Heimatkalender Anklam 2023

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Heimatkalender

und Umgebung

ANKLAM
2023 94. Jahrgang Neue Folge 32 Begründet von Max Sander

Impressum

Herausgeber: Historischer Verein Anklam und Umgebung e. V. Grafische Gestaltung: Martina Goth Gestaltung Umschlagseiten: Waltraud Gleffe Redaktion: Rolf Bahler Waltraud Gleffe Angela Krüger Dr. Günter Manthei Dr. Harald Schwarz

Dr. Wilfried Hornburg Heike Bierwerth Detlef Madeja

Hinweise der Redaktion:

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich. Bei einigen Bildvorlagen handelt es sich um unwiederbringliche Originaldokumente, auf deren Veröffentlichung nicht verzichtet werden sollte. Leider ließen sich diese auch bei der Repro duktion in ihrer Bildqualität nicht immer verbessern. Redaktionsschluss für Beiträge: jeweils 9. März für den Kalender des folgenden Jahres.

Umschlag: Postkarte „Postanweisung“ von 1910, Archiv: Kielmann/Raesch Seite 1: Postkarte „Kaiserliches Postamt“, ca. 1910, Archiv: Raesch

Bestellungen über den Buchhandel, die Stadtinformation Anklam, das Museum im Steintor Anklam oder direkt beim Verlag

© 2022 by Schibri-Verlag, Am Markt 22, 17335 Strasburg (Uckermark)

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags.

Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany

ISBN 978-3-86863-254-5

InhaltsverzeIchnIs

Zum Geleit 5 Erhard Stelzig (†), Kalendarium mit Bildern und Texten zu Angela Krüger Gutshäusern/Schlössern der Region 6

In memoriam Erhard Stelzig (1937–2021) 18 In memoriam Jochen Futternecht (1941–2021) 21 Rolf Bahler Patient Erde 22

Dr. Günter Manthei Eine Rückschau zur Corona-Krise (II) 23

Dr. Günter Manthei Die neue Schwimmhalle „Hansebad“ 30 Waltraud Gleffe Das Postgebäude 33

Dr. Wilfried Hornburg Mit 25 Jahren Verspätung – McDonald’s in Anklam 36

Dr. Heinrich Hannover Fertig sind wir nie 42

Dr. Harald Schwarz Der Ententeich im Anklamer Stadtpark 43 Mareike Scheil 50 Jahre Fritz-Reuter-Ensemble 49 Klaus Mühlen 1 – 2 – 3 Salto mortale 54 Karsten Erdmann Arbeit im Kulturhaus (Teil II) –Vom „Haus“ ins „Kabinett“ 57

Dr. Wilfried Hornburg Wege übers Land – Bauer und Bäuerin 63 Ilse Krüger Aus der Not geboren –Stehlen und Klauen in der ersten Nachkriegszeit 68 Rolf Bahler Bläder fallen 70 Lothar Heinze Meine Erinnerungen –Bombenangriff auf Anklam am 09.10.1943 71 Rolf Bahler Als wir Kinder waren 72 Dr. Günter Manthei Zur Geschichte der Anklamer Juden 73 Dr. Harald Schwarz Erinnerungen an das Wirken und die Persönlichkeit von Paul Voigt 75 Rolf Bahler Auch wer nichts sucht, kann etwas finden 84 Jens Braatz Die Gärtnerei Rost … war einst wohl das Unternehmen der Hansestadt Anklam 88 Friedhelm Schülke Ein Denkmal für Ännchen von Tharau 97 Christa Müller (†) Eine alte Postkarte –Das Haus Friedländer Straße Nr. 37 99 Dr. Neidhardt Krauß Lüssow – Von Gutshäusern, Schlössern und Parkanlagen im Kreis Vorpommern-Greifswald (7) 103

Dr. Wilfried Hornburg Der Großkaufmann und Vizekonsul Carl Mehlhorn aus Anklam 108 Dr. Wilfried Hornburg Der Anklamer Stadtsekretär und Historiker 113 Dr. Harald Schwarz Der Scharfrichter von Anklam (II) – Hans Spiegel 117

Peter Kielmann (†) Das Kütertor 124

Rolf Bahler Sagenhaftes Pommern 126 Kati und Norbert Die Schlangen Vorpommerns – Kopf ab und da Warmbier waren es plötzlich ein Dutzend Kreuzottern 129 Rolf Bahler Geldsegen 139 Angela Krüger Ein Kachelofen-Patent 140

„Steintor“, colorierte Postkarte um 1910, Verlag Richard Poett cke Nachf. Anklam, Archiv: Raesch

Heimatkalender 20234

zum GeleIt

Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Freunde unseres Heimatkalenders!

Die letzten beiden Jahre haben uns allen viel abverlangt. Da war und ist immer noch die Corona-Pandemie, die bis in die letzte Familie hinein große gesundheitliche, wirtschaftliche und auch finanzielle Schäden verursacht hat. Und die Angst bleibt, obwohl es in der letzten Zeit etwas ruhiger um Coro na geworden ist. Haben wir den Virus im Griff oder bildet er wieder neue Varianten aus? Gibt es bald ein geeignetes Mittel gegen die Pandemie?

Seit dem 24. Februar 2022 werden wir ganz unerwartet von neuen Ängsten geplagt. Das Gespenst eines neuen Krieges geht um in Europa – und nicht nur in Europa. Es ist der Krieg Putins in der Ukraine, der uns sprachlos macht. Was geht in den Köpfen einiger Machthaber vor, wenn durch verantwor tungsloses Handeln Leid, Elend und Tod über unschuldige Kinder, ja, über unschuldige Menschen gebracht werden. Die Älteren unter uns werden sicher schreckliche Bilder vor Augen haben – 1945, Flucht, Vertreibung aus der Heimat, überall Trümmer und der Wunsch: Nie wieder Krieg!

Wir haben im vorliegenden Heimatkalender wieder viele Themen für Sie angesprochen. Es geht um das Anklam in der Vergangenheit, um das Anklam der Kriegs- und Nachkriegs zeit – aber auch um das neue Anklam mit vielen interessan ten Baustellen, wie dem Schulcampus, dem neuen Hansebad oder dem Baugeschehen am Markt. All das macht deutlich, dass sich in unserer Heimatregion trotz vieler Probleme eine positive Entwicklung abzeichnet.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern erholsame Stun den beim Stöbern im Heimatkalender. Passen Sie auf sich auf und bleiben Sie vor allem gesund.

Alle unsere guten Wünsche begleiten Sie für das Jahr 2023. Wir danken allen Autoren und Unterstützern unserer Arbeit und verbleiben

Ihr Redaktionskollegium vom Historischen Verein Anklam und Umgebung e. V.

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Januar

Jahre 1902 erhielt das Schloss Auerose sein neobarockes Aussehen.

im Besitz von Franz A. F. von Borcke.

letzte Besitzer bis 1945

Wolf Borke-Auerose. Danach

Flüchtlinge einquartiert.

1990 erhielt es einen neuen Eigentümer.

https://gutshaeuser.de

Bedeutende taGe

Neujahr

Städteordnung für Anklam, Demmin, Greifswald und Stralsund

Heilige Drei Könige

Konrad Adolf Lattner, Maler, in Anklam

Konrad Adolf Lattner, Maler, verstorben

Gründung der Aktiengesellschaft Pommersche Zuckerfabrik Anklam

Schloss Auerose Archiv Erhard Stelzig
01.01.2023:
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Es war
Der
war
wurden
Nach
Quelle:

Februar

Das Vorwerk Charlottenhof gehörte seit 1739 zum Gut Rossin.

Charlottenhof wurden ein Gutshaus mit einem Park und Wirtschaftsgebäude errichtet. Seit 1833 war es im Besitz der Familie Kolbe.

1945 wohnten zuerst Flüchtlinge hier, später verfiel das Haus.

„Der Kreis Anklam“ von Otto Bollnow 1935, https://gutshaeuser.de

taGe

Mariä Lichtmess

Valentinstag

C. A. Cothenius, Leibarzt Friedrich II., in Anklam geboren

Luise Kaliebe, plattdeutsche Autorin, in Anklam gestorben

Rosenmontag

Fastnacht

Aschermittwoch

Uwe Johnson, Schriftsteller, verstorben

Bedeutende
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Gutshaus Charlottenhof Archiv Erhard Stelzig
In
Ab
Quelle:

patIent

Unsere Erde ist schon lange krank, schon viel zu lange währt der Zank.

Ihr ist so heiß, sie atmet schwer, wo kommen die giftigen Dämpfe her?

Das Klima wandelt sich zu schnell, das gilt für alles generell. Die Menschen sind’s mit ihrer Gier, sie denken, sie sind alleine hier. Sie beuten die Bodenschätze aus, wollen leben in Saus und Braus, alles wird zu Geld gemacht, an später wird heut’ nicht gedacht.

Um die Armen in der Welt ist es leider schlecht bestellt. Und Kriege werden auch geführt, das lässt die Herrscher unberührt.

Was schert uns denn das arme Pack, wir haben den Profit im Sack. Steht auf, die Erde zu bewahren Für uns und künftige Kinderscharen. Nehmen wir unser Herz in unsere Hand, machen wir uns auf in Stadt und Land.

Das sind wir unserer Erde schuldig, zu lange waren wir geduldig. Für Frieden und Glück, für unser Leben, dafür lasst uns alles geben.

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erde
Rolf Bahler Lehrer i. R.

das postGeBäude

Gibt es einen schöneren Ort als das eigene Zuhause, als die heimatliche Umgebung, die Heimatstadt? Die Anklamer und ihre Gäste können sich über eine immer attraktiver werden de Innenstadt freuen. Viele Neubauten und sanierte Gebäude prägen das neue Stadtbild der Altstadt.Viel war nach der Zer störung im 2. Weltkrieg nicht übriggeblieben, aber wie durch ein Wunder in der Steinstraße zum Beispiel das Steintor und die Häuserzeile neben der Post. Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sind in Anklam viele Gebäude und Betriebe, so die Zucker- und Möbelfa brik, die Molkerei oder die Eisengießerei entstanden, wie auch 1878 das Postgebäude mit der Telegrafenbetriebsstelle. Befand sich das Postamt zuvor in der Wohnung des jeweili gen Postvorstehers, so hatte Anklam nun auch eine Post mit einer festen Adresse. 1894 wurde der Fernsprechverkehr mit einem Dutzend Teilnehmern aufgenommen. Durch den stän dig ansteigenden Bedarf reichten die Räume im neuerbauten Postamt nicht mehr aus und so erwarb man 1905 die ehe malige Töchterschule in der Baustraße. 1925 wurde das Ge bäude durch eine Aufstockung vergrößert und dann bis 1945 nicht wesentlich verändert.

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Postbedienstete in den 1920er Jahren mit den damaligen Postautos auf dem Posthof,
3.
v. li.: Wilhelm Adler, 5. v. li.: Fritz Schumacher, 6. v. li.: Franz Tiedböhl (Archiv Günter Beyer)

Steinstraße vor 1943 mit Steintor, rechts das Postamt (Archiv Günter Beyer)

Teil der Steinstraße vor 1943, ganz rechts die Post (Archiv Beyer)

Leider erlitt das Gebäude 1943 beim Bombenangriff grö ßere Zerstörungen, konnte aber noch während des Krieges wieder aufgebaut werden. Eine der größten Umbaumaß nahmen wurde mit der Neugestaltung der Schalterhalle im April 1955 abgeschlossen. Diese Halle modernisierte man nochmals am 1. Februar 1971 durch die Einrichtung eines Selbstbedienungspostamtes. Der Haupteingang musste nach rechts verlegt werden, die Vorderfront bekam dadurch ihr neues, ihr heutiges Aussehen. Bis 1997 gab es nun unein geschränkten Postbetrieb in diesem historischen Gebäude. Dann wurde der Betrieb eingestellt und die Filiale im neu gebauten Lilienthalcenter untergebracht. Nun, nach Jahr zehnten eines Dornröschendaseins, ist die alte Post wieder zu neuem Leben erwacht. Schöner als man es sich vorstellen

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konnte, ist sie zu einem Vorzeigegebäude der alten und jun gen Hansestadt avanciert. Das ehemalige Post- und Telegra fenamt Anklams in der Steinstraße bildet die Basis für einen neuen Hotelkomplex. Nach mehrjähriger Bauzeit wurde aus dem historischen Gemäuer ein neues hochmodernes Haus mit Bezug zur Geschichte. Konserviert und integriert ist es zeitlos mit moderner Note. Das neue Hotel umfasst Doppel zimmer, Seminarräume und Gastronomie. Das Restaurant der Alten Post mit dem Hansekeller und die Übernachtung im Hotel werden für viele Gäste der Stadt Anklam ein blei bendes Erlebnis sein.

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In anklam

Weltweit bekannt ist das goldene „M“ der Burgerkette Mc Donald’s. Die Einen lieben die Fast-Food-Restaurants, die Anderen lehnen diese Art der Kost schlichtweg ab. Mit einer Burgerbude, nicht die erste und einzige im Groß raum Los Angeles, die am 15. Mai 1940 von den Brüdern Richard und Maurice McDonald in San Bernardino, Kali fornien, eröffnet wurde, begann die Erfolgsgeschichte von McDonald’s. Obwohl auch das Drive-in-Konzept der Mc Donald’s-Brüder nicht einzigartig war, kam ihr Unterneh men allmählich auf die Erfolgsspur. Angeblich hatten adrette Kellnerinnen, die zwischen der Bräterei und den Kunden in den Autos unterwegs waren, großen Anteil am starken Zu lauf, insbesondere junger Männer. Um billiger und schneller zu produzieren und größere Portionen für weniger Geld an zubieten, wurden die Burger dann später in Tüten verkauft, die am Schalter abzuholen waren. Nun war der Prototyp des Fast-Food-Restaurants entstanden.1

Am 4. Dezember 1971 eröffnete das US-Unternehmen seine erste Filiale in München und damit in Deutschland. Neben Hamburger gab es damals lediglich Cheeseburger, Pom mes, Coca-Cola, Limonade und Kaffee. Damit einher ging ein wachsendes Interesse an internationaler Esskultur, auch an Fertiggerichten und Fast Food. Der sich zeigende gesell schaftliche Wandel begünstigte die Expansion des Unterneh mens McDonald’s.

Bedingt durch die entbehrungsreiche Nachkriegszeit än derten sich die Essgewohnheiten. Der Konsum von Zucker und Fleischprodukten nahm stark zu. Keine geringeren als Thomas Gottschalk und Mike Krüger machten in den 1980er Jahren Werbung für McDonald’s. In den 1990er Jahren warb das Unternehmen mit dem Slogan „McDonald’s ist einfach gut“.

Nach der Wende eroberte McDonald’s auch den Markt der neuen Bundesländer. Im vogtländischen Plauen konnte be reits am 21. Dezember 1990 die erste Ostfiliale öffnen.2 Mecklenburg-Vorpommern folgte mit dem ersten McDo nald’s im September 1992 in Rostock. Als Franchise-Unter nehmer wagte Michael Wellmann den Schritt in die Selb ständigkeit. Er hat diesen Schritt als Lizenz-Nehmer nicht bereut.3

Anklam rückte bereits in den 1990er Jahren als neuer Stand ort in den Focus von McDonald’s. Die Hansestadt, ein Ver

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mIt 25 Jahren verspätunG –mcdonald’s

kehrsknoten, in dem vier Bundesstraßen zusammenlaufen, bot sich geradezu an. Als Standorte wurden die ehemalige Gaststätte Südstadt, die Spantekower Landstraße und das ehemalige ZBO-Gelände an der Demminer Landstraße ge prüft. Im Bereich südlich der Spantekower Landstraße wur de das Projekt der „Gebr. Heege GmbH“ zur Ansiedlung eines Freizeitparks planungsrechtlich bearbeitet. Es schien sinnvoll, hier auch eine neue Filiale von McDonald’s zu er richten. Da das Vorhaben eines Freizeit- und Erlebnisparks in Anklam scheiterte, wurde der letzte Standort für McDo nald’s favorisiert. Die damals zukünftigen Autobahnzubrin ger B 110 und B 199 tangierten dieses Gelände. Entstehen sollte in diesem Bereich auch eine DEA-Tankstelle.4

Die Hansestadt Anklam schien interessiert. Immerhin soll ten eine Investition von etwa 1,2 Mio. DM erfolgen und 70 Arbeitsplätze entstehen. Anklam hatte damals die höchste Arbeitslosigkeit in Deutschland, da kam dieser neue Arbeit geber wie gerufen.

Bei der Bereitstellung von Gewerbeflächen und Bauland hinkte die Hansestadt trotzdem hinterher. Das hatte bereits zu einem schwelenden Streit zwischen Gewerbetreibenden und der Stadtverwaltung wegen mangelnder Investoren freundlichkeit geführt.

Auch die Ansiedlung von McDonald’s in Anklam kam, trotz ernsthaften Bemühens des Unternehmens, nicht voran. Ein Zeitungsbericht vom 30. Juli 1998 sorgte dann doch für ei nige Verwirrung. Marion Nazareck als Firmenvertreterin äußerte sich verklausuliert: „An der Stadt liegt’s nicht, dass wir nicht in Anklam vertreten sind.“ „Doch die potentiellen Investoren seien mit der Umsetzung gescheitert. Deshalb sei allenfalls mittel- bis langfristig noch mit einem McDonald’sRestaurant in Anklam zu rechnen.“5

Eine Rücksprache mit Frau Nazareck brachte dann doch etwas Aufklärung zu dem merkwürdigen Sachverhalt. Sie hatte auf Kritik verzichtet, weil McDonald’s ernsthaft wei terhin bestrebt war, an dem attraktiven Standort in Anklam Fuß zu fassen. Man hoffte noch auf eine Einigung, die aber scheinbar nicht mehr erzielt wurde. Auch mittel- und lang fristig kam das Fast-Food-Unternehmen nicht nach Anklam. Dagegen entstanden Restaurants in Wolgast, Greifswald und am Autobahnkreuz Grimmen. Diese waren, im Vergleich zu Anklam, aus Sicht von McDonald’s, nur zweite Wahl.6

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Der neue Kreisverkehr in der Demminer Landstraße.

Der nächste Anlauf erfolgte 2013. Angeblich lag die Bau genehmigung vor, der gelbe Burger-Riese wollte 1,4 Mio. € investieren. Dem war dann aber nicht so. Erst im Mai 2014 hatte das Bauamt des Landkreises entschieden: McDonald’s darf bauen. Doch dann scheiterte es wieder an „Kleinigkei ten“, wohl am Natur- und Umweltschutz.7 Gebaut wurde nicht, auch nicht in den folgenden Jahren. Ein Viertel-Jahrhundert musste vergehen, seit den Bemühun gen 1997, bis es zu einem erneuten und erfolgreichen Ver such kam. Diesmal ging es zwischen dem Unternehmen und der Stadt Hand in Hand. Ein Grundstück wurde problem los zur Verfügung gestellt. In Rekordzeit von drei Monaten konnte der Kreisverkehr an der Demminer Landstraße im Dezember 2021 fertiggestellt werden. Dieser hat eine sepa rate Ausfahrt, extra für McDonald’s.

Die Baustelle in der Demminer Landstraße, direkt am Hansering, der Anklamer Umgehungsstraße.

Anfang September rollten die Bagger zum Baubeginn für das Restaurant an. Das ehrgeizige Ziel war die Eröffnung zum Jahresende 2021.

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Die Baustelle am 9. Februar 2022.

Doch der geplante Eröffnungstermin musste aufgrund von Lieferschwierigkeiten verschoben werden. Der FranchiseUnternehmer und Anklamer Filialchef Armin Treczokat zeigte sich jedoch Ende Januar 2022 optimistisch, dass am 24. März 2022 die Eröffnung gefeiert werden kann, auch wenn es vor Ort nicht danach aussieht.

Der Tag der Eröffnung, 24. März 2022.

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Modernes Bestellsystem.

Als erster Gast ließ sich die 7-jährige Magda einen Burger schmecken.

Bürgermeister Michael Galander durfte auch bei der Eröffnung probieren.

Die 25 Jahre Verspätung haben jedoch auch einige Vorteile.

In Anklam wird mit dem Neubau ein neues Konzept um gesetzt, das Vorteile für Kunden und Personal bringen soll.

Das Anklamer Schnellrestaurant wird anders gebaut und an geordnet, als man es von bisherigen McDonald’s-Filialen kennt. Auch das Innen-Design werden warme Farbtöne be stimmen, „Wood and Stone“, also Holz und Stein. Der Dri ve-In wird zwei Bestellspuren haben und die große Außen terrasse mit Spielmöglichkeiten einladen.

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Auch an die kleinsten Besucher wurde gedacht.

Die Versorgung der Besucher mit Burger, Chi cken-Nuggets, Pommes, Milchshakes u. a. m. werden 40 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit ab sichern. In der Urlaubszeit werden weitere zehn Aushilfen eingestellt. Das können auch Schüler sein, die Ferienarbeit suchen.8

Ein 40 Meter hoher Pylon mit dem „M“ wird dann auch in Anklam weithin sichtbar sein und Besucher locken, was durchaus auch einige är gert.

Heute ist McDonald’s Weltmarktführer der Burgerketten mit einem Umsatz von 21,07 Mrd. US-Dollar, bei einem Gewinn von 5,8 Mrd. Dollar. Es ist ein Unternehmen mit mehr als 38.000 Standorten, davon 1.450 in Deutsch land. Einer dieser befindet sich nun auch in An klam. Die Liebhaber wird es freuen, denn sie sparen sich zukünftig lange Wege.

Die Gründer, Richard und Maurice, sind an dem großen Gewinn des Unternehmens nicht betei ligt. Sie hatten 20 Jahre nach ihrem erfolgrei chen Start nur noch ihren Gründungsladen, mit dem sie pleite gingen.9

McDonald’s ist in Anklam angekommen.

Quellen

1 P. M. Fragen & Antworten 08/2014, S. 45.

2 Wikipedia: McDonald’s.

3 Auskunft von Marion Nazareck, McDonald’s-Bezirksleiterin, am 18.09.1998.

4 Eigene Aufzeichnungen zu Beratungen mit dem Bauamt zwecks Ansied lung eines Freizeitparks der „Gebr. Heege GmbH“ und von McDonald’s vom 14.04.1995. Schreiben vom 05.04.1995 und 13.06.1995 zwischen dem Bauamt und dem Verfasser.

5 Anklamer Zeitung, 30.07.1998, S. 13.

6 Auskunft von Marion Nazareck, McDonald’s-Bezirksleiterin, am 18.09.1998.

7 Nordkurier/Vorpommern Kurier, 08.05.2014, S. 17.

8 Nordkurier/Vorpommern Kurier, 27.01.2022, S. 13.

9 P. M. Fragen & Antworten 08/2014, S. 45.

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FertIG

sInd wIr nIe

Je älter ich werde (Jahrgang 1925), desto lebendiger wer den die Erinnerungen an die Kindheit und an verdiente An klamer, die kaum noch jemand kennt. An unvergessene An klamer Lehrer habe ich in einem früheren Beitrag erinnert (Heimatkalender 2019). Jetzt will ich noch an Werner Go dow erinnern, der die Schüler der Lilienthal-Oberschule in Kunstgeschichte und in der Kunst des Zeichnens und Aqua rellierens unterrichtet hat. Ich erinnere mich an eine Stunde im Zeichensaal, als wir von einigen Gegenständen, wie Blu menvasen, Töpfen und Wasserkannen Stillleben malen soll ten. Und als einer rief: „Ich bin schon fertig“, sagte Godow ruhig und mit halblauter Stimme: „Fertig sind wir nie“. Ein Spruch, dessen hintergründige Lebensweisheit wir Jungen damals wohl nicht begriffen haben. Es war eine für Godow typische Lebensweisheit, denn er hat lebenslang in seiner eigenen Kunst verschiedene Stilrichtungen ausprobiert.

Werner Godow hatte kein einfaches Leben. Seine Frau war kränklich und einer seiner beiden als Zwillinge geborenen Söhne war behindert. Da wurden sicher auch ärztliche Hilfen gebraucht, die von keiner Krankenkasse übernommen wur den. Offenbar reichten seine Einkünfte aus dem Verkauf sei ner Bilder und sein Lehrergehalt nicht aus, um alle Kosten zu tragen, so dass er kunstsinnige Ärzte gern mit seinen Bildern bezahlte. Im Wartezimmer meines Vaters hing ein Aquarell von Godow, das die Stadt Anklam mit Stilelementen der mo dernen Malerei zeigte. Das Bild ist leider mit der Beschlag nahme und Enteignung meines Elternhauses durch die sow jetische Besatzungsmacht im Jahr 1945 verloren gegangen. Erhalten blieb erstaunlicherweise eine Porträtzeichnung aus dem Jahr 1934, deren Entstehung ich miterlebt habe. Zu die sem Kunstwerk kam es dadurch, dass Dr. Schlenzka, ein mit meinem Vater befreundeter Berufskollege, ein Geschenk für meinen Vater brauchte. Mein Vater, Facharzt für Chirurgie, hatte Frau Schlenzka im Anklamer Krankenhaus operiert. Ich musste im Hause Schlenzka an mehreren Tagen als Modell für Godow stillsitzen. Das von Godow meisterhaft gezeich nete Bild ist nie in einer Kunstausstellung gezeigt worden, aber es hängt heute an einer Wand meines Arbeitszimmers. Im Internet findet man mehrere Eintragungen, in denen Kunstwerke von Werner Godow erwähnt werden. Darunter auch eine Zeichnung des alten Anklamer Gymnasiums, die in einer früheren Ausgabe des Heimatkalenders abgebildet wurde..

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der ententeIch

Im anklamer stadtpark

Bei meinen zahlreichen Spaziergängen im Stadtpark be reitete es mir immer eine besondere Freude, am Ententeich vorbei zu schauen und dort etwas zu verweilen. Das schnat ternde Volk hatte es mir besonders angetan und ich zückte dann auch schon mal gern meinen Fotoapparat und erfreute mich später beim Betrachten der Bilder. Ein besonderes Ver gnügen war es für mich, wenn die Enkelkinder mit von der Partie waren und sie mit Schwung mitgebrachte Brotreste über den Zaun am Ententeich warfen. Doch was rede ich, längst gibt es dort keinen Zaun mehr und auch das ganze Ambiente hat sich gestalterisch und auch besucherfreundlich verändert.

Vor einigen Jahrzehnten gehörte der Ententeich noch als fester Bestandteil zum Tiergehege des Parks und war durch einen festen Zaun von seinen Besuchern getrennt. (Abb. 1)

Auf dem Teich selbst befand sich ein stabiles Holzhäuschen für die Enten, das einen idyllischen Eindruck in mir erweck te und irgendwie gut dem Flair eines Ententeiches entsprach. (Abb. 2)

Abb. 1

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Abb. 2

Abb. 3

Am Rande des Teiches nahe dem Löwendenkmal befand sich ein weiteres hölzernes „Entenhaus“, welches das Am biente ergänzte. (Abb. 3)

Doch so sollte es nicht bleiben. Seit mehr als 10 Jahren gab es ein Gestaltungskonzept für den Stadtpark, welches nicht allein den Wegebau, die Baum- und Buschbepflanzung und das Be- und Entwässerungsregime beinhaltete, sondern auch einen Plan zur kompletten Umgestaltung des Ententeiches. Umfangreiche Baumfällungen, Buschrodungen, Zaun-Neu bau und eine Renaturierung des Wassergrabensystems gin gen Mitte des letzten Jahrzehnts einher mit einer kompletten Neugestaltung des Ententeiches.

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Abb. 4: Wassereinspeisungslösung (Foto: Wasser- und Bodenverband „Untere Peene“)

Abb. 5: während der Baumaßnahme

Die Planungen für die notwendige Verbesserung der Bewässerung des Ententeiches begannen sei tens des Wasser- und Bodenverbandes „Untere Peene“ bereits im Jahr 2008. Die vorgesehene Gesamt-Investitionsmaßnahme trug die Bezeich nung „Naturnaher Gewässerausbau im Anklamer Stadtpark“.

Frau Viola Berlin vom Wasser- und Bodenver band teilte mir zur Planung bezüglich des Enten teiches folgendes mit: „In der Vorplanung sollte die verrohrte Verbindung zum Teich geöffnet werden. Der Teich sollte als Retentionsfläche im Nebenschluss ausgebaut werden und den Teich damit mit Frischwasser versorgen. Diese Lösung wurde aber nicht umgesetzt, da die Speisung des Teiches über ein freies Gefälle nicht realisierbar war. Der Wasser spiegel im Teich lag ca. 70 cm über der Grabensohle. Der gegenwärtige Zustand des Teiches wurde als unzureichend eingeschätzt, deshalb musste eine andere Lösung her.“

Daher sollte eine Wassereinspeisung des Teiches mittels Wasserspeicher (Betonschacht) erfolgen. Technisch wird hierbei in der frostfreien Jahreszeit gespeichertes Grundwas ser über eine elektrisch betriebene Tauchpumpe in den Teich gehoben. Bereits im Jahre 2009 konnte die Realisierung die ser vorsorglichen Baumaßnahme erfolgen. (Abb. 4)

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Abb. 6: Teich nach Abschluss der Baumaßnahme

2015 erfolgte dann die eigentliche bauliche Umgestaltung des Teiches.

Der Teichumbau und dessen Sanierung gestalteten sich dann schon als eine umfangreiche bauliche Maßnahme. (Abb. 5)

Insgesamt 615.000 Euro kostete die Sanierung des Stadt parks. Es gab hierfür Fördermittel und ein Gestaltungskon zept für die Ostseite des Parks. Fast zwei Jahre lang haben die Arbeiten gedauert. Im Juni 2015 gab es dann eine große Kaffeetafel am Löwen-Denkmal zur Einweihung des Parks nach seiner Umgestaltung. Veronika Müller beschrieb und würdigte dieses Ereignis ausführlich im Nordkurier vom 9. Juni 2015 unter dem Titel „Großer Bahnhof für schicken Park“.

Im Rahmen der Umsetzung des Gesamtkonzeptes zur Park gestaltung ist auch der Ententeich wieder ein wichtiger An ziehungspunkt für Besucher und Spaziergänger geworden. Ein Bereich, der durch seinen Anblick und sein zahlreiches vielfältiges Wassergetier zum Verweilen und zur Erholung einlädt und dem Besucher auch ein unterhaltsames und ab wechslungsreiches Programm bietet, zumal wenn die Enten von Kindern oder Rentnern gefüttert werden. (Abb. 6)

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Abb.

Nun es ist kein Geheimnis, dass sich mit der Zeit eine zu nehmende Vielfalt bei der Tier- und Pflanzenwelt im Teich bereich entwickelte. Zu den zeitweise mehr als hundert Stockenten gesellten sich zwischendurch auch fast exotische Vertreter dieser Spezies (Abb. 7) und auch etliche Möwen, die den ortsansässigen Stammgästen dann auch schon mal das Futter streitig machten und mit viel Lärm um die Brot krumen stritten. (Abb. 8)

Und last but not least siedelten sich mit zunehmendem Schilf bewuchs sogar einige Frösche an, die zwar nicht immer leicht zu entdecken, dafür aber deutlich zu hören waren. (Abb. 9)

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7: Mandarinente Abb. 8 Abb. 9

Der Lebensraum und Aufenthalt der zahlreichen Stockenten beschränkte sich bald nicht mehr allein auf den unmittelba ren Bereich des Ententeiches, sondern auch auf die angren zenden renaturierten und ausgebauten Wassergräben sowie auf die anliegenden Rasenflächen, wo sich das schnatternde Volk nun ausgiebig tummeln und breit machen konnte. Für Kinder und Rentner ist es hier eine besondere Freude, beim Füttern unmittelbaren Kontakt mit dem scheinbar stets hung rigen Federvieh zu haben.

Es bleibt mir abschließend noch das Bedürfnis, mich bei der Stadtverwaltung Anklam für die nachhaltige Unterhaltung, Pflege und Gestaltung des Stadtparks zu bedanken.

Von den Parkbesuchern eigentlich eher selten bemerkt, ist ein bereits bei der Parkeinweihung im Jahre 1914 aufgestell ter Findling, in welchem ein Leitspruch eingraviert ist.

Diese Inschrift lautet: „Erfreut euch dieser Erholungsstätte! Erhaltet und pflegt sie, späteren Geschlechtern zum Segen!“ (Abb. 10)

Abb. 10

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