Notationskunde

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Die Autorin Karin Paulsmeier, geb. 1943 in Hamburg, studierte Musik und Musikwissenschaft in Basel. Von 1970 bis 2003 unterrichtete sie an der Schola Cantorum Basiliensis – Hochschule fĂźr Alte Musik an der Musik-Akademie Basel – und entwickelte dort im Verlauf ihrer Unter­ richtstätigkeit die ÂŤNotationskundeÂť zu einem fĂźr die AuffĂźhrungspraxis des späten 12. bis 18. Jahrhundert grundlegenden Fach. Die Reihenherausgeber Regula Rapp, die Rektorin der Schola Cantorum Basiliensis, und Thomas Drescher, der stellvertretende Rektor, grĂźndeten 2009 die Reihe SCB Scripta fĂźr monothematische ­Arbeiten aus dem Arbeitsbereich der historischen AuffĂźhrungspraxis. Die Schola Can­ torum Basiliensis, 1933 von dem Dirigenten und Mäzen Paul Sacher gegrĂźndet, ist ein einzigartiges Forum fĂźr professionelle Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Alten Musik. DarĂźber hinaus ist sie ein Forschungszentrum fĂźr historische Musikpraxis, gibt BĂźcher und CD-Reihen heraus und veranstaltet Konzerte. , 6 % 1

Schwabe Verlag Basel www.schwabe.ch

Teilband A

Aus dem Inhalt Geschichtliche Voraussetzungen der Notation des 17. Jahrhunderts Rhythmische Grundbewegungen und darauf bezogene Proportionen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Erweiterung der Proportionsvorschriften und Bedeutungswandel des Begriffs ÂŤProportionÂť Ăœbergänge zum Taktsystem der musikalischen Klassik: – battuta und Tact – tempo giusto und TempowĂśrter AuffĂźhrungspraktische Konsequenzen

Notationskunde 17. und 18. Jh.

Die vorliegende ÂŤNotationskundeÂť ist aus der Unterrichtstätigkeit der Autorin an der Schola Cantorum Basiliensis hervorgegangen. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie theoretische Voraussetzungen mit den Erfahrungen der musikalischen Praxis verbindet. Dabei ist das Ziel, das jeweils originale Schriftbild einer Musik zum selbstverständlichen Ausgangspunkt der Interpretation werden zu lassen – in Analogie zur Neuen Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, bei der die analytische und kĂźnstlerische Auseinandersetzung in der Regel ebenfalls den Weg Ăźber deren schriftliche Darstellung nimmt. Dieser Ziel­ setzung entsprechend sind MusikerInnen und MusiktheoretikerInnen gleichermassen angesprochen. Im Anschluss an diese Publikation sind zwei weitere in Vorbereitung, die sich mit der Notation frĂźherer Jahrhunderte befassen (Notation des 15. und 16. Jahrhun­ derts und Notation des späten 12. bis 14. Jahrhunderts).

Schola Cantor um Basiliensis Scripta 2

Karin Paulsmeier

SCB S2

Karin Paulsmeier Notationskunde 17. und 18. Jahrhundert Teilband A



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Schola Cantorum Basiliensis Scripta

Veröffentlichungen der Schola Cantorum Basiliensis – Hochschule für Alte Musik an der Musik-Akademie Basel Fachhochschule Nordwestschweiz Band 2 Herausgegeben von Regula Rapp und Thomas Drescher


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Karin Paulsmeier

Notationskunde 17. und 18. Jahrhundert

Teilband A

Schwabe Verlag Basel


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Publiziert mit freundlicher Unterstützung der Berta Hess-Cohn Stiftung, Basel und der Maja Sacher Stiftung, Basel

Abbildung auf dem Umschlag aus: Girolamo Frescobaldi, Il primo libro delle Canzoni, Rom 1628, S. 9

© 2012 Schwabe AG, Verlag, Basel Lektorat: Thomas Drescher, Schola Cantorum Basiliensis Satz: Andreas Stötzner, Leipzig Satzschri: Andron Umschlaggestaltung: Thomas Lutz, Schwabe Gesamtherstellung: Schwabe AG, Druckerei, Muttenz/Basel Printed in Switzerland ISBN 978-3-7965-2734-0 www.schwabe.ch


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FĂźr Zacharias


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inhalt

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Inhalt

Teilband A Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Einführung: Notationskunde als Lehre vom Rhythmus . Einführung in die Notation des 17. und 18. Jahrhunderts . . . . . . . .

1 3 . . . 5 . . . 9 . . .

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Erster Teil Die Notation der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts Einleitung: Die Voraussetzungen der Notation des 17. Jahrhunderts . . . 13 Notenzeichen und Pausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Hilfszeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Überlieferungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Grundmensuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Proportionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

I. Die erste Unterteilungsstufe des Tempo ordinario 1. Das Tempo ordinario . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Allegro und Adagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Proportionen der ersten Unterteilungsstufe . . . . . . . . . . . . . . . 35 Die Proportio sesquialtera � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Die proportionale Beziehung von � zu � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Die Proportio sei per quattro � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Das Verhältnis von � zu � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Die Proportio tripla ¸3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Das Verhältnis von ¸3 zu � und � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Gruppierungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Die Emiola maggiore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Die Emiola minore 3 Í . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Die Meliola 3 Ê . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76


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Exkurs 1: Die Proportio tripla in der Bedeutung eines Gruppierungswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Exkurs 2: Canzonetten-Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Exkurs 3: Proportionen, die aus der allgemeinen Entwicklung herausfallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

II. Die zweite Unterteilungsstufe des Tempo ordinario 1. Das Tempo ordinario . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Allegro und Adagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Biscromen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Besonderheiten innerhalb der textgebundenen Musik . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Proportionen der zweiten Unterteilungsstufe . . . . . . . . . . . . . 119 Die Proportionen � , � , ¸3 und die Gruppierungswechsel 3Í , 3Ê und ·3 . 119 Die Proportion � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Die Proportion � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Exkurs 4: Quantität versus Qualität innerhalb der Proportionsvorschrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Exkurs 5: Zum Gebrauch der Semiminimen Z und

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Exkurs 6: Erweiterungen in den Ausdrucksmitteln der Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Ausführungsanweisungen in Vorworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Forte und Piano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Tremolo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Verzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Tempoveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Notation non mesurée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Schlußbemerkungen zum ersten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160


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Zweiter Teil Veränderungen der Notationsprinzipien gegen Ende des 17. Jahrhunderts und deren Weiterentwicklung im 18. Jahrhundert Einleitung: Neue Zielsetzungen innerhalb der Musik und ihre Konsequenzen für die Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

III. Bedeutungswandel und Erweiterung der Proportionsvorschri�en in der zweiten Häl�e des 17. Jahrhunderts 1. Bedeutungswandel des Proportionsbegriffs und die Integration von 3 ZZZ ins Proportionssystem . . . . . . . . . 167 2. Erweiterungen der Proportionsvorschrien bei Bononcini (1683) 173 Die einfachen Dreierbewegungen � und � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Die proportionierten Dreierbewegungen �  , � und � . . . . . . . . . . . . 184 Die Sechserbewegungen � und � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Die Zwölferbewegungen � und � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Konsequenzen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

IV. Grundlagen der Notationsentwicklung im 18. Jahrhundert 1. Differenzierungen in der Vorschri der geraden Mensuren . . . . 201 Die Vorschrien � und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Die Vorschri  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Erweiterungen der Proportionsvorschrien bei Brossard (1703) . 215 Die Triples simples  , , und  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Die Triples composez   , und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Die Sestuples ou Binaires  , und  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Die Dosduples ou á Quatre Temps  und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Die Tactart  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3. Tempowörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Tempowörter als Bestätigung der Kompositionsweise . . . . . . . . . . . . . . 236 Tempowörter als Angabe zur Modifikation eines Grundtempos . . . . . . . . . 239 Tempo giusto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Verschiebungen im Verhältnis von Tactvorschri und Tempoangaben . . . . . . 247


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4. Die Notation der Klassik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Tactvorschri und Tempowörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Von der Orientierung an der Battuta zum modernen Takt . . . . . . . . . . . . . 253 Zusatzzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Der Endpunkt in der Entwicklung des Tactes, dargestellt an Beispielen Ludwig van Beethovens . . . . . . . . . . . . . . . . .

255 256 Die Taktarten , und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Die Taktarten und  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Weitere Taktarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Die Taktarten � ,  und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Schlußbemerkungen zum zweiten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Endpunkte notationstechnischer Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Teilband B Faksimile-Reproduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Anhang Verzeichnis der Faksimile-Reproduktionen . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der verwendeten theoretischen Quellen Verzeichnis der verwendeten praktischen Quellen . Verzeichnis der zitierten Literatur . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

407 413 419 421 426 427 429


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Abkürzungen

Abb. bezieht sich auf die Abbildungen im Teilband A  Faks. bezieht sich auf die Faksimile-Reproduktionen im Teilband B

In manchen Fällen wurden mehrere Einzelbeispiele, die einen Sinnzusammenhang bilden, ­unter einer einzigen Faksimile-Nummer zusammengefaßt. Diese werden unter Faks. 1.1, Faks. 1.2, u. s. w. aufgeführt. Besteht ein Beispiel aus mehr als einer Doppelseite, so werden die Seiten mit Faks. 1|1, Faks. 1|2, u. s. w. unterschieden. Beispiele mit mehreren Ausschnitten aus derselben Komposition werden mit Faks. 1a, 1b, u. s. w. bezeichnet. Unterbrechungen im Verlauf einer Stimme werden mit  ≈  angegeben.

a. m. i. s. e. c. c. Faks. fcm repr. s. p. e. s.

Praktische Übungen

Antiquae Musicae Italicae Studiosi Editions Culture et Civilisation Faksimile-Ausgabe (eines praktischen Werkes) Fondazione Claudio Monteverdi Nachdruck in Originalgestalt (eines theoretischen Werkes) Sudio per Edizione Scelte

Die unterschiedlich gehandhabte Groß- und Kleinschreibung in den Titeln der zitierten historischen Quellen entzieht sich einer Systematisierung. Im Anhang werden diese Titel gemäß der originalen Schreibweise wiedergegeben, außer bei durchgehenden Versalien. In diesem Fall werden nur die Nomen großgeschrieben.


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Vorwort

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ie vorliegenden Darstellungen sind aus meiner Unterrichtstätigkeit an der Schola Cantorum Basiliensis (scb), der Hochschule für Alte Musik an der Musik-Akademie Basel, hervorgegangen. Von 1970 bis 2003 habe ich dort das Fach Notationskunde vertreten. Das Vertrauen in meine Arbeit, das ich im Verlauf dieser Zeit durch die Leiter der scb Wulf Arlt, Peter Reidemeister und Regula Rapp erfahren dur˝e, und die damit verbundene Freiheit, Inhalt und Form meiner Kurse stets selbst bestimmen zu können, bilden die Voraussetzung dafür, daß mir die Lust am Thema in all diesen Jahren nicht vergangen ist. Nur in diesem Freiraum hat die vorliegende Arbeit entstehen können. Dafür bin ich in höchstem Maße dankbar! Der beständige Dialog mit den Studierenden, ihre Fragen, kritische Überlegungen und ihre Offenheit, die Anregungen aus dem Unterricht in die Praxis umzusetzen und mit den eigenen Erfahrungen in Verbindung zu bringen, ist eine weitere Voraussetzung für diese Arbeit. Letztere ist gleichsam eine Spurensicherung des gemeinsamen Weges und als solche ihnen allen gewidmet. Der vorliegende Text ist Teil einer Notationskunde, die die Aufzeichnungsweisen der (vor allem mehrstimmigen) Musik seit dem späten 12. Jahrhundert umfassen soll und sich in die folgenden Teile gliedert: Spätes 12. bis 14. Jahrhundert 15. und 16. Jahrhundert 17. und 18. Jahrhundert Daß der dritte Bereich als Erstes abgeschlossen wird, hat seinen Grund einerseits darin, daß dieser Zeitraum innerhalb der traditionellen Notationskunde keine Berücksichtigung erfährt, und andererseits gerade für diese Thematik ein besonderes Interesse zu bestehen schien. Die Erweiterung der Auseinandersetzung mit «Alter Musik» auf spätere Epochen führte 1994/95 unter Koordination von Regula Rapp dazu, die theoretischen Fächer an der scb auf ihre diesbezügliche Relevanz für die Musik

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notationskunde 17. und 18. jahrhundert

des Barock und der Klassik zu befragen und 1995/96 in den Unterrichtsplan einzufügen. Für die damit verbundene Herausforderung, ein altes Fach neu zu überdenken und gleichsam an das Ende seiner Wirksamkeit zu führen, sei Regula Rapp und dem damaligen Leiter der scb Peter Reidemeister an dieser Stelle herzlich gedankt. Thomas Drescher danke ich für seine über viele Jahre gleichbleibend treue Unterstützung meiner Arbeit und für die vielfältige Hilfe innerhalb des Entstehungsprozesses dieses Buches. Vor allem dann auch in seiner Funktion als Lektor hat er Wesentliches zur Verbesserung des Textes beigetragen. Weiterer Dank geht an Claudia Nauheim für die Sorgfalt, mit der sie das Manuskript gelesen und vieles innerhalb ihres eigenen Unterrichtens überprü˝ hat. Daraus sind manche Anregungen in den Text eingeflossen. Für die Durchsicht des Manuskripts und für weitere wertvolle Kommentare danke ich auch Hans-Martin Linde. Überdies erfuhr ich im Verlauf meiner Arbeit manche Anregungen in Gesprächen mit Michael Form, Rudolf Lutz, Christopher Schmidt, Federico Sepúlveda, Hopkinson Smith und Jean-Claude Zehnder, die ebenfalls ihren Niederschlag gefunden haben. Sarah van Corneval danke ich für ihre Hilfe bei der Übersetzung der französischen Zitate. Kathrin Menzel und Philipp Zimmermann von der scb waren mir bei der Beschaffung der Reproduktionen eine große Hilfe. Den Mitarbeitern der Vera Oeri-Bibliothek der Musik-Akademie Basel unter der Leitung von Markus Erni sei Dank für die Arbeitsmöglichkeiten auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten und für die vielen freundlichen Hilfeleistungen, die mir zuteil wurden. Andreas Stötzner danke ich für sein großes Engagement bei der komplexen Font- und Satzerstellung. Ein besonderer Dank geht an David Marc Hoffmann, den scheidenden Leiter des Schwabe-Verlags, der den Entstehungsprozeß dieses Buches offen und hilfreich begleitet hat. Der Verlagssekretärin Adrienne Stehlin danke ich für ihre immer freundliche Koordination bei allen anstehenden Fragen.

Bd. 3-A, 2. Korrektur


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Zur Methode

ysteme sind statisch, Musik und Musikgeschichte sind etwas Bewegtes! In der Spannung zwischen diesen Polen versucht die vorliegende Notationskunde einen Weg zum Verständnis der musikalischen Schri zu zeigen. Voraussetzung für dieses Unternehmen ist der Zusammenhang zwischen Notation und Stil: unmittelbarer als in ihrer ursprünglichen Aufzeichnung kann uns eine Komposition nicht nahegebracht werden.1 Entsprechend ist es das Ziel vorliegender Arbeit, das originale Schribild zum selbstverständlichen Ausgangspunkt für die Interpretation werden zu lassen; dies analog zu Neuer Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, bei der künstlerische Auseinandersetzungen mit einem Notentext ebenfalls den Weg über dessen bildliche Darstellung nehmen müssen.2 Diese Zusammenhänge bestimmen die Arbeitsweise: eine systematische Darstellung der Notationsprinzipien dient als Bezugspunkt, um Notationsentwicklungen aufzuzeigen oder auch pragmatische, das heißt, nicht systemgerechte Anwendungsweisen einzuordnen. Dabei wird deutlich, daß Musik und Notation zwar jeweils von theoretischen Konzepten bestimmt werden, sich aber ebenso gerne deren Festlegungen entziehen. Solche Erkenntnisse lassen sich nicht allein über theoretische Erörterungen gewinnen. Praktische Erfahrungen sind von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, Veränderungen zwischen zeitlich auseinanderliegenden theoretischen Fixpunkten und die Verbindung von theoretisch-rechnerischen und musikalisch-praktischen Aspekten in der Aussage des Erscheinungsbilds von Musik aufzuspüren. Um eine Verfremdung durch Übertragungen in ein modernes, die Musik vieler Jahrhunderte nivellierendes Notenbild von vornherein auszuschließen, werden Erklärungen nur mit Hilfe der originalen Schrizeichen gegeben. Auf

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Vgl. dazu auch: Karin Paulsmeier, Argumente gegen die Edition alter Musik, in: Veronika Gutmann (Ed.), Alte Musik. Konzert und Rezeption, Winterthur 1992, S. 145–159. Vgl. z. B. Erhard Karkoschka, Das Schribild der Neuen Musik, Celle 1984.

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notationskunde 17. und 18. jahrhundert

diese Weise soll ein Lernprozeß angeregt werden, die Notation aus sich selbst heraus zu verstehen. Um dies zu ermöglichen, ist dem Text ein umfangreiches Material an faksimilierten Beispielen beigegeben. Es geht in diesem Buch also nicht um die Auseinandersetzung mit den Darstellungen anderer Autoren zum Thema der historischen Notationskunde, sondern um die Interpretation der notationspraktischen Gegebenheiten aus sich selbst heraus. Nicht die «Klärung» von «Problemen» ist das Ziel. Vielmehr sollen Möglichkeiten im Umgang mit den durch die Notation aufgeworfenen Fragen gezeigt werden, bei denen die Stimmigkeit der Entscheidungen letztlich erst in der klanglichen Umsetzung erkennbar wird. Eine «ideale Leserin», ein «idealer Leser» läßt sich daher auf den angebotenen Lernprozeß ein, indem er die Übungen und Beispiele auch praktisch – zumindest durch ein Nachvollziehen in der Vorstellung – umsetzt. Er nimmt den hier gesponnenen Faden auf, um den Faden seiner eigenen Erfahrung daran anzuknüpfen. Die vorliegende Arbeit vertritt also eine Haltung, bei der die Genauigkeit der Interpretation des jeweiligen Notentextes im Vordergrund steht. Dieser vermittelt gleichsam die grammatische Grundlage einer Komposition, aus der heraus die künstlerische Umsetzung in einem längeren Prozeß erfolgt. Es ist daher wesentlich, sich zunächst bewußt auf eine solche rein «grammatische» Arbeit zu beschränken. Dies gilt auch dann, wenn bei der Befolgung theoretischer Anweisungen zunächst Widerstand empfunden werden sollte. So wird den Noten selbst die Chance gegeben, einen in ihnen liegenden musikalischen Sinn zu offenbaren. Die Notation überläßt das Werk der Verantwortung des Interpreten. So gilt es, zunächst als Fragende an einen Notentext heranzugehen und nicht zu früh und zu freiheitlich gleichsam Besitz von ihm zu ergreifen. Die Erfahrung lehrt, daß aus einer solchen Arbeitsweise heraus neue künstlerische Impulse erwachsen können, die der letztlich individuellen Lesart einer Komposition gestalterische Kraft verleihen.

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Allgemeine Einführung: ­ Notationskunde als Lehre vom Rhythmus

n der theoretischen Auseinandersetzung mit Musik lassen sich im ­Laufe der Geschichte wechselnde Schwerpunkte erkennen. Diese sind jeweils unmittelbar mit den einer jeden Epoche eigenen musikalischen Zielsetzungen verknüp und bilden deshalb einen gültigen Ausgangspunkt für Erkenntnis und praktische Erfahrung im Umgang mit dem jeweiligen musikalischen Stil. So läßt sich die Verschiebung von einer vor allem Kontrapunktlehre (16./17. Jahrhundert) über die Generalbaßlehre (17./18. Jahrhundert) zu einer Harmonielehre (18./19. Jahrhundert) verfolgen. Eine eigenständige Rhythmuslehre tritt dagegen nicht in Erscheinung. Als eine solche ließe sich jedoch die Notationskunde bezeichnen, ein die Musik des vor allem 12. bis 16. Jahrhunderts begleitendes Fachgebiet, in dessen Zentrum der Rhythmus in seinen wechselnden Organisationsformen steht.

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Die Tonhöhe wurde seit etwa der Mitte des 11. Jahrhunderts durch horizontale ­Linien im Terzabstand als ordnender Hintergrund für die Aufzeichnung von Choralmelodien verwendet. Dabei zeigten Schlüsselungen die relative Lage der Melodien in Bezug auf die Gesamtheit des singbaren Tonraums an.3 Die Verwendung von Notenlinien zum Anzeigen der Tonhöhe bildet eine Konstante innerhalb der Notationsentwicklung. Dies hängt damit zusammen, daß die notierten Intervalle nur in sehr allgemeiner Weise bestimmt sind und unterschiedliche Vorstellungen von der Beziehung der Töne zueinander hineingelesen werden können. Deutlich wird diese Offenheit der Notenschri in besonderer Weise dadurch, daß Diskussionen um Intervalle und Stimmungen vor allem in Zusammenhang mit Saiteninstrumenten, aber unabhängig von der direkten Aussage der Notenschri ausgetragen werden.4

Auf das Messen der zeitlichen Dimension von Tönen weist der für das spätere 13. bis 16. Jahrhundert gültige Begriff der Mensuralnotation in aller Deutlichkeit hin. In der Mensuralnotation erscheinen die einzelnen Stimmen ­einer Komposition getrennt voneinander; und nur unter der Voraussetzung, daß das Maß der Töne genau bezeichnet und ausgeführt wird, kann 3 Vgl. Bruno Stäblein, Schribild der einstimmigen Musik, Leipzig 1975 (Musikgeschichte in Bildern, Band III), S. 54. 4 Vgl. Mark Lindley, Stimmung und Temperatur, in: Frieder Zaminer (Ed.), Hören, Messen und Rechnen in der frühen Neuzeit, Darmstadt 1987 (Geschichte der Musiktheorie, Band 6), S. 109ff.

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notationskunde 17. und 18. jahrhundert

mehrstimmige Musik entstehen. Die durch die mensura geordnete Zeit bildet quasi das Gefäß, in das sich die Töne und Klänge fortlaufend einpassen. Diese Eigenschaft der Notenschri – die Dauer der Töne auf eine rational bestimmbare Ordnung zu beziehen – ist es, die die Entwicklung komplexer Mehrstimmigkeit abendländischer Prägung letztlich ermöglicht, und die sich so entscheidend von der Musik anderer Kulturen abhebt. Im 13. Jahrhundert ist die musica mensuralis als eine weichenstellende Neuheit gegenüber der nichtmensurierten Choralnotation anzusehen. Und noch im 16. Jahrhundert wird die musica figuralis oder mensuralis von der rhythmisch nicht definierten musica plana oder choralis abgesetzt.5 Der Rhythmus in seinen wechselnden Ordnungsprinzipien – von den modi über die prolationes und divisiones zum tactus und den auf diesen bezogenen Proportionen – steht also im Zentrum der Notationskunde. Und es sind die Unterschiede in der im Notenbild jeweils offengelegten rhythmischen Gestaltungsform einer Komposition, die als erstes Anhaltspunkte zu deren geschichtlicher Einordnung bieten. Demnach wäre die Notationslehre der Kontrapunkt-, Generalbaß- und Harmonielehre als unmittelbarer Ansatzpunkt, Erkenntnisse über musikalische Gestaltungsprinzipien zu gewinnen, historisch vorauszustellen. In dieser Funktion wirkt sie zunächst im Zusammenspiel mit der mittelalterlichen Satzlehre und dann in enger Verbindung mit der Kontrapunktlehre des 15. /16. Jahrhunderts. Die Wechselwirkung zwischen den Möglichkeiten der jeweils aktuellen Notation und neuen kompositorischen Interessen, durch die Veränderungen der Schri erzwungen werden, ist bezeichnend für die Entfaltung abendländischer Musik. So kann das Hervortreten von Partituren gegen Ende des 16. Jahrhunderts unter diesem Gesichtspunkt als äußeres Kennzeichen einer allmählichen Gewichtsverlagerung angesehen werden; und zwar von einer primären Orientierung an individuellen Stimmverläufen, aus denen sich erst bei der Ausführung ein Satzganzes ergibt, zu einer direkten Einsehbarkeit auch in die Klangfortschreitungen einer Komposition. Diese Interessenverschiebung kommt im Hervortreten der Generalbaßlehre im 17. Jahrhundert, in deren Konzentration auf Klangverbindungen, unmittelbar zum Ausdruck. 5

So zum Beispiel Martin Agricola, Musica Figuralis Deudsch, Nürnberg 1532; repr. Hildesheim, New York 1965: «Von der Beschreibung der Musica, Das Erste Capitel: Mensuralis odder Figuralis Musica / ist eine Kunst / aus welcher wir alles / was zum gemessen gesange nottürfftig / gründlich lernen / Und heist Figuralis / darümb / das ihre Noten mit manchfeltigen figuren und charactern / gemacht werden / […] Aber sie heist Mensuralis odder eine gemessene / darümb / das alle ihre Noten nicht einerley (wie im Choral / do sie alle gleich gelten) sonder ein igliche besonderlich / ein grösser odder kleiner in der bedeutung / denn die ander / […] gemessen werden.»

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notationskunde als lehre vom rhythmus

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Im Zusammenhang mit der Darstellung von Musik in Partiturform ergibt sich ein weiterer, entscheidender Wechsel. Denn durch diese steht dem Interpreten nun die Komposition als ein Ganzes zur Verfügung. Dadurch entsteht die Möglichkeit zu einem freieren Umgang mit den notierten rhythmischen Bewegungen, dies im Gegensatz zu den notwendigerweise streng eingehaltenen Zeitabläufen innerhalb der traditionellen Mensuralnotation. Es schiebt sich damit eine neue Schicht über die hergebrachten Vorstellungen. Das Messen von Zeit wird durch deren Gestalten abgelöst. Statt der mensura rückt das tempo in den Mittelpunkt. Tempo in seinem ursprünglichen Sinne umschreibt dabei den affektiven Gehalt des gestalteten Zeitablaufs, ist die Qualität, nicht die Quantität der Zeitmessung. Mit dieser Veränderung einhergehend befreien sich die traditionellen Mensurvorschrien im Verlauf des 17. Jahrhunderts von ihrer Bindung an mathematische Vorstellungen; Proportionsbeziehungen lösen sich, und es entstehen voneinander unabhängige rythmische Organisationsformen – die Vorläufer des modernen Takts. Die durch diese vermittelten Tempo- und Bewegungsinhalte werden damit zur frei verfügbaren Grundlage für die individuelle Komposition. Diese zunehmende Autonomie der Taktvorschrien findet ihren Ausdruck in einer immer feiner werdenden Differenzierung von Tempoangaben, vor allem im späteren 18. Jahrhundert. Tempo betri damit nur noch den affektiven Gehalt der einzelnen Komposition, und aus einer auf das Allgemeine einer Epoche weisenden traditionellen Notationskunde sind keine direkten Erkenntnisse mehr abzuleiten. Dieser bleibt es jedoch vorbehalten, auch die Notenschri der Klassik als historisch gewachsen zu verstehen.

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Bd. 3-A, 2. Korrektur

notationskunde 17. und 18. jahrhundert


Die Autorin Karin Paulsmeier, geb. 1943 in Hamburg, studierte Musik und Musikwissenschaft in Basel. Von 1970 bis 2003 unterrichtete sie an der Schola Cantorum Basiliensis – Hochschule fĂźr Alte Musik an der Musik-Akademie Basel – und entwickelte dort im Verlauf ihrer Unter­ richtstätigkeit die ÂŤNotationskundeÂť zu einem fĂźr die AuffĂźhrungspraxis des späten 12. bis 18. Jahrhundert grundlegenden Fach. Die Reihenherausgeber Regula Rapp, die Rektorin der Schola Cantorum Basiliensis, und Thomas Drescher, der stellvertretende Rektor, grĂźndeten 2009 die Reihe SCB Scripta fĂźr monothematische ­Arbeiten aus dem Arbeitsbereich der historischen AuffĂźhrungspraxis. Die Schola Can­ torum Basiliensis, 1933 von dem Dirigenten und Mäzen Paul Sacher gegrĂźndet, ist ein einzigartiges Forum fĂźr professionelle Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Alten Musik. DarĂźber hinaus ist sie ein Forschungszentrum fĂźr historische Musikpraxis, gibt BĂźcher und CD-Reihen heraus und veranstaltet Konzerte. , 6 % 1

Schwabe Verlag Basel www.schwabe.ch

Teilband B

Aus dem Inhalt Geschichtliche Voraussetzungen der Notation des 17. Jahrhunderts Rhythmische Grundbewegungen und darauf bezogene Proportionen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Erweiterung der Proportionsvorschriften und Bedeutungswandel des Begriffs ÂŤProportionÂť Ăœbergänge zum Taktsystem der musikalischen Klassik: – battuta und Tact – tempo giusto und TempowĂśrter AuffĂźhrungspraktische Konsequenzen

Notationskunde 17. und 18. Jh.

Die vorliegende ÂŤNotationskundeÂť ist aus der Unterrichtstätigkeit der Autorin an der Schola Cantorum Basiliensis hervorgegangen. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie theoretische Voraussetzungen mit den Erfahrungen der musikalischen Praxis verbindet. Dabei ist das Ziel, das jeweils originale Schriftbild einer Musik zum selbstverständlichen Ausgangspunkt der Interpretation werden zu lassen – in Analogie zur Neuen Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, bei der die analytische und kĂźnstlerische Auseinandersetzung in der Regel ebenfalls den Weg Ăźber deren schriftliche Darstellung nimmt. Dieser Ziel­ setzung entsprechend sind MusikerInnen und MusiktheoretikerInnen gleichermassen angesprochen. Im Anschluss an diese Publikation sind zwei weitere in Vorbereitung, die sich mit der Notation frĂźherer Jahrhunderte befassen (Notation des 15. und 16. Jahrhun­ derts und Notation des späten 12. bis 14. Jahrhunderts).

Schola Cantor um Basiliensis Scripta 2

Karin Paulsmeier

SCB S2

Karin Paulsmeier Notationskunde 17. und 18. Jahrhundert Teilband B


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Schola Cantorum Basiliensis Scripta

Veröffentlichungen der Schola Cantorum Basiliensis – Hochschule für Alte Musik an der Musik-Akademie Basel Fachhochschule Nordwestschweiz Band 2 Herausgegeben von Regula Rapp und Thomas Drescher


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Karin Paulsmeier

Notationskunde 17. und 18. Jahrhundert

Teilband B

Schwabe Verlag Basel


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Publiziert mit freundlicher Unterstützung der Berta Hess-Cohn Stiftung, Basel und der Maja Sacher Stiftung, Basel

Abbildung auf dem Umschlag aus: Girolamo Frescobaldi, Il primo libro delle Canzoni; Rom 1628, S. 9

© 2012 Schwabe AG, Verlag, Basel Lektorat: Thomas Drescher, Schola Cantorum Basiliensis Satz: Andreas Stötzner, Leipzig Satzschri: Andron Umschlaggestaltung: Thomas Lutz, Schwabe Gesamtherstellung: Schwabe AG, Druckerei, Muttenz/Basel Printed in Switzerland ISBN 978-3-7965-2734-0 www.schwabe.ch


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Wer nur einigermaßen ein Gehör hat, wird bemerkt haben, daß die größte Kraft des Gesanges von dem Rhythmus herkommt. Johann Philipp Kirnberger, Die Kunst des reinen Satzes (1776–1779)


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inhalt

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Inhalt

Teilband A Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Einführung: Notationskunde als Lehre vom Rhythmus . Einführung in die Notation des 17. und 18. Jahrhunderts . . . . . . . .

1 3 . . . 5 . . . 9 . . .

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Erster Teil Die Notation der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts Einleitung: Die Voraussetzungen der Notation des 17. Jahrhunderts . . . 13 Notenzeichen und Pausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Hilfszeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Überlieferungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Grundmensuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Proportionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

I. Die erste Unterteilungsstufe des Tempo ordinario 1. Das Tempo ordinario . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Allegro und Adagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Proportionen der ersten Unterteilungsstufe . . . . . . . . . . . . . . . 35 Die Proportio sesquialtera � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Die proportionale Beziehung von � zu � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Die Proportio sei per quattro � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Das Verhältnis von � zu � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Die Proportio tripla m3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Das Verhältnis von m3 zu � und � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Gruppierungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Die Emiola maggiore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Die Emiola minore 3 { . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Die Meliola 3 z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76


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inhalt

Exkurs 1: Die Proportio tripla in der Bedeutung eines Gruppierungswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Exkurs 2: Canzonetten-Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Exkurs 3: Proportionen, die aus der allgemeinen Entwicklung herausfallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

II. Die zweite Unterteilungsstufe des Tempo ordinario 1. Das Tempo ordinario . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Allegro und Adagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Biscromen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Besonderheiten innerhalb der textgebundenen Musik . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Proportionen der zweiten Unterteilungsstufe . . . . . . . . . . . . . 119 Die Proportionen � , � , m3 und die Gruppierungswechsel 3{ , 3z und l3 . 119 Die Proportion � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Die Proportion � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Exkurs 4: Quantität versus Qualität innerhalb der Proportionsvorschrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Exkurs 5: Zum Gebrauch der Semiminimen " und

. . . . . . . . . .

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Exkurs 6: Erweiterungen in den Ausdrucksmitteln der Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Ausführungsanweisungen in Vorworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Forte und Piano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Tremolo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Verzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Tempoveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Notation non mesurée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Schlußbemerkungen zum ersten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160


inhalt

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Zweiter Teil Veränderungen der Notationsprinzipien gegen Ende des 17. Jahrhunderts und deren Weiterentwicklung im 18. Jahrhundert Einleitung: Neue Zielsetzungen innerhalb der Musik und ihre Konsequenzen für die Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

III. Bedeutungswandel und Erweiterung der Proportionsvorschri�en in der zweiten Häl�e des 17. Jahrhunderts 1. Bedeutungswandel des Proportionsbegriffs und die Integration von 3 """ ins Proportionssystem . . . . . . . . . 167 2. Erweiterungen der Proportionsvorschrien bei Bononcini (1683) 173 Die einfachen Dreierbewegungen � und � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Die proportionierten Dreierbewegungen �  , � und � . . . . . . . . . . . . 184 Die Sechserbewegungen � und � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Die Zwölferbewegungen � und � . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Konsequenzen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

IV. Grundlagen der Notationsentwicklung im 18. Jahrhundert 1. Differenzierungen in der Vorschri der geraden Mensuren . . . . 201 Die Vorschrien � und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Die Vorschri  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Erweiterungen der Proportionsvorschrien bei Brossard (1703) . 215 Die Triples simples  , , und  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Die Triples composez   , und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Die Sestuples ou Binaires  , und  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Die Dosduples ou á Quatre Temps  und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Die Tactart  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3. Tempowörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Tempowörter als Bestätigung der Kompositionsweise . . . . . . . . . . . . . . 236 Tempowörter als Angabe zur Modifikation eines Grundtempos . . . . . . . . . 239 Tempo giusto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Verschiebungen im Verhältnis von Tactvorschri und Tempoangaben . . . . . . 247


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inhalt

4. Die Notation der Klassik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Tactvorschri und Tempowörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Von der Orientierung an der Battuta zum modernen Takt . . . . . . . . . . . . . 253 Zusatzzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Der Endpunkt in der Entwicklung des Tactes, dargestellt an Beispielen Ludwig van Beethovens . . . . . . . . . . . . . . . . .

255 256 Die Taktarten , und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Die Taktarten und  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Weitere Taktarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Die Taktarten � ,  und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Schlußbemerkungen zum zweiten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Endpunkte notationstechnischer Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Teilband B Faksimile-Reproduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Anhang Verzeichnis der Faksimile-Reproduktionen . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der verwendeten theoretischen Quellen Verzeichnis der verwendeten praktischen Quellen . Verzeichnis der zitierten Literatur . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

407 413 419 421 426 427 429


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Abkürzungen Abb. Faks.

bezieht sich auf die Abbildungen im Teilband A bezieht sich auf die Faksimile-Reproduktionen im Teilband B

In manchen Fällen wurden mehrere Einzelbeispiele, die einen Sinnzusammenhang bilden, unter einer einzigen Faksimile-Nummer zusammengefaßt. Diese werden unter Faks. 1.1, Faks. 1.2, u. s. w. aufgeführt. Besteht ein Beispiel aus mehr als einer Doppelseite, so werden die Seiten mit Faks. 1|1, Faks. 1|2, u. s. w. unterschieden. Beispiele mit mehreren Ausschnitten aus derselben Komposition werden mit Faks. 1a, 1b, u. s. w. bezeichnet. Unterbrechungen im Verlauf einer Stimme werden mit ≈ angegeben.

Praktische Übungen

a. m. i. s. e. c. c. Faks. fcm repr. s. p. e. s.

Antiquae Musicae Italicae Studiosi Editions Culture et Civilisation Faksimile-Ausgabe (eines praktischen Werkes) Fondazione Claudio Monteverdi Nachdruck in Originalgestalt (eines theoretischen Werkes) Sudio per Edizione Scelte

Die unterschiedlich gehandhabte Groß- und Kleinschreibung in den Titeln der zitierten historischen Quellen entzieht sich einer Systematisierung. Im Anhang werden diese Titel gemäß der originalen Schreibweise wiedergegeben, außer bei durchgehenden Versalien. In diesem Fall werden nur die Nomen großgeschrieben.


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271

Faksimile-Reproduktionen


272

notationskunde 17. und 18. jahrhundert


faksimile-reproduktionen

273

1.1a

1.1b

1.2a

1.2b

Faksimile 1 1.1

Antonio Brunelli, Regole utilissime per li scolari che desiderano imparare a cantare, sopra la practica della musica, Florenz 1608; a) S. 11, b) S. 12

1.2

Maternus Beringer, Musicae. Der freyen lieblichen Singkunst erster und anderer Theil, Nßrnberg 1610; a) fol. B, b) fol. B’


274

notationskunde 17. und 18. jahrhundert

1.3a

1.3b 1.3

Livre septième, dat is het boek vande Zangh-Kunst, Amsterdam 1644; a) Superius, fol. 1', b) Contratenor, fol. 1'


faksimile-reproduktionen

1.4a

1.4b

1.5

1.4

Horatio Scaletta, Scala di Musica, Mailand 1657; a) S. 2, b) S. 4

1.5

Giovanni Maria Bononcini, Musico Prattico, Bologna 1673, S. 14

275


276

notationskunde 17. und 18. jahrhundert

2.1

Faksimile 2 2.1

Giovanni Pierluigi Palestrina, Liber quartus Mottetorum cinque vocibus, Venedig 1587; Tenor, S. 10

2.2

Claudio Monteverdi, Madrigali a cinque voci, libro primo, Venedig 1587; Alto, S. 15

2.3 Heinrich SchĂźtz, Symphoniarum Sacrorum secunda pars, Dresden 1647; Prima vox, S. 29


faksimile-reproduktionen

2.2

2.3

277


278

notationskunde 17. und 18. jahrhundert

[�]

3|1

Faksimile 3 3|1 – 3|7 Girolamo Frescobaldi, In Partitura / Il primo libro delle Canzoni a una, due, tre e quattro voci, Rom 1628, S. 8 –14


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