6 minute read

Die Zukunft ist es wert

Nachhaltigkeit im eigenen Betrieb

Wie kein anderer Wirtschaftszweig steht das Handwerk für Nachhaltigkeit. Der Betrieb Heideglas Uelzen engagiert sich seit Jahren für einen verantwortungsvollen Umgang mit Klima, Umwelt und Ressourcen, wurde für sein Nachhaltigkeitskonzept bereits ausgezeichnet. Dass der Nachhaltigkeitsbegriff nicht nur ökologische und umweltzentrierte Aspekte umfasst, hat auch Friseurmeisterin Claudia Schmidt erkannt und in ihrem Salon in Uelzen weitreichende Umstellungen vorgenommen. Damit sich Handwerksbetriebe zukunftsorientiert, verlässlich und stabil aufstellen können, sollten sowohl wirtschaftliche als auch soziale Aspekte der eigenen Arbeitsweise in den Betriebsalltag einbezogen werden.

Die meisten Betriebsinhaber sind durch das Krisenjahr 2020 gekommen – aus eigener Kraft, mit Hilfe innovativer Ideen oder staatlicher Soforthilfen. Dabei waren es in vielen Betrieben die zuvor geschaffenen Werte, die für die eigene Zukunftsfähigkeit gesorgt haben. „Uns nachhaltig aufzustellen mit einem betrieblichen Gesundheitsmanagement, Angeboten für Aus- und Weiterbildung, einen ökologischen Fußabdruck zu verbessern sowie umweltund ressourcenschonend zu arbeiten, bewahrt uns vor unkontrollierbaren Problemen“, erklärt Tanja Neumann, Glasermeisterin und Betriebsleiterin bei Heideglas Uelzen. Sie hält es auch während der Corona-Pandemie für wichtig, an nachhaltigen Werten festzuhalten. Geschäftsführer Thorsten Neumann und seine Frau Tanja engagieren sich seit mehreren Jahren für Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen. Mit Hilfe einer Bestandsaufnahme hat die Geschäftsleitung erst einmal den Status quo hinterfragt, um sich dann Ziele zu stecken. Dabei ist laut Tanja Neumann der Begriff Nachhaltigkeit individuell interpretierbar: „Für mich versteckte sich immer nur ein ökologischer Gedanke dahinter.“ Erst als sich im eigenen Betriebdas Thema Nachhaltigkeit etabliert habe, sei das Spektrum gewachsen.„Die soziale Komponente, das regionale Engagement, die Verantwortung,aber auch die Vernetzung sind neben Mülltrennung und Recycling allesAspekte, die ich nicht ernsthaft berücksichtigt hatte“, erklärt die50-Jährige. Habe sich aber erst einmal eine Grundsensibilität in denKöpfen der Mitarbeitenden entwickelt, sei der nachhaltige Gedanke imBetrieb wertvoll und wichtig. Tanja Neumann betont: „Mit Hilfe vonWeiterbildungen, Förderungen und kommunikativem Austausch übernimmtjedes Teammitglied Verantwortung und kann mitarbeiten, wenn es einerLösung bedarf.“ Es sei nicht nur der bereitgestellte Obstkorb, derWertschätzung suggerieren soll. „Bei uns wird jeder der siebenMitarbeitenden gehört, wir sind flexibel und lösungsorientiert“, sagtdie Betriebsleiterin, die sich auch über ihr eigenes Unternehmen hinausfür Nachhaltigkeit einsetzt. Mit den UnternehmerFrauen im Handwerkmöchte sie als frauenpolitische Interessenvertretung für unternehmerischaktive Frauen im Handwerk nachhaltig einstehen. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist Glasermeisterin TanjaNeumann außerdem gemeinsam mit neun weiteren Handwerkern aus demBaugewerbe in Afrika aktiv, um den Aufbau von Betriebs- undLernpartnerschaften voranzutreiben. Für sie liege die Kunst darin, sichbei ihren Vorhaben nicht zu verzetteln, sondern erreichbare Ziele zustecken. Für das eigene Nachhaltigkeitskonzept wurde Heideglas Uelzenvon der Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit als erstes Unternehmengekennzeichnet.

Nachhaltigkeit nicht vom Gewerk abhängig

Als erste Friseurin in Niedersachsen hat auch Claudia Schmidt mit ihrem Betrieb LifeStyle aus Uelzen diese Auszeichnung erhalten. „Es liegt allein in unserer Hand, inwelchem Zustand wir unsere Welt in die Hände unserer Kinder gebenwerden“, begründet Claudia Schmidt die Entscheidung, ihren Betriebnachhaltig und klimaneutral aufzustellen. Dabei habe sie als Konsequenzaus den Überlegungen zum Thema die Arbeitsabläufe im Betrieb angepasst:„Wir machen nun bei jedem Kunden eine Kopfhautanalyse mit Tablet undMikroskopkamera. So können wir ihm zeigen, was wir auf seiner Kopfhautsehen, und dann die Haarbehandlung darauf abstimmen. Das schafft einganz neues Verständnis“, erklärt die Meisterin. Außerdem werden dasKomplettblondieren und auch einige andere umwelt- odergesundheitsbelastende Dienstleistungen inzwischen abgelehnt. „Wir wollendie Haare und Kopfhaut unserer Kunden gesund erhalten und schönmachen“, betont sie. Darüber hinaus werde nur noch fair gehandelterKaffee an die Kunden ausgeschenkt und mit Lieferantenzusammengearbeitet, die bereits Vereinbarungen für faire Arbeits- undProduktionsbedingungen vorweisen können. „Wir haben einen Stromanbieter,der uns grünen Strom liefert. Außerdem haben wir eine Solaranlage, dieunser Wasser im Sommer heizt. Für den Winter haben wir einenwassergeführten Pelletofen neu angeschafft“, zählt Claudia Schmidt auf. Die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden sei ihr ebenso wichtig wie eine faire Bezahlung. Geachtet werde auch auf die Work-Life-Balance:„Wir haben Kernarbeitszeiten, aber keine festen Öffnungszeiten. Dadurchgibt es kaum Leerlauf. Termine vereinbaren wir persönlich odertelefonisch.“ Ins Boot geholt habe Claudia Schmidt von Anfang an alleMitarbeitenden, um sich gemeinsam durch Potenziale und Defizite imBetrieb zu arbeiten. „Der Start mit dem neuen Konzept war sehrerfolgreich und wir haben sehr gutes Feedback bekommen“, berichtet dieFriseurmeisterin. Die offizielle Kennzeichnung des Betriebs durch dieAllianz für Nachhaltigkeit erfolgte im Anschluss an den Zukunfts-Checkder Kammer.

Der Betrieb öffnet sich fürs Hinterfragen

„Handwerksbetriebe sind oft bereits sehr gut aufgestellt in Sachen Nachhaltigkeit“, sagt Colette Bomnüter, Beauftragte fürInnovationundTechnologie im Handwerk (BIT) bei der Handwerkskammer.SieunterstütztBetriebsinhabende im Kammerbezirk mit dem vonihrentwickeltenZukunfts-Check Nachhaltigkeit. „Allerdings sollte vielmehrüber daseigene Engagement geredet werden – sowohl intern alsauchextern“,betont sie. Die Kommunikation sei ein großes Thema, wennesumNachhaltigkeit ginge: „Oft ist Mitarbeitenden, KundenoderKooperationspartnern gar nicht bekannt, wie vielfältig der BetriebinSachen Nachhaltigkeit aktiv ist“,erklärt Colette Bomnüter. Hierbestehein vielen FällenHandlungsbedarf. „Gleichzeitig bietet ein offenerundwertschätzenderAustausch viel Potenzial, um gemeinsam neue Ideenzuentwickeln undumzusetzen“, erklärt die Expertin. Die Notfallplanungineinem Betriebund auch der Umgang mit Erfahrungswissen seienebenfallswichtigePunkte, um sich nachhaltig aufzustellen, die aberhäufigvernachlässigtwerden. „Mit der EntwicklungeinerNachhaltigkeitsstrategie kann esgelingen, die Zukunftsfähigkeitdeseigenen Betriebs deutlich zuverbessern“, sagt Colette Bomnüter.

www.heideglas.de

www.frisurenmanufaktru.de

Zukunfts-Check Nachhaltigkeit

Der Zukunfts-Check ist ein kostenloses Beratungsangebot der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade, mit dem Unternehmen umfassend bei der Entwicklung ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten unterstützt werden. Ziel ist es, durch die identifizierten Potenziale und Defizite neue Prioritäten zu setzen und die richtigen Weichen im Betrieb zu stellen, unabhängig davon, wo der Betrieb gerade steht.

Während des Zukunfts-Checks wird in der individuellen Beratung

* geklärt, wie das Unternehmen aktuell in Bezug auf Nachhaltigkeit auf Nachhaltigkeit aufgestellt ist

* untersucht, wie die betrieblichen Aktivitäten kommuniziert werden

* festgestellt, in welchen Bereichen Anknüpfungspunkte und Handlungsfelder bestehen

ein konkreter Maßnahmenplan mit Handlungsmöglichkeiten für Ihr Unternehmen entwickelt.

Ansprechpartnerin: Colette Bomnüter, Beauftragte für Innovation und Technologie im Hand - werk (BIT), bomnueter@hwk-bls.de, Tel. 04131 712-194

Web-Wegweiser: www.hwk-bls.de/zukunftscheck

3 Fragen an Colette Bomnüter

Welchen Betrieben würden Sie zum Zukunfts-Check raten? »»

Colette Bomnüter: Grundsätzlich allen Betrieben, die sich zukunftsfähig aufstellen wollen, unabhängig von ihrer Branche, Größe oder wo sie in Bezug auf Nachhaltigkeit stehen. Der Zukunfts-Check bietet einen ganzheitlichen Blick auf das Unternehmen, beleuchtet vorhandene Schwächen und Potenziale im ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich und hilft, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen.

Was erwartet den Betrieb konkret? »»

Bomnüter: Zuerst einmal Arbeit, die sich aber wirklich lohnt. Ziel ist es, eine individuelle Strategie für das Unternehmen zu entwickeln. Dafür wird zuerst geklärt, wo der Betrieb steht, welche Aktivitäten es bereits gibt und wo Handlungsbedarf besteht. Der zweite Schritt ist, die strategischen Ziele des Unternehmens zu klären, also wo sich der Betrieb morgen oder übermorgen sieht. Im dritten Schritt wird dann ein individueller Plan mit konkreten Maßnahmen und Handlungsansätzen entwickelt, um diese Ziele zu erreichen und die eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten weiterzuentwickeln.

Was bringt die Kennzeichnung der Allianz für Nachhaltigkeit? »»

Bomnüter: Mit der Kennzeichnung wird das Engagement für mehr Nachhaltigkeit nach außen konkret sichtbar gemacht. Das wird von Kunden, Geschäftspartnern und in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen. Außerdem präsentiert die Nachhaltigkeitsallianz alle gekennzeichneten Unternehmen als „Gute Beispiele“ im Internet, so dass der Betrieb mit seinem Engagement auch überregional wahrgenommen wird und neue Kontakte knüpfen kann.

Nachhaltigkeit in Niedersachsen

Die norddeutschen Handwerkskammern zeigen mit einem gemeinsamen Grundlagenpapier die Erfolge und Perspektiven eines nachhaltigen Wirtschaftens im Handwerk auf.

Web-Wegweiser: www.hwk-bls.de/grundlagenpapier

Die Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit ist eine Kooperation zwischen Landesregierung, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Kammern. Ihr Hauptziel ist die Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Unternehmen und damit die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen. Mit praktischen Angeboten möchte die Allianz Unternehmen in Niedersachsen für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung gewinnen.

Web-Wegweiser: www.nachhaltigkeitsallianz.de

This article is from: