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Handwerk & Europa
Europawahl 2024: Gemeinsam die Zukunft meistern
Abbau von Bürokratie als Daueraufgabe
Handwerker im Austausch mit Europaministerin Osigus
„Das ist in sechs Monaten machbar“
Die E-Rechnung wird für Betriebe bald Pflicht
Anspruch auf Krankengeld bei Selbstständigen
Ansprüche richten sich nach dem jeweiligen Einkommen
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Liebe Leserin, lieber Leser,
In rund 25 Tagen haben wir die Wahl: Wie wird das Europäische Parlament für die kommenden fünf Jahre zusammengesetzt sein, und welchen Schwerpunkt wird die Arbeit der Europäischen Kommission in dieser Zeit bekommen? Ich weiß, wir reden mit Blick auf die EU vor allem über die großen Probleme, die nur schwer gelöst werden können. Oder aber über Hürden von Bürokratie und einer Ansammlung von tausenden Behördenmitarbeitern, die sich selbst verwalten. Doch stimmt das überhaupt? Vielleicht. Dennoch ist es auch an der Zeit, eine Lanze für die EU zu brechen. Denn vor allem wir in Deutschland profitieren in großem Maße von den Errungenschaften eines geeinten Europas (S.6). Da wäre zunächst der europäische Binnenmarkt, der größte Binnenmarkt der Welt. Wir alle profitieren davon, unkompliziert in das europäische Ausland zu reisen, dort mit unserem mobilen Netz ohne Mehrkosten zu telefonieren und überall mit unserem Führerschein fahren zu können. Darüber hinaus fördert die Europäische Union in vielen Regionen des Kontinents regionale Entwicklungsprojekte und nicht zuletzt auch Projekte im Handwerk, wie die Passgenaue Besetzung, die Modernisierung unseres Berufsbildungszentrums oder auch Anteile der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung.
Wir alle dürfen natürlich Kritik an der Europäischen Union und an ihren teils bürokratischen Verfahren üben – wir müssen sogar. Ganz wichtig ist an dieser Stelle aber auch: Die Existenz und das Wirken der EU als Ganzes dürfen wir niemals infrage stellen! Denn es ist dieser Staatenverbund, der uns in der Mitte Europas seit Jahrzehnten das wichtigste geschenkt hat, was wir haben können: Frieden.
Wir alle können am 09. Juni mitentscheiden, in welche Richtung sich der Kontinent in den kommenden Jahren entwickelt. Wir haben die Wahl. Sie haben die Wahl! Als Stimme des Südniedersächsischen Handwerks werden wir bis dahin und auch darüber hinaus aktiv den Dialog mit den politischen Vertretern suchen. Wir werden uns für eine stärkere Fokussierung der EU auf den Mittelstand einsetzen: hier in der Region, aber auch in Berlin und Brüssel. Im Zuge dieser Ausgabe haben wir mit Tim Kroegel,
Vertreter des ZDH in Brüssel gesprochen und einen Einblick in die Herausforderungen im politischen Alltag erhalten (S. 12). Wir werden auch in Zukunft den Finger in die Wunde legen, wenn Betriebe durch überzogene Bürokratie und ausufernde Vorgaben daran gehindert werden, ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen, egal ob in den Lebensmittelhandwerken (S. 10) oder in einem anderen Gewerk. Ich möchte Sie motivieren. Bleiben Sie am Ball, setzen sie sich vor Ort und gegenüber der Politik persönlich für das Handwerk ein und treten Sie auch mit uns, Ihrer Interessenvertretung direkt in den Austausch. Wir alle sind Teil dieses wunderbaren Kontinents und können ihn gemeinsam gestalten. Deshalb: Am 9. Juni wählen gehen! Bis dahin wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre,
„Die Existenz und das Wirken der EU als Ganzes dürfen wir niemals infrage stellen! Denn es ist dieser Staatenverbund, der uns in der Mitte Europas seit Jahrzehnten das wichtigste geschenkt hat, was wir haben können: Frieden.“
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr
Yannik Herbst, Referent für Politische Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit
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AUS DER HANDWERKSKAMMER
6 DieZukunftEuropasgestalten
Gemeinsamkeit als Kerngedanke
10 BürokratiealsDaueraufgabe
... für alle Ebenen
BETRIEB
14 Richtigzuhören
Wie es gelingt und wie Sie häufige Fehler vermeiden
16 NeueFortbildungfürBauhandwerker
Fit für die digitale Planung und die Umsetzung von Modernisierungsprojekten
24 E-RechnungbaldPflicht
Wie können Betriebe vorgehen?
28 MehrBewerbungenerhalten
So finden sich Bewerber auf Webseite zurecht
30 ReichweiteaufInstagram
Mit diesen Tipps erreichen Sie mehr Kunden
REGIONALES
34 Betriebumgekrempelt
Neue Strukturen und Trennung von alten Prozessen
36 HandwerkzumAnfassen
IdeenExpo lockt Jugend nach Hannover
BETRIEB
38 Krankengeld
Höhe der Leistungen richten sich bei Selbstständigen nach dem Einkommen
40 Recht
Welche Fristen für Einkommensnachweise bei Krankenkassen zu berücksichtigen sind
42 BetriebsrisikoschlechterChef
Viele Arbeitnehmenden sind unzufrieden
44 SoftwareasaService
Abschied von der lokalen Software?
BETRIEB PLUS
46 Jetztauchelektrisch
Der neue Nissan Interstar
PANORAMA
48 LackierereiFeinschliff
Zwischen Rennstrecke und Lackierwerkstatt
IMPRESSUM
50 Pflichtangaben
Alte Liebhaberstücke und flotte Fahrzeuge
Elena und Manuel Pape haben sich mit ihrer Lackiererei deutschlandweit einen Namen gemacht. Als Werkstattgebäude, Büro und Lackiererei hat das Handwerker-Paar eine alte Molkerei aus- und umgebaut. |48
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751 Abgeordnete entscheiden in der EU über wichtige Themen - die auch das Handwerk vor Ort unmittelbar betreffen können. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, sein Wahlrecht zu nutzen und über die Zusammensetzung des Parlaments mitzuentscheiden.
Die Zukunft Europas mit dem Handwerk meistern
Am 09. Juni wird ein neues EU-Parlament gewählt. Die EU kann für vieles kritisiert werden – infrage stellen dürfen wir sie trotzdem nicht.
YANNIK HERBST
Stellen Sie sich einmal vor, Sie haben einen komplizierten Auftrag in Aussicht, der über Ihre bisherigen Erfahrungen hinausgeht und auch Expertise anderer Gewerke erfordert, um den Zuschlag zu erhalten. Die Konkurrenz aus anderen Ländern ist groß, vor allem finanzstarke Konzerne aus dem Ausland bewerben sich ebenfalls um diesen Auftrag. Was würden Sie tun? Sie haben die Wahl: Entweder Sie versuchen die Herausforderung allein zu lösen – mit der Gefahr zu scheitern. Oder sie tun sich mit den Kollegen der umliegenden Handwerke zusammen und gewinnen gemeinsam. Die Antwort auf diese Frage ist eigentlich klar – gemeinsam Stärke zeigen und gemeinsam erfolgreich sein.
751
ABGEORDNETE entscheiden im Europäischen Parlament an den beiden Standorten Straßburg und Brüssel über wichtige Themen für die gesamte EU.
Gemeinsamkeit ist einer der Kerngedanken der Europäischen Union. Und es ist wichtig, dieses „Gemeinsam“ auch als echte Notwendigkeit zu begreifen. Denn die Relevanz der einzelnen Staaten Europas wird aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren weiter abnehmen. Schon in 25 Jahren wird kein europäisches Land mehr zu den größten Wirtschaftsnationen gehören. Was würde also passieren, wenn jedes Land allein versuchen würde, seine Interessen in der Welt zu vertreten? Auch Deutschland wird mit seinen rund 80 Mio. Einwohnern gegenüber den bevölkerungsreichen und großen Staaten außerhalb der EU nur ein kleiner Konkurrent sein. Anders die EU: Mit über 450 Millionen Menschen zählt die Euro-
päische Union als ebenbürtige Wirtschaftsmacht gegenüber China und den Vereinigten Staaten. Sie ist also unabdingbar.
Wir dürfen dabei natürlich nicht ignorieren, dass die EU im Jahr 2024 bei Weitem noch kein perfekter Staatenverbund ist und große Herausforderungen zu bewältigen hat. Gerade Mittelstand und Handwerk weisen seit Jahren darauf hin, dass die Regelungen der EU oftmals vor allem an den kleinen Betrieben vorbeigehen und sie überproportional belasten. „Konzerne und handwerklicher Mittelstand sollten nicht mit den gleichen Regeln überhäuft werden. Denn wo große Unternehmen ganze Rechtsabteilungen besitzen, um die vielen Regelungen umzusetzen und ihrer Verantwortung gerecht zu werden, werden im zehnköpfigen Handwerksbetrieb meist die Betriebsinhaber überfordert. Hier muss sich Gesetzgebung stärker am praktischen Alltag orientieren“, fordert Delfino Roman, Präsident der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen und selbst Inhaber eines Steinmetz- und Steinbildhauerbetriebes. Handwerk und Europa müssen sich gegenseitig stärken – moralisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Doch was heißt das konkret?
Relevanz beruht auf Gegenseitigkeit
Die rund 23 Millionen kleinen und mittleren Betriebe in Europa haben mit ihren über 90 Millionen Beschäftigten eine besonders hohe wirtschaftliche Relevanz. Nahezu die Hälfte aller Berufstätigen in der EU arbeiten in diesen Betrieben – viele davon auch im Handwerk. Die meisten Betriebe sind dabei im Gegensatz zu den großen Konzernen standortgebunden und können ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht einfach durch einen Standortwechsel verbessern. Sie sind daher umso mehr auf eine ganzheitliche und regionale EU-Maßnahmenpolitik angewiesen. Denn sind die Wettbewerbsbedingungen nicht mehr ausreichend, werden Betriebe nicht ihren Standort verlagern, sondern einfach verschwinden.
Und auch bei den großen Projekten der kommenden Jahre kommt es vor allem auf das Handwerk an. Egal ob bei Fragen der Mobilität oder beim Entwurf der „Stadt der kurzen Wege“ spielen Handwerkerinnen und Handwerker eine Schlüsselrollevom Augenoptiker bis zum Zweiradmechatroniker. Gerade im ländlichen Raum sind Handwerksbetriebe oft wichtige Anlaufpunkte für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenleben. Das Handwerk ist Stabilitätsanker der Wirtschaft – vor Ort und in ganz Europa. Und auch der von der EU angeschobene „Green Deal“ und die damit verbundene Transformation der Sektoren Bau, Energie und Verkehr funktioniert nur gemeinsam mit den Handwerksbetrieben vor Ort. Das Handwerk packt an, die Politik sollte es aber auch.
Europa gestalten
Als Stimme des Handwerks möchten wir auch den südniedersächsischen Handwerksbetrieben die Möglichkeit geben, sich mit politischen Vertretern über die für sie relevanten Themen auszutauschen. Dafür findet am 30. Mai 2024 um 17:00 Uhr eine neue Auflage unseres Formats „Handwerk im Dialog mit der Politik“ in Göttingen (Strandhaus37, Am Weendespring 1a, 37077 Göttingen) statt. Gemeinsam mit der Landtagsabgeordneten Marie Kollenrott und Konstantin Kuhle, Mitglied im Deutschen Bundestag, möchten wir über die Herausforderungen des Handwerks ins Gespräch kommen.
Gerade mit Blick auf die anstehende Europawahl stehen wichtige Themen und Positionen auf dem Wahlzettel. Die Europäische Union wird oft als Bürokratiemonster mit Regulierungswahn bezeichnet. Doch stimmt das? Oder liegt das Problem eher in dem Zusammenspiel aller politischen Ebenen? Welche Vorteile hat das Handwerk durch ein vereinigtes Europa und welche Themen bewegen Handwerkerinnen und Handwerker ganz besonders? Nutzen Sie die Gelegenheit, sich direkt mit Vertretern der Regierungsparteien und Bundes- und Landesebene auszutauschen und dabei die Interessen des Handwerks deutlich zu machen.
Weitere Informationen und Anmeldung: www.hwk-hildesheim.de/handwerk-europa
Der Kompromiss im Fokus: Die Mitgliedsstaaten der EU entscheiden immer gemeinsam.
Darüber hinaus profitieren die vielen Betriebe natürlich auch von der Europäischen Union. So schätzen Experten, dass der gemeinsame Markt in Europa rund 56 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen hat – vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen.
Auch vom Wegfall der Zollgrenzen, die gemeinsame Währung und rund 3.600 einheitliche Produktstandards erleichtern den Austausch von Gütern in Europa und fördern daher den Aufbau europäischer Wertschöpfungsketten – von denen wir alle profitieren. Auch nach außen sorgt die EU dafür, dass die Märkte nicht durch billige und schlechte Produkte aus dem globalen Ausland unter Druck gesetzt werden. Die Europäische Union verteidigt Qualitäts-Standards und legt sich dabei auch mit den großen Konzernen an, wie Verfahren gegen Google, Facebook und Co. immer wieder zeigen.
Alle Ebenen sind in der Pflicht: Die EU, der Bund, das Land und die Kommunen „Und dennoch wissen wir alle, dass nicht alles funktioniert, was die EU sich ausdenkt“, betont Ina-Maria Heidmann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer, und verweist auf die berechtige Kritik an einigen Entscheidungen, die in Brüssel getroffen werden: „Sicherlich steht zu Beginn eines Prozesses ein löblicher und guter Gedanke. Was am Ende jedoch bei den Betrieben herauskommt, ist oftmals leider zu viel des Guten“, sagt Heidmann. Doch woran liegt das? Mehr als 12.000 Dokumentationspflichten hat die Deutsche Wirtschaft. Doch wo genau kommen die im Einzelnen her und wieso wird aus einer guten Idee manchmal sogar bürokratischer Irrsinn? Schauen wir uns diese Frage anhand eines Beispiels an:
Wir wollen weniger Verpackungsmüll. Die EU entwickelt zu diesem guten Gedanken dann entweder eine Verordnung, die in allen Mitgliedsstaaten direkt gilt oder eine Richtlinie. Diese muss dann von allen Staaten in nationales Recht gegossen werden. In Deutschland ist neben der Bunderegierung und dem Bundestag oft auch der Bundesrat involviert. Alle Beteiligten ringen um eine möglichst kluge Umsetzung der EU-Regel. Landes- und Kommunalämter müssen die entsprechenden Regelungen dann anwenden und kontrollieren. Wenn das fertige Gesetz dann in den Betrieben ankommt, fragt man sich recht häufig: Warum? Weshalb? Wer hat sich das denn ausgedacht?
Das Problem: Die Antwort auf diese Fragen ist im Dschungel des Gesetzgebungsprozesses dann nicht mehr wirklich zu finden. Es ist also nicht „die“ EU allein, sondern das gemeinsame Wirken aller Akteure, die nicht selten zu einer viel zu komplizierten Rechtslage und bürokratischen Hürden
MILLIONEN
Bürgerinnen und Bürger leben in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, das sind mehr als in den Vereinigten Staaten von Amerika, aber deutlich weniger als in China oder Indien.
führen. „Die EU und alle Ebenen darunter müssen viel stärker den Mittelstand als Richtmarke nehmen, wenn sie neue Regelungen erlassen. Und es ist wichtig, dass hier zeitnah umgesteuert wird, sonst folgt ein weiterer Vertrauensverlust in die staatlichen Akteure“, ist Präsident Roman überzeugt. Es kommt also vor allem auf pragmatische und praxisorientierte Lösungen an. Für Hauptgeschäftsführerin Heidmann geht es hier auch um einen Paradigmenwechsel im Verhältnis von Politik und
„Mut zur Lücke! Die Politik sollte der Wirtschaft nicht mit Misstrauen gegenüberstehen, sondern darauf setzen, dass Betriebe sich an Gesetze halten - auch ohne alles dokumentieren zu müssen.“
Ina-Maria Heidmann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen
Wirtschaft. „Mut zur Lücke! Die Politik sollte der Wirtschaft nicht mit Misstrauen gegenüberstehen, sondern darauf setzen, dass Betriebe sich an Gesetze halten - auch ohne alles dokumentieren und kontrollieren zu müssen.“
Es gibt also viel zu erledigen in Sachen Bürokratieabbau. Es braucht schlankere Gesetze, die die spezifischen Bedürfnisse der kleinen und mittleren Betriebe mitdenkt und sich an ihnen ausrichtet. „Es ist gut, dass die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel im April der EU-Kommission genau dies auferlegt haben – es ist höchste Zeit“, betont Delfino Roman.
Das Friedensprojekt Europa liegt auch in unserer Hand Und doch ist die Europäische Union kein Selbstzweck einiger Bürokraten in Brüssel, sondern verfolgt neben vielen guten Gründen vor allem einen Kern: Frieden. Die Väter der EU wollten einen Staatenverbund schaffen, der nie wieder in der Lage sein wird, untereinander in kriegerische Auseinandersetzungen zu gehen. Mit Blick auf die
„Die EU und
alle Ebenen darunter müssen viel stärker den Mittelstand als Richtmarke nehmen, wenn sie neue Regelungen erlassen.“
Delfino Roman, Präsident der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen
EU können wir festhalten: dieses Ziel ist erreicht worden.
Nun ist es Aufgabe von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, die Bürger Europas mitzunehmen. Europa darf uns nicht gleichgültig oder gar eine Selbstverständlichkeit sein. „Aber es kommt auch darauf an, dass Europa Lösungen bietet und nicht zusätzliche Probleme schafft. Wir alle können daran mitwirken“, ist Präsident Roman überzeugt. Am 09. Juni 2024 entscheiden auch Handwerkerinnen und Handwerker darüber, welche 96 Abgeordneten Deutschland in Brüssel vertreten werden, sie entscheiden mit den anderen Bundesbürgern also über 13% aller EU-Abgeordneten. Deutschland hat eine entscheidende Relevanz für die europäische Politik der kommenden Jahre.
Natürlich können wir uns darüber ärgern und die EU für Gesetze kritisieren. Wir können kritisieren, dass Entscheidungen oftmals ewig diskutiert werden und es nur langsam zu einer Einigung kommt. Dennoch: Der Weg des friedlichen Kompromisses ist in Zeiten einer immer komplexer werdenden Welt der richtige Weg - vermutlich sogar der einzige. W
Die EU kann oftmals berechtigterweise kritisiert werden. Trotzdem ist die Europäische Gemeinschaft als Friedensprojekt nicht verhandelbar. Darüber waren sich auch die Teilnehmer der Diskussionsrunde mit Ministerin Wiebke Osigus (4. v. li.) einig.
Bürokratie als Daueraufgabe: für alle Ebenen.
Handwerk diskutiert mit der Politik über Bürokratie und Europa – und ist sich einig, dass es nur gemeinsam gehen kann. // Präsident Roman:
„Die Politik darf das Vertrauen nicht verspielen.“
YANNIK HERBST
Sie ist in aller Munde, wird aber doch nur selten wirklich angepackt: Bürokratie. Gerade das Handwerk fordert seit jeher den Abbau unnötiger Bürokratie, damit Betriebsinhaber endlich auch wieder ihrer eigentlichen Arbeit neben dem Schreibtisch nachgehen können. Auch darüber diskutierten Handwerkerinnen und Handwerker verschiedener Gewerke gemeinsam mit Wiebke Osigus, Ministerin für Europa- und Bundesangelegenheiten und Regionale Entwicklung in den Räumen der Fleischerei Karsten Schiller in Hildesheim. „In unserem Betrieb arbeitet eine Person, die nur dafür eingestellt ist, die vielen Vorgaben, Dokumentationen und Regularien im Blick zu behalten. Bei unserer Betriebsgröße ist das eigentlich nicht zumutbar“, erklärt Karsten Schiller, der mit seinem Team aus rund 30 Mitarbeitern seit Jahren für regionales Handwerk steht. Er wünscht sich von der Politik, dass sich die EU bei ihren Gesetzesvorhaben am Mittelstand orientiert
„Wirtschaftsminister Lies zeigt gerade, dass echter Bürokratieabbau (...) funktionieren kann“
Delfino Roman, Präsident der Handwerkskammer
und diesen nicht mit den Großkonzernen in einen Topf wirft. „Wenn es zu Verfehlungen in einzelnnen Unternehmen kommt, dürfen nicht alle über einen Kamm geschert und mit weiteren Regularien belastet werden. Sonst rechnet sich unser Geschäft irgendwann nicht mehr“, betont Schiller. Gerade die Lebensmittelhandwerke sind besonders häufig von bürokratischen Vorgaben betroffen. „Wir rennen seit 15 Jahren dagegen an, dass die Gebühren, die wir für gesetzlich vorgeschriebene Lebensmittelkontrollen zahlen müssen, endlich abgeschafft werden“, berichtet auch Matthias Zieseniß, Bäckermeister aus Alfeld mit Blick auf die sogenannte Regelkontrollgebühr. Ministerin Osigus zeigt Verständnis für die Kritik in Bezug auf die extreme Bürokratie. „Zu starre und vielfältige Vorgaben belasten das Handwerk. Daher hat sich mein Haus bereits erfolgreich für eine einfachere Abwicklung von EFRE/ESF+-Förderungen eingesetzt und eine erhebliche Entlastung durch den Wegfall von
Der Northeimer Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau machte sich bei der Ministerin auch für eine Stärkung der regionalen Bildungslandschaft stark.
Stundennachweisen erreicht. Gleichwohl muss die EU insgesamt schlanker und schneller werden. Damit Handwerkerinnen und Handwerker in erster Linie genau das sein können – Expertinnen und Experten in ihrem jeweiligen Bereich und nicht Fachleute für das Ausfüllen von Formularen.“
Für Präsident Delfino Roman kommt es auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen darauf an, dass die Politik ihre Ankündigungen nach der Wahl auch in die Tat umsetzt. Der niedersächsischen Landesregierung gibt er dabei Rückenwind. „Wirtschaftsminister Lies zeigt gerade, dass echter Bürokratieabbau auch im eigenen Zuständigkeitsbereich funktionieren kann. Sein Entwurf zur neuen Bauordnung ist ein Schritt in die richtige Richtung, an der sich Bund und EU nun ein Beispiel nehmen sollten.“ [siehe Info-Kasten zur Bauordnung]
Echte Maßnahmen sind gefragt
Einig waren sich alle Teilnehmer aber auch, dass die Europäische Union trotz aller Kritik an manchen Stellen, nicht verhandelbar sein darf. Das Handwerk sollte die EU dennoch stärker in den Fokus nehmen: „Das Handwerk ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, zentraler Baustein regionaler Wertschöpfung und unverzichtbarer Pfeiler bei der Versorgung der Bevölkerung. Insbesondere in Dörfern und Kleinstädten spielen handwerkliche Betriebe darüber hinaus eine wichtige Rolle für das Gemeinwesen. Vielfach sind sie über Generationen hinweg eng mit einer Region verwoben, prägen das Erscheinungsbild und stärken über ihr Engagement den Zusammenhalt vor Ort. Auch bieten Handwerksbetriebe attraktive berufliche Perspektiven und binden damit die Jugend vor Ort“, betont Ministerin Osigus. Die Vorteile der Europäischen Union für das Handwerk lagen auch in dieser Diskussionsrunde für jeden klar
STAATEN sind
Mitglied der Europäischen Union. Diese Länder bilden damit den größten Binnenmarkt der Welt.
auf der Hand. Dennoch bleibt abzuwarten, ob die Politik auf die Forderungen der Handwerksbetriebe eingeht. Für Ina-Maria Heidmann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer, müssen kommende Maßnahmen zum Bürokratieabbau vor allem sichtbar werden: „Es mag ja sein, dass die Verringerung bestimmter Aufbewahrungsfristen aus wissenschaftlicher Sicht Geld einspart und grundsätzlich befürworten wir diesen Schritt auch. Spürbar entlastet fühlen sich Betriebe dadurch aber trotzdem nicht. Hier braucht es viel größere Maßnahmen, um den Bürokratie-Burnout zu verhindern!“ W
Hintergrund-Info: NBauO
Der Entwurf der Neufassung der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) ist in Teilen ein echter Schritt in Richtung Bürokratieabbau. So regelt der Entwurf unter anderem einen Wegfall der Genehmigungspflicht von Dachausbauten, Erleichterungen im Neubau und bei der Sanierung, die Möglichkeiten für den Gebäude-Typ E und eine erleichterte Umnutzung von Gebäuden. Der vorliegende Entwurf sorgt dafür, dass bürokratische Hemmnisse und damit verbundene Kosten für alle Seiten minimiert werden. Mit dem Entwurf wird dafür gesorgt, dass eine Gebäudesanierung mit angemessenem Aufwand mehr Wohnraum generieren kann - ohne dass die Vorschriften dabei unverhältnismäßig sind. Aktuell wird der Enturf im Landtag diskutiert. Abgeordnete der Regierungsfraktionen haben der Kammer schriftlich zugesagt, für den Entwurf stimmen zu wollen. Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung!
Zur Person
Tim Krögel ist seit 2018 Leiter des Bereichs „Europapolitik und Vertretung bei der EU“ beim Zentralverband des Deutschen Handwerks am Standort in Brüssel. Dabei beobachtet er mit seinem Team den politischen Betrieb in der europäischen Hauptstadt und vertritt die Interessen des Handwerks bei den Europäischen Institutionen. Vor seiner Arbeit in Brüssel war er in verschiedenen Organisationen des Handwerks tätig.
Gemeinsam für die Belange des Handwerks: Das Team der ZDH-Vertretung in Brüssel.
Mehr Vertrauen
Interview mit Tim Krögel, Politischer Referent beim ZDH in Brüssel
YANNIK HERBST
Herr Krögel, wie gestaltet sich Ihr beruflicher Alltag in Brüssel? Was genau machen Sie mit Ihren Kollegen vor Ort?
» Tim Krögel: Vieles an gesetzlichen Regelungen, was den Alltag von Handwerksbetrieben bestimmt, hat seinen Ursprung in Brüssel. Die Schwierigkeit unserer Aufgabe ist, dass EU-Initiativen regelmäßig erst zwei bis drei Jahre später in Form von konkreten Gesetzen in Deutschland aufschlagen. Es ist aber notwendig, die Debatte - auch in Deutschland - schon zuvor darauf zu lenken, um unsere Forderungen und Positionen einzubringen.
Aufgabe der 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ZDH-Büro in Brüssel ist es daher, Prioritäten für das Handwerk zu identifizieren, die Initiativen von der Konzeption bis zur Verabschiedung zu begleiten und die Arbeit der EU-Institutionen für das Handwerk transparenter zu machen.
Dafür stehen wir im Austausch mit EU-Kommission, EU-Parlament und den Vertretern der Mitgliedstaaten in Brüssel und bringen uns etwa mit der Formulierung von Änderungsanträgen in die EU-Gesetzgebung ein. Zudem wirken wir auch als eine Art „Frühwarnsystem“, indem wir identifizieren, was durch die EU-Gesetzgebung auf Handwerksbetriebe zukommt.
Tim Krögel, Leiter des ZDHStandorts in Brüssel.Die EU wird oft als Bürokratiemonster verschrien. Wie ist Ihre Sicht darauf?
» Krögel: Bei aller Kritik an der EU besteht für mich kein Zweifel daran, dass die EU eine absolute Erfolgsgeschichte ist. Für den einzelnen Handwerksbetrieb scheint Brüssel weit weg. Aber das Handwerk und die Wirtschaft in Deutschland profitieren von Europa enorm. Das müssen wir immer wieder deutlich machen. Und außerdem, dass es nur mit einem starken Handwerk ein funktionierendes Europa gibt. Daher ist es so wichtig, dass wir unsere Handwerksstimme in Europa einbringen. Angesichts der großen Transformationen geht es darum, den Entscheidern vor Augen zu führen: Die Rahmenbedingungen für die Betriebe müssen stimmen, damit sie ihr ganzes Potenzial zur Weiterentwicklung Europas ausschöpfen können. Doch es ist auch keine Frage, dass in der EU sicherlich einiges deutlich besser gemacht werden könnte, gerade was die Bürokratie betrifft. Noch nie hat die EU so viele Regelungen geschaffen wie in der jetzt endenden Legislatur. Es ist eine unserer zentralen Aufgaben, klarzumachen, dass gerade die kleinen Betriebe all diese Auflagen und Pflichten am Ende kaum mehr stemmen können. Wir brauchen hier ein grundlegendes Umdenken: weniger Kontrolle, mehr Vertrauen!
Welche Vorteile hat das ja oft regional verortete Handwerk von der EU?
» Krögel: Die Weltlage zeigt sehr eindrucksvoll, wie wichtig es ist, sich mit gleichgesinnten Partnern zusammenzutun. Die EU ist seit vielen Jahren Garant für Frieden und Sicherheit. Aber auch darüber hinaus sind die Vorteile einer geeinten und starken EU vielfältig. Der EU-Binnenmarkt bietet viele Möglichkeiten, um Produkte zu vertreiben und Dienstleistungen zu erbringen. Europaweite Wertschöpfungsketten sind für viele Handwerksbetriebe der Alltag, gerade wenn es um Zulieferer und Rohstoffe geht. Ein zentraler Bestandteil ist dabei der gemeinsame und stabile Euro und die einfache Abwicklung von Rechnungsstellung und Bezahlung. Auch der Zuzug von Fachkräften und die Beschäftigung von Betrieben aus dem Ausland sind aus dem Alltag der Betriebe nicht mehr wegzudenken. Wie schnell Hürden wieder entstehen können, zeigt das Beispiel Großbritannien.
Welche Projekte bzw. welche politischen Prozesse begleiten Sie zurzeit, und inwieweit versuchen Sie dabei, einen für das Handwerk positiven Effekt zu erzielen?
» Krögel: Die zahlreichen Maßnahmen des europäischen Green Deals, der zum Ziel hat, bis 2050 in Europa Klimaneutralität zu erreichen, betreffen unglaublich viele Wirtschaftsbereiche. Das Handwerk ist davon fast immer betroffen, seien es die Lebensmittel-, Bau- und KfZ-Handwerke bis hin zu industriellen Zulieferern und Gesundheitshandwerken. Es geht um Klimaschutzmaßnahmen, Energiesicherheit, Kreislaufwirtschaft, Umwelt-, Boden- und Gewässerschutz, Nachhaltigkeitskennzeichnung und Lieferketten. Stark beschäftigt haben uns auch die Regelungen der digitalen Märkte. Letztes Jahr wurde beispielsweise das Europäische Datengesetz verabschiedet: Das verankert erstmals den Grundsatz, dass Daten in der EU fair mit anderen Dienstleistern geteilt werden müssen, wenn der Kunde das möchte. Das geht auf eine langjährige ZDH-Forderung zurück: Hier konnten wir ausdrücklich Handwerksinteressen durchsetzen.
Ursula von der Leyen hat im vergangenen Jahr mit Herrn Dr. Pieper einen „Mittelstandsbeauftragten“ ernannt. Wie bewerten Sie diese Position und was erhoffen Sie sich von dieser Schnittstelle?
» Krögel: Inzwischen hat Markus Pieper leider auf seinen Posten verzichtet. Das bedauern wir sehr, allerdings ist die Stelle viel zu wichtig, als dass sie noch länger unbesetzt bleiben könnte. Bereits seit 2019 wird die Ernennung eines KMU-Beauftragten versprochen. Jetzt muss Ursula von der Leyen
„Angesichts
der großen Transformationen geht es darum, den Entscheidern vor Augen zu führen: Die Rahmenbedingungen für die Betriebe müssen stimmen, damit sie ihr ganzes Potenzial zur Weiterentwicklung Europas ausschöpfen können“
Tim Krögel, Leiter des ZDHStandorts in Brüssel.
schnellstmöglich für Klarheit sorgen, wer es wird. Die EU-Kommission will die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zur Priorität machen: Das Rückgrat der europäischen Wirtschaft sind die über 24 Millionen Handwerksbetriebe und KMU. Deshalb brauchen wir jemanden, der sich um deren sehr spezifische Anliegen kümmert.
Wie bewertet der ZDH den „Mittelstandstest“, den die Kommission bei Ihren Initiativen durchführt? Bringt er etwas oder geht er an den eigentlichen Zielen vorbei?
» Krögel: Die Schaffung des KMU-Tests ist ein ganz großer Erfolg, der nicht zuletzt auf die Arbeit des ZDH zurückgeht. Er zwingt EU-Beamte, den Blickwinkel von Unternehmen einzunehmen und die Frage zu stellen, welche Auswirkungen das Gesetz auf kleine und mittlere Unternehmen haben wird. Leider ist die Anwendung unzureichend. Zu viele Gesetze wurden gerade am Ende der Legislaturperiode unter großem Zeitdruck verabschiedet und teilweise ohne eine ausreichende Berücksichtigung der Grundsätze der besseren Rechtsetzung. Dem KMU-Test muss wieder mehr Bedeutung eingeräumt werden.
Woran liegt es, dass viele Vorhaben der EU bei den Betrieben zu enormen Aufwänden führen? Ist es die EU selbst oder sind es die dann nachfolgenden Institutionen, die den ehemals guten Gedanken zu einem bürokratischen Hemmnis werden lassen?
» Krögel: Oft entstehen die Belastungen auf der europäischen Ebene. Bei der nationalen Umsetzung schleicht sich dann auch noch die eine oder andere Verschärfung oder Belastung ein. Manchmal liegt diese Verschärfung daran, dass Deutschland die Dinge anders haben will (das sogenannte Gold-Plating). Oft liegt es aber auch an der unzureichenden Qualität der europäischen Gesetze, die zum Teil nicht ordentlich verhandelt und geprüft wurden. Hier sollten wir zurecht einen höheren Anspruch haben.
Am Ende muss allen Beteiligten in Berlin oder Brüssel bewusst sein, dass die Verantwortung für gute Gesetze eine gemeinsame ist. Mit Zielsetzungen wie dem zuletzt beschlossenen Deal zur Wettbewerbsfähigkeit zeigt die europäische Gesetzgebung klar, dass sie mehr kann – wenn sie will. In der kommenden Legislaturperiode wird entscheidend sein, diesen Deal umzusetzen und damit einen verbindlichen Richtungswechsel wirklich vorzunehmen: Künftig muss es tatsächlich „Vorfahrt für KMU“ geben, die die übergroße Mehrheit der europäischen Betriebe und Unternehmen und damit das Rückgrat der EU sind. W
Drei typische Fehler beim Zuhören
Wer gute Antworten braucht, muss richtig fragen und gut zuhören. Warum das oft schwierig ist und wie es Ihnen gelingt, verrät eine Psychologin.KATHARINA WOLF
Fehler 1: Sie kennen Ihr Zuhör-Ziel nicht Viele Fehler beim Zuhören passieren, weil die Fragenden nicht wissen, was Sie eigentlich hören wollen, sagt Psychologin Dagmar Holzberger: „Bevor ich ein Gespräch beginne, muss ich mir klarmachen, was mein Ziel ist und welche Informationen ich dafür brauche.“
Wollen Sie ein möglichst konkretes Angebot für einen Kunden erstellen? Möchten Sie erfahren, warum ein Mitarbeiter neuerdings unzuverlässig arbeitet? Oder brauchen Sie Informationen über eine Kundenbeschwerde? „Je klarer Ihnen das Ziel ist, das Sie beim Zuhören verfolgen, desto besser können Sie danach fragen – und das Gespräch immer wieder auf diesen Punkt zurückführen“, so die Psychologin.
Fehler 2: Sie wollen Ihre Ansicht der Dinge bestätigt sehen
Ein Kunde möchte, dass Sie für seinen Vater das Bad seniorengerecht umbauen. Sie haben solche Aufträge schon öfter erledigt. Deshalb haben Sie eine feste Meinung, was der Kunde braucht – und machen den nächsten großen Fehler beim Zuhören. „Zuhören ist wie eine Fehlersuche bei einem Motor“, sagt Holzberger. „Er klappert und Sie suchen das fehlerhafte Ventil. Vielleicht liegt es aber gar nicht am Ventil, sondern an mangelndem Öl.“
Für das Kundengespräch über das Bad hieße das: Bleiben Sie offen für das, was Ihr Gesprächspartner sagt, und bügeln Sie ihm keine Standardlösung über – vielleicht braucht er etwas ganz anderes. „Am einfachsten gelingt das, wenn Sie offene Fragen stellen, die man nicht mit ja oder nein beantworten kann“, so die Psychologin.
Überlegen Sie sich diese Fragen vorab und achten Sie darauf, dass sie mit einem W-Fragewort beginnen:
ɓ Im Kundengespräch: „Welche Einschränkungen hat Ihr Vater?“ statt „Brauchen Sie einen Komplettumbau?“
ɓ Im Mitarbeitergespräch: „Wie geht es dir?“ statt „Ist was nicht in Ordnung?“
ɓ Im Teamgespräch über eine Reklamation: „Wie ist denn der Fehler entstanden?“ statt „Habt ihr schon wieder was verbockt?“
„Schreiben Sie sich drei bis fünf Fragen auf, mit denen Sie an die Informationen für Ihre Fehleranalyse kommen“, empfiehlt Holzberger. „Dann haben Sie ein Gerüst für Ihr Gespräch.“
Fehler 3: Sie unterbrechen zu früh – oder zu spät
Sie kennen die Situation sicher selbst: Gerade haben Sie angefangen, einen Sachverhalt zu erklären, da werden Sie vom Gesprächspartner bereits unterbrochen. „Gerade zurückhaltende Menschen verstummen dann völlig und es wird schwer, das Gespräch wieder in Gang zu bringen“, sagt Holzberger. Lassen Sie also gerade die introvertierten Kunden oder Mitarbeiter in Ruhe aussprechen.
Wer gut zuhören will, sollte seinen Gesprächspartner nicht nach dem ersten Satz unterbrechen.
„Bevor ich ein Gespräch beginne, muss ich mir klarmachen, was mein Ziel ist und welche Informationen ich dafür brauche.“Dagmar Holzberger, Psychologin
Oder genau anders: Ein Mitarbeiter oder ein Kunde sieht in Ihnen den willkommenen Zuhörer, um mal alles loszuwerden, was ihm so zum Thema oder zum allgemeinen Weltgeschehen durch den Kopf geht. Sie erfahren viel mehr, als Sie wissen müssen und wollen.
„Wenn Sie wissen, dass Ihr Gesprächspartner eine Plaudertasche ist, sollten Sie sich vorab überlegen, wie viel Zeit Sie zur Kunden- oder Mitarbeiterbindung investieren“, rät Holzberger. „Ist diese Zeit um, haken Sie mit einer Ihrer W-Fragen ein, um das Gespräch wieder dahin zu bringen, wo Sie es haben wollen.“
„Zuhören ist wie eine Fehlersuche bei einem Motor.“
Dagmar Holzberger, Psychologin
Dazu hat sie konkrete Tipps:
ɓ Findet das Gespräch in Ihrem Büro statt, stellen Sie – etwas versteckt – eine Sanduhr auf Ihren Schreibtisch und unterbrechen Sie erst, wenn die Sanduhr durchgelaufen ist.
ɓ Machen Sie sich Notizen während des Gesprächs. Das hilft vor allem bei Plaudertaschen, die abwarten, bis Sie fertig geschrieben haben. Dann können Sie schnell mit einer Frage einhaken. Gleichzeitig vermitteln Sie Wertschätzung: Was Ihr Gesprächspartner sagt, ist so wichtig, dass Sie es aufschreiben! W
Neue Fortbildung für Bauhandwerker
Im Herbst 2024 startet ein neues Fortbildungsangebot: Es soll Bauhandwerker fit für die digitale Planung und die Umsetzung von Modernisierungsprojekten machen.
Neuer Abschluss für Bauhandwerker: Ein Schwerpunkt bei der Fortbildung zum Bachelor Professional ist das Thema Building Information Modeling (BIM).
Bachelor Professional für Energieeffizienz und digitales Bauprojektmanagement (EDiB) – so heißt die neue berufsbegleitende Fortbildung, die im September 2024 an den Start geht. Angeboten wird sie von den Handwerkskammern Dresden, Erfurt und Niederbayern-Oberpfalz im Verbund. Inhaltlich dreht sich alles um Themen wie Energiewende, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Teilnehmende erwerben dort digitale und fachliche Qualifikationen sowie fundierte Schnittstellen- und Führungskompetenzen. Den Initiatoren zufolge soll die Fortbildung dazu befähigen, Modernisierungsprojekte eigenständig zu leiten und digitale Transformationsprozesse im Betrieb anzuschieben.
Die Fortbildung zum Bachelor Professional setzt sich laut der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH) aus den folgenden vier Modulen zusammen:
Teilnehmende erwerben digitale und fachliche Qualifikationen sowie fundierte Schnittstellen- und Führungskompetenzen.
1 BIM-Experte bzw. BIM-Expertin im Handwerk
2 Energieeffiziente Gebäude
3 Smarte Systeme und Gebäudemonitoring
4 Digitales Kundenmanagement und Dienstleistungsentwicklung.
Wo findet die Fortbildung statt? Den Großteil sollen die Teilnehmenden digital auf dem eCampus Handwerk absolvieren können. Zudem soll es wenige Präsenztermine geben, die an den drei beteiligten Handwerkskammern stattfinden –also an den Standorten Schwandorf, Dresden und Erfurt.
Wer kann die Fortbildung machen? Laut ZWH sind das zum Beispiel Handwerker, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem der folgenden Berufe haben:
ɓ Elektrotechniker
ɓ Anlagenmechaniker für SHK
ɓ Dachdecker
ɓ Zimmerer
ɓ Rollladen- und Sonnenschutztechniker
ɓ Kälteanlagenbauer
ɓ Installateur und Heizungsbauer
ɓ Klempner
ɓ Ofen- und Luftheizungsbauer
ɓ Stuckateur
ɓ Schornsteinfeger
ɓ Metallbauer
ɓ Maurer und Betonbauer.
Doch auch ohne einen solchen beruflichen Abschluss ist es möglich, die Zugangsvoraussetzungen zu erfüllen – zum Beispiel mit einem ingenieurwissenschaftlichen Studium.
Dauer und Kosten: Die Ausbildung dauert knapp drei Jahre und kostet insgesamt 14.690 Euro, hinzu kommt eine Prüfungsgebühr von 1.050 Euro. Die Kursgebühr kann laut ZWH in vier Raten gezahlt werden. Zudem sei eine Förderung durch das Aufstiegs-BAföG möglich. (AML) W
wWeitere Informationen zur neuen Bachelor-Fortbildung finden Sie unter bachelor-professional-handwerk.de.
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Förderung: Wann haftet der Berater?
Eine schlechte Beratung kostete eine Eigenheimbesitzerin die KfW-Förderung. Sie klagte auf eine Ersatzzahlung. Das Gericht fällte ein eindeutiges Urteil.
Der Fall: Eine Hausbesitzerin hatte sich entschlossen, ihr Mehrfamilienhaus energetisch sanieren zu lassen, und wollte dafür Fördermittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Anspruch nehmen. Sie ließ sich von einem Architekten unterstützen, der auch Leistungen als Energieberater anbietet. Auf seinen Rat hin stellte die Hausbesitzerin zunächst einen Antrag an die KfW im Rahmen des Programms „Energieeffizient Sanieren“, führte die Sanierung durch und wandelte dann das Haus in Eigentumswohnungen um.
Diese Reihenfolge erwies sich als fatal: Die KfW weigerte sich, das Geld auszuzahlen. Laut Förderbedingungen seien nur Eigentümer von bestehenden Eigentumswohnungen antragsberechtigt, lautete die Begründung. Eine Umwandlung in Wohnungseigentum erst nach Antragstellung genüge nicht. Die Eigentümerin forderte die Fördersumme nun vom Energieberater. Das Urteil: Das Landgericht (LG) Frankenthal entschied im Sinne der Eigentümerin. Der Architekt habe nicht nur auf technischer
Eine fehlerhafte Beratung kann teuer werden, wenn dem Kunden deswegen Fördergelder entgehen.
Ebene zugearbeitet, sondern mit seiner beratenden Tätigkeit zu den Voraussetzungen der Förderung auch eine sogenannte Rechtsdienstleistung erbracht. Seine Angaben seien aber fehlerhaft gewesen. Damit
Energiewende sorgt für Boom
habe er seine Schutzpflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt, so die Richter. (KW) W
aLG Frankenthal: Urteil vom 25. Januar 2024, Az. 7 O 13/23
Mehr als eine halbe Million Solarstromanlagen hat das E-Handwerk im letzten Jahr ans Netz gebracht. Die Energiewende wird zum wichtigen Wirtschaftsfaktor.
Die Photovoltaik (PV) hatte 2023 Hochkonjunktur: Bundesweit sind laut Bundesnetzagentur gut 14 Gigawatt Solarleistung neu installiert worden – fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Die E-Hand-
werke haben an dieser Steigerung einen erheblichen Anteil, meldet der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) unter Berufung auf eine hauseigene Hochrech-
nung, die auf den Ergebnissen seiner FrühjahrskonjunkturUmfrage fußt.
Wichtigstes Segment im PV-Geschäft seien die Dachanlagen. An deren Installation hätten sich die E-Handwerksbetriebe zu über zwei Drittel beteiligt. Bei Freiflächen- und Gewässer-PV-Anlagen seien sie zu einem guten Drittel involviert gewesen; am Anschluss der sogenannten „Balkonkraftwerke“ noch zu 10 bis 15 Prozent. Unterm Strich hätten sich die Betriebe 2023 an der Installation von rund 550.000 PV-Anlagen mit rund
8,6 Gigawatt Gesamtleistung beteiligt. Zusätzlich seien knapp 60 Prozent der neu installierten Speicher auf das Konto der E-Handwerke gegangen. Der gemeldete Umsatzanteil im Bereich PV und Speicher sei gegenüber 2022 von 3,3 auf 7,7 Prozent geklettert. Inzwischen habe eine Mehrheit von über 50 Prozent der Betriebe die Energiewende laut ZVEH als Geschäftsfeld entdeckt. Laut Berechnungen des Verbands hätten insbesondere auch kleinere Betriebe die Energiewende für sich als Chance identifiziert. (DEG) W
Hoher Krankenstand: Muskel- und Gelenkerkrankungen sind erneut die häufigste Ursache.
Foto: dima_sidelnikov - stock.adobe.com
Krankenstand auf hohem Niveau stabil
2023 lag der Krankenstand im deutschen Handwerk erneut deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Immerhin: Die Krankheitsdauer ist gesunken.
6,9 Prozent betrug der Krankenstand im deutschen Handwerk im letzten Jahr. Damit entsprach er laut den Zahlen der Krankenkasse IKK classic exakt dem Vorjahresniveau.
Was bedeutet die Zahl? „Der Krankenstand sagt aus, wie viele von einhundert ganzjährig Versicherten an einem Tag im untersuchten Zeitraum krankgeschrieben waren“, erklärt die IKK. Beim
Krankenstand von 6,9 Prozent waren also durchschnittlich knapp 7 Beschäftigte von 100 pro Kalendertag krankgeschrieben.
Unterm Strich hätten 70,3 Prozent der handwerklich Beschäftigten mindestens einen Tag mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) gefehlt. Die Zahl der Krankheitsfälle habe sich von 1,9 auf 2 pro Versichertem gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht. Die
durchschnittliche Krankheitsdauer pro Krankschreibung sei dagegen gesunken: von 13,6 auf 12,7 Tage. Der Anteil der Langzeiterkrankungen von über 42 Tagen sei dagegen leicht gestiegen: von 46,1 Prozent 2022 auf nun 46,9 Prozent.
Den größten Anteil an den Fehlzeiten hätten erneut die Muskel- und Gelenkerkrankungen mit 31 Prozent, gefolgt von Atemwegserkran-
kungen mit rund 19 Prozent. An dritter Stelle haben nach Angaben der IKK classic Verletzungen und Vergiftungen mit circa 15 Prozent gelegen.
Etwas aufatmen können die Betriebe beim Vergleich mit dem branchenübergreifenden Durchschnitt aller IKK-Versicherten: Hier habe der Krankenstand mit 7,26 Prozent noch höher gelegen als im Handwerk. (DEG) W
Die App „Handwerk“ bietet mir genau die Themen, die für meinen Betrieb wichtig sind.
Michael Franke, Zimmerei und Bedachung Lotze-Franke GmbH, Hann. Münden
Doppeltes Falschspiel: Die Polizei warnt vor aufwendig inszenierten Online-Betrugsformen.
Foto: Gille, erstellt mit KI Midjourney
Falscher Auftrag, echtes Opfer
E-Mails, Telefonate, unterschriebene Dokumente: Dieser Auftrag hat fast alles, außer reale Geschäftspartner. Die Polizei warnt vor einer kostspieligen Betrugsmasche.
Winken bei einem Betrug mehrere zehntausend Euro, kann man die Masche schon mal aufwendiger gestalten. So wie bei dieser Betrugsform, die die Zentrale Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) des Landeskriminalamts Niedersachsen detailliert erläutert.
Die Polizei warnt, sie könne „in spezifischen Szenarien äußerst authentisch erscheinen und den kriminellen Hintergrund geschickt verschleiern“. Laut ZAC würden Kriminelle diese Masche häufig mit einer Vielzahl von EMails, Telefonaten sowie
unterschriebenen Dokumenten flankieren. Mindestens drei Parteien seien an der Masche beteiligt: zwei Täter und ein Opfer. So läuft sie ab:
ɓ Täterfirma 1 gibt sich als bekanntes Unternehmen aus und stellt eine Anfrage bei der Opferfirma. Auftragsgegenstand kann etwa ein bestimmtes Produkt sein. Im Beispiel der Polizei eine Komponente aus dem Maschinenbau.
ɓ Die Opferfirma versucht, das gesuchte Teil über ihre Zulieferer zu bestellen. Doch die führen das
gesuchte Modell nicht. Also sieht sich das Opfer im Netz nach einem alternativen Zulieferer um.
ɓ Bei der OnlineSuche stößt die Opferfirma auf Täterfirma 2, die sich als Zulieferer des vermeintlichen Teils ausgibt und ihre Kompetenz möglicherweise über eine gut gestaltete Website untermauert.
ɓ Die Opferfirma bestellt die gewünschten Exemplare des vermeintlichen Teils bei Täterfirma 2. Sie überweist einen beträchtlichen Betrag, laut Polizei
meist an ein ausländisches Konto – und erhält das fiktive Produkt selbstverständlich nie.
Zum Schutz gegen diese Betrugsform rät die Polizei Unternehmen unter anderem zu
ɓ einer erhöhten Aufmerksamkeit bei der EMailKommunikation, insbesondere bei ungewöhnlichen Zahlungsbedingungen, ɓ einer genauen Überprüfung der Identität und Seriosität der beteiligten Unternehmen. (DEG) W
Das gilt für die Lohnfortzahlung
Mit Corona mussten Mitarbeitende während der Pandemie in Quarantäne – auch wenn sie symptomlos waren. Was in solchen Fällen für die Lohnfortzahlung gilt, zeigt ein Grundsatzurteil.
Der Fall: Ein Mitarbeiter wird im Dezember 2021 positiv auf das Coronavirus getestet. Weil er an Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen leidet, wird der Mann von seinem Arzt für fünf Tage krankgeschrieben.
Am dritten Krankheitstag ordnet die Gemeinde an, dass sich der Produktionsmitarbeiter für zwei Wochen in häusliche Quarantäne begeben muss. Als das Attest ausläuft, geht der Mitarbeiter daher erneut zum Arzt, um eine Folgebescheinigung zu bekommen. Doch der
Mediziner verweigert das Attest. Begründung: Das positive Testergebnis sowie die Anordnung der Behörde würden als Nachweis der Arbeitsunfähigkeit reichen.
Der Arbeitgeber leistet daraufhin nur für die fünf Tage Lohnfortzahlung, für die der Mitarbeiter ein Attest vorgelegt hatte. Für die restlichen Fehltage verweigert er jedoch den Lohn. Dagegen wehrt sich der Mann und verklagt den Betrieb auf die Zahlung von 1.000 Euro brutto vom Lohn. Das Urteil: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ent
scheidet zugunsten des Mitarbeiters. Der Betrieb hätte ihm die Lohnfortzahlung wegen der nicht vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht verweigern dürfen.
Schließlich könne auch eine Coronainfektion mit symptomlosen Verlauf eine Krankheit sein, die zur Arbeitsunfähigkeit führt. Das sei der Fall, wenn der Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Quarantäneanordnung seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Genau das traf laut BAG auch im Fall des
Produktionsmitarbeiters zu: Dem Mann sei es wegen der Coronainfektion rechtlich nicht möglich gewesen, in den Betrieb zu kommen und seine Arbeitsleistung dort zu erbringen.
Die Richter stellten zudem klar, dass die Quarantäneanordnung der Gemeinde geeignet dafür sei, die Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. (AML) W
aBAG:
Urteil vom 20. März 2024, 5 AZR 235/23
Rechtzeitig starten: Mit den E-Rechnungen kommen neue Herausforderungen auf die Betriebe zu.
„Das ist in sechs Monaten machbar“
Die E-Rechnung wird im gewerblichen Bereich bald Pflicht. Bei diesem Hildesheimer Bauunternehmen laufen die Vorbereitungen schon. Wie geht der Betrieb vor?
ANNA-MAJA LEUPOLD
Digitalisierung ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, sagt Sabrina Gerlof, Digitalisierungsbeauftragte beim Baugeschäft Wolf in Hildesheim. Doch die 39-Jährige ist davon überzeugt, dass sich der Rechnungseinund -ausgang innerhalb von drei bis sechs Monaten auf die elektronische Rechnung umstellen lässt.
Betrieb will mehr als Pflichten erfüllen Der Baubetrieb steckt mitten in einem Transformationsprozess: „Wir digitalisieren gerade unsere gesamten Abläufe. Dazu gehört auch, dass wir ab dem 1. Juni 2024 nur noch elektronische Rechnungen verschicken werden“, berichtet Gerlof. Sie weiß, dass
„Ich will meinen Betrieb zukunftsfähig aufstellen.“
Christoph Wilkending, Geschäftsführer des Baugeschäfts Wolf
der Betrieb damit schon im Sommer für die Pflichten gerüstet sein wird, die bald auf Unternehmen zukommen. Ab 2025 müssen Betriebe in der Lage sein, von Auftragnehmern E-Rechnungen zu empfangen, und spätestens ab 2028 müssen Betriebe auch solche Rechnungen an Gewerbekunden verschicken. Das Baugeschäft Wolf beschränkt sich nicht darauf, nur die Pflichtanforderungen bei der E-Rechnung zu erfüllen. „Ich will meinen Betrieb zukunftsfähig aufstellen“, sagt Betriebsinhaber Christoph Wilkending. Im Herbst 2023 habe er daher mit der Unterstützung von Gerlof angefangen, eine Digitalstrategie für den Baubetrieb zu entwickeln, und will damit bewusst einen Schritt weitergehen.
Nach einer ersten Bestandsaufnahme setzten sich Gerlof und Wilkending mit dem Steuerberater des Betriebs zusammen: Bis November 2023 seien zwischen Steuerbüro und Baubetrieb regelmäßig Aktenordner hin und her gependelt: „Effektiv war das nicht“, betont Gerlof. „Wir haben uns deshalb darauf verständigt, dass wir künftig über eine Plattform zusammenarbeiten“, sagt sie. Letztendlich sei die Wahl auf „Unternehmen online“ von der Datev gefallen. „Zunächst haben wir die Software getestet und zum Jahreswechsel komplett umgestellt“, sagt die 39-Jährige. Im Betrieb hat sich seither viel verändert: „Seit Januar arbeiten wir komplett papierlos und haben unsere Ablage in der Cloud“, sagt sie. Bei der Umstellung habe der IT-Dienstleister des Betriebs geholfen.
Nun steht der nächste Meilenstein im Digitalisierungsprozess an: die Umstellung auf die E-Rechnung. Dafür gibt es zwei etablierte Formate: XRechnung und ZUGFeRD. „Wir haben uns für eine Softwarelösung entschieden, die E-Rechnungen in beiden Formaten verarbeiten kann“,
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für die Ausgabe vom 14.06.2024 ist am 24.05.2024
„Digitalisierung ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“
Sabrina Gerlof, Digitalisierungsbeauftragte beim Baugeschäft Wolf
sagt Gerlof. Künftig wolle der Betrieb allerdings bevorzugt Rechnungen im ZUGFeRD-Format versenden: „Anders als bei XRechnungen besteht das ZUGFeRD-Format nicht nur in einem strukturierten Datensatz. Es gibt auch eine Visualisierung als PDF-Datei“, erläutert die Fachfrau. Die ersten E-Rechnungen sollen schon im Sommer rausgehen. Doch was ist, wenn die Kunden noch keine Rechnungen im ZUGFeRD-Format empfangen können? „Das ist nicht schlimm“, meint Gerlof. „Sie sehen dann nur die PDF-Datei und können die strukturierten Daten der E-Rechnung nicht auslesen.“
Gut im Zeitplan
Bislang liegt das Baugeschäft Wolf gut im Zeitplan. Doch Gerlof weiß auch, dass noch Arbeit vor ihr liegt. Zum einen müssten die Mitarbeitenden im Büro geschult werden. Zum anderen gelte es, die neuen Prozesse noch schriftlich festzuhalten, damit die GoBD-Verfahrensdokumentation entsprechend angepasst werden könne. W
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Was jetzt auf Betriebe zukommt
Die E-Rechnung wird ab 2025 zur Pflicht. Handwerksbetriebe müssen dann von anderen Unternehmen elektronische Rechnungen empfangen können.
ANNA-MAJA LEUPOLD
Die Pflicht zur E-Rechnung kommt, das haben Bundestag und Bundesrat mit dem Wachstumschancengesetz beschlossen. Sie trifft alle Handwerksbetriebe, die andere FIrmen beauftragt haben.
Pflicht zur E-Rechnung:
Was sich für Betriebe ab 2025 ändert
„Ab 1. Januar 2025 müssen Betriebe in der Lage sein, E-Rechnungen zu empfangen“, sagt Simone Schlewitz, Referatsleiterin Steuer- und Finanzpolitik beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Die Annahmepflicht bedeutet: Ab dem kommenden Jahr müssen Betriebe sowohl eingehende XRechnungen als auch Rechnungen im ZUGFeRD-Format auslesen können.
„Dafür benötigen sie eine Visualisierungssoftware, weil die XRechnung nur aus einem Datensatz besteht“, sagt Schlewitz. Sie empfiehlt Betrieben, sich spätestens in der zweiten Jahreshälfte um die Anschaffung eines solchen Tools zu kümmern.
Durch das Wachstumschancengesetz kommen noch weitere Pflichten auf Betriebe zu:
ɓ Ab 1. Januar 2027 dürfen Unternehmen, die einen Vorjahresumsatz von mehr als 800.000 Euro haben, nur noch E-Rechnungen an Gewerbekunden verschicken.
ɓ Ab 1. Januar 2028 wird die E-Rechnung dann auch für Unternehmen verpflichtend, die einen Vorjahresumsatz von weniger als 800.000 Euro haben.
„Das bedeutet, dass die Papierrechnung aus dem B2B-Bereich spätestens ab 2028 verschwindet“, sagt die ZDH-Expertin. Sie weist zudem darauf hin, dass es zwei Ausnahmen gibt: Fahrscheine
und Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro sind von der E-Rechnungspflicht dauerhaft ausgenommen.
E-Rechnung und GoBD: Was Betriebe wissen müssen Bei der Archivierung der eingehenden E-Rechnungen müssen die Betriebe die GoBD beachten – also die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form.
Doch was bedeutet das genau? „Alle Rechnungen, die elektronisch eingehen, müssen auch elektronisch gespeichert werden“, erläutert Schlewitz. Die Betriebe benötigten dafür ein Speichermedium, das mindestens zehn Jahre existiert und von dem die Daten jederzeit auswertbar abgerufen werden können. „Nur so ist eine ordnungsgemäße Archivierung von E-Rechnungen möglich“, betont die Fachfrau. Ein geeignetes Speichermedium könne zum Beispiel eine Cloudlösung sein. Das bestätigt auch Christian Goede-Diedering, Referent bei der Datev. Er weist zudem darauf hin, dass für E-Rechnungen bei der Archivierung die gleichen Anforderungen gelten wie bei der Papierrechnung: „Betriebe müssen daher die Unversehrtheit und die Lesbarkeit der Daten gewährleisten sowie die Echtheit der Herkunft nachweisen können“, betont der Jurist. Mit Blick auf die GoBD haben Unternehmen
Bald kommt die Annahmepflicht: Betriebe sollten sich noch in diesem Jahr um eine Visualisierungssoftware kümmern, damit sie ab 2025 E-Rechnungen auslesen können.
„Setzen Sie sich am besten zeitnah damit auseinander und überlegen Sie, wie Sie Ihren Betrieb aufstellen wollen.“Simone Schlewitz, ZDH
noch eine weitere Pflicht: „Sie müssen unbedingt auch die Verfahrensdokumentation anpassen“, sagt Goede-Diedering. „Dort sollten Handwerksbetriebe festhalten, wie sie mit den eingehenden E-Rechnungen umgehen und wie sie die Rechnungen archivieren.“
Der Datev-Experte empfiehlt Handwerksunternehmern, den Eingang von E-Rechnungen zu regeln: „Richten Sie für Ihren Betrieb eine E-Mail-Adresse für E-Rechnungen ein und bitten Sie Ihre Geschäftspartner, Rechnungen nur an diese Adresse zu schicken.“
Falls Geschäftspartner mal eine E-Rechnung an eine andere Adresse zustellen, sollten Betriebe diese laut Goede-Diedering nicht akzeptieren und die E-Mails auch nicht intern weiterleiten: „Bei der Betriebsprüfung stellt sich sonst die Frage der Vollständigkeit.“ Prüfer könnten dann in eine vertiefte Belegprüfung einsteigen, einen Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften mit einem
„Alle Rechnungen, die elektronisch eingehen, müssen auch elektronisch gespeichert werden.“
Simone Schlewitz, ZDH
Bußgeld belegen und eventuelle Hinzuschätzungen ins Auge fassen.
Vorbereitung auf die E-Rechnung: Was Betriebe jetzt tun sollten 2024 müssen sich Betriebe zumindest darum kümmern, wie sie ab dem kommenden Jahr E-Rechnungen empfangen und wie sie die eingehenden Rechnungen archivieren. „Setzen Sie sich am besten zeitnah damit auseinander und überlegen Sie, wie Sie Ihren Betrieb aufstellen wollen“, rät Schlewitz Handwerksunternehmen. Für die Vorbereitung hat sie fünf Tipps:
ɓ Tipp 1: Wenn Sie einen Steuerberater haben, sollten Sie zeitnah besprechen, wie Sie künftig zusammenarbeiten wollen.
ɓ Tipp 2: Sollten Sie keinen Steuerberater haben, sollten Sie sich an Ihren IT-Dienstleister wenden und ihn nach geeigneten Software-Lösungen zum Empfang, zur
Anders als bei Papierrechnung und PDF: Bei E-Rechnungen werden alle Rechnungsinhalte in einem strukturierten, maschinenlesbaren Datensatz dargestellt.
Erstellung und zur Archivierung von E-Rechnungen fragen.
ɓ Tipp 3: Verschaffen Sie sich einen Überblick, an wen Sie Rechnungen verschicken. Sind es hauptsächlich Privatkunden oder senden Sie auch Rechnungen an Gewerbekunden und die öffentliche Hand?
ɓ Tipp 4: Überlegen Sie sich, ob Sie nur das Pflichtprogramm umsetzen wollen. Oder wollen Sie die E-Rechnung zum Anlass nehmen, um noch weitere Bereiche in Ihrem Betrieb zu digitalisieren – zum Beispiel die automatisierte Weiterverarbeitung der E-Rechnung?
ɓ Tipp 5: Der ZDH hat eine Praxishilfe zur E-Rechnung erstellt, die Betriebe über ihre
„E-Rechnungen enthalten zwingend alle Pflichtangaben, sodass Betriebe sie nicht prüfen müssen.“
Simone Schlewitz, ZDH
Handwerkskammer oder ihren Fachverband beziehen können.
Aufwand, aber auch Chancen: Welche Vorteile die E-Rechnung hat Die Vorbereitung auf die E-Rechnung ist für Betriebe mit Aufwand verbunden. Doch laut Schlewitz hat die elektronische Rechnung auch Vorteile „Bei Rechnungen, die auf Papier oder im PDF-Format eingehen, müssen Betriebe immer prüfen, ob alle gesetzlich vorgeschriebenen Rechnungsangaben aufgeführt sind.“
Dieser Prüfschritt entfällt künftig: „E-Rechnungen enthalten zwingend alle Pflichtangaben, sodass Betriebe sie nicht prüfen müssen“, erläutert die ZDH-Expertin. Doch von welchem Zeitgewinn können Handwerker bei der Bearbeitung von Eingangsrechnungen etwa ausgehen?
Laut Christian Goede-Diedering benötigen Betriebe im Schnitt fast 27 Minuten, um eine eingehende Rechnung zu prüfen, freizugeben und die Zahlung anzuweisen.
„Bei Rechnungen im PDF-Format sinkt der Zeitaufwand auf knapp zehn Minuten“, stellt der Datev-Fachmann klar. „Die Weiterverarbeitung von E-Rechnungen liegt im Schnitt bei zwei Minuten und 20 Sekunden, da sie nur freigegeben und bezahlt werden müssen“, betont Goede-Diedering. W
E-Rechnung: Was ist das und welche Formate gibt es?
Eine E-Rechnung ist mehr als nur eine PDF-Datei. Die Rechnung muss bestimmte Kriterien erfüllen und Betriebe können zwischen zwei Formaten wählen.
Schon 2014 hat die Europäische Union festgelegt, was eine E-Rechnung ist.
Laut EU-Richtlinie 2024/55 Art. 2 ist das eine Rechnung,
ɓ „die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird“ und
ɓ eine „automatische und elektronische Verarbeitung ermöglicht.
Und wie sieht das in der Praxis konkret aus? „Eine E-Rechnung stellt Rechnungsinhalte in einem strukturierten maschinenlesbaren Datensatz dar“, schreibt das Bundesinnenministerium auf dem Infoportal e-rechnung-bund.de. Dies
gewährleiste, dass Rechnungen, die in dieser Form vom Rechnungssteller ausgestellt werden,
ɓ elektronisch übermittelt,
ɓ elektronisch empfangen sowie
ɓ medienbruchfrei und automatisiert weiterverarbeitet und zur Auszahlung gebracht werden können.
„Im Wachstumschancengesetz wurde diese Definition noch ergänzt“, sagt Christian Goede-Diedering, Referent bei der Datev. Das Format der E-Rechnung könne „zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger vereinbart werden“. Voraussetzung sei allerdings, dass das Format alle Anforderungen der elektronischen Rechnung nach EU-Norm CEN 16931 erfüllt.
Laut Goede-Diedering gibt es zwei etablierte Formate, die die Vorgaben der EU-Richtlinie erfüllen: die XRechnung und ZUGFeRD. „Sie bieten Betrieben unterschiedliche Möglichkeiten“, betont der Referent.
Bei der XRechnung handle es sich um reine Strukturdaten. „Eine Bilddatei gibt es daher nicht“, erläutert GoedeDiedering. Daher bräuchten Betriebe einen Reader, wenn sie eine XRechnung auslesen wollen.
Anders sei das bei ZUGFeRD: „Das ist ein Hybridformat. Das bedeutet, dass die Rechnung aus einem strukturierten Datensatz und einem visuellen Belegbild in Form einer PDF-Datei besteht“, erläutert Goede-Diedering. Die Kombination ermögliche daher unterschiedliche Wege der Weiterverarbeitung. (AML)
Fachkräfte oder Auszubildende sollten sich schnell und unkompliziert bewerben können, wenn sie Ihre Stellenanzeige entdeckt haben – am besten per Handy mit ein paar Klicks.
Diese Schritte bringen Ihnen mehr Bewerbungen
Wenn Interessierte nicht schnell auf Ihrer Website finden, was sie brauchen, sind sie verloren. So räumen Sie die größten Hürden aus dem Weg.
KATHARINA WOLF
Online-Bewerbungen sind bei Ihnen Mangelware? Dann könnte es an Ihrem Bewerbungsprozess liegen. Abläufe, die einem langen Hürdenlauf gleichen, wird kein guter Bewerber akzeptieren. Denn: Wer sich bewirbt, hat meist schon einen Job und damit keinen Grund, einen langwierigen Prozess auf sich zu nehmen. „Entscheidend für mehr Online-Bewerbungen ist, dass Bewerber sich sofort, wenn sie auf Ihre Stellenanzeige stoßen, mit wenigen Klicks bewerben können. Zum Beispiel direkt vom Handy aus dem Bus heraus“, sagt Eva Lomme vom Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk, das Handwerksbetriebe im Bereich der Digitalisierung kostenfrei unterstützt. Sie vergleicht die Suche mit einem Trichter, bei der zunächst möglichst viele Interessenten eingesammelt werden. In einem kurzen Online-Verfahren können sie feststellen, ob sie zum Betrieb passen, die wichtigsten Qualifikationen erfüllen und wie sie sich sofort unkompliziert bewerben.
Schritt 1: Sie sammeln Bewerber mit Hinguckern
„Mitarbeiter gesucht“ oder „Wir brauchen Dich!“ –diese Slogans sind nicht besonders originell. „Bei der Suche nach Fachkräften oder Auszubildenden
Eva Lomme, Mittelstand-Digital Zentrum Handwerkgeht es darum, Aufmerksamkeit zu erregen“, sagt Lomme. „Suchen Sie sich ein Detail, das für Ihren Betrieb steht, formulieren Sie dazu einen Slogan und zeigen Sie ein gutes, authentisches Foto.“ Ob VierTage-Woche (Bei uns gehört der Freitag dir!), flexible Arbeitszeiten (Arbeite doch, wie es dir passt!), Service für die Reinigung der Arbeitskleidung (Bei uns wäscht der Chef!) oder die Wichtigkeit des Jobs (Energiewenderetter gesucht) – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Schritt 2: Direkten Zugang zu den Stellen schaffen
Foto: Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk
Nun gilt es, die potenziellen Bewerber unkompliziert zu den offenen Stellen auf Ihrer Karriereseite zu lotsen. „Wie das technisch gelöst wird, ob über einen QR-Code auf einem Plakat oder einen Link im Social-Media-Post, ist nicht so wichtig“, sagt Lomme. „Die Bewerber sollten aber innerhalb von wenigen Sekunden Antworten auf die wichtigsten Kernfragen und einen direkten Zugang zu den offenen Stellen bekommen.“ Diese Kernfragen seien:
ɓ Wer steht hinter der Stellenanzeige?
ɓ Was macht der Betrieb?
ɓ Was sind meine zukünftigen Aufgaben?
ɓ Warum sollte ich mich dort bewerben?
Gleichzeitig sollten die offenen Stellen oder auch die Bitte um Initiativbewerbungen unkompliziert zu finden sein. „Es geht darum, Hemmschwellen abzubauen“, betont Lomme. „Deshalb sollten Sie Gesicht zeigen: Wer nimmt die Bewerbung entgegen? An wen kann ich mich mit Fragen wenden? Und wie kann ich mich jetzt und hier bewerben?“
Schritt 3: Eine direkte Online-Bewerbung ermöglichen
Blitzbewerbung oder wie Sie es nennen wollen: Schaffen Sie auf Ihrer Website eine Möglichkeit, sich ganz unkompliziert zu bewerben, und fordern Sie die Bewerber direkt dazu auf. Zum Beispiel mit den Worten: „Bewirb dich jetzt in nur drei Minuten!“
„Wenn Sie diese Möglichkeit bieten, sollten Sie sich vorab wenige Fragen überlegen, mit denen Sie die Bewerbungen filtern“, erklärt Lomme.
ɓ Welche Qualifikation ist für die Stelle unbedingt nötig?
ɓ Welche Berufserfahrung oder Tätigkeiten setzen Sie voraus?
ɓ Welche Kernkompetenzen sollte der Bewerber auf jeden Fall haben? Welche können erlernt werden?
„Mit diesen Fragen lassen sich Online-Bewerbungsformulare gestalten, in denen die Bewerber nur kurze Antworten geben oder vorgegebene Kästchen anklicken müssen“, so die Expertin. Auf Unterlagen wie Lebenslauf oder Anschreiben sollten Sie dann verzichten. „Reduzieren Sie den Aufwand für den Bewerber auf ein Minimum und klären Sie den Rest im Gespräch“, empfiehlt Lomme.
„Bewerber wünschen sich ein transparentes Bewerbungsverfahren.“
Eva Lomme, Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk
Schritt 4: Mit transparentem Prozess punkten
Wir sind daran gewöhnt, uns nicht mehr überraschen zu lassen. Bei einem Bewerbungsprozess ist das nicht anders: „Bewerber wünschen sich Informationen darüber, wie der Prozess abläuft, welche Schritte nach der Bewerbung folgen und wann eine Entscheidung über die Besetzung der Stelle fällt“, erklärt Lomme. „Viele Betriebe liefern diese Informationen allerdings nicht.“ Also können Sie hier punkten, indem Sie die wichtigsten Fragen beantworten:
ɓ Wann kann ich mit einer Rückmeldung rechnen?
ɓ Wie viele Vorstellungsgespräche gibt es?
ɓ Kann ich zur Probe arbeiten?
ɓ Wie läuft das Onboarding?
„Hier können Sie viele Ängste nehmen, ohne Romane schreiben zu müssen“, betont die Expertin.
Schritt 5: Probieren, was funktioniert Ihre Online-Strategie funktioniert nicht auf Anhieb? Dann bleiben Sie dran. „Probieren Sie unterschiedliche Varianten aus, um herauszufinden, was am besten klappt“, rät Lomme. „Die Auswertungen der Social-Media-Anzeigen und Website-Besuche helfen dabei.“ Gleichzeitig können Sie so im Blick behalten, wie sich welche Zielgruppe am besten ansprechen lässt. W
aSie brauchen mehr Input zum Thema?
Das Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk bietet ein E-Learning zur digitalen Mitarbeitergewinnung. Kurzlink: svg.to/dimige
„Bis zu fünf Bewerbungen pro Woche kommen über die Website“
Wer in Emden
zum VW-Werk fährt, kann das riesige Plakat kaum übersehen: Die Ivens Haustechnik
GmbH bildet aus.
Auch auf der Website, auf Social Media und in Schulen wirbt das Unternehmen für sich als Arbeitgeber. „Wir klappern auf allen Kanälen und man kennt uns“, sagt Geschäftsführer Stefan Ivens (Foto). Doch wichtig ist ihm noch etwas anderes: Potenzielle Mitarbeitende sollen
es so leicht wie möglich haben, sich zu bewerben.
Deshalb gibt es auf der Website einen Bewerber-Workflow, der nicht nur einfach zu finden ist, sondern auch Interessierten mit wenigen Klicks eine Online-Bewerbung ermöglicht. „Wir wollen schnell und unkompliziert mit Bewerbern in Kontakt treten“, sagt Ivens. Wer will, hat innerhalb einer Minute seine Bewerbung abgeschickt. Dafür müssen Bewerber nur ein paar Fragen beantworten und ihre Kontaktdaten hinterlassen. „Am Telefon klären wir dann, was der Bewerber derzeit
macht und welche Erfahrungen er hat. Lebenslauf und Zeugnisse können wir uns später noch ansehen.“
Seit 2019 bietet Ivens die Schnellbewerbungen an und hat gute Erfahrungen gemacht. Statt maximal einer Bewerbung pro Woche kämen jetzt bis zu fünf. Vor allem jüngere Mitarbeitende oder Auszubildende wählten den schnellen, unkomplizierten Weg. Die Qualität der Bewerber sei dennoch gemischt, räumt der Geschäftsführer ein. „Es kommen schon mal Anfragen, die nicht passen.“ Und: „Die wirklich guten Bewerber laden ihre Unterlagen meist gleich mit hoch.“ (KW) Foto: Ivens Haustechnik
Mehr Reichweite auf Instagram gewinnen
Möchten Sie Kunden auf Instagram erreichen? Mit diesen Tipps steigern Sie ihre Aufmerksamkeit – von der Planung der Inhalte bis zu abwechslungsreichen
Beitragsformaten.
Wer sich in den sozialen Netzwerken vom Wettbewerb abheben will, sollte sich mit seinem Instagram-Account strategisch aufstellen. Mit der richtigen Mischung an Inhalten und vorausschauender Planung steigern Sie Ihre Reichweite und bauen eine Community auf. Diese Tipps helfen Ihnen, Ihren InstagramAccount so zu optimieren, dass er ein leistungsstarkes Werkzeug für Ihr Online-Marketing wird – mit einfachen Mitteln zu mehr Reichweite.
1. Beitragsformen mischen
Auf Instagram ist es entscheidend, eine vielfältige Mischung an Beitragsformen zu nutzen. Aus diesen drei Formaten können Sie wählen:
ɓ Reels: Das sind kurze Videos im Hochformat, die sich ideal für Einblicke und kurze Erklärungen zu bestimmten Themen eignen. Durch dynamische Darstellung können Sie Ihre Kreativität unter Beweis stellen und die Aufmerksamkeit der Nutzer auf sich ziehen. In Reels auf Instagram lassen sich sowohl kleine Arbeitsschritte als auch ganze Arbeitsprozesse gut darstellen. Durch die kurze Dauer der Videos können einzelne Abläufe ansprechend präsentiert werden, ohne dass es langweilig wird. Durch Musik und Effekte können Sie zudem die Aufmerksamkeit der Zuschauer gewinnen.
ɓ Informierende Beiträge: Diese Beiträge können beispielsweise auf mehreren Slides, das sind mehrere aufeinanderfolgende Bilder, verteilt werden, um Informationen häppchenweise ansprechend zu präsentieren. Damit wecken Sie das Interesse Ihrer Follower
und erweitern Ihr Netzwerk. Informierende Beiträge in Form von Slides fördern die Integration von Text, Bildern und Grafiken, um Themen anschaulich zu vermitteln. Durch die Verwendung von Slides können Sie Ihre Tipps und Tricks in einzelne Abschnitte unterteilen. Das erleichtert dem Leser, die Informationen besser zu verstehen.
Für Reels und informierende Beiträge braucht es eine Vorausplanung, um sicherzustellen, dass der Inhalt die Zielgruppe anspricht. Dafür ist es sinnvoll, sich diese Inhalte vorab genau zu überlegen.
Achten Sie darauf, dass die ausgewählten Themen, Ihre Zielgruppe interessieren. Zudem sollten Sie einen gelungenen Themen-Mix wählen.
ɓ Storys: Storys sind eine weitere wichtige Komponente, um die Community aktiv einzubinden. Kurze Einblicke in Form von Videos oder Fotos im Hochformat ermöglichen es Ihnen, nahbar zu wirken und einen persönlichen Bezug zu Ihren Followern aufzubauen. Durch interaktive Elemente wie Umfragen können Sie direkt mit Ihrer Community in Kontakt treten und Meinungen einholen. Storys sind nur 24 Stunden sichtbar und somit ideal für kurze Einblicke in Veranstaltungen oder in Ihren Arbeitsalltag.
Tipp: Um möglichst viele Personen zu erreichen, ist es sinnvoll, alle drei Formen zu nutzen und dadurch regelmäßig frischen Content zu liefern. Durch diese
Bewegte Bilder in Form von Reels sind bei InstagramNutzern besonders beliebt.
Auf Instagram ist es entscheidend, eine vielfältige Mischung an Beitragsformen zu nutzen.
Vielfalt können Sie Ihre Reichweite und die Interaktionsrate steigern sowie neue Follower gewinnen.
2. Content-Planung
Um erfolgreich auf Instagram präsent zu sein, ist es entscheidend, dass Sie eine klare Content-Planung (Inhaltsplanung) haben. Sind mehrere Personen aus dem Betrieb auf Ihrem Account aktiv, sollten Sie sich eng abstimmen. Damit vermeiden Sie Dopplungen und Missverständnisse. Denn nach außen ist es wichtig, dass Sie einheitlich auftreten – vor allem in Bezug auf die Text- und Bildsprache.
Wichtig: Erstellen Sie einen Redaktionsplan, um die Abstände für die Veröffentlichung Ihrer Inhalte festzulegen. Durch die Strukturierung Ihrer Beiträge können Sie sicherstellen, dass Sie Ihre Zielgruppe kontinuierlich mit relevanten Inhalten ansprechen.
Hilfreiche Tools erleichtern Ihnen die Planung, beispielsweise der Microsoft Planer. Damit können Sie Ideen sammeln, Inhalte planen sowie Aufgaben bestimmten Personen zuweisen. Damit gestalten Sie Ihren gesamten Redaktionsprozess transparenter und effizienter.
Eine weitere wichtige Eigenschaft des Microsoft Planers ist, dass man sich an bevorstehende Posts erinnern lassen kann. Dadurch gehen Ideen und Inhalte im Tagesgeschäft nicht verloren und Sie vergessen nicht, Beiträge zu veröffentlichen.
Tipp: Wählen Sie in Ihrer Planungsübersicht speziell abgestimmte Kategorien aus: Das kann
Erstellen Sie einen Redaktionsplan, um die Abstände für die Veröffentlichung Ihrer Inhalte festzulegen.
zum Beispiel die Unterteilung in verschiedene Beitragsformen oder Wochentage sein. Dies ermöglicht es Ihnen, gezielt Content zu planen und Ihre Beiträge optimal zu organisieren.
3. Individuelle Posting-Zeiten
Wann sind Ihre Follower auf Instagram aktiv? Damit Sie möglichst viele Konten mit Ihrem Content erreichen, sollten Sie die individuellen Zeiten für das Posten Ihrer Beiträge optimieren.
Die besten Zeiten für Postings sind in der Regel zwischen 11 und 13 Uhr sowie zwischen 19 und 21 Uhr. Diese Zeiten sind häufig mit einer höheren Aktivität der Nutzer auf der Plattform verbunden und können daher die Reichweite Ihrer Beiträge steigern.
Ein hilfreiches Tool zur Bestimmung Ihrer optimalen Posting-Zeiten sind die Instagram Insights. Hier können Sie sehen, zu welchen Zeiten und an welchen Tagen Ihre Beiträge am besten ausgespielt werden. Sie können zudem ablesen, wann Sie die meisten Aktivitäten auf Ihrem Account generieren. Indem Sie diese Daten analysieren, können Sie herausfinden, wann Ihre Zielgruppe am aktivsten ist, und Ihre Posts entsprechend einplanen.
Mit dem Fokus auf die Aktivitäten Ihrer Zielgruppe und einer gezielten Planung Ihrer Posts können Sie sicherstellen, dass Ihr Content wahrgenommen wird und Ihre Nutzer das mit Interaktionen belohnen.
4. Nur ein aktiver Account generiert Aufmerksamkeit!
Ein Instagram-Account lebt nicht nur von den geposteten Beiträgen. Sie brauchen auch Aktivitäten rund um Ihre Posts:
ɓ Interaktion mit dem Publikum: Halten Sie Kontakt zu Ihrem Publikum. Interagieren Sie, indem Sie beispielsweise Likes vergeben und auf Kommentare reagieren. Dadurch können Sie eine persönliche Verbindung zu Ihren Followern aufbauen und ihr Engagement steigern. Auch das Folgen und Verlinken anderer Profile kommt meist zurück.
ɓ Zeitnahe Antworten auf Nachrichten: Beantworten Sie Kommentare und Nachrichten zeitnah! Indem Sie auf die Anliegen und Fragen Ihrer Follower eingehen, zeigen Sie Wertschätzung und schaffen Vertrauen. Zudem signalisiert eine schnelle Reaktion dem Algorithmus von Instagram, dass Ihr Account aktiv ist, und belohnt dies mit einer besseren Ausspielung Ihrer Beiträge.
ɓ Beziehungspflege: Durch regelmäßige Interaktionen können Sie nicht nur Ihre Reichweite erhöhen, sondern auch neue Follower gewinnen. Im Idealfall entwickeln sie sich im Laufe der Zeit zu einer loyalen Community.
Letztendlich zahlt die Interaktion vor und nach dem Posten auf das Wachstum Ihres Accounts ein und verbessert die Sichtbarkeit auf Instagram.
Halten Sie Kontakt zu Ihrem Publikum. Interagieren Sie, indem Sie beispielsweise Likes vergeben und auf Kommentare reagieren.
5. Machen Sie einen Profilcheck!
ɓ Der erste Eindruck zählt: Ein ansprechendes und einheitliches Design Ihres InstagramProfils steigert die Aufmerksamkeit der Nutzer und damit auch das Interesse an Ihrem Content. Das Profilbild, die Biografie, Story Highlights und das allgemeine Design Ihres Feeds sind die ersten Punkte, die Instagram-Nutzer beim Besuch Ihres Profils sehen. Wenn Sie auf den ersten Blick überzeugen können, bleiben User auf dem Profil und interagieren mit Ihrem Content.
ɓ Profilbild und Beschreibung: Beginnen Sie mit einem qualitativ hochwertigen Profilbild –hier bieten sich entweder das Firmenlogo oder ein Gruppenbild Ihres Teams an. Die Biografie sollte kurz, prägnant und informativ sein: Was machen Sie? Was hebt Sie von Ihren Konkurrenten ab? Geben Sie auch Ihren Standort an und verlinken Sie Ihre Webseite. Verwenden Sie passende Emojis, um Ihren Text aufzulockern und visuell ansprechender zu gestalten.
ɓ Corporate Design: Wenn Sie Story-Highlights haben, achten Sie darauf, ein einheitliches Design für die Cover zu verwenden, und geben Sie den Highlights präzise Namen. Ihr Feed sollte außerdem einheitlich gestaltet sein. Dafür können Sie Ihr Corporate Design nutzen und beispielsweise Ihr Firmen-Logo konsistent an einer Stelle platzieren. W
Hohe Reichweite dank Reels und
„Eine gute Mischung“ aus Reels, bebilderten
Beiträgen und Storys macht den InstagramAccount von BC
Bieder Haustechnik in Westerstede aus. „Wir versuchen, eine Vielfalt an Themen abzudecken, die Neukunden und potenzielle Mitarbeitende interessieren“, sagt Projektleiter Christian Bieder (Foto). So sind beispielsweise kurze Reels der Monteure auf dem Account zu sehen, Fotos von kleinen und großen Baustellen oder Einblicke in Sanierungsprojekte. Der 25-Jährige, der auch für die Nachwuchsgewinnung zuständig ist,
einheitlicher
Bildsprache
bindet die Auszubildende und die Junggesellen in die Content-Erstellung ein. „Der eine oder andere liefert Bilder oder Videos von der Baustelle zu, die Auszubildende bereitet das Material dann auf“, berichtet Bieder.
Beim Auswerten der Beiträge habe er festgestellt, dass Reels die meiste Reichweite erzielen. Auch die Interaktionsrate sei bei diesem Format am höchsten. „Das ist für die Zuschauer spannend, weil wir Einblicke in unsere Arbeit geben und dabei auch auf einen Unterhaltungswert setzen“, sagt Bieder. Das Ziel sei es, mehr Ideen für Reels zu entwickeln und mehr Videos zu veröffentlichen.
Denn neben der Neukundengewinnung stehe ganz klar die Gewinnung von Auszubildenden und Junggesellen im
Fokus der Social-Media-Aktivitäten. „Dafür arbeiten wir kontinuierlich am Image der Firma und geben Einblicke in alle Unternehmensbereiche“, sagt Christian Bieder. Wichtig sei ihm auch, in den Beiträgen die Kollegen zu zeigen, die in dem Handwerksbetrieb arbeiten.
Für den Aufbau des Instagram-Kanals hat der Betrieb eine Agentur beauftragt. „Da ging es vor allem um Gestaltungsthemen: Wie bereiten wir Bilder auf? Wie binden wir unsere Farben Schwarz, Marmor und Orange immer wieder in die Beiträge ein?“, erläutert Bieder. Er arbeitet mit der Auszubildenden an dem Account und setzt die Vorgaben systematisch um. Das zahle auf den Wiedererkennungswert des SHK-Betriebs ein, weil das Orange aus dem Firmenlogo immer wieder auftaucht. (JA)
„Um Neues zu entwickeln, brauche ich eine sichere wirtschaftliche Basis. Die schaffe ich gemeinsam mit meiner Steuerberaterin.“
Armin Machhörndl, Kaffeerösterei Machhörndl
Als Unternehmer ist es nicht immer einfach, das Richtige zu entscheiden. Ihre Steuerberatung berät Sie kompetent und auf der Basis aktueller Geschäftszahlen. Gemeinsam schaffen Sie so die Grundlagen für sichere Entscheidungen und eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung.
gemeinsam-besser-machen.de
Augenoptiker- und Hörakustikermeisterin Miriam Altenschulte verteilt die Verantwortung auf vielen Schultern.
Aufgaben delegiert, Betrieb umgekrempelt
Für eine neue Dienstleistung brauchte Miriam Altenschulte neue
Strukturen im Betrieb. Von alten Prozessen trennte sich die Meisterin.
MARTINA JAHN
Den Betrieb auf den Kopf stellen und alles alleine wuppen? Das kam für Miriam Altenschulte nicht in Frage. Die Augenoptiker- und Hörakustikermeisterin hat seit dem Einstieg in den elterlichen Betrieb vor sechs Jahren „viel umgekrempelt“. Der Hauptgrund: Sie war zuvor die Einzige, die im Bereich Hörakustik ausgebildet war. „Ich wollte diese Dienstleistung unbedingt anbieten und fest integrieren“, berichtet die Inhaberin von Optik Akustik Uhren Schmuck Lütkeniehoff in Wietmarschen.
Doch der Unternehmerin war klar, dass sie Prozesse und Strukturen nur erneuern kann, wenn das Team hinter ihr steht. „Das funktionierte von Anfang an super: Denn ich war so motiviert, dass ich mit meiner Arbeitseinstellung offenbar alle angesteckt
„Ich war so motiviert, dass ich mit meiner Arbeitseinstellung offenbar alle angesteckt habe.“
Miriam Altenschulte, Hörakustikermeisterin
habe“, freut sich Altenschulte. Das gesamte Team zog mit. Auch dann, als es um die Übernahme von Verantwortung ging.
Aufgaben abgeben Schon 2018, als Altenschulte aus der Elternzeit als Angestellte in den Betrieb kam, begann sie mit Umstrukturierungen. „Doch mir war klar, dass ich gar nicht alles allein schaffen kann“, betont die Unternehmerin. Sie musste sich Freiraum schaffen, um an ihr Ziel zu kommen, die Hörakustik langfristig fest in dem Betrieb zu verankern. „Ich bin mehrfach an meine Kapazitätsgrenzen gestoßen“, berichtet sie. Also hieß es, Kräfte bündeln und Aufgaben verteilen. Abgegeben hat Miriam Altenschulte die gesamte Personalplanung. „Das ist so komplex
und raubt viel Zeit und Nerven, die ich für mein eigentliches Handwerk und die Arbeit mit Kunden brauche“, betont sie. Vor allem in einem Team, das ausschließlich aus Frauen in Teilzeit besteht, seien Urlaub, Krankheit oder Ausfall durch kranke Kinder immer zu berücksichtigen. Dieser Herausforderung hat sich eine langjährige Mitarbeiterin angenommen.
Verantwortung fördert Selbstständigkeit
Auch die Themen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit hat Altenschulte delegiert: Die Kommunikation mit der Agentur, die die Homepage betreut, die Website aktualisieren, die Kontakte zur regionalen Presse – all das übernimmt jetzt eine Mitarbeiterin. „Wir stimmen uns zwar ab, aber das meiste passiert in Eigenverantwortung“, sagt die Meisterin. Zudem hat die Handwerksunternehmerin dafür gesorgt, dass im Bereich der Augenoptik alle Mitarbeiterinnen beispielsweise den Einkauf von Brillenfassungen selbst managen. „Es ist mir wichtig, dass jede vom Sehtest bis hin zum Anpassen einer Brille den gesamten Prozess eigenständig abwickeln kann“, sagt Altenschulte.
„Nicht 60 Stunden pro Woche arbeiten“
Für die Mutter einer Tochter war auch nach der offiziellen Übernahme des Betriebs im Januar 2023 klar, dass sie nicht von früh bis spät arbeiten will und kann. Sie habe von Beginn an gut abgeben können – auch, weil sie bei ihrem Vater gesehen habe, dass er seinen Mitarbeitern zu viel abnehmen wollte. Das wollte sie als Nachfolgerin ändern. Und hat von Anfang an offen mit dem Team darüber gesprochen.
Und obwohl ihr Vater zu Beginn der Umstrukturierungen noch offiziell der Chef war, unterstützte er seine Tochter und ihre Ideen. „Ich hatte sein volles Vertrauen, er hat mich machen lassen und sich zurückgenommen“, berichtet Altenschulte. Das habe den gesamten Prozess für sie erleichtert.
Die Hörakustik als neuen Geschäftszweig aufzubauen, sei auch nicht ganz risikoarm gewesen, räumt die 39-Jährige ein. „Ich wusste ja gar nicht, ob Neukunden für ihr Hörgerät zu uns kommen würden oder ob die Stammkunden dafür offen sind.“ Letzten Endes wurde ihr Mut belohnt: „Die Kunden haben mir vertraut und das Thema wurde richtig gut angenommen“, freut sich Miriam Altenschulte. Da sie mittlerweile nur noch im Bereich Hörakustik arbeitet, hat sich die Unternehmerin auch dort Entlastung verschafft: Zwei Mitarbeiterinnen haben sich aus eigenem Antrieb zur Hörfachkraft weitergebildet und nehmen ihr einige Arbeiten ab. „Auch sie haben gesehen, dass ich an Grenzen stoße, und mich gefragt, wie sie mich unterstützen können“, sagt Altenschulte. W
„Ich wusste ja gar nicht, ob Neukunden für ihr Hörgerät zu uns kommen wür-
den oder ob die Stammkunden dafür offen sind.“
Miriam Altenschulte, Augenoptiker- und Hörakustikermeisterin
Klima-Innovationspreis ausgelobt
Ihr Betrieb wirtschaftet nachhaltig und Sie tragen damit innovativ zum Klimaschutz bei?
Dann erfüllen Sie bereits ein Kriterium, das es für die Bewerbung zum Klima-Innovationspreis Niedersachsen 2024 braucht. Ausschließlich Betriebe mit Sitz in Niedersachsen können ihre Bewerbung einreichen. Größe, Rechtsform und Branche spielen dabei keine Rolle. Die eingereichten Innovationen werden anhand folgender Kriterien bewertet:
ɓ Beitrag der Innovation zum Klimaschutz
ɓ Beitrag zur klimaneutralen Wirtschaft
ɓ Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit
ɓ Beitrag zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit.
Der Gewinner erhält ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro, landesweite Medienpräsenz und eine handgefertigte Trophäe. Verliehen wird der Preis vom Niedersächsischen Umweltministerium und der Allianz für Nachhaltigkeit Niedersachsen. Die Preisverleihung findet im November in der Stadthalle Göttingen statt. Bewerbungsschluss ist der 15. Juni 2024. (JA)
Für Export-Rekord ausgezeichnet
Der Niedersächsische Außenwirtschaftspreis 2024 in der Kategorie „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“ ging in diesem Jahr an die Firma Hatecke GmbH aus Drochtersen. Das Unternehmen baut Rettungsboote für Schiffe für den internationalen Markt. Es ist unter anderem im Boots- und Metallbau aktiv. Der Exportanteil liegt bei beeindruckenden 80 Prozent. Laut Niedersächsischem Wirtschaftsministerium setzte sich der Betrieb gegen zahlreiche starke und engagierte Mitbewerber durch.
Der Preis wurde im Rahmen des Außenwirtschaftstages von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies verliehen.
Für den Preis in der Kategorie KMU waren außerdem die Unternehmen Neuhaus Neotec GmbH aus Ganderkesee und die Internationale Geotextil GmbH aus Twistringen nominiert. (JA)
Nicht nur Bau- und Ausbauberufe, sondern auch Augenoptiker stellen sich am Gemeinschaftsstand des Handwerks vor.
Handwerk zum Anfassen
Im Juni lockt die IdeenExpo Tausende Jugendliche nach Hannover.
In Halle 9 erwarten Besucher spannende Berufe zum Ausprobieren.MARTINA JAHN
Dass im Handwerk in vielen Berufen der Schwerpunkt auf technischen und naturwissenschaftlichen Aspekten liegt, können Besucher auf der IdeenExpo in Halle 9 erleben. Auf dem Gemeinschaftsstand der Handwerkskammern und Fachverbände finden sie Berufe zum Anfassen und Ausprobieren.
„Die IdeenExpo gibt uns eine einmalige Gelegenheit: Wir können das, was auf dem Papier mittlerweile unstreitig ist – die Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung –, mit Inhalt füllen“, sagt Mike Schneider, Präsident des Niedersächsischen Handwerkstages (NHT). In den Workshops der Mint-Berufe im Handwerk könnten
„Die IdeenExpo gibt uns eine einmalige Gelegenheit.“
Mike Schneider, NHT-Präsident
Schüler, Eltern und auch Lehrer erleben, dass eine duale Ausbildung im Handwerk eine echte Alternative für die Berufswahl ist.
Dass die Berufe im Handwerk eine besondere Bedeutung für die Energiewende haben, betont Eckhard Stein, Vorsitzender der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN). „Wir wollen zeigen, wie digital unsere Berufe geworden sind – und wie sehr es auf gutes Teamwork zwischen den unterschiedlichen Branchen ankommt.“
Mitmach-Workshops
Von Augenoptiker bis Tischler bieten verschiedene Gewerke täglich Mitmach-Workshops an. Schüle-
rinnen und Schüler testen ihr Geschick im Umgang mit Metall, Holz, Lack, Rohren und Kabeln – und erstellen selbst ihre kleinen Exponate. Eine Auswahl:
Augenoptik: Nimm das Leben unter die Lupe In der Augenoptik braucht es Geschick, Geduld, Sinn für Design und technisches Verständnis. Besucher des Standes können eine eigene Lupe zum Mitnehmen erstellen. Oder sie schleifen unter Einsatz des entsprechenden Werkzeugs eigene Gläser – und erkennen auch hier die Kombination aus Geschmack und Geschick. Zudem gibt es das Angebot, Herzen aus Brillendraht zu biegen, um auch den Kleinen einen Erfolg durch „Machen mit den Händen“ zu zeigen.
Baugewerbe: BauBoard und Elektrobagger Mit dem BauBoard erhalten die Schüler einen lebensechten Einblick in Bauberufe: Auf einer beweglichen Platte durchlaufen sie eine virtuelle Baustelle und beantworten dabei Fragen zu den Bauberufen: Beton- und Stahlbetonbauer, Maurer, Straßenbauer, Kanalbauer oder Rohrleitungsbauer. Mit Spezialeffekten wie Wind, Schnee und Nebel sind Überraschungsmomente und Spaß garantiert.
Auf einem echten Elektro-Bagger können die Besucher erleben, wie die Bauprofis arbeiten, auf welche Fertigkeiten es ankommt. Sie steuern den Bagger selbst und testen bei einem Geschicklichkeitsspiel, wie wichtig ein gutes Auge, eine ruhige Hand und starke Nerven in der Baubranche sind.
Dachdecker- und Elektrohandwerk: ein KlimaHaus zum Mitnehmen Gemeinsam zeigen die beiden Gewerke, dass sie „KlimaAnpacker“ sind: Zuerst werden Holzplatten miteinander zu einem kleinen Haus mit Steildach und Flachdachanbau verbunden. Danach werden die Ziegel angebracht. Anschließend wird ein Loch in eine Dachhälfte gebohrt und beim Elektrohandwerk nebenan eine Solarzelle angebracht. Ein Leuchtkörper bringt bei Dunkelheit ein warmes Licht. Mit Kresse bepflanzt, kann das KlimaHaus gleich mehrere Zwecke erfüllen: Lichtspender und Snackbar.
Sanitär-Heizung-Klima- und Lüftungstechnik: Bau dir einen „Wärmepumper“ An die 15- bis 18-Jährigen richtet sich ein Workshop des SHK-Handwerks „Rund um die Wärmepumpe“. Dafür ist vor Ort ein Schulungsmodell einer Wärmepumpe aufgebaut, an dem die Funktionsweise erklärt wird. Auch die Technik, die hinter einer aktuellen Wärmepumpe steckt, können Jugendliche erleben. Danach geht es an den Werktisch: Aus Fittings kann ein Wärmepumper – ein Männchen aus kleinen Rohren – gebaut und mitgenommen werden. W
„Wir
wollen zeigen, wie digital unsere Berufe geworden sind –und wie sehr es auf gutes Teamwork zwischen den unterschiedlichen Branchen ankommt.“
Eckhard Stein, LHN-Vorsitzender
IdeenExpo 2024
Termin: 8. bis 16. Juni 2024
Öffnungszeiten: täglich von 9 bis 18 Uhr
Veranstaltungsort: Messegelände Hannover
Workshops Handwerk: Halle 9, Außengelände vor der Halle
Eintritt: kostenfrei
Weitere Infos: www.ideenexpo.de
Krankengeld wird nur endgültig festgesetzt: Allerdings sind laut Sozialgericht Frankfurt in Ausnahmefällen nachträgliche Korrekturen möglich.
Nachträgliche Korrekturen beim Krankengeld möglich?
Freiwillig versicherte Selbstständige können bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben. Die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem Einkommen.
ANNA-MAJA LEUPOLD
Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen haben bei längerer Krankheit
Anspruch auf Krankentagegeld. Das gilt auch für freiwillig gesetzlich versicherte Selbstständige, sofern sie eine Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld abgeschlossen haben.
Wie hoch das Krankengeld ausfällt, richtet sich in der Regel nach dem Einkommen, das die Selbstständigen vor der Arbeitsunfähigkeit erzielt haben – allerdings schwanken deren Einnahmen. Doch kann die Krankengeldhöhe deshalb nachträglich korrigiert werden? Diese Frage musste das
Bei
der
Prüfung der drei Fälle kam das Sozialgericht zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Sozialgericht Frankfurt am Main im Fall von drei Selbstständigen beantworten, die ihre Krankenkassen verklagt hatten.
Krankengeld: Warum die Krankenkassen die Korrektur verweigerten
Die drei Krankenkassen hatten für die Selbstständigen jeweils das Krankengeld berechnet. Dabei waren sie laut Sozialgericht wie folgt vorgegangen: ɓ Fall 1: Grundlage für die Berechnung waren die zwei Jahre alten Einkommensteuerbescheide. Nach Bewilligung des Krankengeldes reichte die Selbstständige allerdings noch zwei Ein
Foto: Schemkenstock.adobe.com
Drei Fälle, verschiedene Entscheidungen
Bei der Prüfung der drei Fälle kam das Sozialgericht zu unterschiedlichen Ergebnissen: In zwei Fällen entschieden die Richter zugunsten der Krankenkassen, in einem Fall konnte sich die Selbstständige durchsetzen.
Fall 1: Kein höheres Krankengeld
kommensteuerbescheide bei der Krankenkasse ein. Sie wiesen deutlich höhere Einkünfte aus (Az. S 14 KR 160/21).
ɓ Fall 2: Hier lagen der Krankenkasse zwar schon aktuelle Einkommensteuerbescheide vor. Trotzdem berechnete sie das Krankengeld auf Grundlage der alten Steuerbescheide (Az. S 34 KR 1684/22).
ɓ Fall 3: Die Krankenkasse legte bei der Krankengeldberechnung die niedrigen Einkommensangaben zugrunde, die die Versicherte beim Start in die Selbstständigkeit eingereicht hatte. Aufgrund dieser Angaben hatte die Versicherung bereits ein halbes Jahr zuvor entschieden, dass die Versicherte nur den Mindestbeitrag zahlen muss (Az. S 34 KR 727/21).
In allen drei Fällen hätten die Krankenkassen zwar die Beiträge korrigiert. Doch wie das Sozialgericht weiter mitteilt, hätten die Kassen die Zahlung eines höheren Krankengeldes abgelehnt.
Begründung: Die gesetzliche Regelung zur Berechnung des Krankengeldes sehe keine nachträgliche Korrektur der Krankengeldhöhe vor. Grundlage der Krankengeldberechnung seien daher die Einkommensangaben, die die Versicherten zur Beitragsfestsetzung getätigt hätten. Die Selbstständigen akzeptierten diese Begründung nicht und klagten gegen ihre Krankenkassen. Sie hätten nachträglich höhere Beiträge gezahlt, daher müssten sie nun auch höhere Leistungen erhalten.
Wie hoch das Krankengeld ausfällt, richtet sich in der Regel nach dem Einkommen, das die Selbstständigen vor der Arbeitsunfähigkeit erzielt haben.
Das Gericht stellte in Fall 1 klar, dass das Arbeitseinkommen aus dem letzten, zwei Jahre alten Einkommensteuerbescheid sowohl zur Beitragsfestsetzung als auch zur Krankengeldberechnung heranzuziehen sei. Zur Begründung verwies das Gericht auf die seit 2018 geltende Rechtslage: Für die Beitragseinstufung bei Selbstständigen sei gesetzlich seither eine vorläufige und eine endgültige Festsetzung vorgesehen. Das Krankengeld hingegen werde weiterhin nur endgültig festgesetzt. Grund dafür sei, dass „es zeitnah und verwaltungspraktikabel den Entgeltverlust durch Arbeitsunfähigkeit ausgleichen soll“. Laut Sozialgericht kann sich das Krankengeld im Ausnahmefall aber erhöhen. Möglich sei das, wenn es „konkrete Anhaltspunkte“ gebe, „dass der ermittelte Betrag erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten entspreche“. Eine solche Ausnahme komme vor allem in Betracht, wenn ein fiktives Mindesteinkommen die Grundlage der Beitragsbemessung bilde. Werde ein Mindestbeitrag festgesetzt und bestünde eine auffällige Abweichung zum tatsächlichen Einkommen, müsse das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielte Arbeitseinkommen laut Gericht konkret ermittelt werden. Schließlich gebe es kein fiktives Mindestkrankengeld.
Fall 3: Ebenfalls ein Sieg für die Krankenkasse
Diese Auslegung bestätigte das Sozialgericht in Fall 3: Die Klage der Selbstständigen blieb hier ebenfalls erfolglos. Schließlich hätten zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Krankengeldantrag Belege –und damit Anhaltspunkte – für ein tatsächlich höheres Einkommen gefehlt.
Fall 2: Selbstständige vor Gericht erfolgreich Das Urteil in Fall 2 hingegen fiel zugunsten der Selbstständigen aus. Laut Sozialgericht hätten der Krankenkasse schon vor der Entscheidung über das Krankengeld aktuellere Einkommensteuerbescheide vorgelegen. Dadurch habe die Selbstständige höhere Einkünfte nachgewiesen. Das hätte die Krankenkasse berücksichtigen müssen. W
aSozialgericht Frankfurt am Main:
Bescheid vom 3. Juli 2023, Az. S 14 KR 160/21; Urteil vom 21. Juli 2023, Az. S 34 KR 1684/22 sowie Az. S 34 KR 727/21
Recht:
Höhe des Krankengeldes: Selbstständige erhalten laut Rechtsanwalt Nikolaos Penteridis 70 Prozent des Einkommens, das bei der Beitragsberechnung zugrunde gelegt wurde.
Foto: Setareh - stock.adobe.com
Was Sie jetzt wissen müssen
Um das Krankengeld und die Beiträge für Selbstständige richtig berechnen zu können, brauchen die Krankenkassen Einkommensnachweise. Diese Frist gilt es zu beachten.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat im Fall von drei Selbstständigen entschieden, dass die nachträgliche Erhöhung des Krankengeldes nur ausnahmsweise möglich ist. Für Rechtsanwalt Nikolaos Penteridis zeigen die Entscheidungen, dass „Selbstständige bei der Krankengeldberechnung die aktuellsten Einkommensdaten bereitstellen müssen“. Gemeint sind damit die aktuellen Einkommensteuerbescheide.
Steuerbescheid: Zwei Gründe, warum die Kassen ihn benötigen
Doch wann genau müssen Selbstständige die Unterlagen bei ihrer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einreichen? „So bald wie möglich“, sagt Penteridis. Dem Fachanwalt für Sozialrecht, Medizinrecht und Versicherungsrecht zufolge ist das aus zwei Gründen wichtig:
1 Durch die Übermittlung der aktuellen Einkommensteuerbescheide stellen Selbstständige sicher, dass die Krankenkasse die Krankengeldhöhe richtig ermitteln kann.
2 Zudem können die monatlichen Krankenkassenbeiträge nur angepasst werden, wenn aktuelle Einkommensdaten vorliegen. Beispielsweise können die Beiträge nur gesenkt werden, wenn der aktuelle Steuerbescheid ein niedrigeres Einkommen ausweist als der Bescheid vom Vorjahr.
Frist für die Beitragsberechnung
Penteridis weist darauf hin, dass Selbstständige Fristen beachten müssen: „Für die Beitragsberechnung müssen die Einkommensteuerbescheide innerhalb von drei Jahren eingereicht werden.“ Die Frist beginne mit Ablauf des zu berücksichtigenden Jahres.
Was das für Selbstständige bedeutet, erläutert der Jurist anhand eines Beispiels: „Wenn die Beiträge für das Jahr 2022 endgültig berechnet werden sollen, muss der Einkommensteuerbescheid bis zum 31. Dezember 2025 vorgelegt werden.“
Allerdings erhalten Selbstständige den Einkommensteuerbescheid nicht immer rechtzeitig vom Finanzamt. Penteridis empfiehlt in solchen
„Für die Beitragsberechnung müssen die Einkommensteuer
bescheide innerhalb von
drei Jahren eingereicht werden.“
Nikolaos Penteridis, Rechtsanwalt
Fällen, die Unterlagen auch nach Ablauf der drei Jahre einzureichen – verbunden mit einem Antrag, dass die Krankenkasse die Beiträge auf Grundlage des neuen Einkommensteuerbescheides berechnet.
GKV-Mindestbeitrag: Wie hoch ist das Krankengeld?
Freiwillig gesetzlich Versicherte, die kein oder nur ein geringes Einkommen erzielen, zahlen in der gesetzlichen Krankenversicherung den Mindestbeitrag. Dieser Mindestbeitrag wird immer auf Grundlage eines fiktiven Mindesteinkommens berechnet, das 2024 bei 1.178,33 Euro im Monat liegt. Daraus ergibt sich aktuell ein Mindestbeitrag von rund 180 Euro – bei diesem Tarif haben Selbstständige im Krankheitsfall auch Anspruch auf Krankengeld.
„Das Krankengeld wird in solchen Fällen auf Basis des Mindestbeitrags berechnet und fällt daher relativ niedrig aus“, sagt Rechtsanwalt Penteridis. Schließlich betrage das Krankengeld grundsätzlich 70 Prozent des zugrunde liegenden Einkommens – in diesem Fall also 1.178,33 Euro. „Das ergibt ein Krankengeld von 824,83 Euro im Monat“, sagt der Fachanwalt.
Kann Selbstständigen das Krankengeld gekürzt werden?
Das Sozialgericht Frankfurt hat im Fall der drei Selbstständigen klargestellt, dass das Krankengeld von Selbstständigen im Ausnahmefall nachträglich erhöht werden kann, wenn „der ermittelte Betrag erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten“ entspricht.
Foto: FRANZ JOSEF
Doch ist auch das Gegenteil möglich, also kann das Krankengeld auch gekürzt werden? „Ja, zumindest für die Zukunft“, sagt der Fachanwalt. Möglich sei das, wenn das tatsächlich erzielte Einkommen niedriger ist als das Einkommen, das zur ursprünglichen Beitrags- und Krankengeldberechnung herangezogen wurde. „Die Beiträge und somit auch das Krankengeld werden dann auf Basis des tatsächlichen niedrigeren Einkommens angepasst“, erläutert Penteridis.
ANNA-MAJA LEUPOLD WGroße Unzufriedenheit: Nur 14 Prozent der Beschäftigten fühlen sich ihrem Arbeitgeber emotional eng verbunden.
Schlechter Chef wird zum
Betriebsrisiko
Die Zahl der Arbeitnehmer, die sich nicht an ihren Arbeitgeber gebunden fühlen, erreicht ein Rekordniveau. Und das liegt nicht am Geld, ermittelte eine aktuelle Studie.
KATHARINA WOLF
Mitarbeitende, die innerlich gekündigt haben oder nur Dienst nach Vorschrift machen, können für einen Betrieb ernste Konsequenzen haben. Doppelt so hohe Fehlzeiten, geringere Produktivität und eine große Bereitschaft, den Arbeitgeber zu wechseln, ermittelte der aktuelle Gallup Engagement Index Deutschland. So sei mit 67 Prozent der überwiegende Teil der Arbeitnehmer nur gering gebunden und mache Dienst nach Vorschrift. Die Zahl der Arbeitnehmer, die bereits innerlich gekündigt haben, liegt mit 19 Prozent so hoch wie seit 2012 nicht mehr. Nur 14 Prozent fühlen sich ihrem Arbeitgeber emotional eng verbunden.
Nur 14 Prozent der Arbeitnehmer fühlen sich ihrem Arbeitgeber emotional eng verbunden.
Gallup Engagement Index Deutschland
Kosten innerer Kündigung gehen in die Milliarden Innere Kündigungen seien nicht nur ein Problem für Unternehmen, deren Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit darunter leidet, sondern auch ein volkswirtschaftliches, heißt es in einer Presseinformation von Gallup: Die dadurch entstehenden Kosten aufgrund von Produktivitätseinbußen beliefen sich für 2023 auf eine Summe zwischen 132,6 und 167,2 Milliarden Euro.
Für Betriebe problematisch: Je weniger sich Mitarbeitende emotional gebunden fühlen, desto größer ist die Wechselbereitschaft. Nur noch etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Beschäftigten
will in einem Jahr mit Sicherheit noch bei ihrem jetzigen Arbeitgeber sein. 45 Prozent sind aktiv auf Jobsuche oder schauen sich um.
Wer sich gut fühlt, bleibt Hohe Bindung macht sich indes bezahlt: Von den hoch Gebundenen wollen 79 Prozent in einem Jahr noch bei ihrer derzeitigen Firma sein, lediglich 5 Prozent von ihnen sind derzeit aktiv auf Jobsuche. 63 Prozent würden ihren Arbeitgeber Freunden oder Familienangehörigen uneingeschränkt empfehlen.
Schwierig scheint auch die Integration neuer Teammitglieder zu sein. Denn die Ergebnisse zeigen, dass 40 Prozent der Befragten mit weniger als zwölf Monaten Betriebszugehörigkeit schon wieder offen für Neues sind: 15 Prozent sind aktiv auf der Suche nach einem neuen Job, weitere 25 Prozent schauen sich um.
Von den Neuen beabsichtigt auch weniger als die Hälfte (48 Prozent) uneingeschränkt, in einem Jahr noch bei ihrem aktuellen Arbeitgeber zu sein,
Die Zahl der Arbeitnehmer, die bereits innerlich gekündigt haben, liegt mit 19 Prozent so hoch wie seit 2012 nicht mehr.
Gallup Engagement Index Deutschland
und nur 29 Prozent würden ihn Freunden oder Familienmitgliedern ohne Wenn und Aber empfehlen. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kann auch ein unzureichendes Onboarding beitragen: Nur 22 Prozent geben an, dass der Einarbeitungsprozess in ihrem Unternehmen ausgezeichnet war.
Geld ist nicht das Problem
Der Grund für die Unzufriedenheit der Beschäftigten liegt nicht am Gehalt, sondern an schlechter Führung. Fast 60 Prozent der Befragten gaben an, mit ihrer Bezahlung zufrieden zu sein, aber nur 22 Prozent sagten das über ihre direkten Vorgesetzten. Lediglich 27 Prozent gaben zudem an, dass ihre Führungskräfte Stärken wahrnehmen und wertschätzen.
Das hat Konsequenzen: Von denjenigen Befragten, die von einer klaren Stärkenorientierung berichten, waren 29 Prozent emotional hoch gebunden. Im Gegensatz dazu hatten nur 3 Prozent derjenigen, deren Stärken nicht im Mittelpunkt stehen, eine hohe Bindung. W
Was sind die Folgen für das Handwerk?
EU-Lieferkettengesetz: Die neue Richtlinie für Großunternehmen wird am Handwerk nicht spurlos vorbeigehen, fürchten Verbände.
Ende April hat das EUParlament sein Lieferkettengesetz verabschiedet. Es soll sicherstellen, dass Großunternehmen etwa Kinderarbeit, Ausbeutung von Arbeitskräften und Umweltverschmutzung entlang einer weltweiten Wertschöpfungskette ausschließen.
Für Handwerksbetriebe wird das Gesetz nicht direkt gelten. Doch es gibt einen großen Haken: Als vor- oder nachgelagerte Ausführungspartner in der Wertschöpfungskette von Großunternehmen dürfte eine unverhältnismäßig große Bürokratiebelastung auf kleine Unternehmen zukommen, fürchten Handwerks- und Bauverbände. So urteilt Holger Schwannecke, Generalsekre-
tär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks: „Das EU-Lieferkettengesetz ist unausgereift und birgt massive Risiken für die regional tätigen Handwerksbetriebe.“ Die neuen Nachweispflichten werden schrittweise abhängig von Mitarbeiterzahl und Umsatz eingeführt: 2027 für Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitern, im Jahr darauf ab 3.000 und 2029 ab 1.000 Beschäftigten.
„Druck nicht durchreichen“
Bis der EU-Beschluss in deutsches Recht umgesetzt werden muss, sind noch zwei Jahre Zeit. „Aufgabe der Verbände wird es nun sein, auf die Bundespolitik einzuwirken, damit bei Umsetzung der
Für verbesserte Arbeits- und Umweltschutzbedingungen weltweit nimmt die EU Großunternehmen in die Pflicht. Das werden wohl auch Handwerksunternehmen zu spüren bekommen.
EU-Richtlinie in deutsches Recht möglichst verhindert wird, dass Großunternehmen den Dokumentationsdruck einfach an die kleinen Betriebe durchreichen“, sagt Cornelia Höltkemeier, Geschäftsfüh-
rerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen. Denn genau das sei laut ZDH leider beim deutschen Lieferkettengesetz passiert, das Anfang letzten Jahres in Kraft trat. (DEG) W
SAAS-Dienste: Abschied von der lokalen Software?
Die digitale Vernetzung hat Auswirkungen auf die Softwarelandschaft. „Software as a Service“ verdrängt zunehmend die lokale Installation. Welche Variante ist für Betriebe besser?
DENNY GILLEKaufen oder mieten? Bei der SoftwareNeuanschaffung stellt sich diese Frage inzwischen in den meisten Fällen. Immer mehr Software-Hersteller verabschieden sich schrittweise vom Modell der fest installierten Kaufprogramme. Die Alternative heißt „Software as a Service“, kurz SAAS. In der Praxis bedeutet das, dass Nutzer nicht mehr eine bestimmte Version einer Software besitzen, sondern den Dienst anmieten – häufig kombiniert mit Komfortfunktionen wie Cloud-Diensten, um auch unterwegs auf alle wichtigen Daten zugreifen zu können. Einige Software-Hersteller lassen bei der Frage „Kaufen oder mieten?“ noch eine Wahl, andere setzen bereits voll auf Abos. Und auch bei einst typischen Lokalanwendungen wie den Office-Programmen ist SAAS längst angekommen.
Mehr Zeit für die Kernkompetenz
Doch nutzen die Abo-Dienste in erster Linie den Herstellern, die damit im Vergleich zum Einmalkauf kontinuierliche planbare Umsatzeingänge generieren?
„Bei Software as a Service können Unternehmen den Betrieb ihrer SoftwareLösungen an externe Anbieter auslagern.“
Johannes Werner, BIT-Berater
Oder nutzt das Modell im geschäftlichen Bereich auch den Anwendern? Johannes Werner ist Beauftragter für Innovation und Technologie (BIT) mit Schwerpunkt Digitalisierung bei der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen. Er weiß aus der Beratungspraxis, dass SAAS-Dienste viele Vorteile, aber auch einige Nachteile haben. Es komme wie häufig auf den individuellen Einzelfall an. Gleichzeitig sieht Werner im Mietmodell für den Großteil der Handwerksunternehmen überwiegend Vorteile.
„Handwerker, die durch SAAS-Nutzung den Betrieb der Software an den Hersteller auslagern, tun dies oft, um sich besser auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren zu können“, sagt Werner. Denn die wenigsten Betriebe hätten Zeit und Motivation, ihre IT-Landschaft aufwendig selbst zu pflegen.
Weniger Verantwortung, mehr Dynamik
„Bei Software as a Service können Unternehmen den Betrieb ihrer Software-Lösungen an externe Anbieter auslagern. Damit geben sie einen großen Teil der
IT-Sicherheit, des regelkonformen Datenschutzes und der Wartung der Software ab“, sagt Werner. Das setzt einerseits ein großes Vertrauen in die Professionalität des Anbieters voraus, dass dieser mit seiner Verantwortung gewissenhaft umgeht. Andererseits sei es für Handwerksbetriebe oftmals aufwendiger, für sich ein so sicheres und stabiles System einzurichten, wie es ein professioneller Anbieter kann. „Persönlich glaube ich daher, dass es in den meisten Fällen mehr Sinn macht, Verantwortlichkeiten für die Software auszulagern.“ So müsse man auch keine Kompetenzen aufbauen und vorhalten, die man eher selten benötigt.
Zu den SAAS-Vorteilen gehöre oft, dass sich häufig Nutzeranzahl und Basis-Funktionalitäten bedarfsgerecht erweitern ließen. So wachse der Mietdienst dynamisch mit dem Betrieb mit.
Größere Abhängigkeit
Den größten Nachteil von SAAS-Software sieht Werner in der Abhängigkeit vom Anbieter. Die gehe naturgemäß zwar mit jeder Gewöhnung an eine bestimmte Software einher – man trennt sich nicht gerne von Bewährtem –, die Abhängigkeit sei bei SAAS aber noch ein Stück größer. Dies wird
besonders bei folgender Frage deutlich: „Was passiert mit meinen Daten, wenn mein Software-Hersteller seinen Betrieb einstellt?“ Bei lokal installierten Anwendungen liegen die Daten auf der eigenen Festplatte. Beim SAAS-Dienst häufig in irgendeinem Format in irgendeinem Rechenzentrum. „Es kann sinnvoll sein, solche Fragen mit dem Anbieter zu klären, bevor man sich für eine Software entscheidet“, sagt Werner. Was kann man noch prüfen, um die Vertrauenswürdigkeit eines Anbieters einzuschätzen? „Das kommt ein Stück weit auf den Gesamteindruck an“, sagt Werner. „Als Cloud-Anbieter können zum Beispiel ein Informationssicherheits-Managementsystem nach ISO 27001 oder Konformitätserklärungen zur DSGVO und GoBD Vertrauen schaffen.“
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Zudem sollten Handwerksbetriebe vor der Entscheidung für eine Software ihre genauen Anforderungen kennen. Auch dies ist mit Arbeit verbunden. Die Anforderungen lassen sich beispielsweise in einem sogenannten Lastenheft strukturiert auflisten. „Da unterstützen die Handwerkskammern gerne mit ihren Betriebsberatern beziehungsweise –wie in meinem Fall – mit den Beratungsstellen für Innovation und Technologie“, sagt Werner. W
Wie beliebt sind My-Hammer und Co?
Digitale Auftragsportale könnten Handwerkern neue Aufträge verschaffen. Eine Studie zeigt jedoch: Bei der Nutzung durch Kunden ist noch Luft nach oben.
Online-Portale wie Doozer.de, Blauarbeit.de oder Deinehelfer24.de sind eine Möglichkeit für Betriebe, an neue Kunden und Aufträge zu kommen. Allein die 2005 gestartete Plattform My-hammer.de meldet fast 68.000 registrierte Handwerker und rund 6,3 Millionen vermittelte Aufträge. Eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom zeigt jedoch: Lediglich 10 Prozent der Befragten haben einen Auftrag über eine Online-Plattform vergeben. Interesse ist allerdings vorhanden: 20 Prozent der Teilnehmenden gaben an, sie können sich vorstellen,
darüber eine Dienstleistung zu beauftragen. Befragt wurden 1.006 Personen in Deutschland ab 16 Jahren.
Wenig überraschend ist, dass Jüngere offener sind für das digitale Angebot: Unter den 16- bis 29-Jährigen haben insgesamt 38 Prozent solche Portale schon genutzt oder können es sich vorstellen, unter den 30- bis 49-Jährigen sind es 32 Prozent. Bei den 50- bis 64-Jährigen sind es 31 Prozent, in der Altersgruppe ab 65 Jahren nur 25 Prozent. Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede: Während ein Viertel der Männer bereits
Eine Auftragsvergabe per Online-Portal können sich vor allem Jüngere und Frauen vorstellen.
solche Auftragsportale genutzt hat oder ihnen offen gegenübersteht, sind es unter Frauen 36 Prozent.
Christopher Meinecke, Leiter Digitale Transformation beim Bitkom, sieht vor allem Vorteile: „Durch Online-Hand-
werksportale lässt sich der Kundenstamm erweitern, den Kundinnen und Kunden wiederum wird die Suche durch Online-Terminbuchung, eine große Auswahl und Preisvergleiche auf einen Blick vereinfacht.“ (DEG) W
Neuauflage: Auch der neue Nissan Interstar ist ein Zwilling des Renault Master.
Jetzt auch elektrisch
Der neue Nissan Interstar soll als Elektro-Transporter besonders effizient unterwegs sein. Aber auch die Diesel sollen deutlich sparsamer werden.
MARTINA GÖRES
Nissan legt den Interstar neu auf und bringt den großen Transporter vom dritten Quartal an erstmals als vollelektrische Version auf den Markt. Aber auch Diesel sind im Angebot. Nicolas Tschann, Direktor Leichte Nutzfahrzeuge bei Nissan Europe, geht zwar künftig von einer deutlich höheren Nachfrage nach Elektro-Vans aus, gleichwohl bleibt nach seiner Einschätzung der Anteil an Selbstzündern im LCV-Bereich in den nächsten Jahren hoch.
KUBIKMETER
Fracht lädt der neue Nissan Interstar maximal in den Kasten.
Wieder ein Zwilling des Renault Master Optisch unterscheidet sich Nissans Transporter-Flaggschiff von seinem Bruder, dem kürzlich vorgestellten Renault Master, durch eine andere Frontpartie mit markanter LED-Lichtsignatur und mächtigem Grill. Stolz ist man auf die verbesserte Aerodynamik, zu der auch die flachere Windschutzscheibe und strömungsgünstigere Außenspiegel beitragen. Unabhängig von der Antriebsart habe sich der Luftwiderstand des Interstar um 20 Prozent reduziert.
Der Interstar ist gewachsen, es gibt ihn in zwei Längen (L2 und L3 mit 5,68 und 6,31 Meter) und zwei Höhen (H2 und H3 mit 2,50 und 2,75 Meter). Die L1/H1-Version des großen Transporters ist nicht mehr im Programm. Das Ladevolumen reicht von 10,8 bis 22 Kubikmeter. Die Ladefläche ist jetzt zehn Zentimeter länger, die seitliche Schiebetür um vier Zentimeter breiter. Leichteres Rangieren verspricht der um 1,5 Meter reduzierte Wendekreis. Nissan wird für seinen frontgetriebenen Transporter neben dem klassischen Kasten wieder zahlreiche Varianten anbieten, darunter Kipper oder Pritschenwagen. Details nannte der Hersteller noch nicht, auch keine Preise.
Interstar erstmals auch vollelektrisch
Den vollelektrischen Interstar-e wird es in zwei Leistungsstufen geben. Mit 87-kWh-Lithium-IonenBatterie soll die 143-PS-Version bis zu 460 Kilometer weit kommen und mit einem Stromverbrauch von nur 21 kWh je 100 Kilometer punkten. Dabei kommt dem Transporter zugute, dass er vom ersten Tag an auch im Hinblick auf vollelektrische Versionen hin entwickelt wurde. Bis zu 200 Kilometer Reichweite verspricht der Elektro-Transporter mit 130 PS und 40-kWh-Akku. Während in Kombination mit dem kleineren Akku Wechselstrom standardmäßig mit 7 kW (optional 11 kW) und Gleichstrom mit 50 kW geladen werden kann, lässt sich die große Batterie ab Werk mit 11 kW AC (optional 22 kW) und 130 kW am Schnelllader befüllen. In 30 Minuten kann so Strom für die nächsten 250 Kilometer aufgenommen werden.
Kaum Kompromisse müssen bei Nutz- und Anhängelast gemacht werden: Bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 4 Tonnen dürfen bis zu 1,6 Tonnen in den Stromer eingeladen und bis 2,5 Tonnen an den Haken genommen werden. Auch als ElektroTransporter ist der Interstar ein Fahrzeug für vielfältige Einsatzgebiete.
Interstar-Diesel mit 105 bis 170 PS Der Zwei-Liter-Diesel mit einer Zuladung von 2 Tonnen und ebenfalls 2,5 Tonnen Anhängelast wird in vier Leistungsstufen von 105 bis 170 PS angeboten. Die sparsamste Variante soll mit einem besten Verbrauchswert von 7,4 Liter je 100 Kilometer um rund 1,5 Liter effizienter sein als der Vorgänger. Die CO2 -Emissionen will Nissan unter 200 Gramm pro Kilometer gedrückt haben. Neben dem Sechs-Gang-Schaltgetriebe ist auch eine neue Neun-Gang-Automatik von ZF für die 150- und 170-PS-Versionen im Angebot.
Innen unterscheidet sich der Interstar deutlich von seinem Vorgänger: Das weitgehend aus dem Renault Master übernommene, fahrerorientierte
Erstmals kommt der Nissan Interstar auch als vollelektrische Variante.
Fahrerorientiertes Cockpit im neuen großen Transporter von Nissan
Bis zu 22 Kubikmeter Fracht fasst der Laderaum des Nissan Interstar.
Cockpit bietet Digitalinstrumente und ein verbessertes Infotainmentsystem. Mit verbessertem Raumgefühl, wertigen, aber strapazierfähigen Materialien, Sitzheizung und beheizbarer Windschutzscheibe wurde der Fahrerarbeitsplatz weiter aufgewertet. Zahlreiche Fahrassistenten unterstützen den Interstar-Piloten, dazu zählen Notbrems- und Spurhalteassistent, Seitenwindstabilisierung, Müdigkeitswarner und Reifendruckkontrollsystem. Auch eine Anhängerstabilitätskontrolle ist verfügbar. Nissan gewährt auf alle Interstar-Varianten eine Garantie von fünf Jahren oder 160.000 Kilometer, für die Hochvoltbatterie der Elektroversionen sogar acht Jahre und 160.000 Kilometer. W
Ihr Spezialgebiet sind die Restauration und das Lackieren von Fahrzeugen: Elena und Manuel Pape betreiben die Lackiererei Feinschliff seit sechs Jahren. Als Werkstattgebäude, Büro und Lackiererei hat das Handwerker-Paar eine alte Molkerei aus- und umgebaut.
Zwischen
Rennstrecke und Lackierwerkstatt
Elena und Manuel Pape bearbeiten in der Lackiererei Feinschliff alte Liebhaberstücke und neue Fahrzeuge. Damit haben sich die Unternehmer deutschlandweit einen Namen gemacht.
Es riecht nach einer Mischung aus Lack und Motorenöl. In der lichtdurchfluteten Halle auf einem alten Molkereigelände steht ein oranger Golf 1, der auf eine Lackaufbereitung und Reparatur wartet. Auf der Hebebühne ruht ein glänzend weißer Audi A3 Sportback. Der Meister bearbeitet mit Schleifpapier einen Unfallschaden am Lack. Daneben die nackte Karosse eines BMW 2002 aus dem Jahr 1975 – der alte Rennwagen soll wieder straßentauglich gemacht werden.
Die drei Fälle sind nur ein Ausschnitt aus dem Portfolio, das Elena und Manuel Pape in der Lackiererei Feinschliff in Uslar anbieten. „Wir brennen beide für den Motorsport und haben uns deshalb auch mit auf diesen Bereich spezialisiert“, sagt Fahrzeuglackierermeisterin Elena Pape.
Die Kunden kommen aus dem gesamten Bundesgebiet. „Hier in der Region gibt es keinen Betrieb, der vergleichbare Dienstleistungen
„Wir brennen beide für den Motorsport und haben uns deshalb auch mit auf diesen Bereich spezialisiert.“
Elena Pape, Fahrzeuglackierermeisterin
anbietet“, ergänzt Feinwerkmechanikermeister Manuel Pape.
Lackiererin trifft Feinwerkmechaniker Die erste Besonderheit des Handwerksbetriebs ist die Kombination der Meister aus den beiden Gewerken. „Eigentlich liegen fast alle Arbeiten bis zum Lackiervorgang bei mir“, sagt Manuel Pape. Das reicht vom Entwurf für den Neubau eines fehlenden Teils über die Planung und Konstruktion bis hin zur Abstimmung mit dem Kunden. Wenn Elektronik ins Spiel komme, hole er sich Hilfe von Partnern aus dem Handwerk. „Vor allem bei älteren Fahrzeugmodellen hat jedes Bauteil seine Tücken und ist immer wieder eine Herausforderung“, berichtet der 32-Jährige. „Für mich wird ein Auftrag immer dann spannend, wenn der Kundenwunsch außergewöhnlich ist“, sagt Elena Pape. Seit der Eröffnung der Lackiererei Feinschliff Anfang 2018 hat die Unternehmerin von kleinen bis großen Objekten schon viel lackiert:
Teamwork: Eine Schürze kurz vor der Fertigstellung. Sie gehört zu einem Audi, der einen Lackschaden hatte.
Kühlschränke, Modellflugzeuge, Kutschen, etliche Kleinteile und natürlich Motorräder und Autos. Noch vor ihrer Ausbildung hat Pape in einer Motorradwerkstatt gearbeitet und dort hauptsächlich mit Beklebungen gearbeitet. Daraus sei der Wunsch entstanden, Lackiererin zu werden. Nach einem Praktikum stand der Ausbildungsvertrag, auf den Gesellenbrief folgte die Meisterschule.
Das Interesse an Fahrzeugen hatte auch Manuel Pape schon seit seiner Jugend: In jeder freien Minute wurde geschraubt – für sich selbst oder für Freunde und Bekannte. Nach seiner Ausbildung zum Feinwerkmechaniker brauchte er neben der Schrauberei „noch etwas zum Denken“ – und sattelte ein Maschinenbaustudium drauf.
Motorsport als Handwerk und Hobby
Das Interesse für Autos entwickelte das Paar gemeinsam – wie auch die Idee, ihre Hobbys zum Beruf und einem gemeinsamen Handwerksunternehmen zu machen. Wenn Elena und Manuel Pape sich beispielsweise Rennen auf dem Nürburgring ansehen, sind sie nicht nur Zuschauer. „Dort treffen wir unsere Kunden, die teilweise selbst Rennen mitfahren“, sagt Elena Pape. Einige Motorsportler bringen ihre Wagen über den Winter nach Uslar und lassen sie reparieren oder Umbauten vornehmen. Dafür zerlegt ihr Mann manchmal alles in seine Einzelteile, bis nur noch die Karosse übrig bleibt, und baut die Rennwagen komplett neu auf.
Die Meisterin wiederum erinnert sich gern an einen Spezialauftrag – ein Sammlerstück der Motorsportgeschichte. „Allein 200 Stunden an Lackierarbeiten haben wir in den Auftrag gesteckt“, sagt die 31-Jährige. Sieben verschiedene Farben habe sie dafür verwendet – weit mehr als bei anderen Aufträgen. Und da der Kunde den Wagen nach acht Wochen schon wieder brauchte, sei es wirklich ein Mammutprojekt gewesen.
Dieses Engagement der Unternehmer wird mit „toller Wertschätzung“ belohnt: „Unsere Spezialprojekte sprechen sich herum. Man kennt uns an der Strecke und weiß, was wir können“, sagt Pape stolz. Sie lege Wert darauf, handwerklich zu arbeiten und einen engen Draht zu ihren Kunden zu pflegen. „Wir profitieren auch davon, dass wir in diesem Spezialbereich hier in der Region keine Konkurrenz haben“, betont Manuel Pape. Nach sechs Jahren Selbstständigkeit würden beide Handwerker den Luxus genießen, sich ihre Kunden aussuchen zu dürfen.
„Wenn wir noch ein oder zwei
ter
Mitarbei-
als Lackierer einstellen
könnten, würden wir gern mehr ausbilden.“
Elena Pape, Fahrzeuglackierermeisterin
Eine unter wenigen Frauen Nicht nur die Kunden, auch die Auszubildenden kann sich Elena Pape mittlerweile aussuchen – die Beliebtheit des Betriebs spreche sich herum. „Ohne Werbung haben wir allein dieses Jahr fünf Initiativbewerbungen von jungen Mädchen bekommen.“ Derzeit bildet sie eine junge Frau zur Lackiererin aus – pausiert aber aus Kapazitätsgründen in diesem Jahr. „Wenn wir noch ein oder zwei Mitarbeiter als Lackierer einstellen könnten, würden wir gern mehr ausbilden“, betont sie.
Ihre Vorreiterfunktion als Chefin in dem Gewerk möchte Pape nutzen, um mehr Frauen für das Handwerk zu begeistern. Sie sei damals die einzige in ihrer Berufsschulklasse gewesen. Heute seien es ein paar mehr, berichtet die Auszubildende Nele. Sie hilft derzeit vor allem bei der Vorbereitung der Autos zum Lackieren. Dafür muss alles sauber abgeklebt und geschliffen werden. Größere Flächen darf sie ab und an auch schon selbst lackieren.
Und während Manuel Pape und der angestellte Meister Frank die Frontschürze des weißen Audis für die Fertigstellung des Fahrzeugs vorbereiten, gehen Nele und ihre Chefin in den hinteren Trakt der alten Molkerei. Im Lackmischraum kümmern sie sich um die Ausmischung eines Lacks für den nächsten Auftrag. W
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Organ der Handwerkskammern 129. Jahrgang
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ISSN 0029-1617
Druck:
Dierichs Druck+Media GmbH & Co. KG, Kassel Genderneutrale Sprache
Die Publikation richtet sich, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist, an alle interessierten Personen, unabhängig vom Geschlecht. Wir bemühen uns um eine geschlechterneutrale Sprache, weisen aber darauf hin, dass wir in bestimmten Fällen wegen der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit nur die männliche Form verwenden. Gleichbehandlung ist uns wichtig, Diversität nehmen wir als Chance für die Zukunft wahr.
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W MEIN LIEBLINGSPROJEKT
Fast 200 Jahre altes Instrument restauriert
Das Kornett war stark deformiert und nicht mehr spielbar, als Blasinstrumentenbauer Alexander Schölkopf es zum ersten Mal in den Händen hielt. „Ein Sammler hat mich deshalb mit der Instandsetzung beauftragt“, berichtet der Meister, der einen Betrieb in Magdeburg führt.
Die Herausforderung: „Ich sollte nur Originalteile verwenden und kein Teil austauschen, da das Instrument von 1835 ist“, berichtet Schölkopf.
Mithilfe von Öl, Kriechöl und Erwärmen sei es gelungen, die drei festen Ventilzüge, die Ventilkoben sowie den Stimmzug behutsam zu lösen. „Dadurch ist das Kor-
nett wieder spielbar“, freut sich der Meister.
Zudem habe er es geschafft, die Deformierungen
zu beheben. Insgesamt hat der Blasinstrumentenbauer dafür etwa zwei Arbeitstage benötigt. (AML)
Ihr Geld in guten Händen.
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Details bei allen teilnehmenden Ford Partnern.