Heimatkalender Anklam 2024

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Heimatkalender

A N K L A M und Umgebung

2024

95. Jahrgang

Neue Folge 33

Begründet von Max Sander


Impressum

Herausgeber: Grafische Gestaltung: Gestaltung Umschlagseiten: Redaktion:

Historischer Verein Anklam und Umgebung e. V. Martina Goth Waltraud Gleffe Rolf Bahler Waltraud Gleffe Angela Krüger Dr. Günter Manthei Dr. Harald Schwarz Dr. Wilfried Hornburg Heike Bierwerth Detlef Madeja Sabine Görner

Hinweise der Redaktion: Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich. Bei einigen Bildvorlagen handelt es sich um unwiederbringliche Originaldokumente, auf deren Veröffentlichung nicht verzichtet werden sollte. Leider ließen sich diese auch bei der Reproduktion in ihrer Bildqualität nicht immer verbessern. Redaktionsschluss für Beiträge: jeweils 9. März für den Kalender des folgenden Jahres. Umschlag: Alte Postkarte, um 1920, Archiv Kielmann Seite 1: Ansicht vom Turm der Marienkirche Anklam, ca. 1910

Bestellungen über den Buchhandel, die Stadtinformation Anklam, das Museum im Steintor Anklam oder direkt beim Verlag © 2023 by Schibri-Verlag, Dorfstraße 59, 17337 Milow Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany ISBN 978-3-86863-272-9


Inhaltsverzeichnis Dr. Wilfried Hornburg Dr. Heinrich Hannover Dr. Wilfried Hornburg Rolf Bahler Angela Krüger Dr. Harald Schwarz Erhard Stelzig Heike Bierwerth Dr. Wilfried Hornburg Angela Krüger Dr. Harald Schwarz Dr. Peter Busse Dr. Günter Manthei Rolf Bahler Rolf Bahler Rolf Bahler Antje Berger Ilse Krüger Peter Kielmann Wilfried Kienel Detlef Madeja Fritz Gottschalk Sabine Görner Dag Braatz Klaus Mühlen Gerlinde Ladwig Klaus Mühlen Karsten Erdmann K. & N. Warmbier Wilfried Kienel

Zum Geleit Kalendarium In memoriam– Dr. Heinrich Hannover (1925–2023) Heimatgedanken Gratulation Graf Litho – Vor 200 Jahren in Anklam geboren Sagenhaftes Pommern 15 Jahre Anklamer Malkreis Der Scharfrichter von Anklam (III) – Hans Spiegel Die Mühle auf dem Schülerberg 400 Jahre Schützenverein Anklam Zum 100. Todestag – Prof. Max Sander Der Schwedisch-Brandenburgische Krieg und die Region Anklam 1674–1679 Klaus Würfel erlebte Anklam als eine Hochburg des Boxsports in den 50er Jahren Das Lilienthal’sche Tretrad Eine Grußbotschaft aus der Ferne Ik wüsst nich, wat een Rammler is Tohuus Viele Bäume sind ein Wald Der Anklamer Architekt Friedrich Rietz Tanzveranstaltungen in den 1950ern auf dem Lande Erinnerungen an eine Kindheit & Jugend in Anklam um 1890 ACC-Narrenschiff segelt unter Volldampf seit 40 Jahren Der Anklamer Aquarianer Verein e. V. Der Rauswurf Otto Antoine und Anklam Wie zeitgemäß sind unsere Werte – Judikarede 2023 Damals sagte man: „Nie wieder!“ Initiative „Bitte Lächeln Altes Haus“ Umschwirrt von Fliegen Die NVA Gefiederte Taucher Ein Lichtblick

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Heimatkalender Anklam 2024

Zum Geleit

Sehr geehrte Leser und Freunde des Anklamer Heimatkalenders, der bereits 95. Jahrgang dieser traditionsreichen Schrift ist erschienen, im 760. Jahr der nachweislichen Erwähnung von Anklam als Stadt, bezeugt in der Urkunde von 1264. Unsere Stadt hat in der langen Zeit ihres Bestehens Blüteund Notzeiten erlebt. Als stolze Hansestadt seit 1283 nahm sie einen wirtschaftlichen Aufschwung und schmückte sich mit zahlreichen repräsentativen Bauten. Die Stadtkirchen und das Steintor zeugen noch heute von dieser erfolgreichen Entwicklung. Anklam erlebte aber auch schlimme Zeiten. Die Pest und zahlreiche Kriege hinterließen ihre Spuren. Im Zuge des Nordischen Krieges sollte Anklam 1713 eingeäschert werden. Einem glücklichen Umstand ist es zu verdanken, dass das verhindert wurde. Daran erinnert bis heute die Judikafeier am Anklamer Gymnasium. Einschneidend war der 2. Weltkrieg, der das alte Stadtbild aus der Hansezeit ausradierte und eine Trümmerwüste hinterließ. Bis heute sind die Wunden des Krieges sichtbar. Seit 2005 erfolgen umfangreiche Baumaßnahmen, um das Zentrum unserer Stadt neu und attraktiv zu gestalten. Es vollziehen sich gewaltige Veränderungen in der Struktur der Stadt, die diese schöner werden lässt. Das Zentrum ist wieder als solches erkennbar. Aber auch in den Wohngebieten wurde stark investiert. Die Südstadt, heute das Hanseviertel mit Straßennamen europäischer Hansestädte, hat sich positiv verändert. Unsere Stadt hat zahlreiche Persönlichkeiten hervorgebracht, die Bedeutendes geleistet haben. Einer der bekanntesten ist Otto Lilienthal, dessen 175. Geburtstag wir im vorigem Jahr würdigen konnten. Mit dem Ikareum entsteht im Stadtzentrum ein kulturelles Zentrum, das diesen großen Sohn der Stadt gebührend ehren wird.


Heimatkalender Anklam 2024

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Anklam ist auf einem guten Weg, unsere Hansestadt wird mit der Umgestaltung immer schöner. Der Anklamer Heimatkalender greift viele Themen auf und berichtet darüber. Dem Historischen Verein Anklam und Umgebung, dem Redaktionskollegium und den Autoren dieser beliebten Schrift gilt großer Dank. Michael Galander Bürgermeister der Hansestadt Anklam Allen Lesern wünsche ich gute Unterhaltung, Freude und Entspannung beim Streifzug durch die Anklamer Geschichte. Bleiben Sie gesund und unserer Heimatstadt und ihrem schönen Umfeld weiterhin verbunden.

Anklam, Ecke Nikolaikirchstraße-Markt


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Januar Montag

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Bedeutende Tage

01.01.2024: Neujahr 02.01.1353: Städteordnung für Anklam, Demmin, Greifswald und Stralsund 06.01.2024: Heilige Drei Könige 15.01.1896: Konrad Adolf Lattner, geb. Maler, in Anklam 16.01.1979: Konrad Adolf Lattner, Maler, verst. 31.01.1883: Gründung der Aktiengesellschaft Pommersche Zucker­fabrik Anklam

Der Januar erinnert uns daran, dass wir im letzten Jahr an keinem unserer Neujahrsvorsätze gearbeitet haben und es auch in diesem nicht tun werden. Verfasser unbekannt

„Peenebrücke im Winter“, Jutta Lorenzen, Aquarell, 2022


Heimatkalender Anklam 2024

Februar Montag

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Bedeutende Tage

02.02.2024: Mariä Lichtmess 14.02.2024: Valentinstag 12.02.2024: Rosenmontag 13.02.2024: Fastnacht 14.02.2024: Aschermittwoch 14.02.1708: C. A. Cothenius, Leibarzt Friedrich II., in Anklam geboren 14.02.1947: Luise Kaliebe, plattdeutsche Autorin, in Anklam gestorben 23.02.1984: Uwe Johnson, Schriftsteller, verstorben

Der Februar ist (sozusagen) reich an Narren, arm an Tagen. Verfasser unbekannt

„Fährkrug Stolpe an der Peene“, Helga Reuter, Pastellkreide, 2010

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März Montag

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Bedeutende Tage

01.03.1968: Hermann Scheel, Heimatforscher, in Anklam verstorben 08.03.2024: Frauentag 10.03.1972: Gründung Anklamer Knabenchor 16.03.1939: Dr. Johannes Bruinier verstorben 16.03.1972: Ulrich Sander, Schriftsteller und Maler, verstorben 20.03.1937: Einweihung Kreiskrankenhaus Anklam 20.03.2024: Frühlingsanfang 29.03.2024: Karfreitag 29.03.1892: Ulrich Sander in Anklam geboren 31.03.2024: Beginn der Sommerzeit

Der März kennt keine Regeln. Meistens leitet er irgendwie den Frühling ein, aber man kann sich nicht darauf verlassen. Sein Motto heißt „Vielleicht“. Verfasser unbekannt „Blick über die Peenewiesen auf Ziethen“, Wolfgang Witt, Pastellkreide, 2018


Heimatkalender Anklam 2024

April Montag

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Bedeutende Tage

01.04.2024: Ostermontag 04.04.1713: Einäscherung Anklams verhindert 26.04.2007: Anklamer Stadtparlament beschließt den Wiederaufbau der Nikolaikirche 29.04.1945: Anklam wird durch die Rote Armee eingenommen

Kommt im April die Sommerzeit, bleibt’s länger hell für Schwarzarbeit.

„Burg Spantekow“, Angela Krüger, Acrylfarbe, 2015

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Mai Montag

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Bedeutende Tage

01.05.2024: Tag der Arbeit 02.05.1866: Bernhard Peters gestorben 03.05.1153: Gründung des Klosters in Stolpe 09.05.2024: Christi Himmelfahrt 12.05.2024: Muttertag 20.05.2024: Pfingstmontag 23.05.1848: Otto Lilienthal, Flugpionier, in Anklam geboren 30.05.2024: Fronleichnam

Wer sich immer einen schönen Lenz macht, dem das ganze Jahr der Frühling lacht. Monika Kühn-Görg

„Am Peenestrom“, Evelyn Häusler, Acrylfarbe, 2005


Heimatkalender Anklam 2024

Juni Montag

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Fortuna lächelt, doch sie mag nur ungern voll beglücken: Schenkt sie uns einen Sommertag, schenkt sie uns auch Mücken. Wilhelm Busch „Bachlauf“, Hiltraud Manthei, Acrylfarbe, 2011

Bedeutende Tage

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01.06.2024: Kindertag 03.06.1858: Ludwig Manzel geb. Kagendorf bei Anklam 04.06.1989: Museum im Steintor eröffnet 08.06.1264: Ersterwähnung der Stadt Anklam 12.06.1994: Neugründung des Kreises Ostvorpommern 13.06.1283: Anklam wurde Hansestadt 14.06.1991: Eröffnung der Anklam-Information 20.06.2024: Sommeranfang 26.06.1982: Einweihung des Lilienthaldenkmals 27.06.2024: Siebenschläfer 30.06.1927: Eröffnung des Anklamer Heimatmuseums


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Heimatkalender Anklam 2024

Juli Montag

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Donnerstag

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Bedeutende Tage

07.07.1895: Prof. Dr. Gustav F. W. Spörer, Naturwissenschaftler, verstorben 08.07.1820: Otto Heyden, Maler, in Ducherow geboren 12.07.1874: Fritz Reuter, Dichter, verstorben 13.07.1991: Eröffnung des Lilienthalmuseums 20.07.1934: Uwe Johnson, Schriftsteller, geboren 30.07.1950: Grundsteinlegung Rathaus am Markt

Julitag, Sommerduft, und ein Flimmern in der Luft, hochgeklappte Peenebrücke, schließet bald der Gleise Lücke, Fischlein springen, Vögel singen und das Boot bereit zum Start. Wolfgang Witt, AK „Anklam, alte Eisenbahnbrücke“, Helga Reuter, Pastellkreide, 2013


Heimatkalender Anklam 2024

August Montag

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Bedeutende Tage

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04.08.1944: 2. Luftangriff auf Anklam 07.08.1871: Einweihung der Kriegsschule 08.08.1732: J. C. Adelung, Sprachforscher, in Spantekow bei Anklam geboren 09.08.1870: Prof. Rudolf Bäumer geboren 09.08.1896: Absturz Lilienthals in den Rhinower Bergen 10.08.1896: Otto Lilienthal in Berlin verstorben 12.08.1237: Kirche in Ziethen erstmals urkundlich erwähnt 12.08.1924: Prof. Max Sander verstorben 15.08.2024: Mariä Himmelfahrt 15.08.1720: Vorpommern wird südlich der Peene preußisch

Gemächlich schlängelt sich die Peene, Anklam liegt am Horizont. Es ist Sonntag, welche Ruhe – Ein jeder tut, was ihm so frommt. AK „Blick auf Anklam“, Jutta Lorenzen, Acrylfarbe 2009


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Heimatkalender Anklam 2024

September Montag

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Bedeutende Tage

01.09.1973: Gründung des Fritz-Reuter-Ensembles 02.09.1897: Standbild von Kaiser Wilhelm I. auf dem Markt aufgestellt 07.09.1994: Gründung Förderkreis Nikolaikirche 08.09.1944: Ulrich von Hassell in Berlin-Plötzensee hingerichtet 10.09.1806: J. C. Adelung, Sprachforscher, verst. 12.09.1877: Heinrich Sahm in Anklam geboren 13.09.1817: Bernhard Peters, Maler, in Anklam geb. 15.09.1927: Peeneklappbrücke dem Verkehr übergeben 21.09.1897: Otto Heyden, Maler, gestorben 22.09.2024: Herbstanfang 28.09.1947: Wiedereinrichtung der Marienkirche

Wenn es dem Sommer zu bunt wird, ist Herbst. Monika Stuffler „Herbstliches Peenetal“, Doris Aepler, Acryl, 2022


Heimatkalender Anklam 2024

Oktober Montag

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Bedeutende Tage

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01.10.1876: Rathaus in der Peenstraße bezogen 01.10.1878: Postamt in der Steinstraße bezogen 01.10.1896: Kleinbahnlinie Anklam–Lassan eröffnet 03.10.2024: Tag der Deutschen Einheit 07.10.1997: Rekonstruiertes Giebelhaus wird eingeweiht 08.10.1908: Anklamer Ruderverein gegründet 09.10.1943: 1. Luftangriff auf Anklam 13.10.1994: Einweihung der Peene-Tor-Brücke 15.10.1847: Neugründung des Gymnasiums 22.10.1885: Hermann Scheel geboren 27.10.2024: Ende Sommerzeit 29.10.1853: Prof. Max Sander, Begründer des Anklamer Heimatkalenders, geboren 31.10.2024: Reformationstag

Der Herbst zeigt sein buntestes Kleid und die Natur macht sich zum Winter bereit. Monika Kühn-Görg

„Zug der Kraniche übers Landgrabental“, Rosalia Reder- Schmieder, Gelatinedruck 2021


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November Montag

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Bedeutende Tage

01.11.2024: Allerheiligen 06.11.1867: Dr. Joh. Bruinier geboren 07.11.1810: Fritz Reuter, Dichter, geboren 09.11.1990: Unterzeichnung des Freundschafts­ vertrages der Städte Anklam & Heide 11.11.2024: Martinstag 12.11.1881: Ulrich v. Hassell in Anklam geboren 12.11.1992: Neue Peenebrücke eingeweiht 13.11.1955: Einweihung Anklamer Kreuzkirche 16.11.1867: Konrad Maß in Anklam geboren 17.11.2024: Volkstrauertag 20.11.2024: Buß- und Bettag 24.11.2024: Totensonntag

Kaum fallen die ersten Schneeflocken – der Sommer ist doch gerade erst vorbei – und schon sehne ich mich nach dem Sommer zurück. Klaus Seibold „Anklam“, Sören Schröder, Mischtechnik, 2019


Heimatkalender Anklam 2024

Dezember Montag

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Bedeutende Tage

01.12.2024: 1. Advent 06.12.2024: Nikolaustag 08.12.1824: Hermann Schmidt, Lithograph, in Anklam geboren 08.12.2024: 2. Advent 15.12.2024: 3. Advent 18.12.1865: Luise Kaliebe in Anklam geboren 21.12.2024: Winteranfang 22.12.2024: 4. Advent 24.12.2024: Heiligabend 25.12.2024: 1. Weihnachtsfeier­tag 26.12.2024: 2. Weihnachtsfeier­tag 31.12.2024: Silvester

Weiß sind Türme, Dächer, Zweige und das Jahr geht auf die Neige und das schönste Fest ist da! Theodor Fontane

„Winterlandschaft“, Wolfgang Witt, Pastellkreide, 2017

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Heimatkalender Anklam 2024

In memoriam Dr. Heinrich Hannover

(1925–2023)

Dr. Heinrich Hannover (Foto: Fam. Hannover)

Familie Hannover 1930 in Anklam. Die Eltern, der Fünfjährige bei der Großmutter Frieda Hannover und die Großeltern, links Anna, rechts Oskar Bley. (Foto: Fam. Hannover)

Abschied von einem von uns – der Rechtsanwalt und Strafverteidiger Dr. Heinrich Hannover Am 14. Januar 2023 verstarb in Worpswede bei Bremen Dr. Heinrich Hannover, Humanist und Pazifist, Jurist und mutiger Strafverteidiger, erfolgreicher Autor und liebevoller Familienmensch. Auf der bewegenden Trauerfeier am 2. Februar 2023 erklang sowohl Musik von seinem Lieblingskomponisten Wolfgang Amadeus Mozart als auch von ihm selbst komponiert der „Tango Nr. 1 für Klarinette und Klavier“. Sehr eindrucksvoll waren der „Brief an den Vater“ von seiner Tochter Irmela Hannover und die vorgetragenen „Gedichte von und für Vovo“ (so nannten die Enkel ihren Großvater dem Portugiesischen entlehnt) durch Carlotta Hannover. Auch Kollegen und ein Mandant würdigten den Verstorbenen und sein Werk. Beigesetzt wurde Heinrich Hannover auf dem Friedhof in Worpswede. Geboren wurde Heinrich Hannover am Reformationstag 1925 in Anklam im Wedelschen Haus in der Stettiner Straße. Seine Eltern waren der aus Güstrow stammende Facharzt für Chirurgie und Gynäkologie Dr. med. Heinrich Hannover und seine Frau Charlotte geb. Bley aus Festenberg in Schlesien. Ihr Sohn Heinrich war ihr einziges Kind.1 Aufgewachsen ist Heinrich Hannover in einem gutbürgerlichen Elternhaus. Der Vater, ein angesehener Mann, war von konservativer deutschnationaler Gesinnung, die Mutter, eine ehemalige Lehrerin, war musisch begabt und spielte sehr gut Klavier.2


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Heinrich Hannover besuchte ab 1932 die Stadtschule I (Cothenius-Schule) und wechselte 1936 an das Lilienthal-Gymnasium in Anklam.3 Mit 17 Jahren wurde er im Mai 1943 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und dann im August Soldat in der Überzeugung, dass man das Vaterland verteidigen muss. Bei Fronteinsätzen in Italien und zum Kriegsende in Schlesien bei Görlitz und Sachsen bei Bautzen lernte er die Schrecken des Krieges kennen. Am 27. April 1945 trifft ihn ein Granatsplitter neben der Wirbelsäule. Möglicherweise hat ihm das das Leben gerettet, denn er kam ins Lazarett und musste nicht mehr kämpfen. Am 8. Mai endete auch für ihn das Kriegsmartyrium in Karlsbad. Nach nur 14 Tagen amerikanischer Gefangenschaft auf dem Flugplatz Eger wurde er am 22. Mai 1945 entlassen, da er eine Adresse von Verwandten in der amerikanischen Besatzungszone in Kassel angegeben hatte. Die Grauen des Krieges ließen den einstigen Kriegsfreiwilligen und Unteroffizier zum Pazifisten werden. Im September 1945 kam eine Postkarte, die er an seine Eltern geschrieben hatte, mit dem Vermerk zurück: „Beide durch Freitod aus dem Leben geschieden.“ Um zu erfahren, was sich zugetragen hatte, machte er sich im November 1945 auf den beschwerlichen Weg nach Hause, nach Anklam in die sowjetische Besatzungszone. Von Nachbarn hatte er dort erfahren, dass seine Eltern am 2. Mai 1945 den Freitod gewählt hatten. Anlass war ein Aufruf der russischen Kommandantur, dass sich alle Parteimitglieder zu melden hätten. Sein Vater hatte den Neubau des Anklamer Krankenhauses, das 1937 eröffnet werden konnte, maßgeblich initiiert und war dort Chefarzt. Er war auch Mitglied der NSDAP und der SS geworden. Die Angst, in einem Lager zu enden, war groß und unerträglich, wie er in einem Abschiedsbrief formulierte. Ebenso hatten die Eltern wenig Hoffnung, dass ihr Sohn noch lebte, da sie seit Wochen keine Feldpost von ihm erhalten hatten. Es herrschte Endzeitstimmung im zerstörten Anklam.4 In die Wohnung in der Friedländer Straße war ein anderer Arzt eingewiesen worden, ein ehemaliger Freund der Familie. Dieser war nicht bereit, selbst persönliche Sachen herauszugeben. Völlig mittellos fuhr Heinrich Hannover nach Kassel zurück.


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Heimatkalender Anklam 2024

Er holte sein Abitur nach und wollte dann eigentlich Forstwirtschaft studieren. Doch statt dessen studierte er Jura in Göttingen. Sein erster Rechtsfall, noch lange, bevor er Rechtsanwalt war, galt dem Kampf um sein Eigentum, das Elternhaus samt Inventar. Abgesehen von wenigen abgerungenen Einzelstücken, endete sein erster Rechtsfall mit einem Misserfolg.5 Mit der Absicht, ein gutbürgerliches Leben zu führen und in Bremen wohlsituierte Mandanten zu finden, ging er 1950 in die Hansestadt. Ein Grund war allerdings auch, dass Bremen Referendaren ein Gehalt zahlte. Die Erwartungen erfüllten sich, Heinrich Hannover wurde in Bremen zum juristischen Interessenvertreter kapitalkräftiger Kreise. Angesichts seiner damaligen politischen Einstellung, sein Vater hatte ihm schon als Kind die Angst vor Kommunisten eingebläut, war es mit seiner Anwaltszulassung am 8. Oktober 1954 eher eine Zumutung, dass er die Pflichtverteidigung eines Kommunisten übernehmen musste. Sein Mandant war zusammen mit anderen wegen Landfriedensbruch, Aufruhr, Auflauf, Widerstand gegen die Staatsgewalt und versuchte Gefangenenbefreiung angeklagt. Diese Verteidigungsaufgabe, anfangs voller Distanz, wurde jedoch bestimmend für das ganze weitere Berufsleben von Heinrich Hannover. Hatte Heinrich Hannover politische Vorurteile, wie sie in den Köpfen der Richter und Schöffen existierten, vorher selbst geteilt, so bemerkte er jetzt, dass sie seine Aufgabe als Verteidiger ungemein erschwerten. Er war nun empört über die politisch motivierte Justiz und die Verurteilung seines Mandanten, den ein Polizist schwer verletzt hatte. Letzterer blieb aber unbestraft. Weitere fünf Angeklagte, denen keine Pflichtverteidiger beigeordnet waren, beauftragten Hannover am zweiten Verhandlungstag als Wahlverteidiger. Ihre erwirkten Freisprüche machten Heinrich Hannover von einem Tag auf den anderen bekannt. Er war jetzt der „Kommunistenverteidiger“ in Bremen. Dieser fragwürdige Ruhm zerschlug allerdings alle Hoffnungen, auch Klientel aus den Kreisen der Bremer Kaufmannschaft zu erwerben. Die Weichenstellung führte dazu, dass er zum Anwalt der kleinen Leute, der politisch oder religiös verfemten Minderheiten und der gegen das kapitalistische System und gegen Krieg und Aufrüstung auf-


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begehrenden Generation wurde. Dieser Aufgabe widmete er sich fortan mit steigender Intensität und Hingabe.6 Zu seinen Mandanten gehörten u. a. Angehörige verschiedener Parteien, Gewerkschafter, Studenten, Gegner einer atomaren Aufrüstung und Terroristen. Er vertrat den jungen Otto Schily wegen Beleidigung der Polizei und Daniel CohnBendit, der eine Polizeiabsperrung übersprungen hatte. Verteidigt hatte er auch die RAF-Gründerin Ulrike Meinhof. Da sie sich aber nicht von der Auffassung trennte, mit Terror die Gesellschaft verändern zu wollen, legte er sein Mandat nieder. Auch der Reporter Günter Wallraff, der für seine Enthüllungsberichte falsche Ausweise vorgelegt hatte und Hans Modrow, wegen Wahlfälschung angeklagt, gehörten zu seinen Mandanten. Als Nebenkläger vertrat er Irma Gabel-Thälmann gegen Wolfgang Otto, der am Mord von Ernst Thälmann beteiligt war. Von seiner Mandantin, der Thälmann-Tochter, erfuhr er Mitte der achtziger Jahre, dass sie in Anklam KPD-Genossen getroffen habe, die große Hochachtung vor seinem Vater hatten. Dieser hatte sich nicht gescheut, als Fürsprecher für politisch Andersdenkende aufzutreten. So hatte er dem Mann der Putzfrau, einem Kommunisten, beigestanden, der beschuldigt wurde, an einer Aktion in der Anklamer Zuckerfabrik beteiligt gewesen zu sein, bei der einem Hitler-Bild die Augen ausgestochen worden waren.7 Nicht nur als Strafverteidiger machte sich Heinrich Hannover mit seinen leidenschaftlichen Plädoyers einen Namen, sondern auch vor Verwaltungsgerichten als Rechtsbeistand für Militär- und Rüstungsgegner sowie Kriegsdienstverweigerer. Da diese Prozesse meistens erfolgreich endeten, stellte er die Rechnungen an den Bund. Es freute ihn, dass die Summe die Kosten für einen kleinen Panzer ausmachten.8 Kein Wunder, dass viele in seiner Zunft sich von ihm distanzierten. Man warf ihm „standeswidriges Verhalten“ vor und beschimpfte ihn als „Terroristenanwalt“. Ein Ehrengerichtshof verurteilte ihn sogar zu einer Geldbuße in Höhe von 3.000 D-Mark. Noch schlimmer waren Morddrohungen. Selbst seine sechs Kinder wurden am Telefon bedroht mit Aussagen wie: „Heute Nacht wird dein Vater ermordet.“ Doch Heinrich Hannover ließ sich nicht einschüchtern. Aber ihm wurde auch viel Ehre zuteil, insbesondere für seinen unermüdlichen Einsatz, das juristische Denken zu de-


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70 Jahre Bombenangriff am 9. Oktober 2013.

mokratisieren. Für seine großen Verdienste zur Demokratisierung des Rechts in der BRD wurde Heinrich Hannover 1973 mit dem Fritz-Bauer-Preis ausgezeichnet. Fritz Bauer hatte sich ähnlich für die Humanisierung des Strafrechts und des Strafvollzugs eingesetzt. Es folgten zahlreiche weitere Preise zu seiner Würdigung. Die Humboldt-Universität Berlin verlieh ihm 1986 die Ehrendoktorwürde. Die Universität Bremen folgte 1996. Mit seiner ersten Frau Elisabeth Hannover-Drück hatte er sechs Kinder. Das jüngste ist 1969 im Alter von erst sieben Jahren an Leukämie verstorben. Der scharfzüngige Strafverteidiger hatte auch eine andere Seite als Familienmensch. Seinen sechs Kindern erzählte er abends selbsterdachte Geschichten. Es war für ihn ein Ausgleich zu seiner spannungsgeladenen Tätigkeit. Er fasste das in die Worte: „Ich werde in meinem Beruf tagsüber so viele Aggressionen los, dass ich abends ein netter Mensch sein kann.“9 Irgendwann begann er, diese aufzuschreiben. Seine Kindergeschichten wurden dann verlegt und zu Bestsellern. Das bekannteste ist das Erstlingswerk von 1968: Das Pferd Huppdiwupp. Die etwa 20 Kinderbücher erreichen eine Auflage von schätzungsweise einer Million. Es hätte ihn auch gefreut, wenn seine politischen Bücher eine ebenso hohe Auflage erreichen könnten. Immerhin hat er elf Sachbücher verfasst, die sich mit der Rechtsprechung im politischen Kontext befassen.

Lesung am 3. November 2014 im Anklamer Gymnasium.

Fotos: Dr. Wilfried Hornburg


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Signet von Heinrich Hannover

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Sein erstes Buch: „Politische Diffamierung der Opposition im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat.“ erschien bereits 1962 mit einem Vorwort vom späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann und erregte großes Aufsehen. Viele seiner Prozesse hat er dokumentiert. Einiges kann man nachlesen in seinen zwei Bänden: „Die Republik vor Gericht“ (1954–1974 und 1975–1995). Sofern es ihm möglich war, besuchte er seine alte Heimat, Anklam. Oft war das zu bestimmten Ereignissen, verknüpft mit seinen Vorträgen, die großes Interesse fanden. Bei meinem Besuch in Worpswede am 22. August 2022, seinem Wohnort seit 1982, in dem abgelegenen Haus, umgeben von vielen Bäumen, erlebte ich einen betagten, aber geistig äußerst regen Menschen. Mit ihm und seiner Frau Doris, mit der er seit 2010 verheiratet war, gab es anregende Gespräche. Ein wichtiges Thema war Anklam, die Stadt, die nach wie vor seine eigentliche Heimat war. Er zeigte stolz einige Gegenstände, die er aus seinem Elternhaus erst nach Jahren anstrengenden Bemühens zurückerwerben konnte. Darunter ein in Anklam auf Bestellung von seinem Vater hergestellter Sekretär.

Dr. Heinrich Hannover und seine Frau Doris bei seiner Rede zur Einweihung der Gedenktafel für Margarete Lachmund am 8. Mai 2015. Foto: Dr. Wilfried Hornburg

Der für die Familie wertvolle Sekretär im Wohnhaus in Worpswede. Foto: Dr. Wilfried Hornburg


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Umgeben von Regalen voller Bücher erzählte er mit wachem Geist von früher interessante Geschichten. Auch eine seiner Eigenkompositionen spielte er bei der Gelegenheit vor. Beeindruckend die Bandbreite seiner Interessen und Tätigkeitsfelder. Zwar mit Rollator führte er mich dann über sein großes, parkartiges Grundstück.

Worpswede am 22. August 2022. Dr. Heinrich Hannover, seine Ehefrau Doris Hannover und der Autor. (v. r.)

Foto: Dr. Wilfried Hornburg

Bei der Verabschiedung musste ich ihm versprechen, ihn wieder zu besuchen. Ebenfalls äußerte er seinen Wunsch, im Folgejahr auch Anklam einen Besuch abzustatten. Beides sollte nicht mehr geschehen. Sein Tod verhinderte das. Dr. Wilfried Hornburg

Quellen 1 Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend (unveröffentlicht) 2 Heinrich Hannover: Die Republik vor Gericht 1954–1974. Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts. Aufbau-Verlag Berlin 1998, S. 13. 3 Ebenda, S. 22. 4 Ebenda, S. 25 ff. 5 Ebenda, S. 36 ff. 6 Ebenda, S. 40 ff. 7 Heinrich Hannover: Die Republik vor Gericht 1954–1974. Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts. Aufbau-Verlag Berlin 1998, S. 37. 8 Aussage im persönlichen Gespräch mit Heinrich Hannover nach einer Veranstaltung im ehemaligen Anklamer Wehrmachtsgefängnis am 7. Mai 2015. 9 Irmela Hannover: Lieber Vater – ein Brief.


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