Stadtforschung Statistik – Ausgabe 1-2008

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Editorial

Muhammad Yunus

Eigentlich wollte ich „Mittwoch, 13. April 1983“ über diese Seite setzen, womit ich an die Aussetzung der VZ vor 25 Jahren erinnert hätte. In starker Konkurrenz dazu stand „Neuer Mikrozensus“, um gleich mit den Kosack-Zeilen einzusteigen. Auch „Metropole Ruhr“ und „Vielzweckinstrument Monitoring“ waren angedacht. Doch dann kam mir der Yunus-Aufsatz auf den Tisch und ein Friedensnobelpreisträger ist natürlich etwas ganz Besonderes. Allerdings befasst sich sein Aufsatz gar nicht mit Statistik, ist aber dennoch lesenswert. Aber auch für die, die den Yunus-Beitrag auslassen, ist sicherlich noch genug Interessantes da: Blicke auf Wahlen, Wohnungen, Einwohner, Kriminalität, Einkommen, Arbeitsplätze usw. Blicke in den VDSt: Von Kiel bis Saarbrücken, einiges über Neumitglieder und auch über die, die diese Zeitschrift machen. Und: Die Zahl des Jahrs 2007. Martin Schlegel, Hagen

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Stadtforschung und Statistik Zeitschrift des Verbandes Deutscher Städtestatistiker Ausgabe 1 • 2008

Inhalt Wahlanfechtungen – leidvolle Alltags­ erfahrung im Kommunalwahlrecht Werner Ley, Magdeburg 11 000 leere und 15 000 neue Wohnungen Erfurter Tendenzen auf dem Wohnungsmarkt Rainer Schönheit, Erfurt Die Einwohner verlangen differenzierte Infrastruktur Wo leben Familien in der Stadt? Katrin Meyer, Gabriele Sturm, Bonn Weltumspannende Umfrage unter älteren Menschen Metropole Ruhr – eine altersfreundliche Region? Claudia Horch, Essen Sozialräumlich unterschiedliches Delinquenz­verhalten Jugendkriminalität und öffentliche Missstände Susann Kunadt, Jost Reinecke, Bielefeld Opernfreunde und Opernfremde Kosten – Interesse – Lebensstil Karl-Heinz Reuband, Düsseldorf Einwohner, Einkommen, BIP, Pendler, Arbeitslose Blicke auf die 15 größten deutschen Städte Lars Kreymann, Leipzig

Rück­blicke

Praxisnah

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Auflösung des Widerspruchs

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Detaillierte Daten über die Stadtstruktur

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Befragung zu einem breiten Themenspektrum

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Befragungen unter Jugendlichen

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Befragung zum Opernbesuch

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Breites Datenspektrum

Aus den Kommunen

Mittwoch, 13. April 1983: Das Bundesverfassungsgericht stoppt die VZ Manfred von Schaewen: „Sie sind schuld!“ Acht Kollegen Horst-Jürgen Wienen: Schwachstellen beim Datenschutz blicken auf die Gert Nicolini: Ratlos. „Un nu?“ Aussetzung Klaus Kosack: Alles für die Katz? der VZ zurück Bruno Schmaus: Dann die Hochzeitsfeier Raimund Bartella: Start der Statistik-Verrechtlichung Manfred Mischke: Angespannte Nerven und Marathondebakel Hans-Walter Hülser: Dein Staat, der Bürgeraushorcher? Wenn es ihn nicht schon gäbe, müssten wir ihn gründen Ein nicht wegzudenkender 25 Jahre KOSIS-Verbund Wolf Schäfer, Klaus Trutzel, Nürnberg Verbund

23 Porträts – Erfolg für eine lebenswerte Welt Unbedingte Empfehlung: Studieren Martin Schlegel, Hagen Weg vom Denken der Profitmaximierung Wirtschaftliche Sozialunternehmer sind die Lösung Muhammad Yunus, Bangladesch 2

Seite 5

Seite 61

Selbst erfolgreich sein und Anderen helfen

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Vorschlag des Friedensnobelpreisträgers

Seite 34 34 35 35 36 36 37 37 38 71

S+S Extra

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Inhalt

Wohnungsverlosung – Immobilienboom in Spanien Keine Wohnung für jeden Thorsten Heitkamp, Dortmund Wertvolle Informationen

Methodik

Viele Funktionen des Monitoring Einführung der kleinräumigen Gliederung Methoden und Ergebnisse

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Streiflichter

Editorial Muhammad Yunus Bevor der Ernst beginnt Drei Länder, drei Wege Impressum Autorenverzeichnis Stadtforschung und Statistik 1/ 08

Auslandsstatistik

Mikrozensus – unterjährige Erhebung Funktion und Arbeitsweise des Mikrozensus Klaus Kosack, Bonn Vielzweckinstrument Monitoring: Monitoring als kommunalstatistische Aufgabe Britta Dollinger, Wiesbaden Kleinräumige Gliederung für die Fachplanungen Flächendeckende LORs in Berlin Hartmut Bömermann, Berlin NRW: Statistik auf Gemeindeebene Einkommen und Arbeitsplätze Marco Scharmer, Düsseldorf

Seite Neumitglieder stellen sich vor Juliane Hübner, Braunschweig, Marko Ubozynko, Reckling- 67 hausen, Axel Weber, Esslingen, Anke Wörner, Frankfurt Viertes Treffen der EX-AG in Kiel – Nun waren es 18 68 Links und rechts der Kieler Förde Erhard Hruschka, Ahrensburg Nachbetrachtung zur Statistischen Woche 2007 70 Kiel, eine saubere Sache Martin Schlegel, Hagen Stadtforschung und Statistik 74 Die Redaktion Hubert Harfst, Hannover, Claudia Horch, Essen, Helga Kreft-Kettermann, Münster, Jochen Richter, Oberhausen, Roland Richter, Duisburg, Martin Schlegel, Hagen Frühjahrstagung – Willkommen in Saarbrücken 77 Zukunft im Herzen Europas Rainer Waespi-Oeß, Saarbrücken Journalistenpreis Hinweise Vor 100 Jahren Zu viele Normen? Vielleicht Sie? September 2008 Damalige Statistik Damalige Statistik Eisenbahn

Gefährliche Lage in Spanien

4 40 80

41 44 47

Neue über sich Kieler Tage Kieler Tage

Internes

Blicke hinter die Kulissen

Blick nach vorn

Herzlichen Glückwunsch Da fehlte etwas Der April hat es in sich Zahl des Jahres 2007: 55 555 Partner/in gesucht Die nächste Ausgabe Industriestatistik Neuangekommene Fremde Zahlenkolonnen oder -friedhöfe Seite 1

Seite 39

Hinweise Kieler Erkenntnisse Namen Ihr Name, bitte?

15 30 33 46 60 70 73 79 79

Rubriken

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Bevor der Ernst beginnt

Drei Länder, drei Wege

Drei mir unbekannte Statistiker, also wohl nicht aus dem VDSt, saßen mir beim Empfang auf der Statistischen Woche in Kiel gegenüber. Jeder trank ein schönes, kühles, großes Bier. Drei Fliegen kamen und plumpsten jeweils in ein Glas. Der Bayer, unschwer an der Sprache erkennbar, sah sich die Sache kurz an, nahm den Humpen in die Hand und trank einen großen Schluck. Sein Problem war erledigt. Auffordernd schaute er seinen Nachbarn an. Dieser, hörbar ein Sachse, stand auf und holte vom Nachbartisch einen Löffel. Damit fischte die Fliege aus dem Bier. Auch hier war das Problem überwunden. Der Dritte, ein Schwabe wie er im Buche stand, nahm sich den Löffel des Sachsen, holte damit die Fliege aus dem Glas und setzte sie auf den Rand des Glases: „Spuck das Bier aus, es ist meins!“

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Wahlanfechtungen – leidvolle Alltagserfahrung im Kommunalwahlrecht Werner Ley, Magdeburg

Wahlgesetze und Wahlordnungen sind auf allen Ebenen reich an Fußangeln und Stolperfallen. Nicht immer sind Regeln so präzise, dass sie unter allen Umständen im Wahlamt und im Wahllokal wortgetreu umgesetzt werden können. Besonders das kommunale Wahlrecht, von Bundesland zu Bundesland verschieden und von tradierten Besonderheiten durchsetzt, erfordert häufig kreative Auslegungen durch Wahlbehörden und Wahlorgane. Am Horizont erscheint dann gelegentlich das Gespenst der Wahlanfechtung. Gestattet dann noch die landesspezifische Ausgestaltung des Wahlrechts, dass einzelne Personen eine Wahlanfechtung auch auf dem Klageweg verfolgen können, ohne dass es (wie im Bundeswahlrecht) des Beitritts weiterer Wahlberechtigter bedürfte, dann sind Rechtsstreitigkeiten auf dem Weg zum Regelfall. In der Landeshauptstadt Magdeburg ist seit 1999 keine Wahl auf kommunaler Ebene ohne Einspruch geblieben. Ein Fall hat es immerhin bis zum Oberverwaltungsgericht des Landes gebracht. Im folgenden sollen einige dieser Streitfälle dargestellt werden.

Häuschen im Speckgürtel. In der Landeshauptstadt verblieben ein Briefkasten am stillgelegten Betriebsgelände seines kurz zuvor aufgegebene Betriebes – und natürlich der Datensatz im Einwohnermelderegister. Niemandem schien das aufgefallen zu sein, auch die Bestätigung der Wählbarkeit durch die Meldebehörde stellte keine Hürde dar. Am Wahltag indessen nahm ein dem Kandidaten nicht wohlgesonnener Wähler Anstoß an dem Namen auf dem Stimmzettel – und noch während des Wahltages lag der Wahleinspruch auf dem Tisch des Wahlleiters. Am Ende des Verfahrens standen ein die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bewerbers nicht über Gebühr strapazierendes Bußgeld wegen Verletzung der Meldepflicht, der Versuch der Partei, die Angelegenheit durch Nichtannahme des Mandats möglichst geräuschlos aus der Welt zu schaffen und eine sehr begrenzte Einsicht des Verursachers in sein Fehlverhalten. Die von ihm eingefahrenen Stimmen immerhin durfte die Partei behalten – weil nach geltender Rechtsauffassung die nachträglich erkannte nicht vorhandene Wählbarkeit nicht zur Ungültigkeit der Wahl führt.

Der Briefkasten­ kandidat

Risikofall Wahlge­ bietseinteilung

Ein Stadtrat einer großen Partei verzog einige Zeit vor der Ratswahl in sein neu errichtetes

Das Kommunalwahlgesetz Sachsen-Anhalts, dem das weit verbreitete Dreistimmenwahl­

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system zu Grunde liegt, sieht ebenso wie die Gesetze einiger weiterer Bundesländer vor, dass das Wahlge­biet in Teilgebiete (in Sachsen-Anhalt: Wahlbereiche) zu unterteilen ist. Für die Mandatser­mittlung bedeutet das, dass nach Auszählung der Stimmen zunächst die im gesamten Wahl­gebiet auf die einzelnen Listen entfallenden Mandate festzustellen sind, anschließend erfolgt nach dem gleichen Rechenverfahren die Aufteilung der einer Liste insgesamt zustehenden Mandate auf die einzelnen Wahlbereiche. Dabei konkurrieren gewissermaßen die Wahlvor­schläge der gleichen Liste zwischen den Wahlbereichen miteinander. Erst im letzten Schritt entscheidet sich anhand der Stimmenzahlen, welche Personen in die Vertretung einziehen.

Fußangeln und Stolperfallen

Bußgeld

Die Vorschriften über die Art und Weise der Bildung von Wahlbereichen sind in der Geschichte des Kommunalwahlgesetzes in Sachsen-Anhalt mehrfachen Veränderungen unterworfen gewesen. Bezeichnend ist jedoch, dass in der Vergangenheit niemals eine gesetzliche Vorschrift über die Größenverhältnisse der Wahlbereiche bestanden hat. Der bis 2002 amtierende Innenminister hatte sogar, motiviert durch das Vorhaben einer zwangs­ weisen Gebietsreform, eine Gesetzesnovelle auf den Weg gebracht, die auch deutlich unter­ schiedlich gro5


Wahlanfechtungen – erfahrung im Kommunalwahlrecht ße Wahlbereiche ausdrücklich erlaubt hätte, wenn damit das Ziel einer Vertre­tung möglichst aller Ortsteile im Rat verfolgt würde. Der Regierungswechsel 2002 jedoch ließ aus dieser Absicht Makulatur werden.

Einwohner-Toleranzen

Erst kurz vor der Kommunalwahl 2004 wurde in das KWG eine Vorschrift aufgenommen, der gemäß die Einwohnerzahl der Wahlbereiche nicht mehr als 25 % nach oben oder unter vom Durchschnitt abweichen darf. Bei der Einteilung des Stadtgebiets der Landeshauptstadt Magdeburg in Wahlbereiche ist bereits seit 1994 eben dieser Regel gefolgt worden. Nach der Wahl 2004 wurde gegen die gesamte Wahlvorbereitung und –durchführung ein Wahleinspruch eingelegt mit dem Ziel, die Wahl für ungültig erklären und wiederholen zu lassen. In der Begründung wurde eine Verletzung des Gleichheitsgebotes der Wahl gerügt und angeführt, dass die Wahlbewerber in einem bestimmten Wahlbereich, dessen Einwoh­ nerzahl nur reichlich 80 % des Durchschnittswertes betrug, a priori eine geringere Erfolgsaussicht als Bewerber aus überdurchschnittlich großen Wahlbereichen hätten. Nachdem der für Wahleinsprüche zunächst zuständige Stadtrat erwartungsgemäß den Ein­ spruch abgewiesen hatte, haben mittlerweile zwei verwaltungsgerichtliche Instanzen

die entsprechende Klage des Wahlberechtigten abgewiesen. Der Widerspruch gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht liegt inzwischen geraume Zeit beim Bundesverwaltungsgericht

Abtrünnige Nach­ rücker Dass Einsprüche nach dem Kommunalwahlrecht durchaus auch außerhalb der unmittelbaren Wahlzeit für Aufregung sorgen können, zeigt der folgende Fall: Das Kommunalwahlgesetz Sachsen-Anhalts enthält die Vorschrift, dass Wahlbewerber einer Partei, die kein Mandat erworben haben, jedoch im Falle des Ausscheidens gewählter Kandidaten dieser Partei als mögliche Nachfolger zur Verfügung stehen, von der Nachfolge ausgeschlossen werden, wenn sie zwischenzeitlich die Partei verlassen. Gewählte Mandatsträger dagegen verlieren ihr Mandat beim Fraktions- oder Parteiwechsel natürlich nicht, eine Erfahrung, die manche Fraktion schon machen musste. Auch mögliche Nachrücker auf den Kandidatenlisten von Wählergemeinschaften oder parteilose Kandidaten auf Parteilisten können in ähnlich gelagerten Fällen nicht von der Nachfolge ausgeschlossen werden, letztere allerdings dann, wenn sie einer anderen Partei beitreten, die ihrerseits an der letz-

ten Wahl teilgenommen hat. Diese merkwürdige Ungleichbehandlung sollte eigentlich den Argwohn der Verfassungsrechtler hervorgerufen haben, die Vorschrift ist jedoch auch in Magdeburg in der Vergangenheit gelegentlich bereits angewandt worden, ohne dass ihre Rechtmäßigkeit förmlich in Zweifel gezogen worden wäre. 2006 lag nun der Fall einer Kandidatin vor, die 2004 für eine etablierte Partei angetreten, aber nicht gewählt worden war. Anfang 2006 hatte sie ihre Partei verlassen, ohne sich indessen von deren politischen Positionen zu entfernen. Gegen die Feststellung, dass sie im Falle des (bisher nicht eingetretenen) Freiwerdens eines Mandats von der Nachfolge ausgeschlossen wäre, legte sie Einspruch ein. Dieser Einspruch wurde – nicht überraschend – vom Stadtrat zurückgewiesen. Von einer Klage sah die Kandidatin letztlich ab. Gleichwohl wäre wegen der in der Gesetzesvorschrift enthaltenen Ungleichbehandlung von Kandidaten verschiedenartiger Wahlvorschläge eine Klärung vor dem Landesverfassungsgericht wohl wünschenswert gewesen. Diese Frage erhält zusätzliche Brisanz dadurch, dass eben jener Ausschluss von der Mandatsnachfolge mit dem aktuell im parlamentarischen Verfahren befindlichen Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes in dessen § 48 hineingeschrieben werden soll.

Über Statistik: „Sie mögen Statistiken lieben oder nicht, benötigt werden sie dennoch.“

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11 000 leere und 15 000 neue Wohnungen – wie passt das?

Erfurter Tendenzen auf dem Wohnungsmarkt Rainer Schönheit, Erfurt Nach der Lektüre zweier ErfurtArtikel in dieser Zeitschrift hat mich der Redaktionsleiter Folgendes gefragt und um Aufklärung gebeten: „In der Ausgabe 2/2007 von „Stadtforschung und Statistik“ waren zwei Artikel aus und über Erfurt, die für mich schon in einem ziemlichen Spannungsverhältnis stehen. 15.000 neue Wohnungen und 11.000 stehen leer. War da nichts zu machen, fragt sich jeder? Auch auf der Statistischen Woche. Vielleicht könnten Sie in einem Beitrag für diese Zeitschrift darauf eingehen und klar legen, warum beides sein musste: Abriss und Neubau. “ Mit Statistik allein ist dieser Frage nicht beizukommen. Eher wohl mit der Beleuchtung der historischen Entwicklung, der Wünsche und Sehnsüchte der Menschen sowie der finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

DDR und Wende Seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden in Erfurt wie auch anderswo in der DDR, meistens am Stadtrand auf der grünen Wiese, neue Stadtteile „aus dem Boden gestampft“. Diese Wohnungen des industriellen Wohnungsbaus der DDR (umgangssprachlich als „Plattenbau“ bezeichnet) waren zu dieser Zeit begehrt, da sie mit Fernheizung, Bad mit fliesend warmem Wasser optimal ausgestattet waren und eine gute Infrastruktur aufwiesen. Diese

Bautätigkeit ging zu Lasten des vorhandenen Wohnungsbestands, für den wenig Geld und Material für die Erhaltung wie auch für die Modernisierung zur Verfügung stand. Außerdem wurden in dieser Zeit in Erfurt so gut wie keine Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser erteilt. Mit der politischen Wende in der DDR und der deutschen Einheit begann der Umbruch auch auf dem Wohnungsmarkt. Zum Einen setzte unmittelbar die Westwanderung ein, die die ersten Wohnungsleerstände nach sich zog. Zum Anderen wurden die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen in den Wohnungsbau (z.B. Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet – Fördergebietsgesetz – in den Jahren 1992 bis 1999) für Eigentümer und Bauherren in den neuen Bundesländern günstig gestaltet. Damit begannen die Modernisierungen und Sanierungen im Wohnungsbestand, insbesondere auch in der bisher vernachlässigten Altbausubstanz, wie auch der Neubau von Mehrfamilienhäusern und Eigenheimen. Die umliegenden Gemeinden von Erfurt waren im Allgemeinen schneller im Ausweisen von Baugebieten für Eigenheime als die Stadt Erfurt. Dies brachte ab dem ersten Drittel der 90er-Jahre eine Suburbanisierungswelle von Erfurter Bürgern, die ihren

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aufgestauten Wunsch nach einem Eigenheim erfüllen wollten. Diese hielt bis zur Jahrtausendwende an. Ein Teil der „Abtrünnigen“ wurde durch die Kreisgebietsreform im Jahr 1994 wieder nach Erfurt eingemeindet.

Wunsch nach einem Eigenheim

Neues Jahrhundert – neuer Trend Seit der Jahrtausendwende zeigt sich ein neuer Trend. Die Jungerwachsenen bis 30 Jahre zogen in hoher Zahl zur Ausbildung oder als Berufsanfänger insbesondere aus Thüringen nach Erfurt und überwiegend in die Stadtteile der Kernstadt. Dieser Zuzug in die Stadt kompensierte seitdem die Fortzüge in die Alten Bundesländer vollständig. Dies alles verursachte auch eine starke Umschichtung der verbliebenen Bevölkerung bei ihrer Suche nach der optimalen Wohnung innerhalb des Stadtgebiets. Zwischen 10 und 15 % der Einwohner zogen jährlich um. Die Kernstadt gewann insbesondere bei den Jungerwachsenen an Attraktivität und hat heute wieder die gleiche Einwohnerzahl wie zu Beginn der 90er-Jahre. Die dörflichen Stadtteile erhöhten die Bevölkerung im gleichen Zeitraum überwiegend durch den Neubau von Eigenheimen um knapp 50 %. Diese Bevölkerungsgewinne gingen fast ausschließlich zu Lasten der Stadtteile mit Wohnungen des

Westwanderung bringt Leerstände

Umschichtung der Bevölkerung

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Wo leben Familien in der Stadt? industriellen Wohnungsbaus der DDR. Dort verblieben überwiegend die ältere Generation kurz vor dem oder im Rentenalter, die schon immer dort wohnte, sowie einkommensschwache Bevölkerungsgrup-

pen. Zudem leiden diese Stadtteile unter einem anhaltenden negativen Außenwanderungssaldo. Die Gebäudestruktur mit teilweise unüberschaubarer Hausgröße mit bis zu 140 Wohnungen in 11 Etagen, der

Wohnungszuschnitt mit wenigen und kleinen Räumen sowie die Lage am Stadtrand entsprechen nicht mehr den heutigen Wünschen der Bevölkerung.

Die Einwohnerverteilung verlangt unterschiedliche Infrastruktur

Wo leben Familien in der Stadt? Katrin Meyer, Gabriele Sturm, Bonn

Kinderlosigkeit, ein Problem

Single-Haushalte stellen 37%

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Die Modernisierung der europäischen Gesellschaften im 19. Jahrhundert führte über die Industrialisierung zu einem Wachstum der Städte und dort zum (bürgerlichen) Ideal der Kleinfamilie, das von allen Gesellschaftsschichten übernommen wurde. Die Normalfamilie war seither für mehr als 100 Jahre verknüpft mit der räumlichen Arbeitsteilung der Geschlechter samt entsprechender Rollenverteilung und mit lebenslanger Ehe, die – wie die Entscheidung für Kinder – auf Liebe und nicht mehr auf ökonomischen Beweggründen beruhen sollte. Raumtheoretisch ist davon auszugehen, dass Änderungen der Lebensformen und -praxen als Teil der sozialen Veränderungen einhergehen mit Veränderungen der baulich-materialen wie der politischen oder der kulturellen Strukturen und Entstehungsprozesse der Stadt (Löw & Sturm 2005). So sind Städte nach wie vor beschreibbar anhand der Verteilung bestimmter Bevölkerungsgruppen über das städtische Territorium.

Kennzeichnend für Familie wurde seit dem 19. Jahrhundert das Zusammenleben von mindestens zwei Generationen in einem Haushalt. Entsprechend bestanden im Jahre 1900 in Deutschland kaum 22 % der Haushalte aus ein oder zwei Personen, während mehr als 44 % der Haushalte als Familienhaushalte fünf und mehr Personen umfassten. Der Wandel hin zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, die sich insbesondere in Städten manifestiert, hat vor allem während der vergangenen 30 Jahre auch die Lebensformen verändert: Im Jahre 2004 gab es in Deutschland mehr als 39 Mio. Haushalte, davon 37 % Ein-, 34 % Zwei- und lediglich 4 % Fünfund-mehr-Personen-Haushalte. Allein von 1991 bis 2005 ist die Zahl der Haushalte vier Mal so stark angestiegen wie die Zahl der in ihnen lebenden Menschen. Dies betrifft vor allem die großen Großstädte, in denen etwa die Hälfte der Haushalte Einpersonenhaushalte sind, d. h. dass dort mehr

als jede/r Vierte einen Einpersonenhaushalt führt (StaBu 2006). Der steigende Anteil Kinderloser ist inzwischen als ein zentrales Problem für die demografische Entwicklung in den europäischen Ländern und daraus folgend für den „Generationenvertrag“, für die wirtschaftliche Entwicklung, für die Städte etc. bewusst geworden. Die Diskussion geht um Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um Familienfreundlichkeit oder um die Unterstützung alternativer Lebensformen. Stadtleben gilt für Familien mit Kindern als zeitaufwändig, als ungesund bzw. gefährlich und vor allem als zu teuer. Trotzdem leben in deutschen Großstädten nach wie vor Eltern mit ihren Kindern – allerdings wesentlich weniger als noch eine Generation zuvor. Nicht nur die Frage der Struktur und der Entwicklung von Lebensformen mit Kindern, sondern auch deren aktuelle räumliche Praxis ist von großem (kommunal-)politischen Interesse.

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Wo leben Familien in der Stadt?

Wo leben Familien in den Städten? Diese Frage kann zu einem gewissen Grad mit Daten der „Innerstädtischen Raumbeobach­ tung“ (IRB) beantwortet werden. Die IRB ist ein Kooperationsprojekt des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung mit derzeit 45 deutschen Großstädten (BBR 2007). Die teilnehmenden Städte stellen kleinräumige Daten in einem gemeinsamen Pool zur Verfügung, den alle Beteiligten für vergleichende Analysen nutzen können. In den IRB-Städten leben 19,4 Mio. Einwohner in 2.408 Stadtteilen. Die durchschnittliche Einwohnerzahl der Stadtteile liegt bei rund 8.000 Menschen. Für alle Stadtteile liegt eine mit den Städten abgestimmte Zuordnung zu einem innerstädtischen Lagetyp vor. Unterschieden werden: City, Cityrand (zusammen „Innenstadt“), Innenstadtrand (mit Innenstadt: „Innere Stadt“), Stadtrand bzw. „Äußere Stadt“ (mit Innerer Stadt: Stadt) und der städtische Nahbereich bzw. das Umland (mit Stadt: Stadtregion). Durchschnittlich wohnen in der Innenstadt 14,6 %, in Stadtteilen des Innenstadtrandes 33,5 % und in Stadtrandgebieten 51,8  % der IRB-Bevölkerung. Regional zeigt die Tabelle 1 etwas andere Verteilungen. Der Merkmalskatalog der IRB umfasst etwa 30 Merkmale. Dazu gehören u. a. • Bevölkerung nach Altersgruppen, • Ausländer nach Altersgruppen, • Doppelstaatler nach Altersgruppen (32 der 45 Städte), • Innerstädtische Umzüge (Einwohner insgesamt; Ausländer) nach Altersgruppen, • Stadtgrenzen überschreitende Wanderungen (Einwohner insgesamt; Ausländer) nach Altersgruppen.

Da die Daten hinsichtlich der Privathaushalte derzeit noch unvollständig und uneinheitlich sind, können Wohnstandorte von Familien am besten über die Altersgruppen der Minderjährigen identifiziert werden. Die im Weiteren verfolgte Frage lautet also: Wo wohnen Kinder und Jugendliche in deutschen Großstädten? Wir unterscheiden hier für das Jahr 2005 insbesondere Haushalte mit Vorschulkindern bis unter 6 Jahre und Haushalte mit schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis unter 18 Jahren. Diese Unterscheidung passt zum unter­schiedlichen räumlichen Mobilitätsverhalten der entsprechenden Altersgruppen: Für unter 6-Jährige gibt es jährlich mehr als 10 Wanderungen auf 1.000 EW, hingegen weisen 6- bis unter 18-Jährige (so wie über 40-Jährige) weniger als 10 Wanderungen auf 1.000 EW auf (Sturm & Meyer 2008). Aufgrund der Datenlage lassen sich relativ leicht folgende Fragen beantworten: • Wie hoch ist der Anteil Minderjähriger in den IRB-Städten und in den IRB-Stadtteilen? • Ist der Anteil Minderjähriger abhängig von der regionalen Einbettung der IRBStädte? • Wie hoch ist der Anteil Minderjähriger abhängig von der innerstädtischen Lage eines Stadtteils? • Unterscheidet sich der Wohnstandort Minderjähriger abhängig von ihrer Staatsbürgerschaft?

Anteil Minderjähriger in den IRB-Städten zwischen 12,6 % (Chemnitz) und 18,3 % (Ludwigshafen), im Durchschnitt sind es 15,8 %. D. h., dass in den administrativen Grenzen der IRB-Städte 2,4 Prozentpunkte weniger Minderjährige leben als im Bundesdurchschnitt. Dass Städte in Deutschland folglich in ihren Grenzen weniger Familien beherbergen als die anderen Siedlungsformen entspricht dem oben festgestellten Faktum der in Großstädten überproportional vertretenen Einpersonenhaushalte. Betrachten wir weiter den Anteil Minderjähriger in den IRBStadtteilen, so sind zwischen minimal 1,9 % und maximal 48,1 % zu verzeichnen. Die Abbildung 1 zeigt eine relativ symmetrische Verteilung der Stadtteile hinsichtlich dieses Merkmals. Interessant sind die äußeren Bereiche der Verteilung: Im „unteren Zehntel“ der Stadtteile leben weniger als

Tabelle 1: Bevölkerungsanteile in IRB-Städten nach Lagetyp und regionaler Einbettung

Abb. 1: Verteilung des Anteils unter 18-Jähriger 2005

Minderjährige in IRB-Städten Beginnen wir mit der ersten Frage nach der Zahl der großstädtisch lebenden Kinder und Jugendlichen. 2005 liegt der

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Wo leben Familien in der Stadt? Tabelle 2: IRB-Städte 2005 nach Größe und regionaler Einbettung

Abb. 2: Regionale Altersgruppenstruktur der unter 30-Jährigen 2005

und entwickelt haben. Die Großstädte bilden diesbezüglich keine Ausnahme. Deshalb unterscheiden wir hier die IRBStädte gemäß ihrer regionalen Einbettung wie in Tabelle 2 aufgeführt:

Minderjährige und junge Erwachsene

11 % – im „oberen Zehntel“ der Stadtteile mehr als 20,1 % Minderjährige. Nehmen wir den Minderjährigenanteil als Indikator für Familienwohnstandorte, leben also nur in jedem dritten IRB-Stadtteil so viele Familien wie es in anderen Siedlungsformen normal erscheint. Stadt ist nicht gleich Stadt. Regional unterschiedliche politische, ökonomische und soziokulturelle Entwicklungen haben die deutschen Großstädte geprägt – besonders eindrücklich steht uns dies seit der deutschen Einheit als Ost-West-Differenz vor Augen. Allerdings verschleiert diese Fokussierung der letzten Jahre, dass sich die Regionen Deutschlands noch nie im Gleichschritt verändert 10

Betrachten wir gemäß dieser Zuordnung die Altersstrukturen (Abb. 2), so gibt es in den ostdeutschen Städten ohne Berlin die wenigsten minderjährigen Kinder und Jugendlichen (13,1 %) und in den altindustriell geprägten Städten Westdeutschlands die meisten (16,9 %). Es zeigt sich bei dieser Differenzierung auch, dass nicht nur aufgrund der Größenordnung, sondern auch aufgrund der historisch bedingten Entwicklung sowie der heutigen Hauptstadtfunktion Berlin hinsichtlich der hier behandelten Themenstellung nicht mit den anderen ostdeutschen Städten zusammengefasst werden sollte. Schauen wir die bereits regional differenzierte Altersgruppe der unter 30-Jährigen noch feiner nach Jahrgängen unterteilt an, dann fallen zumindest für drei der regional zusammengefassten Städtegruppen besondere Ausprägungen ins Auge.

• In ostdeutschen Städten zeigt sich deutlich der Wendeknick. Die 18- bis unter 25-Jährigen (sieben Geburtsjahrgänge 1981 bis 1987) machen 10,9 % der Bevölkerung der ostdeutschen Großstädte aus. Inwiefern sich Abwanderungen junger Erwachsener dieser Altersgruppe mit Zuwanderungen von Studierenden (wegen Zweiwohnsitzsteuer meist Ummeldung des Hauptwohnsitzes) die Waage halten, kann hier auf die Schnelle nicht gesagt werden. Hingegen sind die Nachwendejahrgänge wesentlich kleiner: So bilden die 10- bis unter 15-Jährigen (fünf Geburtsjahrgänge 1991 bis 1995) nur noch 2,7 % der Bevölkerung. Dies weist auf gravierende Zukunftsprobleme hinsichtlich Bevölkerungsentwicklung und Altersdurchschnitt in ostdeutschen Städten hin, die lediglich durch Zuwanderung gemildert werden könnten. Sonst wird es trotz wieder steigender Geburtenziffern immer weniger Familien in ostdeutschen Städten geben. • In altindustriell geprägten Städten verbleibt der geringste Anteil junger Erwachsener. Während die unter 18-Jährigen (Geburtsjahrgänge 1988 bis 2005) 16,9 % der Bevölkerung stellen, sind trotz großer Hochschulen in diesen Städten, die zahlreiche junge Erwachsene zuwandern lassen müssten, nur 8 % der Bevölkerung zwischen 18 und 24 Jahren (sieben Geburtsjahrgänge 1981 bis 1987) und 6 % zwischen 25 und 29 Jahren (fünf Geburtsjahrgänge 1976 bis 1980) alt. Dies

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Wo leben Familien in der Stadt? verweist darauf, dass trotz jahrzehntelanger Umstrukturierungsmaßnahmen der Umbau der altindustriell geprägten Regionen noch keineswegs abgeschlossen ist – die Städte offenbar nicht genügend Angebot bzw. Attraktion bieten können. Die (Wieder-)Abwanderung junger Erwachsener nach Abschluss der Ausbildung lässt in diesen Städten fehlendes Zukunftspotenzial befürchten. Was das für die Zukunft von Familien in diesen Städten bedeutet, ist allerdings nicht schnell zu beantworten: Der vergleichsweise geringere Anteil von 25- bis unter 45-Jährigen in derFam ilien(gründungs)phase muss nicht zwingend zu weniger Kindern führen, da in diesen Städten sich gegenseitig ausgleichende Sub- und Re-Urbanisierungswande­ run­gen zu verzeichnen sind. Offensichtlich ist ein vergleichsweise entspannter Wohnungsmarkt dafür verantwortlich, dass Familienhaushalte nicht ins Umland ausweichen (Sturm & Meyer 2008). • Anders sieht dies in den süddeutschen Großstädten Bayerns und Baden-Württembergs aus. Spätestens wenn nach der Geburt eines Kindes eine größere Wohnung notwendig wird, ziehen Familien verstärkt aus den Städten ins Umland: Die unter 3Jährigen machen 2,7  %, die 3- bis unter 6-Jährigen nur noch 2,5 % der Bevölkerung in den süddeutschen Städten aus. Für eine genauere Analyse müssen selbstverständlich jährliche Geburtenziffern und Wanderungen wie innerstädtische Umzüge einbezogen

werden, was an dieser Stelle jedoch nicht möglich ist. Dennoch kann festgestellt werden, dass hohe Zuwanderungsraten die Probleme der lokalen Wohnungsmärkte im Süden der Bundesrepublik verstärken. Für Familien mit schulpflichtigen Kindern sind in der Folge Wohnungen innerhalb der administrativen Stadtgrenzen vielfach zu teuer.

Familien in der Stadt Weiter wollen wir nun die innerstädtische Lage der Standorte von Familienhaushalten betrachten (Abb. 3). Im Durchschnitt der IRB-Städte liegt der Anteil Minderjähriger in der Innenstadt bei 13,2 %, in Stadtteilen des Innenstadtrandes bei 14,3 % und im Stadtrandbereich bei 16,8 %. Entsprechend sieht es bezüglich der Stadtteile aus, die einen Minderjährigenanteil in Höhe des Bundesdurchschnitts von 18,2 % aufweisen – diese liegen bevorzugt im Stadtrandbereich. Wanderungsanalysen belegen die bereits aus der Altersgruppenstruktur abgeleitete Vermutung, dass vor allem junge Familien mit Vorschulkindern an den Stadtrand oder ins Umland ziehen. Insbesondere Wohnkosten und Wohnungsangebot spiegeln sich in den für Familien wählbaren Wohnlagen abhängig von der regionalen Einbettung der IRB-Städte (Abb. 4). Trotz Ausweisung neuer Wohngebiete auf innerstädtischen Brachen in Städten, in denen dies noch möglich ist, erhöht die Zuwanderung in Städte des Nordwestens, entlang des Rheins und des Südens die innerstädtische Wohnungsnot für größere Haushalte – „ge-

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hobene“ Wohnansprüche sind dann eher am Stadtrand oder (vor allem im Süden) erst im Umland erfüllbar. Die Geburtenziffer liegt in den Innenstadtbereichen der IRB-Städte vergleichsweise am höchsten und nimmt zum Stadtrand hin ab. Entsprechend wohnen Familien mit Kleinkindern häufiger noch in Stadtteilen der Inneren Stadt (Abb. 5) und ziehen erst mit älter werdenden Kindern in angemessene Wohnungen an den Stadtrand bzw. in Umlandgemeinden. Die meisten dieser kinderbedingten Umzüge finden offensichtlich schon vor dem dritten Geburtstag, zumindest jedoch vor der Einschulung statt, um Betreuungswechsel oder Schulwechsel zu vermeiden. Scheinadressen müssen bei der hier durchgeführten Analyse außer Acht bleiben: Z. B. melden in Bundesländern mit wohnortgebundenen Einschulungsbereichen manche Familien ihren Hauptwohnsitz nur pro forma für eine gewisse Zeit um, damit ihr Kind die gewünschte Grundschule besuchen kann. Die Stadtrand- und Umlandwanderung von Familienhaushalten hat massiven Einfluss auf das räumliche Verhalten der betroffenen Familienmitglieder und die kommunale Planung (Menzl 2007). U. a.

Die Geburtenziffer fällt von der City zum Stadtrand

Abb. 3: Unter 18-Jährige nach innerstädtischen Lagetypen 2005

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Wo leben Familien in der Stadt? langt wegen der längeren Wege mehr Zeit; etc.

Abb. 4: Unter 18-Jährige nach regionaler Differenzierung und innerstädtischer Lage 2005

So werden seitens der Familien die eingesparten Kosten nicht zuletzt durch den größeren Zeitaufwand häufig wieder aufgezehrt.

Bevölkerung mit Migrationshinter­ grund Die in Deutschland ansässige Bevölkerung mit Migrationshintergrund weist eine wesentlich „jüngere“ Altersstruktur auf als die der seit Generationen Ansässigen. Dies liegt zum einen daran, dass seit 1955 vor allem junge Erwachsene als Arbeitsmigrantinnen und -migranten nach Deutschland einwanderten und von diesen erst ein vergleichsweise geringer Anteil das Rentenalter erreicht hat. Zum anderen führte erst der seit 1973 mögliche Familiennachzug zu vergleichsweise höheren Geburtenziffern unter der ausländischen Bevölkerung und zu in Deutschland ansässigen Mehrgenerationenfamilien. Denn die meisten Zugewanderten der ersten Generation stammten aus agrarisch geprägten Milieus, in denen zu einer Familie traditionell mehr als ein oder zwei Kinder gehören. Erfahrungsgemäß passt sich das Gebärverhalten dieser Bevölkerung mit Migrationshintergrund dann in der zweiten oder spätestens dritten Generation dem der Einwanderungsgesellschaft an.

Abb. 5: Unter 18-Jährige nach Altersgruppen und innerstädtischem Lagetyp 2005

• brauchen die schulpflichtigen Kinder eigens einzusetzende Schulbusse, da die öffentliche Verkehrsinfrastruktur in den Stadtrandgebieten i. d. R. schlechter ist; • die zum Teil fortbestehende räumliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern 12

führt wegen der längeren und zahlreicher anfallenden Wege häufig zur Entscheidung für Teilzeitarbeit (meist der Frauen) und/oder zu mehreren PKW im Familienhaushalt; • auch die Versorgung für den alltäglichen Verbrauch ver-

Für 32 der 45 IRB-Städte können wir neben der ausländischen und deutschen Bevölkerung auch die Doppelstaatler ausweisen – für die anderen Städte zählen diese zu den Deutschen. Verschiedene Indikatoren (u. a. die Wohnlage in Abb. 7) belegen, dass die Gruppe der Bürgerinnen und

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Wo leben Familien in der Stadt? Bürger mit deutscher und einer weiteren Staatsbürgerschaft nicht einfach mit der Gruppe der Ausländerinnen und Ausländer zusammengefasst werden kann. Bei den Altersgruppenverteilungen (Abb. 6) fällt bei den Doppelstaatlern vor allem der große Anteil der unter 15-Jährigen auf (29,7 %). Dies dürfte hauptsächlich ein Effekt der am 01.01.2000 in Kraft getretenen Gesetzesänderung sein, nach der in Deutschland geborene Kinder ausschließlich ausländischer Eltern – sofern diese seit mindestens acht Jahren hier leben und eine Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben – neben der Staatsangehörigkeit der Eltern (Abstammungsprinzip) auch automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit (Territorialprinzip) erwerben. Auch für alle damals noch nicht 10-jährigen, in Deutschland geborenen Ausländerkinder wurde die nachträgliche Einbürgerung ermöglicht. Dadurch repräsentiert der Anteil der als Ausländer registrierten Kinder und Jugendlichen bis unter 15 Jahren (12,5 %) einerseits diejenigen mit eigener Migrationserfahrung statt mit familiärem Migrationshintergrund oder andererseits diejenigen aus möglicherweise weniger integrierten Familien, die bei Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts für ihre unter 10jährigen Kinder keine deutsche Staatsbürgerschaft beantragt haben.

Stadtrandgebieten. Hingegen liegen die Stadtteile mit den höchsten Doppelstaateranteilen (Durchschnitt West: 7 % − Ost: 1 %) außerhalb der Innenstädte. Dies könnte auf gelungene Integration und/oder auf unterschiedliche Herkunft (z. B. Aussiedlerdeutsche) hinweisen. Vor dem Hintergrund der soeben diskutierten unterschiedlichen Altersstrukturen ist weiter zu bedenken, dass sich im Laufe der Jahre die statistisch erfassbaren Siedlungsstrukturen von Doppelstaatern und Ausländern anpassen, da die minderjährigen Doppelstaater die Siedlungsstruktur ihrer ausländischen Eltern teilen dürften. Folglich sind bei weitergehenden Analysen der Doppelstaater deren Altersgruppen zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der Wohnlagen von Familienhaushalten in Anhängigkeit von der Staatsbürgerschaft der zugehörigen Kinder ist hier Folgendes festzustellen: • Die Wohnlagen unter 3Jähriger und 3- bis 6-Jähriger unterscheiden sich nur für Kinder ausschließlich

Abb. 6: Altersstruktur auslän­ discher, doppelstaatiger und deutscher Bevölke­ rung 2005

Abb. 7: Ausländer- und Doppelstaateranteil 2005

2005 betrug der Ausländeranteil in den westdeutschen IRBStädten 15 %, in den ostdeutschen hingegen nur 4 %. Für alle Städte ist zu konstatieren, dass Ausländer überproportional häufig in Innenstadtwohnquartieren wohnen und etwa nur halb so oft in den Stadtforschung und Statistik 1/ 08

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Wo leben Familien in der Stadt? mit älteren schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen bevorzugt in Stadtteilen der Äußeren Stadt, wo sie größere Wohnungen zu erschwinglichen Preisen finden. • Besonders in Stadtteilen der Äußeren Stadt bedarf es folglich Einrichtungen der Jugendarbeit. • In der Altersgruppe der 6bis unter 18-Jährigen ist für zahlreiche Kinder ausländischer Eltern keine deutsche Staatsbürgerschaft beantragt worden, was auf Distanziertheit oder mangelnde Integration hinweisen könnte.

Abb. 8: Kinder unter 6 Jahren nach innerstädtischem Lagetyp und Staatsbürgerschaft 2005

Fazit: Zentrale Ergebnisse und Folgerungen

Abb. 9: Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren nach innerstädtischem Lagetyp und Staatsbürgerschaft 2005

deutscher Staatsangehörigkeit (deshalb in Abb. 8 zusammengefasst die unter 6-Jährigen). Während deutsche Familien früh an den Stadtrand wandern, verbleiben ausländische Eltern mit ihren kleinen Kindern (län14

ger) in den angestammten Innenstadtwohngebieten. • Vorschulische Bildung ist folglich insbesondere in Stadtteilen der Inneren Stadt für Integration unerlässlich. • Unabhängig von der Staatsbürgerschaft leben Familien

• In Großstädten leben weniger Kinder und Jugendliche als in den kleineren Gemeinden Deutschlands (u. a. Suburbanisierungsfolge). • Junge (deutsche) Familien ziehen meist erst nach der Geburt ihrer Kinder aus Platz- und Kostengründen an den Stadtrand oder in die Umlandgemeinden der Städte. • Städte können ihren Bevölkerungsstand nur aufgrund von Zuwanderung halten, da zu wenige Familien mit Kindern innerhalb der administrativen Stadtgrenzen verbleiben. • Auch eine hohe Zuwanderung junger Erwachsener zu Ausbildungszwecken stabilisiert die Altersstruktur städtischer Bevölkerung nur wenig, wenn sie nach Abschluss der Ausbildung keine geeigneten Erwerbsmöglichkeiten finden. • Die Ausländer (und Doppelstaatler) in deutschen Städten weisen eine wesentlich jüngere Altersstruktur auf

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Herzlichen Glückwunsch als die Bevölkerung mit nur deutscher Staatsbürgerschaft. Vor allem viele ausländische Familien behalten ihren Wohnsitz in der Inneren Stadt bei. • Bildungseinrichtungen sind im gesamten Stadtgebiet notwendig, aber: Auf vorschulische Bildungsarbeit sollte (auch als Integrationsmaßnahme) insbesondere in Stadtteilen der Inneren Stadt geachtet werden – Jugendarbeit sollte verstärkt in Stadtrandgebieten gepflegt werden. • Die starke Randwanderung städtischer Familienhaushalte hat Folgen für die individuellen Wegenetze der Familienmitglieder mit entsprechenden Folgen für die Beteiligten und bedarf einer angemessenen (inner-)städtischen (Verkehrs-)Planung. Als grobes Bild zeichnet sich ab, dass Großstädte in Deutschland derzeit für Familien eher Wohngebiete in der Äußeren Stadt, den Stadtrandbereichen bereitstellen – und teilweise müssen sie „ihren Nachwuchs“ auch über die

Stadtgrenzen ziehen lassen. Die Innere Stadt teilen sich vor allem Singles, Ausländer, Zweitwohnsitzer und teilweise auch Paare ohne Kinder oder Seniorinnen und Senioren. Damit geht verbreitet eine Trennung der Versorgungsfunktionen und Spaltung der innerstädtischen Wohnungsmärkte einher, was wiederum eine Realisierung von gegenläufigen Wohnwünschen erschwert. Prognosen über zukünftiges Familienleben in deutschen (Groß-)Städten bedürfen jedoch wesentlich tieferer Analysen und präziser Annahmen. Auch wie sich Lebensformen in den Städten insgesamt weiter entwickeln werden, kann aufgrund der hier ausgebreiteten Informationen noch nicht einmal vermutet werden. Im vergangenen Jahrhundert haben sich städtische Lebenspraxen in die Gesellschaft insgesamt verallgemeinert – ob dies so bleibt, muss weiterhin genau beobachtet werden. Welche Lebensformen sich im lokalen Einzelfall ausprägen, muss vor der hier entfalteten Hintergrundfolie auf jeden Fall jede Stadt für sich vor Ort erkunden.

Literatur

Bundesamt für Bauwesen Raumordnung (Hg.) (2007). Innerstädtische Raumbeobachtung – Methoden und Analysen (Berichte Band 25). Bonn: Selbstverlag des BBR. Bundesamt für Bauwesen Raumordnung (Hg.) (seit 2007). www.raumbeobachtung.de Löw, Martina & Sturm, Gabriele (2005). Raumsoziologie. In Fabian Kessl et al. (Hg.), Handbuch Sozialraum (S. 31-48). Wiesbaden: VS. Menzl, Marcus (2007). Leben in Suburbia. Frankfurt a. M.: Campus. Statistisches Bundesamt (Hg.). (2006). Datenreport 2006 – Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland (S. 35). Bonn: bpb. Sturm, Gabriele & Meyer, Katrin (erscheint 2008). „hin und her“ oder „hin und weg“ – Zur Ausdifferenzierung großstädtischer Wohnsuburbanisierung. Informationen zur Raumentwicklung, Heft X.2008.

Ballung von Singles, Ausländern, Kinderlosen und Älteren

Über Statistik: Nicht dürre Zahlen, plastische Informationen sind das Ziel.

Herzlichen Glückwunsch Martin Schlegel, Hagen Am 22. November letzten Jahres wurde der HelmutSchmidt-Journalistenpreis vergeben. Der 1. Preis ging an den Spiegel-Redakteur Gabor Steingart, der ihn für „Weltkrieg um Wohlstand“ (Spiegel 37/2006) erhielt. Den 2. Preis teilten sich Robert von Heusinger von der Zeit und Reto U. Schneider. Dem einen oder

anderen ist Reto U. Schneider kein Unbekannter mehr. Einige kennen ihn, weil sie das Neue Züricher Zeitung-Folio lesen. Dort ist er stellvertretender Redaktionsleiter. Andere sind ihm in „Stadtforschung und Statistik“ begegnet, stammt doch ein lesenswerter Aufsatz in Ausgabe 1/2007 von ihm: „Ja. Nein. Weiß nicht.“, ein Beitrag,

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in dem er sich in lockerer Art, aber fachkundig mit Problemen der Umfrageforschung auseinander setzt. Ausgezeichnet wurde Reto U. Schneider jetzt für seinen Artikel in NZZ Folio 11/2006: „Preiskampf in der Bückzone“. Den Aufsatz finden Sie unter www.nzz-folio.ch. Es lohnt sich. 15


Weltumspannende Umfrage unter älteren Menschen

Die Metropole Ruhr – eine altersfreundliche Region? Claudia Horch, Essen

2 Mrd. Senioren

Durchstrukturierter Interviewleitfaden

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Altern und steigende Urbanisierung sind zwei globale Trends, die gemeinsam das Gesicht des einundzwanzigsten Jahrhunderts prägen. Die Städte wachsen und der Anteil der Einwohner über 60 steigt. Bis 2050 werden etwa 2 Milliarden Menschen älter als 60 Jahre sein. Die große Mehrheit der Älteren wird weder in Europa noch in Nordamerika leben, sondern in den Entwicklungsund Schwellenländern – und dort vor allem in den großen Städten. Älteren Menschen ein gutes Leben zu gewährleisten ist in allen, vor allem aber in den sich entwickelnden Ländern die zentrale Herausforderung, der sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) angenommen hat. Nachdem die WHO mit dem Rahmenprogramm für Aktives Altern 2002 Leitlinien für ein altersfreundliches Gesundheitswesen erarbeitet hatte, startete sie 2006 eine Initiative „Age Friendly Cities“, die Kriterien für altenfreundliche Städte zusammentragen sollte. Ziel der WHO ist es dabei, die Eckpunkte einer altersfreundlichen Stadt im öffentlichen Bewusstsein zu verankern und langfristig und nachhaltig zu Qualitätskriterien von Stadtentwicklung weltweit zu machen. Der WHO geht es mit ihren Anregungen darum, dass - die vielfältigen und reichen Po­tentiale alter Menschen er­ kannt und anerkannt werden,

- auf altersbedingte Bedürfnisse und Wünsche vorausschauend und flexibel reagiert wird, - die Lebensweisen und Lebensstile Älterer akzeptiert und anerkannt werden, - die geschützt werden, die am verletzlichsten sind, - ihre Integration und ihr Beitrag zur Gesellschaft gefördert werden.

Ziel: Die alters­ freundliche Stadt 33 Städte bzw. Stadtregionen aus 22 Staaten, darunter das Ruhrgebiet als einziger deutschen Metropolregion, entwickelten gemeinsam mit der WHO eine Befragung. Trotz der Heterogenität der teilnehmenden Städte soll sie bei einem möglichst begrenzten Aufwand eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse und eine Übertragbarkeit guter Beispiele gewährleisten. Das Ergebnis war ein weitgehend durchstrukturierter Interviewleitfaden, mit dem „Fokusgruppen“ alter Menschen, Pflegender und Dienstleister / Experten befragt werden sollten. Die Fokusgruppen wurden einerseits nach Alter (unter und über 75 Jahre), andererseits nach Einkommen (unter- oder überdurchschnittlich) gegliedert. Sie sollten möglichst aus verschiedenen Teilen der Stadt bzw. der Stadtregion kommen.

Die Themen der Befragung bezogen sich auf die Handlungsfelder - Öffentlicher Raum und Zugänglichkeit von Orten und Gebäuden, - Verkehr und Mobilität, - Wohnen und Wohnumgebung, - Gesellschaftliche Wertschätzung und Respekt, - Soziale, kulturelle und politische Partizipation, - Zugang zu Kommunikation und Information, - Arbeit, Beschäftigung und Ehrenamt, - Gesundheit und haushaltnahe Dienstleistungen. Studie und Befragung waren zwar – methodisch betrachtet – kritisierbar und keineswegs repräsentativ, erbrachten aber „systematisch gesammelte Impressionen“ über die Lebensbedingungen von alten Menschen in allen teilnehmenden Städten und ein gutes Bild von Problemen, denen sie sich tagtäglich gegenübersehen. Die Befragung erfolgte durch das Institut Arbeit und Technik in Gelsenkirchen, das auch die zusammenfassenden Berichte an die WHO erstellte. Die Befragung der Fokusgruppen wurde Ende 2006 /Anfang 2007 durchgeführt.

Methodik der Befragung Für das Sampling hat die WHO eine „focus group methodolo-

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Die Metropole Ruhr – eine altersfreundliche Region? gy“ entwickelt, deren Einhaltung unverzichtbar war, um trotz der Heterogenität der beteiligten Städte eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse und eine Übertragbarkeit der Empfehlungen gewährleisten zu können. Die Befragung erfolgte in zwei Phasen: In Phase I wurden vier Gruppen von zu befragenden Senioren nach den Kriterien „ Alter“ und „sozioökonomischer Status“ zusammengestellt. Darüber hinaus sollte eine Gruppe ehrenamtlich Pflegender befragt werden, um auch die Position derjenigen einzubeziehen, die selbst nicht mehr an einer Befragung teilnehmen können. Die Gruppen (a) und (b) wurden auf Wunsch der Planungsgruppe eingeführt und sind nicht Bestandteil des WHO – Kernsamples. (Tab. 1) Die Einkommensschichtung erfolgte nach den Angaben im Altersicherungsbericht 2005. Die Einkommensgrenzen wurden etwas niedriger gewählt und so der Einkommenssituation im Ruhrgebiet angepasst. (Tab. 2) Die Ergebnisse wurden in Phase II durch die Befragung von Personen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung gespiegelt. Die Zahl der zu Befragenden in der Gruppe der „Funktionäre“ und „Pflegenden“ war nicht festgelegt. Die Rekrutierung der Befragten erfolgte mit Hilfe der lokalen Seniorenbüros, Wohlfahrtsverbände, Seniorenbeiräte o.Ä. Die Interviews wurden auf Tonträger aufgezeichnet und wörtlich transkribiert.

Verdichtung zu „Leitlinien“ statt. Am 1. Oktober 2007, dem Weltseniorentag, wurde der „Global Age-friendly Cities Guide“ dann offiziell von der WHO in London und Genf präsentiert, zeitgleich mit Veranstaltungen in teilnehmenden Städten, so u.a. in Duisburg für das Ruhrgebiet. Die Idee dahinter ist, mit diesen „Leitlinien“ den Städten ein Instrument zur Selbsteinschätzung, zur Ziel- und Strategieentwicklung und zur Dokumentation von Fortschritten zur Verfügung zu stellen, mit dem formelle wie informelle Gruppen arbeiten können, denen es um die Verbesserung der Lebensbedingungen für alte Menschen (aber keineswegs nur ihnen) in ihrer Stadt geht. Dem Ruhrgebiet eröffnet sich mit der Teilnahme an diesem WHO-Projekt die Chance, sich in der Region selbst, national und international als eine Städtelandschaft zu präsentieren, die den demografischen Wandel offensiv gestaltet und die Verbesserung der städtischen Lebensbedingungen mit der Weiterentwicklung einer leistungsfähigen Seniorenwirtschaft verknüpft.

Im März 2007 fand in London eine Präsentation der Befragungsergebnisse innerhalb des internationalen Forschungsteams und eine erste

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Ergebnisse für das Ruhrgebiet Zunächst und vorweg: Die Alten im Ruhrgebiet sind im Großen und Ganzen zufrieden mit ihrer Situation, was sich auch daran zeigt, dass die Neigung, im Alter von hier wegzuziehen, nicht sehr stark ist. Sie identifizieren sich mit ihrer Stadt und mit dem Ruhrgebiet. Da pro Stadt jeweils eine andere Alters- und Statusgruppe befragt wurde, sind keine Aussagen über die Altersfreundlichkeit der einzelnen teilnehmenden Städte abzuleiten; erst recht kann keine Rankingliste – weder im Ruhrgebiet noch weltweit – erstellt werden. Weil sich die Grundaussagen in den befragten Gruppen im Ruhrgebiet ähneln, sind jedoch erste Tendenzen zu altersfreundlichen Qualitäten dieser Region abzuleiten.

Zweiphasige Befragung

Kein Ranking

Wohnen: Bis auf Einzelfälle besteht eine hohe Zufriedenheit mit der Wohnqualität im Ruhrgebiet. Besonders hervorgehoben werden die funktionierenden Nachbarschaften gerade in Siedlungen mit geringer Fluktuation. Die Privatisierungstendenzen im

Tabelle 1

Tabelle 2

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Die Metropole Ruhr – eine altersfreundliche Region? Wohnungsbestand führen zu Verunsicherungen, besonders dort, wo schon jetzt die Mieten an der Leistungsgrenze liegen. Teilweise werden mehr Angebote für betreutes Wohnen gewünscht, oft werden die Wartezeiten als zu lang empfunden. Allerdings ist diese Wohnform (zu) häufig auch eine Frage des Geldes. Das Angebot an haushaltsnahen Diensten wird als intransparent und eher teuer wahrgenommen.

Gute Noten für den ÖPNV

Gute gesellschaftliche Einbindung

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Mobilität und Verkehr: Da sich die Aussagen zum öffentlichen Raum zu großen Teilen auf die Verkehrssituation beziehen, werden hier beide Aspekte zusammengefasst. Die ÖPNV-Verbindungen zwischen Stadtteilen und Innenstadt werden als gut bewertet. Problematisch sind häufig mit Umsteigen verbundene Verbindungen zwischen einzelnen Stadtteilen, auch wird eine höhere Frequenz auf bestimmten Linien gewünscht. Der Ein- und Ausstieg in die Verkehrsmittel ist oft schwierig, weil auch Niedrigflurfahrzeuge zu weit vom Bordstein entfernt halten und so der Vorteil des niveaugleichen Einstiegs verloren geht. Hinzu kommt das häufig als rücksichtslos empfundene Fahrverhalten von Busfahrern. Aus Fußgängersicht werden reparaturbedürftige Gehwege, zu kurze Ampelphasen und unzureichende Straßenbeleuchtung kritisiert. Integration: Insgesamt beurteilen alte Menschen im Ruhrgebiet ihre gesellschaftliche Einbindung als gut. Über die Nachbarschaften erfolgt eine gute informelle Unterstützung und auch die Hilfsbereitschaft Jüngerer wird lobend erwähnt. Allerdings wird auch von Fällen von Altersdiskriminierung in einigen Dienstleistungsbranchen

berichtet. Gewünscht werden mehr generationenübergreifende und behindertengerechte Veranstaltungen, wobei die Teilnahme häufig von den zur Verfügung stehenden Transportmöglichkeiten abhängig ist. Gesundheit: Auch in diesem Themenfeld wird konstatiert, dass es eine breite Palette an Unterstützungs- und Beratungsdiensten bei den Städten und Wohlfahrtsorganisationen gibt, die Wahrnehmung des Angebots aber häufig von den Transportmöglichkeiten abhängig ist. Als zentrales Element der Unterstützung wird das Hausnotruftelefon genannt. An den haushaltsnahen und Pflegedienstleistungen wird am stärksten die Qualitätseinschränkung u.a. durch häufig wechselndes Personal kritisiert.

Problemlagen und -lösungsstrategien. Damit bietet sich die Chance, die Altersverschiebung im weltweiten Maßstab mindestens zu relativieren und vielleicht sogar positiv zu werten. Darüber hinaus gibt es den Akteuren im Ruhrgebiet, zu denen auch große Unternehmen z.B. der Wohnungswirtschaft zählen die Gelegenheit, sich auszutauschen, Handlungsstrategien zu entwickeln, spezielle Unternehmensprofile auszubilden und so ihre Position im weltweiten Wettbewerb zu stärken.

Anmerkung 1

Integration der Ergebnisse in das WHO-Projekt Die Befragungsergebnisse aus dem Ruhrgebiet wurden im März 2007 in London mit den übrigen Teilnehmerstädten ausgetauscht. Sie flossen in den weltweit gültigen WHOLeitfaden ein1. Ein eigenständiger Projektbericht für das Ruhrgebiet ist in englischer Sprache zwar erarbeitet worden, er wurde jedoch ins Gesamtprojekt integriert und wurde bislang nicht auf Deutsch veröffentlicht.

Die WHO-Checkliste der zentralen Eigenschaften altersfreundlicher Städte bietet den Städten ein Instrument zur Selbsteinschätzung und zur Dokumentation von Fortschritten. Sie kann auf der RVRHomepage eingesehen werden unter http://www.rvr-online.de/ publikationen/downloads/publikationen/Checkliste_WHO_dt.pdf Eine detailliertere Checkliste mit Merkmalen einer altersfreundlichen Stadt findet sich im weltweiten WHO-Leitfaden zur altersfreundlichen Stadt (WHO Global Age-Friendly Cities Guide). Sie wurde für Einzelpersonen und Gruppen entworfen, die ihre Stadt altersfreundlicher gestalten wollen.

Die Beteiligung der Ruhrgebiets-Städte an der WHO-Initiative „age-friendly city“ zeigt, dass es einen breiten regionalen Konsens gibt, den demografischen Wandel in der Region offensiv und modellhaft zu gestalten. Das WHO-Projekt öffnet den Blick auf andere Stadtforschung und Statistik 1/ 08


Duisburg: Sozialräumliche Unterschiede des Delinquenz­ verhaltens Jugendlicher

Jugendkriminalität und öffentliche Missstände Susann Kunadt, Jost Reinecke, Bielefeld

Armut – Ghetto – Kriminalität sind Schlagworte, die in den Massenmedien immer wieder genannt werden. Besonders nach den Unruhen in den französischen Vorstädten konnte man wiederholt lesen, dass in Deutschland zwar noch keine französischen Verhältnisse vorherrschten, dennoch wurde angemerkt: „Berlin-Wedding. Hamburg-Wilhelmsburg. Bremen Tenever. Duisburg-Marxloh. Deutschlands Banlieues liegen nicht immer am Stadtrand – am Rand der Gesellschaft liegen sie allemal“ (Die Zeit vom 10.11.2005). Nicht zuletzt in unserem Alltagsverständnis sind die Einflüsse sozial-räumlicher Umgebungen wie der Herkunftsstadtteile oder der Schule auf Verhalten von vornehmlich Heranwachsenden fest verankert. In sozial benachteiligten Stadtvierteln, in denen überproportional häufig Menschen mit niedrigem sozio-ökonomischen Status und Migrationshintergrund leben, werden – so die verbreitete Meinung – delinquente Verhaltensmuster quasi „von Natur aus“ mit vermittelt, sind strafrechtliche Vergehen von Jugendlichen gewissermaßen „vorprogrammiert“. In der europäischen und deutschen Wissenschaft gewinnt die Dimension des Sozialräumlichen als Untersuchungsfeld in den letzten Jahren vermehrt an Bedeutung. Waren es zuvor

vor allem US-amerikanische Studien, die die Merkmale und Einflüsse von Stadtgebieten oder Nachbarschaften genauer untersuchten (z.B. Sampson & Groves 1989), so dokumentieren die Studien von Wikström in Peterborough (Wikström & Butterworth 2006), von Oberwittler (2003) in Köln und Freiburg und von Lüdemann in Hamburg (Häfele & Lüdemann 2006) ein zunehmendes Forschungsinteresse. Die unter der Leitung von Dietrich Oberwittler 1999/2000 durchgeführte Schülerbefragung leistete hierzulande gewissermaßen Pionierarbeit, in dem sie Delinquenz von Jugendlichen mit Fokus auf deren Wohnquartiere in Köln, Freiburg und dem Freiburger Umland untersuchte und zu erklären versuchte. Das Hamburger Forschungsprojekt mit Daten aus dem Jahr 2004 konzentrierte sich vielmehr auf den Zusammenhang von Merkmalen städtischen Verfalls, sozialen Kapitals, Viktimisierung und Kriminalitätsfurcht. Die für diesen Beitrag relevanten Ergebnisse beider Studien werden in den folgenden Ausführungen erläutert und mit den eigenen Analysen verglichen.

Kriminalität in der Stadt Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt „Kriminalität in der modernen Stadt“ untersucht auf Basis selbst berich-

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teter Angaben deviante und delinquente Verhaltensmuster sowie deren Gründe und Entwicklungen von Jugendlichen aus Münster (2000-2003) und Duisburg (seit 2002) im Längsschnitt. Zu Beginn der Untersuchungen, die zunächst als schriftliche Befragung im Klassenverband durchgeführt wurden, ist eine Vollerhebung der jeweiligen Jahrgangsstufen angestrebt worden. Die Münsteraner Paneluntersuchung ist nach vier Erhebungsjahren abgeschlossen, in Duisburg dauern die Erhebungen noch bis einschließlich 2009 an.1 Grundsätzlich kann bisher festgehalten werden, dass sich in der Untersuchung drei bekannte Phänomene zeigen, die gemeinhin zur Beschreibung der Verbreitung und Entwicklung von Jugenddelinquenz herangezogen werden: Ubiquität, Spontanbewährung und eine auf wenige Mehrfachtäter konzentrierte Intensität. Danach ist delinquentes Verhalten von Jugendlichen eine normale, aber auch episodenhafte Erscheinung in der Phase der Adoleszenz, die sich in den meisten Fällen ohne formelle Kontrollinterventionen von selbst reguliert. Zudem wird ein großer Teil der Delikte von einer kleinen Gruppe Jugendlicher begangen, die als eigentliche kriminologische und kriminalpolitische Problemgruppe gelten (vgl. hierzu ausführlicher Boers & Walburg 2007).

Basis: Selbst berichtetes Verhalten

Schriftliche Umfragen in den Schulen

Ubiquität, Spontan­ bewährung, wenige Mehrfachtäter

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Jugendkriminalität und öffentliche Missstände

Merkmale städtischen Verfalls

Auf den im Jahr 2003 in Duisburg erhobenen Daten (8. und 10. Jahrgang) basieren die anschließenden Berechnungen. Unter Berücksichtigung fehlender Angaben zu den 46 Duisburger Herkunftsortsteilen der befragten Jugendlichen ergibt sich eine Fallzahl von n=5.037. Zum Zeitpunkt der Befragung sind die Schülerinnen und Schüler der 8. Jahrgangsstufe durchschnittlich 14 Jahre alt, die der 10. Jahrgangsstufe durchschnittlich 16 Jahre alt. Bei der unten geschilderten Analyse stehen vor allem die Verbreitung von Merkmalen städtischen Verfalls und der Verwahrlosung sowie der Delinquenz, insbesondere des Gewalthandelns, im Vordergrund.

Incivilities

Physische und soziale Incivilities

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Incivilities, auch „public bads“ bzw. öffentliche Übel genannt, können in zwei Dimensionen unterschieden werden: physische und soziale. Werden unter physischen Incivilities optisch und materiell wahrnehmbare Spuren von Erosion wie Graffiti, zerstörte Fensterscheiben oder herumliegender Abfall und Müll verstanden, beziehen sich soziale Incivilities mehr auf Personen bezogene Probleme wie herumhängende Jugendliche, lautstark streitende Nachbarn, Betrunkene oder Obdachlose (vgl. Häfele & Lüdemann 2006). Diese „signs of incivilities“ gelten als Merkmale, an denen sich der Grad der sozialen Desorganisation von Stadtgebieten ablesen lässt (vgl. Sessar et al. 2004), der in der Sozialökologie zur Erklärung kriminellen Verhaltens von Heranwachsenden aus sozial schwachen Wohnquartieren herangezogen wird (vgl. Shaw & McKay 1942, 1969); Denn Incivilities gelten als Verletzung von gemeinschaftlich anerkannten

Standards und signalisieren die Erosion gemeinschaftlicher Normen und Werte (vgl. Häfele & Lüdemann 2006).2 Zunächst soll die unterschiedliche Verbreitung von Incivilities zwischen den im Zentrum stehenden Stadtteilen untersucht werden. Dabei handelt es sich um von den Befragten berichtete Angaben zum Verfall ihrer Wohnortsteile, also um perzipierte Incivilities. Mit dem Verfahren der Mehrebenenanalyse kann die Varianz dieser Werte in zwei Teile zerlegt werden, nämlich in die Varianz zwischen den Ortsteilen und in die Varianz der Individualangaben innerhalb der Ortsteile. Der Anteil der Gesamtvarianz, der auf die Varianz zwischen den Ortsteilen zurückzuführen ist, wird auch Intraklassenkorrelation (ICC) genannt, weil er nichts anderes als die Korrelation der Werte innerhalb der Ortsteile angibt (vgl. Hox 2000). Die Hamburger Studie, die die subjektive Einschätzung der Schwere und Häufigkeit von Incivilities erhebt, kann zwischen 14 Prozent und 18 Prozent ihrer Gesamtvarianz durch Unterschiede zwischen den Stadtteilen aufklären.3 Dabei zeigt sich, dass das Kontextmerkmal problematische Stadtstruktur, welches als Indikator für einen geringen sozi-ökonomischen Status der Quartiere herangezogen wird, einen positiven Effekt auf die Perzeption von Incivilities hat. Mit anderen Worten handelt es sich bei den Wohngebieten mit überdurchschnittlich vielen öffentlichen Übeln eher auch um diejenigen, die als sozial schwach bezeichnet werden können (vgl. Lüdemann 2005).4 In der hier vorzustellenden Analyse Duisburger Daten wird ebenfalls zwischen physischen und sozialen Incivilities unterschieden. Die Schülerinnen

und Schüler wurden gebeten, für ihren Herkunftsstadtteil anzugeben, ob die verschiedenen Probleme für diesen zutreffen. Die beiden Faktoren physische und soziale Incivilities wurden nach Durchführung einer explorativen Faktorenanalyse und einer Reliabilitätsanalyse5 ermittelt (siehe Tab. 1). Physische Incivilities sind demnach offensichtlich manifeste und „harte“ Formen des Verfalls, dagegen indizieren soziale Incivilities vielmehr „weiche“ latente soziale Missstände. Beide Indikatoren korrelieren hoch positiv miteinander (Pearsons r=0.64), d.h. diejenigen Schülerinnen und Schüler, die viele physische Incivilities wahrnehmen, geben auch vermehrt soziale Incivilities an und umgekehrt. Die Mehrebeneanalysen kommen zu dem Ergebnis, dass 10% der Gesamtvarianz der physischen Incivilities (siehe auch Abb. 1) und rund 4.6% der Gesamtvarianz der Wahrnehmung sozialer Incivilities auf Unterschiede zwischen den Stadtteilen bezogen werden können.6 Welche Stadtteile weisen nun aber eher Merkmale der Erosion und des Verfalls auf und welche tun dies weniger? Zur Deskription der Duisburger Ortsteile wurde eine Vielzahl von Kontextmerkmalen auf Basis der Angaben aus der amtlichen Statistik der Stadt Duisburg generiert.7 In Bezug auf physische Incivilities erweist sich, wie auch Lüdemann zeigen konnte, der Indikator problematische Stadtstruktur, also der soziale Status,8 als aussagekräftig. Seine Berücksichtigung als Kontextmerkmal wirkt sich signifikant aus und reduziert die Intraklassenkorrelation auf 0.04, d.h. 60% der Varianz auf der Ortsteilebene werden durch ihn aufgeklärt. Anders ausgedrückt: Mit ab-

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Jugendkriminalität und öffentliche Missstände nehmendem sozialen Status der jeweiligen Stadtgebiete treten dort vermehrt physische Incivilities auf, mit steigendem sozialen Status verringern sie sich. Alle anderen bisher geprüften Indikatoren bleiben ohne erklärenden Effekt. Die Varianz der sozialen Incivilities auf der Kontextebene kann, der Theorie der sozialen Desorganisation folgend, neben dem sozialen Status vor allem durch die in den Ortsteilen vorherrschende Mobilität sowie die Heterogenität9 der dortigen Nationalitäten aufgeklärt werden, wobei die Intraklassenkorrelation vollständig beschrieben werden kann.

Wahrscheinlichkeit delinquenten Han­ delns Insgesamt wurden die interviewten Jugendlichen zu 16 Delikten befragt, die sich in drei Hauptgruppen einteilen lassen: Eigentumsdelikte, Sachbeschädigungsdelikte und Gewaltdelikte.10 Darüber hinaus wurde nach problematischen Handlungen im Zusammenhang mit dem Internet gefragt. Die folgenden Analysen beziehen sich auf die Jahresprävalenzen, also auf die Frage, ob die jeweiligen Delikte – hier mindestens eins aus der jeweiligen Gruppe – in den letzten zwölf Monaten begangen wurde oder nicht.11 Betrachtet man alle Duisburger Jugendlichen ergeben sich die in Tabelle 2 dargestellten Wahrscheinlichkeiten für delinquentes Handeln. Die Wahrscheinlichkeit, mindestens ein Delikt im Berichtsjahr begangen zu haben, liegt bei rund 38 Prozent. Mehr als ein Drittel der befragten Jugendlichen war demnach zumindest in einem Fall kriminell. Im Detail sind die Wahrscheinlichkeiten für Eigentums- und Sach-

beschädigungsdelikte (rund 23%) höher als für Gewaltdelikte (circa 19%). Begeht also knapp jeder vierte Interviewte mindestens einen Verstoß gegen das Eigentum anderer oder beschädigt Dinge, sind es bei Gewaltdelikten erkennbar weniger. Die hier interessierenden Variationen zwischen den Ortsteilen, genauer die Frage danach, ob Jugendliche aus bestimmten Stadtgebieten delinquenter handeln als andere, kann tendenziell verneint werden. Die Intraklassenkorrelationen bewegen sich insgesamt auf einem sehr niedrigen Niveau. Lediglich für Sachbeschädigungs- und Gewaltdelikte sind diese knapp signifikant und bringen zum Ausdruck, dass 1.2% bzw. 1.4% der Gesamtvarianz auf Unterschiede zwischen den einzelnen Ortsteilen zurückgeführt werden können. Im Weiteren erscheint es sinnvoll bestimmte Gruppen von Jugendlichen noch einmal einzeln hinsichtlich ihrer Delinquenzwahrscheinlichkeiten und in Bezug auf Unterschiede zwischen ihren Herkunftsortsteilen zu betrachten. Wenngleich Jungen eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit hinsichtlich des Ausübens von Sachbeschädigungsdelikten (p=0.291) und Gewaltdelikten (p=0.256) aufweisen als Mädchen (siehe Tab. 2), können nur für die Gruppe der weiblichen Befragten erhöhte Intraklassenkorrelationen festgestellt werden. Der Anteil der Gesamtvarianz der selbst berichteten Angaben zu delinquentem Verhalten von Mädchen kann für Sachbeschädigungsdelikte zu 2% und für Gewaltdelikte zu 2.2% durch Unterschiede zwischen den Angaben der Schülerinnen aus verschiedenen Ortsteilen erklärt werden. Anhand der Abbildung 2 wird

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Tabelle 1: Items der Faktoren physische und soziale Incivilities

Abbildung 1: Variation physischer Incivilities über 46 Duisburger Ortsteile (Referenzlinie: Gesamtmittelwert über alle Ortsteile) ohne unabhängige Variablen (ICC=0.098)

deutlich, dass drei Stadtteile hervorstechen, deren jugendliche Mädchen im Vergleich zum allgemeinen Trend eine besonders hohe bzw. eine besonders niedrige Wahrscheinlichkeit für Gewalthandeln aufweisen. Eine weitere differenzierte Analyse wurde für deutsche bzw. nicht deutsche Jugendliche vorgenommen. Eine diesbezügliche Unterscheidung der befragten Schülerinnen und Schüler ist grundsätzlich nicht ganz einfach und wird in der Literatur ausführlich diskutiert: Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit ein Jugendlicher als eine Person mit deutscher Herkunft bezeichnet werden kann?12 In unserem Projekt werden für diese Auswertungen deutsche Jugendliche als diejenigen definiert, die nur die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, bei denen zu Hause ausschließlich deutsch gesprochen wird, 21


Jugendkriminalität und öffentliche Missstände Tabelle 2: Wahrscheinlichkeiten für das Begehen von Delikten so­ wie Intraklassenkorrelationen für 44 Duisburger Ortsteile

Abbildung 2: Wahrscheinlichkeiten der Ausübung von Gewaltde­ likten (Jahresprävalenzen) durch Mädchen nach 44 Duisburger Ortsteilen (ICC=0.022)

deren Eltern ebenfalls jeweils nur den deutschen Pass besitzen und die darüber hinaus in Deutschland geboren wurden (vgl. Boers, Walburg & Reinecke 2006). Obwohl die Wahrscheinlichkeit für das Begehen von Sachbeschädigungsdelikten und für gewaltsames Handeln sich zwischen deutschen und nicht deutschen Jugendlichen nicht unterscheidet, ergeben sich nur für die Gruppe der als deutsch definierten Befragten erhöhte Intraklassenkorrelationen, die ungefähr dasselbe Niveau aufweisen wie bei der Gruppe der Mädchen (siehe Tab. 2). Varianzunterschiede zwischen den Ortsteilen spielen folglich allenfalls für die Gruppe der Mädchen und für die Gruppe der deutschen Jugendlichen bei Sachbeschädigungs- und Gewaltdelikten eine – wenngleich kleine – Rolle. Führt man das Geschlecht bzw. die Herkunft (deutsch versus nicht deutsch) 22

als Dummyvariable in die Modelle für Gewalt- und Sachbeschädigungsdelikte ein, wird jeweils bei beiden Deliktgruppen folgendes deutlich: Mädchen deutscher und nicht deutscher Herkunft unterscheiden sich nicht signifikant in Bezug auf die Wahrscheinlichkeiten der Tatbegehungen. Dagegen handeln deutsche Jungen deutlich, bei Sachbeschädigungsdelikten beispielsweise doppelt so oft kriminell als Mädchen. Eine weitere Gruppendifferenzierung nach beispielsweise deutschen Mädchen erscheint an dieser Stelle zwar sinnvoll, wird aber nicht vorgenommen, da die gültigen Fälle pro Ortsteil noch einmal deutlich dezimiert werden würden. Oberwittler nimmt allerdings eine solche Unterscheidung vor und kommt zu dem Ergebnis, dass bei Gewaltdelikten Stadtteilunterschiede insbesondere bei deutschen Mädchen eine Rolle spielen (ICC=0.061). Schwere Eigentumsdelikte führen daneben sowohl bei deutschen Mädchen (ICC=0.046) als auch bei deutschen Jungen (ICC=0.050) zu erhöhten Intraklassenkorrelationen (vgl. Oberwittler 2003).13 Es stellt sich nun erneut die Frage, welche Faktoren kriminelles Handeln erklären und inwiefern sich diese auf Unterschiede zwischen den untersuchten Ortsteilen zurückführen lassen. Oberwittler kommt für die Gruppe der deutschen Mädchen in Bezug auf Gewaltdelikte zu dem Ergebnis, dass auf der Individualebene vornehmlich die Gewaltakzeptanz und als Kontextmerkmal die Sozialhilfequote der unter 18jährigen sowie die aggregierte Gewaltakzeptanz zur Aufklärung der Varianzen auf beiden Ebenen beitragen. Erste eigene Berechnungen legen für die Gruppe der Mädchen in Bezug

auf Gewaltdelikte ebenfalls einen bedeutenden Effekt der abgefragten Gewalteinstellungen auf der Individualebene nahe, aber nicht ebendieser als aggregiertes Kontextmerkmal. Darüber hinaus spielt wahrgenommene soziale Kontrolle ebenfalls eine Rolle. Des Weiteren verringert sich die Intraklassenkorrelation mit steigendem sozialem Status der Ortsteile bzw. bei Kenntnis des Ausmaßes der sozialen Incivilities in diesen. Inwiefern sich die gezeigten Effekte in multivariaten Modellen bestätigen, sich auch auf Sachbeschädigungsdelikte und die Gruppe der deutschen Jugendlichen übertragen lassen und inwieweit Ortsteile mit überdurchschnittlich häufigem Auftreten von Incivilities mit den Ortsteilen mit überdurchschnittlichem Täteranteil übereinstimmen, muss in weiteren Analysen ausführlicher geprüft werden.

Fazit Insgesamt betrachtet konnten innerhalb Duisburgs nur sehr wenige Ortsteile identifiziert werden, die signifikant größere bzw. signifikant kleinere Wahrscheinlichkeiten für kriminelles Handeln der dort wohnhaften Schülerinnen und Schüler aufweisen als der Durchschnitt für die gesamte Stadt; und das auch nur bei Unterscheidung der untersuchten Jugendlichen in Subgruppen. Tendenziell ergeben sich auch für die Merkmale des städtischen Verfalls und der der Verwahrlosung eher weniger starke Differenzen zwischen den untersuchten Stadtgebieten. Allerdings weisen auch die Ergebnisse anderer deutscher Studien in Bezug auf Kriminalität und Incivilities ähnlich niedrige Werte aus. Handelt es ich in Deutschland womöglich also um eine Luxusdebatte, wenn über so-

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Jugendkriminalität und öffentliche Missstände zial-räumliche Unterschiede von Kriminalität oder des sozialen Kollaps diskutiert wird? Die Abweichungen innerhalb deutscher Städte scheinen wie in Duisburg – einer westdeutschen Großstadt im Ruhrgebiet, die immerhin besonders durch Deindustrialisierung geprägt ist – eher marginal zu sein.

Literatur

Boers, K. & Reinecke, J. (Hg.) (2007). Delinquenz im Jugendalter. Erkenntnisse einer Münsteraner Längsschnittstudie. Münster: Waxmann. Boers, K. & Walburg, C. (2007). Verbreitung und Entwicklung delinquenten und abweichenden Verhaltens unter Jugendlichen. In K. Boers & J. Reinecke (Hg.), Delinquenz im Jugendalter. Erkenntnisse einer Münsteraner Längsschnittstudie (S. 80–95). Münster: Waxmann. Boers, K., Walburg, C. & Reinecke, J. (2006). Jugendkriminalität – Keine Zunahme im Dunkelfeld, kaum Unterschiede zwischen Einheimischen und Migranten. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 89(2), 63–87. Häfele, J. & Lüdemann, C. (2006). Incivilities und Kriminalitätsfurcht im urbanen Raum. Eine Untersuchung durch Befragung und Beobachtung. Kriminologisches Journal, 38(4), 273–291. Hox, J. (2002). Multilevel analysis: Techniques and applications. New Jersey, London: Lawrance Erlbaum Associates. Kornhauser, R. R. (1978). Social sources of delinquency. Chicago, London: University of Chicago Press. Kühnel, S.-M. & Krebs, D. (2004). Statistik für die Sozialwissenschaften. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Lüdemann, C. (2005). Benachteiligte Wohngebiete, lokales Sozialkapital und ’Disorder’. Eine Mehrebenenanalyse zu

den in­ di­ viduellen und sozialräumlichen Determinanten der Perzeption von physical und social Incivilities im städtischen Raum. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 88(4), 240–256. Oberwittler, D. (2003). Geschlecht, Ethnizität und sozialräumliche Benachteiligung. In S. Lamnek & M. Boatca (Hg.), Geschlecht – Gewalt – Gesellschaft (S. 269–294). Opladen: Leske und Budrich. Sampson, R. J. & Groves, W. B. (1989). Community structure and crime: testing social disorganization theory. The American Journal of Sociology, 94, 774–802. Sessar, K., Herrmann, H., Keller, W., Weinrich, M. & Breckner, I. (2004). INSEC – insecurities in European cities. Crime-related fear within the context of new anxieties and community-based crime prevention. Hamburg. Shaw, C. R. & McKay, H. D. (1942, 1969). Juvenile delinquency and urban areas. Chicago: University of Chicago Press. Walburg, C. (2007). Migration und selbst berichtete Delinquenz. In K. Boers & J. Reinecke (Hg.), Delinquenz im Jugendalter. Erkenntnisse einer Münsteraner Längsschnittstudie (S. 241–268). Münster: Waxmann. Wikström, P.-O. H. & Butterworth, D. A. (2006). Adolescent crime: individual differences and lifestyles. Cullompton: Willan.

Anmerkungen

1 In Heft 1/2007 wurde das Projekt bereits ausführlich vorgestellt. Für genauere Informationen über die Studie empfiehlt sich der 2007 erschienene Band „Delinquenz im Jugendalter“ (Herausgeber Boers & Reinecke), der insbesondere die Erkenntnisse der Münsteraner Längsschnittstudie dokumentiert. Weitere Details zur Studie finden sich auch unter http://www.unibielefeld.de/soz/krimstadt.

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Siehe dazu auch im Detail die kontrolltheoretische Interpretation der klassischen Theorie der sozialen Desorganisation, die von Kornhauser (1978) vorgeschlagen wird. 3 Eine in der Hamburger Untersuchung vorgenommene Überprüfung der subjektiven Wahrnehmung von Incivilities durch objektive Einschätzungen unterstreicht die Validität Ersterer (vgl. Häfele & Lüdemann 2006). 4 Weitere Befunde und Effekte erklärender Variablen können direkt bei Lüdemann (2005) nachgelesen werden. 5 Die Verfahren wurden mit der Statistiksoftware SPSS vorgenommen. Bei der Faktorenanalyse handelt es sich um eine Hauptachsenanalyse (Varimax-Rotation). 6 Die Auswertungsarbeiten wurden mit dem Programmen MLwiN und STATA durchgeführt. 7 Die Daten der amtlichen Statistik wurden vom Amt für Statistik der Stadt Duisburg zur Verfügung gestellt. Besonderer Dank gebührt dabei Herrn Roland Richter. 8 Bei diesem handelt es sich hier um einen Index, der die Nettokaltmiete pro m² im Jahr 2002, die Arbeitslosenquote am 31.12.2002, die Quote der Sozialhilfeempfänger am 31.12.2002 sowie die Einkünfte in Bezug auf das Steuerjahr 2001 der jeweiligen Ortsteile beinhaltet. 9 Die Mobilitätsrate je 1.000 Einwohner eines Ortsteils berechnet sich aus den bereinigten Zuzügen (ohne Umzüge im Ortsteil) und den bereinigten Fortzügen (ohne Umzüge im Ortsteil) in Bezug auf die Einwohnerzahl der Ortsteile (Berichtsjahr 2000): [(Zuzüge+Fortzüge)/Einwohnerzahl]*1000. Das Heterogenitätsmaß berücksichtigt den Anteil verschiedener Nationalitäten (Stichtag 31.12.2002) und wurde mit dem Maß der relativen Devianz berechnet (vgl. hierzu Kühnel & Krebs 2004). 10 Unter Eigentumsdelikten werden Einbruch, Hehlerei, Kfz-Aufbruch, Kfz-Diebstahl, Automatenaufbruch, Fahrraddiebstahl, Ladendiebstahl und sonstiger Diebstahl gezählt. Sachbeschädigungsdelikte beziehen sich auf Scratching, Sachbeschädigung und Graffitis. Gewaltdelikte schließen Raub, Handtaschenraub, Körperverletzung mit Waffe und Körperverletzung ohne Waffe ein. Darüber hinaus wurde nach dem Delikt Drogenhandel gefragt. 11 In der Analyse wurden zwei Ortsteile grundsätzlich ausgeschlossen, da der Stichprobenumfang in diesen beiden Gebieten bei weniger als 20 Fällen liegt. 12 Siehe dazu ausführlich Walburg 2007. 13 Anstelle der Jahresprävalenzen verwendet Oberwittler Jahresinzidenzen, d. h. die Häufigkeiten der Taten innerhalb des letzten Jahres (vgl. Oberwittler 2003).

Über Statistik: Man hört, die politischen Entscheidungen würden immer kurzatmiger. Statistisch ist das nicht belegbar.

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Warum Opernliebhaber nicht häufiger in die Oper gehen und andere die Oper meiden

Kosten – Interesse – Lebensstil Karl-Heinz Reuband, Düsseldorf

Weniger ...

und ältere Besucher

Mangel an Untersuchungen

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Nirgendwo in der Welt gibt es so viele Opernhäuser wie in Deutschland. Und kaum eine andere Institution wird staatlich derart hoch subventioniert und in der Bevölkerung so sehr geschätzt. Für die Bevölkerung symbolisiert sie die kulturelle Bedeutsamkeit der eigenen Stadt und gibt ihnen das Gefühl, über eine kulturelle Option zu verfügen, auf die sie bei Bedarf zurückgreifen können. Doch so sehr auch die Existenz eines Opernhauses am Ort begrüßt wird, stellt der Kreis der Nutzer doch stets nur eine Minderheit dar. Selbst in Städten mit renommierten Opernhäusern – wie Hamburg oder Dresden – besuchen nicht mehr als ein Viertel der Einwohner im Laufe eines Jahres eine Opernaufführung in ihrer Stadt. Der Kreis derer, die dies mehrmals im Jahr tun, liegt noch niedriger (Reuband 2002). Warum aber wird von der Gelegenheit zum Opernbesuch so selten Gebrauch gemacht? Was sind die Beweggründe: Ist es der Musikgeschmack oder ist es die Praxis der üblichen Operninszenierungen? Oder sind die Gründe ganz woanders zu suchen: In den individuellen Lebensbedingungen und Lebensstilen, die keinerlei Bezug zu musikalischen Vorlieben aufweisen? Untersuchungen zu dieser Fragestellung gibt es nicht. Dies ist erstaunlich und spiegelt die Tatsache wider, dass die Nutzung der Hochkultur so sehr als selbstverständlich angesehen wird, dass Fragen nach

den Bedingungen der Nutzung und Nicht-Nutzung nicht gestellt, geschweige denn empirisch näher untersucht werden. Wenn von einer Krise der Oper gesprochen wird, dann meist im Bezug auf die Tatsache, dass es nicht in hinreichendem Maße Opern zeitgenössischer Komponisten gibt. Dabei gibt es sehr wohl Krisensymptome der Institution Oper auch auf der Nachfrageseite. Die Zahl der Bundesbürger, die sich für Opernaufführungen interessieren, ist zwischen 1992 und 2007 erheblich zurückgegangen.1 Die jüngeren, nachwachsenden Generationen sind weniger an klassischer Musik und Opern interessiert als die älteren (Reuband 2003), und entsprechend ist das Opernpublikum im Lauf der Zeit überproportional gealtert (vgl. Reuband 2005). Umso mehr ist es für den Fortbestand der Institution Oper von Bedeutung, welches OpernbesucherPotential existiert und warum Opernaufführungen selten oder nie besucht werden. Dazu liegen bislang jedoch keine systematischen Studien vor. Es gibt zwar vereinzelt Analysen, bei denen die Besucher und Nichtbesucher anhand ihrer sozialen Merkmale – wie Alter oder Geschlecht – verglichen wurden (vgl. u.a. Schulze 1992, Reuband 2002, 2006, Brauerhoch 2005, Keuchel 2005, Rössel et al. 2005). Die subjektiven Gründe aber blieben ausgeklammert. Es gibt zu diesem Themenkomplex lediglich eine Nichtbesucherbefra-

gung unter Jugendlichen zu Fragen des Theater-, nicht des Opernbesuchs (Deutscher Bühnenverein 2002). Und es gibt eine Untersuchung, in welcher der Opern- und Theaterbesuch zusammengefasst wurde und die Frage nach den Ursachen für seltenen oder fehlenden Besuch global gestellt wurde (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 1972).2

Zielsetzung und Methode Im Folgenden sollen am Beispiel einer Lokalstudie – in Düsseldorf – erstmals die subjektiven Beweggründe für den Nichtbesuch bzw. seltenen Besuch von Opern näher untersucht werden. Die subjektiven Gründe eignen sich, Aussagen über die Handlungsmotivation herzuleiten. Sie sind im Kontext von Handlungsrestriktionen und Handlungsoptionen zu sehen und sagen etwas über Begründungszusammenhänge aus, die aus Sicht des Befragten sein Handeln bestimmen. Anders als in den Studien zum Nichtbesuch von Theatern analysieren wir die Nichtbesucher nicht in ihrer Gesamtheit, sondern differenziert nach ihrer Affinität zum Opernbesuch. Indem wir Personen mit unterschiedlicher Affinität zum Musikbetrieb als Basis nehmen – sowohl was die Häufigkeit des Opernbesuchs als auch die Wertschätzung von Opern betrifft –, können wir genauer bestimmen, welche Faktoren

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Kosten – Interesse – Lebensstil nicht nur die Operndistanzierten sondern auch die Opernliebhaber vom Opernbesuch abhalten.3 Die Studie stützt sich auf eine repräsentative, postalisch durchgeführte Bevölkerungsumfrage der Einwohner der Stadt mit deutscher Staatsangehörigkeit, 18 Jahre und älter (dazu auch Reuband 2006b). 1044 Personen wurden befragt.4 Bezogen auf die (um neutrale Ausfälle) bereinigte Bruttostichproben entspricht dies einer für Großstädte überproportionalen Ausschöpfungsquote von 59 %. Die Frage zur „Opernabstinenz“, die auf eine Frage zur Häufigkeit des Opernbesuchs in den letzten 12 Monaten folgte, lautete: „Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen nicht oder selten die Oper besuchen. Wie ist das bei Ihnen? Warum besuchen Sie nicht häufiger Opernaufführungen?“ Die Frage war als offene Frage, ohne Antwortkategorien konstruiert. Lediglich 15 % der Nichtbesucher machten dazu keine Angabe. Die anderen nannten ein oder mehrere Gründe. Im Folgenden wollen wir zunächst untersuchen, welche Gründe Besucher des Düsseldorfer Opernhauses davon abhalten, häufiger zu gehen. In einem zweiten Schritt wollen wir uns dann speziell den Nichtbesuchern zuwenden und deren subjektive Gründe analysieren.

Warum gehen Opernbesucher nicht häufiger hin? Betrachten wir zunächst die Befragten, die üblicherweise einmal oder mehrmals im Jahr in die Düsseldorfer Oper gehen.5 Dass sie selbst häufige Operngänger seien und keiner Begründungen für seltenen Besuch bedürfen, bekunden

am ehesten die Befragten, die mehrmals im Jahr in die Oper gehen. Bemerkenswert ist jedoch, dass selbst unter ihnen eine Mehrheit Gründe dafür nennt, warum sie sich nicht noch häufiger Opernaufführungen ansehen6 (vgl. Tab. 1). Am häufigsten werden (im Rahmen von Mehrfachnennungen) die Kosten der Eintrittskarten (27 %) und der Mangel an Zeit (36 %) aufgeführt. Ähnliche Argumente finden sich unter denjenigen, die einmal im Jahr in die Oper gehen. Unter ihnen nimmt der Kostenaspekt sogar einen noch etwas größeren Stellenwert ein (35 %), während der Zeitmangel etwas an Bedeutung verliert (25 %). Natürlich könnte man sich fragen, ob Kosten und Zeitmangel vorgeschobene Gründe darstellen – erscheinen diese Gründe vor dem Hintergrund des eigenen Selbstbildes als Operngänger doch als legitim und für Außenstehende nachvollziehbar. Für eine Neigung, Kosten oder Zeitmangel als quasi legitimes Pseudo-Argument für eine realiter andere Motivlage vorzuschieben, spricht jedoch wenig: Wer „Kosten“ als Grund angibt, verfügt tatsächlich über weniger Netto-Haushaltseinkommen als derjenige, der dies Motiv nicht nennt. So liegt z.B. unter denen, die einmal im Jahr in die Oper gehen und nicht den Kostenaspekt thematisieren, das Netto-Haushaltseinkommen durchschnittlich bei 2.740 EURO, während es unter den Befragten, welche die Kosten des Kartenerwerbs als Grund seltenen Besuchs aufführen, bei 2.146 EURO liegt.7 Auch die Begründung „Zeitmangel“ geht mit entsprechenden objektiven Bedingungen einher. So liegt unter den Befragten, die mehrmals in Jahr die Oper besuchen und

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Zeitmangel als Grund nannten, die durchschnittliche Zahl freier Stunden bei 3.4. Unter denen, die andere Gründe äußerten, beläuft sich der Wert auf 4.6 Stunden. Analoge Beziehungen finden sich unter denen, die nur einmal im Jahr in die Oper gehen: einem Wert von 2.6 Stunden steht hier auf der anderen Seite ein Wert von 4.8 gegenüber. Die Bedeutung der Zeit wird auch dann noch mal deutlich, wenn man die Zahlen innerhalb der Gruppe derer, die Zeitknappheit äußern, unter den mehrmaligen und den einmaligen Besucher des Opernhauses in Beziehung setzt: unter denen die mehrmals im Jahr in die Oper gehen, liegt der Durchschnitt bei 3.4 Stunden und bei denen, die

Sind Zeitmangel und Kosten vorgeschobene Gründe?

Tabelle 1: Gründe, warum Opern nicht (häufiger) besucht werden – nach der Häufigkeit des lokalen Opernbesuchs (Mehrfach­ nennungen in %, Spaltenprozente)

Die Angaben stellen Antworten auf die offen gehaltene Frage dar und wurden nachträglich kategorisiert. Personen, die keine Angabe machten, sind aus der Berechnung ausgelassen. Frageformulierung: Die Frage zur Ermittlung der Gründe für die „Opernabstinenz“ war als offene Frage – ohne vorgegebene Antwortkategorien konstruiert. Sie folgte einer Frage zur Häufigkeit des Opernbesuchs in den letzten 12 Monaten und lautete: „Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen nicht oder selten die Oper besuchen. Wie ist das bei Ihnen? Warum besuchen Sie nicht häufiger Opernaufführungen?“. „Wie häufig gehen Sie in Düsseldorf in die Oper?“ [Antwortkategorien vorgegeben: „Mehrmals pro Woche“ bis „Mehrmals im Jahr“ hier zusammengefasst] Die auf die Frage nach den Gründen hin geäußerten Meinungen wurden von uns nachträglich kategorisiert und zu größeren Themenbereichen zusammengefasst. Die Kategorie „andere Musikpräferenzen“ umfasst Aussagen wie „Lieber Konzert“, „lieber nicht-klassische Musik“, „Musik zu schwer, zu laut“ etc.; die Kategorie „sonstiger Lebensstil“ umfasst Angaben wie „bin zu ermüdet nach der Arbeit“, „ungünstige Zeit“, „keine Begleitperson“ etc.

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Kosten – Interesse – Lebensstil Zu moderne Inszenierung

Kosten stören

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nur einmal im Jahr in die Oper gehen, bei 2.6. Diejenigen, die nur einmal im Jahr in die Oper gehen und unter Zeitzwang leiden, haben offenbar noch weniger Zeit als diejenigen, die sich mehrmaligen Besuch leisten können.8 Im Vergleich zu „Kosten“ und „keine Zeit“ erweisen sich die sonstigen Gründe als eher sekundär. Sie teilen sich auf eine heterogene Sammlung von Einzelmotiven auf, die von Krankheit, Gebrechen bis hin zur Klage über fehlende Begleitpersonen oder Kriminalitätsfurcht reichen. Eine nennenswerte Häufung spezifischer Nennungen lässt sich nicht erkennen. Fasst man Zeitmangel, ungünstige Anfangszeiten, Krankheit, fehlende Begleitperson und eine starke körperliche Beeinträchtigung („zu ermüdet“, „ermattet“) als Elemente des Lebensstils zusammen, so kann man allenfalls konstatieren, dass dieser einen herausgehobenen Stellenwert unter den häufigen Besuchern einnimmt. Unter den mehrmaligen Opernbesuchern beläuft sich der Anteil auf 54 %, unter denen, die einmal im Jahr in die Oper gehen, sind es 41 %. Nennungen, welche die Angebotsseite und die Handlungsspielräume des Opernhauses betreffen, sind selten. Eine ungünstige Anbindung des Opernhauses an Verkehrsverbindungen (einschl. Mangel an Parkplätzen) findet ebenso wenig eine Erwähnung wie das jeweilige Opernangebot und der Inszenierungsstil. Wenn überhaupt eine Kritik am Spielplan oder den Inszenierungen geäußert wird, dann von den häufigen Opernbesuchern. Dabei sind die kritischen Stimmen, welche die Inszenierungen als zu modern beklagen, stärker vertreten als jene, welche sie als zu altmodisch oder

konventionell bezeichnen.9 Auf den ersten Blick paradox erscheint, dass rund 15 % der Befragten, die mehrmals im Jahr in die Oper gehen, andere Musikpräferenzen als Begründung aufführen. Ein Grund kann sein, dass ihre Vorliebe für Opern die Wertschätzung anderer Musik keineswegs ausschließt – und wenn diese in Aktivitäten umgesetzt wird (z.B. durch den Besuch entsprechender Konzerte), daraus eine Konkurrenzsituation mit Rückwirkungen auf die Zeitallokation für Opernbesuch erwachsen kann. Ebenfalls denkbar ist, dass mancher der häufigeren Operngänger über den Ehepartner zum Besuch motiviert wurde und das Opernhaus primär in der Funktion als Begleitperson besucht (womöglich über ein gemeinsames Abonnement). Keine Anzeichen gibt es dafür, dass, wie gelegentlich befürchtet, ein nennenswerter Teil der Bürger andere Medien der Musikrezeption dem Opernbesuch vorzieht. Dass sie, statt in das Opernhaus zu gehen, sich den Operngenuss über CDs, Schallplatten oder den – vermehrt auf dem Markt angebotenen – DVDs mit Opernaufführungen verschaffen, meinen nicht mehr als 2 % der häufigen Opernbesucher. Unter denen, die seltener oder gar nicht in die Oper gehen, liegt dieser Prozentsatz noch niedriger. Dass der Besitz von Schallplatten oder CDs mit klassischer Musik die Häufigkeit des Opernbesuchs beeinträchtigen könnte, dafür gibt es auch objektiv keine Belege: Korreliert man die Häufigkeit des Opernbesuchs mit der Zahl von Schallplatten und CDs mit klassischer Musik im eigenen Besitz, ergibt sich keine negative, sondern im Gegenteil eine – wenn auch

schwache – positive Korrelation: Wer viele Schallplatten und CDs besitzt, der geht überproportional oft auch in die Oper.10 Besitz von Tonträgern mit klassischer Musik und Opernbesuch verstärken einander, bzw. sind Ausdruck einer Vorliebe für klassische Musik, die sich sowohl im Opernbesuch wie dem Besitz entsprechender Tonträger niederschlägt.

Gründe für die Opernabstinenz Welche Gründe für seltenen oder fehlenden Besuch der Oper finden sich unter denen, die man als Nicht-Besucher einstufen kann? Charakteristisch für die Befragten, die seltener als einmal im Jahr oder nie in die Oper gehen, ist – wie man ebenfalls der Tabelle 1 entnehmen kann – eigenen Angaben zufolge das Desinteresse an Opernmusik. Unter denen, die nie in Düsseldorf in die Oper gehen, nennen 40 % „kein Interesse“ als Motiv, und 34 % erwähnen explizit, dass sie Opernmusik nicht schätzen. In der Tat: Gemessen an der Wertschätzung von Opernmusik unterscheiden sich die Opernbesucher von den Nichtbesuchern sehr deutlich: Unter denen, die mehrmals im Jahr in die Oper gehen, beurteilen auf einer Skala zur Messung des Musikgeschmacks 82 % Opern als „sehr gut“ oder „gut“. Unter denen, die niemals die Oper aufsuchen, sind es lediglich 10 %. Die Nennung eines fehlenden Interesses und die Angabe, man schätze keine klassische Musik, sind mithin Ausdruck ein- und derselben Orientierung. So gesehen ist die „Krise“ des Opernbesuchs – der Verzicht vieler Bürger auf den Besuch des Opernhauses – primär Folge ihres Musikgeschmacks.

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Kosten – Interesse – Lebensstil Doch auch wenn die Nichtbesucher mehrheitlich Opern nicht schätzen und deswegen dem Opernhaus fernbleiben ist die Beziehung zwischen Musikgeschmack und fehlendem Opernbesuch keineswegs als perfekt anzusehen. Selbst unter denen, die seltener als einmal im Jahr oder nie in die Oper gehen, gibt es mit einem Anteil von nahezu einem Fünftel noch einen nennenswerten Prozentsatz von Personen, die positiv über Opern urteilen (Gefallen „sehr gut“ oder “gut“) und damit zum Kreis der potentiellen Opernbesucher zählen. Und dieser Kreis ist theoretisch ebenso wie praktisch von besonderem Interesse: Warum besuchen sie, die für Opern aufgeschlossen sind und eigentlich zu den Operngängern zählen müssten, keine Opernaufführungen? Um dies zu klären, wenden wir uns speziell den Nichtbesuchern näher zu und unterteilen diese nach dem Grad ihrer Wertschätzung von Opern. Als Nichtbesucher verstehen wir im Folgenden alle Befragten, die angeben, seltener oder nie in Düsseldorf in die Oper zu gehen und auch nicht in den letzten 12 Monaten in Düsseldorf oder woanders in der Oper waren.11 Die Ergebnisse für diese Gruppen sind in Tabelle 2 zusammengestellt, ausdifferenziert nach dem Grad der Vorliebe für Opernmusik. Wie man der Tabelle entnehmen kann, wird der Kostenaspekt mit einem Anteil von 42 % als häufigster Grund für die Enthaltsamkeit angegeben unter den „emphatischen“ Opernliebhabern (Gefallen von Opern „sehr gut“). Der Zeitmangel ist für sie demgegenüber subjektiv als Hinderungsgrund weniger bedeutsam. Am ehesten wird dieser noch von den Jüngeren genannt. Des

weiteren wird er unter den besser Gebildeten besonders häufig aufgeführt. Die Bildungsbeziehung ist dabei nicht als Folge des durchschnittlich jüngeren Alters der besser Gebildeten anzusehen, sondern wirkt unabhängig davon. Der insgesamt aktiverer Lebensstil der besser Gebildeten dürfte in erster Linie dafür verantwortlich sein. Keine Bedeutung hat – wie schon zuvor bei der Analyse des gelegentlichen und häufigen Opernbesuchs festgestellt wurde – die Nutzung alternativer Medien, wie CD oder DVDs. Eine Neigung, sich den Operngenuss im Hause statt in der Oper zu verschaffen, findet sich nicht. Die sonstigen Gründe zerfallen einmal mehr in heterogene Einzelnennungen, wobei unter denen, die Opern „sehr gut“ finden, eine überproportional häufige Kritik am Regiestil auffällig ist (21 %). Der Vorwurf, die Inszenierungen seien zu modern, wird hierbei am häufigsten vorgebracht. Inwieweit es sich bei den Kritikern des Inszenierungsstil um Personen handelt, welche früher die Oper besuchten, oder um Personen, die dies auch früher nicht taten und bei denen dies lediglich ein Argument unter anderen ist, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Gleichwohl: Die Kritik an modernen Inszenierungen ist als ein durchaus bemerkenswerter Befund anzusehen – gilt doch Düsseldorf im Vergleich zu anderen Opernhäusern eher als konventionell in der Inszenierungspraxis. Dies bedeutet nicht, dass Düsseldorf auf modernes Regietheater verzichtet – im Gegenteil, es findet sich hier ebenfalls häufig eine derartige Praxis. Vielmehr bedeutet es lediglich, dass der Anteil älterer, „kon-

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Tabelle 2: Gründe der „Nichtbesucher“, nicht in die Oper zu gehen – nach der Bewertung von Opernmusik (Mehrfachnennungen in %, Spaltenprozente)

Basis: Personen, die seltener als einmal im Jahr oder nie in die Düsseldorfer Oper gehen und auch nicht in den letzten 12 Monaten in Düsseldorf oder an anderen Orten in der Oper waren. Die Frageformulierung zur Ermittlung der Bewertung von Opern­ musik lautete: „Wie sehr gefallen Ihnen die folgenden Musikarten? … Opern“ [Antwortkategorien wie oben aufgeführt].

ventioneller“ Inszenierungen in Düsseldorf etwas größer ist als in anderen großstädtischen Opernhäusern wie Hamburg oder Stuttgart. Dass die Düsseldorfer Bürger in ihrem Urteil über die von ihnen präferierte Inszenierungspraxis besonders konventionell sind, ist nicht anzunehmen. Ähnliche Verhältnisse findet man unter den Nichtbesuchern der Opernhäuser in anderen Städten, wie z.B. Hamburg (vgl. Reuband 2008). Und wenn man Opernbesucher selbst fragt, welcher Inszenierungsstil sie bevorzugen – einen auf die Gegenwart bezogenen Regiestil oder einen, der in der ursprünglichen Zeit der Handlung angesiedelt ist – findet man in Düsseldorf ebenso wie in Köln eine überwiegende Präferenz für eine Inszenierung in der Zeit der Handlung. Das moderne Regietheater stößt auch anderswo auf eine gewisse Skepsis (vgl. Reuband 2006a). Bezieht man unter den Nichtbesuchern nicht nur die Opernliebhaber mit ein, sondern aus Vergleichsgründen auch diejenigen, die gegenüber dem Operngeschehen eine distanzierte 27


Kosten – Interesse – Lebensstil

Hemmschwelle senken

Entscheidend: Wertschätzung klassischer Musik

oder negative Haltung einnehmen, zeigt sich: Je distanzierter die Befragten Opern gegenüberstehen, desto eher werden – wie bereits bei der Aufgliederung nach Häufigkeit des Opernbesuchs zu erkennen war (und hier bei Berücksichtigung des Musikgeschmacks erwartungsgemäß noch deutlicher hervortritt) – das Motiv „kein Interesse“ und Ablehnung der Opernmusik genannt. Kosten des Kartenerwerbs nehmen als Motiv an Häufigkeit ab, ebenso wie sonstige Gründe. Dass überhaupt von einem Teil derer, die Opern nicht schätzen, Kosten genannt werden (ebenso wie Zeitmangel), mag hierbei durchaus verwundern. Womöglich spielen hier die Kosten tatsächlich eine Rolle – würden die Befragten zum Teil gelegentlich mal aus Neugier in die Oper gehen, wenn der Eintritt weniger kosten würde (bzw. man mehr Zeit hätte).12 Von besonderer Bedeutung, die Angebotsseite betreffend, ist: Der Spielpan, die Inszenierung oder auch die Atmosphäre des Opernhauses (Art der Personen, Kleidung etc.) erweisen sich, wie letztlich auch kaum anders zu erwarten ist, unter denen, die Opern nicht schätzen, als irrelevante Abstinenzgründe. Was bedeutet: Personen, die Opern negativ gegenüberstehen, dürften auch kaum durch spezifische „Events“ – sei es in Form spektakulärer Inszenierungen oder spezifischer Opern – in die Oper zu locken sein. Entscheidend für die potentielle Teilhabe ist die Existenz einer Wertschätzung für klassische Musik und Opern.

Schlussbemerkungen Was bleibt als Fazit? Opernbesuch ist erwartungsgemäß in erster Linie eine Funktion 28

der Vorliebe für Opernmusik. Besucher, die dieser Musik distanziert gegenüberstehen und nur deswegen den Weg ins Opernhaus finden, weil sie vom Partner oder Freunden mitgenommen werden, stellen – wie auch andere Besucherbefragungen im Opernhaus belegen – eine kleine Minderheit dar. Versuche, mittels „Event-Kultur“ Menschen mit fehlendem Interesse für Opern in ein Opernhaus zu rekrutieren, sind angesichts dessen skeptisch zu beurteilen. Es ist nicht die Institution der Oper, die Menschen abhält, sondern die fehlende Wertschätzung klassischer Musik, speziell der Oper. Von besonderem Interesse aus Sicht des OpernbesucherPotentials sind jene Personen, welche Opern sehr wohl schätzen, aber nicht oder nur selten in die Oper gehen. Unseren Befunden zufolge resultiert seltener oder fehlender Opernbesuch primär aus den eigenen ökonomischen Ressourcen und dem eigenen Lebensstil.13 Gewiss mag der eine oder andere, der Kostenargumente vorbringt, sich über die tatsächlichen Kosten eines Opernbesuchs täuschen. Er setzt sie womöglich zu hoch an und glaubt vorschnell auf einen Besuch verzichten zu müssen. Andererseits aber ist auch gesichert, dass die Verfügbarkeit über entsprechende ökonomische Ressourcen neben Bildung und sozialem Status tatsächlich auf den Opernbesuch Einfluss nehmen: Je höher das Haushaltseinkommen ist, desto eher wird eine Opernaufführung besucht (Reuband 2002, 2006). Aus dieser Sicht ist das ökonomische Kalkül durchaus eines, das Handlungsrelevanz beanspruchen kann. Während Zeitmangel als eine Funktion des Lebensstils kaum

mit entsprechenden Gegenstrategien durch ein Opernhaus steuerbar ist, verhält es sich mit den für den Kartenerwerb aufzubringenden Kosten anders. Hier erscheint es als durchaus möglich, durch spezifische Maßnahmen – z.B. besondere Abonnements oder Sonderaktionen etc. – die Hemmschwellen für den Besuch zu senken. Eine nennenswerte Erhöhung der Eintrittspreise, die in Zeiten fiskalischer Krisen immer wieder von Politikern als Maßnahmen der Kostenreduktion thematisiert werden, ist demgegenüber als dysfunktional anzusehen.14 Gemessen an der frei disponierbaren Zeit haben Menschen zwar heutzutage mehr als in den 50er oder 60er Jahren (Noelle-Neumann und Köcher 2002: 211), aber zweifelsohne ist auch die Zahl konkurrierender Freizeitoptionen größer geworden. Aus dieser Sicht kommt auch den konkurrierenden Freizeitaktivitäten in Kombination mit den Kosten eine entscheidende Auswahlfunktion zu, welche über Opernbesuch oder Nichtbesuch mitentscheidet. Es wird weiteren Studien vorbehalten sein, das Zusammenspiel objektiver und subjektiver Gründe und den Stellenwert musikalischer Präferenzen und lebensstilbedingter Restriktionen – insbesondere auch im Hinblick auf konkurrierende Aktivitäten – vertiefend zu bestimmen.

Literatur:

BAT (2007): „Schlangestehen“: Die inszenierte Massenkultur, Pressemeldung der Stiftung für Zukunftsfragen. Hamburg. Becker, H.S. (1963): Outsiders. Studies in the Sociology of Deviance. New York und London. Brauerhoch, F.-O. (2005): Worü-

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Kosten – Interesse – Lebensstil ber reden wir, wenn wir vom „Publikum” reden? Verführungen der Kulturtheorie und Empirie, in: Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (Hrsg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2005. Thema: Kulturpublikum. Essen, S. 451-457 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (1977): Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft. Erhebung über die soziale Struktur des Theaterpublikums – Bürgerschaftliches Ersuchen vom 14. April 1976 (Drucksache 8/1442). Cantril, H. (1951): Public Opinion 1935-1946. Westport 1978 [zuerst 1951] Deutscher Bühnenverein (2002): Auswertung und Analyse der repräsentativen Befragung von Nichtbesuchern deutscher Theater. Eine Studie im Auftrag des deutschen Bühnenvereins. Köln Kadushin, C. (1968): Reason Analysis, in: D. Sills (Hrsg.), International Encyclopedia of the Social Science. Bd. 13, New York, S. 338-242 Keuchel, S. (2005): Das Kulturpublikum zwischen Kontinuität und Wandel – Empirische Perspektiven, in: Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (Hrsg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2005. Thema: Kulturpublikum. Essen, S. 111-134 Lazarsfeld, P.F. (1954): The art of asking why, in: D. Katz et al., Hrsg., Public opinion and propaganda. New York, S. 675-686 Noelle-Neumann, E. und R. Köcher (2002): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1998-2002. München Reuband, K.-H. (2002): Opernbesuch als Teilhabe an der Hochkultur. Vergleichende Bevölkerungsumfragen in Hamburg, Düsseldorf und Dresden zum Sozialprofil der Besucher und Nichtbesucher, in: W. Heinrichs und A. Klein, Hrsg., Deutsches Jahrbuch für Kulturmanage-

ment 2001. Band 5. BadenBaden, S. 5-17 Reuband, K.-H. (2002): Geschmacksbildung und Gene­ rationszugehörigkeit. Klas­ sik-Präferenzen im internationalen Vergleich, in: A. Klein (Hrsg.), Deutsches Jahrbuch für Kulturmanagement 2002. Band 6. Baden-Baden, S. 5-17 Reuband, K.-H. (2005): Sterben die Opernbesucher aus? Eine Untersuchung zur sozialen Zusammensetzung des Opernpublikums im Zeitvergleich, in: A. Klein und T. Knubben (Hrsg.), Deutsche Jahrbuch für Kulturmanagement 2003/2004. Band 7. Baden-Baden, S. 123-138 Reuband, K.-H. (2006a): Das Publikum der „Götterdämmerung“. Eine vergleichende Untersuchung der Opernhäuser Köln und Düsseldorf, in: U. Bermbach, D. Borchmeyer u.a. (Hrsg.), Der Ring der Nibelungen, Teil 2. wagnerspectrum, Heft 2. Würzburg, S. 143-167 Reuband, K.-H. (2006b): Teilhabe der Bürger an der „Hochkultur“. Die Nutzung kultureller Infrastruktur und ihre sozialen Determinanten, in: A. Labisch, Hrsg., Jahrbuch der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2005/2006. Düsseldorf, S. 263-283 [ebenfalls: www.uni-duesseldorf.de/Jahrbuch/2005] Reuband, K.-H., (2007): Die soziale Stellung der Opernbesucher. Krise der Oper oder des Klassikpublikums?, in: Stadtforschung und Statistik. Zeitschrift des Verbandes deutscher Städtestatistiker, Heft 1, 2007, S. 15-21 Reuband, K.-H. (2008): Warum manche Opernliebhaber keine Operngänger sind. Eine Nichtbesucheranalyse, in: Musikforum. Zeitschrift des Deutschen Musikrates, Heft 1, 2008 (im Druck) Rössel, J., R. Hackenbroch und A. Göllnitz (2005): Soziale Differenzierung und Struk-

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turwandel des Hochkulturpublikums, in: Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (Hrsg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2005. Thema: Kulturpublikum. Essen, S. 225-234 Schulze, G. (1997): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt/M. und New York

Anmerkungen

1 1992 bekundeten, gemäß des in der Erhebung eingesetzten Indikators, 12 % ein besonderes Interesse an Opern. 2007 nur noch 8 %. Dies entspricht einem Rückgang um rund 40 %. Zurückgegangen ist ebenfalls das Interesse an klassischen Konzerten und Ballett. Das Interesse an Museen hat hingegen leicht zugenommen (vgl. BAT 2007). Im Zusammenhang mit der Höhe der Prozentangaben ist anzumerken, dass der Anteil derer, die klassische Musik oder Oper schätzen oder hören oder auch eine Opernaufführung besuchen, höher liegt als es die Zahlen für Interesse in dieser Studie nahelegen (vgl. Reuband 2002, 2003, Keuchel 2005). Der Grund dürfte in der Fragekonstruktion liegen, welche das Auswahlmoment besonders betont. An dieser Stelle ist jedoch nicht die Höhe des Interesses für unterschiedliche kulturelle Aktivitäten von so großem Interesse als vielmehr der rückläufige Trend, der sich hier abbildet. 2 Die Frage in der Hamburger Studie lautete: „Wenn Sie nicht (oder höchstens einmal im Jahr) ins Theater gehen, weshalb?“. Statt den Befragten im Rahmen einer offenen Frage die Möglichkeit zu geben, ihre subjektiven Gründe im Einzelnen aufzuführen, waren mehrere Antwortkategorien vorgegeben, eine Kategorie für sonstiges (um sonstige freie Antworten zu erfassen) fehlte. 3 Es werden gewissermaßen sukzessiv die Gemeinsamkeiten ent­ lang einer relevanten Dimension – wie Häufigkeit des Opernbesuchs oder Bewertung von Opernmusik – maximiert, um die Faktoren herauszuarbeiten, die über den nächsten Schritt zur Steigerung der Besuchshäufigkeit bzw. des Besuchs entscheiden. Dies entspricht einer analytischen Strategie, die Howard Becker im Kontext anderer Verhaltensweisen für erforderlich gehalten hat. Sie ähnelt auch der Überlegung von Paul Lazarsfeld zur „Reason Analyse“ (vgl. Becker 1963, Lazarsfeld 1954, Kadushin 1968). 4 Die Untersuchung war Bestandteil eines größeren Projekts des Verfassers zur Teilhabe der Bürger an der

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Da fehlte etwas

Über Statistik: Statistik ist eine tragfähige Brücke zwischen Problem und Entscheidung. Aber nicht die einzige

Hochkultur, gefördert von der FritzThyssen-Stiftung (AZ 20.030.080). 5 Die Angaben zur Besuchshäufigkeit stellen Angaben über üblicherweise getätigten Opernbesuch dar. Er muss nicht notwendigerweise jedes Jahr in gleicher Weise praktiziert werden. Ein Teil selbst der mehrmaligen Besucher war z.B. – aus unterschiedlichen Gründen – nicht in den letzten 12 Monaten im Düsseldorfer Opernhaus (vgl. Reuband 2006b). 6 Zum einen reagieren die Befragten natürlich auf den Stimulus der Frage und meinen, sie müssten hier eine Begründung liefern. Zum anderen aber gibt es sicherlich auch Gründe, warum sie nicht noch häufiger Aufführungen besuchen, ein entsprechendes Interesse an Opern unterstellt. Leider verfügen wir innerhalb der Umfrage über keine Informationen darüber, ob die Opernbesucher über ein Abonnement verfügen. Angaben zu Abonnenten und Nichtabonnenten wurden von uns in Rahmen von Besucherumfragen im Düsseldorfer Opernhaus erhoben (Reuband 2007). 7 Die Befragten, welche Kosten nicht erwähnen, verfügen mithin ein um 28 % höheres verfügbares Einkommen als diejenigen, welch den Kostenaspekt thematisieren. Legt man das Äquivalenzeinkommen zugrunde, das die ökonomischen Verhältnisse unter Berücksichtigung der Zahl der Haushaltsmitglieder abbildet, ergibt sich sogar ein Unterschied von 35%.

8

Die Frageformulierung zur Erfassung der freien Zeit lautete: „Und nun einige Fragen zur Freizeit: Wie viele Stunden bleiben Ihnen im Allgemeinen pro Tag als Freizeit – gemeint sind Stunden neben Ihrer Arbeit, in denen Sie machen können, was Sie wollen (schlafen, essen, anziehen, einkaufen usw. gilt nicht als Freizeit) – Ca. … Stunden“. Die Frageformulierung ist Umfragen des Instituts für Demoskopie entnommen. Diese dokumentieren bis 1981 steigende Freizeit und einen dann sinkenden Durchschnittswert (vgl. Noelle-Neumann und Köcher 2002:211). 9 Unter denen, die mehrmals im Jahr in die Oper gehen, nannten sechs Befragte zu moderne Inszenierungen und ein Befragter nannte zu konventionelle, altmodische Inszenierungen als Hinderungsgrund für häufigeren Besuch. Unter denen mit einmaligem Besuch pro Jahr sind es zwei Befragte, welche zu moderne Inszenierungen und einer, der zu konventionelle, traditionelle Inszenierungsstile als Hindernisgrund angibt. 10 Die entsprechenden Korrelationen liegen bei den Befragten mit mehrmaligem Opernbesuch pro Jahr bei r=.17 und denen mit einmaligem Besuch pro Jahr bei r=.19. 11 Der Kreis der Nichtbesucher ist damit etwas enger gefasst als in einer anderen Analyse, bei der lediglich der Maßstab zugrunde gelegt wurde, wie oft das Düsseldorfer Opernhaus besucht wird (vgl. Reuband 2008).

12 Möglicherweise handelt es sich bei einigen Befragten auch um eine Begründung, die angesichts der hohen Wertschätzung der Hochkultur in unserer Gesellschaft eher als legitim gilt als „Kein Interesse“. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der vorliegenden Befragung um eine komplett anonyme Befragung handelt und kein Interviewer zugegen war, dem gegenüber man glaubt sich rechtfertigen zu müssen, dürften sozial erwünschte Antworttendenzen freilich keine besonders gravierende Rolle gespielt haben. Allenfalls das Selbstbild könnte betroffen sein. 13 Die beiden Gründe, die hier genannt wurden, spiegeln vermutlich ein Begründungsmuster wider, das sich auch an anderen Orten und Zeiten in hoher Verbreitung unter Nichtbesuchern findet. In diesem Zusammenhang sind auch die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage von Interesse, die 1946 in Budapest durchgeführt wurde. Danach wurde unter den niedrig Gebildeten (die naturgemäß weniger klassische Musik schätzen) vor allem fehlendes Interesse für den Nichtbesuch klassischer Konzerte genannt. Unter den hoch Gebildeten waren es vor allem Kostenaspekte und fehlende Zeit (vgl. Cantril 1978: 495). 14 So führte unlängst in Dresden die Erhöhung der Preise für das sogenannte „Dresdner Anrecht“ Abonnement – Oper/Ballett, Ope­ret­te/ Musical und Schauspiel um­fassend – zu einem Verlust von 1000 Abonnenten (Dresdner Neuste Nachrichten 02.02.2007, S. 10).

Da fehlte etwas Martin Schlegel, Hagen Es gibt schöne und weniger schöne Fehler. Letztere fallen vielen auf, erstere wenigen. Zu den schönen Fehlern gehört zweifellos das SteinckeProblem. In Ausgabe 2/2007 erschein sein höchst informativer Aufsatz „Standortanalyse der IuK-Wirtschaft“. Der Autor wird brav im Inhaltsverzeichnis genannt, taucht im Autorenverzeichnis aber nicht auf. Das sei hier nachgeholt: Steincke, Manfred, Diplom-Geograph, Mitarbeiter der NORD/LB Regionalwirtschaft, Edenstr. 28, 30161 Hannover, Tel: 0511-394 77 67, m.steincke@gmx.de 30

Transnationale Arbeitsmoralität. Der Begriff stand in der vergangenen Ausgabe unten auf der Titelseite. Arbeit und Moral, das passt doch zusammen, sollte eine Einheit bilden. Das „Transnationale“ kann dabei aber Schwierigkeiten aufwerfen. Eigentlich sollte dort „Transnationale Arbeitsmobilität“ stehen und auf den Haussmann-Artikel hinweisen, in dem der Autor schlüssig erklärt, dass die Zahl der Fortzüge aus Deutschland viel mit der Globalisierung zu tun hat. Deutschlands Unternehmen brauchen vor Ort deutsche Führungskräfte.

Auch über ein anderes Wort ist manch einer gestolpert: Tympana. Horst Schmollinger gebrauchte es in seinem GeraBericht. Zur Aufklärung: Das Tympanon bildet die halbrunde oder leicht angespitzte Fläche über dem Sturz eines Portals. Und Tympana ist der Plural. Bleiben wir bei Horst Schmollingers Gera-Rückblick: Das Foto auf Seite 74 zeigt nicht Geras Markplatz, sondern die Jüdengasse, die den Markt mit dem Kornmarkt verbindet. Ein Hinweis, den ich bislang nicht für nötig gehalten habe: Der Text auf Seite 4 ist immer eine Glosse, erst auf Seite 5 beginnt der Ernst der Statistik.

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Einwohner, Einkommen, Beschäftigte, BIP, Pendler, Arbeitslose, Studierende

Blicke auf die 15 größten deutschen Städte Lars Kreymann, Leipzig

Das Interesse an Städtevergleichen mit möglichst aktuellen statistischen Daten ist sehr groß und hält unvermindert an. Vor diesem Hintergrund bilden die Bevölke­rungsentwick­ lung, die Beschäftigungs- und Arbeits­marktstatistik sowie weitere ausgewählte statisti­ sche An­ gaben der 15 größten deutschen Städte den Schwerpunkt der nachfolgenden Betrachtung. Es werden die Entwick­lungen des Jahres 2006 vorgestellt. Die Informationen entstammen den Online-Angeboten der Statistischen Ämter des Bundes und der Län­der sowie der Bundesagentur für Arbeit. Damit ist die Vergleichbarkeit der Angaben gewährleistet. In drei der 15 Vergleichsstädte sank die Ein­ wohnerzahl gegenüber 2005, während sie in den übrigen Städten anstieg. Besondere Aufmerk­sam­keit gebührt der Entwicklung am Tabellenende. Dresden mit einem Bevölkerungszuwachs von 1,9 % und auch Nürnberg mit einem Plus von 0,3 % übersprangen die „500  000-Einwohner-Grenze“ und nehmen jetzt Position 13 bzw. 14 ein. Dagegen rutschte Duisburg mit einem Bevölke­rungsrückgang um 0,5% unter 500 000 und damit vom 13. Rang im Jahr 2005 auf den 15. Platz. Leipzig konnte den Trend eines leichten Bevölkerungswachstums in den letzten Jahren auch 2006 fort­setzen. Mit einem Anstieg

um 0,8 % auf eine Einwohnerzahl von 506 578 besetzte es ge­nau wie 2005 Rang 12 der 15 bevölkerungsreichsten deutschen Städte. Nahezu unverändert stellen sich gegenüber 2005 die Ausländeranteile der Ver­ gleichsstädte dar. Leipzig hat einen etwas höheren Anteil nichtdeutscher Mitbürger als Dresden. Dieser ist aber lediglich halb so hoch wie in Essen, das unter den übrigen Städten die niedrigste Ausländerquote vorzuweisen hat. Gegenüber München und Stuttgart beträgt der Leipziger Ausländeranteil nur etwas mehr als ein Viertel der dortigen Werte. Die Tabelle 1 stellt neben den bisher beschriebenen Sachverhalten zusätzlich die Altersstrukturen der einzelnen Städte dar. Aus­gewiesen sind die Jugend- und die Altenquoten, die das Verhältnis der bis 15Jährigen und der mindestens

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65-Jährigen zu den Erwerbsfähigen, das heißt denen zwischen 15 und 64 Jahren, beschreiben. Leipzig und Dresden haben 2006 immer noch die geringste Jugendquote im Vergleich zu den anderen Städten. Dies liegt in den geringen Ge­ burtenzahlen insbesondere in den 1990er Jahren begründet. Die höchsten Jugendquoten haben die Ruhrgebietsstädte Duisburg, Essen und Dortmund vorzuweisen. Hier liegen aber auch die höchsten Altenquoten vor. In diesen Städten ist demnach der Anteil der Erwerbs­ fähigen am geringsten. Zehn der größten Städte verzeichneten 2006 entsprechend des gesamtdeutschen Trends mehr Gestor­bene als Geborene. Dagegen hatten fünf dieser Städte, nämlich München, Köln, Stutt­gart, Frankfurt a. M. und als einzige ostdeutsche Stadt auch Dresden, mehr Geburten als Sterbefälle.

Erstabdruck im Statis­ tischen Quartalsbericht 3/2007 der Stadt Leipzig

Tabelle 1

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Blicke auf die 15 gröSSten deutschen Städte Insgesamt stellte sich 2006 das Pendler­ saldo in allen 15 Ver­gleichs­städten positiv dar. Demnach pendelten mehr Menschen ein als aus – ein für Großstädte nicht untypisches Phänomen. In allen Vergleichsstädten arbeitete der mit Abstand größte Anteil aller Beschäftig­ ten im tertiären Sektor. Der se­ kun­ däre Sektor samt der Industrie war am stärksten in Duisburg ausge­ prägt gefolgt von Bremen und Stuttgart – am schwächs­ten in Berlin, Leipzig und Köln. Leipzig verzeichnete 2006 vor Berlin, Dort­mund, Duisburg und Essen die höchste Arbeitslosen­ quote (bezogen auf alle zivilen Er­werbs­personen). Trotz einer höheren Beschäf­tigtenquote in Leipzig war die Arbeitslosenquote im Vergleich zu den Ruhr­gebietsstädten höher. Dies lässt sich durch den höheren Einpendlerüberschuss in Leipzig erklären.

Tabelle 2

Tabelle 3

In Leipzig als zweitem ostdeutschen Vertreter gab es 2006 mit 8,7 Kindern je 1 000 Einwohnern zwar mehr Geburten als in den vorangegangen Jahren. Aber mit 10,7 je 1  000 Einwohnern starben dennoch mehr Menschen als geboren wurden, so dass erneut ein Geburtendefizit von 2 je 1 000 Einwohner registriert werden musste. Dieses Defizit wurde in Leipzig durch einem Zu­ zugsüberschuss von 9,7 je 1 000 Einwohner kompensiert. Leipzig hatte bei den relativen Wan­derungs­salden den dritt­ höchsten Wert. Nur München und Dresden konnten mit 24,9 bzw. 18,1 noch höhere Zu­zugs­überschüsse je 1 000 Einwohner verzeich­nen. 32

Die hohen Werte in diesen drei Städten sind in nicht geringem Maß auf die Einführung der Zweitwoh­nungs­steuer im Jahr 2006 zurück­zuführen. Die Beschäftigtenquote beschreibt das Ver­ hältnis der sozialversicherungspflichtig Beschäf­tigten am je­weiligen Arbeitsort zur erwerbsfähigen Bevöl­ kerung. Die geringsten Quoten lagen in den Ruhr­ gebiets­städten Dortmund, Essen und Duis­ burg vor, die höchsten in Frankfurt a. M., Düsseldorf und Stuttgart. Es fällt auf, dass in die Städte mit den höchsten Beschäftigtenquoten auch die meisten Menschen je 1 000 Einwohner berufsbedingt einpendeln.

Beim Vergleich der Bruttoinlandsprodukte nach Marktpreisen belegte Leipzig 2005 unter den Ver­gleichsstädten mit 44 280 € je Einwohner den letzten Platz. Die Plätze 13 und 14 nahmen Berlin und Dresden ein. Bezüglich der verfügbaren Einkommen je Ein­ wohner ergibt sich am Tabellenende ein ähn­ liches Bild. Dresden und Berlin lagen auf den Plätzen 13 und 14 gefolgt von Leipzig mit 14 019 € je Ein­wohner und Jahr. In Hamburg und München sowie Düsseldorf und Stuttgart verdienten die Einwohner am meisten. Bei der Betrachtung der Statistik im Fremdenverkehr fällt auf, dass die Ruhrgebietsstädte Duisburg, Essen und Dortmund die wenigsten Ankünfte von Touristen verbuchen konnten. Die selbe Kons­tellation ergibt sich beim Vergleich der Über-

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Der April hat es in sich nachtungen. Spitzenreiter sind jeweils Berlin, München und Hamburg. Eine Erklärung für die hohe Anzahl an Ankünften und Übernachtungen in Frankfurt a. M. lässt sich in der Nähe zum Frankfurter Rhein-MainFlughafen vermuten.

Tabelle 4

Die mit Abstand meisten Studierenden, nämlich 138 595, gab es im Wintersemester 2006/2007 – wie nicht anders zu erwarten – in Berlin. München und Köln belegten in dieser Rangliste mit 87 299 und 73 582 die Plätze zwei und drei. Die wenigsten Studierenden waren in Duisburg eingeschrieben. Bei der Betrachtung der relativen Studierendenzahlen verschiebt sich das Bild allerdings deutlich. Hier führt Dresden mit 79,2 Studierenden je 1 000 Einwohnern die Liste an, gefolgt von Köln mit 74,3 und Leipzig mit 79,2. In Berlin liegt die Zahl der Studierenden je 1 000 Einwohner lediglich bei 40,7. Dies entspricht Platz 13 im Vergleich mit den anderen 14 größten deutschen Städten.

Tabelle 5

Der April hat es in sich Martin Schlegel, Hagen

1. April: Die bayrischen Bischöfe verbieten den Pfarrern jede aktive Teilnahme an liberalen Versammlungen. 5. April: Das erste Länderspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft findet statt. Man verliert in Basel 5:3 gegen die Schweiz. Herbert von Karajan wird geboren.

6. April: Im deutschen Reichstag wird der Gesetzentwurf zum Vereins- und Versammlungsrecht angenommen. Damit dürfen Frauen sich in politischen Vereinen organisieren. 14. April: Das dänische Parlament ändert das Wahlrecht. Ab nun dürfen alle steuerzahlenden Männer und Frauen wäh-

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len, wenn sie 25 Jahre alt sind. 20. April: Das zweite Länderspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft wird in Berlin ausgetragen. Diesmal verliert Deutschland gegen England und zwar 1:5. Das alles ist natürlich 100 Jahre her, geschah im April 1908.

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Mittwoch, 13. April 1983:

Das Bundesverfassungsgericht stoppt die VZ Für den 27. April 1983 war die Volkszählung geplant, exakt 14 Tage vorher wurde sie gestoppt. Ausgesetzt, wie es im Juristendeutsch heißt. Eine Entscheidung, die Vieles verändert hat. Die Reaktionen vor Ort, in den örtlichen Erhebungsstellen waren sehr unterschiedlich. Einige Kollegen kommen hier zu Wort. Sie denken an den Tag zurück, kramen in ihrer Erinnerung und berichten kurz über die damalige Reaktion.

„Sie sind schuld!“ Manfred von Schaewen, Stuttgart Knackpunkt Melde­ registerabgleich

1223 Verfassungs­ beschwerden

13. 4. 1983 Die Katastrophe

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Der Melderegisterabgleich war der entscheidende Knackpunkt für die Entscheidung des BVerfGE am 13.04.1983, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung die Durchführung der Volkszählung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden auszusetzen. Diese Entscheidung traf mich direkt und persönlich, und zwar nicht nur wegen meiner Funktion als Leiter des Statistischen Amtes der Landeshauptstadt Stuttgart, sondern wegen meines mehrjährigen überörtlichen Wirkens, die Zulässigkeit des Melderegisterabgleichs durch eine entsprechende Regelung im VZ-Gesetz 1983 zu erreichen. So habe ich jahrelang beim Statistischen Bundesamt als DST-Beauftragter für die Bevölkerungsstatistiken in den jeweiligen Referentensitzungen die Notwendigkeit des Melderegisterabgleichs begründet und gefordert. In gleicher Weise argumentierte ich gemeinsam mit dem DST und Kollegen bei den Besprechungen im Bundesinnenministerium. Meine Überzeugung war, dass nur mit einem Melderegisterabgleich jeweils die für den Zählungsstichtag

als VZ-Ergebnis festgestellte Einwohnerzahl, die für die Bevölkerungsfortschreibung des Statistischen Landesamts maßgeblich ist, und die nach Auswertung des Bestandes des (in Stuttgart vom Statistischen Amt geführten) zentralen Melderegisters ermittelte Einwohnerzahl cum grano salis in Übereinstimmung gebracht werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen zu können, war mir keine Anstrengung zu viel. Auf die Vorteile für die Führung des Melderegisters, wenn Karteileichen eliminiert und andere Berichtigungsfälle verarbeitet worden sind, insbesondere die von den im neuen Melderecht-Rahmengesetz des Bundes veränderten Begriff der Hauptwohnung ausgelösten Fälle, sei an dieser Stelle nur hingewiesen. Auf diese Aufgaben haben sich die Städte gründlich vorbereitet, wobei der DST im Herbst 1982 durch ein Angebot eines sehr gut besuchten dreitägigen Seminars, das in 5 Städten zwischen Lüneburg und Regensburg jeweils zweimal durchgeführt wurde, wertvolle Hilfe geleistet hat (vgl. DST-Beiträge zur Statistik und Stadtforschung, Reihe H, Heft 23). Gemeinsam mit Herrn Schneider, Nürnberg, hatte ich als Referent u.a. den Part „Abgleich der Einwohnerdatei mit der Volkszählung“.

Die Vorschläge, wie im einzelnen vorzugehen sei und die Arbeit mit ADV-Unterstützung erleichtert werden kann, fand bei den Kommunen bundesweit große Zustimmung. So wurde ich bei diesem kommunalen Anliegen –insbesondere im Statistischen Bundesamt- als die Personifizierung des Melderegisterabgleichs gesehen. Im Rahmen des Widerstands gegen die VZ 1983, der insgesamt zu 1223 Verfassungsbeschwerden geführt hat, meldete zunehmend auch aus BadenWürttemberg die Datenschutzbeauftragte, Frau Dr Ruth Leuze, zu Wort und geißelte insbesondere den Melderegisterabgleich. Sie durfte ihre Argumente auch bei der mündlichen Verhandlung des BVerfGE am 12.04.1983 vortragen. An dieser Verhandlung nahm ich als Zuhörer teil. Die gehörten Fragen der Verfassungsrichter und die gegebenen Antworten und Stellungnahmen Pro und Contra erzeugten ein mulmiges Gefühl und ließen mich stark beunruhigt nach Stuttgart zurückkehren. Der am Folgetag, am 13.04.1983, 14 Tage vor dem Volkszählungsstichtag angeordnete Stopp war für alle Städte und Gemeinden eine Katastrophe. Wir waren mit den Vorbereitungen praktisch fertig. Die Räume waren gemietet, die sog. Oberzähler

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Das Bundesverfassungsgericht stoppt die VZ eingestellt und eingewiesen, die Zählerschulungen in vollem Gange usw.. Für das, was nun unverzüglich neu organisiert werden musste, gab es zumindest in allen Großstädten weitere Erschwernisse. Es wusste ja niemand, wie letztlich das BVerfGE über das VZ-Gesetz 1983 entscheiden würde. Deshalb konnten nicht alle Vorbereitungen einfach makuliert werden. Doch Ruhe, was, wann und wie zu tun ist, gab es nicht. In der aufgeheizten Widerstands-Stimmung wurden z.B. in Stuttgart neben der Verwaltungsspitze der Stadt auch alle leitenden Mitarbeiter des Amtes pausenlos zu Stellungnahmen aufgefordert, so dass ein konzentriertes Arbeiten unmöglich war. Das Los der Volkszählung 1983 ist bekannt. Am 15.12.1983 wurde in Karlsruhe vom BVerfGE das für den Datenschutz und die Statistik so grundlegende Volkszählungsurteil verkündet. Natürlich war ich, wie sehr viele Kollegen vom Statistischen Bundesamt und den Landesämtern, anwesend. Als ich am Ende der Urteilsverkündung bedeppert von dem Gehörten und dem Wissen um die Konsequenzen für die Arbeit im eigenen Amt mich erhob, kamen zwei leitende Kollegen vom Statistischen Bundesamt mit ausgestrechtem Zeigefinger auf mich zu und sagten: „Sie sind schuld!“ Sie meinten natürlich den mit mir personifizierten Melderegisterabgleich. Ich hatte Verständnis für diese Reaktion, war es doch der Melderegisterabgleich, der als verfassungswidrig verboten wurde und maßgeblich die gedankliche Brücke zu dem neuen Begriff der informationellen Selbstbestimmung bildete. Für alle drei Ebenen der Statistik bedeutete das Urteil, für den nächsten

Zensus neu anzufangen. Nach eiliger Rückkehr nach Stuttgart beriet der VDSt-Vorstand in einer vom Vorsitzenden Dr. Hruschka organisierten telefonischen Konferenzschaltung, wie der VDSt auf dieses Urteil reagieren soll.

Schwachstellen beim Datenschutz Horst-Jürgen Wienen, Bochum Die Zählungsdienststelle in der kurz zuvor von der Stadt übernommenen vormaligen Auslieferungshalle eines Möbelhauses war natürlich längst eingerichtet. Materialien aller Art lagen bereit, einschließlich der vom Landesamt gelieferten Bleistifte mit dem Aufdruck „Volkszählung 1983“. Es hätte also richtig losgehen können, wenn das Bundesverfassungsgericht am 13. April 1983 nicht erst einmal alles gestoppt hätte. Gegen 9.00 Uhr hatten der Leiter der Dienststelle und ich begonnen, mit dem Chef der zuständigen Polizeidienststelle über das Sicherungskonzept zu verhandeln; allerdings kamen wir über einen ersten Gedankenaustausch nicht hinaus: Denn kurz nach 10.00 Uhr ging die Stopp-Nachricht aus Karlsruhe über die Sender. Damit war die Besprechung beendet. Der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Städtestatistiker hatte vorausschauend einige Tage zuvor für den späten Vormittag eine Telefonkonferenz mit den Vorstandsmitgliedern vorbereitet, in die ich als Vorstandsmitglied einbezogen war. Sie klappte bestens, sodass in kürzester Zeit die abgestimmte Stellungnahme des Verbandes an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Mehrfach hörte ich sie tagsüber und in der Zeit danach im Chor der Meinungs-

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äußerungen. Erst als später die schriftliche Begründung des Gerichtes vorlag, wurde klar: Es handelte sich bei den beanstandeten Teilen des Volkszählungsgesetzes schwerpunktmäßig um Schwachstellen beim Datenschutz und kaum um Probleme im Bereich der Statistik. Obwohl dies am Tage des Richterspruchs nicht bekannt war, konnte von Frust oder gar Resignation in der Zählungsdienststelle keine Rede sein, eher von der festen Zuversicht, dass der Bundestag das Gesetz umgehend gemäß den richterlichen Vorgaben reparieren und die Volkszählung stattfinden würde – was sich ja bekanntlich als richtig herausgestellt hat.

Weder Frust noch Resignation

Ratlos. „Un nu?“ Gert Nicolini, Leverkusen O je, ist das wirklich schon 25 Jahre her? Kaum zu glauben, aber das schon so weit zurückliegende Datum ist sicher auch der Grund dafür, dass mir der damalige Mittwoch in seinem Ablauf nur noch sehr „schwammig“ in Erinnerung ist, obwohl schon absehbar war, dass ich in Kürze in Leverkusen die Verantwortung für die Kommunalstatistik übernehmen würde, was dann im folgenden August auch geschah. Innerlich war ich – nicht direkt mit der Durchführung der Zählung konfrontiert – also mehr darauf eingestellt, später die Ergebnisse auswerten, analysieren und kommentieren zu dürfen, weniger, das Zählgeschäft „sauber über die Bühne zu bringen“.  Ich erinnere mich, dass die Nachricht aus Karlsruhe, die uns am späten Vormittag erreichte, keine große Überraschung auslöste: Unser „Chef“,

„Sie sind schuld!“

Keine große Überraschung

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Das Bundesverfassungsgericht stoppt die VZ

Geschürte Ängste

Abwicklung des VZ-Büros

Kühles Bonn

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Dr. Otmar Viererbl – viele „alte Hasen“ unseres Verbandes werden sich an ihn erinnern –, hatte die Entscheidung so erwartet und das uns gegenüber auch geäußert. Die Leiterin der Erhebungsstelle allerdings kam dennoch etwas ratlos in sein Büro und drückte ihr Empfinden mit der für solche Situationen typisch rheinischen Reaktion „un nu?“ aus. „Un nu gehen Sie ins Volkszählungsbüro, räumen auf, vernichten, was zu vernichten ist, und nehmen Ihren angestammten Arbeitsplatz wieder ein“ war die kurze Antwort und Anweisung von Dr. Viererbl und in der Tat war eine Woche danach alles vorbei – Volkszählung ade! Meinen Part – die Auswertung der Zählung – durfte ich einige Jahre später – dann allerdings zunächst auch verantwortlich für die Organisation und Durchführung – mit der 87er Zählung erfüllen. Der Zensus 2011 wird wohl erneut an einer entscheidenden Stelle meines beruflichen Werdegangs stehen: Durchaus möglich, dass der Stichtag dieser Zählung mit meinem letztem Arbeitstag als Leiter der Statistikstelle in Leverkusen zusammenfällt – Mitte 2011 gehe ich in den Ruhestand.

diesem Tag aprilmäßig Regen und Sonnenschein im Wechsel schickte. Für mich war eine Welt zusammengebrochen: Die monatelangen – ja jahrelangen (seit 1977) Vorbereitungsarbeiten – insbesondere bei der Gebäudevorerhebung – sie war fast schon gelaufen, die Datenerfassung der Gebäudevorerhebung inclusive von Nichtwohngebäuden, die Zählerbezirkseinteilung, die kleinräumige Gliederungen, die …. Alles war auf einmal für die Katz. Es war damals unvorstellbar, dass ein Gericht ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz zu Fall brachte. Direkt nach der Nachricht berief der Chef eine Besprechung ein, welche Konsequenzen dies dann für die Stadt hat. Es war klar, dass alle im Umfeld erhobenen Daten und Informationen gelöscht werden mussten und Abwicklung des bereits eingerichteten Volkszählungsbüros anstand. Nach der Besprechung mit den Hauptakteuren der Volkszählung gegen 16 Uhr gingen wir alle vorzeitig nach Hause und das Ganze zu „verdauen“.

Alles für die Katz?

Bruno Schmaus, Heidelberg

Klaus Kosack, Bonn

Ich war 1983 wie auch später 1987 der VZ-Leiter in Heidelberg. Eine, wie man sich denken kann, nicht ganz einfache Aufgabe. Mit damals 38 Jahren und als Leiter der Abteilung Stadtstatistik, hatte ich schon viele Höhen und Tiefen, die ein Berufsleben so mit sich bringt, gefeiert oder verschmerzt. Ich war demnach durchaus geeicht, das wochenlange Gerangel im Vorfeld über Sinn und Unsinn einer Volkszählung sto-

Am 13. April 1983 kam gegen Mittag die Nachricht durch, dass das Verfassungsgericht die Zählung 1983 durch einen Urteilsspruch aussetzte. Der Mittwoch war durch und durch ein April-Tag in Bonn: Die Quecksilbersäule stieg nicht über die 9°C- Marke, nachts wurden gar nur 2°C gemessen, es blies ein kräftiger Nordwest- Wind, der an

Dann die Hoch­ zeitsfeier

isch über mich ergehen zu lassen. Man muss noch dazu sagen, dass ich damals wie vier Jahre später die Durchführung der Volkszählung – heute neudeutsch Zensus – befürwortet und die medial lancierten Befürchtungen und geschürten Ängste einfach nicht verstanden habe, wusste ich doch als Soziologe, mit welch einfachen Mitteln die Umfrageforschung in der Lage ist, wesentlich intimere Details aus einem „herauszuholen“. Klar war mir aber auch, dass der damals naive Transport von statistischen Bedürfnissen durch die amtliche Statistik oder von Wohl und  Wehe einer durchgeführten bzw. ausgebliebenen VZ bei der existenten Opposition in den Feuilletons und Teilen der Wissenschaft keinen Anklang in der Bevölkerung fand. Dagegen sein war schick, wurde aktionistisch in Happenings gefeiert. Als VZ-Leiter stand man immer unter Generalverdacht, beim Aufbau eines Blockwarts- und eines polizeilich unterwanderten Datenbanksystems für einen Überwachungsstaat behilflich zu sein. Von vielen wurde ich aber auch nur bemitleidet, für einen Job ausgewählt worden zu sein, den kein anderer noch nicht einmal mit der Pinzette anfassen würde. Wichtig ist, dass mir der damalige Oberbürgermeister – auch in kritischen Situationen – immer den Rücken gestärkt hat. Obwohl meiner Crew – sie umfasste etwa 30 Personen – und mir klar war, dass bei einer negativen Entscheidung alle Aufbauarbeit umsonst sein würde, haben wir – wir konnten gar nicht anders bei der Fülle der zu bewältigenden organisatorischen Aufgaben – kontinuierlich weitergearbeitet als ob nichts wäre.

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Das Bundesverfassungsgericht stoppt die VZ Den 13. April haben wir alle, als die negative Entscheidung verkündet wurde, vor dem Rundfunkempfänger verbracht. Die Reaktionen in der Mann-/Frauschaft darauf waren je nach Mentalität unterschiedlich. Sie reichte von Resignation über das „Fehlurteil“ mit Tränen in den Augen über Frust mit symbolischen „Zertrümmern“ von Zähler-Ordnern bis zur Entscheidung der sofortigen Arbeitsniederlegung, um einen Saufen zu gehen. Zur letzteren Gruppe habe ich gehört. Leider ließ sich auch dort nicht vermeiden, dass Bundesverfassungsgerichtsurteil immer wieder und wieder durchzukauen. Für viele kam die Wiedereingliederung in die Normalverwaltung zu früh, hatte man sich doch auf eine „Bewährungsprobe“ und mindestens ein Jahr Abstand zur Regelhierarchie eingestellt. Nach wenigen Wochen waren aber alle wieder dort. Etwa drei Wochen nach dem Gerichtsurteil haben wir eine zünftige Abschiedsparty gefeiert und uns gegenseitig versichert, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Schon ein dreiviertel Jahr später waren wir zu einer Hochzeitsfeier eingeladen, bei der die Mitgliedschaft im Volkszählungsteam die entscheidende Rolle gespielt hat. Also, zu wenigstens einem spürbaren Erfolg hat die gescheiterte VZ mit sich gebracht.

Start der StatistikVerrechtlichung Raimund Bartella, damals Statistisches Landesamt Bremen Die VZ wurde am 13. April 1983 ausgesetzt. Aber der Schock war nicht so groß, wie man heute immer meint. Ich bin jedenfalls davon ausgegangen,

dass wir mit kleinen Korrekturen davonkommen würden, weil ja die Folgen unabsehbar waren. In Bremen wurde als erster Schritt die Schulung der Zähler eingestellt. Das zusätzliche Personal blieb zunächst, weil wir ja nicht wussten, wie es weitergehen würde. Etwa ein Drittel der AZ Fragebogen lag schon ausgefüllt im StaLa (Voraberhebung aller Mehrbetriebsunternehmen mit deren Zweigstellen/Arbeitsstätten und die großen Einbetriebsunternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten).  Der Schock entstand für mich am 15. 12. 83 oder kurze Zeit später (ich erinnere mich nicht mehr an das genaue Datum), als die endgültige Entscheidung bekannt wurde. Ich erinnere mich nur noch an eine Sitzung, bei der ein Fax verteilt wurde, in dem die Grundzüge der Entscheidung BVerfGE 65,1 dargelegt waren. Jeder einzelne Satz ließ bei mir statistisch-organisatorische Grund­ sätze ins Wanken geraten. Nach der ersten Durchsicht war mir vollkommen klar, dass man nach dieser Entscheidung ohne sog. Hilfsmerkmale (die ja plötzlich zu löschen waren) keine flexible Statistik mehr führen konnte. Die Bevölkerungsstatistik, insbesondere die Feststellung von amtlichen Einwohnerzahlen, wurde unmöglich gemacht. Das spüren wir noch nach 25 Jahren. Das Statistikgeheimnis, das wir immer so hoch gehalten hatten, war zur Makulatur geworden. Jedenfalls reichte es nicht mehr aus, rechtskonform eine anständige Statistik (mit Auskunftspflicht) durchzuführen, es wurden zusätzliche Datenschutzanforderungen gestellt. Das war der Startschuss für eine Verrechtlichung der Statistik, die viel zu viele unserer  Kapazitäten für Jahre gebunden hat.

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Das Groteske ist dabei, dass meines Wissens bis zum heutigen Tage kein Missbrauch von amtlichen statistischen Informationen im Sinne der Verletzung des Statistikgeheimnisse bekannt geworden ist. Was mich verletzte, war das Misstrauen gegenüber den Statistikern, die vom BVerfG nicht als Neutren, sondern als latente Schnüffler betrachtet wurden. Aber im Nachhinein muss ich auch zugeben, dass die Auskunftspflicht gegenüber dem Zähler eine „Schwachstelle“ war. Ich bin überzeugt, dass ohne diese die VZ 83 nicht vom BVerfG gekippt worden wäre, denn der Melderegisterabgleich, der zweite zentrale Punkt der Kritik, ist rechtskonform gestaltbar. Aber damit vertrete ich wohl eine abweichende Meinung.

Bis heute kein Miss­ brauch amtlicher Statistikdaten

Das Misstrauen verletzt

Angespannte Nerven und Marathondebakel Manfred Mischke, Pforzheim Schicksalsergeben führten wir Tag für Tag unsere Volkszählungs-Schulungen durch. Am Morgen des 13. Aprils 1983 waren unsere städtischen Kollegen dran. Rund 50 saßen in den Bänken des Gemeindesaals, nicht wenige voller Hoffnung, dass an diesem Tage die große Erleichterung käme. Begeisterung für den Zensus hegte sicherlich kaum einer mehr. Offener Widerstand schlug uns von unseren städtischen Kollegen allerdings nicht entgegen. Ganz anders die Stimmung bei mir. Die Nerven waren ganz schön gespannt, der an sich recht breite Widerstand gegen die Zählung ließ uns kaum noch in Ruhe, verfolgte uns mehr oder weniger überall.

Einladung zur Hochzeitsfeier

Offener Widerstand

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Das Bundesverfassungsgericht stoppt die VZ

Die Botschaft aus Karlsruhe

Gut zwei Drittel der Schulungsprozedur waren gelaufen, da kam der städtische PresseReferent hereingestürmt und verkündete die Botschaft aus Karlsruhe. Die Stimmung im Saal schlug sofort um, Freude über das Urteil herrschte überall bei den zu Schulenden. Sie hatten fast alle Angst vor der direkten Konfrontation mit der Bürgerschaft gehabt. Natürlich wurde die Schulung sofort abgebrochen, das Schulungsmaterial in große Kartons einfach reingeworfen und dann herrschte erst einmal Ruhe. Kaum einer meiner Kollegen sagte etwas, jeder hielt innere Einkehr. Allmählich kehrte aber auch bei uns eine tiefe Erleichterung ein. Die letzten Wochen waren zu eindrücklich, um die ursprüngliche Identifikation mit dem Projekt Volkszählung aufrechterhalten zu können. Im engsten Kollegenkreis saßen wir in der Mittagspause bei einem Bierchen zusammen. Die Spannung verflog. Bei meinem Frühjahrsmarathon am folgenden Wochenende erlebte ich einen deftigen Einbruch, den einzigen in meiner Aktivenzeit.

Dein Staat, der Bürgeraushor­ cher? Hans-Walter Hülser, Krefeld Volkszähler oder Schnüffler

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Die 80er hatten es in sich. Die kommunalen Statistiker als Experten für Datenerhebung und –auswertung waren mit dem inhaltlichen Frageprogramm der Volkszählung 1983 unzufrieden. Die progressiven Statistikämter, zu denen sich auch die Stadt Krefeld zählte, planten mit der Gebäudeerhebung 1982 einen Vorlauf zur Volkszählung. Die Gebäudeerhebung sollte in Krefeld nicht

nur aktuelle und vollständige Sachdaten liefern, sondern auch Vorbereitung und Organisation der eigentlichen Volkszählung, die für Mai 1983 vorgesehen war, unterstützen und erleichtern. Und das erregte des Volkes Zorn. Das Statistische Amt wusste jetzt nämlich Bescheid. Es wusste, wo jedes Haus steht, wo welche Wohnung oder Unterkunft liegt, wem dies alles gehört. Das Statistische Amt, die Stadtverwaltung und plötzlich auch die Landes- und Bundesverwaltung, sie wussten auf einmal so viel über den Bürger und es sollte mit der Volkszählung noch mehr werden. Täglich wurde es notwendiger und später auch schwieriger darzulegen, warum die Stadt Krefeld bzw. die Kommunen, das Land und der Bund die Daten der Bürger braucht und was sie mit den Daten machen und machen könnten. Die verbesserten Möglichkeiten der EDV schürten die Auseinandersetzungen. Zunehmend hatte der Staat das Image eines Datensammelwütigen, eines Bürgeraushorchers, eines Wolf im Schafspelz. Die Volkszählung sei zum Wohle der Bürger und doch glaubten es viele nicht. Anfang März 1983 waren in Krefeld die Personen rekrutiert, die mit den Volkszählungsfragebögen von Haus zu Haus, von Einwohner zu Einwohner gehen sollten. Im Volksmund hießen sie Volkszähler, bei den Volkszählungsgegnern hießen sie Schnüffler. Die Bevölkerung wurde eingeteilt in die, die nichts zu verbergen hatten und ihre Daten ohne Probleme hergab; zweitens in die, die sich verweigerten und drittens die Schnüffler. Aber in Krefeld gab es offensichtlich ein attraktives Entlohnungssystem für die Volkszähler; denn es gab genügend von ihnen und offen-

sichtlich überwogen die Vorteile die zu erwartenden Nachteile. Und davon gab es genug. Einfallsreich und kreativ waren die Gegner. Haustüraufkleber wie „Betteln, Hausieren und Volkszählen verboten“ waren da harmlos. Am 13. April 1983 war um 10 Uhr eine Zählerschulung angesetzt. Sie war sehr gut besucht. Der Schulungsleiter hatte ausführliches und solides Material für die Volkszähler. Im Volkszählungsbüro, wie es damals hieß, lief das Radio. Halb elf oder um elf kam es dann in den Nachrichten, dass die Volkszählung durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt sei. Als Leiter der Volkszählung 1983 habe ich dann für Krefeld entschieden, dass alle Vorbereitungen eingestellt werden. Ich ging in den Schulungsraum und teilte die Entscheidung allen mit. Die Überraschung war groß. Mir persönlich tat es leid, denn ich habe damals an die Ehrlichkeit des Systems geglaubt. Aus heutiger Sicht war es m.E. eine gute Entscheidung.

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Mikrozensus 2005 bis 2012 – unterjährige Erhebung – online-Ergebnisse

Funktion und Arbeitsweise des Mikrozensus Klaus Kosack, Bonn Der Mikrozensus („kleine Volkszählung“) ist die amtliche Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt in Deutschland. Bereits seit 1957 – in den neuen Ländern (einschließlich Berlin-Ost) seit 1991 – liefert er statistische Informationen in tiefer fachlicher und regionaler Gliederung: über die Bevölkerungsstruktur, die wirtschaftliche und soziale Lage der Bevölkerung, der Familien, Lebensgemeinschaften und Haushalte, die Erwerbstätigkeit, Arbeitsuche, Aus- und Weiterbildung, Wohnverhältnisse und Gesundheit. So liefert er Informationen über wichtige Teilaspekte, die sonst in einer Stadt nicht vorhanden sind. Der Mikrozensus dient dazu, in regelmäßigen und kurzen Abständen Eck- und Strukturdaten über die genannten Erhebungsinhalte sowie deren Veränderung zu ermitteln und dadurch die Datenlücke zwischen zwei Volkszählungen zu füllen. Zu r Erinnerung: Die letzte Volkszählung fand in Westdeutschland 1987 statt; in den neuen Bundesländern gar 1981! Dabei macht die Gestaltung des Mikrozensus als Mehrthemenumfrage eine größere Zahl von sonst notwendigen zusätzlichen Einzelerhebungen entbehrlich. Dies wirkt sich Kosten sparend für die amtliche Statistik aus und trägt aber auch zur Entlastung der Befragten bei. Die Mikrozensusergebnis-

se gehen ein in Regierungsberichte, in das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, bilden die Grundlage für die laufende Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, den jährlichen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung und vieles andere mehr.

Wie wird der Mikrozensus erhoben? Er ist eine dezentrale Statistik. Seine organisatorische und technische Vorbereitung erfolgt im Statistischen Bundesamt, die Durchführung der Befragung und die Aufbereitung der Daten obliegt den Statistischen Landesämtern. Er basiert auf einem zeitlich befristeten Gesetz, dem so genannten Mikrozensusgesetz (MZG), das 2004 novelliert wurde. Durch die neue Rechtsgrundlage wurde der Mikrozensus für die Jahre 2005 bis 2012 methodisch und inhaltlich neu gestaltet. Das neue MZG 2005 ordnet in Paragraph 3 eine unterjährige, kontinuierliche Erhebung an. Bei dieser Erhebungsform wird das gesamte Befragungsvolumen gleichmäßig auf alle Kalenderwochen des Jahres verteilt, wobei die letzte Woche vor der Befragung die Berichtswoche darstellt (so genannte gleitende Berichtswoche). Damit ist es möglich, den Nutzerinnen und Nutzern

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des Mikrozensus neben jährlichen auch vierteljährliche Ergebnisse – also ein deutlich größeres und aktuelleres Informationsangebot mit höherem Aussagehalt – zur Verfügung zu stellen. Das Frageprogramm des Mikrozensus ist hinsichtlich der in den einzelnen Jahren zu erhebenden Tatbestände und Periodizitäten in Paragraph 4 des MZG 2005 festgelegt. Der Auswahlsatz liegt für alle Merkmale einheitlich bei 1% der Bevölkerung. Entsprechend werden im Mikrozensus jährlich rund 390 000 Haushalte in Deutschland mit rund 830 000 Personen befragt. Damit ist der Mikrozensus die größte jährliche Haushaltsbefragung in Europa. Wie schon beim Mikrozensus im Zeitraum 1996 bis 2004 gibt es neben dem jährlichen Grundprogramm eine Reihe von Merkmalen, die nur im Abstand von vier Jahren zu erheben sind (vierjährliche Zusatzprogramme, zum Beispiel Fragen zur Gesundheit). Inhaltliche Neuerungen im Erhebungsprogramm des Mikrozensus ab 2005 bestehen im Wesentlichen in der Aufnahme des neuen Themenkomplexes „Migration und Integration“. Die zugehörigen Fragen werden teils jährlich, teils vierjährlich gestellt. Im Bereich „Bildung“ werden erstmals die Fachrichtung des höchsten beruflichen Abschlusses und die Art des beruflichen Abschlusses neben einem Hoch-

Kleine VZ

1%-Stichprobe

Größte Haushalts­ befragung in Europa

Neu: Migration und Integration

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Funktion und Arbeitsweise des Mikrozensus

4% verweigern die Auskunft

Ergebnisse bis zur Kreisebene

schulabschluss erfragt. Um die Belastung der Befragten nicht zu erhöhen, wurden im Gegenzug einige Merkmale aus dem Frageprogramm des Mikrozensus gestrichen (unter anderem Eheschließungsjahr, gegenwärtiger Besuch von Kindergarten, -krippe, -hort, normalerweise und tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit in Tagen, Pflegebedürftigkeit, Betriebswechsel). Der Mikrozensus ist eine Zufallsstichprobe, bei der alle Haushalte die gleiche Auswahlwahrscheinlichkeit haben. Dazu werden aus dem Bundesgebiet Flächen (Auswahlbezirke) ausgewählt, in denen alle Haushalte und Personen befragt werden (einstufige Klumpenstichprobe). Ein Viertel aller in der Stichprobe enthaltenen Haushalte (beziehungsweise Auswahlbezirke) werden jährlich ausgetauscht. Folglich bleibt jeder Haushalt vier Jahre in der Stichprobe (Verfahren der partiellen Rotation). Im Mikrozensus kommen verschiedene Erhebungsinst-

rumente zum Einsatz: Hauptsächlich soll per Interviewer die Daten erhoben werden, schriftliche Auskünfte sind ebenfalls möglich. Die Verweigerungsquote liegt bei etwa 4 Prozent.

Wo sind die Ergebnisse? Quartalsergebnisse stehen rund drei Monate nach Quartalsende und Jahresergebnisse rund fünf Monate nach Abschluss eines Erhebungsjahres zur Verfügung. Sie werden vom Statistischen Bundesamt für Deutschland z. T. auch online veröffentlicht. Interessanter für die Städte sind die vielfältigen Veröffentlichungen der Landesämter, die neuerdings bis herunter auf Kreisebene Daten veröffentlichen. Dabei ist das von Land zu Land doch sehr unterschiedlich: Einige Länder, wie z. B. Brandenburg, veröffentlichen schon seit Jahren Kreisergebnisse, andere halten sich zurück und geben nur Landesergebnisse bekannt.

Auf der regionalen Ebene hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben: So hat das statistische Bundesamt ein Verfahren entwickelt, dass es grundsätzlich erlaubt, auch regionale Ergebnisse auf Kreisebene zu ermitteln. Dieses Verfahren wird aber noch nicht in allen Bundesländern eingesetzt. Bekannt waren die Auswertungen auf der Ebene der 201 Anpassungsschichten in Deutschland, die ja schon seit den 90er Jahren bekannt sind. Die Sache hatte jedoch einen Haken: nur größere Kreise (ab etwa 300.000 Einwohner) und kreisfrei Städte ab etwa 250.000 Einwohner kamen in den Genuss eine eigene Anpassungsschicht zu bilden. Die Mehrzahl der Städte zum Beispiel in NRW (15 von 23) sind mit einem Umlandkreis zu einer Anpassungsschicht vereinigt worden. Weitere Informationen zum Thema liefern die Internetseiten der Statistischen Landesämter und des Bundesamtes.

Über Statistik: Eine Statistik darf kein Oberjammer-GAU sein

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Vielzweckinstrument Monitoring: Informieren und dokumentieren

Monitoring als kommunal­ statistische Aufgabe Britta Dollinger, Wiesbaden Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine Zusammenfassung des Vortrags „Rea­lisierungsstufen eines kommunalstatistischen Monitorings – Konzept und das Beispiel Integrationsmonitoring“ gehalten bei der Statistischen Woche in Kiel im September 2007. Die (Dauer-)Beobachtung gesellschaftlicher Entwicklungen ist nicht neu. Bekannt sind die Beobachtungsansätze zur Messung der Wohlfahrt anhand ökonomischer Leistungsindikatoren oder der Lebensqualität mit Hilfe sozialer Indikatoren. Obwohl sich die hochgesteckten Ziele der Sozialindikatorenbewegung nicht realisiert haben, hat diese Bewegung doch dazu geführt, dass Monitoringansätze zur Beschreibung von Wohlfahrt und sozialem Wandel etabliert wurden. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der vom statistischen Bundesamt herausgegebene Datenreport – ein Gemeinschaftsprodukt von amtlicher Statistik und wissenschaftlicher Sozialforschung. Ein weiteres Beispiel von Entwicklungsbeobachtung stellt das vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bereitgestellte Raumbeobachtungssystem dar. Also nichts Neues, business as usual auf kommunaler Ebene? – Nicht ganz. Die These ist: Monitoringansätze erleben vor allem in der öffentlichen Administration nicht

nur eine Revitalisierung, sondern auch einen Bedeutungszuwachs aufgrund bestimmter sozio‑ökonomischer Rahmenbedingungen. Anzuführen ist zum einen die zunehmende Flexibilisierung und Dezentralisierung von Planungsentscheidungen etwa durch Public Private Partnership (PPP) und zum anderen der Einzug von betriebswirtschaftlichem Gedankengut und Managementverfahren in die Administration – meist im Rahmen der Verwaltungsreform. Beide Sachverhalte schufen einen Bedarf an strategischen Informations- und Controllingansätzen und führten insofern zu einem Bedeutungszuwachs von Monitoring, als neben der reinen Informationsbereitstellung, die auf eine längerfristige Beobachtung ausgerichtet ist, die Steuerungsintention hinzu kam. Ganz allgemein lässt sich festhalten: „Monitoring verfolgt das Ziel, durch die Erfassung, Darstellung und Interpretation von Entwicklungstrends und -zuständen planerische und politische Prozesse sowie Entscheidungen zu begleiten und zu fundieren. Im Mittelpunkt steht die systematische Informationsbereitstellung durch die Dokumentation von Veränderungen und Entwicklungsmustern“.1 Gleichzeitig hat sich in der Praxis der Anspruch an Rolle und Funktion von „Monitoring“ konkretisiert und diversifiziert. Denn

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mehrere Schlüsselfunktionen kennzeichnen das Verständnis von Monitoring. Es lassen sich unterscheiden die: − Informationsfunktion − Objektivierungsfunktion − Sensibilisierungsfunktion − Frühwarnfunktion − Controllingfunktion und − Evaluationsfunktion. Ein Monitoring ist damit eine „Vielzweckeinrichtung“, die un­ter­schiedliche Funktionen erfüllen kann und dies macht auch den Bedeutungszuwachs dieser Berichtsmethode aus. Die bisher in Wiesbaden erarbeiteten Monitoringansätze − zur sozialen Siedlungsentwicklung, − zur Integration von Migranten, − zum demographischen Wan­ del, − zum Wohnungsmarkt, − zu Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung und − zur Bildungsbeteiligung nehmen aufgrund der Genese und Weiterentwicklung verschiedene Funktionen wahr. Zur Illustration dieses Sachverhaltes sollen zwei Ansätze näher dargestellt werden: Das Monitoring zur sozialen Siedlungsentwicklung und das Integrationsmonitoring.

Monitoringfunktionen

Monitoringdefinition

Monitoring zur sozialen Siedlungs­ entwicklung Anstoß für die Entwicklung des Monitorings zur sozialen 41


Monitoring als kommunal­statistische Aufgabe

Strukturelle, ...

kulturelle, ...

soziale und ...

identifikatorische Integration

Siedlungsentwicklung war die öffentliche Problematisierung der sozialen Situation in einzelnen Wohngebieten. Es bestand die Gefahr der Stigmatisierung insbesondere von Quartieren des sozialen Wohnungsbaus. Darum sollte den „… dramatisierenden Zuschreibungen und subjektiv‑selektiven Wahrnehmungen eine professionelle objektive Sichtweise gegenübergestellt“ werden2. Die Zielsetzung lautete: Objektive Analyse der sozialräumlichen Problem- und Risikokonstellationen mit Hilfe geeigneter Indikatoren. In einem ersten Schritt wurden die Wohngebiete identifiziert und abgegrenzt, die in der Öffentlichkeit oder bei Experten aus Planung und sozialen Diensten als problem- bzw. risikobehaftet angesehen wurden. Zur Abbildung potenzieller Problemlagen kristallisierten sich sechs Beobachtungsdimensionen mit insgesamt 36 Indikatoren heraus. Ohne auf die einzelnen Indikatoren eingehen zu wollen3, lassen sich folgende Beobachtungsdimensionen nennen: − riskante biographische Lagen − Fluktuation / Wohndauer − Erwerbsausschluss / Arbeits­ losigkeit − ethnische Segregation − Siedlungsbedingungen und − administrative Intervention. Als Ergebnis dieses Beobachtungsansatzes lässt sich festhalten: die objektive Diagnose stimmt nicht immer mit der öffentlichen Meinung überein. So ist der Grad der öffentlichen Problematisierung einzelner Quartiere kein hinreichender Hinweis auf das Ausmaß struktureller sozialer Risikolagen. Auch konnten Wohnquartiere identifiziert werden, die viel stabiler sind als ihr Ruf, aber auch Wohnquartiere, die in ih-

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rer Problemkonstellation bisher eher unterschätzt wurden. Durch die Aktualisierung bzw. Fortschreibung der Indikatoren erhält man nicht nur Kenntnis über die Entwicklung in den einzelnen Quartieren, sondern kann auch die potentiellen Auf- und Abstiegsprozesse in der Positionierung der Quartiere untereinander erfassen. Damit ist die Schaffung eines analytischen / objektiven „Sensoriums“ für das Stadtteilmanagement gegeben.

Monitoring zur Integration von Migranten Der Anlass, ein Monitoring zur Integration von Migranten zu entwickeln, war der kommunalpolitische Beschluss zur Erstellung eines Integrationskonzeptes, das ausdrücklich das Element der Integrationsberichterstattung mit einschließen sollte. Das Monitoring hatte die Aufgabe das Wiesbadener Verständnis von Integration wiederzuspiegeln, nämlich als einen „… dauerhaften Prozess der Eingliederung von Zuwanderern und Menschen mit Migrationshintergrund in die Aufnahmegesellschaft sowie die Angleichung ihrer Lebenslagen ohne Aufgabe der jeweils eigenen kulturellen Identität“4. Dieses komplexe Konstrukt erforderte einerseits einen methodischen Ansatz zur Identifizierung der Personen mit Migrationshintergrund und die Bildung von Vergleichsgruppen, zum anderen eine Strukturierung des Integrationsprozesses in die vier Teilbereiche: − strukturelle Integration − kulturelle Integration − soziale Integration und − identifikatorische Integration. Jedem gesellschaftlichen Teil-

bereich des Integrationsprozesses wurden Beobachtungsdimensionen mit entsprechenden Indikatoren zugeordnet. Der Bereich der strukturel­ len Integration als Eingliederung der Migranten in die Kerninstitutionen der Aufnahmegesellschaft unterscheidet die folgenden Beobachtungsdimensionen (mit insgesamt 12 Indikatoren): − rechtliche Integration − Integration in … − das Bildungssystem − den Arbeitsmarkt und − den Wohnungsmarkt. Der Teilbereich kulturelle Inte­gration im Sinne von Werteannäherung, Spracherwerb und Affinitäten im Gesundheitsverhalten versucht in diesen Beobachtungsdimensionen mit fünf Indikatoren auszukommen. Der Bereich der sozialen In­ tegration als Eingliederung in private Sphären der Aufnahmegesellschaft gliedert sich in die Beobachtungsdimensionen − Aufenthaltsdauer − multikulturelles Zusammenleben und − Sozialkontakte zwischen Deutschen und Ausländern mit insgesamt 8 Indikatoren. Last but not least wird die identifikatorische Inte­gra­­ tion, bei der es um das Zu­ge­ hörigkeitsgefühl geht, über die Beobachtungsdimension Einbürgerungen gemessen. Als Ergebnis dieses Ansatzes lässt sich festhalten: Das Integrationsmonitoring mit insgesamt 26 Indikatoren − stellt inzwischen einen integralen Bestandteil des jährlich den politischen Akteuren vorzulegenden Lageberichts dar. − Durch die programmatische Schwerpunktsetzung kom-

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Monitoring als kommunal­statistische Aufgabe men weitere Beobachtungsdimensionen hinzu. − Der Zielsetzung entsprechend – den Stand des Integrationsprozesses, eingetretene Veränderungen regelmäßig anzuzeigen und zu überprüfen – nimmt dieses Monitoring eine strategi­ sche Controllingfunk­ tion wahr. Auch die weiteren, hier nicht näher erläuterten Wiesbadener Monitoringansätze5 nehmen aufgrund der Genese bzw. des Erarbeitungszusammenhangs unterschiedliche Funktionen wahr. Dies wird deutlich, blickt man auf die Schlüsselfunktionen, die ein Monitoring als Vielzweckeinrichtung einnehmen kann. Wird zugleich der Steuerungsgedanke mit einbezogen, dann ergibt sich obenstehendes Bild. Das Monitoring … − zur Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung übt zurzeit eine reine Informationsfunktion aus. − zur sozialen Siedlungsentwicklung hat eine Objektivierungsfunktion inne. − zum demographischen Wandel soll Verwaltung und Kommunalpolitik sensibilisieren, gerade vor dem Hintergrund, dass die demographischen Veränderungen in Wiesbaden eher schleichend sind und bis 2020 nicht gravierend (z. B. Bevölkerungsschrumpfung) zu sein scheinen. − zum Wohnungsmarkt nimmt aufgrund seines Zuschnitts auf Nachfrager geringeren Einkommens für das Wohnungsamt eine Frühwarnfunktion wahr. Das Integrationsmonitoring wie das Monitoring zur Bildungsbeteiligung üben eine

strategischeCon­ trollingfunktion aus, denn beide Monitoringansätze beziehen sich auf längerfristige und strategische Ziel­ setzungen. Beim Integrationsmonitoring geht es um die Überwachung der Eingliederung der Zuwanderer und Personen mit Migrationshintergrund in die Aufnahmegesell­ schaft und der Angleichung der Lebenslagen. Das Monitoring zur Bildungsbeteiligung hat nicht nur die weitere Entwicklung der Bildungsbeteiligung im Zeitverlauf zu verfolgen, in dem es den jeweils aktuellen Stand der Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen dokumentiert und die Fortwie auch Rückschritte in der Bildungsbeteiligung belegt, sondern auch das Bildungsverhalten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen (Kriterien: Geschlecht, Deutsche, Ausländer und Migranten, zukünftig: Schichtzugehörigkeit) auf Annäherung zu überprüfen. Anhand des Schaubildes wird deutlich, dass die Wiesbadener Monitoringansätze die prägnanteste Form oder Funktion von Monitoring noch nicht erreicht haben: nämlich die Evaluationsfunktion. Damit ist auch noch nicht die höchste Stufe der Steuerungsintensität gegeben. Ein Monitoring mit Evaluationsfunktion zielt auf Vollzugsund Wirkungskontrollen konkreter Maßnahmen und operativer Planungen. Ein Monitoring mit einer solchen Funktion hat die Effekte, die durch ein

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Programm, eine Planung oder Maßnahme erzielt oder erwartet werden, zu erfassen und zu bewerten. Natürlich sind mit dieser Funktion erhebliche messtechnische Probleme verbunden, etwa ob die Wirkung, ob die Zielerreichung, der Erfolg kausalanalytisch wirklich auf die operative Planung oder Maßnahme zurückzuführen ist. Dennoch muss es das Bestreben der Kommunalstatistik sein, auch Monitorings mit der prägnantesten Funktion, der Evaluationsfunktion zu erarbeiten. Nicht zuletzt würde sich mit einem solchen Ansatz, mit dieser Berichtsart vor allem auch der Gebrauchswert von Kommunalstatistik erhöhen.

Messtechnische Probleme

Anmerkungen 1

Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung, Hannover 2005, S. 668 2 vgl. Aufbau eines Monitoringsystems zur sozialen Siedlungsentwicklung in Wiesbaden, Statistische Berichte 2/2001, S. 2 3 siehe Fußnote 2. 4 vgl. Integrationskonzept für die Landeshauptstadt Wiesbaden, Februar 2004. S. 7 5 siehe www.wiesbaden.de/statistik

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Einheitliche kleinräumige Gliederung für die Fachplanungen

Flächendeckende LORs in Berlin Hartmut Bömermann, Berlin

LOR: Lebensweltlich orientierter Raum

Homogenität kaum zu erreichen

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Das Abgeordnetenhaus von Berlin erteilte im Juli 2004 dem Senat den Auftrag „Planungs­ räume für Fachplanungen in Berlin zu vereinheitlichen“. Die fachliche Prüfung ergab, dass die vorhandene hierarchische Raum­gliederung mit den Ebenen Statistische Gebiete, Verkehrszellen und Teilver­ kehrszellen und die Planungs- bzw. Sozialräume der Ju­ gendhilfeplanung nicht vereinheitlicht werden können. Ursächlich hierfür sind unter­schied­lichen Anforderungen, die von den Fachverwaltungen an den Verlauf der Raumgrenzen gestellt werden. Während in Verkehrszellen die Haupt­verkehrsstrassen und Kreu­zungen in die Raummitte genommen werden, grenzen Verkehrswege sozial unterschiedliche Gebiete oft­ mals voneinander ab. Als Lösung wurde die Bildung einer neuen lebensweltlich orientierter Raum­g liederungshierarchie vor­ geschlagen, die ebenso Bestandteil des Regionalen Bezugssystems (RBS) des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg werden sollte, damit die künftige Bereit­stel­lung von statistischen Daten möglich ist. Die Etablierung einer neuen Raum­ hierarchie trägt dem rapiden Wandel der Stadt Rechnung und ermöglicht zum einen die zeit­liche Fortschreibung grundlegender kleinräumiger Indikatoren (Ein­wohner­ daten für Statistische Gebiete gibt es seit 1950) und die größere Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Berichten und Berichts­systemen auf der

Basis der lebensweltlich orientierten Räume. Für die Durch­ führung des Abstimmungsprozesses zwischen den Fach­ verwaltungen auf Landes- und Bezirksebene wurde ein Quer­ schnitts­­projekt eingerichtet.1 Im August 2006 konnte der Entwicklungsprozess einer neuen Raum­ hierarchie erfolgreich mit einem Senats­beschluss abgeschlossen wer­den.

Kriterien für die Abgrenzung Um die neuen lebensweltlich orientierten Räume (LOR) inhaltlich und technisch-for­ mal näher zu bestimmen, wurden mehrere Kriterien vorgegeben:2 1. homogene Binnenstruktur; 2. Einteilungen für die 1., 2. und 3. Ebene der Raumhierarchie müssen gemacht wer­ den; 3. vergleichbare Planungsraumebenen zwischen den Bezirken; 4. einheitliche Bezeichnungen der drei Raumebenen; 5. keine innenliegenden Räume (Enklaven) und keine Räume, die aus Teil­flächen bestehen; 6. keine Schneidung von statistischen Blöcken und eine 7. Gültigkeitsdauer von ca. 20 Jahren. Die Homogenitätsforderung zielt auf gleiche oder ähnliche sozialökonomische Le­bens­ lagen in einem entsprechend abzugrenzenden Areal. In einem ersten Über­setzungs­schritt von der inhaltlich begründeten Forderung zur statistischen

Mes­ sung wurden folgende Bereiche potenzieller Bestimmungsfaktoren ge­nannt, die in die Iden­ti­fizierung der Räume eingehen sollten: − Einwohner- und Sozialstruktur sowie − Milieubildung bzw. subjektive Selbstwahrnehmung der Bewohner. Die Operationalisierung der Homogenitätsforderung erwies sich mit quantitativen Rüstzeug schnell als praktisch kaum lösbar, da nur wenige adressbezogene Daten verfügbar waren, die gerade Voraussetzung für variable Raumzuschnitte sind. Zur Verfügung standen aber: − demographische Daten in jeder Raumauflösung und − topographischer Informationen. Ausgehend von der Beobachtung, dass homogene Gebiete häufig durch strukturelle Barrieren abgegrenzt sind, die die Wegebeziehungen und die Wohnqualität beeinflussen, wie Hauptverkehrsstraßen, Bahn­­trassen, Wasserwege, Waldgebiete und Grünflächen, Gewerbegebiete, Verkehrsflächen oder die Umgrenzung historischer Ortskerne, spielen topographische Informationen eine ganz wesentliche Rolle. Um eine Vergleichbarkeit zwischen den Untergliederungen in den Bezirken zu bekommen, wurde die Anzahl der Ebenen und ein Korridor für die Einwohnerzahl je Raumeinheit vorgegeben. Die untere Ebene, der Planungsraum, sollte mindestens 2 000 bis maximal

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Flächendeckende LORs in Berlin 20 000 Einwohner haben; die Gesamtstadt sollte in 350 dieser Räume gegliedert werden. (Tab. 1) Als weiteres wichtiges Kriterium wurde ein Lebenszyklus von 20 Jahren für die neuen Räume in den Abstimmungsprozess eingebracht. Vermieden werden sollte damit die Bildung von ad-hoc-Raumzuschnitten, da jede Grenzänderung entweder, bei kleine­ ren Korrekturen, zu Fußnoten führt oder sogar umfangreiche Daten­auf­bereitungen nach sich zieht, um durch Neureferenzierung älterer Daten Vergleiche über die Zeit zu ermöglichen (soweit dies überhaupt möglich ist).

Flächen, bewohnte Adressen sind hier die Ausnahme. Da das Stadtgebiet flächendeckend in LORs eingeteilt wurde, ergeben sich zwangs­läufig „Restflächen“, die aber unter dem Gesichtspunkt der Lebensweltorientierung nicht mit anderen fusioniert werden können. Das Hauptaugenmerk gilt zur Zeit der Datenbereitstellung für die neuen LORs, denn nur so werden sie eine breite Akzeptanz finden. Zwei neu erschienene Berichte arbeiten bereits mit den LORs, und zwar der „Krebsatlas Berlin 20022004“3 und der Spezialbericht „Basisdaten zur gesundheitlichen und sozialen Lage von Kindern in Berlin“4.

Tabelle 1: Orientierungsgrößen für die Bildung der lebensweltlich orientierten Räume

Tabelle 2: Einwohner in lebensweltlich orientierten Räumen

Abbildung 1: Planungsräume nach Einwohnerzahl

Überprüfung der Raumzuschnitte Die Zielerreichung der mit qualitativen Instrumenten definierten Raum­zuschnitte lässt sich mit quantitativen Mitteln zur Zeit noch nicht vollständig überprüfen. Zu­mindest bei den Vorgaben für die zwischenbezirkliche Vergleichbarkeit ist es aber leicht möglich. Statt der geforderten Mindestgröße von 2 000 Einwohnern hat der kleinste Planungsraum nur neun Einwohner. Abbildung 1 zeigt die Verteilung der Planungsräume über die Einwohnergrößenklassen. Dem Säulendiagramm und dem eingezeichneten Boxplot kann entnommen werden, dass die überwiegende Zahl der Planungsräume sich im vorgegebenen Korridor bewegen, aber für 43 (9,6 %) gilt dies nicht, sie sind teilweise deutlich kleiner. Abbildung 2 soll die Ursachen hierfür verdeutlichen. Jedes Punktsymbol in der Karte bezeichnet eine bewohnte Adresse; manche Planungsräume sind sehr dicht bewohnt, andere umfassen Grünflächen, Gewässer oder gewerbliche

Anmerkungen

1 Näheres zur Durchführung des Projektes: Hartmut Bömermann / Susanne Jahn / Kurt Nelius: „Lebensweltlich orientierte Räume im Regionalen Bezugssystem (Teil 1). Werkstattbericht zum Projekt „Vereinheitlichung von Planungsräumen“; Monatsschrift des Sta­ tistischen Landesamtes Berlin, H. 8, 2006, S. 366-371, URL: http://www.statistik-berlin.de/aktuell/ms/ms2006/aufsatz0608.pdf (Stand 4.10.2007).

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2 Vergl. auch „Sozialraumorientierung in der Berliner Jugendhilfe“; Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, URL: https:// www.berlin.de/imperia/md/content/sen-jugend/jugendpolitik/sozialraumorientierung/sozialraumorientierung_positionspapier.pdf (Stand 4.10.2007) 3 Krebsatlas Berlin 2002-2004 (hrsgg. vom Gemeinsamen Krebs­ register der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom-

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Zahl des Jahres 2007: 55 555 mern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen); URL: http://www.berlin.de/ imperia/md/content/gkr/publikationen/weitere/krebsatlas_berlin_ 2002_2004.pdf (Stand 4.10.2007) 4 Basisdaten zur gesundheitlichen und sozialen Lage von Kindern in Berlin, Gesundheitsberichterstattung Berlin, Spezialbericht 2007; Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz; URL: http://www.berlin. de/imperia/md/content/sen-statistik-gessoz/gesundheit/spezialberichte/esu07_netz.pdf (Stand 4.10.2007).

Abbildung 2: Verteilung bewohnter Adressen in Planungsräumen

Die genormte Gesellschaft? – Bürokratieabbau?

Zahl des Jahres 2007: 55 555 Martin Schlegel, Hagen Die Zahl des Jahres zu beschließen, gehört in der Redaktion zu den angenehmen Tätigkeiten. Es liegen ein paar Zahlen auf dem Tisch und anders als bei der Artikelauswahl tut man niemandem weh, wenn man sich gegen diese und für jene entscheidet. Diesmal waren wir uns nach ausgesprochen kurzer Debatte einig: 55 555 ist die Zahl des Jahres 2007. Hierbei handelt es sich um die Menge der Einzelnormen, die in den 1817 geltenden Bundesgesetzen enthalten sind. Dazu addieren sich noch 2728 Rechtsverordnungen mit weiteren 44 689 Einzelnormen. Angesichts der Tatsache, dass auf Landes- und Gemeinde46

ebene zusätzliche Normen hinzukommen, ist von einer hohen Regelungsdichte, einer genormten Gesellschaft zu sprechen. Deswegen möchte die Redaktion die Zahl 55 555 in den Focus rücken. Bei der Unmenge der vorhandenen Normen ist es dringend geboten, nicht nur über sie nachzudenken, sondern ihren jeweiligen Sinn zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang ist es erfreulich, dass die Bundesregierung im April 2006 ein Programm zum Bürokratieabbau eingeleitet hat. Auch auf EU-Ebene wurde das Problem überdimensionierter Vorschriften erkannt und Herr Stoiber bemüht sich, den Bürokratiedschungel zu durchforsten.

Die o.g. Daten gelten für den Stichtag 24. September 2007. Sie stammen aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag (Drucksache 16/6493). Der Antwort der Bundesregierung ist auch zu entnehmen, dass in dieser Legislaturperiode bislang 285 Gesetze verabschiedet und 288 aufgehoben wurden. Mit den neuen Gesetzen traten 861 Rechtsverordnungen in Kraft, mit den aufgehobenen Gesetzen verabschiedete man sich von 787 Rechtsverordnungen. Über die Zahl der in und außer Kraft getretenen Einzelnormen lässt sich die Antwort der Bundesregierung nicht aus.

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NRW: Statistik auf Gemeindeebene – Methode und Ergeb­ nisse

Einkommen und Arbeitsplätze Marco Scharmer, Düsseldorf

Die Verfügbarkeit kleinräumiger Angaben zum Einkommen von privaten Haushalten1 nimmt im laufenden Datenprogramm der regionalen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechungen (VGR) eine wichtige Stelle ein. Für viele Unternehmen geben diese Angaben unverzichtbare Informationen zur Standortwahl, zur Umsatzund Absatzplanung sowie zur Preispolitik. Daneben dienen die Einkommensangaben der Wirtschafts-, Struktur- und Regionalpolitik auch als maßgeblicher Indikator für den monetären Wohlstand einer Region. So ermöglicht ein Vergleich des verfügbaren Einkommens z. B. Aussagen zur regionalen Ein­ kommensstruktur, zu Umverteilungs- und Wohlstandseffekten sowie mittelbar auch zur lokalen Kaufkraft.2 Im vorliegenden Beitrag werden die kleinräumigen Berechnungsergebnisse der privaten Einkommen für das Jahr 2004 näher betrachtet. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die zum Teil bemerkenswerten Niveauunterschiede der Gemeindeergebnisse gelegt, insbesondere zwischen den wirtschaftlichen Kernregionen und deren Umland.

Datenbedarf der Statistiknutzer Die regionalen VGR-Ergebnisse für Bundesländer werden in Deutschland vom Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ (AK VGR d L), dem alle Statisti-

schen Landesämter angehören, arbeitsteilig berechnet. Für die Bundesländer sind die einzelnen Komponenten der Einkommensverteilung und Einkommensumverteilung gut darstellbar, für die Kreisebene ist dieses aber nur eingeschränkt möglich. Das Datenprogramm nimmt also mit der regionalen und fachlichen Aufgliederung an Tiefe ab. Der Grund hierfür liegt in den unvollständig vorhandenen statisti­ schen Informationen, insbesondere für kleinräumige Güter- und für die hier im Focus stehenden Geldströme. Dieser Mangel wiegt umso schwerer, da diesen Strömen gerade in der tieferen regionalen Gliederungsebene ein größe­res Gewicht zu­kommt, als es beispielsweise auf der nationalen Ebene der Fall ist.3 Unter interregionalen Geldströmen werden hier vor allem die Einkom­mens- und Finanz­ transfers über die jeweiligen Grenzen der Regionen hinweg verstanden. In den wirtschaftlichen Kernregionen werden Güter und Dienstleistungen produziert, deren Gegenwert fließt aber vielfach auch Einwohnern in anderen Regionen als Arbeitnehmerentgelt, Gewinne und Vermögenseinkommen zu. Hier fallen die Einkommensentstehung am Arbeitsort und die durch staatliche Umverteilungsmaßnahmen überlagerte Einkommensverteilung am Wohnort auseinander. Grundsätz­ lich ist der Anteil des Saldos dieser interregionalen Finanztransaktionen am Volkseinkommen umso größer,

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je kleiner die Gebietseinheit ist. Dieser Zusammenhang ist in den eng ver­flochtenen Wirt­ schafts- und Arbeitsmarktregionen Nordrhein-Westfalens sehr stark ausgeprägt, worauf im Weiteren noch eingegangen wird.4 Aus dem mit zunehmender Regionalisierung abnehmenden Datenprogramm folgt nicht nur, dass für kleinere Gebietseinheiten i. d. R. weniger oder weniger tief gegliederte Merkmale zur Ver­fügung stehen, sondern diesen Ergebnissen meist auch eine geringere Genauigkeit zu­ kommt, als es bei den Ergebnissen größerer Regionen der Fall ist.5 Eine abschließende Beurteilung der Ergebnisplausibilität für die Schätzung der Einkom­ mensmerkmale in den Gemeinden, z. B. anhand der Streuung zueinander oder der zeitlichen Stabilität der Anteile am Land über mehrere Berichtsjahre, kann erst nach Vorliegen weiterer Berichtsjahre vorgenommen werden. Da das Primäreinkommen und vor allem das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte als Maß für die Beurteilung der materiellen Lebensverhältnisse und mittelbar für den Wohlstand einer Region dienen, werden durch den Arbeitskreis VGR der Län­ der auch unterhalb der Ebene von Bundes­ ländern Einkommensergebnisse berechnet. Die Regionalisierung dieser Angaben beschränkte sich bislang auf die Ebene der kreisfreien Städte und Kreise. Für kreisangehörige Gemeinden verblieb

Kleinere Gebiete – weniger Daten

Bislang: Keine Daten für kreisangehörige Städte

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Einkommen und Arbeitsplätze

Inlands- und Inländer­konzept

Das Arbeitnehmerentgelt stellt 67% des Primäreinkommens

Ergebnisse auf Gemeindeebene

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somit eine Datenlücke. Dabei erwies es sich gerade in NRW für zahlreiche Fragestellungen als hinderlich, dass zwar für die kreisfreien Städte Einzelergebnisse zur Verfügung standen, für die kreisangehörigen Gemeinden jedoch nur auf Kreisebene aggregierte Angaben. Die Verwaltungsgliederungen der Bundesländer unterscheiden sich jedoch erheblich. Das Land NRW zählt mit über 18 Mill. Einwohnern und damit etwa 22 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung nur 396 kreisfreie Städte bzw. kreisangehörige Gemeinden; darunter 30 Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern. Selbst unter den 373 kreisangehörigen Kommunen finden sich noch sieben Großstädte und weitere 47 Städte mit mehr als 50 000 Einwohnern. Die durchschnittliche Einwohnerzahl der kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Land NRW beträgt rund 45 500 Einwohner. Verglichen mit der durchschnittlichen Gemeindegröße in Deutschland (etwa 8 000 Einwohner) besitzen die nordrhein-westfälischen Gemeinden als administrative Einheiten häufig Einwohnerzahlen, die in anderen Bundesländern durchaus Kreise aufweisen. Somit wiegt hier die bisherige Informationslücke besonders schwer. Wie die nun vorgelegten Resultate auf Gemeindeebene belegen, weichen auch innerhalb eines Kreises die Ergebnisse der Gemeinden teilweise beträchtlich voneinander ab. Für zahlreiche Unternehmen sowie für die Wirtschafts-, Strukturund Regionalpolitik sind aber regional tief gegliederte Informationen über das Einkommenspotential, die materiellen Lebensverhältnisse und die Beurteilung der staatlich induzierten Wohlstandseffekte von

großer Bedeutung. Der Daten­ bedarf der Statistikkonsumenten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft hat das LDS NRW veranlasst, auch für die Gemeinden des Landes Ergebnisse zum Einkommen der pri­ vaten Haushalte zu berechnen.

Einkommen der privaten Haushalte Das Land NRW ist mit über 18 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste und in absoluten Zahlen auch das wirtschaftsstärkste Bundesland. Im Zuge der Erbringung dieser wirtschaftlichen Leistungen entstehen neben den verschiedenen Merkmalen der VGR-Entstehungsrechnung, wie dem Bruttoinlandsprodukt und der Bruttowertschöpfung, auch Einkommensgrößen, vor allem Bruttolöhne und -gehälter sowie das Arbeitnehmerentgelt. Die aus den vielfältigen wirtschaftlichen Tätigkeiten entstandenen Einkommen am Arbeitsort fließen in der VGR-Einkommensverteilungsrechnung den privaten Haushalten (einschließlich der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck) als Primäreinkommen am jeweiligen Wohnort zu. Das Primäreinkommen drückt somit den Einkommenszufluss aus und zeigt, welche Einkommensarten den privaten Haushalten aus der unterschiedlichen Teilnahme am Wirtschaftsleben zufließen. Es ist die Summe aus allen empfangenen Einkommen am Wohnort inner­ halb einer definierten Gebietseinheit und zwar unabhängig davon, ob die Einkommen innerhalb oder außerhalb der Region erzielt wurden. Bei den Vermögenseinkommen – vor allem Guthabenzinsen, Ausschüttungen und Gewinnentnahmen – ist statistisch ohnehin nicht

nachvollziehbar an welchem Ort diese entstanden sind. In der regionalen Einkommensbetrachtung sind Arbeits- und Wohnort nicht zwingend identisch. Während also die am Arbeitsort entstandenen Einkommen nach dem Inlandskonzept berechnet werden, stellt das den privaten Haushalten am Wohnort zugeflossene Primäreinkommen das umfassendste Einkommensaggregat nach dem Inländerkonzept dar. (Abb. 1) Nach dem Konzept der VGR können die privaten Haushalte Einkommen aus der Entlohnung für die Bereitstellung des Produktionsfaktors Arbeit und des Produktionsfaktors Kapital erzielen sowie aus eigener unternehmerischer Tätigkeit.6 Im Jahr 2004 betrug das Primäreinkommen aller privaten Haushalte in NRW 377,4 Mrd. Euro. Damit flossen jedem Einwohner rein rechnerisch im Durchschnitt über 20 882 Euro zu. Zum größten Teil (rund 67 Prozent) trug das empfangene Arbeitnehmerentgelt, also das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, zum Primäreinkommen bei. Weitere 12 Prozent entfielen im Landesdurchschnitt auf den Betriebsüberschuss und das Selbständigeneinkommen. Die dritte Komponente des Primäreinkommens stellt das Vermögenseinkommen dar, dessen positiver Anteil aus dem Saldo der empfangenen und geleisteten monetären Beträge bei rund 21 Prozent lag. Während 2004 die Spannweite des durchschnittlichen Primäreinkommens je Einwohner auf der Kreisebene von 26  400  Euro im Rheinisch-Bergischen-Kreis bis zu 18 116 Euro im Kreis Recklinghausen reicht und damit relativ gering ausfällt, zeigen sich auf der Gemeindeebene be-

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Einkommen und Arbeitsplätze merkenswerte Diskrepanzen. Der Spitzenreiter Bad Honnef im Rhein-Sieg-Kreis weist mit 50  937  Euro das höchste durchschnittliche Primäreinkommen pro Kopf auf. Die Gemeinde Selfkant im Kreis Heinsberg rangiert demgegenüber mit 14 935 Euro am unteren Ende der Skala. Hiermit verglichen weist der Spitzenreiter ein mehr als dreifach höheres Primäreinkommen je Einwohner auf. Auffallend ist, dass sich die kreisfreien Städte nicht in der Spitzengruppe wieder finden, obwohl hier die höchste Dichte an i. d. R. höherwertigen Arbeitsplätzen vorhanden und dadurch ein entsprechend überdurchschnittliches Einkommen je Einwohner entstanden ist.7 Erst auf Platz 41 findet sich mit 25 515 Euro die kreisfreie Stadt Düsseldorf, gefolgt von Solingen mit 23 263 Euro auf Platz 84 und Mühlheim an der Ruhr mit 23 259 Euro auf Platz 85. Mit den Städten Hamm (15 892 Euro), Herne (15 812 Euro) und Gelsenkirchen (15 474 Euro) liegen drei kreisfreie Städte sogar in der Gruppe der zehn Kommunen mit dem niedrigsten Primäreinkommen. (Tab. 1) Gleichzeitig zeigen sich innerhalb der Kreisgrenzen beträchtliche Unterschiede zwischen den jeweiligen Kommunen. Beispielsweise lag Issum im Kreis Kleve mit einem durchschnittlichen Primäreinkommen von 41 338 Euro landesweit auf Platz zwei, während für die zum gleichen Kreis gehörende Gemeine Weeze lediglich 16 019 Euro gemessen wurden, was nur für Platz 383 unter den 396 Gemeinden NRW reichte. Damit ist innerhalb dieses Kreises nahezu die gesamte landesweite Spannweite vertreten. Auch die Stadt Kleve, die für den Arbeits-

Abbildung 1: Komponenten des Primäreinkommens

markt im Kreis durchaus eine herausgehobene Bedeutung besitzen dürfte, verzeichnete mit 17 168 Euro empfangenen Primäreinkommen einen weit unterdurchschnittlichen Wert. Hier zeigt sich deutlich, wie sehr Einkommensentstehung und Einkommensverteilung regional auseinander fallen können. Die zum Teil bemerkenswerten Diskrepanzen des Primäreinkommens auf Gemeindeebene erklären sich überwiegend durch die unterschiedlichen Gewichte der drei Einkommensarten empfangenes Arbeitsneh-

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merentgelt, unternehmerische Tätigkeit (Betriebsüberschuss/ Selbstständigeneinkommen) und Vermögenseinkommen am Primäreinkommen. Ein hohes Gewicht des Vermögenseinkommens korreliert mit einem überdurchschnittlich hohen Primäreinkommen je Einwohner. Der Korrelationskoeffizient für die nordrhein-westfälischen Gemeinden beträgt hier 0,6831. Somit verwundert es nicht, dass die zehn Gemeinden, in denen der Anteil des Vermögenseinkommens am Pri­ märeinkommen mehr als 35  Prozent beträgt, in der

Tabelle 1: Primäreinkommen in ausgewählten Gemeinden Nordrhein-Westfalens 2004

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Einkommen und Arbeitsplätze Abbildung 2: Primäreinkommen je Einwohner und Anteil des Vermögenseinkommens in den Gemeinden 2004

Auslöser von Einkom­ mensunterschieden

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Rangfolge des Primäreinkommens je Einwohner die Platzierung zwischen dem ersten und dem 27 Rang erreichen. Exemplarisch für diesen Sachverhalt sollen hier nur Bad Honnef, Issum und Attendorn genannt werden, die die Plätze 1, 2 und 4 in der Reihenfolge nach dem höchste Primäreinkommen je Einwohner in NRW belegen. Der Sachverhalt gilt auch umgekehrt, da ein hohes Gewicht des Arbeitnehmerentgelts am Primäreinkommen mit einem unterdurchschnittlichen Primäreinkommen je Einwohner negativ korreliert. Der Korrelationskoeffizient beträgt hier –0,6453. Die dritte Komponente Betriebsüberschuss/Selbstständigeneinkommen hat in den nordrhein-westfälischen Gemeinden keinen signifikanten Einfluss auf die Höhe des jeweiligen Primäreinkommens pro Kopf (Korrelationskoeffizient: 0,2236). Das Gewicht des Einkommens aus unternehmerischer Tätigkeit am Primäreinkommen schwankt zwischen 9 und 19 Prozent. (Abb. 2)

Für die großen Unterschiede bei der Höhe des Primäreinkommens sind aber noch weitere Gründe ausschlaggebend. So können eine unterschiedliche Bevölkerungsstruktur, die erworbenen Bildungsabschlüsse, die ungleiche Erwerbsbeteiligung und die Arbeitslosenquote sowie die räumliche Nähe der betrachteten Region bzw. deren Fehlen zu wirtschaftlichen Kernregionen mit hoher Arbeitsplatzdichte ebenso zu den Einkommensdiskrepanzen in den Gemeinden beitragen.

Stadt-Umland-Be­ ziehung Auf die Verteilung des entstandenen Einkommens als Primäreinkommen auf die Regionen – hier die nordrheinwestfälischen Gemeinden – nehmen also verschiedene Faktoren Einfluss. Neben dem unterschiedlichen Gewicht der Einkommensarten hat vor allem die Stadt-Umland-Beziehung einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe des den Einwohnern in den Gemein-

den grundsätzlich zur Verfügung stehenden Einkommens. Durch wirtschaftliche Aktivitäten entstehen Leistungen, die als Gegenleistung den Einwohnern am Wohnort als Verdienste, Gewinne und Transferzahlungen zufließen. Die Bruttowertschöpfung und das Bruttoinlandsprodukt sind die geeignetsten Kennziffern, mit denen sich die wirtschaftliche Leistung einer Region ausdrücken lässt. Da hier das Arbeitsortprinzip gilt, die Leistungsund Einkommensentstehung also am Arbeitsort gemessen wird, eignen sich diese beiden Merkmale jedoch nicht für die Beurteilung des materiellen Wohlstandes der in einer Region wohnenden Bevölkerung. Hierfür sind das Primäreinkommen und das verfügbare Einkommen die aussagefähigeren Größen, beide nach dem Wohnortprinzip berechnet. Ein Vergleich der regionalen Einkommensergebnisse mit dem regi­onalen Bruttoinlandsprodukt liefert Aussagen darüber, inwiefern die im laufenden Produktionsprozess ent­standene Wertschöpfung als Einkommen in der jeweiligen Region verbleibt. Leider erlaubt die statistische Ausgangslage nicht, die Bruttowertschöpfung oder das Bruttoinlandsprodukt bis hinunter zur Gemeindeebene valide darzustellen. Somit ist ein direkter Vergleich der durch wirtschaftliche Aktivitäten am Arbeitsort entstandenen Leistungen und dem Einkommen, das den Einwohnern am Wohnort zufließt nicht möglich. Dagegen ist es aber möglich, die im Rahmen der Pendler8 ermittelten rechnung NRW  Erwerbstätigen auf Gemeindeebene zu Vergleichszwecken heranzuziehen. Über die Verteilung und Anzahl der Erwerbstätigen in den Gemeinden können Rückschlüsse auf den

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Einkommen und Arbeitsplätze Arbeitsmarkt und damit mittelbar auf die wirtschaftliche Leistung gezogen werden. Die Ergebnisse der Pendlerrechnung NRW zeigen, wie eng die Wirt­schafts- und Arbeitsmarktregionen in Nordrhein-Westfalen ver­flochten sind. Die Interdependenz zwischen einer gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur sowie der räumlichen Nähe in den Ballungsgebieten NRW auf der einen und der zunehmenden Trennung von Wohn- und Arbeitsort auf der anderen Seite lassen typische Stadt-Umland-Beziehungen entstehen. Hier gibt es zahlreiche Gemeindegrenzen überschreitende Pendlerströme, welche die verschiedenartige „Standortkonkurrenz“ der regionalen Gebietseinheiten untereinander deutlich werden lassen. Die Betrachtung der Erwerbstätigen am Arbeitsort und deren Relation zur dort ansässigen Bevölkerung zeigt deutlich, dass erwartungsgemäß in den kreisfreien Städten des Landes nicht nur eine absolut höhere Erwerbstätigenzahl gemessen wird, sondern auch eine vergleichsweise hohe Arbeitsplatzdichte erreicht wird. Die Arbeitsplatzdichte gibt das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Einwohnern an. Je höher die Arbeitsplatzdichte ist, desto mehr Erwerbstätige finden in der betrachteten Gemeinde einen Arbeitsplatz. Die kreisfreie Stadt Düsseldorf weist gegenüber dem Landesdurchschnitt sogar eine fast doppelt so hohe Kennzahl aus. Es überrascht wenig, dass die Großstädte rechnerisch mehr Arbeitsplätze bieten, als durch die dort wohnhaften Erwerbstätigen nachgefragt werden. Wie Tabelle 2 zeigt, finden sich unter den zehn Gemeinden mit der höchsten Arbeitsplatzdichte sechs Gemeinden, die auch

als zuvor identifizierte Kernregion für die Berufspendler gelten. Von einer im Verhältnis zur Gemeindegröße hohen Erwerbstätigenzahl kann auf eine ebenfalls hohe Wirtschaftsleistung und daraus resultierende hohe Einkommensentstehung geschlossen werden. Allerdings zeigt die Tabelle 2 auch, dass eine hohe Arbeitsplatzdichte nicht mit einem vergleichsweise hohen Primäreinkommen je Einwohner einhergehen muss, da über die Berufseinpendler in hohem Maß Einkommen aus den Kerngemeinden in die benachbarten Gemeinden abfließt. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen wurde die aus dem Verhältnis der Erwerbstätigen zur Gemeindebevölkerung gebildete Arbeitsplatzdichte auf den Landeswert normiert, ebenso auch das Primäreinkommen je Einwohner. Normiert auf den Landeswert liegt beispielsweise die kreisfreie Stadt Düsseldorf bei der Arbeitsplatzdichte mit 185,3  Prozent und mit 122,2  Prozent beim Primäreinkommen je Einwohner weit über dem Durchschnitt. Doch klafft zwischen den beiden Relationen eine bemerkenswerte Lücke. Wie ist dieser Sachverhalt zu interpretieren, der auch auf die meisten übrigen Gemeinden zutrifft? Um beim Beispiel Düsseldorf zu bleiben, bedeutet die hohe Arbeitsplatzdichte von 185,3  Prozent, dass rein rechnerisch auf 1,4  Einwohner ein Erwerbstätiger kommt. In NordrheinWestfalen ergab sich ein Verhältnis von 2,6  Einwohnern auf einen Erwerbstätigen. Damit liegt Düsseldorf also weit unter dem Durchschnitt oder, anders ausgedrückt, es „fehlt“ der Stadt also eine erhebliche Anzahl an Einwohnern. Da

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gleichzeitig das normierte Primäreinkommen pro Kopf mit 122,2 Prozent zwar ebenfalls über dem Durchschnitt liegt, jedoch nicht im gleichen Maße wie die Arbeitsplatzdichte, und zudem ein positiver Einpendlersaldo verzeichnet wird, fließen in Düsseldorf entstandene Einkommen in erheblichem Ausmaß in umliegende Regionen ab. In Abbildung 3 werden die auf den Landeswert normierten Angaben zur Arbeitsplatzdichte und zum Primäreinkommen je Einwohner für Düsseldorf und die zuvor identifizierten Umlandgemeinden mit einer hohen Berufspendlerintensität dargestellt. Dabei zeigt sich deutlich, dass die im engeren Pendlereinzugsgebiet liegenden Gemeinden alle eine geringere Arbeitsplatzdichte aufweisen als die Kernregion Düsseldorf, aber gleichzeitig bei den am Wohnort gemessenen Primäreinkommen je Einwohner vielfach die Kernregion übertreffen. Die Stadt Meerbusch dient hier als besonders anschauliches Beispiel zur Darstellung des beschriebenen Zusammenhangs. Weiterhin zeigt die Darstellung, dass für die aus allen Umlandgemeinden und der Kernregion gebildete „Region Düsseldorf“ die Relationen der normierten Arbeitsplatzdichte und der normierten Primäreinkommen je Einwohner, mit Ausnahme von Hilden und Neuss, weniger stark voneinander abweichen, als in den einzelnen Gemeinden. Dieses kann als Ausdruck dafür dienen, dass die Region Düsseldorf ein relativ geschlossenes Gebiet ist und vergleichsweise geringe Berufseinpendler bzw. Einkommensabflüsse in andere Regionen aufweist. Die Stadt Neuss nimmt wegen des Großstadt-Status als größte kreisangehörige Stadt in Deutschland ohnehin eine Sonderrolle in der

Pendlerberechnung NRW

Das Beispiel Düsseldorf

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Einkommen und Arbeitsplätze Tabelle 2: Arbeitsplatzdichte und Primäreinkommen je Einwohner in ausgewählten Gemeinden Nordrhein-Westfalens 2004

Abbildung 3: Vergleich der Arbeitsplatzdichte und des Primäreinkommens im näheren Einzugsgebiet der kreisfreien Stadt Düsseldorf

Betrachtung ein. Neuss ist für Düsseldorf nicht nur Umlandgemeinde, in die Einkommen abfließt, sondern dient mit geringerer Intensität selber als Arbeitsort für Berufseinpendler anderer Gemeinden.(Abb. 3) Verallgemeinert gilt, dass die wirtschaftlichen Kernregionen des Landes rein rechnerisch einen Arbeitsplatzüberschuss aufweisen und als überörtliche Zentren für die in den Umlandgemeinden wohnenden Erwerbstätigen eine hohe Attraktivität besitzen. Durch die interregionalen Einkommensströme fließen die in den Kernregionen – vor allem kreisfreie Städte – entstandene Einkommen ab, während sich das Primäreinkommen in den klassischen Umlandregionen – vorzugsweise in kreisangehörigen Gemeinden – dadurch erhöht. Damit zeigt sich, dass Arbeitsplatzdichte und Pendlersalden sowie die davon ausgehenden Einkommenstransfers an Erwerbseinkommen eine wichtige Erklärung für die Einkommensdiskrepanzen liefern. Sie reichen jedoch nicht aus, weil darüber hinaus auch noch interregionale Geldströme an Vermögenseinkommen einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Primäreinkommens haben können.

Einkommensumverteilung auf Gemeindeebene An die Einkommensverteilungsrechnung, an deren Ende das Primäreinkommen als zentrale Kennzahl steht, schließt sich die Einkommensumverteilungsrechnung an. Das Primäreinkommen stellt zwar die umfassendste Einkommensgröße der VGR dar und beschreibt das Einkommenspotential, das den privaten Haushalten the-

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Einkommen und Arbeitsplätze oretisch aus Erwerbstätigkeit und Vermögen zufließt. Doch wird dieses Einkommenspotential tatsächlich nicht erreicht, weil sich staatlich induzierte Umverteilungsprozesse an die Einkommensentstehung anschließen. Das den Haushalten letztlich zur Verfügung stehende Einkommen ergibt sich erst nach der Umverteilung. Im Rahmen der Einkommensumverteilung wird ausgehend vom Primäreinkommen die Umverteilung dieser entstandenen Einkommen zum verfügbaren Einkommen berechnet. Das verfügbare Einkommen ergibt sich aus dem Pri­märeinkommen zuzüglich der empfan­ ge­ nen sowie abzüglich der geleisteten Transferzahlungen. Als empfangene Transferzahlungen gelten die den privaten Haushalten zugeflossenen sozialen Leistungen, z. B. Leistungen der Sozialversicherungen, Pensionen, Sozialhilfe und Leistungen aus privaten Sicherungs­sys­temen. Das verfügbare Einkommen stellt den monetären Betrag dar, der den Haushalten für den privaten Konsum oder zur Ersparnisbildung zur Verfügung steht, und spiegelt bezogen auf die Einwohnerzahl die monetäre Situation der privaten Haushalte einer Region wider. Es findet also eine Umverteilung zwischen Haushalten und zwischen Regionen statt. Regional differenzierte Ergebnisse zum verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sind, wie bereits erwähnt, für viele Unternehmen eine wichtige Informationsgröße bei Standortentscheidungen, Absatz­ planungen und der Preispolitik. Über das Niveau und die Entwicklung des verfüg­ baren Einkommens sind Aussagen zu Wohlstandseffekten und mittelbar auch zur lokalen Kauf­ kraft möglich. Daneben

Abbildung 4: Gegenüberstellung der Arbeitsplatzdichte und des Primäreinkommens je Einwohner in ausgewählten Gemeinden 2004

ist das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte ein aussagefähiger Indikator zur gesamtwirtschaftlichen Standortqualität und zum monetären Wohlstand einer Region. Allerdings ist das verfügbare Einkommen nicht mit der Kaufkraft zu verwechseln und auch nicht mit den Nettolöhnen und Gehältern identisch. Die Kaufkraft stellt nur auf den Konsum

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ab und berücksichtigt das regional ganz unterschiedliche Preisniveau. (Abb. 5) Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in NRW betrug im Jahr 2004 insgesamt 332,2 Mrd. Euro. Damit standen rein rechnerisch jedem Einwohner 18 383 Euro zur Verfügung. In den kreisfreien Städten des Landes lag das 53


Einkommen und Arbeitsplätze Verteilung der Einkommensarten, die regionalen Nähe zur vergleichsweise wirtschaftlich leistungsstarken Stadt Bonn und die Qualität als Wohnstandtort begründet sein mag. Vielfach erklären sich die relativ schlechten Platzierungen von Gemeinden am unteren Ende der Einkommensskala auch durch regionale Besonderheiten. In der Gemeinde Schöppingen beinhaltet die 7  801 Einwohner rund 500 Personen, die in einem Asylbewerberwohnheim gemeldet sind und auf Grund ihres Status keine Primäreinkommen erzielen. Ein bloßer Vergleich der Einkommen pro Kopf wird damit durch die spezifischen örtlichen Gegebenheiten verzerrt. (Tab. 3)

Abbildung 5: Vom Primäreinkommen zum verfügbaren Einkommen

Tabelle 3: Verfügbares Einkommen in ausgewählten Gemeinden Nordrhein-Westfalens 2004

verfügbare Einkommen je Einwohner mit 17 920 Euro etwas unter dem Landesdurchschnitt, wohingegen in den Kreisen mit 18 706 Euro ein leicht überdurchschnittlicher Wert gemessen wurde. Auf Gemeindeebene zeigen sich aber etwas größere Diskrepanzen, wenngleich die Spannweite hier nicht so groß ist wie beim Primäreinkommen. Die Stadt Bad Honnef weist mit 47 101 Euro auch beim verfügbaren Einkommen den höchsten pro 54

Kopf-Wert auf. Demgegenüber liegt die Gemeinde Schöppingen im Kreis Borken mit 14 021 Euro am unteren Ende der Skala. Hiermit verglichen konnten die Einwohner in Bad Honnef über ein fast dreieinhalbmal so hohes Einkommen verfügen. Wie an dem großen Abstand zur zweitplatzierten Gemeinde Issum (37 055 Euro) zu sehen ist, handelt es sich bei dem Spitzereiter allerdings um einen Ausreißer, dessen hoher Wert durch die spezifische

Die Höhe und Zusammensetzung des Primäreinkommens bestimmt zwar ganz wesentlich die Höhe des verfügbaren Einkommens. Ein Vergleich der Pro-Kopf-Angaben in den Gemeinden offenbart gegenüber den korrespondierenden Angaben für das Primäreinkommen aber eine Verringerung der Spannweite, was ja den gewollten sozialpolitischen Zielen der „Umverteilung“ entspricht. Doch auch beim verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte zeigen sich innerhalb der Kreisgrenzen größere Unterschiede zwischen den jeweiligen Kommunen. Während die inter­regionalen Einkommensströme, hier dargestellt anhand der Berufspendlerverflechtungen, in den kreisangehörigen Gemeinden dazu führen, dass die Primäreinkommen der privaten Haushalte am Wohnort im Vergleich zu den am Arbeitsort entstandenen Einkommen erhöht werden, verhält es sich nach der Einkommensumverteilung tendenziell umgekehrt, da die kreisfreien Städte

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Einkommen und Arbeitsplätze bei der Höhe des verfügbaren Einkommens relativ begünstigt werden. Dieses lässt sich z. B. an den Differenzen zwischen den kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städten bei den Angaben zum Primäreinkommen und zum verfügbaren Einkom­men festmachen.

Fazit Die Primäreinkommen und ver­ fügbaren Einkommen der privaten Haushalte liefern detaillierte Informationen über die tatsächliche materielle Lage privater Haushalte. Wie gezeigt wurde, haben die zum Teil deutlichen Differenzen zwischen den Einkommen in den nordrhein-westfälischen Kommunen eine Reihe von Gründen. So führen die absolute Höhe und die unterschiedlichen Bedeutungen der einzelnen Einkommensarten im Primär­einkommen der privaten Haushalte zu regionalen Einkommensdifferenzen. Weiterhin führen insbesondere die über die Berufspendler aus den wirtschaftlichen Kernregionen abfließen­ den Einkommen zu den teilweise beträchtlichen regionalen Einkommensunterschieden. Zudem können über die Ergebnisse zum verfügbaren Einkommen die Wirkungen des Umverteilungsprozesses in den einzelnen Regionen abgelesen werden. Allerdings zeigen die hier vorgelegten Ergebnisse, dass die Einkommensumverteilung zwar das Ergebnis der regionalen demographischen und sozio-ökonomischen Gegebenheiten ist und tendenziell den Effekten entgegen wirkt, die sich aus den unterschiedlichen Einkommensarten und aus den spezifischen Stadt-UmlandBeziehungen ergeben. Doch gelingt es trotz der gewaltigen umverteilten Beträge nicht, die

vorhandenen regionalen Einkommensunterschiede deutlich einzuebnen. Gemeinden mit einem Primäreinkommen über dem Landesdurchschnitt weisen auch nach der Umverteilung ein überdurchschnittliches verfügbares Einkommen aus. Das verfügbare Ein­ kommen stellt den monetären Betrag dar, der den pri­ vaten Haushalten zugeflossen ist und grundsätzlich für Konsum- und Sparzwe­cke ver­wendet werden kann. Für Regionalvergleiche und die Beurteilung des Wohlstandes ist das absolute Einkommen aller­ dings nicht die geeignetste Größe, da hier konzeptionell bedingt regionale Unterschiede in den Konsumgüterpreisen unberücksichtigt bleiben. Es darf somit nicht mit dem Begriff „Kauf­kraft“ gleichgesetzt werden, da die Kaufkraft auf den Konsum abstellt und damit das Preis­niveau, also den Tauschwert des Geldes, berücksichtigt. Vergleichsweise geringe verfügbare Einkommen der privaten Haushalte müssen sich nicht zwingend nachteilig auf die Lebensverhältnisse in den Regionen auswirken. Alleine das verfügbare Einkommen als Indikator für die Beurteilung des Wohlstandsniveaus einer Region heranzuziehen kann zu falschen Schlüssen führen, da nicht nur bei den Einkommen, sondern auch bei den Lebenshaltungs­kosten zwischen den Regionen große und nur teilweise wahrgenommene Unterschiede bestehen. Die Kaufkraft ist hierfür ein treffenderer Indikator, der das regionale Preis­niveau, z. B. bei Mieten, Energiekosten oder Lebensmitteln, einbezieht und darüber ausdrückt, wel­ che Gütermenge je Geldeinheit getauscht werden kann.

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Anmerkungen 1

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4

5

6 7

8

Da statistische Angaben für einen getrennten Nachweis unterhalb der nationalen Ebene fehlen, schließt der Begriff private Haushalte in den regionalen VGR die privaten Organisatio­nen ohne Erwerbszweck ein. Vgl. Scharmer, Marco, Zur Möglichkeit der Regionalisierung privater Einkommen auf die Gemeinden NRWs, in: Statistische Analysen und Studien NRW, hrsg. Vom LDS NRW, Band 35, 2006, S. 3ff. Vgl. Gerß, Wolfgang, Ergebnisse der VGR für Gemeinden, in: Statistische Rundschau für das Land NRW, hrsg. vom LDS NRW, Nr. 4, 1986, S. 211 ff. Vgl. Scharmer, Marco, Pendlerverflechtungen in NRW – Analyse der revidierten Ergebnisse, in: Statistische Analysen und Studien, hrsg. vom LDS NRW, Band 22, 2005, insbesondere S. 33 ff. Vgl. Scharmer, Marco, Zur Möglichkeit der Regionalisierung privater Einkommen auf die Gemeinden NRWs, a. a. O., Band 36, 2006, S. 8ff. Hierzu zählen aber nicht die verschiedenen Transferleistungen aus den Sozialversicherungen. Auf diesen Sachverhalt wird unter Punkt 3. „Einfluss der Stadt-Umland-Beziehung“ näher eingegangen. Pendlerrechnung Nordrhein-Westfalen – Pendlerdaten auf CD-ROM, Bezugsquelle: LDS NRW, Post­fach 10 11 05, 40002 Düsseldorf

Einkommen ist nicht Kaufkraft

Hohe Einkommens­ unterschiede

Über Statistik: Straßenplaner wollen Straßen planen, Pastore wollen predigen, Politiker wollen reden, Anwälte wollen klagen. Die Gefahr liegt immer im zu viel.

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Wohnungsverlosung – Immobilienboom in Spanien, aber:

Keine Wohnung für jeden Thorsten Heitkamp, Dortmund

Eigentümerquote: 90%

Tabelle1: Preise für gebrauchte Eigentumswohnungen in den teuersten Städten

„Wir wohnen fast alle in Wohnungen, die wir uns eigentlich nicht leisten können.“ Das ist die Antwort auf die Frage an einen spanischen Architekten und Stadtplaner, wie es augenblicklich um die spanischen Wohnimmobilienmärkte stehe. Diese Aussage fasst die Gegensätze, die die spanischen Wohnungsmärkte aktuell prägen, gut zusammen. Ihr Hauptkennzeichen sind eine hohe Eigentümerquote von knapp 90% und ein Mietwohnungsmarkt, der die zunehmende Nachfrage nicht befriedigen kann. Die Gründe hierfür reichen bis weit in die Zeit der Franco-Autokratie zurück, als die Wohneigentumsförderung – in enger Kooperation mit der katholischen Kirche – ein Grundpfeiler der archaischen Familienpolitik und der politischen Stabilisierung des Franco-Regimes war. Das Streben nach Wohneigentum prägt bis heute das Verhalten der Spanier, jedoch sind freifinanzierte Wohnungsangebote aufgrund der Preisentwicklung der letz-

ten Jahre für viele Bevölkerungsgruppen unerschwinglich, sodass öffentlich geförderte (Eigentums-)Wohnungen und Mietwohnungen verstärkt eingefordert werden. Politik und Wirtschaft haben unterdessen unterschiedliche Strategien gefunden, auf diese Forderungen einzugehen.

Jüngster Immobilienboom In den Jahren nach der Jahrtausendwende boomten die spanischen Immobilienmärkte begünstigt durch historisch niedrige Zinssätze und Rekordinvestitionen aus dem Ausland und Spanien selbst. Langjährige Immobilienbesitzer können sich glücklich schätzen: Seit dem Jahr 1997 sind die Immobilienpreise im landesweiten Durchschnitt um 188% gestiegen, obgleich die jährlichen Steigerungsraten – die zeitweise über 14% betrugen – in den letzten Jahren deutlich moderater ausfielen. Für die Hauptstadt Madrid, die

ca. 10% des jährlichen Neubauvolumens auf sich konzentriert, wird für das Jahr 2007 eine Preissteigerung neuer wie gebrauchter Immobilien von 3 – 6% (je nach Lage) erwartet (El País v. 21.09.2007), was die Bauwirtschaft bereits als Beginn eines „cambio de ciclo“ (Zykluswechsel) im Wohnungsbau wertet. Parallel zur gebremsten Preisentwicklung wird für das Jahr 2007 ein Rückgang der Baugenehmigungen um 30% für den Großraum Madrid bzw. um 16% für Spanien (im Vergleich zum Jahr 2006) erwartet, bei ca. 760.000 Baugenehmigungen (und 675.000 Baufertigstellungen) landesweit. Allerdings ist die Hoffnung potentieller Immobiliennachfrager auf eine negative Preisentwicklung bei Wohnimmobilien kaum gerechtfertigt: Die Vergangenheit zeige, so spanische Wohnungsmarktexperten, dass die Preise von Wohnimmobilien in der Regel nur eine Richtung kennen: nach oben.

Hohes Preisniveau In den spanischen Ballungszentren liegen die Preise für Wohnimmobilien weit über dem deutschen Niveau; so kostet im Großraum Madrid der Quadratmeter einer Neubauwohnung zwischen 3.100 und 6.500 EUR, Gebrauchtimmobilien sind kaum günstiger (vgl. Tab. 1). Zum Vergleich: In der im Segment der Eigentumswohnungen teuersten deutschen Stadt, GarmischPartenkirchen, liegt der Durch-

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Keine Wohnung für jeden schnittspreis bei 3.250 EUR/m² (LBS 2007); die LBS-Prognose zur Preisentwicklung deutscher Eigentumswohnungen (20072008) liegt bei -1 bis +1%. In spanischen Tageszeitungen, wie z. B. der „El País“, sind die Angebote nach Preiskategorien geordnet, das niedrigste Preissegment ist – auch für die Vororte der Großstädte – das „bis 300.000 Euro“.

Junge Haushalte in Not Personen, die einen eigenen Haushalt gründen wollen, haben es in aller Regel schwer, ein adäquates Wohnobjekt zu finden. Da die Gründung eines Haushaltes traditionell mit dem Eigentumserwerb einhergeht, ist aufgrund der Preisentwicklung des Wohnraumes die Verschuldung der spanischen Haushalte deutlich gestiegen. Im Jahr 2006 wurde zum Zweck des Wohnungserwerbs eine Hypothek in Höhe von durchschnittlich 166.000 EUR (Madrid: 228.000 EUR) aufgenommen – eine enorme Belastung insbesondere für junge Haushalte mit häufig prekären Arbeitsverhältnissen. Zukünftige Zinssteigerungen können zudem zu weiteren, selten eingerechneten finanziellen Belastungen der Haushalte führen. Die monatliche Belastung einer Hypothek, die in Spanien meist über 30 Jahre getilgt wird, liegt, nach Angaben des Nationalen Instituts für Statistik (INE), bei durchschnittlich 896 EUR; das monatliche Durchschnittseinkommen jedoch nur zwischen 1.336 (Extremadura) und 2.004 (Madrid) Euro brutto. Ein Viertel (23%) aller Bruttoeinkommen bleiben unter der Grenze von 1.000 Euro/Monat – die in Spanien so genannten „mileuristas“.

So ist es kaum verwunderlich, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen steigt. Der steigenden Nachfrage stehen jedoch quantitativ nicht ausreichende Angebote gegenüber. Zudem werden in spanischen Großstädten Mietwohnungen eher in teuren als in günstigen Wohnvierteln angeboten. Der Grund dafür ist die sehr heterogene Nachfrage, angefangen von Personen mit niedrigem und unregelmäßigem Einkommen (die notgedrungen häufig bei den Eltern oder Verwandten wohnen1), über junge Erwachsene mit noch ungewisser beruflicher Zukunft und Berufstätige mit hoher beruflicher Mobilität bei relativ hohen Einkommen. Der durchschnittliche monatliche Mietzins liegt bei 720 EUR (kalt) für eine 100 m²-Wohnung, wobei diese Durchschnittsangaben je nach Stadt und Region stark variieren. So müssen in Madrid durchschnittlich 1.138 Euro für eine 100 m²-Wohnung gezahlt werden. Außerhalb des spanischen Festlandes wird vermehrt zur Miete gewohnt: Die spanischen Enklaven in Afrika – Melilla und Ceuta – sind in dieser Hinsicht Spitzenreiter mit immerhin 28% bzw. 21% Mieterhaushalten, gefolgt von den Balearen (20%) und den Kanarischen Inseln (18%). In ländlichen Gegenden, z. B. in der Provinz Jaén, dem Land der Olivenhaine, vermietet bzw. mietet kaum jemand (6%), es entspricht nicht dem traditionellen, bodenstämmigen Lebensstil. Andererseits ist die „Miete“ auch nicht großstädtisch oder metropolitan: In Barcelona sind es 18% und in Madrid 13% aller Haushalte, die einen Mietvertrag unterschrieben haben. Eine Frage, die sich der spanischen Wohnungspolitik und

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Innerstädtisches Wohnen

–wirtschaft aktuell stellt, ist, wie den Nachfragergruppen der durch die explosionsartige Preisentwicklung erschwerte Zugang zu den Wohnungsmärkten erleichtert werden kann. Sie steht dabei unter öffentlichem Druck: In allen spanischen Großstädten existieren Bewegungen, so z. B. das „Movimiento ‚V’ de Vivienda“, die bezahlbaren Wohnraum öffentlich einfordern. Ihre Aktionen reichen von Demonstrationen – die z. T. von der Polizei aufgelöst werden – bis hin zu Besetzungen leer stehender Gebäude und auch einzelner Wohnungen. Auswahl gibt es genug: Ende 2000 standen laut offizieller Zählung z. B. in Madrid 13% aller Wohnungen (283.000 WE) leer, aktuell wird der Leerstand auf ca. 300.000 Wohneinheiten geschätzt, Tendenz steigend.

Madrid: 1138 Euro für 100 qm ...

und 300 000 leerstehende Wohnungen

Reaktionen der Wohnungswirt­ schaft ... Zur Belebung der Nachfrage trotz hoher Immobilienpreise greift die Wohnungswirtschaft auf bewährte Mittel zurück, insbesondere auf den Erlass der Anzahlung, die in der Regel bis zu 30% des Immobilienpreises beträgt. Die üblichen Transaktionskosten des Immo57


Keine Wohnung für jeden bilienerwerbs (Einmalkosten wie Steuern, Gebühren, Notarkosten, die deutlich über dem deutschen Niveau liegen2) fallen jedoch an, was die Attraktivität des Mietwohnungsmarktes steigert.

... und der Kredit­ institute

Banken trickreich auf Kundenfang

Wohnsiedlung in Madrid (Baujahr 1980)

Auch die Kreditinstitute reagieren und versorgen den Markt der Baufinanzierungen mit neuen Produkten, die trotz hoher Immobilienpreise den Kundenfang erleichtern und die Kundenbindung erhöhen sollen. Die nachfolgenden drei Beispiele (Stand November 2007) sind nur ein kleiner Ausschnitt der Kreativität im Hypothekengeschäft: • I-Banesto hat z. B. ein so genanntes „Hypothekenfestgeldkonto“ mit einer einmonatigen Laufzeit lanciert, das die Besonderheit einer 15% Verzinsung auf die Einlage (max. 50.000 EUR) aufweist, unter der Bedingung, dass der Kunde innerhalb von 18 Monaten bei derselben Bank eine Hypothek aufnimmt. Geschieht dies nicht, liegt die Verzinsung bei 3,5%. • Die Banco Gallego wirbt unterdessen mit dem Slogan: „Das Geld kommt zurück nach Hause.“ Sie verspricht

dem Kunden zwischen 33% und 55% der Schuld zurückzuzahlen, wenn in zehn Jahren die fünf größten Aktienwerte des IBEX 35 (der spanische Aktienindex) über dem Kurs am Tag der Hypothekenaufnahme notieren. Gebunden ist dieses Angebot des Weiteren an die Bedingung, dass der Kunde eine Hypothek in Höhe von mindestens 120.000 Euro aufnimmt, seine Kreditkarte der Bank jährlich mindestens in Höhe von insgesamt zwei Tilgungsraten einsetzt, eine ähnliche Summe jährlich in einen von der Bank verwalteten Pensionsfond einzahlt und über die Bank eine Lebens- und Hausratversicherung abschließt. • Die Bilbao Bizcaya Kutxa (BBK, Sparkasse von Bilbao und Vizcaya) bietet ihren Kunden eine Hypothekenlaufzeit von bis zu 50 Jahren sowie eine Vollfinanzierung der Immobilie, der Kunde kann während der Laufzeit auf bereits amortisierte Beträge im Sinne von Konsumkrediten erneut zugreifen bzw. Tilgungszahlungen flexibel aussetzen. Des Weiteren ist auch hier die Aufnahme einer Hypothek an den Abschluss einer Hausrat-, Lebens- und Rentenversicherung sowie an den regelmäßigen Einsatz der Kreditkarte gebunden.

Steuererleichte­­­run­gen und Miet­ beihilfen Die Politik fördert das Wohneigentum traditionell über Steuererleichterungen. Für die Anmietung einer Wohnung sind im September 2007 vom nationalen Ministerium für Woh­nungswesen, weitere Miet­beihilfen – neben den seit 58

dem Jahr 2004 bestehenden – in Aussicht gestellt worden. Die steuerlichen Vergünstigungen für einen Wohnungskauf liegen bei 15% (max. 9.015 EUR) der jährlichen Aufwendungen für die Wohnung, die als jährlicher Freibetrag vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden können. Zwar existieren auch steuerliche Vergünstigungen für Mieter, die jedoch in den einzelnen autonomen Regionen unterschiedlich ausfallen. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die aktuell wichtigsten steuerlichen Regelungen, die Mieter unter bestimmten Voraussetzungen bei ihrer jährlichen Steuererklärung berücksichtigen können, und über die Rahmenbedingungen für eine Inanspruchnahme direkter Miet­ beihilfen (Tabelle 3), die pro Wohneinheit gewährt werden. Mietbeihilfen und Steuervergünstigungen sind dabei miteinander kombinierbar. Das zuständige nationale Ministerium geht davon aus, dass ca. 700.000 Haushalte die Steuerermäßigungen für Mieter in Anspruch nehmen werden. Zudem wird erwartet, dass im ersten Jahr (2008) ca. 180.000 direkte Mietbeihilfen gezahlt werden, für die 437 Millionen Euro im Budget des Ministeriums reserviert sind. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese Berechnungen nicht stimmen müssen. Bereits seit Juli 2004 existiert in Spanien ein Instrument der direkten Mietbeihilfe, das seinerzeit ebenfalls vom nationalen Ministerium für Wohnungswesen ins Leben gerufen wurde, dessen Leistungen jedoch über die entsprechenden Institutionen der Regionalregierungen abgerufen werden müssen. Mehr als 70.000 Bewilligungen wurden erwartet, bis zum

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Keine Wohnung für jeden Sommer 2007 hatten jedoch nur 40.000 Haushalte von den angebotenen Mietbeihilfen Gebrauch gemacht. Kritiker werfen der Regierung vor, dass sie im Jahr 2007 eine nur leicht modifizierte Kopie einer bereits bestehenden Regelung zur Zahlung von Mietbeihilfen aufgelegt habe, deren Wirkung zudem eher den Vermietern als den Mietern zugute käme, da die staatliche Beihilfe in den geforderten Mietzins eingerechnet würde, wie es z. B. auch der spanische Finanzminister Pedro Solbes öffentlich vermutete. Zudem sei, so Wohnungsmarktexperten, das eigentliche Problem die tatsächliche Verfügbarkeit von Mietwohnungen auf dem Markt, ca. 300.000 Wohnungen stehen allein im Großraum Madrid leer. Die Eigentümer wollen sie nicht vermieten, weil in Spanien es meist 12 bis 18 Monate dauert (und finanziell kostspielig ist), bis dass säumige Mieter eine Wohnung aufgrund eines Räumungsbeschlusses räumen müssen. Für eine stärkere Mobilisierung leer stehender Wohnungen wird von staatlichen Stellen angedacht: • Sondergerichte für Wohnungsfragen zu gründen, • Wohnungseigentümern Steu­erleichterungen für Mieteinnahmen anzubieten und • die Grundsteuer auf leer stehende Immobilien um 50% zu erhöhen. Keine dieser Maßnahmen ist bisher jedoch umgesetzt worden.

Öffentlich geförderter Wohnungsbau Der öffentlich geförderte Wohnungsbau hat in Spanien eine lange Tradition, konnte die

Tabelle 2: Steuervergünstigungen für Mieter

Tabelle 3: Direkte öffentliche Mietbeihilfen

Nachfrage jedoch nie ausreichend bedienen. Die zur Verfügung stehenden Wohnungen werden traditionell verlost, so z. B. im Mai 2007 in Sevilla, als im „Sportpalast“ von San Pablo an zwei aufeinander folgenden Tagen 1.300 Wohnungen unter mehr als 93.000 Interessenten verlost wurden. Knapp 1.000 davon als Eigentumswohnungen (mit speziellen Kontingenten für junge Haushalte, Personen über 65 Jahre, Behinderte, Alleinerziehende und Terrorismusopfer), die restlichen als Mietwohnungen mit Kaufoption. Die enorme Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot („Die Nachfrage ist brutal.“ El País v. 12. Mai 2007) ist

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• ein Indikator für die Angespanntheit der spanischen Wohnungsmärkte und • für die Bedeutung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus für die Wohnraumversorgung der spanischen Bevölkerung. Nicht umsonst waren diese öffentlich geförderten Wohnungen eines der großen Wahlkampfthemen bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai 2007. Die neue nationale Baugesetzordnung, die am 1. Juli 2007 in Kraft trat, legt fest, dass mindestens 30% aller neuen Wohnbauflächen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau reserviert sein müssen. Flächenentwickler müssen nun zwischen 5 und 59


Partner/in gesucht

Komplexe Situation ohne Patent­lösung

Wohnlandschaft Madrid

Kommunaler Flächenvorrat

15% des von ihnen entwickelten Baulandes an die Stadtverwaltungen abgeben, das in einen kommunalen Flächenvorrat einfließt, der wiederum für den Bau öffentlich geförderter Wohnungen und sozialer Infrastruktureinrichtungen zur Verfügung steht. Auch wenn diese Maßnahmen von nationalen Experten vor dem Hintergrund der angespannten Wohnungsmarktsituation als ein erster Schritt in die richtige Richtung gewertet werden, wird sich erst in einigen Jahren zeigen, ob sie in ausreichendem Maß zu einer besseren Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mit bezahlbarem Wohnraum beitragen konnten.

Spanische Immobilienexperten bieten keine Patentrezepte zur Lösung der Zugangsproblematik zu den Wohnungsmärkten an, dafür sind die jeweiligen Wechselbeziehungen zu komplex. Sie betonen jedoch die Notwendigkeit eines preiswerten, die Nachfrage ausreichend bedienenden Mietwohnungsmarktes und fordern eine Reduzierung der hohen Leerstandsquoten über neue fiskalische und gesetzliche Initiativen, die Eigentümern die Vermietung von Immobilien attraktiver gestalten sollen. Viele junge Spanier werden so lange lieber bei ihren Familien wohnen bleiben, bis dass sie ausreichend Eigenkapital für eine Anzahlung auf eine Eigentumswohnung erspart haben oder eine der raren Wohnungen aus den Programmen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus zugelost bekommen. Die Wohnungswirtschaft findet, z. T. im Zusammenspiel mit den Kreditinstituten, ihre eigenen Antworten auf die Zugangsschwierigkeiten zu den Immobilienmärkten und mög-

liche Absatzschwierigkeiten: Sie verzichtet zum Teil gänzlich auf die traditionelle Anzahlung, passt Ausstattungsqualitäten und Grundrisse an die neue Kostensituation an und erfährt Hilfestellung durch Kreditinstitute, die immer neue Kreditvarianten auflegen, um einen Immobilienerwerb auch bei relativ unsicheren Erwerbsund Einkommensverhältnissen zu ermöglichen. Die stetig zunehmende Verschuldung spanischer Haushalte ist eine Konsequenz dieser Entwicklungen. Welche gesamtwirtschaftlichen Folgen damit verbunden sein können, zeigen die turbulenten Entwicklungen auf den US-amerikanischen Immobilienmärkten. Die Fotos stammen vom Autor.

Anmerkungen

1 30% aller Spanier zwischen 30 und 34 Jahren leben bei ihren Eltern. 2 In Deutschland liegen die Transaktionskosten je nach vereinbarter Höhe der Maklerprovision bei 8-12%, in Spanien jedoch bei durchschnittlich 15% des Kaufpreises (vgl. die Studie „Internationaler Vergleich von Kosten und Dienstleistungseffizienz bei der Transaktion von Wohneigentum“ in: Die Wohnungswirtschaft 2/2007, S. 22-23)

Partner/in gesucht Martin Schlegel, Hagen Wer davon ausgeht, dass hier ein/e Lebens(abschnitts)partn er/in gesucht wird, dem kann ich problemlos Zeit schenken: Nicht weiterlesen. Die Übrigen können die wenigen Zeilen studieren. Die Redaktion sucht einen Partner für kurze Zeit. Die Partnerschaft 60

dauert so lange, wie man eben braucht, einen Artikel zu verfassen. Diese Zeitschrift lebt schließlich von einem breiten Spektrum an Aufsätzen und soll ein Meinungs- und Erfahrungsaustausch sein. Berichten Sie doch mal über das, was Sie an Erhebungen

und Analysen machen. Es wird doch wohl Berichtenswertes über Ihre Arbeit geben. Die anderen werden es Ihnen danken. Die Redaktion von „Stadtforschung und Statistik“ auch. Bei Fragen rufen Sie einfach 02331 79101 an.

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Mit 23 Porträts um die Welt – Erfolg für eine lebenswerte Welt

Unbedingte Empfehlung: Studieren Martin Schlegel, Hagen

Das sich anschließende Essay „Wirtschaftliche Sozialunternehmer sind die Lösung“ hat so gar nichts mit Statistik zu tun, ist aber dennoch etwas für jeden Statistiker. Muhammad Yunus hat es verfasst. Er ist Wirtschaftswissenschaftler in Bangladesch, entwarf dort die Idee, den Menschen mit Mikrokrediten zu helfen und setzte diese Idee erfolgreich in die Praxis um. Bei uns wurde er 2006 bekannt, als er für Idee und Praxis der Mikrokredite den Friedensnobelpreis erhielt. Der Yunus-Artikel stammt aus einem Buch über eine Reise zu faszinierenden Menschen. Es sind Menschen, die erfolgreich sein wollen, aber mehr bewegen möchten als nur ihr Bankkonto. Menschen, die durch ihr berufliches Engagement die Welt nachhaltiger und lebenswerter gestalten. Und die auf diesem Weg selbst glücklich und zufrieden geworden sind, weil sie jeden Morgen wissen, warum sie aufstehen. Das Buch porträtiert 23 Personen, denen das Autorenpaar auf einer einjährigen Reise um die Welt begegnete. Es berichtet, was diese Leute tun und was Sie von ihnen lernen können. Ich empfehle Ihnen, diese Menschen kennen zu lernen. Lesen Sie nicht nur den Artikel des Friedensnobelpreisträgers, sondern auch die übrigen: Studieren Sie „Die Zukunftsmacher“, so lautet der treffende Titel. Das Buch ist von Joanna Stefanska und Wolfgang Hafenmeyer verfasst und 2007 im Oekom-Verlag, München, erschienen. Die Leitgedanken der 23 in dem Buch porträtierten Personen hier im Überblick: Thilo Bode, Unternehmer, Deutschland Autos, Computer oder Metallröhren zu verkaufen, reicht mir nicht – ich will die Welt verbessern. Karen Tse, Juristin, Schweiz Es zählt nicht vor allem das, was du von außen bekommst, sondern die Person, zu der du auf dem Weg bist. David Suzuki, Genetiker, Kanada Ich will einfach am Ende meines Lebens in die Augen meiner Enkel sehen und ihnen beruhigt sagen können, dass Großvater alles getan hat, was er konnte. Das ist Motivation genug. Jordan Kassalow, Augenoptiker, USA Legitime finanzielle Bedürfnisse mit einem sinnvollen Job zu vereinen – dieses Thema wurde zu einem der wichtigsten in meinem Leben. Erien Keowen Ganju, Investmentbankerin, USA Ich weiß, dass ich dabei helfe, für meine eigenen Kinder eine bessere Welt aufzubauen. Dieses Wissen gibt mir mehr Inspiration als alles Geld und alle Macht der Welt. Amory Lovins, Physiker, USA Wenn man nichts tut, wird sich auch nichts verändern. Chris Eyre, Finanzspezialist, USA Es spielt eine große Rolle, worauf du einmal auf dem Sterbebett zurückschauen wirst. Kannst du dir vorstellen, dass dann jemand denkt: „Oh, hätte ich doch mehr Zeit im Büro verbracht.“? Mia Hanak, Kunsthistorikerin, USA Was ich tue, ist ein Versuch, durch Kunst die Zusammenhänge zwischen unserem Lebensstil und dessen Auswirkungen auf die Umwelt aufzuzeigen und dadurch Menschen zum Überdenken gewisser Gewohnheiten anzuregen. Stadtforschung und Statistik 1/ 08

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Unbedingte Empfehlung: Studieren Vicky Colbert de Arboleda, UNICEF-Leiterin, Kolumbien Überall auf der Welt ist qualitativ hochwertige Bildung die Basis, auf der eine Gesellschaft beruht. Mariana Galarza, Medizinerin, Ecuador Ich hätte nichts anderes tun können, weil ich mich sonst bereits zu Lebzeiten wie tot gefühlt hätte. Albina Ruiz Rios, Abfallentsorgerin, Peru Jedes Mal, wenn eine Familie durch einen Müll-Minijob Geld bekommt, um frisches Brot zu kaufen oder Kinder in die schule zu schicken, ist es ein herrliches Gefühl für mich. Ines Sanguinette, Choreografin, Argentinien Keine Revolution ohne Freude und keine Freude ohne Revolution. Maria Emilia Correa, Soziologin, Chile Jede Entscheidung in einem Unternehmen hat auch soziale und ökologische Konsequenzen. Wirtschaft geschieht nicht im luftleeren Raum. David Bussau, Gründer einer Investmentgesellschaft, Australien Wenn du arm bist, hast du keine Wahlmöglichkeit. Du bist ökonomisch entmachtet. Ich will Menschen zu der Fähigkeit verhelfen, wählen zu können. Das ist für die Entwicklung einer Person entscheidend. Safia Minney, Modemacherin, Japan Ich bin eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Aber nur wegen des Geldes mein Unternehmen zu betreiben, wäre gähnend langweilig und sinnentleert. Junko Edahiro, Übersetzerin, Japan Der Verlust der Verbundenheit mit der Natur ist eine der Wurzeln unserer heutigen Probleme. Dr. Gonvindappa Venkataswamy, Augenarzt, Indien Ich hatte die Möglichkeit zu helfen, also tat ich das. Solange Menschen leiden, geht man nicht in Rente. Roma Debabrata, Tänzerin, Indien Auch wenn ich morgen dabei umkomme, kann ich mit meinem Leben nichts Besseres machen. Ashok Khosla, Physiker, Indien Trotz des schnellen Erfolgs und der hervorragenden Perspektiven hatte ich nicht das Gefühl, das zu tun, wofür ich bestimmt war. Isaac Shongwe, Unternehmer, Südafrika Für mich stand schon früh fest, dass ich auf dem Sterbebett nicht sagen wollte, mein Leben lang konsumiert zu haben – inmitten eines Meeres an Armut. Meine Existenz sollte die Welt zum Positiven verändern. Charles Maisel, Wirtschaftswissenschaftler, Südafrika Heute werden viele Menschen in ihren Betrieben nicht wie eigenständig denkende und handelnde Erwachsenen behandelt. Florian Krämer, Sozialwissenschaftler, Südafrika Jeden Morgen, wenn ich die Kinder sehe, weiß ich, dass ich das Richtige tue. Njogu Kahare, Agrarwissenschaftler, Kenia Meine Verpflichtung ist die Verbesserung meiner eigenen Existenz, aber auch der Existenz der Menschen um mich herum.

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Weg von dem eindimensionalen Denken der Profitmaximierung

Wirtschaftliche Sozialunter­ nehmer sind die Lösung Muhammad Yunus, Bangladesch

Viele der Probleme, die es in der Welt gibt, werden nicht gelöst, weil wir beständig den Kapitalismus zu eng auslegen. In dieser engen Auslegung entwerfen wir einen eindimensionalen Menschen, der die Rolle des Unternehmers spielen darf. Wir isolieren ihn von den anderen, beispielsweise den religiösen, emotionalen oder politischen Dimensionen des Lebens. Er widmet sich voll und ganz der einen Mission in seinem Geschäftsleben – der Profitmaximierung. Unterstützung erhält er von Massen eindimensionaler Menschen, die, mit demselben Ziel vor Augen, ihn mit ihren Investitionsgeldern ausstatten. Mit eindimensionalen Investoren und Unternehmern funktioniert das Spiel des freien Marktes bestens. Und noch immer sind wir so fasziniert vom Erfolg des freien Marktes, dass wir es nie gewagt haben, Zweifel daran zu äußern. Wir haben besonders hart gearbeitet, um uns so gut wie möglich in die von der Theorie vorgegebenen eindimensionalen Menschen zu verwandeln und so ein reibungsloses Funktionieren der Mechanismen des freien Marktes zu ermöglichen. Die Wirtschaftstheorie postuliert, dass man den bestmöglichen Beitrag zur Gesellschaft und der Welt leistet, wenn man sich bloß darauf konzen-

triert, das Maximum für sich selbst herauszuholen. Wenn man für sich selbst das Maximale herausholt, holen auch alle anderen das Maximale für sich heraus. Während wir ergeben diesem Grundsatz folgen, überkommen uns manchmal Zweifel, ob wir das Richtige tun. Die Dinge stehen nicht gerade zum Besten, wenn man sich so umsieht. Schnell fegen wir die Zweifel beiseite, indem wir all diese schlechten Dinge auf »Marktversagen« zurückführen; schließlich können gut funktionierende Märkte keine unerfreulichen Ergebnisse hervorbringen. Dass die Dinge schief laufen, liegt, meines Erachtens, nicht an »Marktversagen«. Das Problem geht viel tiefer. Seien wir tapfer und gestehen uns ein, dass es an »Konzeptualisierungsversagen« liegt. Oder, genauer gesagt, daran, dass wir es in unserer Theorie nicht schaffen, das Wesen des Menschen zu erfassen. Menschen sind keine eindimensionalen Gebilde, sondern erstaunlich mehrdimensional und bunt. Ihre Emotionen, ihr Glaube, die Vorlieben und Verhaltensmuster lassen sich passender anhand einer Analogie zu den Grundfarben und den Millionen von ihnen hervorgebrachten Farben und Farbtönen beschreiben.

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Wirtschaftliche Sozialunternehmer Angenommen, wir postulieren eine Welt mit zwei Arten von Menschen, die, obgleich beide eindimensional sind, unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Bei der einen Art handelt es sich um den bestehenden, d.h. auf Profitmaximierung ausgerichteten Typ. Die zweite Art ist ein neuer, nicht an Profitmaximierung interessierter Typ. Diese Menschen widmen sich völlig dem Ziel, in der Welt etwas zu bewegen. Sie werden von gesellschaftlichen Zielen angetrieben. Sie möchten anderen Menschen zu einer besseren Chance im Leben verhelfen. Sie möchten ihre Zielsetzungen durch den Aufbau bzw. die Unterstützung zukunftsfähiger Wirtschaftsunternehmen erreichen. Ob ihre Unternehmen nun Gewinne erzielen oder nicht, sie dürfen, wie alle anderen Unternehmen auch, keine Verluste einfahren. Sie gründen eine neue Art von Unternehmen, die man als »kein-Verlust« Unternehmen bezeichnen könnte.

Zu enger Kapitalismusbegriff

Keine Verluste einfahren

Findet man den zweiten Menschentyp in der wirklichen Welt? Ja. Kennen wir nicht alle »Gutmenschen«? Gutmenschen sind jene, die im formalen Sprachgebrauch als »Social Entrepreneurs«, als »Sozialunternehmer« bezeichnet werden. Das Sozialunter63


Wirtschaftliche Sozialunternehmer sind die Lösung

Helfen bereitet Vergnügen

nehmertum ist wesentlicher Bestandteil der Menschheitsgeschichte. Den meisten Menschen bereitet es Vergnügen, anderen zu helfen. Sämtliche Religionen bestärken diese Qualität beim Menschen. Regierungen belohnen sie durch Steuervergünstigungen. Es werden besondere rechtliche Strukturen für sie geschaffen, so dass sie zur Verfolgung ihrer Ziele juristische Personen bilden können. Manche Sozialunternehmer wenden Geld zum Erreichen ihrer Ziele auf, andere setzen ihre Zeit, Arbeitskraft, Talente, Fähigkeiten oder sonstige Beiträge ein, die für andere von Nutzen sind. Jene, die Geld aufwenden, versuchen unter Umständen einen Teil des Geldes oder das gesamte Geld zurück zu erlangen, das sie in ihre Arbeit gesteckt haben, indem sie eine Gebühr oder einen Preis hierfür berechnen.

Künstliche Arbeits­ teilung zwischen Markt und Staat

Sozialunternehmer, die Geld aufwenden, lassen sich in vier Typen unterteilen: a) Keine Kostendeckung b) Teilweise Kostendeckung c) Volle Kostendeckung d) Mehr als volle Kostendeckung Sobald ein Sozialunternehmer bei 100-prozentiger oder darüber hinausgehender Kostendeckung agiert, betritt er die Geschäftswelt mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten. Dieser Augenblick ist es wert, gefeiert zu werden. Er hat die Schwerkraft der finanziellen Abhängigkeit überwunden und ist nun bereit abzuheben! Dies ist der entscheidende Augenblick einer bedeutenden institutionellen Transformation. Er ist von der Welt der Wohltätigkeit in die Geschäftswelt übergetreten. Um ihn von den anderen beiden

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Arten der oben aufgeführten Sozialunternehmer unterscheiden zu können, bezeichnen wir ihn als »wirtschaftlichen Sozialunternehmer«. Mit Einführung der wirtschaftlichen Sozialunternehmer wird der Markt interessanter und konkurrenzbetonter. Interessanter, weil nun zwei verschiedene Arten von Zielsetzungen mitmischen und somit zwei verschiedene Bezugssysteme für die Preisbestimmung entstehen. Konkurrenzbetonter, weil es nun mehr Akteure gibt als vorher. Diese neuen Akteure können genauso aggressiv und geschäftstüchtig beim Erreichen ihrer Ziele auftreten wie die anderen Unternehmer. Wirtschaftliche Sozialunternehmer können sich zu äußerst mächtigen Akteuren in der nationalen und der internationalen Wirtschaft entwickeln. Würde man die heutigen Aktiva sämtlicher wirtschaftlicher Sozialunternehmer weltweit zusammenrechen, der Anteil betrüge noch nicht einmal ein ultradünnes Scheibchen des Weltwirtschaftskuchens. Dies ist nicht etwa auf einen grundsätzlichen Mangel an Wachstumspotential, sondern vielmehr darauf zurückzuführen, dass man ihre Existenz weder konzeptionell anerkannte noch ihnen Raum auf dem Markt einräumte. Man hält sie für Freaks und verweigert ihnen den Zugang zur etablierten Wirtschaft. Wir schenken ihnen keine Aufmerksamkeit, weil uns die an unseren Schulen gelehrten Theorien verblenden. Wenn es nun einmal wirtschaftliche Sozialunternehmer in der wirklichen Welt gibt, ergibt es keinen Sinn, ihnen keinen Raum in unseren konzeptionellen Bezugssystemen einzuräumen. Sobald wir sie

anerkennen, werden unterstützende Institutionen, politische Strategien, Vorschriften, Normen und Bestimmungen entstehen, die ihnen diesen Zugang zur etablierten Wirtschaft ermöglichen werden. Der Markt gilt nicht nur als gänzlich ungeeignete Institution zum Angehen sozialer Probleme, sondern wird als Institution begriffen, die wesentlich zur Schaffung sozialer Probleme (Umweltgefährdungen, Ungleichheit, gesundheitliche Probleme, Arbeitslosigkeit, Ghettos, Kriminalität etc.) beiträgt. Da der Markt nicht fähig ist soziale Probleme zu lösen, wird die Verantwortung hierfür dem Staat übertragen. Diese Regelung galt als einzige Lösung – bis zur Schaffung von Planwirtschaften, in denen der Staat alles übernahm und den Markt abschaffte. Dies währte jedoch nicht lange. Mit dem Verschwinden der Planwirtschaften sind wir wieder bei der künstlichen Arbeitsteilung zwischen Markt und Staat angelangt. Bei dieser Regelung wird der Markt in eine exklusive Spielwiese für jene verwandelt, die ihren persönlichen Nutzen suchen und eindeutig die gemeinsamen Interessen der Gemeinschaften und der Welt als Ganzem ignorieren. Nun, da die Wirtschaft mit unvorhergesehener Geschwindigkeit expandiert, persönliche Vermögen unvorstellbare Höhen erreichen, technologische Innovationen diese Geschwindigkeit zunehmend beschleunigen, die Globalisierung droht, schwache Volkswirtschaften und Arme von der Wirtschaftskarte zu tilgen, ist es an der Zeit, wesentlich ernsthafter als bislang die wirtschaftlichen So-

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Wirtschaftliche Sozialunternehmer sind die Lösung zialunternehmer in Erwägung zu ziehen. Es besteht nicht nur keine Notwendigkeit, den Markt ausschließlich jenen zu überlassen, die nur ihren persönlichen Nutzen suchen, es ist vielmehr extrem schädlich für die Menschheit als Ganzes dies zu tun. Es ist an der Zeit, von der engen Auslegung des Kapitalismus abzurücken und den Marktbegriff durch eine vollständige Anerkennung der wirtschaftlichen Sozialunternehmer zu erweitern. Sobald dies erfolgt ist, können wirtschaftliche Sozialunternehmer den Markt überschwemmen und dafür sorgen, dass sich der Markt genauso effizient für soziale Zwecke nutzen lässt wie für persönliche Ziele.

Sozialbörse Wie unterstützt man die Bildung wirtschaftlicher Sozialunternehmer? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um ihnen zunehmend größere Marktanteile zu ermöglichen? Erstens müssen die wirtschaftlichen Sozialunternehmer in unserer Theorie gewürdigt werden. Studenten muss gelehrt werden, dass es zwei Arten von Geschäften gibt: a) Geschäfte, um Geld zu verdienen und b) Geschäfte, um anderen Gutes zu tun. Junge Menschen müssen lernen, eine Entscheidung für sich zu treffen: Welche Art von Unternehmer möchten sie sein? Wenn wir eine noch weitere Auslegung des Kapitalismusbegriffes zulassen, bieten wir ihnen größere Möglichkeiten, diese beiden Grundtypen in dem für ihren Geschmack genau richtigen Verhältnis miteinander zu mischen. Zweitens müssen wir die wirtschaftlichen Sozialunternehmer und die Sozialinvestoren in der Wirtschaft sichtbar machen. So

lange die wirtschaftlichen Sozialunternehmer im kulturellen Umfeld der derzeitigen Börsen agieren, werden sie auch weiterhin durch die bestehenden Normen und den Handelsfachjargon eingeschränkt. Sie müssen eigene Normen, Standards, Maßeinheiten, Bewertungskriterien und eine eigene Terminologie entwickeln. Dies ist nur durch die Schaffung einer separaten Börse für wirtschaftliche Sozialunternehmen und Investoren möglich. Man könnte sie Sozialbörse nennen. Hierher kommen Investoren, um ihr Geld für die Sache, an die sie glauben, und in das Unternehmen, das sie für das Erreichen dieses besonderen Ziels am geeignetsten halten, anzulegen. Unter Umständen sind an dieser Sozialbörse auch einige Unternehmen notiert, die ausgezeichnet beim Erreichen ihres Ziels sind und gleichzeitig nebenher sehr attraktive Gewinne erwirtschaften. Es ist offenkundig, dass derlei Unternehmen beide Arten von Investoren, die sich an sozialen Zielen orientierenden wie auch die auf persönlichen Nutzen gerichteten, anzieht. Durch das Erzielen von Gewinnen wird ein Unternehmen nicht automatisch als wirtschaftliches Sozialunternehmen disqualifiziert. Entscheidender Faktor in diesem Zusammenhang ist, ob das soziale Ziel auch weiterhin das übergreifende Ziel des Unternehmens ist und sich eindeutig in dessen Entscheidungsfindung widerspiegelt. Es wird strenge, eindeutig definierte Zutritts- und Austrittskriterien sowohl für die Berechtigung eines Unternehmen zur Notierung an der Sozialbörse als auch für den Verlust dieses Status geben. Und schon bald werden Unternehmen auftau-

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chen, die erfolgreich soziale Ziele und persönlichen Nutzen miteinander verbinden. Es wird Entscheidungsregeln dafür geben, bis zu welchem Punkt diese sich noch für den Zutritt zur Sozialbörse qualifizieren und ab welchem Punkt sie sie verlassen müssen. Investoren müssen davon überzeugt sein können, dass die an der Sozialbörse notierten Gesellschaften auch wirklich wirtschaftliche Sozialunternehmen sind. Gemeinsam mit der Schaffung der Sozialbörse müssen auch Ratingagenturen, geeignete Wirkungsbewertungsinstrumente und Indizes geschaffen werden, um zu erfassen, welches wirtschaftliche Sozialunternehmen mehr und/ oder Besseres als andere leistet, so dass Sozialinvestoren korrekt orientiert werden. Dieser Wirtschaftszweig wird sein eigenes Social Wall Street Journal und seine eigene Social Financial Times brauchen, um all die spannenden, aber auch die schrecklichen Nachrichtenstories und Analysen herauszugeben, die die Sozialunternehmer und -investoren mit sachgerechten Informationen und Vorwarnungen versorgen und auf dem Laufenden halten. Die betriebswirtschaftlichen Fakultäten der Universitäten können anfangen, Sozial-MBAs hervorzubringen, sowohl um den Bedarf der wirtschaftlichen Sozialunternehmer zu decken, als auch um junge Menschen auf eine eigene Karriere als wirtschaftlicher Sozialunternehmer vorzubereiten. Meines Erachtens werden junge Menschen mit Begeisterung auf die Herausforderung reagieren, bedeutende Beiträge zur Welt zu leisten, indem sie wirtschaftliche Sozialunternehmer werden.

Soziale Ziele und persönlichen Nutzen verbinden

Bewertung der wirtschaftlichen Sozialunternehmer

Sozial-MBA

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Wirtschaftliche Sozialunternehmer sind die Lösung

Die Finanzen regeln

Das Beispiel: Die Grameen Bank

Die Finanzierung für die wirtschaftlichen Sozialunternehmer muss geregelt werden. Es werden neue Bankfilialen entstehen müssen, die sich auf die Finanzierung von sozialunternehmerischen Vorhaben spezialisieren. Neue »Engel« werden die Szene betreten müssen. Sozial-Risikokapitalgeber müssen den wirtschaftlichen Sozialunternehmern die Hände reichen.

Ein möglicher Anfang

Vom Kredit ohne Sicherheit ...

zur unabhängigen Bank

Eine gute Art, mit der Schaffung von wirtschaftlichen Sozialunternehmen zu beginnen, wäre die Ausrichtung eines Gestaltungswettbewerbs. Es könnte einen lokalen, regionalen und auch globalen Wettbewerb geben. Preise für eine erfolgreiche Gestaltung werden in Form einer Finanzierung für die Unternehmen oder als Partnerschaft für die Realisierung der Projekte verliehen. Sämtliche eingereichten Vorschläge zu Sozialunternehmen können veröffentlicht werden und so den Gestaltern der nächsten Durchläufe als Ausgangspunkt oder jenen als Idee dienen, die ein wirtschaftliches Sozialunternehmen gründen möchten. Die Sozialbörse an sich kann von einem wirtschaftlichen Sozialunternehmer als wirtschaftliches Sozialunternehmen gegründet werden. Eine Wirtschaftshochschule oder auch mehrere Wirtschaftshochschulen gemeinsam können dies als Projekt starten und beginnen, bedeutende Geschäftstransaktionen zu tätigen. Wir dürfen nicht erwarten, dass ein wirtschaftliches Sozialunternehmen von Anfang an alle Antworten auf ein so-

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ziales Problem liefern kann. Höchstwahrscheinlich wird es schrittweise vorankommen. Jeder Schritt kann zur nächsten Erfolgsebene führen. Die Grameen Bank ist in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel. Bei der Gründung der Grameen Bank gab es keinen Plan, dem ich hätte folgen können. Ich habe einen Schritt nach dem anderen unternommen, stets in dem Glauben, dass dies mein letzter Schritt sein würde. War es aber nicht. Dieser Schritt führte mich zu einem weiteren Schritt, der so interessant erschien, dass es schwerfiel ihm auszuweichen. Und dieser Situation sah ich mich jedes Mal aufs Neue ausgesetzt. Meine Arbeit begann damit, dass ich einigen wenigen Menschen ohne jegliche Sicherheiten einen kleinen Geldbetrag gab. Dann wurde mir bewusst, wie positiv die Menschen darauf reagierten. Ich brauchte weiteres Geld zur Ausweitung des Programms. Um Zugriff auf Bankgelder zu erhalten, bot ich mich als Bürge an. Um die Unterstützung einer weiteren Bank zu erhalten, wandelte ich mein Projekt in ein Projekt der Bank um. Später verwandelte ich es in ein Projekt der Zentralbank. Mit der Zeit wurde mir klar, dass die beste Strategie für die Erledigung unserer Arbeit in der Gründung einer unabhängigen Bank bestehen würde. Also taten wir dies. Wir verwandelten das Projekt in eine formale Bank, die Kredite bei der Zentralbank aufnahm, um Darlehensnehmern Geld leihen zu können. Nachdem Spender Interesse an unserer Arbeit zeigten und uns unterstützen wollten, erhielten wir von internationalen Spendern Darlehen und Zuschüsse. Irgendwann entschieden wir uns für Unabhängigkeit. Dies

brachte uns dazu, uns auf den Aufbau eines eigenen Kapitalstocks durch die Hereinnahme von Einlagen zu konzentrieren. Mittlerweile verfügt die Grameen Bank über mehr Geld in Einlagen als sie an Krediten vergibt. Ihre Kredite von durchschnittlich unter 200 $ an 4,5 Millionen Kreditnehmer belaufen sich auf insgesamt eine halbe Milliarde Dollar jährlich, wobei die Rückzahlungsrate bei 99 Prozent liegt. Wir haben viele Programme in der Bank eingeführt: Wohnungsbaudarlehen, Studiendarlehen, Pensionsfonds, Darlehen für den Kauf von Mobiltelefonen für die ›Telephone Ladies‹ in den Dörfern, Darlehen an Bettler als Grundlage für eine Vertretertätigkeit. Ein Programm nach dem anderen. Wenn wir das richtige Umfeld schaffen, können wirtschaftliche Sozialunternehmer einen bedeutenden Marktanteil einnehmen und den Markt auf stets innovative und effektive Weise zu einer spannenden Austragungsstätte sozialer Kämpfe machen. Machen wir Ernst mit wirtschaftlichen Sozialunternehmern. Sie können diese düstere Welt freundlicher machen.

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Untersuchungen beim Zahnarzt – Statistik ohne Zahlen

Neumitglieder stellen sich vor Auch diesmal haben wieder einige der Neumitglieder die Gelegenheit genutzt, um sich hier kurz vorzustellen; sei es nun mit der Ergänzung von zugeschickten Halbsätzen oder durch ein paar kurzen Zeilen über sich. Und auch in diesem Jahr wird wieder deutlich, dass Statistiker alles andere als humorlos sind. Wir sind eben ganz normale Leute, zumindest weitgehend. Lesen Sie selbst, was drei der neuen VDSt-ler über sich von sich geben.

Als gebürtige Potsdamerin verbrachte ich in meiner Heimatstadt auch meine Schulzeit, die ich 1999 mit dem Abitur beendete. Nach dem Abitur begann ich in Greifswald an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität ein Geographiestudium mit den Nebenfächern Öffentliches Recht und Geologie. Nach dem erfolgreichen Abschluss als Diplom-Geographin im Jahr 2005 absolvierte ich ein 3-monatiges Praktikum bei der Stadt Köln im Amt für Stadtentwicklung und Statistik unter Leitung von Herrn Breuer, um praktische Arbeitserfahrungen zu sammeln. Hier beschäftigte ich mich mit der Prüfung des Analysewerkzeugs CommonGIS hinsichtlich dessen Sach­dienlichkeit für Analyse- und Auswertungszwecke statistischer Daten und schnupperte so das erste Mal in die Arbeit einer kommunalen Statistikstelle hinein. Bereits mein erstes Vorstellungsgespräch war von Erfolg gekrönt und seit Mai 2006 arbeite ich im Referat Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Braunschweig im Bereich Statistik und Stadtforschung. Hier bin ich insbesondere in den Bereichen Wirtschaft und Arbeitsmarkt tätig und beschäftige mich mit Analysen regionaler Beschäftigten- und Arbeitsmarkt­strukturen. Weiterhin arbeite ich im Bereich der Bevölkerungsstatistik und Wohnungsmarkt­beobachtung. Letztere interessiert mich insbesondere, da ich mich in meiner Diplomarbeit mit dem Thema des Stadtumbau Ost und Integrierten Stadtentwicklungskonzepten intensiv auseinander gesetzt habe. Mit Freude und Neugier sehe ich meiner VDSt-Mitgliedschaft entgegen und erhoffe mir viele hilfreiche Anregungen und Tipps für meinen weiteren Weg im Bereich der Städtestatistik.

Juliane Hübner, Diplom-Geographin, Stadt Braun­schweig, Referat Stadtentwicklung und Statistik, Arbeitsgruppe Statistik und Stadtforschung, Reichsstraße 3, 38100 Braunschweig, juliane.huebner@braun­ schweig.de

Eine gute Statistik erkennt man daran, dass sie für jedermann verständlich ist. Statistiken liefern wichtige Informationen, aber keine Problemlösungen. Die liebste Statistik ist mir die Bundesliga Fußball-Tabelle. Die Statistik steht vor dem Problem, dass sie nicht immer beachtet wird. Ein Computer ist für mich eine riesige Arbeitserleichterung. Vor allem eines sollte Städtestatistik leisten: Entwicklungspotentiale und Probleme auf­ zeigen, die es zu lösen gilt. Ein Tag ohne Statistik ist auch mal schön. Umfragen nützen dem, der sie liest, die Probleme erkennt und Lösungsansätze unter­ breitet. Ich hasse Untersuchungen beim Zahnarzt. Wer ohne Zahlen argumentiert, baut oftmals auf Sand. Wenn ich in einer eigenen Tabelle einen Fehler entdecke, verbessere ich diesen.

Marko Ubozynko, Diplom-Verwaltungswirt, Stadt Recklinghausen, Fachbereich 31/4 – Statistik, Rathausplatz 3, 45657 Recklinghaussen, marko.ubozynko@reckling­hau­ sen.de

Statistiken liefern wichtige Informationen, aber keine Handlungsempfehlungen. Ein gute Tabelle erkennt man an ihrer Aufmachung und dem damit zusammenhän­ gendem Aussagewert. Wichtig bei einer Grafik ist, dass diese die Dinge so widerspiegelt, wie diese auch tat­ sächlich sind. Der zu einer Statistik gehörende Text ist häufig unabdingbar, damit das Zahlenmaterial richtig interpretiert werden kann. Mein Lieblingsgebiet in der Statistik ist die Bevölkerung.

Axel Weber, Stadt Esslingen am Neckar, Stadtplanungs- und Stadtmessungsamt, Ritterstraße 17, D-73728 Esslingen am Neckar axel.weber@esslingen.de

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Links und rechts der Kieler Förde Wenn ich in einer eigenen Tabelle Fehler entdecke, so ärgere ich mich und korrigiere diesen umgehend. Datenschutz ist für mich wichtig. Statistik und Politik, das ist eine heikle Angelegenheit. Ein Computer ist für mich ein wichtiges Arbeitsmittel. Anke Wörner, Diplom-Geographin, Stadt Frankfurt am Main, Bürgeramt, Statistik und Wahlen, Zeil 3, 60313 Frankfurt, anke.woerner@stadt-frankfurt.de

Statistik ist für mich die Welt in Zahlen und Bildern. Eine gute Statistik erkennt man daran, dass sie interessant und selbsterklärend – weil empfängerorientiert – ist. Der zu einer Statistik gehörende Text sollte kurz und prägnant die Ergebnisse beschrei­ ben. Ohne Statistik ist die Welt wie ein Blatt im Wind. Zwar unbeschwerter, aber ohne Rückblick und Tendenzen nicht dazu fähig, für alle ein Stück besser zu werden. Vor allem eines sollte Städtestatistik leisten: Fundierte Argumentations- und Planungs­ grundlagen für Politik und Verwaltung. Die Stadt, in der ich arbeite, ist die Stadt, in der ich auch gerne lebe und meinen Feier­ abend verbringe.  Die Welt ohne Statistik ist wie Statistik ohne Zahlen.

Viertes Treffen der EX-AG in Kiel – Nun waren es 18

Links und rechts der Kieler Förde Erhard Hruschka, Ahrensburg

Marine-Ehrenmal Laboe. Foto: Ludwig von Hamm

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Lange vor der Statistischen Woche 2007 hatte Dr. von Hamm, Freiburg, im Auftrag des VDST die früher in Amt und Würden stehenden Kommunalstatistiker und Stadtforscher als mögliche Teilnehmer am „kulturellsportlichen Programm“ der von ihm ins Leben gerufenen Ex-AG über das vorgesehene Treffen vor der Statistischen Woche in Kiel mit einem vorläufigen Programm informiert und zur Teilnahme ermuntert. Es war an alles gedacht: Wanderungen mit interessanten ‚Randbesichtigungen’, Naturerlebnisse am Ostseestrand, ein hochaktueller Vortrag eines kompetenten Klimaforschers, gemütliches Beisammensein zum Gedankenaustausch über gerade eben und früher Erlebtes. Es durfte – vom vorsichtigen Planer berücksichtigt – auch nicht der ‚Schlechtwetterplan’ fehlen, konzentriert

auf Ausstellungen und Museumsbesuche in SchleswigHolstein. Vorweggesagt: zu dieser Alternative musste es nicht kommen, da es das Wetter überwiegend gut mit den Teilnehmern meinte und manches vorsorglich mitgebrachte Regencape eingepackt bleiben konnte.

Freitag Erwartungsvoll die Stimmung am Vorabend des Programms: wer würde kommen, wie viele insgesamt, was war jetzt konkret angesagt? Erfreulich der Rundblick an der Tafel im Kieler Hotel Consul: mit 18 Anmeldungen konnte die Ex-AG die bisher stärkste Beteiligung verzeichnen, einige Kollegen trafen sich nach manches Mal längerer Zeit, die Wetterprognose verhieß hauptsächlich Gutes.

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Links und rechts der Kieler Förde

Samstag Der Start am Samstagmorgen an der Schiffsanlegestelle beim Hauptbahnhof Kiel schien manchen Zweiflern am guten Wanderwetter des Tages Recht zu geben, aber schon bald dominierte der gewünschte herbstliche Sonnenschein. Die Fahrt ging quer über die Kieler Förde nach Mönkeberg auf dem östlichen Ufer, dann wurde von fast allen, die gut zu Fuß waren, mehr als 8 Kilometer gewandert bis nach Laboe. Vorbei an Möltenort, mit Gelegenheit zur Besichtigung des 1938 errichteten U-BootEhrenmals (zum Gedenken an mehr als 35.000 gefallene U-Bootfahrer aus beiden Weltkriegen). Laboe, lange Zeit nur Ausflugsziel zum Besuch des imponierenden Bauwerks Marine-Ehrenmal und des davor liegenden, 1943 in Dienst gestellten U 995 (‚Technisches Museum’), hat sich in den letzten Jahren zu seinem Vorteil zu einem eigenständigen und stark frequentierten touristischen Anziehungspunkt mit florierender Gastronomie und Hotellerie verändert. Dies mildert die – nicht nur für Statistiker – erschreckenden Daten zum Tod von mehr als 150.000 Seeleuten in beiden Weltkriegen, dokumentiert in den gruftartig angelegten Hallen des Ehrenmals, und die bedrückende Enge auf dem ehedem mit rund 50 Mann fahrenden U-Boot.

azentrum 1972 wurde auf dem Weg ein Besuch abgestattet und dem in diesen Herbsttagen immer noch gut frequentierten Fremdenverkehrsort Strande. Ab hier wurde – entlang der im strahlenden Sonnenschein liegenden Förde – auf deren Westufer zum Bülker Leuchtturm gewandert und nach dessen Besteigung sowie restaurativer Stärkung ein längerer Fußweg in idyllischer Küstenlandschaft des Ostseeufers angeboten und (mit einiger Anstrengung) gemeistert. Der Regionalbus brachte die zum Teil etwas strapazierten Wanderer wieder in ihre Herberge (soweit sie nicht zwischendurch zur Vorstandssitzung des VDST enteilt waren).

Montag Montagmorgen: vor dem offiziellen Beginn der Statistischen Woche, hatte die Ex-AG noch zu einem frühen Vortrag über den globalen Klimawandel, dargeboten von Professor Dommenget vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, eingeladen. Sollte man sich als Ex-AGler das antun (mit einem Frühstück ab 6 Uhr)?

Erfreulich: fast alle waren zur Stelle (und beschämten die offiziell auch eingeladenen Teilnehmer der Statistischen Woche, von denen nur eine (1!) Dame den Weg zu einem hoch interessanten, hervorragend präsentierten und in der Diskussion außerordentlich lebhaften sowie instruktiven Gespräch gefunden hatte). Ein Höhepunkt, mit dem die Ex-AG von sich aus ein Zeichen gesetzt hat! Nicht zu vergessen die mittäglichen und abendlichen Gelegenheiten zum ‚gemütlichen Beisammensein’ mit Kollegen (und vielen langjährigen Freunden). Erstaunt war man nach den vielen Gesprächen, dass Pensionierung vielfach nicht Ruhestand bedeutet, sondern die Erkundung neuer Ufer und die Anwendung erworbenen und fundierten Wissens auf neuen Feldern. Ex-AG 2008 im Frühjahr in Saarbrücken und im Herbst zur Statistischen Woche in Köln? Hier kann man als zufriedener Teilnehmer aus Kiel nur Nestroy zitieren „Nie ohne dieses!“.

Sonntag Das sonntägliche Programm des zweiten Tages war mehr der Begegnung mit Natur und Landschaftsbildung gewidmet: es musste dabei ordentlich marschiert werden. Zunächst ging es per Bus nach Norden über den Nord-Ostsee-Kanal nach Schilksee – dem Olympi-

Pause für einige der Ex-AG; stehend v.l.n.r. Hanna und Friedrich von Klitzing, Martin Schlegel, Heinz Grohmann, Erika Schlegel, Rita und Horst Schmollinger, Ludwig von Hamm, Manfred von Schaewen, Erhard Hruschka. Sitzend v.l.n.r.: Hedwig Hruschka, Eberhard Frank, Ernst-Joachim Richter, Klaus Trut­ zel, Erika von Schaewen. Foto: Klaus Trutzel

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Nachbetrachtung zur Statistischen Woche 2007

Kiel, die saubere Sache Martin Schlegel, Hagen

Rankingproblem

Pausengespräch

Bildung ist IN

„Das ist ja wie Arbeit“ merkte ein Kollege an, als Ex-AG-Chef Ludwig von Hamm erklärte, am nächsten Tag beginne das Programm um 8.20 Uhr. Aber alle sind gerne früh aufgestanden und jeder Tag hat sich gelohnt. Alleine schon der DommengetVortrag war eine Reise nach Kiel wert. Auch das Hauptwerk dieser Kieler-Woche war vortrefflich gelungen. Daten und Analysen für das kommunale Monitoring sind zweifelsfrei eine gefragte Materie. Es hat sich wohl herumgesprochen, dass sich die Statistische Woche zu einem Erfolgsmodell gemausert hat. Und so konnte Chef-Organisator Hans Teschner schon vier Wochen vor der Tagung mit sichtlichem Stolz auf 450 Anmeldungen hinweisen. So viele waren es noch nie; Bildung ist wieder „IN“. Hermann Breuer hatte aber auch wieder eine gut abgestimmte Mischung zusammengestellt. Doch konnte auch er nicht verhindern, dass der eine oder andere Referent dem Plenum einiges abverlangte.

So muss ich gestehen, dass ich für den Vortrag von Frau Sturm wohl zu langsam war. Diesem Bilder-Sturm war ich nicht gewachsen. Erst jetzt kann ich die Informationsmenge aufnehmen und begreife im Nachhinein, wie informativ und wichtig die Analysen sind, die sie in Kiel vorgetragen hat. Denn dankenswerter Weise haben Frau Meyer und Frau Sturm einen Artikel über das Thema geschrieben, der für Sie in dieser Ausgabe zur Verfügung steht. Ich habe davon schon profitiert. Aber nicht nur das ist von Bedeutung, was im Vortragsraum zu hören ist. Auch die Pausen bringen Erkenntnisse. Ein Pausengespräch ging um einen Vortrag, in dem der Referent auf die mühsame Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltungsspitze blickte. „Jeder Versuch der Vereinfachung erhöhte die Komplexität.“ war eine Erkenntnis und beim Pausenkaffee konnte jeder ähnliches beisteuern. In einem anderen Pausengespräch kam die Idee auf, eine Ranking-Rangliste

aufzustellen. „Jede Woche wirft ein anderes halbwissenschaftliches Büro ein Ranking auf den Markt, in dem es schnell gesammelte Daten auf undurchschaubare Art mixt. Da ist das eine Ranking doch dümmer als das andere.“ Der VDSt, meinte die Bistro-TischRunde, solle doch mal das dümmste Ranking bestimmen. Manchmal muss man sich eben schmunzelnd über diesen ausufernden Ranking-Unfug zu Wehr setzen. Noch eine Pausenerkenntnis: Ein asymptotischer Redner ist jemand, der seine starken Argumente an den Anfang setzt, dann immer schwächer wird, aber nie aufhört zu reden. An den Schluss der Kieler Nachlese möchte ich ein Statistik freies Erlebnis setzen. Es geschah bei einer Ex-AG-Wanderung. Ein Hund machte einen Haufen auf das neben unserem Weg befindliche Grün. Sofort holte die Besitzerin eine Plastiktüte aus ihrer Tasche, ergriff den Kot und entsorgte ihn im nächsten Abfallkorb. Geht doch.

Die nächste Ausgabe Martin Schlegel, Hagen ... von „Stadtforschung und Statistik“ erhalten Sie Mitte September. Blockieren Sie etwas Zeit oder lassen Sie sich zu einer langweiligen Sitzung einladen. Sie 70

erfahren dann etwas über die Erreichbarkeit von Großstädten und über die Einwohnerentwicklung von Stadt und Umland. Dazu werfen Sie einen Blick auf die Eisenbahnstatistik, ein kleinräumiges

Kaufkraftmodell und eine Befragung von Waldbesuchern. Das Kapitel Statistik und Migrationshintergrund ist uns sogar mehr als nur einen Beitrag wert.

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Wenn es ihn nicht gäbe, müssten wir ihn jetzt gründen

25 Jahre KOSIS-Verbund Klaus Trutzel und Wolf Schäfer, Nürnberg

Dass der „Verbund zur Nutzung, Weiterentwicklung und Pflege des statistischen Informationssystems – KOSISVerbund“ nun schon 25 Jahre Bestand hat, ist nicht nur der Beharrlichkeit einiger Aktivisten unter den deutschen Städtestatistikern zu verdanken. Sondern es hat auch damit zu tun, dass der KOSIS-Verbund auch heute noch eine wichtige Funktion als Selbsthilfeorganisation der Kommunalstatistik hat. Weil aber nach 25 Jahren nicht mehr alle heute Beteiligten eigene Erinnerungen an die Entstehungsgeschichte von KOSIS haben können, soll sie hier noch einmal erzählt werden. Nach der ersten Zusammenkunft der Direktoren städtestatistischer Ämter (1879) richtete sich hundert Jahre lang die Zusammenarbeit im Verband Deutscher Städtestatistiker (VDSt – seit 1904 ein eingetragener Verein) auf fachlichen Erfahrungsaustausch und gemeinsame Interessenvertretung gegenüber Landes- und Bundesstatistik. Dies änderte sich in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als Automationsvorhaben und die beginnende Datenschutzdiskussion neue Herausforderungen stellten. In dieser Zeit entstanden als neue Quellen für kleinräumige Aufbereitungen – über Zählblätter staatlicher Statistiken hinaus – kommunale Register, städtestatistische Gebäude- und Arbeitsstättendateien und nicht zuletzt eigene Erhebungen, deren Auswertung von Hand nicht zu bewältigen war. Auch stellten die

immer häufiger geforderten kleinräumigen Bevölkerungsprognosen und Modellrechnungen neue Anforderungen an die Datenverarbeitungskapazität städtestatistischer Ämter.

Von DATUM e.V. … Das Bundesforschungsministerium hatte mit den Vorhaben PENTA und REST wichtige Methodenentwicklungen für die Statistik und Stadtforschung gefördert. Mit dieser finanziellen Unterstützung hatte DATUM e. V. als eine von der öffentlichen Hand und Infas getragene Forschungs- und Dienstleistungseinrichtung mit einer Reihe von großen Städten bereits wichtige Entwicklungsarbeit geleistet. Das GEOCODE-Projekt kann noch heute als wegweisend für die weitere Entwicklung des Raumbezugssystems in den Städten betrachtet werden. Aber auch PROGNOS gehörte zu den Institutionen, die u. a. mit der Regionalen Wohnungsmarktanalyse zeigten, welcher Erkenntnisgewinn für die Stadtentwicklung mit modernen Methoden und Instrumenten der Stadtforschung zu erzielen war. Als dann nach dem Auslaufen der Forschungs- und Entwicklungsvorhaben des Bundes DATUM e.V. in Konkurs ging, drohten dessen Wissen und die entwickelten Instrumente unterzugehen. Weder die KGSt noch der Deutsche Städtetag (DST) oder das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) waren bereit und in der

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Lage, die entstandene institutionelle Lücke zu schließen. Was lag näher, als in dem vor wenigen Jahren neu installierten VDSt-Ausschuss „Kommunalstatistik und Verwaltungsautomation“ nun die Sache selbst in die Hand zu nehmen und zu versuchen, die städtestatistischen Ämter zu befähigen, die notwendigen Leistungen selbst zu erbringen. So heißt es in der Niederschrift über die 19. Sitzung des Ausschusses: „Am 12. und 13. Juni 1980 beriet er in Wiesbaden über Mittel und Wege, nach Jahren isolierter Einzelbemühungen und dem Auslaufen des 3. DV-Förderungsprogramms des Bundes, diese DVInstrumente der kommunalen Statistik und Planung auf breiterer Basis nachhaltig zu verbessern. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit sieht der Ausschuss in einer kooperativen Verfahrensentwicklung die beste Chance, um die mit den beiden Forschungsvorhaben REST (Statistisches Landesamt Berlin) und PENTA (DATUM e. V.) begonnene Standardisierung der DV-Komponenten des Statistischen Informationssystems weiterzuführen, die Wartung und Pflege der Programmbausteine sicherzustellen und ihre Verbreitung zu unterstützen.“

Aktiver VDSt

DATUM-Konkurs

… zum KOSIS-Ver­ bund Doch ohne Finanzierung war die notwendige Entwicklungsleistung nicht zu erbringen. Der VDSt als eine mit dem DST 71


25 Jahre KOSIS-Verbund

Start mit Berlin, Duisburg, Hamm, Erlangen, Nürnberg

Hilfe vom DST

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zwar eng verbundene aber doch rechtlich rein private Personenvereinigung konnte diese Aufgabe selbst nicht schultern. So entwickelte sich in einem kleinen Kreis engagierter Fachkollegen die Idee zur Gründung des kooperativen „Verbundes zur Nutzung, Weiterentwicklung und Pflege des kommunalen statistischen Informationssystems – KOSISVerbund“. In Nürnberg hatte man mit der kooperativen Organisation der Stadtentwicklung gute Erfahrungen gemacht, in Berlin war man selbst an der Entwicklung von Statistik- und Stadtforschungswerkzeugen beteiligt und in Stuttgart ging gerade das FE-Vorhaben zuende, in dem mit der Automation des Einwohnerwesens den Städten eine Auswertungsgrundlage des Einwohnerbestandes und der Einwohnerbewegungen geschaffen wurde. Dazu kamen Vorreiter einer modernen Stadtentwicklungsplanung wie Erwin Rothgang aus Wuppertal. Nach einer „Erhebung über die Nutzung, Weiterentwicklung und Pflege der DV-Programme des kommunalen Statistischen Informationssystems“ vom Juli 1980 über den Sachstand in 30 interessierten Städten nahm der Ausschuss konkrete Vorverhandlungen zur Gründung eines Verbundes auf. Am 06./07. November 1980 berichtete der Vorsitzende des Ausschusses Kommunalstatistik und Verwaltungsautomation über das Vorhaben im Statistischen Ausschuss des Deutschen Städtetages. Schließlich wurde mit Unterstützung des Deutschen Städtetages (Sigmund Wimmer) nach einem entsprechenden Präsidiumsbeschluss vom 25.05.1981 der KOSIS-Verbund am 01. Dezember 1981 in Nürnberg aus der Taufe gehoben. Seine Mitglieder sollten

nicht Privatpersonen, wie im VDSt, sondern vor allem die Städte selbst sein. Zu den ersten Mitgliedern zählten die Städte Berlin, Duisburg, Hamm, Erlangen und Nürnberg. Der vom Ausschuss-Vorsitzenden mit Datum 05.06.1981 im Statistischen Ausschuss des DST vorgelegte Entwurf einer „Geschäftsordnung“ für den Verbund wurde auf der 2. Sitzung des KOSIS-Verbundes am 10. Februar 1982 in Wiesbaden mit kleinen Änderungen beschossen. Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses waren für viele Jahre Klaus Trutzel, Alfred Christmann und Erwin Rothgang.

Die KOSIS-Gemein­ schaften ... Die damals gefundene Konstruktion des Verbunds hat sich bis heute bewährt. Der KOSISVerbund ist die Dachorganisation für die KOSIS-Gemeinschaften. Für Gemeinschaftsprojekte von mindestens fünf Städten können sich unter seinem Dach KOSIS-Gemeinschaften bilden, die ihre Inhalte und ihre Arbeitsweise wie auch die Kostenverteilung im jeweiligen Gemeinschaftsprojekt weitgehend selbst bestimmen. Jede Gemeinschaft wählt eine Betreuende Stelle, die sie nach außen vertritt. Die Vertreterinnen und Vertreter der Betreuenden Stellen bilden in ihrer Gesamtheit den Geschäftsführenden Ausschuss. Seine Aufgabe ist es, die Projekte so weit wie möglich untereinander abzustimmen und die Ausrichtung auf die gemeinsame übergeordnete Zielsetzung sicherzustellen. Mitgliedschaft und Trägerschaft sind so geregelt, dass die Willensbildung im KOSIS-Verbund mehrheitlich kommunal bestimmt bleibt. Der Verbund hat selbst kein eige-

nes Vermögen. Er erhebt keine Mitgliedsbeiträge und legt Verwaltungsausgaben, die etwa durch Gemeinschaftsveranstaltungen wie Ausstellungen bei den Statistischen Wochen entstehen, auf die beteiligten KOSIS-Gemeinschaften um. Aus den 5 Gründungsmitgliedern ist inzwischen eine Gemeinschaft von 120 Städten und Landkreisen, 9 Statistischen Landesämtern und über 20 weiteren öffentlichen bzw. öffentlich getragenen Institutionen geworden, darunter auch die Städte Amsterdam, Helsinki und Klagenfurt sowie der Kanton Zürich und Statistics Austria. Die Mitglieder treffen sich in ihrer Gesamtheit – über die Tagungen der einzelnen Gemeinschaften hinaus – einmal im Jahr zur Mitgliederversammlung, die früher beim Deutschen Städtetag in Köln stattfand und heute meist mit der Frühjahrstagung des VDSt verknüpft wird.

... für unterschied­ liche Aufgaben Der Abschluss des PENTA-Projektes gehörte zu den ersten Vorhaben des KOSIS-Verbunds. Auch die kleinräumige Bevölkerungsprognose SIKURS gehörte dazu. Die sie tragende KOSIS-Gemeinschaft besteht bis heute fort. Seine konzeptionelle und programmtechnische Grundform wurde aus dem Nachlass von Datum e. V. gerettet und wird bis heute von ehemaligen Datum-Mitarbeitern fachlich und technisch im Werkauftrag gepflegt. Die ursprüngliche Wartungsgemeinschaft „Raumbezug und maschinelle Kartierung“ wirkt heute in den KOSIS-Gemeinschaften „AGK“ und „KORIS“ weiter. Aus der von der seinerzeitigen Bundesanstalt für Landeskun-

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Industriestatistik de und Raumordnung (BFLR) geförderten „Methodenstudie Wohnungsmarktbeobachtung“ entwickelte sich die Gemeinschaften „Adresszentraldatei, Gebäudedatei und kleinräumige Gliederung (AGK)“, und auch die „Koordinierte Haushalte- und Bevölkerungsstatistik“ mit ihrer Haushaltegenerierung sowie das Vorhaben „Innerstädtische Raumbeobachtung“ des heutigen Bundesamtes für Bauwesen und Raumordung (BBR) geht auf die Methodenstudie zurück. Besonderes Gewicht erlangte die Entwicklung der Kernprogramme des kommunalen Statistischen Informationssystems SIS unter der Federführung von Köln und DUVA mit seinerzeit Stuttgart als Betreuender Stelle. Als die weitere Entwicklung des auf Großrechner ausgerichteten SIS eingestellt wurde, schlossen sich die meisten SISAnwender der DUVA-Gemein­ schaft an. Zu den ursprünglich ausschließlich auf die Entwicklung und Pflege der Instrumente des Statistischen Informationssystems ausgerichteten KOSIS-

Vorhaben sind inzwischen die Sammlung und Bereitstellung städtevergleichender Daten hinzugekommen. Hierzu gehören vor allem die AG KOSTAT für die Sammlung kleinräumiger Daten für Gebiete unterhalb der Stadtebene und das sog. Urban Audit. In der KOSIS-Gemeinschaft Urban Audit wirken gegenwärtig 40 deutsche Städte mit, als deutsche Gruppe im europäischen Städtevergleich mit über 350 Städten unter der Federführung von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaft und mitfinanziert von der Generaldirektion Regionalpolitik der Europäischen Kommission.

Selbsthilfe­ organisation bleibt wichtig Was woanders als wichtiger Schritt der Verwaltungsreform gefeiert wird, ist bei den Städtestatistikern mit dem KOSISVerbund schon seit 25 Jahren Realität: Durch interkommunale Zusammenarbeit werden Software-Entwicklungen, die sich die einzelne Stadt in der Regel gar nicht leisten könnte,

für die beteiligten Städte erst erschwinglich. Die Marktmacht, die sich durch gemeinsam organisierte Nachfrage nach Software-Produkten in Form von Rahmenverträgen stellt, kann für günstige Rabattregelungen genutzt werden, wie dies z.B. bei der verbilligte Beschaffung der Statistik-Standardsoftware SPSS oder von GIS-Produkten der Firma ESRI der Fall war. Die Erkenntnis, dass Kooperation bei Aufgaben, die sich für die Partner gleichermaßen stellen, einfach weiter bringt, war Ausgangspunkt für die KOSISGründung und gibt dem Verbund auch heute seinen Sinn. Wer sich nur vergegenwärtigt, welche Entwicklung die Datenverarbeitung in den letzten 25 Jahren allein mit dem Siegeszug des PCs genommen hat und welche Investitionssummen inzwischen in der DV-Infrastruktur der Städte stecken oder auch bei neuen Aufgaben aufgewendet werden müssen, kann einschätzen, als wie sinnvoll die Gründung des KOSISVerbunds sich erwiesen hat, und sich erklären, warum diese Selbsthilfeorganisation der Städtestatistik heute noch eher wächst als schrumpft.

Haushaltegenerierung

DUVA

Anrüchig und zartfühlend

Industriestatistik Martin Schlegel, Hagen „Da es wohl nur wenigen Kapitalisten einfällt, derartige Berechnungen über ihr eigenes Geschäft anzustellen, so schweigt die Statistik fast absolut über das Verhältnis des konstanten Teils des gesellschaftlichen Gesamtkapitals zum variablen Teil. Nur der amerikanische Zensus gibt, was unter den heutigen Ver-

hältnissen möglich: die Summe der in jedem Geschäftszweig gezahlten Arbeitslöhne und der gemachten Profite. So anrüchig diese Daten auch sind, weil nur auf unkontrollierten Angaben der Industriellen selbst beruhend, so sind sie doch äußerst wertvoll und das einzige, was wir über den Gegenstand haben. In Europa sind wir viel

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zu zartfühlend, um unseren Großindustriellen dergleichen Enthüllungen zuzumuten.“ Klar sagt Karl Marx hier in Band III von seinem „Kapital“: Statistik bringt Informationen und deswegen sträuben sich manche dagegen. Das gilt heute immer noch; wir können ein Lied davon singen. 73


Stadtforschung und Statistik

Die Redaktion Wenn Sie sich schon mal gefragt haben, wer eigentlich hinter der Zeitschrift steckt, dann bekommen Sie gleich eine Antwort. Hier sind die Leute, die Sie immer wieder mit dieser Zeitschrift versorgen.

Nadeldrucker

Faktorenanalyse

Aufbruchstimmung

Tiefpunkt

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Hubert Harfst, Hannover Als ich am 15. Januar 1971 die Treppen in das Dachgeschoss des Herner Rathauses hochstieg, um meinen ersten Job im dortigen Amt für Statistik und Stadtforschung anzutreten, konnte ich als frisch diplomierter Sozialwissenschaftler nicht ahnen, dass es bis heute 38 Jahre Statistik werden sollten. 38 Jahre Statistik – wie kann man das aushalten? Es begann richtig spannend. Zu Beginn der 70ger Jahre waren Stadtforschung und Statistik in Aufbruchstimmung. Mit dem „Entwicklungsprogramm Ruhr“ hatte das Land Nordrhein-Westfalen die ersten Schritte weg von einem reaktiven Krisenmanagement, hin zu einer bewussten und gezielten Gestaltung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung einer Region getan. Da gleichzeitig die kommunale Neugliederung anstand, gab es für Stadtforschung und Statistik viel zu tun. Und man müsste im wahrsten Sinne des Wortes noch richtig Hand anlegen. Die rein mechanischen Kurbelrechner wurden gerade von „supermodernen“ halbmechanischen Rechenmaschinen von Commodore (mit Leuchtanzeige), Diehl, Triumph oder Olympus abgelöst. DATUM e. V., eine Gründung der Städte, bot Computer-Auswertungen der Volkszählung 1970 und – der letzte Schrei – Bevöl-

kerungspyramiden an. Das waren ‚XXXX‘, die mit einem Nadeldrucker auf Tabellierpapier mit Zuglöchern („Grünweiß“ genannt) gedruckt wurden. Sensationell auch die erste Faktorenanalyse für Städte, die Horst Kuchenbecker, Leiter der Hagener Statistik, rechnete. Städtestatistik hatte Konjunktur. Allein 1973/1974 nahm der VDST 28 neue Mitglieder auf. Stuttgart war ab 1974 meine nächste Station. Es galt unter anderem, die für 1975 geplante Grundstücks-, Gebäude-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung vorzubereiten. Ja – damals plante man wirklich, zwischen den Volkszählungen jeweils städtebauliche Daten zu erheben. Nach mehreren Probezählungen wurde das Projekt dann aus Kostengründen eingestellt. Und es sollte noch schlimmer kommen. Statistik war nicht mehr „in“. Für viele war damals (und manchmal auch heute noch) Entbürokratisierung gleich Statistik abschaffen. Das Scheitern der Volkszählung 1983 war dann der Höhepunkt – besser der Tiefpunkt. Es machte keinen Spaß mehr. Persönlich konnte ich das erst einmal nach meiner Berufung nach Hannover kaschieren und mich auf ein Arbeitsgebiet stürzen, das ich bisher nur am Rande kennen gelernt habe. Ich konnte als Wahlamtsleiter und Wahlleiter Wahlen organisieren. Die Volkszählung 1987 überschattete dann Alles. In Hannover und in fast allen

Städten, so schien es, ging nicht mehr. Klaus Trutzel, dessen Stellvertreter ich dann im Vorstand des VDST sein durfte, hat nicht nur uns wieder Perspektiven gezeigt. Statistikgesetze, abgeschottet Statistikstelle, KOSIS, DUVA – Hannover war dabei. Als Anfang der 90er Jahre das hannoversche Amt aufgelöst und als Abteilung einen zentralen Steuerungsamt zugeordnete wurde, halfen die überregionalen Kontakte uns über eine Durststrecke hinweg. Im Ansatz vielleicht gut gedacht, hatte das Amt für Koordinierung, Controlling und Stadtentwicklung keinen Erfolg. Erst recht nicht die Statistik. Höhepunkt war die „StatistikHannover-Protest-Zahl“, die in der amtlichen Kreisstatistik für immer Aufmerksamkeit erregen wird. 1998 gibt es für Hannover nämlich keine Baustatistik, weil die Stelle ersatzlos gestrichen wurde. Die Kreisstatistik weist nur 7 fertig gestellte Wohnungen aus. Mit der Fachbereichgründung ist das alles Historie. Der Bereich Statistik und Wahlen ist beim Fachbereich Zentrale Dienste, ab 2006 Fachbereich Steuerung, Personal und Zentrale Dienste gelandet. Ich habe im Herbst 2006 zufrieden mein 40-jähriges Dienstjubiläum gefeiert und kann (muss aber nicht) bis zu meiner Pensionierung Ende September 2011 noch einmal alle Wahlen und den Zensus 2011 mitmachen.

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Die Redaktion

Claudia Horch, Essen Diplom-Geografin und Raumplanerin ETH / NDS, geb. 28.11.1961 in Bochum, lebe mit meiner Familie in Essen Ich habe in Bochum Geografie mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialgeografie studiert und während des Studiums als wissenschaftliche Hilfskraft bei einem Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung gearbeitet. Nach dem Diplom ging ich Anfang der 1990er Jahre als Leiterin eines Beratungsprojektes zum Aufbau wirtschaftsnaher Infrastruktur in den Südraum Leipzig (Kreise Borna / Sachsen und Altenburg / Thüringen) und arbeitete anschließend von Bochum aus in verschiedenen strukturpolitischen Projekten in NRW. 1994 absolvierte ich das Nachdiplomstudium Orts-, Regional- und Landesplanung an der ETH Zürich und schrieb meine Abschlussarbeit an der TU Delft zu Stadterneuerungsprozessen in Amsterdam und Düsseldorf. Mit dem Schwerpunkt „Vergleich Niederlande / Deutschland“ war ich anschließend an der Uni Kassel im Fachgebiet kommunale Entwicklungsplanung in Forschung und Lehre tätig. Seit sieben Jahren arbeite ich beim Regionalverband Ruhr. Als Leiterin des Teams „Strukturanalyse und –entwicklung“ entwickle und begleite ich regionale Initiativen zur Gesundheitswirtschaft und zur Gestaltung des demografischen Wandels. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen erstelle ich Regionalanalysen, wobei der Fokus auf der Analyse der Wirtschafts- und Sozialstruktur als Grundlage für die Gestaltung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Ruhrgebiet liegt.

Ich engagiere mich im interdisziplinären „Frauennetzwerk Ruhrgebiet“ für die Integration von Gender Mainstreaming in Prozesse der Stadt- und Regionalentwicklung.

Dr. Helga KreftKettermann Leiterin der Abteilung Stadtund Regionalentwicklung, Statistik im Stadtplanungsamt der Stadt Münster Ein kurzer Überblick zur beruflichen Entwicklung: Nach dem Lehramtsstudium Sek II und I an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster mit den Schwerpunkten Geographie und Anglistik, Promotion 1987 zum Dr. Phil mit einem verkehrsgeographischen/verkehrswirtschaftlichen Thema: Die Nebenbahnen im österreichischen Alpenraum. Danach wissenschaftliche Mitarbeiterin in der geographischen Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Autorin verschiedener Themenkarten des Atlas von Westfalen, hier u. a. zum Bereich Schienenpersonen- und Schienengüterverkehr, darüber hinaus diverse Publikationen zu stadt- und regionalplanerischen Themen. Seit 1995 bei der Stadt Münster beschäftigt; zunächst als Leiterin der Fachstelle Verkehrsentwicklungsplanung, seit 2001 verantwortlich für den Bereich Stadt- und Regionalentwicklung, Statistik. Und schließlich wurde auch der Beruf zum Hobby, was die zahlreichen Mitgliedschaften und Funktionen zeigen: Mitglied im Vorstand des VDST, Vorsitzende der AG Nord West des VDST, Sprecherin der AG Zensus im DST NRW, stellvertretende Sprecherin des AK Stadtforschung, Statistik, Wahlen des

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Deutschen Städtetages, Gaststatus in der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung, Landesgruppe NRW, Mitglied der Geographischen Kommission für Westfalen und Mitglied der Fachkommission Stadtentwicklungsplanung des Deutschen Städtetages. Und die private Seite: Es gibt auch viele Hobbys, die nicht mit Zahlen, Daten, Fakten, Analysen, Strategien und Konzepten zu tun haben und dazu zählen ausdrücklich Reisen, Berg- und Kraxeltouren in den Dolomiten, Skifahren im Zillertal und Keyboard spielen.

Bochum, Leipzig, Zürich, Delft, Kassel, Essen

Geographie, Anglistik, Atlas, Verkehrs­entwick­ lungs­planung, Statistik

Dr. Ernst-Joachim Richter, Oberhausen Geboren wurde ich in Kassel und machte dort auch mein Abitur an der Wirtschaftsoberschule. Anschließend studierte ich zunächst Betriebswirtschaft an der Universität Frankfurt/ Main und besuchte u.a. Vorlesungen und Seminare bei den Professoren Gunzert, Blind und Hartwig. Ich muß gestehen, damals interessierte mich Oswald von Nell-Breuning mehr als Stichprobenverfahren.Der unverzichtbare „Betonkurs“, vier Stunden am Samstagmorgen bei Prof. Hartwig, war für einen Jazzfreund, begeisterten Hörer von Albert Mangelsdorff und damit häufigen Besucher des Frankfurter Jazzclubs „domicile“ eine Herausforderung, die die „Statistik“ nicht gerade zu meinem Lieblingsfach machte. Mein weiterer Studienweg führte nach Innsbruck. Nach dem Diplom als Volkswirt promovierte ich am Institut für Finanzwissenschaft bei Professor Smekal und beschäftigte mich in meiner Dissertation intensiv mit statistischen Analysemethoden. 75


Die Redaktion

Jazz, domicile, Ski, Bergwandern, Freizeitforschung, Statistik

Schach, Spiele, Statistik

Bevölkerungsprognosen, Mietspiegel, Haushalte­ generierung, Bürger­ umfragen, GIS-gestützte Analysen

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Wie das Leben manchmal so spielt! In Innsbruck erweiterten sich auch meine Hobbys nachhaltig um die Aktivitäten Skifahren und Bergwandern. Die Bergleidenschaft führte mich in späteren Jahren auf den Kilimandscharo, in die Anden und in den Himalaya. Meine Berufstätigkeit begann beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit in Bonn- Bad Godesberg mit der Geschäftsführung der Projektgruppe „Freizeit“ und in engem Zusammenhang damit die Entwicklung der Freizeitforschung. Nach einer kurzfristigen Tätigkeit als Forschungsreferent an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer wechselte ich 1976 zum Amt für Statistik und Wahlen in Oberhausen und beendete dort 2006 meinen aktiven Dienst. Wenn mir jemand damals in Frankfurt gesagt hätte, dass die Statistik einmal Beruf und mehr für mich werden würde, ich hätte nur verständnislos den Kopf geschüttelt. Aber die Statistik begleitet mich noch heute und die Termine unserer Tagungen haben in meinem Kalender ebenso einen festen Platz wie das Moers Festival und North Sea Jazz.

Roland Richter, Duisburg Amt für Statistik, Stadtforschung und Europaangelegenheiten Geboren wurde ich am 7. November 1952 in Lauchhammer, gelegen im Süden des heutigen Bun­deslandes Bran­den­burg (früher Bezirk Cottbus, Kreis Senftenberg). Nach zwei Jahren an der dortigen Polytechnischen Ober­schu­le erfolgte die „Übersiedlung“ nach Gelsenkirchen-Rott­hausen. Meine

Jugend verbrachte ich in Bergkamen-Ober­ aden, zum Studium der So­zial­wis­senschaften zog ich 1978 nach DuisburgNeudorf. Wie man sieht: Vom ge­bürtigen Nie­der­lausitzer zum zugewanderten, aber inzwischen eingefleischten Ruhrgebietler. Nach dem Studium, das ich 1985 als Diplom-Sozialwissenschaftler beendete, arbeitete ich als Wis­sen­schaft­li­cher Mitarbeiter in einem zweijährigen DFG-Forschungsprojekt der Universität Duisburg. In diesem Projekt des Fach­bereiches „Kommunale Sozialpolitik“ ging es um die kommunalen Handlungschancen gegenüber dem Pro­blem Jugendarbeitslosigkeit. 1988 bereits wechselte ich in das damalige Amt für Statistik und Stadtforschung des Stadt Duis­burg. Die Tä­tig­keiten, mit denen ich seit dieser Zeit und in diesem Amt beschäftigt war, sind uns allen wahrscheinlich recht ver­traut: Pflege und Fortentwicklung des Statistischen In­for­mationssystems, Bevölkerungsprognosen, Haushalts­ge­ ne­rierung, Mietspiegelumfragen und –berechnungen, um nur einige zu nennen. Die genaue Anzahl der in diesem Zeit­raum und un­ ter meiner Verantwortung und Mitarbeit durchgeführten Allgemeinen Bürgerumfragen, Kun­den­­befragungen aber auch Arbeitsstättenbefragungen ist genau so wenig leicht zu er­mitteln wie die Zahl der Wahl­nachtsberichte und der anschließenden WähleranalyseVortragstouren durch die Ortsvereine diverser Par­teien. Wie in anderen Städten auch hat sich das „statistische“ Tätigkeitsspektrum des Duisburger Am­­tes (und damit auch meines) in den letz­ten Jahren hin zu kleinräumigen, GIS-gestützten Ana­lysen fortentwickelt. Die z.T. verantwortliche

Mit­ar­beit an amtsübergreifenden Projekten wie der Sozial­ be­richt­er­stattung oder div. anderen Stadtentwicklungsprojekten nimmt im­mer mehr der sowieso knap­pen Arbeitszeit in Anspruch. Die zweimal im Jahr stattfindenden Re­dak­tions­sit­ zun­gen von „Stadt­forschung und Statistik“ haben hier deshalb eine gewisse ent­span­ nende Funktion.

Martin Schlegel, Hagen 1946 begann für mich das Spiel des Lebens. Die ersten Jahre waren eine feine Sache, dann begann die Schule. Um dem schulischen Lernzwang zu entgehen, flüchtete ich mich immer mal wieder zu einer Partie Schach. Dort war ich durchaus erfolgreich – z.B. mit der Jugendmannschaft NRWMeister – und dort auch lernte ich, dass Erfolg mit viel Arbeit verbunden ist. Nach dem Abitur zog es mich zum Studium der Betriebswirtschaftslehre nach Münster, das ich als Diplom-Kaufmann abschloss. Dann startete ich beim Amt für Statistik und Stadtforschung in Hagen, wurde dort 1983 Amtsleiter; eine Position, die ich bis zu meinem Vorruhestand Ende 2004 innehatte. Ich war, bin und bleibe ein passionierter Statistiker. Die Welt der Zahl und Logik liegt mir näher; weshalb ich immer mal wieder auch sage: „Ich bin Statistiker und also auf die Welt gekommen, um zu rechnen, nicht um zu reden.“ Nebenbei – jetzt im Vorruhestand natürlich etwas stärker – erfinde ich Spiele und habe es da schon auf gut 30 Publikationen gebracht. Eines – „Aqua Romana“ – schaffte 2006 den Sprung auf die Nominierungsliste zum Spiel des Jahres,

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Zukunft im Herzen Europas musste aber „Thurn und Taxis“ den Vortritt lassen. Ein anderes Hobby ist das Reisen. Die erste weitere Tour sollte 1969 einen Freund und mich per VW Käfer nach Südafrika führen, doch für das Auto war die Sahara zu anstrengend. So waren wir zu einer Zielumformulierung gezwungen und kamen nur bis Togo. Bei Fernreisen bin ich geblieben, aber nicht mehr mit dem Auto

Horst-Jürgen Wie­ nen, Bochum, 68 Jahre alt, Städtischer Verwaltungsdirektor a. D., arbeitete in den Bereichen Städtestatistik, Stadtforschung und

Stadtentwicklungsplanung von 1965 bis zur Pensionierung 2002, zunächst von 1965 bis Mai 1966 in der damals so bezeichneten Provinzialhauptstadt Münster/Westfalen als wissenschaftlicher Referent im dortigen Statistischen Amt und danach als Amtsleiter in der Stadt Bochum/Ruhrgebiet. Überörtlich war er insbesondere tätig für den VDSt -Verband Deutscher Städtestatistiker- , den DST -Deutscher Städtetag- , die KGSt -Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung- sowie als Gutachter (Ministerien, europäische Einrichtungen). Die Ergebnisse seiner Arbeit schlugen sich unter Anderem in gut 100 Veröffentlichungen

aller Art nieder – wie etwa in Monografien, dokumentierten Vorträgen, Artikeln in Zeitschriften und Zeitungen sowie im Internet. Von 1990 bis 2001 leitete er die Redaktion der Verbandszeitschrift und gehört seitdem weiterhin zum Redaktionsteam. Als Ausbildungshintergrund seien überblickartig die folgenden Stationen genannt: Studium von Volkswirtschaft und Publizistik in Münster/Westfalen und Rom/Italien von 1960 bis 1964 mit dem Abschluss als Diplom-Volkswirt sowie von 1969 bis 1971 berufsbegleitendes Studium der Geografie in Bochum mit dem Abschluss der Promotion zum Dr. rer. nat.

Münster, Rom, Bochum; Volkswirtschaft, Publi­ zistik, Geografie

Frühjahrstagung – Willkommen in Saarbrücken

Zukunft im Herzen Europas Rainer Waespi-Oeß, Saarbrücken Luftaufnahme von Saarbrücken

Die Landeshauptstadt Saarbrücken ist das Oberzentrum des Saarlandes und eines der Zentren der Saar-Lor-Lux-Region. Saarbrücken mit seinen über 180 000 Einwohnern ist das wirtschaftliche Herz des eine Million Menschen zählenden Saarlandes, außerdem ein bedeutender Hochschul- und Forschungsstandort und die Kulturhauptstadt des Landes. Die Metropole im Saartal bietet aber auch Lebensqualität mit Natur und Erholung in einem reizvollen Umland und das ganz spezielle saarländische Flair – die Kunst, die schönen Seiten des Lebens zu genießen.

Die Landeshauptstadt des Saarlandes kann auf eine interessante und wechselhafte über 1000-jährige Geschich­ te zurückblicken. Entstanden ist die heutige Großstadt 1909 aus drei Städten: dem barock geprägten Saarbrücken, dem bürgerlichen Handelsplatz St. Johann und dem industriell geprägten Malstatt/Burbach. Wer die Stadt am Fluss heute erkundet, gelangt von der mittelalterlichen Burganlage schnell auf die Spuren des großen Barockbaumeisters Friedrich Joachim Stengel, der wie kein anderer das heutige Stadtbild geprägt hat. Die drei

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Zukunft im Herzen Europas lung wachsen neue Start-ups der Technologie-Branche im Umfeld der exzellenten Hochschulinstitute und Forschungseinrichtungen der Stadt. In Saarbrücken werden am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz oder dem Max-Planck-Institut neueste Anwendungen etwa für UMTS-Handys, Sprachcomputer oder intelligente Systeme entwickelt. Die Zahl der IT-Firmen in der Landeshauptstadt wächst beständig, hinzukommen neue Schwerpunkte in der Nano- und Biotechnologie.

Rathaus von Saarbrücken

schönsten Plätze Saarbrückens – Schlossplatz, Ludwigsplatz und St. Johanner Markt – sind die Eckpunkte der Stengelschen Stadtanlage. Gegenüber der barocken Schlossanlage hat das Bürgertum der Gründerzeit seine architektonischen Spuren hinterlassen. Besonders eindrucksvoll ist das neugotische von Georg von Hauberrisser erbaute Rathaus St. Johann mit seinem über 50 Meter hohen Turm. Saarbrücken ist heute der Wirtschaftsstandort der Region. Große Industrieunternehmen und Dienstleiter haben hier ihren Sitz, die ihren Erfolg auf gut ausgebildete Arbeitnehmer stützen können. Die kurzen Wege zu den Entscheidungsträgern im Rathaus und den Landesbehörden sind ein klarer Standortvorteil. Durch konsequente Ansied-

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Saarbrücken, die Metropole im Herzen Europas, auf der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich ist ein attraktiver internationaler Standort. Zieht man eine Linie von Brüssel über Luxemburg bis nach Straßburg – den drei wichtigsten Knotenpunkten der Europäischen Union – so liegt der kürzeste Ausgangspunkt zu diesen Städten im Saarland. Mit einem leistungsfähigen city-nahen Flughafen, Autobahnanschlüssen in alle Richtungen sowie der ICE Bahnverbindung nach Mannheim und Paris ist Saarbrücken schnell erreichbar. In der Stadt mit gut ausgebauten Straßen und hervorragendem ÖPNV-System gibt es immer ein Vorankommen. Saarbrücken ist auch eine lebendige Kulturstadt. Das renommierte saarländische Staatstheater bietet Opern, Schauspiel und Ballett der Spitzenklasse, Moderne Kunst ist im Saarland Museum zu sehen. Ergänzt wird dies durch das Historische Museum, das Museum für Vor- und Frühgeschichte sowie ein Museum für sakrale Kunst in der Schlosskirche. Jährliche Anziehungspunkte sind das bedeutendste

Film-Festival für den deutschsprachigen Regienachwuchs, der „Max-Ophüls-Preis“, sowie das einzige deutsch-französische Festival für Bühnenkunst, die „perspectives“. Saarbrücken lockt als Ein­ kaufsstadt jeden Tag Kunden aus dem Saarland, Lothringen, der Pfalz und Luxemburg in die City. Hier kann man in über 200 Fachgeschäften in der modernen Fußgängerzone oder den historischen, malerischen Gassen und Innenhöfen rund um den St. Johanner Markt herrlich einkaufen. Bei gutem Wetter pulsiert das Saarbrücker Leben unter freiem Himmel, in kleinen Bistros, Kneipen oder unzähligen Restaurants. Und das alles ist in Saarbrücken nur einen Steinwurf entfernt von der Natur. Das grüne Saarufer und der Bürgerpark laden mitten in der Stadt zum Ausruhen ein. In wenigen Minuten erreicht fast jeder Bewohner zu Fuß den Wald, denn mit einem Waldanteil von 65 Prozent ist Saarbrücken eine Stadt im Grünen. Umgeben ist die Stadt zudem von idyllischen Weihern, Feldern und Wiesen. Ein wenig davon wird trotz des immer vollen Tagungsprogramms auch während der Frühjahrstagung 2008 zu erleben sein. Saarbrücken heißt die Städtestatistiker willkommen.

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Zahlenkolonnen oder -friedhöfe Martin Schlegel, Hagen

Im Kasten lesen Sie eine Pressemitteilung vom 26. 4. 2007. Wenn Tageszeitungen solche Mitteilungen übernehmen, und das tun sie aus Arbeitsersparnis im Prinzip gerne, wird der eine oder andere Leser sich fragen: Erst Mitte 2007 erfährt man etwas über 2005? Geht das denn nicht schneller? Wir wissen, dass Statistik häufig Zeit braucht. Ob diese Entschuldigung nun hier hilft, sei aber dahingestellt. Doch denke ich mir, dass nicht viele Leser von Tageszeitungen oder Anzeigenblättern diesen kurzen Text zu Gesicht bekamen. Und das ist auch gut so. Denn dem Journalisten werden

beim Überfliegen der Zeilen die Ohren geklingelt haben. Am Ende des Textes angekommen wird er ratlos auf das Papier gestarrt und sich gefragt haben, was er da gerade gelesen hat. Bei dieser Pressemitteilung sieht man vor einem Wald von Zahlen die Nachricht nicht mehr. Über 30 Zahlen birgt der kurze Text, da ist die Grenze des Zumutbaren längst überschritten. Die Spitzenleistung ist der letzte Satz: 14 Zahlen verhindern die Information. Manchem muss man’s ins Morgengebet mogeln: Weniger ist mehr!

Pro Streckenabschnitt des Schienennetzes fährt alle 17 Minuten ein Zug Im Jahr 2005 fuhr auf den 2.876 Streckenabschnitten des deutschen Schienennetzes im Durchschnitt alle 17 Minuten ein Personen- oder Güterzug. Das zeigt eine neue Erhebung zur Auslastung des Schienennetzes. Dabei wurde das insgesamt 38.200 Kilometer lange Schienennetz in Abschnitte unterteilt, deren Länge (Luftlinie) zwischen 20 Metern (um große Knotenpunkte) und 68 Kilometern (zwischen Fulda und Kassel-Wilhelmshöhe) variiert und die mehrere parallele Gleise umfassen können. Durchschnittlich fahren auf diesen Streckenabschnitten 30.800 Züge im Jahr, daraus errechnet sich die oben aufgeführte Fahrfrequenz von fast vier Zügen pro Stunde und Streckenabschnitt. Das deutsche Schienennetz wird in erster Linie vom Personenverkehr genutzt. Insgesamt fuhren 89 Millionen Züge im Jahr 2005 auf den einzelnen Netzabschnitten, 69 Millionen davon waren Personenzüge (in Ballungsräumen vor allem SBahnen). Am häufigsten durchfuhren Züge dabei Bereiche im Umfeld von Eisenbahnknotenpunkten. Ganz vorn lagen die Verbindungen München Hauptbahnhof – München Pasing, München Hauptbahnhof – München Ost, auf denen alle zwei Minuten ein Personenzug verkehrte (324.000 Zugbewegungen im Jahr 2005). Insgesamt wurden 2.707 Netzabschnitte im Personenverkehr genutzt. Davon wurden 389 Abschnitte mindestens alle sechs Minuten von einem Zug passiert (mehr als 50.000 Fahrten im Jahr), weitere 840 Strecken wiesen zwei bis sechs Züge pro Stunde (20.000 bis unter 50.000 Fahrten) auf und 628 Netzabschnitte kamen auf ein bis zwei Züge pro Stunde (zwischen 10.000 und unter 20.000 Fahrten im Jahr).

Braunschweiger Statistik So machte man früher Schau­ bilder. Diese Grafik stammt aus dem 1. Braunschweiger Statis­ tischen Jahrbuch von 1936.

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Autorenverzeichnis Bartella, Raimund, Deutscher Städtetag, Köln, raimund.bartella@staedtetag.de Bömermann, Hartmut, Dipl.-Soz., Referatsleiter, Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Berlin, hartmut.boemermann@statistik-berlin.de Dollinger, Dr. Britta, Amtsleiterin, Amt für Wahlen, Statistik und Stadtforschung, Wiesbaden, dr.britta.dollinger@wiesbaden.de Harfst, Hubert, Diplom-Sozialwirt, Städt. Direktor, Fachbereich Zentrale Dienste – Bereich Wahlen und Statistik der Stadt Hannover, hubert.harfst@hannover-stadt.de Heitkamp, Dr. Thorsten, Diplom-Ingenieur, Dortmund, European Centre for Housing Research und Gesellschafter der StadtRaumKonzept GmbH, heitkamp@gmx.com Horch Claudia, Diplom-Geografin, Raumplanerin ETH NDS, Leiterin des Teams „Strukturanalyse und –entwicklung“ beim Regionalverband Ruhr, Essen, horch@rvr-online.de Hübner, Juliane, Diplom-Geografin, Referat Stadtentwicklung und Statistik, Braunschweig, juliane.huebner@braunschweig.de Hülser, Hans-Walter, Diplom-Volkswirt, Referatsleiter, Referat Stadtentwicklung und Regionalpolitik, Krefeld, h-w.huelser@krefeld.de Hruschka, Prof. Dr. Erhard, Senatsdirektor a.D., Ahrensburg, erhard@hruschka.de Kosack, Klaus-Peter, Diplom-Geograf, Leiter der Statistikstelle im Bürger- und Standesamt Bonn, klaus.kosack@bonn.de Kreft-Kettermann, Dr. Helga, Abteilungsleiterin Stadt- und Regionalentwicklung, Statistik, Münster, krefth@stadt-muenster.de Kreymann, Lars, Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig, lars.kreymann@leipzig.de Kunadt, Susann, Dipl.-Soz., wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Kriminalität in der modernen Stadt“, Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld, susann.kunadt@uni-bielefeld.de Ley, Werner, Diplom-Mathematiker, Magdeburg, Leiter des Amtes für Statistik, werner.ley@stat.magdeburg.de Meyer, Katrin, Diplom-Ökonomin, Referat „Raum- und Stadtbeobachtung“ des BBR Bonn, katrin.meyer@bbr.bund.de Mischke, Dr. Manfred, Diplom-Geograf, Abteilungsleiter Kommunale Statistikstelle Pforzheim, manfred.mischke@stadt-pforzheim.de Nicolini, Dr. Gert, Diplom-Volkswirt, Leiter der Statistikstelle, Leverkusen, gert.nicolini@stadt.leverkusen.de Reinecke, Jost, Prof. Dr., Leiter des DFG-Projektes „Kriminalität in der modernen Stadt“, Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld, jost.reinecke@uni-bielefeld.de Reuband, Prof. Dr. Karl-Heinz, Sozialwissenschaftliches Institut Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, reuband@phil-fak.uni-duesseldorf.de Richter, Dr. Ernst-Joachim, Oberhausen, ejochen.richter@arcor.de, Richter, Roland, Diplom-Sozialwissenschafter, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Amt für Statistik, Stadtforschung, Duisburg, r.richter@stadtduisburg.de Schäfer, Wolf, M.A., Dienststellenleiter, Amt für Stadtforschung und Statistik, Nürnberg, wolf.schaefer@stadt.nuernberg.de Schaewen, Manfred von, Diplom-Volkswirt, Ltd. Stadtverwaltungsdirektor a.D., Stuttgart, mvonschaewen@t-online.de Scharmer, Dr. Marco, Düsseldorf, Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, marco.scharmer@lds.nrw.de Schlegel, Martin, Städtischer Direktor a.D., Hagen, me.schlegel@t-online.de Schmaus, Bruno, Dipl.-Soz., Amtsleiter, Amt für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Heidelberg, schmaus.bruno@heidelberg.de Schönheit, Rainer, Diplom-Ingenieur, Sachgebietsleiter im Stadtentwicklungsamt, Bereich Statistik und Wahlen, Erfurt, rainer. schoenheit@erfurt.de Sturm, Dr. Gabriele, Diplom-Soziologin, Referat „Raum- und Stadtbeobachtung“ des BBR Bonn, gabriele.sturm@bbr.bund.de Trutzel, Klaus, Diplom-Kaufmann, Stadtdirektor a.D., Nürnberg, kum.trutzel@t-online.de Ubozynko, Marko, Diplom-Verwaltungswirt, Fachbereich Statistik, Recklinghausen, marko.ubozynko@recklinghausen.de Waespi-Oeß, Rainer, Amtsleiter, Amt für Entwicklungsplanung, Saarbrücken, rainer.waespi@saarbruecken.de Weber, Axel, Stadtplanugs- und Stadtmessungsamt, Esslingen am Neckar, axel.weber@esslingen.de Wienen, Dr. Horst-Jürgen, Diplom-Volkswirt, Amtsleiter a.D., Bochum, dhwienen@compuserve.de Wörner, Anke, Diplom-Geografin, Bürgeramt, Statistik und Wahlen, Frankfurt, anke.woerner@stadt-frankfurt.de Yunus, Muhammad, Professor der Wirtschaftswissenschaften, Gründer der Grameen Bank, Friedensnobelpreisträger 2006, Bangladesch

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