und an den Münchner Kammerspielen. Frick inszenierte dort Stücke des klassischen Dramenrepertoires wie „Wilhelm Tell“ und „Peer Gynt“ in Luzern, „Nathan der Weise“ und „Die Räuber“ in Hannover, „Die Nibelungen“ in Freiburg oder Camus’ „Belagerungszustand“ in München. Seit kurzem beschäftigt sich Christoph Frick wieder mit Projekt-Theaterformen im Stadttheater, arbeitet mit Musikern, Tänzern und nichtprofessionellen Darstellern. Jetzt entwickelt er einen Abend nach zentralen Motiven der Romantik, für den Karsten Riedel die Musik schreibt. Es ist das erste Mal, dass Frick und Riedel zusammenarbeiten. Es entsteht aus Gedichten der Romantik, mit Reden von Kanzlern und Kommunalpolitikern, mit Texten von Philosophen und Pop-Poeten ein romantisch-musikalischer Abend.
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Oft ist die Natur Nicht eiNmal schöN Ein romantisches Requiem von Christoph Frick und Karsten Riedel
premiere am 3. dezember 2010 in den Kammerspielen Wenn wir an die Schönheit der natur denken, blüht sie immer, immer scheint in ihr die Sonne, immer ist es eine sternenklare Vollmondnacht, die den blick auf das Meer und die imposanten berge frei gibt. Wir wollen eine Urlaubskatalog-natur, ein Schöner-Wohnen-paradies, ein dreiWetter-Taft-Klima, das unsere gestressten Seelen streichelt, uns das herz erwärmt und der Frisur nichts anhaben kann. Sicher soll uns die natur auch Ehrfurcht lehren, aber bitte ohne uns wirklich nah zu kommen. natur, die sticht, kratzt und juckt, natur, die unsere Keller überschwemmt und den dreck in die augen bläst, stört. Wir sind gegen TsunamiWellen, gegen Wirbelstürme, gegen dauerregen, Erdrutsche, Lawinenabgänge und Gletscherschmelze. Wir wissen, dass die Klimakatastrophe auf uns lauert und können doch nichts anderes, als kleine Schritte tun. „Was sind schon zwei Grad mehr?“, denken wir und sitzen in perfekter Outdoor-ausrüstung vor einem Lagerfeuer auf dem dafür ausgezeichneten Rastplatz, essen einen bio-apfel, ignorieren den duft der Mückenschutzcreme in unserem Gesicht und stimmen ein schönes Lied aus alten Tagen an. Vielleicht eines von Eichendorff. Er und die anderen Romantiker betrauerten lange vor uns in ihren Gedichten und Liedern die Verwandlung der Welt. Viele folgten ihnen nach: Sid Vicious, Morrisey von The Smiths, The cure – allesamt Romantiker pur. bob dylans balladen einer vergangenen zeit. Rio Reiser, ein deutscher Romantiker. nick cave, sowieso. Rock pop punk – eine einzige romantische bewegung: zwischen Wut und Weinerlichkeit, Mut und Melancholie, Weltschmerz und Wahnsinn bewegen sich die immer neuen Wilden. das hat mit Joseph von Eichendorff begonnen und wo es endet, das wissen wir nicht. Vielleicht bei Karsten Riedel. zusammen mit dem Regisseur christoph Frick entsteht dieser abend über ein romantisches bild der natur im zwielicht des Klimawandels.
Regie: Christoph Frick Musik: Karsten Riedel Bühne: Thomas Dreißigacker Dramaturgie: Olaf Kröck, Sabine Reich
MEPHIST
TANBUL
Mahir Günsiray — Mephistanbul
Goethe war nie in Istanbul, der Heimat von Mahir Günsiray. Der Faust-regisseur im Gespräch über das Leben am Bosporus, die Einsamkeit eines Pinguins und Picknick in Europa.
INTERVIEW: Thomas Laue und Sabine Reich Fotos: Ugur Taskin
Wie lebt es sich in Istanbul? Schwer und gleichzeitig voller Genuss. Das Leben dort ist einerseits prall und voller Energie, Spannung und Gewalt; eine Art Karneval, den man tagtäglich erlebt. Das gibt einen enormen Schub für alles, vor allem für die künstlerische Arbeit. Andererseits vermisse ich manchmal die Ruhe europäischer Länder wie Deutschland. Es ist in Istanbul kaum möglich, mal allein zu sein und sich selbst zur Rechenschaft zu ziehen. Was ist das für eine Gewalt? Die Türkei ist ökonomisch an Europa und Amerika gebunden und die Menschen sind gezwungen, wie Rennpferde ihrem Leben hinterher zu jagen. Es ist ein Leben, das zwischen Geldverdienen und Faulheit pendelt. So lange du Geld verdienst, existierst du durch das, was du besitzt. Wenn nicht, existierst du überhaupt nicht. Wenn ein Mensch dann wahrgenommen werden will, muss er entweder zum Theater gehen – was nicht allzu verbreitet ist – oder auf die Bosporusbrücke oder das Dach eines Hauses steigen und drohen, sich mit einer Axt die Hand abzuhacken. Bei den großen Einkommensunterschieden und den Lücken in den sozialen und kulturellen Lebensbereichen ist es eigentlich erstaunlich, dass das Leben überhaupt funktioniert und es nicht noch mehr Gewalt gibt. Gleichzeitig ist Istanbul aber nicht die Türkei. Worin bestehen die Unterschiede? Es gibt nicht überall in der Türkei den gleichen Lebenskampf, das gleiche Streben, das Rennen um die Zeit, die gleichen Konflikte. Es gibt unterschiedliche Kulturen, Menschen, Sprachen, Lebensweisen, sehr unterschiedliche religiöse, moralische und philosophische Ansichten. Das heißt, eine Mischung, die eine große Metropole ausmacht. Ja, Istanbul ist eine Metropole, aber 85
man kann Istanbul nicht stellvertretend für die ganze Türkei sehen. Allein optisch und geografisch ist es ein Unterschied, ob man die rötliche Erde, die Berge und die trockene Kälte im Südosten betrachtet oder das Gewirr der Gebäude in Istanbul. An vielen Orten der Türkei bauen Arme ihre Häuser mit wenig Geld selbst. Aber weil man sogar das in Istanbul schnell machen muss, nennt man sie hier „gece kondu“, was so viel bedeutet wie „über Nacht gelandet“. Welche Rolle spielt dabei Religion? Wir befinden uns in einer Zeit, in der offen diskutiert wird, was Menschen überhaupt unter Religion verstehen. Soll Religion das Leben bestimmen oder nicht? Soll sie sich in das Leben einmischen oder soll man sie im Privaten ausleben? Wie weit soll man die Religion praktisch umsetzen oder nicht umsetzen? Man sieht jetzt in Istanbul viele Frauen mit Kopftuch. Es heißt, die Kopftuchdebatte sei schärfer geworden, dabei ist sie eigentlich nur ins Tageslicht gerückt. Das Thema gab es schon immer. Weil Frauen aus einer religiösen Schicht früher ihr Kopftuch nicht tragen durften – sei es aus persönlichen, moralischen oder aus familiären Gründen – konnten sie nicht in die Gesellschaft. Jetzt, wo das Thema so im Zentrum steht, sieht man auch überall Kopftücher. Sicher hat das aber auch dazu geführt, dass manche, die kein Kopftuch getragen haben, jetzt von den Ehemännern dazu aufgefordert werden. Ein anderes Beispiel ist Ramadan. Ich bin Atheist und deshalb hat Ramadan für mich eigentlich keine Bedeutung. Aber es war mir früher unangenehm, tagsüber mit einem Sesamring in der Hand durch die Stadt zu laufen, weil es eine gewisse Spannung gab und die Menschen gezeigt haben, dass es sie stört. Es wäre falsch zu sagen, dass diese Situation komplett aufgehoben ist, aber sie hat sich in vielen Gegenden von Istanbul aufgelockert. Abgesehen davon, dass die derzeitige Regierungspartei AKP konservativ, rechtsorientiert, liberal und islamisch ist, kann man sehen, dass sie gleichzeitig viel offener ist als viele Sozialdemokraten und Sozialis-
Mahir Günsiray — Mephistanbul
ten. Wobei zu befürchten ist, dass das nicht immer so bleiben wird. Wenn nur ihre Vorstellung vom Islam das Leben bestimmt, dann wird es nicht so bleiben können. Ist das nicht ein Widerspruch? Die Religion bestimmt viel stärker als früher das Straßenbild, aber gleichzeitig gibt es einen größeren Liberalismus? Die AKP gibt sich momentan äußerst demokratisch, offen, progressiv. Sie verkündet, dass sie Meinungen, Glauben und Sprachen der anderen respektiert. Und sie hat in der türkischen Geschichte mit der größten und mutigsten Arbeit angefangen: Um das Kurdenproblem zu lösen, hat sie viele Türen geöffnet. Noch hat sich nicht viel verändert, aber es kann sich weiterentwickeln, wenn es zugelassen wird. Auch das Thema der Armenier wurde bis heute nie ernsthaft behandelt. Ich denke nicht, dass sie all das nur machen, um in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Sie verfolgen viel größere Projekte: von all diesen politischen Themen weg zu kommen, um dann immer reicher und mächtiger zu werden. Davor habe ich am meisten Angst. Was genau macht dir dabei Angst? Wenn sie diese Macht erhalten, fürchte ich mich vor den Dingen, die die Menschen, die sich mit Politik befassen, dann tun würden. Welche? Zum Beispiel könnten sie denken, dass Demokratie die Kraft der Mehrheit ist. Also hast du Angst vor der Herrschaft der Mehrheit? Ich habe Angst vor einer politischen Gruppierung, die Macht in der Hand hält und wächst. Und das als Waffe nutzt. Wenn man Macht bekommen hat, möchte man diese Macht auch behalten und erweitern. Wie geht ein Theater mit so viel Spannung und Widersprüchen um? Seit die Türkei im 20. Jahrhundert moderner und westlicher geworden ist, ahmt das türkische Theater das westliche Theater nach. Durch
Stand-ups oder Boulevardtheater wird es im Stadt- und Staatstheater, aber auch in privaten Theaterhäusern so gemacht. Aus einer gewissen Sicht passt das Theater eigentlich nicht zu unserem Leben. Inwiefern? Die Türkei ist mit keinem anderen europäischen Land vergleichbar. Wir sind in Bildungs-, Gesundheits- und Kulturangelegenheiten immer noch sehr rückständig. Für uns Türken sind die sogenannten Köy-Oyunlari, die traditionellen Dorfstücke oder Geschichten, die in Cafés erzählt werden, viel unterhaltsamer. Man sitzt um den Tisch herum, es wird gegessen, getrunken, gesungen, dann nimmt jemand die Saz von der Wand und spielt, man erzählt sich Witze. Das ist unsere Unterhaltung. Wie
„Soll Religion das Leben bestimmen oder nicht? Soll sie sich in das Leben einmischen oder soll man sie im Privaten ausleben?“
soll das Theater sich da zurechtfinden? Welche Art von Theater kann es mit diesen Menschen machen? Es kommt deshalb darauf an, was wir unter Theater verstehen. Solange wir das tote, langweilige Theater, das wir vom Westen kopieren, fortführen, können wir nicht gewinnen: Vorne brennt das Licht, eine Tür, ein Fenster, es wird Leben gezeigt. Du sitzt da und schaust es dir an. Du siehst Menschen, die sich streiten, die sich lieben. Egal, wie gut es ist, es kann in keiner Weise besser und attraktiver sein, als eine Serie, die man sich zu Hause im Pyjama auf der Couch im Fernsehen anschaut. Und in allen Dörfern der Türkei gibt es zwei Fernseher pro Haushalt und drei Satellitenschüsseln. Was verleiht dem Theater Bedeutung? Man muss einen eigenen Weg finden. Mit unserem Tiyatro Oyun Evi spielen wir, seit es uns gibt, nicht nur an einem Ort, sondern gehen 86
auf Tournee. Manchmal müssen wir große Kompromisse eingehen, auf den Großteil unserer Dekoration oder auch auf das gesamte Bühnenbild verzichten. Wir haben auf Straßen gespielt. Wir haben uns nicht nach den Erwartungen der Zuschauer gerichtet. Wir haben Genets „Die Zofen“ in einer Stadt wie Diyarbakir gespielt, oder auch Kafka am gleichen Ort. In Hakkari haben wir in einem Kino gespielt. Wir haben niemals darüber nachgedacht, dass die Menschen vielleicht nichts von Genet verstehen. Aber im Gegenteil: Als wir in Mersin „Die Zofen“ gespielt haben, hat ein 14-jähriger kleiner kurdischer Junge das Stück verstanden, der nicht zur Schule gegangen ist. In Istanbul hat es sich ein Dramaturg angeschaut und es nicht verstanden. Aber in Mersin kam der Junge zu mir und meinte „Hey, ihr spielt großartig! Eure Performance ist toll.“ Ich habe ihn gefragt, was er verstanden hat. Er antwortete: „Du und der andere schmieden Pläne die Frau umzubringen, aber sobald sie kommt, könnt ihr nichts unternehmen. Wenn sie weg ist, steht ihr nur so da.“ Mich hat überrascht, dass es in einer Stadt wie Istanbul, in der über 15 Millionen Menschen leben, eigentlich keine Räume für größere Theaterproduktionen gibt. Wie kommt das? Ich weiß nicht, wie viele von diesen 15 Millionen Menschen wirklich leben. Je nachdem was wir unter „leben“ verstehen! Das musst du genauer erklären. Während ein Haushalt von 5000 Euro lebt, muss eine Großfamilie direkt auf der anderen Straßenseite von nur 100 Euro leben. Wie sollen wir jetzt berechnen, wie viele Millionen Menschen „leben“? Früher hatten wir unser Theater im Osten von Tarlabasi, dem Vergnügungsviertel von Istanbul. Uns hat nur eine Straße vom Stadtteil Beyoglu getrennt. Dort waren Kurden, Armenier, Nigerianer, Prostituierte, Transvestiten – und wir. Damals hat Claude Leon, unsere Bühnenbildnerin, umsonst wöchentliche Workshops für Kinder angeboten. Die Kinder, die mit
Mahir Günsiray — Mephistanbul
normalen Schuhen gekommen sind, konnten sich glücklich schätzen, denn die meisten kamen bei Schnee in Plastiklatschen ohne Socken. ie geht eine Gesellschaft mit solchen W Unterschieden um? Wie schon gesagt, es ist ein Wunder, wie das funktionieren kann. Vielleicht gibt es immer noch Werte, auf die man hinarbeiten und aus denen man etwas lernen kann. Gibt es Werte, die alle verbinden? Die gibt es, aber das ist ein gefährlicher Punkt. Es gab eine ähnliche Situation in Jugoslawien, die wir Pulverfass nennen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass auch die Türkei auf einem Pulverfass sitzt. Eine Kleinigkeit könnte jeden Augenblick eine Explosion verursachen. Die Werte, die aus dem traditionellen Bereich kommen, sind zwar einerseits gut, können aber auch zugunsten von Faschismus oder auch Nationalismus ausgenutzt werden. Und der Mann in der Türkei braucht Liebe. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Familie. Er wächst ohne Geld, mit Gewalt und Druck auf. Einerseits herrscht Druck von der Mutter, andererseits vom Vater. „Der Mann braucht Liebe“ – Welche Rolle spielt Männlichkeit überhaupt in der türkischen Gesellschaft? Der Mann in der Türkei verfügt über mehr Rechte als die Frau. Es ist sehr einfach und durchaus möglich, dem mit einem modernen feministischen Ansatz zu begegnen, aber das löst die Sache nicht. Es isoliert den Mann noch mehr. Halten wir also fest: Der Mann hat mehr Rechte, aber es scheint ihn nicht glücklich zu machen. Was verhindert denn, dass er Liebe bekommt? Er weiß nicht, was Liebe ist. Frauen wissen viel besser, was Liebe und Emotionen sind. Der Mann wächst damit auf, beides zu unterdrücken. Aber gleichzeitig sucht er danach? Natürlich. Er sucht sie, kennt sie aber nicht. (lacht) Aber ich dachte, wir reden darüber, wie ich früher am Set die Mädels geküsst habe.
Wie war das, als du am Set die Mädels geküsst hast? Mit sechs Jahren habe ich meinen ersten Film gedreht. Ich habe versucht alle Frauen am Set zu küssen. Daraufhin hat mir mein Vater verboten Filme zu drehen. Dein Vater ist ein sehr bekannter Filmschauspieler gewesen. Wie hat das deine Arbeit beeinflusst? Bis ich sieben oder acht Jahre alt war, gab es eine Zeit, in der mein Vater ein großer Star war. Eines Tages hat ein wichtiger Schauspieler, der ein sehr guter Freund meines Vaters war, Selbstmord begangen. Die Produzenten haben ihm sein Geld nicht gegeben und deshalb geriet er in eine schlimme Phase und nahm sich das Leben. Daraufhin hat mein Vater eine Pressekonferenz veranstaltet und das Kino komplett aufgegeben. Obwohl er einer der Großverdiener des türkischen Kinos war, hatte er
„meinen ersten Bühnenauftritt hatte ich in einer gelben Leggings im Garten des Archäologischen Museums.“
plötzlich nichts mehr in der Hand. Er hat immer sehr spendabel gelebt. Ich selbst bin bei meiner Oma unter wirtschaftlich eingeschränkten Verhältnissen aufgewachsen. Es kann sein, dass die Einsamkeit in meiner Kindheit mich dazu verleitet hat, Schauspieler zu werden. Obwohl ich ein gesundes und temperamentvolles Kind war, hatte ich die Einsamkeit eines Pinguins in mir. Die Stücke, die ich in meinem Zimmer allein gespielt habe, waren wohl der Ursprung. Und wie bist du zum Film gekommen? Hat dich dein Vater mitgebracht? Oder hast du das gegen den Willen deines Vaters getan? Mit sechs Jahren ist es natürlich durch meinen Vater passiert. Aber ich bin mit 17 von zu Hause ausgezogen. Ich habe als DJ gearbeitet, als Bagboy in der Kleidungsbranche, habe eine Ausbildung zum Hotelfachmann 89
absolviert und Lexika vermarktet. Eines Nachts kam ein Mann in die Bar, in der ich als DJ aufgelegt habe. Er fragte, ob wir mal sprechen könnten. „Sie sind doch der Sohn von Orhan Günsiray, wir würden gerne einen Film mit Ihnen drehen“, sagte er. Am nächsten Tag war ich in der Produktionsfirma und habe meinen zweiten Film gedreht. Danach habe ich gedacht, dass ich Schauspiel lernen muss. Bevor ich aufs Konservatorium gegangen bin, habe ich mit Ballett angefangen und gemodelt. Ich stand für eine berühmte Marke auf dem Laufsteg und meinen ersten Bühnenauftritt hatte ich in einer gelben Leggings mit Frauen im Arm im Garten des Archäologischen Museums. Bist du Schauspieler geworden, obwohl dein Vater so berühmt war, oder weil dein Vater so berühmt und selbst ein erfolgreicher Schauspieler war? Wenn ich Schauspieler werde, kann ich die Mädels besser erobern, habe ich mir gedacht. (lacht) Wie blickt man von Istanbul aus auf Europa? Fühlt man sich dort Europa zugehörig? Es gab in der Türkei immer ein gewisses Interesse und Fortschritte bezogen auf Europa. Das geht bis zurück ins Osmanische Reich. Die Türken sind sowieso nie zur Ruhe gekommen, sie wollten immer überall hin. Wenn Europa heute die Türen öffnen würde, dann würden aus der Türkei alle mit Sack und Pack auf den Autos nach Europa fahren. Aus reiner Neugier. Auch ich würde garantiert kommen, um an einer Autobahn zu picknicken. Glaubst du also, dass es so kommen wird, sobald die Türkei zu Europa gehört? Dass es eine Wanderung von der Türkei weg geben wird? Nein, denn bevor die Menschen in unserem Land nicht verschwinden, können wir nicht in die Europäische Union. So lange aber diese Menschen existieren, werden die Türen geschlossen bleiben. Was verbindest du mit Deutschland? Ich mag die Ruhe, die hier herrscht.
Manchmal kann es auch langweilig sein, dass alles so ordentlich ist. Aber andererseits bleibt auch viel Zeit übrig, um nachzudenken, weil du dich nicht permanent mit anderen Dingen beschäftigen musst. In Istanbul hast du keine Zeit zum Nachdenken. Du musst ständig etwas machen und kämpfen. Wann kommt der Bus? Kommt der Bus oder nicht? In welche Straße muss ich abbiegen? Bekomme ich ein Taxi oder nicht? Wird es einen Umweg fahren? In welchem Supermarkt kann man olivenöl zu welchem Preis kaufen? In einem Geschäft kannst du Toast für 9 Lira kaufen, in dem Laden gegenüber bekommst du ihn für 1 Lira. Selbst in einem Supermarkt kann man nicht in ruhe einkaufen gehen. Mit dem ruhrgebiet verbinde ich aber auch die Zeit, in der ich als Schauspieler mit roberto ciulli zusammen gearbeitet habe und die mein Leben verändert hat. Denn ich habe gemerkt, dass alles, was ich bis dahin über Schauspielerei und Theater wusste, nur Müll war. Das war 1994 und wie ein naives Kind habe ich mich danach wieder mit Schauspiel und Theater auseinandergesetzt. Seitdem habe ich immer davon geträumt, eines Tages wieder am Theater an der ruhr als Schauspieler oder regisseur zu arbeiten. Dazu ist es nicht gekommen, aber dafür verwirkliche ich jetzt in demselben Gebiet einen ähnlichen Traum. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit deutschen Schauspielern am Schauspielhaus Bochum.
Und ich bin beides geworden. Soll man also besser auf seinen Vater hören? Nein. Ich bin sehr glücklich darüber, unglücklich zu sein. AUS DEM TürKIScHEN VoN SELEN KArA
mahir Günsiray wurde in Istanbul geboren. Er stammt aus einer bekannten türkischen Schauspielerfamilie. Nach seinem Abschluss an einer Schauspielschule in der Türkei machte er seinen Masterabschluss in Regie an der Universität Leeds, Großbritannien und studierte an der Fakultät für bildende Künste an der Mimar Sinan Universität Istanbul. Er lehrte Bewegung, Improvisation, Schauspiel und Regie an den Fakultäten für Theater und darstellende Künste an verschiedenen Universitäten. 1986 begann er als Schauspieler am türkischen Staatstheater zu arbeiten und gründete 1996 in Istanbul die freie Theatergruppe Tiyatro Oyunevi, mit der er als Regisseur zahlreiche Stücke und Romanbearbeitungen inszenierte, in denen er teilweise auch selber mitspielte. Darunter “Mann ist Mann” von Brecht, “Die Zofen” von Genet und “Don Quixote” von Cervantes. Seine letzte Produktion “Waiting...” entstand als Koproduktion mit dem internationalen Seas-Festival und wird in verschiedenen europäischen Hafenstädten gezeigt.
Was hat das für dich bedeutet, als dein Vater das Schauspiel aufgegeben hat? War das auch für dich ein entscheidender Schnitt im Leben? Ich habe erst viel später realisiert, dass er aufgehört hat. Aber er war von Anfang an dagegen, dass ich Schauspieler werde. Wir hatten schon immer ein sehr schlechtes Verhältnis zueinander. Als ich im Konservatorium angefangen habe, sollte er ein Formular für mich unterschreiben. Aber er hat es nicht getan und ich musste es mir von meinem opa unterschreiben lassen. Er sagte „Wenn du diese Schule besuchst, wirst du unglücklich und ein Kommunist!“ 90
Faust von Johann Wolfgang von Goethe Premiere am 4. Dezember 2010 im Schauspielhaus Seine Suche nach Glück und Erkenntnis hat ihn weltbekannt gemacht: Wie kaum eine andere Figur der Weltliteratur stellt Goethes Faust die großen letzten Fragen nach Gut und Böse, nach dem Wesen der religion, nach Wahrheit, Grund und Sinn des Menschseins und nach Liebe. Und weil ein Menschenleben allein nicht ausreicht, um all das zu ergründen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“, verbündet sich dieser Glückssucher mit dem Teufel selbst – und bleibt dabei doch nur ein rädchen im Spiel der Großen und Höchsten, und bei deren zynischer Wette Gegenstand und Einsatz zugleich. Mit seinem Faust entwirft Goethe aber auch die deutscheste aller literarischen Figuren, die tief in der deutschen Geistesgeschichte verwurzelt ist. Im ersten Teil seines Lebenswerkes schickt er Faust als den Prototyp des zweifelnden Intellektuellen auf die reise durch eine Welt der Verführung, immer auf der Suche nach dem einem, dem glücklichen Lebensmoment. Im späteren, zweiten Teil lässt er Faust dann selbst eine Welt erschaffen und daran scheitern, voller utopischer Hoffnung alle Gegensätze auszusöhnen und zu einem klassischen Lebensideal zusammenzuführen. Der Istanbuler regisseur Mahir Günsiray verbindet beide Teile und blickt vom südlichsten rand Europas auf den Goetheschen Kosmos und seinen Protagonisten. Nicht auszuschließen, dass sein Faust ganz andere Fragen hat oder andere Antworten auf die bekannten Fragen findet. oder einfach nur nach Süden wandert.
Regie: Mahir Günsiray Bühne: Claude Leon Kostüme: Meentje Nielsen Dramaturgie: Thomas Laue
Katharina Thalbach — Zeitreise
Zeitreise
Text: Sabine Reich Fotos: Leonie Droste und Stefania Tosi
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Katharina Thalbach — Zeitreise
Ein Spaziergang mit Katharina Thalbach durch Venedig, bei dem man sich zwar verlaufen kann, aber immer weiterkommt.
Ezio Toffolutti, geboren 1944 in Venedig, ist Bühnenbildner, Kostümbildner, Regisseur und Maler. 2 Ulrich Tukur, deutscher Schauspieler 3 Coline Serreau, französische Filmemacherin und Drehbuchautorin. Ihr Film „Drei Männer und ein Baby“ (1986) wurde ein internationaler Erfolg wie auch ihr Bühnenstück „Hase Hase“, das Benno Besson 1986 mit Katharina Thalbach in der Hauptrolle inszenierte. Sie arbeitete und lebte viele Jahre mit Benno Besson zusammen, mit dem sie drei Kinder hat. 4 Benno Besson, Schweizer Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter. Er ist der Vater von Katharina Thalbach, ihre Mutter war die Schauspielerin Sabine Thalbach. 5 Ostberlin, das Gebiet Berlins, das nach der Teilung der Stadt durch die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges 1945 den sowjetischen Sektor bildete. Faktisch Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 bis 1990. 1
„In Venedig fällt einem immer was ein“, sagt Katharina Thalbach, als sie mich für die Vorbereitungen zu ihrer Inszenierung des „Cyrano de Bergerac“ nach Venedig einlädt. Katharina Thalbach in Venedig? Berlin, das ist doch ihre Stadt. In Berlin ist sie geboren, in Berlin lebt sie. Mit fünfzehn steht sie das erste Mal auf der Bühne des Berliner Ensembles, ist dort Elevin und Schauspielerin, 1976 wechselt sie von Ost nach West, spielt und inszeniert auf den Bühnen der Stadt, spielt Brecht und Hauptmann. Sie dreht mit Schlöndorff „Die Blechtrommel“ und mit Haußmann „Sonnenallee“. Eine sehr deutsche Biografie, denkt man, und ein Stück deutscher Theatergeschichte. Doch ein Teil ihrer Geschichte findet seit Jahren in Venedig statt, der Rest in ganz Europa. „Einmal im Jahr bin ich hier in Venedig“, erzählt sie. „Früher war ich in Venedig, weil mein Vater hier lebte. Oft bin ich aber hier, um Ezio Toffolutti1 zu sehen. Ich kenne viele Leute, die hier leben: Meine Halbschwester lebt hier, Ulrich Tukur2 zum Beispiel, und dort ist das Haus von Coline Serreau3.“ Ihr Vater Benno Besson4 stammt aus der französischen Schweiz, kam aus Zürich nach Ostberlin5, um am Berliner Ensemble an der Seite von Brecht Theater zu machen. Er führte erfolgreich Regie, verließ jedoch nach Konflikten das Berliner Ensemble, wechselte ans Deutsche Theater und übernahm 1974 die Leitung der Volksbühne Berlin, die unter seiner Intendanz zur wichtigsten Bühne der DDR wurde. 1978 verließ er die DDR, ging nach Paris und inszenierte anschließend in ganz Europa. An seiner Seite
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arbeitete immer wieder der venezianische Kostüm- und Bühnenbildner Ezio Toffolutti. Auch ihn interessierte das politische Theater Brechts, dafür tauschte er 1971 das sonnige Venedig gegen Ostberlin. „Grau war es, sehr grau“, erinnert sich Ezio an seine ersten Jahre in Deutschland, „aber das Theater war sehr aufregend.“ Heute entstehen in seinem Atelier in Venedig die Bühne und Kostüme für „Cyrano de Bergerac“. Seit vie-
„Theater hat mit Vergnügen zu tun. Es ging um die groSSe Forderung, Theater für alle zu machen.“
len Jahren schon arbeitet Katharina Thalbach mit Ezio und beschreibt ihr Verhältnis als ein sehr besonderes. „Ezio und ich haben eine gemeinsame Sprache und natürlich eine gemeinsame Geschichte. Wir müssen uns nicht mehr erklären. Ezio hat die DDR kennen gelernt, besonders auch die Theaterwelt in der DDR, daher weiß er, was meine Wurzeln sind. In Venedig habe ich seine Wurzeln kennen gelernt. Inzwischen sind das unsere Wurzeln, weil ich seit 25 Jahren immer mit Venedig zu tun habe. Das ist eine Symbiose geworden.“ Sie erinnert sich an die erste Zeit, als Ezio nach Berlin kam und kaum ein Wort Deutsch konnte. Er begann als Hospitant und machte schnell Karriere. „Ich kenne Ezio, seit ich 17 Jahre alt bin. Todschick! Das war mein
Katharina Thalbach — Zeitreise
erster Eindruck, als Ezio damals nach Ostberlin kam. Er sah todschick aus. Das war die Zeit der taillierten Hemden damals. Für mich war Ezio, um es mal ganz ehrlich zu sagen, die große weite Welt. Ein Venezianer in Berlin – das kann man sich ja vorstellen, dass das einigermaßen Aufsehen erregte. Er konnte total anders Spagetti kochen. Die haben zum ersten Mal geschmeckt!“ Das alles erzählt sie auf dem Weg ins „Cinema Toffolutti“, der neuesten Erfindung von Ezio: ein altes, leer stehendes Kino dient ihm seit einem Jahr als Atelier und Ausstellungsraum. Einstmals befand sich in den Räumen ein Parteibüro der Kommunistischen Partei, danach eines der Faschisten, dann wurde es zu einem Kino, bevor es viele Jahre leer stand.
„Ein Venezianer in Ostberlin – das erregte einigermaSSen Aufsehen!“
Heute müssen wir ein Vaporetto „ nehmen, um ins Atelier zu kommen, aber früher hatte Ezio eine eigene Gondel, die er selber restaurierte. Damit ruderte er uns oft nach Giudecca6.“ Der Venezianer Toffolutti und der Schweizer Besson haben im Ostberlin der siebziger Jahre eine eigene Art von Theatersprache entwickelt, die ein Stück Commedia dell’Arte nach Preußen brachte. „Bennos Theaterverständnis war ein sehr ungewöhnliches, auch in der DDR. Aus der französischen Schweiz kommend,
war er mit einer ganz anderen Art von Theater groß geworden. Seine Lehrzeit begann in Paris, geprägt von Arbeiten wie ‚Kinder des Olymp’ 7. Mit den Leuten, die diesen Film machten, hat er gearbeitet. Diese Qualität schätzte auch Brecht sehr an Benno. Er war aber nicht nur der pedantische Brechtschüler, sondern bei ihm hatte Theater auch etwas mit Vergnügen zu tun. Das habe ich von Benno gelernt. Nie trockenes Lehrtheater. Ob das nun Brecht oder Shakespeare ist, egal. Es ging um die große Forderung, Theater für alle zu machen. Es war ja nun mal schwierig damals und man wollte ein politischer Spiegel sein. Von der Bühne wurde die öffentliche Meinung verkündet und vom Publikum verstanden. Es war eine ganz eigene Art von Volkstheater. Benno hat zum Beispiel diese Spektakel erfunden und in allen Räumen und Gängen Theater gespielt. Das war neu, als wir jung waren. Wir haben Stücke innerhalb von einer Woche auf die Bühne gebracht, von jungen Autoren, deren Texte wir so auf Brauchbarkeit überprüften. Das waren Autoren wie Thomas Brasch8, aber auch Heiner Müller9. Das Feuilleton war sowieso wurscht, was das Publikum dachte, das war viel interessanter. Diese Haltung hat uns geprägt. Benno hat sehr viele Leute zugelassen und gefördert, Künstler wie zum Beispiel Karge/ Langhoff10. Das hatte alles mit einer großen Großzügigkeit zu tun, aber vor allem mit einem Riesenspaß! Das haben wir sicher mitgenommen.“ Katharina Thalbach verließ, wie auch ihr Vater und viele andere, Ende der siebziger Jahre die DDR. Unter ih-
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Giudecca: Die langgestreckte, südlich von Venedig gelegene Insel befindet sich gegenüber dem „Zattere” und ist von Venedig durch den Canale della Giudecca getrennt. Die Giudecca ist heute überwiegend von Arbeitern und einfacheren Leuten bewohnt, erfreut sich mittlerweile aber wachsender Beliebtheit bei der internationalen Prominenz. 7 „Kinder des Olymp“, französischer Spielfilm, gedreht 1943 bis 1945 von Marcel Carné, Drehbuch Jacques Prévert. Der Film gilt als herausragendes Beispiel des poetischen Realismus in Frankreich. 8 Thomas Brasch, deutscher Schriftsteller, Dramatiker, Drehbuchautor, Regisseur und Lyriker. Er war 1976 Mitunterzeichner der Resolution gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann und verließ daraufhin zusammen mit Katharina Thalbach und ihrer Tochter Anna Thalbach die DDR. Er erhielt für seine Filme und Texte zahlreiche Auszeichnungen und Preise. Er starb 2001 in Berlin. Thomas Brasch war der Lebensgefährte von Katharina Thalbach. 9 Heiner Müller, deutscher Schriftsteller, 19291995, wichtiger Autor der DDR, schrieb Theaterstücke und führte selber Regie. 10 Matthias Langhoff und Manfred Karge, Theaterregisseure 6
Foto: Emanuel Hauptmann
Katharina Thalbach — Zeitreise
Christoph Waltz, österreichischer Schauspieler, der 2010 den Oscar für seine Rolle des Hans Landa in dem Film „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino erhielt. 12 „Macbeth“ von William Shakespeare, erste Regiearbeit von Katharina Thalbach 1987 in der Werkstattbühne des Berliner Schillertheaters. 11
nen auch die beiden Regisseure Matthias Langhoff und Manfred Karge, die in den frühen 1970ern bei Benno Besson an der Volksbühne inszenierten, wo sie mit Regisseuren und Autoren wie Fritz Marquardt, Heiner Müller und anderen namhaften DDR-Künstlern die berühmte Volksbühnenära nach 1945 prägten. 1977, nach dem Weggang des Intendanten Benno Besson, arbeiteten und lebten Karge/Langhoff im Westen. In Bochum, wo sie unter der Leitung von Claus Peymann regelmäßig inszenierten, brachten sie die Arbeiten von vielen Künstlern aus der DDR auf die Bühne und machten sie in Westdeutschland bekannt, so zum Beispiel Thomas Brasch mit seinem Stück „Lieber Georg ...“ (Uraufführung 1980) sowie Heiner Müller (1983, „Verkommenes Ufer ...“). Zusammen mit Thomas Brasch lebte Katharina Thalbach in Westberlin und verlor Ezio Toffolutti für einige Zeit aus den Augen. „Die nächste große Begegnung war dann wieder in Zürich, als Benno dort ‚Hamlet’ inszenierte, mit Christoph Waltz 11 als Hamlet und mir als Ophelia. Das war 1983. So kamen wieder die Tücher von Ezio auf die Bühne. Dann haben wir das erste Mal hier in Venedig zusammen gearbeitet, um ‚Macbeth’12 vorzubereiten. Das war meine erste Regiearbeit und ich brauchte jemanden, der mit einem kleinen Etat etwas Besonderes bauen konnte. Für mich kam nur Ezio in Frage. Als Venezianer arbeitet Ezio eigentlich immer mit Schiffsprinzipien. Er erklärte uns, dass die ersten Techniker im Barocktheater Matrosen gewesen waren. Die Theatermaschine mit ih-
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ren schnellen Wechseln ist gemacht wie ein Schiff mit vielen Segeln. So wie die Matrosen die Segel setzten mit Stoff und Seilen, so hat Ezio auf der Bühne Räume gewechselt und verändert. Mit ‚Macbeth’ wurden wir zu Gastspielen in ganz Europa eingeladen.“ Seitdem arbeitet Katharina Thalbach europaweit als Schauspielerin und Regisseurin: Sie steht auf der Bühne in Paris und Zürich, inszeniert „Die Fledermaus“ am Teatro Sao Carlos in Lissabon, spielt in internationalen Filmproduktionen, doch Venedig bleibt eine ganz wichtige Station. „Venedig ist die lebendigste Stadt der Welt. Du hast eine besondere Beziehung dort zu dem Raum, in dem du bist. In Venedig arbeitet man anders als in anderen
„Ich habe mich auf meiner ersten Reise nach Venedig wirklich gefürchtet vor der Stadt. Man fühlt sich hier wie in einem Zeittunnel, zurückversetzt in die Geschichte.“
Städten. Das liegt an vielen Dingen, aber auch an der Lagune. Es gibt keine Stadt auf der Welt, wo die Natur zweimal am Tag die Stadt verändert: es gibt hier Ebbe und Flut. Die Lagune ist lebendig. Auch die Häuser leben, sind ständig in Bewegung. Das Wasser wechselt durch das Salz die Farbe, das Licht und die Perspektive ändern sich. Diese Stadt ist gebaut
wie ein Organismus, ist ein lebendiger Körper und ein Labyrinth.“ Das stimmt – gerade jetzt haben wir uns verlaufen. Für 2,50 € kaufen wir einen Stadtplan, auf dem wir den Namen der Straße, in der wir Ezios Wohnung vermuten, nicht finden. Irgendwie in diese Richtung, hier kann kein Weg der falsche sein und wen interessiert schon das Ziel, wenn es an jeder Ecke Schönes aus allen Jahrhunderten, Zeiten und Epochen zu entdecken gibt. Sich verlaufen, komplett die Orientierung verlieren, auf schwankendem Boden stehen und dann doch weiterkommen, wohin auch immer, ist eine sehr typische Erfahrung in Venedig. Dass weiß auch Katharina Thalbach. „Meine erste Touristenreise ging nach Venedig und endete irgendwann nachts im Canale Grande. Das war eine sehr bedeutsame erste Reise, weil ich mich wirklich gefürchtet habe vor dieser Stadt. Man fühlt sich
Cyrano de Bergerac von Edmond Rostand Premiere am 29. Januar 2011 im Schauspielhaus
Katharina Thalbach
hier wie in einem Zeittunnel, wird zurückversetzt in die Geschichte. Damals war die Stadt noch viel ruhiger, es gab nur einen Maskenladen am Markusplatz. Wenn wir jetzt wieder ein Vaporetto nehmen und von Giudecca nach Venedig fahren, kommen wir direkt zu San Marco. Die Seufzerbrücke ist zur Zeit gar nicht mehr zu sehen, die ist eingemauert hinter riesigen Bulgari-Plakaten.“ Was kann schon ein Bulgari-Plakat der Schönheit Venedigs anhaben? Die alte Stadt zuckt die Achseln und lacht. Wir haben uns wunderbar verlaufen und Ezios Wohnung gefunden. Darin wartet auf uns das Modell für die Bühne von „Cyrano de Bergerac“. In wenigen Monaten schon beginnen die Proben. Der Schauspieler Armin Rohde wird als Cyrano seine eigene Reise antreten, nicht nach Venedig, aber zum Mond vielleicht. Venezianische Wechsel garantiert.
„Kathi ist die Bühne. Wenn sie auf der Bühne ist, passiert etwas“, sagt Ezio Toffolutti über Katharina Thalbach. Sie ist Schauspielerin, dreht Filme und steht auf der Bühne, ist aber auch seit vielen Jahren Theater- und Opernregisseurin. Im Westen wurde sie 1979 durch den Film „Die Blechtrommel“ von Volker Schlöndorff berühmt, in der DDR war sie schon lange ein Star. Sie wurde 1954 in Ostberlin geboren und ist die Tochter des Regisseurs Benno Besson und der Schauspielerin Sabine Thalbach. Sie war Elevin am Berliner Ensemble bei Helene Weigel und debütierte mit 15 Jahren als Hure Betty in „Die Dreigroschenoper“. Bis 1976 folgten weitere erfolgreiche Auftritte an den großen Ostberliner Bühnen und verschiedene Rollen in zehn DEFA-Filmen. Im Jahr 1976 siedelte Katharina Thalbach nach Westberlin über. Sie arbeitete weiterhin am Theater mit den Regisseuren Thomas Brasch, Jürgen Flimm, Benno Besson, Hans Neuenfels, Jérôme Savary und Leander Haußmann, mit dem sie 1999 den Film „Sonnenallee“ drehte. Ihr Debüt als Regisseurin gab sie 1987 mit Shakespeares „Macbeth“ in Berlin am Schillertheater, wo sie viele Jahre engagiert war. Zu ihren Inszenierungen gehörte auch „Der Hauptmann von Köpenick“ am Maxim Gorki Theater mit Harald Juhnke in der Hauptrolle. Ihre letzten Operninszenierungen waren 2008 „Rotter“ an der Oper Köln und 2009 „Der Barbier von Sevilla“ an der Deutschen Oper Berlin. Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche Film- und Theaterpreise.
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Ein Unzeitgemäßer war er, ein Freigeist und Erfinder, ein Poet und ein großer Utopist. Cyrano de Bergerac lebte von 1619 bis 1655. In seinen Schriften reiste er zur Sonne und zum Mond und wusste genau, dass der Mond eine Welt unter vielen ist, so wie die Erde, die sich bewegt und um die Sonne kreist. Das war vermessen und mutig in einer Zeit, in der Galileo widerrufen musste und die Scheiterhaufen noch schwelten. Keine Regel respektierte er und kein Gesetz, am wenigsten das der Kirche. Scharf waren sein Degen und sein Verstand, sein Witz und sein Geist. Wen wundert es, dass dieses heiße Herz sich mit allen anlegte, mehr Feinde als Vertraute hatte und aller Wahrscheinlichkeit nach einem Anschlag zum Opfer fiel. Seine Schriften verschwanden und wir wissen nicht viel mehr über ihn als das, was Edmond Rostand in seinem Stück „Cyrano de Bergerac“ 1897 über ihn verewigt hat. Ob es Roxanne wirklich gab, das wissen wir nicht, aber wir glauben ganz sicher an die Reinheit und Tiefe seiner Liebe zu ihr, die er verschwieg ein Leben lang. Im Namen seines Freundes fand er die schönsten Worte der Liebe, schrieb die leidenschaftlichsten Briefe und gestand doch niemals, dass es sein eigenes Herz war, das sprach. Noch eines wissen wir: er hatte eine große Nase. Armin Rohde spielt den Cyrano de Bergerac in der Regie von Katharina Thalbach.
Regie: Katharina Thalbach Bühne und Kostüme: Ezio Toffolutti Musik: Emanuel Hauptmann Dramaturgie: Sabine Reich In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität
Jan Klata auf dem weg nach amerika
Jan Klata — auf dem weg nach amerika
Polen macht seine Theatermacher zu Stars, die auf der StraSSe erkannt werden. Der Theaterkritiker Roman PawŁowski, der für die gröSSte Tageszeitung des Landes schreibt, portrÄtiert einen von ihnen und zeigt, warum das Theater des Regisseurs Jan Klata zwischen Pop, Poesie und Politik für Aufregung weit über den zuschauerraum hinaus sorgt.
Text: Roman Pawłowski Fotos: Christian Rolfes
Linker Katholik, konservativer Rebell, klassikaffiner Punk – nicht nur Talent und eine bildmächtige Fantasie, auch seine widersprüchliche Persönlichkeit machen Jan Klata zu einem der interessantesten Regisseure des europäischen Gegenwartstheaters. Klata ist das Kind einer von Paradoxien geprägten Zeit. Seine Generation sah bekennende Marxisten, mit Michael Gorbatschow an der Spitze, den Kommunismus zu Grabe tragen. Sie erlebte mit, wie einstige Parteigenossen und ehemalige Dissidenten Hand in Hand ein neues System unter marktliberalen Vorzeichen errichteten. Und sie debütierte zu einem Zeitpunkt, an dem islamistische Fanatiker die Geschichte, die 1989 zum Stillstand gekommen schien, wieder ins Rollen brachten. Wer wie Klata in einem Schmelztiegel widersprüchlicher Ideen, Traditionen und Ideologien aufwuchs, ist meist vor allem eines: kritisch. Er traut weder den Sympathisanten des Ancien Régime, noch den Propheten der schönen neuen Welt. Er steht den Sozialutopien des vergangenen Jahrhunderts ebenso skeptisch gegenüber wie den liberalen und neoliberalen Dogmen des neuen. Er sucht eigene Wege durch eine von Spannungen und Konflikten geprägte globalisierte Welt – auf eigene Faust und auf eigenes Risiko. Genau so ist auch Jan Klatas Theater. Schon mit seinem Regiedebüt stellte er den polnischen Status quo in Frage, der auf Abmachungen zwischen Vertretern der einstigen Opposition und den zu Postkommunisten gewendeten Repräsentanten der alten volksrepublikanischen Nomenklatura beruhte. In Wałbrzych, einer abgewirtschafteten Bergbaustadt in der niederschlesischen Provinz, versetzte er 2003 Gogols „Revisor“ ins kommunistische Polen der 1970er Jahre. Die nach dem damaligen Premier Gierek benannte Epoche, eine Zeit des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts und der Öffnung nach Westen, aber auch der Korruption und des politischen Zynismus, diente Klata als Zerrspiegel für das von politischen Affären, Arbeitslosigkeit und Korruption ge100
plagte Polen der Gegenwart. Spätere Inszenierungen führten die radikale Kritik an den Verhältnissen im postkommunistischen Polen fort. Seine schlicht „H.“ betitelte Hamlet-Version in der Danziger Werft 2004 war eine Abrechnung mit den politischen Eliten des Landes, denen nach 1989 im Kampf um Macht und Pfründe das Ethos der gesellschaftlichen Solidarität abhanden gekommen war. Schon der Spielort symbolisierte den Verfall: Eine heruntergekommene Halle in der ehemaligen Lenin-Werft, der Wiege der „Solidarnos´c´“ und einem der ersten Opfer der kapitalistischen Marktwirtschaft. Den Regisseur Jan Klata interessiert aber keineswegs nur die Gegenwart, er setzt sich auch mit der Vergangenheit auseinander. In seiner Fassung von Stanisław Ignacy Witkiewiczs „Fizdejkos Tochter“ legte er die latenten, anlässlich des polnischen EU-Beitritts wieder aufgebrochenen Ängste und Psychosen von Polen und Deutschen offen. Die Deutschen zeigte Klata als Technokraten, denen immer noch die Gespenster von Auschwitz nachspuken. Die Polen wiederum präsentierte er dem deutschen Stereotyp entsprechend als betrunkene Arbeitslose, die ihre Habseligkeiten in Plastiktüten mit sich herumschleppen. „Transfer!“, eine auf Erzählungen polnischer und deutscher Opfer der Vertreibungen um 1945 basierende Theaterdokumentation, zeigte dagegen die Perspektive einer Versöhnung auf, in der das Leid des anderen anerkannt wird, ohne die historischen Fakten und die Differenz der Erfahrungen zu leugnen. Mit der Zeit erweiterte Klata die Kampfzone und wandte sich globalen Themen zu. Er befasste sich mit dem Krieg gegen den Terrorismus und den Mechanismen der Erzeugung von Furcht, er kritisierte die Mediendemokratie, in der Medien und Meinungsforschungsinstitute die Macht übernommen haben, er fragte nach dem Sinn von Revolutionen in einer postpolitischen Welt, die keine Klassenkonflikte mehr kennt. Und mitten in der Finanzkrise analysierte er 2009 in „Das gelobte Land“ die
Jan Klata — auf dem weg nach amerika
kranke „Geiz ist geil“-Mentalität des neoliberalen Kapitalismus. Das treffendste Bild der postmodernen Welt zeichnete Klata in seiner Inszenierung von Stanisława Przybyszewskas epischem Drama „Die Sache Danton“. Er verlegte die Handlung in einen Slum unserer Zeit, ließ die Revolutionäre aber in Kostümen des 18. Jahrhunderts auftreten. Zwischen Hütten aus Pappe und Wellblech wirkte Robespierres und Dantons verbissenes Ringen um die Führerschaft grotesk, die Revolution wurde zur Farce. Eindrücklicher lässt sich ein Abgesang auf die Ideale der französischen Revolution kaum gestalten. Klata entwickelt seine Kapitalismus- und Utopiekritik aus der Position des bekennenden und engagierten Katholiken. Sein Danziger Hamlet zog auf Polonius’ Frage „Was leset Ihr, mein Prinz?“ ein Gotteslob aus der Tasche und zitierte aus den Zehn Geboten. Als gläubiger Katholik – einer von sehr wenigen in der gegenwärtigen Theaterlandschaft – steht er gleichwohl dem in Polen weit verbreiteten religiösen Fanatismus äußerst kritisch gegenüber. Das zeigt seine Adaption von André Gides Roman „Die Verliese des Vatikan“, in der er religiösen Fanatismus und westlichen Nihilismus konfrontierte. Auf der einen Seite standen die Hörer des ultrakatholischen Senders Radio Maryja, die sich in einer Festung der Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit verschanzten, auf der anderen Seite Jugendliche, die durch Popkultur und antikirchliche Einstellungen geprägt wurden. Klata ließ sie ihren Streit musikalisch austragen: Die einen sangen ein Madonnenlied, die anderen antworteten mit „Sympathy for the Devil“ von den Rolling Stones. Der politischen Radikalität Klatas entspricht die Radikalität seiner Theatersprache. Jan Klata ist ein DJ auf dem Regiestuhl: Er scratcht Inszenierungen, indem er klassischen Stücken Gossensprache untermischt, er loopt Repliken, um den Effekt stillstehender Zeit zu erreichen, er sampelt die unterschiedlichsten Texte und lässt etwas Neues daraus entstehen. Eine Schlüsselrolle in seinen
Inszenierungen spielen Musikzitate: In „Die Sache Danton“ sind es „Revolution No. 9“ von den Beatles und „Talkin’ bout a Revolution“ von Tracy Chapman, in „Schuster.am.Tor“ ist es „London Calling“ von The Clash, und in „Das gelobte Land“ ist „In the Air Tonight“ von Phil Collins zu hören. Die symbolische Bedeutung dieser und anderer Zitate ist von einem popkulturell sozialisierten Publikum leicht zu erfassen. Manche Zuschauer irritiert die Brutalität von Klatas Inszenierungen, die direkt und plakativ daherkommen wie Parolen an Häuserwänden. Wer nur einen angenehmen Abend im Theater verbringen möchte, für den sind sie nichts. Doch genau so muss Theater sein: unbequem und beunruhigend. Nur so lebt es. Nur so hat es einen Sinn. Roman Pawłowski ist Theaterkritiker und Redakteur der „Gazeta Wyborcza“, der gröSSten überregionalen Tageszeitung Polens. Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann
Jan Klata wurde 1973 geboren und studierte Regie an der Warschauer Theaterakademie und später an der staatlichen Theaterschule Krakau. Er assistierte polnischen Theatergrößen wie Jerzy Grzegorzewski oder Krystian Lupa. Seine erste Inszenierung von Nikolai Gogols „Revisor“ wurde als wichtigstes Debüt des Jahres 2003 gefeiert. Seither inszeniert Jan Klata an den bedeutendsten Bühnen Polens, in Warschau, Krakau und Wrocław. Seine Inszenierungen waren auf diversen Festivals im Ausland zu sehen, so unter anderem am HAU Berlin, beim Festival d’Automne in Paris oder beim Internationalen Festival Buenos Aires. 2006 inszenierte Jan Klata in Graz erstmals im deutschsprachigen Raum und 2009 am Düsseldorfer Schauspielhaus zum ersten mal in Deutschland. Seine Inszenierungen wurden mit zahlreichen bedeutenden polnischen Theaterpreisen ausgezeichnet.
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Amerika von Franz Kafka Premiere am 2. April 2011 im Schauspielhaus „Wir wollen nicht das Neuste lesen – wir wollen das Beste, das Bunteste, das Amüsanteste lesen. Ja, also Amerika“, schrieb Kurt Tucholsky in einer Kritik zur Veröffentlichung des Romanfragments „Amerika“ von Franz Kafka. Das unvollendete Werk erzählt die Geschichte von Karl Rossmann, der von seinen Eltern nach Amerika geschickt wird und nun fern der Heimat lernen muss, erwachsen zu sein. Kafkas Erzählung ist mit all dem ausgestattet, was die Literatur des Prager Versicherungsangestellten so unverwechselbar macht. Der 16-jährige Immigrant Rossmann bemüht sich nach Kräften, die Regeln in der neuen Welt zu verstehen und zu befolgen. Doch er strauchelt ständig in dieser komplizierten, verwirrenden Welt. Erst sind es die unverständlichen und ungerechten Gesetze des mächtigen, reichen Onkels, dann die kriminelle, ausbeuterische Energie der zwielichtigen Wandergesellen, später die Durchtriebenheit der älteren Liftboys im Hotel Occidental, die ihm das Leben schwer machen. Doch Karl verliert nicht seine Zuversicht. Die durchaus komische Geschichte hat viele Momente, in denen die Sache auch gut gehen könnte, wenn beispielsweise die Oberköchin des grotesken Hotels Karl Obdach und Arbeit verschafft. Und auch Glück scheint möglich in diesem überfordernden Fantasie-Amerika: Karl stellt sich zu den Engeln mit den Trompeten in die Reihe, um beim großen Naturtheater von Oklahoma auf eine Anstellung zu hoffen.
Regie: Jan Klata Bühne und Kostüme: Justyna Łagowska, Mirek Kaczmarek Choreografie: Mac´ko Prusak Dramaturgie: Olaf Kröck
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SAHIKA TEKAND — SPIELREGELN
SPIELREGELN TExT: SAHIKA TEKAND FoToS: UgUR TaSkin
Ich bin eine Spielemacherin: Obwohl ich eigentlich die Verwandlung des Lebens in ein reines Spiel ablehne, versuche ich als Künstlerin eine Form zu entwickeln, die sich der Verwechslung des Spiels mit dem Leben widersetzt. Mein Theater konzentriert sich auf das Spiel. Zurzeit behandeln wir alle unser Leben als ein Spiel, ein Spiel, in das wir nicht eingreifen können, das uns keine Wahl zu lassen scheint. Leben und Spiel werden von den aktuellen Strömungen in der Kunst negiert. Wir wissen nicht, was real und was virtuell ist. Leben und Spiel verschwimmen zunehmend. Dagegen steht für mich das Theater. Das Theater, das von der Realität des augenblicklichen Momentes erzählt. Theater ist nicht Leben, sondern strikt etwas anderes. Als ich in den frühen achtziger Jahren Schauspiel studierte, waren die Veränderungen, die in der Welt geschahen, so schnell und intensiv, dass sie beinah überall greifbar wurden. In diesen Jahren interessierte mich besonders die Frage, wie Performance-Kunst aussehen könnte. Als Künstlerin fragte ich mich, wie man zeitgenössisches Theater machen könne, das die Realität des augenblicklichen Momentes in sich aufnimmt, ohne seine eigene künstliche Form zu verschleiern. Ich wollte das Theater zu einer aktuellen, zeitgenössischen Kunstform machen. So habe ich eine Form entwickelt, die ich „Darstellende Aufführungs- und Schauspielmethode“ nenne. Meine Methode entstand als Auseinandersetzung und Kritik an den formalen Theatermitteln und an einer Tendenz in den Künsten, das Leben zunehmend zu ästhetisieren. Gerade das Theater, das mit einem kritischen Anspruch formuliert wurde, gab eine naturalistische und sehr idealistische Abbildung der Welt wieder. Ich aber war auf der Suche nach einem Theater, das einem zeitgenössischen Publikum und seiner Sichtweise entsprach und das dennoch der Realität des Aktuellen gerecht wurde. So gründete ich meine eigene Ausbildungsstätte „Studio“, aus der heraus sehr schnell
ein eigenes Ensemble entstand: Die „Studio Oyunculari“ („Studio Spieler“), eine unabhängige Company, die ohne finanzielle Unterstützung arbeitet und mit der ich auf der Suche nach neuen Arbeitsweisen und Theaterformen bin. Wir arbeiten seit nahezu zwanzig Jahren in derselben Spielstätte. Das ist kein einfacher Ort, aber oft inspirieren Schwierigkeiten unsere Kreativität. Wir haben dort eine Bühne mit 45 Sitzen und ein kleines Studio, in dem unsere Workshops stattfinden. Dort unterrichte ich Schauspieler, Autoren und junge Regisseure in meiner Arbeitsweise. Dort spielen wir aber auch unsere Produktionen. Unsere großen Arbeiten seit dem Ende der neunziger Jahre bringen wir jedoch auf anderen Bühnen heraus. „Spieler“ ist der wichtigste Begriff in meiner Arbeit. Damit ist hier nicht „Schauspieler“ gemeint, sondern „Spiel-Spieler“. Schauspiel und Virtuosität sind nur das Handwerk, mit dem wir unser Spiel spielen. In meinen Inszenierungen fühlt sich der Spieler weder in die Psyche der Rolle hinein und durchwandert die Labyrinthe des Unbewussten noch steht er als epischer Erzähler neben seiner Rolle. Dem „Spiel-Spieler“ und seiner Rolle ist es erlaubt und möglich, sich in unzähligen Schichten zu überlagern. Sie sind gleichzeitig anwesend und erkennbar. In all ihrer Sichtbarkeit und Realität existieren die Theaterfigur und der Spieler in einem Augenblick. Sie erzählen und begründen sich gegenseitig. Das Spiel fordert vom Spieler Ehrlichkeit im Hinblick auf die realen Risiken und Herausforderungen des Augenblicks. Die Glaubwürdigkeit des Spielers erwächst in dem, was er tut, unter den Bedingungen, die der Regisseur ihm bietet. Das Publikum ist überzeugt, dass diese Handlung nur so und nicht anders unter den gestellten Bedingungen möglich sein konnte. Es geht nicht darum, das Publikum etwas glauben zu lassen, sondern es zu überzeugen, indem es die Bedingungen der Inszenierung und die Sprache der Ästhetik versteht. In diesem realen Augenblick vollzieht 105
sich mit den künstlerischen Auslösern, die diese bestimmte Situation bedingen, in diesem bestimmten Raum und Moment diese Handlung und das ist einzigartig. Der Chor ist eine gute Möglichkeit, das Spiel auf der Bühne voranzutreiben und die Herausforderungen für die Spieler zu gestalten. Der Chor erfordert eine extreme Spannung in der Gruppe. Die Harmonie und Synchronizität, die in der chorischen Arbeit nötig sind, erfordern viel von den Spielern, besonders wenn sie ohne Chorführer arbeiten. Dabei verwandeln sie sich jedes Mal in Seiltänzer ohne Netz. Diese Herausforderung und Spannung der chorischen Arbeit bringt eine besondere Freude in die Inszenierung. Der Text auf der Bühne ist ebenso Teil des Spiels. Es gibt immer einen konflikt zwischen Text und Theater, auch wenn der Regisseur mit einer großen Verantwortung für den Autor arbeitet. Der Text ist immer schon fertig. Er hat seine Zeit gehabt, seine Entwicklung genommen. Er gehört zur Vergangenheit. Aber zur Bühne gehört der Moment, der sich vor einem Publikum ereignet und sich immer wieder neu erfindet. also gibt es eine wichtige Spannung zwischen diesen beiden Ebenen im Theater. Was geschrieben werden kann, muss geschrieben werden. Was gesagt werden kann, muss gesagt werden, und was getan werden kann, muss getan werden. Die Bühne ist der Ort zu handeln. Hier wird getan. Ich gehöre zu den glücklichen Personen, die die Möglichkeit hatten, zu spielen, zu schreiben, Regie zu führen und das alles gleichzeitig. Das hat mir immer viel Freude bereitet. Aber die allergrößte Freude ist für mich die Zeit, in der ich das Spiel erfinde, das später auf der Bühne zu sehen sein wird. aUS Dem engLiSchen von SaBine Reich
Sahika TEkand ist in Istanbul eine bekannte Schauspielerin und Theatermacherin und wurde 1959 in Izmir geboren. 1984 schloss sie ihre Ausbildung zur Schauspielerin im Fachbereich Schauspielkunst der Fakultät der Darstellenden Künste an der 9 Eylül Universität in Izmir ab, an der sie zwei Jahre später zur Dr. phil. promovierte. Im selben Jahr begann sie ihre Karriere als Theater- und Filmschauspielerin und stand u.a. in Bertolt Brechts „Das Leben des Galilei“ auf der Bühne. Daneben trat sie mit selbst erarbeiteten Performances in Kunstgalerien auf. 1988 gründete sie „Studio“, eine Ausbildungsstätte für Schauspieler und Künstler, an der sie ihre eigene Methode lehrt, die auch in ihren Inszenierungen zur Anwendung kommt. Um sie zu realisieren, schuf sie 1990 die Theatergruppe „Studio Oyunculari“. Mit „Studio Oyunculari“ hat sie zunächst eine Reihe von Produktionen fremder Texte erarbeitet, z.B. 1992/93 Becketts „Glückliche Tage“. Ab 1996 inszenierte sie dann vor allem ihre eigenen Stücke: „Die Verwandlung zu Nashörnern” (nach Ionesco), 2000 „(Spiel)er”, 2002-06 ihre „Ödipus-Trilogie” – „Wo ist Ödipus?”, „Ödipus im Exil” und „Eurydikes Schrei” – und 2008 „Furcht vor der Finsternis”.
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Der aufhaltsame aufstieg Des arturo ui von Bertolt Brecht Premiere am 28. Mai 2011 im Schauspielhaus aufhaltsam war er, der aufstieg des arturo Ui, und konnte dennoch nicht verhindert werden. Ein kleiner Gangster in schwierigen Zeiten, nicht mehr und nicht weniger ist er. Die Konjunkturkrise ist groß und die Wirtschaft verunsichert. Er nutzt die schlechten Zeiten, für sich. Korruption, Mord und Terror sind die Mittel, mit denen er die Stadt und die Händler in seine Hände bringt. Niemand stellt sich ihm entgegen, nichts kann ihm Einhalt gebieten. Warum? Weil sie ihm glauben? Weil er sie überzeugt? Ihnen aus der Seele spricht? Weil er die Show beherrscht, am besten von allen? An wen denken wir heute, wenn wir Brechts Parabelstück aus dem Jahr 1958 lesen? An Berlusconi-Superstar oder an Hitler, dessen Karriere Brecht modellhaft nachzeichnet? Es ist nicht Hitler, der gewinnt, es sind die anderen in der Stadt und in der Politik, die verlieren. Sie verlieren ihre Glaubwürdigkeit und ihre Identität, ihre Ideen und Visionen. Es war nicht seine Stärke, sondern ihre Schwäche, die Hitler nicht aufhalten konnte. Die türkische Regisseurin Sahika Tekand wird diese berühmte Arbeit Brechts inszenieren. In ihrem Theater in Istanbul hat sie eine Form für chorisches Theater entwickelt, die sie nun im Dialog mit Brecht weiterführen wird.
Regie: Sahika Tekand Bühne: Esat Tekand Dramaturgie: Sabine Reich
Fotos: Diana K端ster
JunGes sCHausPieLHaus — tHeater Für aLLe
theater für alle: Junges schauspielhaus Das Junge schauspielhaus unter der Leitung von Martina van Boxen steht für ein theater für Kinder, Jugendliche und auch erwachsene, das sowohl durch soziale als auch künstlerische ansprüche geprägt ist; das sich besinnt auf seine kulturellen Möglichkeiten schule des sehens zu sein, Kommunikation in Gang zu setzen und Mut zum Leben zu machen. Das Junge schauspielhaus ist ein ort der Begegnung, Kommunikation und Kreativität für Kinder und Jugendliche aus allen sozialen schichten. Hier bekommen sie, von Künstlern wie theaterpädagogen begleitet, die Gelegenheit, sich auszuprobieren, zu entfalten, ihre Kreativität zu nutzen und damit Wege und Handlungsstrategien für ihr Leben zu entdecken.
Theaterpädagogisches Angebot
Columbus
Das Junge schauspielhaus bietet eine Vielzahl an Workshops, Jugendclubs und regiewerkstätten für Kinder und Jugendliche in den Bereichen theater, tanz, Musik, Medien und Literatur an. es werden klassische und moderne theaterstücke erarbeitet sowie themenorientierte eigenproduktionen entwickelt. Das angebot wird komplettiert durch theaterpädagogische Vor- und nachbereitungen der Produktionen des schauspielhauses, Fortbildungen für Pädagogen und ein vielfältiges angebot im Bereich theater und schule, wie zum Beispiel unsere neuen Projekte „schulen in Bewegung“ oder „Columbus“:
„Columbus“ – so heißt das neue angebot des schauspielhauses Bochum in Kooperation mit der schulaufsicht Bochum. es wendet sich an alle schulklassen, Kurse und arbeitsgemeinschaften des 9. und 10. Jahrgangs aus Bochum und der region Bochum.
Schulen in Bewegung 80 schülerinnen aus fünf Bochumer schulen entwickeln zusammen mit Künstlern ein theaterprojekt. Das Besondere daran: die schüler kommen nicht nur aus fünf unterschiedlichen schulen, sondern auch aus fünf unterschiedlichen schulformen: Förderschule, Hauptschule, realschule, Gymnasium und Gesamtschule. „schulen in Bewegung“ – der name ist Programm. sowohl die schulen als auch die schüler werden angeregt, sich in Bewegung zu setzen: indem die schüler an einer schule arbeiten, die sie nicht kennen, indem die Lehrer der verschiedenen schulformen miteinander an ein und dem selben Projekt arbeiten, indem alle Beteiligten mit ihren Vorurteilen über die jeweils anderen – Die Hauptschüler, Die Gymnasiasten etc. – konfrontiert und herausgefordert werden, diese in der Praxis und im Kontakt zu überprüfen. Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen
„Columbus“ steht für neugier, aufbruch, die Lust am entdecken und ist eine einladung an schülerinnen und schüler, ab der kommenden spielzeit gemeinsam zwei Jahre lang das Bochumer schauspielhaus kennen zu lernen und in Besitz zu nehmen. Kernstück des Projekts „Columbus“ sind zwei Vorstellungsbesuche der teilnehmer pro schuljahr, die von einführungen durch die theaterpädagogen und Dramaturgen oder durch Nachbesprechungen flankiert werden, bei denen es Gelegenheit gibt, nachzufragen, zu kritisieren und sich ein Bild von der entstehung der inszenierung zu machen. Wir machen den teilnehmenden Klassen monatlich Vorschläge, welche stücke aus unserem Gesamtspielplan für „Columbus“ besonders geeignet sind und für die die teilnehmer Kartenkontingente abrufen können. anmeldeschluss für „Columbus“ im Klassenverband ist der 10. september 2010. Weitere informationen und anmeldung bei: Junges schauspielhaus Martina van Boxen tel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28 Fax: 0234 / 33 33 54 24 e-Mail: jungesschauspielhaus@bochum.de 109
Kindertheater des Monats in der Gastspielreihe „Kindertheater des Monats“ zeigen wir über die spielzeit verteilt sechs ausgewählte Produktionen von theatern aus ganz Deutschland. Die eingeladenen stücke präsentieren die ganze Bandbreite an hochwertigem theater für Kinder von 3 bis 13 Jahren in einer Mischung aus schauspiel, Figuren- und objekttheater. In Kooperation mit dem Kultursekretariat NRW
Patenkarten Der Freundeskreis des schauspielhauses und das Junge schauspielhaus suchen Menschen, die Geld für Kinder und Jugendliche spenden, deren eltern sich den Besuch des schauspielhauses nicht leisten können. auch die teilnahme an Workshops und Jugendclubs werden dadurch finanziert. Ab einer Spende von 50 Euro werden Spendenbescheinigungen ausgestellt. Kontakt: Hans Joachim salmen tel.: 0234 / 47 35 93 e-Mail: hajosalmen@aol.com Wenn sie Patenkarten in anspruch nehmen möchten, rufen sie uns im Jungen schauspielhaus an: tel.: 0234 / 33 33 54 28 Wir helfen ihnen schnell und unbürokratisch!
Förderverein ob als Förderer oder als aktives Mitglied: Jeder, der die theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen am schauspielhaus Bochum unterstützen möchte, ist in diesem Verein willkommen. natürlich freuen wir uns auch über spenden, für die wir auch gerne spendenbescheinigungen ausstellen. Kontakt: ulricke Hasselbring tel.: 0234 / 58 11 48
Das detaillierte Programm des Jungen Schauspielhauses, weiterreichende Informationen und Ansprechpartner entnehmen Sie bitte der Broschüre, die ab September 2010 ausliegt, sowie www.schauspielhausbochum.de/jungesschauspielhaus
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Jim Knopf und LuKas der LoKomotivführer Kinder- und Familienstück von Michael Ende Premiere am 14. november 2010 im schauspielhaus Mitten im tiefen weiten Meer liegt die winzige insel Lummerland. Hier leben Lukas der Lokomotivführer mit seiner Lokomotive emma und natürlich König alfons der Viertelvor-Zwölfte mit seinen beiden untertanen Frau Waas und Herr Ärmel. eines tages bringt der Postbote ein Paket nach Lummerland, adressiert an Frau Malzahn (oder so ähnlich). Doch es gibt keine Frau Malzahn in Lummerland. Die einzige Frau auf Lummerland ist Frau Waas. also ist das Paket vielleicht für sie, beschließt König alfons der Viertelvor-Zwölfte und gibt ihr seine königliche erlaubnis, es zu öffnen. Was für eine überraschung, als sie darin ein Baby finden. Der Junge wird von den Inselbewohnern adoptiert und Jim Knopf genannt. als aus Jim schon fast ein halber untertan geworden ist, beschließt König alfons, dass die gute alte emma auf Grund der drohenden Bevölkerungsexplosion abgeschafft werden muss. Das können Lukas und sein bester Freund Jim nicht zulassen und so machen sie sich mit emma bei nacht und nebel auf den Weg in die weite Welt. ihre reise führt sie übers Meer bis ins ferne Mandala, durch den tausend-Wunder-Wald und das tal der Dämmerung in die Wüste und schließlich durch den Mund des todes ins Land der tausend Vulkane und in die Drachenstadt zu Frau Malzahn. in diesem Jahr feiert Michael endes roman seinen 50. Geburtstag. Bis heute begeistern die abenteuer von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer, dem kleinen Ping Pong, dem scheinriesen Herrn tur tur, dem Halbdrachen nepomuk und dem goldenen Drachen der Weisheit nicht nur Kinder.
Regie: Katja Lauken Bühne: Kathrine von Hellermann Dramaturgie: Anna Haas
Katja LauKen wurde 1970 in Wuppertal geboren und wuchs in Hamburg auf. Nach ihrem Studium in Köln war sie Regieassistentin am Schauspielhaus Bochum. Dort zeigte sie 2002 ihre erste eigene Inszenierung: „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab. In den folgenden Jahren arbeitete sie als freie Regisseurin am Theater Aachen, am Theater Oberhausen und am Schauspiel Essen. Für ihre Inszenierung von „Die Schaukel“ in Oberhausen wurde sie 2006 mit dem Hauptund Publikumspreis des Kinder- und Jugendtheatertreffens NRW ausgezeichnet. 2007 erhielt sie den NRW-Künstlerinnenpreis.
honigherz Ein Stück für Kinder ab 2 Jahren von Cristina Gottfridsson
Premiere am 3. oktober 2010 im Melanchthonsaal Knuddel und schnute, Musik und Zeichensprache, Äpfel und Kerne – und schon entsteht starkes theater für die allerjüngsten. Da braucht es gar nicht viele Worte. schnute zum Beispiel kann sowieso nicht sprechen, aber wozu auch: mit Musik kann er uns doch viel mehr erzählen. und Knuddel spricht zwar, aber ohne ihre Gesten und Bewegungen würden wir sie vielleicht nur halb so gut verstehen. aber wie verstehen sich die beiden eigentlich untereinander? Zuerst gar nicht, sie sind vor allem erschrocken voreinander, ängstlich. aber auch neugierig. und sie erleben, dass man ein gemeinsames Problem am besten auch gemeinsam löst. Dann ist am ende nicht nur das Problem weg, sondern auch das Leben um die schöne erfahrung reicher, gemeinsam etwas geschafft zu haben. und die Früchte der gemeinsamen anstrengung schmecken gut, ganz in echt. Mit „Honigherz“ hat die schwedin Cristina Gottfridsson ein wunderschönes kleines stück theater geschrieben, geeignet für Kinder ab 2 Jahren.
Regie: Martina van Boxen Bühne: Michael Habelitz Kostüme: Cathleen Kaschperk
hiKiKomori von Holger Schober
für Jugendliche ab 13 Jahren Premiere am 26. november 2010 im Melanchthonsaal H sitzt in seinem Zimmer. schon lange. sehr lange. allein. niemand darf hereinkommen, auch Mutter und schwester kommen nicht mehr an ihn ran. irgendwann hat H einfach vergessen, wo die tür ist. sich entschieden, nicht mehr mitzumachen, ganz bei sich zu bleiben. Von dort aus über die Welt nachzudenken und manches an ihr so klarer zu sehen. im Chat trifft er eines tages rosebud. sie scheint ihn zu verstehen. Könnte sie sogar das rothaarige Mädchen sein, an das er sich erinnert, wenn er an früher denkt? oder ist rosebud die letzte Chance für seine schwester zu ihm durchzudringen? Menschen wie H, die sich einschließen, manchmal über Jahre, und den Kontakt zu ihren Mitmenschen abbrechen, nennt man Hikikomori – ein Phänomen, das in Japan nach schätzungen bis zu einer Million junger Menschen betrifft. Krankheit oder Protest gegen die verqueren erwartungen der Gesellschaft?
Regie: Martina van Boxen Bühne und Video: Michael Habelitz Kostüme: Cathleen Kaschperk
parzivaL von Lukas Bärfuss
nach dem Versroman von Wolfram von Eschenbach für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene Premiere am 18. Februar 2011 in den Kammerspielen Parzival weiß von nichts. nicht einmal seinen namen. seiner Mutter fragt er Löcher in den Bauch. Doch sie erklärt ihm nichts. sie will ihn vor der Welt bewahren. einer Welt des übergangs, in der jede Gewissheit verloren ist, regeln nur behauptet und Werte vorgetäuscht werden. Deshalb hat sie ihn in der einöde großgezogen. aber Parzival will die Welt sehen, möchte ein ritter werden. er zieht los, trifft bald schon auf artus und die ritter der tafelrunde – und stellt die dümmsten Fragen. Doch der dumme Junge ist stark, erschlägt den roten ritter und legt sich seine rüstung an. ein alter Mann unterrichtet ihn. sagt ihm, was er tun soll und was nicht: Vor allem soll er nicht mehr fragen. und Parzival gehorcht. er kommt an einen ort, den es nicht gibt, den man nicht suchen darf, und trifft auf den kranken, schmerzverzerrten König anfortas. Parzival wundert sich, doch Fragen stellt er keine mehr. er hat die Gralsburg nicht erkannt. am nächsten Morgen ist sie verschwunden. Warum hat er anfortas nicht nach dem Grund seiner Leiden gefragt, schimpft ihn ein Knecht, er hätte alle erlösen können. Parzival ist verwirrt, verzweifelt. er will zurück. sucht nach der Gralsburg. Doch die ist wie vom erdboden verschluckt. erst als er nicht mehr sucht und jeden ehrgeiz verloren hat, taucht sie wieder vor ihm auf und Parzival stellt die rettende Frage.
Regie: Martina van Boxen In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität
Martina van Boxen geboren 1960, ist Schauspielerin und Regisseurin. Seit der Spielzeit 2005/06 leitet sie das Junge Schauspielhaus Bochum. Zunächst studierte sie Visuelle Kommunikation in Düsseldorf, dann Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Nach Gastengagements an verschiedenen Theatern wurde sie 1992 künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der Theaterwerkstatt Hannover. Schnell wurde sie in der freien Theaterszene auch über Hannover hinaus bekannt. Ihre Inszenierungen wurden zu zahlreichen Festivals eingeladen, sie erhielt den „Traumspiel“-Festivalpreis (1994), den Niedersächsischen Theaterpreis (2000) sowie den Publikumspreis des Kinderund Jugendtheatertreffens NRW 2007 in Oberhausen.
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lisa niElEbock — bochum für fast umsonst
Kunstgenuss gratis: Offene Künstlerateliers im Freien Kunst Territorium - FKT das EhEmaligE l agErhaus in dEr diEkampstrassE 44 biEtEt bochumEr künstlErn raum für atEliErs, ausstEllungEn und pErformancEs allEr art. rEgElmässig gibt Es tollE vErnissagEn. allEin das hundErtjährigE backstEingEbäudE ist schon EinE EntdEckung! Eintritt frEi!
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80er-Jahre Schimanski-Feeling beim Bier im Haus Fey Umsonst einkaufen kann man jEdEn sonntag von 17-19 uhr im kostnixladEn in dEr josEphstrassE 2. allEs für allE, und zwar umsonst! diE ErstE rEgEl dEs ladEns lautEt: ihr bEzahlt nicht für das, was ihr braucht. im caféraum gibt Es jEdEn 1. und 3. sonntag im monat auch noch Ein gratismEnü.
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Spanien in Bochum Den Ausblick genießen: Auf der Erzbahnschwinge im Westpark oder vom Bismarckturm im Stadtpark Einfach mal auf diE ErzbahnschwingE stEllEn – im frischEn wind, obEn, draussEn, abschaltEn, sich bEwEgEn … auf dEr trassE kann man kilomEtErlang radEln odEr wandErn, bis nach zollvErEin, wEnn man möchtE. dEn schönstEn ausblick dEr stadt biEtEt dEr bismarckturm im stadtpark. wEr mag, kann auch minigolf spiElEn, glEich nEbEn dEr „milchbudE“, und am wochEnEndE ist auf dEm angrEnzEndEn spiElplatz diE höllE los.
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Kasimir und Karoline von Ödön von Horváth
Besuch beim UBU-Mann allE nEnnEn ihn nur dEn ubumann. sEin antiquariat in dEr univErsitätsstrassE 26 ist das grösstE in bochum. mit rund 100.000 büchErn lädt das zwEistöckigE antiquariat zum stundEnlangEn blättErn, schmökErn, lEsEn, abschaltEn und vErsinkEn Ein – fachkundigE bEratung inklusivE. dEnn nur EinEr wEiss ganz gEnau, wElchE schätzE diEsE buchhandlung birgt: dEr ubu-mann.
premiere am 19. februar 2011 im schauspielhaus kasimir ist chauffeur. gestern wurde er entlassen, morgen muss er aufs arbeitsamt, aber heute geht er aufs oktoberfest – mit karoline, seiner braut. die will sich amüsieren, Eis essen, mit der achterbahn fahren. doch das ist ein teurer spaß. kasimir hat angst, dass karoline ihn verlassen wird. jetzt wo er arbeitslos ist. das lässt er sie spüren, jähzornig wie er ist. Er hat noch ein kapital von rund vier mark: „heut sauf ich mich an und dann häng ich mich auf“, beschließt er. auch karoline stürzt sich ins vergnügen. sie lernt den angestellten Egon schürzinger kennen und durch ihn seinen chef, kommerzienrat rauch und landgerichtsrat speer, einen feinen herrn aus norddeutschland. „das leben ist hart und eine frau, die wo was erreichen will, muss einen einflussreichen Mann immer bei seinem gefühlsleben packen“, meint karoline und fällt dabei heftig auf die nase. kasimir sucht inzwischen trost bei dem merkel franz seiner Erna. „und die liebe höret nimmer auf“, heißt es im untertitel zu horváths stück. doch was ist ein mensch wert, wenn er keine arbeit mehr hat? und was kann die liebe da ausrichten? „jeder intelligente mensch ist ein pessimist“, meint kasimir und das leben gibt ihm am Ende dummerweise recht. „Es ist die ballade vom arbeitslosen chauffeur kasimir und seiner braut“, schreibt ödön von horváth, „eine ballade voll stiller trauer, gemildert durch humor, das heißt durch die alltägliche Erkenntnis: sterben müssen wir alle!“
Regie: Lisa Nielebock Bühne und Kostüme: Sascha Gross Dramaturgie: Anna Haas
illustration: thomas wEllmann
Lisa NieLebock wurde 1978 in Tübingen geboren und ist in Bochum keine Unbekannte: Seit 2005 lebt sie in Bochum und inszeniert regelmäßig am Schauspielhaus. Zu ihren herausragenden Arbeiten gehört „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist. Bereits für ihre Diplominszenierung „Elektra“ von Hugo von Hofmannsthal/ Aischylos an der Folkwang Hochschule Essen wurde sie 2004 mit dem „Folkwangpreis“ und beim „Körber Studio Junge Regie“ ausgezeichnet. Mit „Phaidras Liebe“ von Sarah Kane war sie zum Festival „Radikal jung“ am Münchner Volkstheater eingeladen. Neben ihren Inszenierungen am Schauspielhaus Bochum führte sie auch am Nationaltheater Mannheim und am Schauspiel Essen Regie.
RANJIT HOSKOTE — PHÖNIx AUS DER KOHLE
Phönix aus der Kohle Sein Vater arbeitete für einen groSSen Stahlkonzern. alS kind war daS ruhrgebiet, daS er nur Von fotoS kannte, für ihn ein idyll, ein arkadien, daS weit weg in unerreichbarer ferne lag. Später hat er eS mehrere male beSucht – alS touriSt. der in bombay lebende indiSche JournaliSt und lyriker ranJit hoSkote über die lektionen einer untergegangenen welt.
TExT: RANJIT HOSKOTE
Die Industrie verschwindet, Ruinen bleiben. Es herrscht Stille, doch diese ist ein nicht weniger starker Ausdruck des menschlichen Geistes als die Fabrikhallen, Schornsteine und Raffinerien, die einst im Rhythmus des Fließbands surrten und dröhnten. Ich laufe durch die Kokerei Hansa in Dortmund, im Herzen des Ruhrgebiets. Wo auch immer ich hinblicke, entdecke ich wiedererwachende Natur, die sich zurückerobert, was der Mensch ihr nahm. Hier und da gibt es Protest. Doch der Wald kehrt nach langen Jahren des unterirdischen Exils triumphierend zurück. Gras bedeckt die ausgetretenen Pfade einer Kühlanlage mit einem groben Teppich. Gestrüpp
bricht aus Scharnieren und Säulen hervor und erringt die Herrschaft über Werkzeuglager. Kletterpflanzen ranken sich zu Vorhängen, die ehemalige Fertigungsstätten vor neugierigen Blicken schützen. Die Anzeigenadel eines Druckventils wehrt sich hartnäckig gegen den Verfall. Ein verlassener Kohlewaggon steht wie ein Fels in der Brandung der Zeit. Rostige Rauchabzüge vor verhangenem Himmel. Schrott – Kettenräder, Triebwerke, Riemen, Erzkübel – leistet schweigend, doch nachdrücklich Widerstand gegen das Kommando der Windböen. Noch lange nachdem die Kokereiarbeiter die letzte Schicht gefahren, ihre Blaumänner ausgezogen und den Heimweg angetreten haben, liegt der Geruch geschmolzenen Teers auf den Mauern und in der Luft. Relikte erinnern an die Jahrhunderte, in denen die Fabriken, Minen und Kohleverarbeitungsanlagen im Ruhrgebiet lebendig waren und von der Arbeit, dem Lärm, der Hoffnung und den Träumen tausender Männer und Frauen widerhallten, die in der Ferne des Baltikums, an der Atlantikküste, im östlichen Mittelmeerraum, ja selbst in der Pazifikregion den Ruf der Täler am Nordrhein vernommen hatten und ihm gefolgt waren. Der Regen spielt Verstecken mit uns. Es herrscht Frieden, so lange wir im Auto sitzen. Sobald wir aussteigen, lockt er uns jedoch in einen Hinterhalt. Wir passieren Dortmund, Bochum und Essen. Überall prägen stillgelegte Zechen das Bild der Landschaft. Bahndämme werden 114
von Birkenwäldern überwuchert. Auf Fabrikgeländen wachsen Pappeln und Linden, hinter denen das Panorama der Kühltürme zu verschwinden beginnt. Der Phoenix hat sich gut in Position gebracht: Er ist jetzt das Wappentier der Region. Die Industrie ging, und es kam die virtuelle Ökonomie: IT, internationale Finanzdienste und der Heritage-Tourismus des postindustriellen Zeitalters besetzten die geräumten Brachen. Vor ein paar Jahren führten mich Freunde zu einem Aussichtspunkt, von dem wir auf ein riesiges Gelände blickten. Es war ein Schlachtfeld, übersäht von Wunden, die die Schaufelräder und Raupenketten geschlagen hatten. Hier hatte sich einst das größte Stahlwerk Dortmunds befunden. Nach der Demontage wurde es in Einzelteilen in eine chinesische Billiglohnprovinz verschifft. Künftige Generationen werden am alten Standort durch einen Park schlendern und neben einem künstlichen See relaxen. Nicht wenig symbolträchtig trägt der neue Komplex den Namen der großen Ikone der Wiederauferstehung: Phoenix.
eS war, alS hätte ich einen riSS im koSmiSchen gewebe Von zeit und raum entdeckt.
Als ich in den 1970er Jahren in Goa und Bombay aufwuchs, waren Dortmund, Bochum und Essen die ersten Ortsnamen, die ich hörte. Mein Vater arbeitete für Tata, eines der größten indischen Unternehmen, Hersteller von Autos, Baumaschinen und Stahl. Zu meinen frühesten Erinnerungen gehören Fotos von riesigen Fabriken und Produktionsanlagen im Ruhrgebiet, zu dem der Tata-Konzern enge Beziehungen pflegte. Als ich 2003 zum ersten Mal nach Dortmund kam, um einen Urlaub bei meinem Freund, dem Dichter und Übersetzer Jürgen Brôcan, zu verbringen, erschienen mir die Architektur und die Topografie der Stadt ungeheuer vertraut. Es war, als hätte ich
RANJIT HOSKOTE — PHÖNIx AUS DER KOHLE
einen Riss im kosmischen Gewebe von Zeit und Raum entdeckt, als sei ich zurückgekehrt an einen Ort, der zumindest in meiner Fantasie Teil meiner Kindheit war, der irgendwie zu mir gehörte. Nie werde ich die Begeisterung vergessen, die ich empfand, als ich bei der Einfahrt meines ICE in den Bahnhof den kolossalen Turm der Dortmunder Union Brauerei erkannte. Auf den Fotografien meines Vaters hatte ich ihn immer als Wächter über die Stadt wahrgenommen. Sein krönendes Neon-„U“ war der Kompass, an dem man sich orientierte. Als ich vor sieben Jahren an dem dunkelroten Ziegelbau hinaufblickte, rührten mich die Spuren jahrzehntelanger Vernachlässigung und Verwitterung zu Tränen. Als Zentrum eines Technoparks unseres E-Zeitalters wieder hergestellt, soll ihm in diesem Jahr neues Leben eingehaucht werden. Das Ruhrgebiet, das ich als Junge aus der Ferne liebte, ist anders in der Erinnerung meiner Freunde aus der Region. Für mich verkörpert es die heroische Energie der Industrie, die der grünen, postindustriellen Heiterkeit der Moderne weichen musste. Obwohl ich oft genug hier war, um zu wissen, dass nicht immer Ruhe herrschte in Arkadien, dass die Straßen so manches Mal gelb waren von den Bannern der protestierenden Arbeiter, die um ihren Job fürchteten, weil die Unternehmen die Produktion in die Betriebe im Süden der Welt verlagerten. Die Erinnerung meiner etwa gleichaltrigen Freunde aus Unna, Hamm, Bielefeld und Gelsenkirchen ist hingegen weniger erfüllt von Souvenirs einer Idylle. Ihre Bilder ähneln eher einem phantasmagorischen Gemälde von Hieronymus Bosch. Sie erzählen mir vom Himmel, der um Mitternacht Feuer fing. Sie sprechen von ihren Großmüttern, die sagten, das Glühen des geschmolzenen Eisens wäre ihr wahrer Sonnenaufgang. Noch heute rümpfen sie die Nase, wenn sie an den Geruch des Hopfens denken, der in der Nähe der Brauereien in der Luft hing. Und noch immer hören sie das Rumpeln des Zuges, der das Roheisen gemächlich vom einen Ende des riesigen
Industriereviers zum anderen transportierte, obwohl die Gleise, auf denen er fuhr, längst geborsten sind und Blumenfelder da wachsen, wo sie einst ihr Bett hatten.
Schnallt euch an, ihr Sterblichen! die reiSe in daS leben nach dem tod beginnt!
Stapelweise Geranien und Azaleen. Wir sind durch den Nieselregen gefahren, erreichen nun ein anderes Denkmal, das eine andere Geschichte erzählt: Bochum Hauptfriedhof. Hinter einem Palisadenzaun an der Immanuel-Kant-Straße, durch einen Vorhang von Trauerweiden spähend, versuche ich, den hohen, den viel zu hohen Gebäudekomplex zu erkennen. Wir passieren ein schwarzes Tor, das von zweifelhaften Helden gehütet wird, die Schwerter, Schilde und ein kaum maskiertes Hakenkreuz tragen. Wir laufen durch den Eingangsbereich, der einem Lichtschacht ähnelt, doch es ist Dunkelheit, die aus großer Höhe über uns hereinbricht. Einen kurzen Moment lang sind wir wie blinde Fische auf dem tiefsten Grund des Ozeans, bevor uns das perlmuttfarbene Licht erreicht und befreit. Nun stehen wir in der düsteren Halle der Geister, die von den hohen, dunklen Fenstern, schmalen Schlitze in den Wänden, die scheinen, als seien sie in Erfüllung des Befehls eines Burgvogts in einem Paradies im Belagerungszustand entstanden, kaum erhellt wird. In den 1930er und 1940er Jahren machten Menschen auf ihrem langen Weg nach Walhalla hier gezwungenermaßen Station und wurden Zeugen der Inszenierung. Fackeln brennen an den Mauern, spiegeln sich in den Metallsternen, hinter dem Altar. Die Totenbahre wird von unten hochgefahren. Schnallt euch an, ihr Sterblichen! Die Walküren sind hier! Die Reise in das Leben nach dem Tod beginnt. Im Rücken der Trauernden steht ein Mann, ein Beobachter, ein Zuhörer, ein Chronist, in einer versteckten 115
Zelle: Weniger ein Mensch als eine Membran, die die bebende Unruhe auf die auf hohen Stühlen thronenden Herrengeister überträgt, die das Land überwachen und den Weg der anderen in Kriegsgebiete, Besatzungszonen, Arbeits- und Todeslager lenken. Eine Familie, Trauernde, nähert sich vom Friedhof kommend. Schwarz gekleidet, doch nicht mehr dem Anlass entsprechend schweigend. Die Ewigkeit entlässt sie aus ihrem Griff. Sie schauen auf ihre Uhren, klappen Handys auf, rufen ein Taxi und kehren zu ihrem restlichen Tagewerk zurück. Niemand nimmt von den Gespenstern der Nazizeit Notiz. Der Friedhof selbst widerlegt aufs Beste die Idee von der (r)einrassigen Nation; Ein Volk, Ein Reich: Zwischen den moosbewachsenen Namen auf den Grabsteinen taugt die Doktrin nicht mehr. Bauermann ruht neben Czerwinka, Schindler liegt neben Koslowski. Sie bezeugen den ethnischen Mix der Migranten, die das Ruhrgebiet aufgebaut haben – Rheinländer und Polen, Slowaken und Balten, später Griechen, Türken, Italiener, Portugiesen und Koreaner. Bezeichnenderweise befand sich das größte Gefängnis der Gestapo im Dritten Reich im Ruhrgebiet: Die Dissidenten unter den Arbeitern der Region leisteten in den 1930er und 1940er Jahren permanenten Widerstand gegen das NS-Regime. Heute schweigen die Zechen und Fabriken im Ruhrgebiet. Doch ihre Lektion haben sie der Welt hinterlassen: Starke Gemeinschaften entstehen nicht da, wo wir kulturelle Monotonie durch Repression und Repressalien durchsetzen, sondern wo wir das Andere zulassen und unterschiedliche Stärken bündeln. ranJit hoSkote, GEBOREN 1969 IN BOMBAy, IST KULTURKRITIKER FÜR DIE BOMBAy TIMES UND THE HINDU, DICHTER UND SEKRETäR DES INDISCHEN PEN. ER ZäHLT ZU EINER GRUPPE ENGLISCH SCHREIBENDER AUTOREN, DIE IN INDIEN ALS „DIE ZWEITE GENERATION DER POSTKOLONIALEN DICHTER INDIENS“ BEZEICHNET WIRD. AUS DEM ENGLISCHEN VON LILIAN-ASTRID GEESE
IN BOCHUM — DIETMAr Bär
L
aufen, lesen und schreiben habe ich in meiner Heimatstadt Dortmund gelernt – aber das Theaterspielen in Bochum! Stolz trug man das Trikot der „Westfälischen Schauspielschule Bochum“ von 1982-85 und ging damals schon gerne ins Café Treibsand. Als „Müsli“ noch ein Schimpfwort sein konnte, war das Spezial-Müsli im Treibsand (mit der legendären Hausmischung aus dem „Arche“ Bioladen!) das leckerste in der Stadt – und das teuerste. Auch sonst ließ es sich im Treibsand fabelhaft frühstücken, der altersmilde Blick des Anfang Zwanzigjährigen ruhte auf allen Abiturientinnen des benachbarten Gymnasiums, die hier im Außengehege ihre Freistunden abfeierten, nachmittags konnte man hier die eigene Freizeit zwischen den Unterrichtsblöcken der Schauspielschule bei einem ausgezeichneten Milchkaffee verbringen und abends beim frischen Fiege zusammen mit den Mitschülern Probleme der Menschendarstellung diskutieren. Es war schon ein großes BAföG-Grab, das Café Treibsand, aber ein Platz zum Wohlfühlen, sommers wie winters, drinnen und draußen. Das Schöne für mich ist, es hat sein Flair behalten, sodass man sich seine Erinnerungen, seine eigene Nostalgie hier jederzeit beim Müsli, Bier oder Milchkaffee wieder abholen kann. Auf dass es noch lange so bleibe – Glück auf! Dietmar Bär kOMMT AUS DOrTMUND UND STUDIErTE vON 1982 BIS 1985 AN DEr WESTFäLISCHEN SCHAUSPIELSCHULE BOCHUM. ANSCHLIESSEND SAMMELTE Er SEINE ErSTEN BüHNENErFAHrUNGEN AM SCHAUSPIELHAUS.
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IN BOCHUM
IN BOCHUM Sie wurden in der Gegend geboren, sie wurden hier ausgebildet, sie spielten schon vor Jahren am Schauspielhaus und kehren jetzt zur端ck, oder sie sind zum ersten Mal hier. Sechs Ensemblemitglieder zeigen uns einen besonderen Ort der Stadt.
Fotos: Nils-Hendrik Z端ndorf
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IN BOCHUM — MATTHIAS rEDLHAMMEr
D
as alte Fährhaus an der ruhr. Auf der anderen Seite droht die Burg Blankenstein. Man traf sich hier, trank, redete und schaute auf den Fluss. Am Schluss die Frage: Wer kann noch fahren? kann man wieder mal machen, aber Oje, Urs, Uwe, Helmut, Wolfgang, Wolfi, Silvester, Tana, Anneliese, Eleonore, Lore und Lacky fehlen. Ich denke an Euch.
matthiaS reDlhammer STUDIErTE vON 1979 BIS 1981 SCHAUSPIEL IN BOCHUM UND WAr ANSCHLIESSEND vON 1981 BIS 1992 ENSEMBLEMITGLIED DES SCHAUSPIELHAUSES BOCHUM. NACH JAHrEN DES FrEIEN ArBEITENS kEHrT Er NUN ZUrüCk NACH BOCHUM INS FESTENGAGEMENT.
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IN BOCHUM — NICOLA MASTrOBErArDINO
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Ich habe schon fünf Jahre reviererfahrung und bin somit kein Neuling im Pott, aber meine Wurzeln liegen eindeutig weiter südlich, nämlich in der Schweiz. Bis auf meine Familie und meine Freunde fehlt es mir hier an nichts: Berge sind überbewertet, bei dm gibt’s Ovomaltine-Schokolade, Edeka verkauft rivella, das Schweizer Nationalgetränk, und in Sachen Schnee steht Deutschland, zumindest in diesem Winter, der Schweiz in nichts nach. Dennoch muss ich sagen, als ich im Oktober 2009 nach Bochum gezogen bin und mir die Stadt genauer anschauen wollte, präsentierte sich mir die „Blume im revier“ eher als kakteenart; kalt, im Hotel Eden am ring wuchs Moos auf dem Boden, der Weihnachtsmarkt nervte, wie in Essen, bereits nach sehr kurzer Zeit und Burger king war zu (pleite oder aber auch Asbest wie im Hotel Eden)! Doch mittlerweile kenne ich Bochum besser, das Weitmarer Holz mit den Wildschweinen, die belgischen Pommes im Bermudadreieck und das englische Frühstück im konkret. vor Honeyhair, der Frisierbar bei mir um die Ecke, stehen jetzt die Stühle draußen, und im Westpark blühen Gänseblumen und mit ihnen die „Blume im revier“. Nur bei Burger king sind noch immer die Schotten dicht. Macht nix, hol ich mir halt ne Apfelpfanne im Glas-Café auf der kortumstraße und schlendere damit noch mal am Hotel Eden vorbei. NicOla maStrOBerarDiNO kAM AUS DEr SCHWEIZ BErEITS IM JAHr 2005 INS rUHrGEBIET. NACH FüNF JAHrEN ESSEN LEBT Er NUN SEIT HErBST 2009 IN BOCHUM, WO Er AB SOMMEr ENSEMBLEMITGLIED IST.
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IN BOCHUM — MAJA BECkMANN
W
isst ihr eigentlich warum die U35 „U35“ heißt? Weil sie genau 35 Minuten braucht, um Herne und Bochum zu verbinden. Ich bin früher oft mit meiner Oma U-Bahn gefahren, aber immer nur von Herne nach Herne, zum Entenfüttern. Da kannte ich Bochum noch gar nicht, war aber schwer enttäuscht darüber, dass die Untergrundbahn nicht meiner vorstellung einer Geisterbahn entsprach. Irgendwann wagte ich mich dann bis zum Engelbert-Brunnen. In die große Großstadt Bochum, die Stadt der Punks, Dealer und Diskotheken. Im Sommer schüchtern meinen Döner am Brunnen gegessen, Obdachlose ängstlich fasziniert beobachtend, um mich rum kinder barfuß im Brunnen spielend. Der Müll schaukelt an der Wasseroberfläche wie kleine Schiffe. Ein bisschen Italien und Ankara. Dann der erste Milchkaffee im Café konkret. riesen Schale für fünf Mark. Wieder zurück zum Brunnen und warten, wo die anderen bleiben. Aber die U35 heißt auch „U35“, weil man immer 35 Minuten warten muss, bis man wieder zu Hause ist. Ich vermisse den Brunnen, wo ist der überhaupt? Und warum heißt der Engelbert-Brunnen immer noch Engelbert-Brunnen? Ist scheiß-egal, ich warte immer noch da. Nur für fünf Mark einen kaffe zu kriegen ist schwer. Meine Oma ist schon gestorben, aber wenn die U35 irgendwann bis nach köln gebaut würde, bin ich mir sicher, meine Oma würde die Fahrt mit mir machen. Sie würde das Abenteuer wagen, über 35 Minuten hinaus! Und wenn ich mal genug Geld habe, dann bau ich einen neuen Brunnen, mit einem echten Engelbert. PS: Die U35 hält nicht am Engelbert-Brunnen. Für alle, die von Herne nach Bochum fahren wollen: mich anrufen oder Hauptbahnhof aussteigen und richtung Innenstadt laufen. Dann kommt man zum Engelbert-Brunnen. maJa BeckmaNN kOMMT AUS DEM rUHrGEBIET UND IST SEIT 2001 ENSEMBLEMITGLIED AM SCHAUSPIELHAUS BOCHUM.
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IN BOCHUM — kATHArINA LINDEr
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or zwanzig Jahren habe ich schon mal in Bochum angefangen. Da habe ich in der villa Wahnsinn gewohnt und habe mir wenig Gedanken über die Stadt gemacht. Eigentlich nur über das Theater. Jetzt komme ich mit meiner Familie. Deshalb ist die Annäherung an Bochum ganz anders. Wir suchen eine schöne Wohnung, eine Schule haben wir schon gefunden. Ich bin noch nie an ein Theater gegangen, wo so viele, die dort arbeiten, kinder haben. Fühlbare verantwortung für die Zeit, die kommt, für das, was kommen soll. Wie werden wir leben? Wie wollen wir leben? Was können wir mit dem Theater bewirken?
kathariNa liNDer SPIELTE vON 1990 BIS 1995 AM SCHAUSPIELHAUS UND kEHrT NACH ENGAGEMENTS IN BErLIN UND FrANkFUrT ZUrüCk NACH BOCHUM.
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IN BOCHUM — ANDrEAS GrOTHGAr
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ie Eisenbahnüberführung königsallee. Wenn man mit dem Zug von Essen aus durch Bochum fährt, sieht man ganz kurz das Schauspielhaus auf der rechten Seite. Ein ganz kurzes Bild. Eine Trutzburg, Würde und Tradition, ein festes Haus. Die Fahnen auf dem Dach. Ein erhabener Anblick. Ich hatte immer den Eindruck, in Bochum ist das Theater das größte und wichtigste Gebäude der Stadt. Später hab ich immer danach Ausschau gehalten, bin manchmal sogar extra an ein freies Fenster gegangen, um es zu sehen. Ein kollege, der länger in Bochum engagiert war, erzählte mir, ihm gehe es genauso. Er hat die Zeit in Bochum geliebt. Da er viel mit der Bahn unterwegs ist, fährt er oft durch Bochum. Er steht jedes Mal auf und guckt, und wenn er das Haus sieht, kommen ihm manchmal die Tränen. Ich glaube, ich verstehe, was er meint.
aNDreaS GrOthGar LEBT UND ArBEITET SEIT 2005 IM rUHrGEBIET. IM SOMMEr 2010 WECHSELT Er ANS SCHAUSPIELHAUS, WO Er NACH STATIONEN WIE ESSEN, HAMBUrG UND MüNCHEN ZUM ErSTEN MAL SPIELEN WIrD.
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Freunde FREUnDESKREIS
Das Schauspielhaus Bochum ist eine Institution, von der wegweisende Impulse für die Entwicklung der deutschen Theatergeschichte ausgingen. Seit seiner Gründung 1919 durch Saladin Schmitt sind hier Dramatiker entdeckt und gefördert worden, hat sich mancher Regiestil entwickelt, haben hier Schauspieler ihre Karriere begonnen oder sich künstlerisch weiterentwickelt, die zu den Großen des deutschsprachigen Theaters zählen. So hat dieses Haus eine Bedeutung gewonnen, die weit über die Grenzen der Stadt hinausragt. Das verlangt ideelle und materielle Unterstützung.
Die Freundeskreismitglieder wählen auch die Schauspieler, die für den Bochumer Theaterpreis nominiert werden, der seit 2006 in zwei Kategorien verliehen wird. Der Freundeskreis unterstützt aus seinen und eingeworbenen Einnahmen durch Patenkarten auch junge Menschen, die sich aus finanziellen Gründen einen Theaterbesuch nicht erlauben können. Als Dankeschön für ihren Einsatz für das Schauspielhaus wird den Freundeskreismitgliedern auch ein früherer Vorverkaufstermin gewährt. Sie können ihre Karten bereits einen Tag vor den Wahl-Abonnenten beziehen.
Um das zu leisten, hat sich 1994 der Freundeskreis Schauspielhaus Bochum gegründet. Seine Mitglieder wollen nicht nur dem Haus die angemessene Unterstützung zukommen lassen, sie wollen auch durch vielfältige Aktionen mit dazu beitragen, dieses Theater und seine Mitarbeiter noch besser kennen zu lernen, um die Identifikationsbereitschaft zu erhöhen.
Die Freundeskreismitglieder kommen nicht nur aus Bochum, sondern auch aus anderen Städten der Region, ja, sogar aus Berlin, wie unser prominentestes Mitglied Otto Sander. Es lohnt sich, Mitglied im Freundeskreis des Schauspielhauses Bochum zu werden. Wollen Sie nicht auch dabei sein?
Wie kann das gelingen? Hans Joachim Salmen – Vorsitzender des Freundeskreises Gespräche mit Regisseuren, Dramaturgen, Schauspielern und anderen Mitarbeitern des Hauses tragen dazu bei, Theater besser zu verstehen. Freundeskreismitglieder können vielleicht auch schon durch Probenteilnahme erfahren, was einer Premiere voran geht. Führungen durchs Haus oder einzelne Abteilungen helfen, die Produktionsprozesse besser zu verstehen. 124
Heinrich-König-Str. 73 44795 Bochum Tel.: 0234 / 47 35 93 E-Mail: hajosalmen@aol.com
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MITARBEITER
Mitarbeiter
Theaterleitung
Bühnen- und Kostümbildner
Sprecherziehung und Stimmbildung
Patrick Bannwart, Irina Bartels, Raimund Bauer, Julia Borchert, Dorothee Curio, Thomas Dreißigacker, Muriel Gerstner, Thomas Goerge, Gerhard Gollnhofer, Nadine Grellinger, Sascha Gross, Michael Habelitz, Mirek Kaczmarek, Cathleen Kaschperk, Knut Klaßen, Justyna Lagowska, Claude Leon, Theun Mosk, Christina Mrosek, Meentje Nielsen, Silke Rekort, Isabell Robson, Claudia Rohner, Kaï Rostom, Irina Schicketanz, Kathrin Schlecht, Nini von Selzam, Ansgar Silies, Julia Ströder, Esat Tekand, Dirk Thiele, Ezio Toffolutti, Carla Johanna von Gehren, Kathrine von Hellermann
Prof. Peter-Georg Bärtsch, Eva Pieper
Musik
Statisterie Beatrix Feldmann
Chefdramaturg Thomas Laue Dramaturgen Anna Haas, Olaf Kröck, Sabine Reich, Paul Slangen (Gast) Dramaturgieassistent Sascha Kölzow
Henning Beckmann, Vivan Bhatti, Anke Brouwer, Cornelius Borgolte, Jean Claude Dagbo, Emanuel Hauptmann, Torsten Kindermann, Daniel Friedel Murena, Will-Jan Pielage (Sounddesign), Karsten Riedel, Roderik Vanderstraeten, Lars Wittershagen
Kommunikation
Musiker
Leitung und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Christine Hoenmanns Marketing und Öffentlichkeitsarbeit Janna Balke Grafik Stephanie Weber Fotografen Thomas Aurin, Arno Declair, Diana Küster
Lieke Arts, Jean Claude Dagbo, Gregor Hengesbach, Andreas Jansen, Torsten Kindermann, Ingmar Kurenbach, Antonis Pratsinakis, Karsten Riedel, Hans van der Meer, Ton van der Meer, Roderik Vanderstraeten, John van Oostrum, Jan Sebastian Weichsel, Katya Woloshin
Junges Schauspielhaus
Video
Leitung Martina van Boxen Theaterpädagogin Sandra Anklam
Bibi Abel, Karnik Gregorian, Michael Habelitz, David Lammers, Ansgar Silies
Intendant Anselm Weber Kaufmännischer Direktor Rolf D. Suhl Persönliche Mitarbeiterin der Intendanz Tonia Tilch Persönliche Referentin des Kaufmännischen Direktors Anne Rockenfeller Verwaltungsleitung Brigitte Käding
Künstlerisches Betriebsbüro Künstlerischer Betriebsdirektor Stephan Wasenauer Chefdisponentin und Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros Jutta van Asselt Mitarbeiterin Christina Lutz
Dramaturgie
Regie Malou Airaudo, David Bösch (leitender Regisseur), Carola Bühn, Nuran David Calis, Cilli Drexel, Christoph Frick, Monika Gintersdorfer, Heike M. Götze, Mahir Günsiray, Fadhel Jaibi, Jan Klata, Paul Koek, Katja Lauken, Jan Neumann, Lisa Nielebock, Arne Nobel, Sebastian Nübling, Stephanie Sewella †, Sahika Tekand, Katharina Thalbach, Martina van Boxen, Dries Verhoeven, Roger Vontobel (Hausregisseur), Anselm Weber
Regieassistenz Barbara Hauck, Jasna Miletic´, Christina Pfrötschner; Monika Gies (Gast), Christian Jäger (Gast)
Bühnen- und Kostümbildassistenz Henriette Barniske, Sarah Bernardy, Mara Klimek, Bettina Knaack, Nadine Richter, Carla Johanna von Gehren
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choreografie Klaus Figge (Kampfszenen), Malou Airaudo, Mac´ko Prusak, Renegade
Inspizienz Christina Baston, Gerd Beiderbeck, Christiane Laux, Alexander Störzel, Ulrike Schaper
Souffleusen Sybille Hadulla-Kleinschmidt, Jutta Schneider, Fee Sachse, Isabell Weiland
Technische Leitung Technischer Direktor Hajo Krause Sekretariat Marion Treckmann Assistenz des Technischen Direktors Alexandra Kaiser Produktions- und Werkstättenleiter Oliver Kroll Produktionsbüro Christian Acht, Michael Friebele Bühnentechnische Leitung Franz Schenkel Bühnenobermeister Michael Mikolajczak Bühnenmeister Andreas Dudzik, Uwe Marx, NN
Bühnentechnik Thomas Arndt, Verena di Battista, Michael Doering, Christian Drolshagen, Holger Dünnebacke, Frank Engel, Klaus Fabri, Andreas Fernau, Erwin Fiebrandt, Jan Flügge, Reinhard Frese, Dietmar Görtzen, Jörg Hommann, Anatolij Kalencuk, Andreas Korfmann, Detlef Kornath, Frank Koslowski, Frank Kuhlmeier, Abdelkader Lashab, Hans-Georg Ludwiczak, Alfred Lübbehusen, Lucian Martin, Manfred Mollenhauer, Maik Rohnke, Saskia Sawatzki, Nafiz Sayki, Peter Schaffrinna, Olaf Schmeink, Jürgen Schnurbusch, Martin Sievering, Patrick Steinkamp, Christian Szyska, Ali Tugrul, Uwe Wagner, Thomas Wessling, Dirk Wils, Thomas Wrobel
Mitarbeiter
Beleuchtung
Schreinerei
Leitung und Lichtgestaltung Andreas Bartsch, Bernd Felder Assistenz der Leitung NN Beleuchtungsoberinspektor Bernd Kühne Beleuchtungsmeister Denny Klein Beleuchter Timo Berghaus, Armin Bönnemann, Fiorenzo Bonazza, Hans Dzwigoll, Norbert Eggers, Christoph Jacob, Detlev Jon, Gerd Jordan, Kay Kämper, Waldemar Lehmann, Frank Lukaschewski, Ulrich Meist, Axel Middeke, Alfred Rapp, Max Reinhardt, Marek Schoder, Thomas Sikora, Michael Stumpf, Paul Wallraff, Michael Zoll
Leitung Jürgen Brucks Schreiner Vitalij Grauberger, Andreas Rauth, Britta Sabanovic, Ursula Schemme, Oliver Sievers
Veranstaltungstechniker Frank Engel, Michael Hopp, Sven Klauswald, Daniel Lüder Auszubildende Moritz Macho, Demian Meier, Christian Mertens, Marie-Claire Pauli
Technische Leitung Theater unten Alexandr Gershman
Ton/Video Leitung Christoph Bonk, Andreas König Tontechniker Andreas Eich, Karl Haase, Jürgen Jaeger, Frederic Mingo Video Matthias Fleskes, NN
Malersaal Leitung Gudrun Schönbeck-Wach Theatermaler Markus Loer, Anja Mauruschat, Silke Kost Theatermalerin/Kascheurin Miriam Sasserath Näherin Heike Ringelband Maler Jörg Palmberg Auszubildende Maike Prause
Polsterei Dekorateurin Julia Wagner
Schlosserei Leitung Olaf Schug Schlosser Michael Bitzkowski, Jörg Borrmann, Michael Holle, Thomas Marx, Joachim Stroka
Schneiderei Kostümdirektorin Britta Brodda Gewandmeisterin Damen Cornelia Fischer Gewandmeister Herren Dieter Zunke Damenschneiderei Anne Burkhardt, Anke Flüs, Claudia Hellwig, Anita Pyrkosch, Ellen Salewsky, Doris Schaefer, Petra Woytke Herrenschneiderei Hannah Brüggemann, Erich Ciecior, Monika Drost, Jörg Liebisch, Andrea PoglajenLoetters, Christel Sareyka, Nicole Wippich, Robert Zydek Ankleiderinnen Oumlaid Strenger, Silvia Stemmer Schuhmacher Ralf Oberste-Beulmann Putzmacherin Andrea Räckers Fundusverwalter Guido Hußmann
Maske Chefmaskenbildnerin Elke Böttcher Stellvertretender Chefmaskenbildner Georg Herzog Maskenbildner Tanja Bade, Christian Bernecker, Katharina Bondzin, Parwin Fakir, Birte Greiwe, Monika Jankowski, Stefanie Lingener, Barbara Lork, Ursula Menßen, Henryk Minkiewicz, Jana Müller, Astrid Schenkel, Ursula Schürer Auszubildende Svenja Hartnack
Requisite Leitung Kornelia Helisch Requisiteure Jessica Cosse, Andrea Figger, Astrid Freyer, Sonja Klisch, Juliane Görtzen, Wolfgang Vogt, Janneta Turska
Verwaltung Leitung Brigitte Käding Sekretariat Christiane Koscholleck Personalabteilung Elke Günthner Mitarbeiter Natalie Dammer, Petra Halfmeier, Sabine Sallamon, Dirk Welschehold, Linda Wuttke Rechnungsabteilung Ute Hellwig
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Mitarbeiter Jan Herder, Sandy Bäcker, Sabine Blome, Detlev Massmann EDV Michael Kowalczyk Haus- und Gebäudeverwaltung Dominik Hübschen Urheberrechte, Werbung, Gastspiele Ulrike Klimach
Personalrat Vorsitzende Linda Timmermann
Theaterkasse/Abobüro Leitung Karin Bünten Mitarbeiterinnen Christina Brand, Renate Dehnhardt, Eylem Durus, Heike Glöckner, Ellen Heiermann, Daniela Koscholleck, Petra Krolikowski, Ute Kruse, Christel Müller, Brigitte Siepa, Ursula Steingaß, Tülin Ucur, Susanne Wuttke
Einlass/Garderobe Leitung Oliver Blum Vorarbeiterinnen Renate Münch-Gallasch, Regina Koch Mitarbeiterinnen Dragina Barzik, Rosel Christa Bönnemann, Ute Grutsch, Carola Gurok, Rita Held, Christiane Kunick, Heide Lobschat, Birgit Uschkurat
Hausdienst Manfred Bartnick, Oliver Bußmann, Udo Hermes, Johannes Raser, Helge Werthschütz
Pforte Rosel Christa Bönnemann, Cornelia Kiszka, Wolfgang Kroner, Cornelia Skusa, Barbara Sonnak Nachtpförtner Bernhardt Jeloneck, Wolfgang Welt
Transportarbeiter Ulrich Brozio, Udo Giehl, Bernhard Kampik, Torben Schmidt Kraftfahrer Willy Doering, Jürgen Gönder, Christian Kückelheim
Gastronomie Leitung Helge van Dornick, Jochen Stein Verwaltung Julian Schmitz Leitung Tanas Fabian Strelow Küche André Thurm Eve Bar Lena van Dornick Kantine Elken Krüger, Angelika Stanek
Kartenverkauf
Wir spielen mit Ihrem Leben. Abend f端r Abend. 0234 / 33 33 55 55
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Kartenverkauf
Kartenverkauf
Schriftliche Kartenbestellung Legen Sie bei schriftlichen Kartenbestellungen bitte einen Verrechnungscheck oder einen Wahl-Abo-Gutschein bei. Gerne rufen wir Sie für eine Zahlung mit Kreditkarte zurück. Die Eintrittskarten werden Ihnen kostenfrei zugesandt. Abonnenten werden bevorzugt berücksichtigt. Postanschrift: Theaterkasse Schauspielhaus Bochum Königsallee 15 44789 Bochum
Vorverkaufsbeginn 0234 / 33 33 55 55 www.schauspielhausbochum.de
Der freie Verkauf für Veranstaltungen des Schauspielhauses Bochum beginnt am 1. Mittwoch des Vormonats. Inhaber eines Wahl-Abonnements können ab dem 1. Montag des Vormonats ihre Wahl-Abo-Gutscheine einlösen.
Theaterkasse
Kartenreservierung
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla Platz 44789 Bochum
Holen Sie Ihre reservierten Karten bitte innerhalb von 14 Tagen ab. Nicht abgeholte Karten gehen zurück in den freien Verkauf. Wir bitten um Verständnis, dass nur bezahlte Karten an der Abendkasse hinterlegt werden können.
MO – FR 10.00 – 18.00 Uhr SA 10.00 – 14.00 Uhr, 18.00 Uhr bis Öffnung der Abendkasse SO 17.00 – 18.00 Uhr (Abendkasse Schauspielhaus) Tel.: 0234 / 33 33 55 55 Fax: 0234 / 33 33 55 12 E-Mail: tickets@schauspielhausbochum.de
Bezahlung Bar, mit EC- oder Kreditkarte an der Theater- und Abendkasse. Mit Kreditkarte über den Online-Spielplan unter www.schauspielhausbochum.de.
Geschenkgutscheine
Vom 5. Juli bis zum 15. August 2010 und an Feiertagen ist die Theaterkasse geschlossen.
Vorverkauf an der Ruhr-Universität Bochum Auf dem Campus der Ruhr-Universität sind wir montags bis freitags von 10.00 – 14.00 Uhr für Sie da! An unserem Verkaufs- und Infostand im Mensafoyer erhalten Sie während der Vorlesungszeit Karten für alle Vorstellungen.
Abendkasse Ab einer Stunde vor Vorstellungsbeginn. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir an der Abendkasse nur Karten für die Abendvorstellungen verkaufen.
Kartenkauf über das Internet www.schauspielhausbochum.de Sichern Sie sich rund um die Uhr Ihre Eintrittskarten für den nächsten Theaterbesuch! Beim Kartenkauf über unseren Online-Spielplan zahlen Sie mit Ihrer Kreditkarte und drucken sich Ihre Karten anschließend über das „Print-atHome“-System bequem zu Hause aus. Über das Internet gekaufte Karten können nicht zurückerstattet oder umgetauscht werden.
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Verschenken Sie Theater! Gutscheine für Theatervorstellungen erhalten Sie das ganze Jahr über an unserer Theaterkasse. Wir beraten Sie gern! Die Gutscheine sind ab Kauf zwei Jahre lang gültig und gelten für alle Spielstätten des Schauspielhauses Bochum.
Preise
Preise
Premierenzuschlag: Auf alle Karten und Wahl-Abo-Gutscheine 4,00 €. Ermäßigung: Für Schüler und Studenten (bis zum 29. Lebensjahr), Azubis, Wehr- und Ersatzdienstleistende, Schwerbehinderte (ab 80%) und Inhaber eines Vergünstigungsausweises. Volle Hütte: Achten Sie auf die Aktion „Volle-Hütte“ in unserem Spielplan und zahlen Sie bei der ausgesuchten Vorstellung in den Preisgruppen 1 - 3 nur 10,00 €! Last-Minute-Tickets: 5,50 €. Erhältlich an der Abendkasse ab 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn für Schüler und Studenten (bis zum 29. Lebensjahr), Azubis und Wehrund Ersatzdienstleistende.
Schauspielhaus & Kammerspiele
Repertoire
ermäßigt
Preisgruppe 1 Preisgruppe 2 Preisgruppe 3 Preisgruppe 4
23,10 € 17,60 € 12,10 € 8,80 €
12,10 € 8,80 € 6,60 € 5,50 €
Theater unten
Repertoire
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freie Platzwahl
9,35 €
6,60 €
Repertoire
ermäßigt
9,00 €
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8,00 €
4,00 €
Repertoire
ermäßigt
9,00 €
5,00 €
Jugendvorstellungen freie Platzwahl
Kindervorstellungen & Jugendclubs freie Platzwahl
Kinder- und Familienstück „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ Preisgruppe 1 - 4
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Abonnements
Abonnements
Wahl-Abonnements Unsere Klassiker für alle, die flexibel bleiben möchten! Mit den Gutscheinen eines Wahl-Abos haben Sie die große Freiheit – gehen Sie alleine, zu zweit, nehmen Sie Freunde oder Verwandte zu einem gemeinsamen Theaterbesuch mit und entscheiden Sie selbst, wann Sie welche Inszenierung sehen möchten. Ihre Kartenwünsche nehmen wir bereits zwei Tage vor Beginn des freien Verkaufs entgegen.
Wahl-Abo mit 10 Gutscheinen Mehr ausgehen, mehr erleben, mehr Theater! Mit einem Abonnement des Schauspielhauses Bochum können Sie bares Geld sparen oder sich selbst einen kleinen Kulturstupser geben. Für alle Individualisten, die sich ihren Spielplan selbst zusammenstellen möchten, bieten wir weiterhin unsere beliebten Wahl-Abos mit Gutscheinsystem an. Neu hinzu kommen ab sofort sechs Fest-Abo-Angebote, mit denen wir die Planung Ihres Theaterbesuchs zu einer entspannten Angelegenheit werden lassen: Sie entscheiden sich nur einmal und haben anschließend Terminsicherheit über die gesamte Spielzeit sowie Lieblingsplatz-Garantie auch bei ausverkauften Vorstellungen. Neben zwei exklusiven Premieren-Abos und drei Wochentag-Abos haben wir dabei auch ein besonderes Kombi-Abo mit dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen im Gepäck. Schauen Sie sich um – unser Abo-Team berät Sie gern!
Abo-Büro Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla Platz 44789 Bochum
Erwerben Sie zehn Wahl-Abo-Gutscheine bei freier Stückund Terminwahl und sparen Sie dabei je nach Preisgruppe bis zu 30%. Sie können pro Vorstellung beliebig viele Gutscheine einlösen. Bei Premieren zahlen Sie nur den allgemeinen Premierenzuschlag von 4,00 €. Die Gutscheine gelten für die laufende Spielzeit.
Wahl-Abo Preisgruppe 1 Preisgruppe 2 Preisgruppe 3 Preisgruppe 4
10 Gutscheine
ermäßigt
165,00 € 126,50 € 82,50 € 60,50 €
82,50 € 66,00 € 60,50 € 55,00 €
Kombi-Wahl-Abo „Theater und Konzert“ mit 10 Gutscheinen Das kombinierte Theater- und Konzert-Abo bietet geballte Bochumer Kulturkraft! Sehen Sie sechs Vorstellungen des Schauspielhauses Bochum und hören Sie vier Konzerte der Bochumer Symphoniker. Bei den Theatervorstellungen haben Sie freie Platz- und Stückwahl, die Gutscheine für die Konzerte gelten für die Konzertreihen „Symphoniekonzert“ (DO und FR) und „Symphonie Spezial“.
MO – FR 10.00 – 18.00 Uhr SA 10.00 – 14.00 Uhr Tel.: 0234 / 33 33 55 - 40 oder -49 Fax: 0234 / 32 55 957 E-Mail: abo@schauspielhausbochum.de
Kombi-Wahl-Abo
Vom 5. Juli bis zum 15. August 2010 ist das Abo-Büro MO – FR von 10.00 – 16.00 Uhr geöffnet.
Preisgruppe 1 Preisgruppe 2 Preisgruppe 3 Preisgruppe 4
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6 x Theater + 4 x Konzert
ermäßigt
178,20 € 135,10 € 97,30 € 75,20 €
89,10 € 69,30 € 60,50 € 52,80 €
Abonnements
Neu: Fest-Abonnements
Premieren-Abonnements
Lassen Sie lange Schlangen an der Vorverkaufskasse hinter sich, sichern Sie sich Ihren Lieblingsplatz und erleben Sie die Höhepunkte der Saison – kurzum: Freuen Sie sich mit unseren neuen Fest-Abos auf entspannte Theaterbesuche im Schauspielhaus Bochum! Wenn Sie sich für eines unserer sechs Angebote entscheiden, genießen Sie Planungssicherheit über die gesamte Spielzeit und sparen gleichzeitig bis zu 25% gegenüber den regulären Eintrittspreisen. Und wenn Ihnen trotzdem mal was dazwischen kommt, können Sie Ihren Abo-Ausweis einfach an Ihren Nachbarn oder die nette Kollegin weiterreichen oder alternativ bis zu zwei der vorgesehenen Abo-Vorstellungen gegen andere Vorstellungstermine des Stücks in der laufenden Spielzeit umtauschen.
Spüren Sie die besondere Atmosphäre und Spannung eines Premierenabends und gehören Sie zu den ersten Zuschauern, die unsere neuen Inszenierungen sehen! Unsere Premieren-Abos bieten Ihnen acht ausgesuchte Höhepunkte der Theatersaison und einen festen Sitzplatz (inklusive Premierenzuschlag).
Premieren-Abo 1: Schauspielhaus Candide oder Der Optimismus DO 23. September 2010 SA 25. September 2010 Der Sturm Die Labdakiden SA 9. Oktober 2010 SA 4. Dezember 2010 Faust Cyrano de Bergerac SA 29. Januar 2011 SA 19. Februar 2011 Kasimir und Karoline AmerikA SA 2. April 2011 Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui SA 28. Mai 2011
Premieren-Abo 2: Schauspielhaus & Kammerspiele Der Sturm SA 25. September 2010 Eisenstein SO 26. September 2010 die labdakiden SA 9. Oktober 2010 Oft ist die Natur nicht einmal Schön FR 3. Dezember 2010 Cyrano de Bergerac SA 29. Januar 2011 Jimi Bowatski hat kein schamgefühl FR 25. März 2011 Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui SA 28. Mai 2011 Die Jungfrau von Orleans im Juni 2011
Premieren-Abos Preisgruppe 1 Preisgruppe 2 Preisgruppe 3 Preisgruppe 4
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8 Premieren 208,00 € 164,00 € 120,00 € 98,00 €
Abonnements
Werktags-Abonnements
Sonntagnachmittags-Abonnement
Machen Sie den Mittwoch oder den Freitag zu Ihrem Theatertag und sehen Sie von Ihrem festen Lieblingsplatz aus acht Neuinszenierungen der laufenden Saison in Schauspielhaus und Kammerspielen. Ihre Plätze sind Ihnen sicher – bei einer Ermäßigung von bis zu 25%.
Der Vorstellungsbesuch am Abend ist Ihnen und Ihrer Familie zu spät? Dann kommen Sie doch einfach Sonntagnachmittag ins Theater! An fünf ausgewählten Terminen sehen Sie jeweils um 17.00 Uhr eine unserer Neuinszenierungen in Schauspielhaus und Kammerspielen. Dabei sparen Sie bis zu 45% gegenüber den regulären Eintrittspreisen und können Ihr Wochenende ganz entspannt ausklingen lassen.
Werktags-Abo 1: Mittwoch Medea MI 20. Oktober 2010 Faust MI 8. Dezember 2010 Candide oder Der Optimismus MI 12. Januar 2011 Oft ist die Natur nicht einmal Schön MI 2. Februar 2011 kasimir und karoline MI 16. März 2011 Der Sturm MI 20. April 2011 Der Fall des Robert K. MI 18. Mai 2011 Die Labdakiden MI 29. Juni 2011
Candide oder Der Optimismus Eisenstein Faust Cyrano de Bergerac Die Jungfrau von Orleans
SonntagsAbo
Werktags-Abo 2: Freitag Die Labdakiden FR 15. Oktober 2010 Eisenstein FR 17. Dezember 2010 Der Sturm FR 14. Januar 2011 Faust FR 4. März 2011 Jimi Bowatski hat kein schamgefühl FR 1. April 2011 Amerika FR 29. April 2011 Cyrano de Bergerac FR 3. Juni 2011 Die Jungfrau von FR Orleans 15. Juli 2011
Werktags-Abo Preisgruppe 1 Preisgruppe 2 Preisgruppe 3 Preisgruppe 4
5 x Schauspielhaus + 3 x Kammerspiele
ermäßigt
145,20 € 110,00 € 74,80 € 52,80 €
110,00 € 83,60 € 57,20 € 44,00 €
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Preisgruppe 1 Preisgruppe 2 Preisgruppe 3 Preisgruppe 4
SO 31. Oktober 2010 SO 9. Januar 2010 SO 6. Februar 2010 SO 17. April 2011 SO 3. Juli 2011
3 x Schauspielhaus + 2 x Kammerspiele
ermäßigt
63,80 € 47,30 € 33,00 € 27,50 €
27,50 € 27,50 € 27,50 € 27,50 €
Abonnements
6 Richtige: Das Revier-Abo
Abo-Bedingungen
Für Schauspiel-Liebhaber, die auch gern in die Oper gehen, haben wir ein besonderes Vorstellungspaket für Sie geschnürt, mit dem wir die alte Verbundenheit mit dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen wieder aufleben lassen. Kommen Sie bei dem neuen städteübergreifenden Fest-Abo jeweils donnerstags zu drei Theatervorstellungen ins Schauspielhaus Bochum und zu drei Opern ins Musiktheater im Revier.
Vertrag Mit der Bestellung eines Abonnements und der Zusendung der Abo-Unterlagen wird ein rechtsgültiger Vertrag zwischen Ihnen und dem Schauspielhaus Bochum geschlossen. Bitte teilen Sie uns Änderungen Ihrer Adresse oder Telefonnummer mit, damit der Monatsspielplan und andere Informationen Sie ohne Verzögerung erreichen.
GE: Mefisto BO: Candide oder Der Optimismus GE: Anatevka BO: Der Sturm GE: Zar und Zimmermann BO: Cyrano de Bergerac
6 Richtige: Das Revier-Abo Preisgruppe 1 Preisgruppe 2 Preisgruppe 3 Preisgruppe 4
DO 11. November 2010
Bezahlung Bar, mit EC- oder Kreditkarte im Abo-Büro. Für eine besonders komfortable Abwicklung bieten wir unseren Abonnenten das Lastschrifteinzugsverfahren an.
DO 3. Februar 2011 DO 3. März 2011 DO 14. April 2011 DO 12. Mai 2011 DO 30. Juni 2011
Fristen Ihr Abonnement verlängert sich automatisch um eine weitere Spielzeit, sofern der Vertrag nicht von einem der beiden Vertragspartner bis spätestens 15. Juni der laufenden Spielzeit schriftlich gekündigt wird.
3 x Schauspielhaus + 3 x Musiktheater im Revier 140,00 € 120,00 € 100,00 € -
Hinweise Das Schauspielhaus Bochum behält sich vor, bei Premieren und bei Vorstellungen mit großer Nachfrage pro Wahl-Abo nur zwei Gutscheine einzulösen. Wahl-Abo-Gutscheine sind nicht in die folgende Spielzeit übertragbar, ein Ersatz bei Verlust der Gutscheine ist nicht möglich. Im Rahmen der Fest-Abo-Bestellung wird das Schauspielhaus Bochum alles unternehmen, die durch den Abonnenten getroffene Platzwahl einzuhalten. Es hat aus künstlerischen und/oder organisatorischen Gründen allerdings das Recht, kurzfristig Platzänderungen oder Änderungen der Spielstätte vorzunehmen, Abonnement-Vorstellungen auf einen anderen Termin zu verlegen oder das vorgesehene Programm zu ändern. Bei Ausfall einer Vorstellung durch Streik oder höhere Gewalt hat der Abonnent keinen Anspruch auf eine Ersatzleistung. Dies gilt ebenso bei Versäumnis einer Vorstellung. Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Schauspielhauses Bochum. Änderungen vorbehalten.
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Ihr Besuch im Schauspielhaus Bochum
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Südring
unser Spielzeit-Magazin informiert Sie über die geplanten Premieren der Saison und erscheint einmal jährlich zur vorstellung des kommenden Spielplans im frühjahr.
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Königsallee
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SCHAUSPIELHAUS BOCHUM
Spielplan
Mit dem Auto
Der Monatspielplan mit allen terminen des Schauspielhauses Bochum erscheint zu Beginn des vormonats und liegt an der theaterkasse, in unseren Spielstätten und an vielen weiteren Orten in Bochum und umgebung für Sie aus. Auf Wunsch schicken wir Ihnen den Monatsspielplan auch zu. Eine Download-Version finden Sie im Internet unter www.schauspielhausbochum.de
Das Bochumer Schauspielhaus befindet sich in der südlichen Bochumer Innenstadt und ist von den Autobahnen A40 und A43 in wenigen Minuten zu erreichen. eine detaillierte Anfahrtsbeschreibung finden Sie unter www.schauspielhausbochum.de.
Theaterzeitung
Die Zieladresse für Ihr navigationsgerät: Königsallee 15, 44789 Bochum
Die neue theaterzeitung von Schauspielhaus Bochum und dem Musiktheater im revier Gelsenkirchen liegt ab Herbst 2010 monatlich als Beilage der WAZ bei und natürlich auch an der theaterkasse.
Der Melanchthonsaal liegt ebenfalls an der Königsallee und ist nur wenige Meter vom Schauspielhaus entfernt: Königsallee 40, 44789 Bochum
Website
Parkhaus am Schauspielhaus (P9, Zufahrt Königsallee) zum Pauschalpreis von 3,00 euro.
Auf www.schauspielhausbochum.de finden Sie aktuelle Änderungen und alle Infos zum Schauspielhaus Bochum, zum Spielplan, den Schauspielern, regisseuren und ihren Inszenierungen. Hier können Sie auch online Ihre Karten für die vorstellungen kaufen.
Programmhefte Die Programmhefte unserer aktuellen Inszenierungen sind zu den vorstellungen und nach der Premiere auch an der theaterkasse erhältlich.
Parken
Mit Bus und Bahn Zur Haltestelle „Schauspielhaus“ gelangen Sie mit den Buslinien SB 37, Ce 31, 353, 354 und 365, den nachtexpresslinien ne 4 und ne 5 sowie den u-Bahnlinien 308 und 318. Alle Linien fahren über den Bochumer Hauptbahnhof. Planung über www.vrr.de.
Barrierefreiheit Im Schauspielhaus stehen Ihnen zwei rollstuhlplätze zur verfügung (3. reihe, links außen). Wir bitten um rechtzeitige reservierung. um barrierefrei zu Ihren Plätzen zu gelangen, nutzen Sie bitte die rampe am Haupteingang. Behindertengerechte WC-Anlagen befinden sich im Erdgeschoss links. Leider sind die weiteren Spielstätten bislang noch nicht barrierefrei erreichbar. Gemeinsam mit den Politikern und der verwaltung der Stadt Bochum arbeiten wir an einer verbesserung der Zugangsmöglichkeiten.
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GasTRoNomie Tanas
Vorhang auf für Reiselust.
Die Speisekammer im Schauspielhaus Bochum Öffnungszeiten: MO – fr 12.00 – 14.30 uhr (Mittagstisch) MO – SA 18.00 – 1.00 uhr SO 17.00 – 1.00 uhr Abends geschlossen, wenn sowohl im Schauspielhaus, im theater unten als auch in den Kammerspielen keine vorstellung stattfindet. reservierungen: tel.: 0234 / 33 33 54 44
Eve Bar Cocktail Lounge Öffnungszeiten: DO – SA 21.00 – 3.00 uhr und vor feiertagen www.evebar.de
Foyers Wir bieten Ihnen an drei tresen vor vorstellungsbeginn und in der Pause kleine Snacks sowie eine breit gefächerte Getränkeauswahl an.
TheaTeRFühRuNGeN Werfen Sie einen interessanten Blick hinter die Kulissen! Die kostenlosen Führungen finden in der Regel einmal im Monat an einem Sonntag statt, termine entnehmen Sie bitte unserem Monatsspielplan. Anmeldung bei Beatrix feldmann: MO – DO 10.00 – 12.00 uhr tel.: 0234 / 33 33 55 48 e-Mail: bfeldmann@bochum.de
Was die hohe Kunst des Bühnenschauspiels mit Reisen verbindet? Beide erfreuen den Geist und bereichern die Seele. Deshalb arbeiten wir ständig an aufregenden Inszenierungen für Ihre Reiselust. Ganz gleich, wie Ihre Wünsche und Ansprüche an individuellen Urlaub sind. Als Vollsortimenter können Sie bei uns jede Reise, jede Airline und jeden Veranstalter buchen. Beliebt sind unsere Honeymoon-Angebote mit Romantik pur und Erlebnissen, die zu Herzen gehen. Und wie man Geschäftsreisende mit einem perfekten Service glücklich macht, wissen unsere eingespielten Teams aus langer Erfahrung. Welche Traumziele und Traumstrände auf unserem tagesaktuellen Reiseplan stehen, rezitieren wir gerne in einem persönlichen Gespräch. Besuchen Sie uns und genießen Sie eine ganz persönliche Beratung. Von Menschen, die sich fürs Reisen begeistern.
Zu GasT iN bochum Informationen über die Stadt Bochum, Übernachtungsmöglichkeiten, Stadtführungen und viele weitere Angebote rund um Ihren Aufenthalt in Bochum erhalten Sie bei der Bochum touristinfo, Huestraße 9, 44787 Bochum tel.: 01805 / 26 02 34 (14ct/Min. aus dem dt. festnetz) e-Mail: info@bochum-tourismus.de www.bochum-tourismus.de
FRaGeN, aNReGuNGeN, KRiTiK? Wir freuen uns über Ihre nachrichten und Ihr feedback. e-Mail: schauspielhaus@bochum.de
Kortumstraße 37 44787 Bochum Tel. 02 34-9 61 80 0 Fax 02 34-9 61 80 30 info@lcc-bochum.de www.lcc-bochum.de Reiselust spürbar nah.
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Kontakt
Kontakt
Kommunikation Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Christine Hoenmanns Tel.: 0234 / 33 33 55 23 Fax: 0234 / 33 33 54 37 E-Mail: choenmanns@bochum.de Marketing und Öffentlichkeitsarbeit: Janna Balke Tel.: 0234 / 33 33 54 35 Fax: 0234 / 33 33 54 37 E-Mail: jbalke@bochum.de
Dramaturgie Assistenz: Sascha Kölzow Tel.: 0234 / 33 33 54 38 Fax: 0234 / 33 33 55 19 E-Mail: schauspielhaus@bochum.de
SCHAUSPIELHAUS BOCHUM Anstalt des öffentlichen Rechts Königsallee 15 44789 Bochum Tel.: 0234 / 33 33 -0 (Zentrale)
Junges Schauspielhaus
Theaterkasse Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla Platz 44789 Bochum Tel.: 0234 / 33 33 55 55 Fax: 0234 / 33 33 55 12 E-Mail: tickets@schauspielhausbochum.de
Abo-Büro Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla Platz 44789 Bochum Tel.: 0234 / 33 33 55 -40 oder -49 Fax: 0234 / 32 55 957 E-Mail: abo@schauspielhausbochum.de
Intendanz Anselm Weber Persönliche Mitarbeiterin: Tonia Tilch Tel.: 0234 / 33 33 55 20 Fax: 0234 / 33 33 55 21 E-Mail: ttilch@bochum.de
Kaufmännischer Direktor Rolf D. Suhl Persönliche Referentin: Anne Rockenfeller Tel.: 0234 / 33 33 55 30 Fax: 0234 / 33 33 55 21 E-Mail: arockenfeller@bochum.de
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Martina van Boxen, Sandra Anklam Tel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28 Fax: 0234 / 33 33 54 24 E-Mail: jungesschauspielhaus@bochum.de
E G N U J S DA S U A H N OPER IER IM REV
www.boropa.de
Willkommen in Weltexperimen
der tiermaschine
IMpRESSUM
IMpRESSUM
Herausgeber:
fotografen, grafIKer und Illustratoren dIeser ausgabe:
Schauspielhaus Bochum AöR
Intendant:
svenja blasberg
Anselm Weber
glaubt wirklich daran, dass die Welt mit gutem Magazindesign ein besserer Ort werden kann.
KaufmännIscHer dIreKtor: Rolf D. Suhl
redaKtIon: Thomas Laue (verantwortlich), Anna Haas, Sascha Kölzow, Olaf Kröck, Sabine Reich (Dramaturgie Schauspielhaus Bochum); Janna Balke, Christine Hoenmanns (Kommunikation Schauspielhaus Bochum)
autoren: David Bösch, Nuran David Calis, Mustapha Cherif, Ranjit Hoskote, Roman Pawłowski, Sahika Tekand, Roger Vontobel, Dries Verhoeven, Arnd Wesemann
fotos und IllustratIonen: siehe rechts
lars Hillen fotografiert schöne Menschen und macht aus ihnen Ikonen einer längst vergessenen Zukunft.
annika Kep zeichnet mit liebevoller Feder die unerhörtesten Dinge (die man leider nicht überall abdrucken kann).
diana Küster
WeItere fotos: David Bösch, Leonie Droste, Emanuel Hauptmann, Harald Hoffmann, Zhang Huan, Andrea Huber, Birgit Hupfeld, Rainer Kzonsek, Jannes Linders, Catrin Mackowski, Martin Steffen, Stefania Tosi
redaKtIonsadresse:
ist Fotografin, macht neben Theaterfotografie auch Stand-, Dokumentar-, und Porträtfotografie.
Philipp lemm war in einem früheren Leben Tätowierer. Heute ist er Illustrator. Und in seinem nächsten Leben wird er Tierschützer.
Schauspielhaus Bochum, Kommunikation, Königsallee 15, 44789 Bochum; www.boropa.de
anzeIgen: Rolf D. Suhl, Janna Balke (jbalke@bochum.de, Tel.: 0234 / 33 33 54 35)
christian rolfes hat sehr selten schlechte Laune. Das überträgt sich auf seine Models, Bilder und schließlich deren Betrachter.
desIgn: Scheer Werbeagentur, www.scheer.tv
creatIVe dIrector: Stefan Scheer
mycha schekalla
layout:
fotografiert mit den seltsamsten Kameras der Welt. Und wenn das nicht reicht, baut er sie auch selbst.
Svenja Blasberg, Christian Frenssen, Mycha Schekalla
lItHografIe: purpur Wolfgang Herrig e. K.
ugur taskin
drucK: NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG
ausgabe 1 auflage 30.000 erscHeInungstermIn:
kommt aus Essen und befasst sich in seinen Arbeiten unter anderem mit visueller Kultur.
Harry Weber ist Fotograf und leidenschaftlicher Bochumer auf geheimer Mission in Berlin.
21. Mai 2010
redaKtIonsscHluss: 12. April 2010 Spielplanänderungen vorbehalten
thomas Wellmann zeichnet einen Strich und versetzt die Welt ins Staunen.
nils-Hendrik zündorf fotografiert Orte so, wie Andere Menschen fotografieren und andersrum.
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Stadtwerke Bochum
anders [ agenten, bochum
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Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011
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