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TEXTILRESTAURIERUNG

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Volles Leben altes Gemauer

Fotos: © aeliaandthecamera.com & Textilrestaurierung Neugebauer

TEXTILRESTAURIERUNG NEUGEBAUER

Mit Liebe zum Textil

Die Unternehmerin Petra Moldaschl hat zu Beginn dieses Jahres die renommierte Textilrestaurierung Neugebauer übernommen, um gemeinsam mit dem eingespielten Team der Werkstatt kostbare Objekte für die Nachwelt zu erhalten. Die Konstellation aus einer Business-Lady und fünf Damen, die ihr Handwerk verstehen, lässt sich gut an.

Das Team von Textilrestaurierung Neugebauer

TEXTILRESTAURIERUNG NEUGEBAUER –DENN SIE WISSEN, WAS SIE TUN.

Nicht leicht aufzufinden in den unendlichen Weiten des Schlosses Schönbrunn und seiner Seitentrakte, führt eine unscheinbare Tür in ein ganz besonderes Atelier. Auf hohen Tischen und unter guten Lichtquellen sind kostbare Tapisserien, historische Kleidungsstücke, einzigartige Wandmedaillons oder ein bemalter Seidenparavent aufgelegt.

Alles ist bereit, um daran in hochprofessionellen Interventionsschritten zu werken. „Wir behandeln die Objekte wie Prinzessinnen“, erklärt Restauratorin Silvia Zechmeister schmunzelnd, während sie vorsichtig und mit weißen Handschuhen bestückt mehrere Lagen von Seidenpapier von den Textilien hebt.

Zum Vorschein kommt ein wunderschöner Seidenrock, den Kaiserin Elisabeth, hierzulande liebevoll „Sisi“ genannt, in Korfu getragen hat. Dort, wo die Kaiserin sich einen Palast erbauen ließ, den sie besonders gerne bewohnte. Der Rock ist aus Seidentaft gearbeitet, mit zartrosa Stoffbändchen strukturiert und stammt, so wie auch die Bluse, das Mieder und der Unterrock, ursprünglich aus dem Atelier Marie Brauner in München. Die Hofdame hat ein Monogramm an der Innenseite des Oberteils befestigt, auf dem Delphin und Krone zu sehen sind – ein weiterer Beweis, dass dieses Kleid aus der Korfu-Garderobe der Kaiserin stammt. Spannend, wie hier in der Textilwerkstatt recherchiert wird, was man alles wissen kann und wissen muss, bevor eine Restaurierung in Angriff genommen werden kann.

Das kostbare Stück aus dem Besitz des Schlosses Schönbrunn wurde erst kürzlich für die Befundung hierhergebracht. Man fängt mit einer genauen Analyse des Stoffes und des Schnittes an, danach kann mit der vorsichtigen Reinigung begonnen werden.

Besprechung der geplanten Maßnahmen

Offensichtlich wurden bei einer der zwischenzeitlich durchgeführten Restaurierungsarbeiten der Faltenwurf sowie andere Schnittverläufe leicht geändert, und jetzt geht es an die fachlichen Diskussionen: „Kann man das Wagnis einer Rückführung eingehen?“, fragt der zuständige Restaurator der Schönbrunn Group, Martin Siennicki. „Wird der fragile, brüchige Stoff es aushalten?“ Ein Dummy wurde angefertigt, um den Faltenwurf zu simulieren. Das Kleidungsstück soll in Zukunft für eine geplante Präsentation zugänglich gemacht werden. Bis es allerdings so weit ist, werden noch die Köpfe rauchen und Nadeln und Faden zum Einsatz kommen.

Einen Tisch weiter arbeiten zwei junge Damen an einer Tapisserie. Beide haben abgeschlossene Studien: Lena in Konservierung und Restaurierung an der Angewandten, Valentina in Modedesign und Kunstgeschichte. Es ist wichtig, viel zu wissen, aber eigentlich ist es die „Liebe zum Textil“, die Restauratorin Silvia Zechmeister als wesentlichste Voraussetzung für diese Tätigkeiten sieht. Dazu kommen dann natürlich noch der geschickte Umgang mit Nadel, Faden und Schere sowie Pinzette, gute Augen und – nicht zu vergessen – jede Menge Geduld. Mitunter arbeitet man an einem einzigen Stück mehrere Monate lang.

Der etwa 450 Jahre alte Wandbehang aus den Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein ist ein gutes Beispiel dafür. Unendlich viele kleine Löcher müssen konserviert werden. Dazu werden die Fäden vor Ort in den entsprechenden Farben eingefärbt. Verwendet wird ein synthetischer Farbstoff, wie Silvia Zechmeister erklärt. Doch zuallererst hat man die Tapisserie in der Aerosol-Waschanlage ganz schonend gereinigt, einer von europaweit nur zwei existierenden solchen Anlagen, deren wesentlicher Teil ein 40 m² großer Unterdrucktisch ist. Das jeweilige Objekt wird aufgelegt, und während von oben 30 Liter Wasser pro Stunde vernebelt werden, wird von unten abgesaugt.

Mit demselben Verfahren wird teilweise auch die Hunderte Jahre alte Tafelwäsche des Schlosses Schönbrunn, der Hofburg, der Kaiservilla in Bad Ischl und aller anderen Häuser, in deren Museen gedeckte Tische zu bewundern sind, behandelt. Das größte Stück ist ein zehn Meter langes und dreieinhalb Meter breites Tischtuch aus der Hof- und Silberkammer, das vom Kaiserpaar Franz Joseph und Elisabeth vermutlich verwendet wurde und das hier nicht nur vorsichtig gereinigt, sondern auch in stundenlanger Arbeit sorgfältig gebügelt und gefaltet wird.

Martin Siennicki, Restaurator im Schloss Schönbrunn, ist bereits mit etlichen Stücken hierher in die Werkstatt gekommen. „Es gibt in Österreich wie auch in Europa eine Menge einzelner Restauratoren, und wir sind natürlich an gesetzliche Vergaberichtlinien gebunden. Aber hier, in räumlicher Nähe zu uns, sind ein reger Austausch und gemeinsame Recherchen sehr einfach. Die Protagonisten kennen einander. Und auch die Objekte sind dem Team der Textilrestaurierung Neugebauer großteils bestens bekannt.“

Nicht umsonst hat er kürzlich die 26 Medaillons aus dem Frühstückszimmer der Kaiserin Maria Theresia hierhergebracht, um die kostbaren Applikationen aus Seidenrips, die über die Zeit ihre ursprünglichen Farben weitgehend verloren haben, konservatorisch behandeln zu lassen. „Das lässt sich nicht mehr zurückbringen“, so Doris Flandorfer, die ebenfalls im Atelier als Textilrestauratorin tätig ist. „Wir können nur sicherstellen, dass dieses Kulturgut erhalten wird und sich im Zustand nicht verschlechtert“, erklärt sie uns den Zugang zu ihrer Arbeit. Sobald die Textilteile der Medaillons gereinigt sind, kommen sie wieder hinter Glas, um dann in ihren ursprünglichen Holzrahmen in die Wandvertäfelung des Frühstückszimmers eingelegt zu werden.

Die originale Bluse, die Johanna Staude auf dem Porträt trägt, das Gustav Klimt von ihr angefertigt

Bluse aus der Korfu-Garderobe von Kaiserin Elisabeth (im Eigentum der Schönbrunn Group)

hat, und die sich, so wie auch das Gemälde selbst, im Besitz der Galerie Belvedere befindet, war hier im Textilatelier ebenso in Arbeit wie der dreiteilige bemalte Paravent eines Privatbesitzers, dessen Seide konserviert werden muss. Ein französisches Taufkleid, ein Opernkleid des Tenors Leo Slezak, eine Kasel aus dem Stift Kremsmünster, koptische Textilien aus dem 4. Jahrhundert, Tapisserien aus preußischen Schlössern, ein Kanapee aus dem Besitz einer privaten Familie, Tapeten aus dem Thronsaal in Salzburg, das Damastgewebe des Beichtstuhls, der in der Hofburg steht, oder auch der Seidensamt und die Goldstickerei des Prunkbetts der Kaiserin Maria Theresia wurden hier in der Werkstatt bereits restauriert. „Jedes dieser Stücke ist uns ans Herz gewachsen“, betont Silvia Zechmeister.

Petra Moldaschl macht seit Anfang des Jahres das Team aus vier Restauratorinnen und einer jungen Dame, die sich um Befundungen und Dokumentationen kümmert, komplett. „Ich bin dazu wie die Jungfrau zum Kind gekommen“, sagt sie lachend. Sie war in der IT- und in der Eventbranche tätig, als die Pandemie ihre Aufträge schmelzen ließ. Dann ergab sich durch einen persönlichen Kontakt die Möglichkeit, die Textilrestaurierung zu übernehmen. Gründerin Hilde Neugebauer wollte in Pension gehen und konnte Petra Moldaschl überzeugen. „Die Erhaltung kostba-

Kasel aus dem Stift Kremsmünster

Restauratorinnen bei der Arbeit an einer Tapisserie aus den Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein

Aerosolreinigung der Tapisserie „Wildgarten“ aus den Fürstlichen Sammlungen von Liechtenstein

rer Textilien für die Nachwelt hat meine Begeisterung geweckt. Es ist eine wunderschöne Tätigkeit, ganz etwas anderes, als ich je gemacht habe“, sagt sie. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie die Werkstatt übernommen und ist mit der kaufmännischen Seite, der Angebotslegung, der Akquise und dem Kontakt mit den Kundinnen und Kunden vollauf beschäftigt. Ihr Team besteht aus „Künstlerinnen“, wie sie unterstreicht. „Jede von ihnen verfügt über ein großes Wissen und eine große Leidenschaft. Sie sind das Kapital und das Herz des Unternehmens.“

Eine besondere Gelassenheit und die Entschleunigung des Alltags sind in der Werkstatt spürbar. Es ist leise, hell und sauber. „Hier gibt es nichts Schnelllebiges“, erläutert Petra Moldaschl und wird demütig, wenn sie daran denkt, dass „alles, was es hier zu bewundern gibt, schon lange vor uns existiert hat und dank der Arbeit der Restauratorinnen noch lange nach uns Bestand haben wird.“ Sobald das erste Jahr wirtschaftlich erfolgreich verlaufen ist, will sich die Unternehmerin auf Innovationen stürzen. „Abläufe, Befundungen und Dokumentationen könnten effizienter werden“, weiß sie aus ihrer IT-Vergangenheit. Ansonsten freut sie sich auf schöne Stücke, die das ganze Team in eine längst vergangene Welt entführen.

Text: Clarissa Mayer-Heinisch

INFOBOX

Textilrestaurierung Neugebauer GmbH Schloss Schönbrunn

Meidlinger Viereckl 50, 1130 Wien Atelier: +43 1 8792762 Petra Moldaschl: +43 664 4125353 atelier@textilrestaurierung.at www.textilrestaurierung.at

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