I S B N 978-3-7965-2741-8
Schwabe Verlag Basel www.schwabe.ch
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783796 527418
Rudolf Steiners Faust-Rezeption
Die Autorin Martina Maria Sam, geb. 1960 in Hornbach/Odenwald. Nach verschiedenen Studien (Soziologie, Politologie, Waldorfpädagogik, Eurythmie) in Heidelberg und WittenAnnen und fünf Jahren künstlerischer Tätigkeit an der Goetheanum-Bühne in Dornach zwölf Jahre editorische Mitwirkung im Rahmen der Rudolf Steiner Gesamtausgabe. 1993–1999 Studium der Kunstgeschichte und Deutschen Literaturwissenschaft an der Universität Basel. Seit 2000 Leiterin der Sektion für Schöne Wissenschaften im Rahmen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum.
Martina Maria Sam
1938 fand am Goetheanum in Dornach bei Basel die weltweit erste Gesamtaufführung des Goetheschen Faust statt. Von der Forschung wurde diese Inszenierung allerdings kaum beachtet. Dasselbe gilt für die Grundlagen dieser Weltpremiere: die Faust-Deutungen und vorbereitenden Inszenierungen von Rudolf Steiner. Eine umfassende, sachgemäße Einschätzung derselben war indes bisher gar nicht m öglich, da das umfangreiche Material über zahlreiche Publikationen verstreut bzw. teilweise noch gar nicht publiziert ist. In der vorliegenden Studie wird alles Relevante zu diesem Komplex zusammengetragen, um einen Überblick über die vielschichtige Faust-Rezeption Steiners und seine Inszenierungstätigkeit zu ermöglichen. Der erste Teil der Studie gibt eine chronologische Übersicht über Steiners eingehende Beschäftigung mit dem Faust von 1879 bis 1924. Im zweiten Teil wird der inszenatorische Weg – insbesondere die von Steiner inaugurierte Entwicklung spezifischer Kunst mittel (Sprechchor, Eurythmie, Beleuchtung) – zur ersten Gesamtaufführung des Faust 1938 beschrieben. Im dritten Teil finden sich die umfangreichen Ausführungen und Inszenierungshinweise Rudolf Steiners entlang der Szenen und Verse des Werkes geordnet, die durch dokumentarisches (Bild-) Material im Anhang vervollständigt werden. Rudolf Steiners Anliegen war, den spirituellen und initiatorischen Gehalt der Dichtung freizulegen (‹spiritueller Realismus›). Seine aspektreiche und methodisch vielfältige Deutung erschließt neue und anregende Sichten in Bezug auf Figuren, Szenen und Textstellen in dem so komplexen Welt- und Mysterienspiel.
Rudolf Steiners Faust-Rezeption Martina Maria Sam
Interpretationen und Inszenierungen als Vorbereitung der Welturaufführung des gesamten Goetheschen Faust 1938
Martina Maria Sam
Rudolf Steiners Faust-Rezeption
Interpretationen und Inszenierungen als Vorbereitung der WelturauffĂźhrung des gesamten Goetheschen Faust 1938
Schwabe Verlag Basel
Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Frühjahrssemester 2010 auf Antrag von Prof. Dr. Wolfram Groddeck und Prof. Dr. Eckart Förster als Dissertation angenommen.
Publiziert mit freundlicher Unterstützung der IONA-Stichting Amsterdam
© 2011 by Schwabe AG, Verlag, Basel Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder elektronisch verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz: Martina Maria Sam Gesamtherstellung: Schwabe AG, Druckerei, Muttenz/Basel Printed in Switzerland ISBN 978-3-7965-2741-8 www.schwabe.ch
Inhalt
Dank ................................................................................................................................................. 9 Einführung – Problemstellung und Voraussetzungen ...................................................... 11 Teil I – Rudolf Steiner und Goethes Faust. Eine chronologische Übersicht I.1. 1879-1896 – Jugendliche Annäherungen ................................................................... 25 I.1.1. Das Entzücken der ersten Lektüre ................................................................................. I.1.2. ‹Faust nach Goethes eigener Methode erläutert› – eine erste Besprechung .... I.1.3. Mitarbeit an der Weimarer Goethe-Gesamtausgabe ............................................... I.1.4. ‹Frau Wiecke-Halberstedt als Gretchen› – eine Würdigung .................................. I.1.5. Veit Valentins Faust-Buch ................................................................................................. I.1.6. ‹Weimar im Mittelpunkt des deutschen Geisteslebens› ...........................................
25 28 30 37 39 41
I.2. 1897-1901 – Vom Weimarer Archiv in die Berliner Bohème ............................... 42 I.2.1. Das Ende der Laufbahn als Goethe-Gelehrter .......................................................... I.2.2. Faust-Aufführungen in Berlin ........................................................................................... I.2.3. Berliner Faust-Aperçus ....................................................................................................... I.2.4. Vor einer ‹Art Abgrund› – Krise und Neuorientierung um die Jahrhundertwende ............................................................................................................... I.2.5. Goethes ‹Märchen› als Wendepunkt ..............................................................................
42 44 46 50 53
I.3. 1902-1908 – Esoterische Annäherungen an den Faust ........................................... 58 I.3.1. ‹Goethes Faust als Bild seiner esoterischen Weltanschauung› .............................. I.3.2. ‹Faust als wissenschaftspädadogisches Problem› ........................................................ I.3.3. ‹Goethes Evangelium› und ‹Goethes Apokalypse› .................................................. I.3.4. Die Entdeckung der Kunst ................................................................................................
58 61 62 66
I.4. 1909-1913 – Die Rätsel in Goethes Faust: Werkgenese und Einweihungsweg 68 I.4.1. Die Entdeckung der Doppelheit des Bösen ................................................................ I.4.2. ‹Die Rätsel in Goethes ‘Faust’ – exoterisch› ................................................................ I.4.3. ‹Die Rätsel in Goethes ‘Faust’ – esoterisch› ................................................................. I.4.4. «Faust ist nicht Goethe – Faust ist im Grunde jeder Mensch» .............................. I.4.5. Esoterisches Aperçu: Empedokles und Faust .............................................................
68 69 72 76 80
I.5. 1913-1914 – Faust als Repräsentant des mitteleuropäischen Menschen ............ 82 I.5.1. Baubeginn in Dornach und die drei Faust-Gestalten ............................................... I.5.2. Der Homunkulus Goethes und der Homunkulus Hamerlings ............................. I.5.3. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die Aufgabe Mitteleuropas ........... I.5.4. Faust – Repräsentant des mitteleuropäischen Menschen ....................................... I.5.5. Faust in der Kuppel: der moderne Mensch ..................................................................
82 83 84 86 88
I.6. 1915 – Erste Faust-Aufführungen am Goetheanum ............................................... 91 I.6.1. Ausgestaltung der Holzplastik und die Entwicklung der Eurythmie .................. 91 I.6.2. Ostern 1915: Faust und die elementarische Welt ....................................................... 93 I.6.3. Pfingsten 1915: ‹Anmutige Gegend› .............................................................................. 98 I.6.4. Sommer 1915: Die ‹Himmelfahrt› ................................................................................. 103 I.6.5. Faust und der Deutsche Idealismus .............................................................................. 109
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I.6.6. ‹Fausts Weltwanderung und seine Wiedergeburt aus dem deutschen Geistesleben› ....................................................................................................................... 112
I.7. 1916 – Weitere Faust-Einstudierungen .................................................................... 117 I.7.1. Weisheit – Schönheit – Güte: Umdichtungen der ‹Ariel-Szene› ........................ I.7.3. Herbst 1916: ‹Grablegung› .............................................................................................. I.7.4. Herbst 1916 – ‹Studierzimmer› ....................................................................................... I.7.5. Calderons Wundertätiger Magier und Goethes Faust ............................................. I.7.6. Dezember 1916: ‹Romantische Walpurgisnacht› .....................................................
117 118 123 125 128
I.8. 1917-1920 – Annäherungen an den zweiten Teil ................................................... 130 I.8.1. Januar 1917: ‹Hochgewölbtes gotisches Zimmer› – ‹Laboratorium› ................ I.8.2. Herbst 1917: ‹Finstere Galerie›, ‹Rittersaal›, und die Helena-Sage .................. I.8.3. ‹Goethes persönliches Verhältnis zu seinem ‘Faust’› ............................................. I.8.4. ‹Goethes Geistesart in ihrer Offenbarung durch seinen ‘Faust’› ........................ I.8.5. Sommer 1918: Zwei Leseproben der ‹Klassischen Walpurgisnacht› ................ I.8.6. Herbst 1918: ‹Peneios› und Goethes Art der Wissenschaft .................................. I.8.7. Januar 1919: ‹Ägäisches Meer› ....................................................................................... I.8.8. Erste öffentliche Aufführungen von Faust-Szenen .................................................
130 131 134 136 139 141 143 148
I.9. 1921-1924 – Letzte Ergänzungen: Faust im Vergleich ......................................... 150 I.9.1. Faust und Luther ................................................................................................................. I.9.2. Drei Phasen der Faust-Entstehung ............................................................................... I.9.3. Faust und Theophilus ........................................................................................................ I.9.4. ‹Faust und Hamlet› ............................................................................................................ I.9.5. Faust und der Goetheanum-Brand ............................................................................... I.9.6. Faust: der Mensch, der den Menschen verloren hat ...............................................
150 151 152 155 156 158
Teil II – Der Weg zur ersten Faust-Gesamtaufführung ................................................. 161 II.1. Rudolf Steiner und das Theater ............................................................................... 161 II.1.1. Theaterkritiken und Herausgeberschaft der Dramaturgischen Blätter ........... II.1.2. Rezitationen und Mysteriendramen ........................................................................... II.1.3. Weihnachtsspiele ............................................................................................................... II.1.4. Faust-Szenen ....................................................................................................................... II.1.5. Der Dramatische Kurs September 1924 .................................................................... II.1.6. Nachwirkungen des Dramatischen Kurses ...............................................................
161 165 171 174 178 182
II.2. Marie Steiner-von Sivers ........................................................................................... 184 II.3. Die Entwicklung der Eurythmie .............................................................................. 191 II.4. Die Grundlagen der Sprachgestaltung ................................................................... 196 II.5. Bühnenbild, Kostüme und Musik ........................................................................... 200 II.6. Neue Wege in der Beleuchtung ............................................................................... 203 II.7. Von der ersten Ensemble-Bildung bis zur Faust-Gesamtaufführung ............ 207 II.7.1. Der ‹Thespiskarren› ......................................................................................................... II.7.2. Der Sprechchor am Goetheanum ............................................................................... II.7.3. Faust-Szenen auf der Weltausstellung in Paris 1937 ............................................. II.7.4. 1938 – Welturaufführung des gesamten Faust ........................................................ II.7.5. Faust-Inszenierungen am Goetheanum 1939-2004 ...............................................
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207 210 215 220 228
Teil III – Rudolf Steiner über Goethes Faust. Szeneninterpretationen, Inszenierungshinweise, Stellenkommentare ........................................................ 233 Zur Textgestaltung des folgenden Teils ................................................................................. 233
Faust. Eine Tragödie ............................................................................................................ 235 Zueignung ........................................................................................................................................ 235 Vorspiel auf dem Theater ........................................................................................................... 236 Prolog im Himmel .......................................................................................................................... 237 Nacht .................................................................................................................................................. 251 Vor dem Tor .................................................................................................................................... 289 Studierzimmer I .............................................................................................................................. 293 Studierzimmer II ............................................................................................................................ 300 Auerbachs Keller in Leipzig ....................................................................................................... 306 Hexenküche ..................................................................................................................................... 306 Straße – Abend – Spaziergang – Der Nachbarin Haus – Straße – Garten – Ein Gartenhäuschen ‹Gretchen-Szenen› ........................................................................... 309 Wald und Höhle ............................................................................................................................. 314 Gretchens Stube ............................................................................................................................. 318 Marthens Garten ............................................................................................................................ 318 Am Brunnen – Zwinger – Nacht – Dom ................................................................................ 321 Walpurgisnacht ............................................................................................................................... 322 Walpurgisnachtstraum .................................................................................................................. 339 Trüber Tag. Feld – Nacht. Offen Feld – Kerker .................................................................. 339
Der Tragödie zweiter Teil .................................................................................................. 340 Erster Akt ............................................................................................................................... 340 Anmutige Gegend ......................................................................................................................... 340 Kaiserliche Pfalz. Saal des Thrones ......................................................................................... 350 Weitläufiger Saal, mit Nebengemächern ............................................................................... 352 Lustgarten ......................................................................................................................................... 354 Finstere Galerie .............................................................................................................................. 355 Hell erleuchtete Säle – Rittersaal ............................................................................................. 368
Zweiter Akt ............................................................................................................................ 375 Hochgewölbtes, enges gotisches Zimmer .............................................................................. 375 Laboratorium .................................................................................................................................. 380 Klassische Walpurgisnacht .......................................................................................................... 402 Pharsalische Felder ........................................................................................................................ 406 Peneius ............................................................................................................................................... 410 Am obern Peneius ......................................................................................................................... 411 Felsbuchten des Ägäischen Meeres ......................................................................................... 431
Dritter Akt ............................................................................................................................. 466 Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta ................................................................................ 466 Innerer Burghof .............................................................................................................................. 474 Arkadien ........................................................................................................................................... 475
Vierter Akt ............................................................................................................................. 485 Hochgebirg – Auf dem Vorgebirg – Des Gegenkaisers Zelt, Thron ........................... 485
Fünfter Akt ............................................................................................................................ 490 Offene Gegend ............................................................................................................................... 490
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Palast, weiter Ziergarten, großer Kanal ................................................................................. Palast, tiefe Nacht .......................................................................................................................... Palast, Mitternacht ........................................................................................................................ Großer Vorhof des Palasts ......................................................................................................... Grablegung ...................................................................................................................................... Bergschluchten, Wald, Fels ........................................................................................................
491 492 493 510 521 532
Stichwortartige Übersicht über die wichtigsten Deutungen ...................................... 569 Faust. Eine Tragödie ........................................................................................................... 569 Zueignung ........................................................................................................................................ Prolog im Himmel ......................................................................................................................... Nacht .................................................................................................................................................. Studierzimmer I .............................................................................................................................. Studierzimmer II ............................................................................................................................ Hexenküche .................................................................................................................................... Gretchen-Szenen ........................................................................................................................... Wald und Höhle ............................................................................................................................. Walpurgisnacht ...............................................................................................................................
569 569 570 571 572 572 572 573 573
Der Tragödie zweiter Teil .................................................................................................. 575 Erster Akt ......................................................................................................................................... Zweiter Akt ..................................................................................................................................... Dritter Akt ....................................................................................................................................... Vierter Akt ....................................................................................................................................... Fünfter Akt ......................................................................................................................................
575 578 584 586 586
Schlußdiskurs und Fazit ............................................................................................................ 595 Anhang .......................................................................................................................................... 613 Textdokumente .................................................................................................................... 613 Rudolf Steiners Faust-Vorträge und -Aufsätze im Überblick .................................. 615 Faust-Ausgaben und -Sekundärliteratur in der Bibliothek Rudolf Steiners ......... 620 Faust-Aufführungen des Goetheanum-Ensembles 1915 bis 1938 ........................... 626 Kurzbiographien erwähnter Künstler ............................................................................. 632 Glossar einiger anthroposophischer Grundbegriffe .................................................... 642
Literatur- und Siglenverzeichnis ............................................................................................ 646 Werke Rudolf Steiners ....................................................................................................... 646 Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA) .................................................................................... 646 Diverses ............................................................................................................................................. 657
Literatur und Siglen (ohne Rudolf Steiner) .................................................................. 658
Abbildungsteil ............................................................................................................................. 671 Abbildungsnachweis ................................................................................................................ 711
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Dank Dieser hier vorgelegten Studie über Rudolf Steiners Faust-Rezeption sei ein herzlicher Dank vorangestellt. Vor allem geht dieser Dank an Prof. Dr. Wolfram Groddeck, Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich, der sich sofort bereit erklärte, dieses etwas ungewöhnliche Dissertationsthema anzunehmen und zu betreuen. Sein immer für Fragen offenes Ohr und die ermutigenden und orientierenden Gespräche mit ihm waren mir auf dem Weg sehr hilfreich. Ein zweiter Dank ist Prof. Dr. Eckart Förster gewidmet, Professor für Philosophie und Literatur an der Johns Hopkins University in Baltimore sowie Honorarprofessor an der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität Berlin, der freundlicherweise zugestimmt hat, als zweiter Referent zu fungieren. Danken möchte ich auch der IONA-Stichting, die mir durch ein Stipendium ermöglicht hat, mich eine Zeitlang von meinen beruflichen Pflichten soweit zu befreien, daß ich wesentliche Teile der vorliegenden Studie verfassen konnte. Es ist mir ein Bedürfnis, namentlich Michiel ter Horst und Ignaz Anderson vom Direktorium der Stiftung zu erwähnen, die diesem Vorhaben in persönlichen Gesprächen immer ein warmes Interesse entgegenbrachten. Ein herzlicher Dank sei auch den beiden Archiven ausgesprochen, die durch ihre offenen Türen und ihr Entgegenkommen in bezug auf noch nicht publizierte Unterlagen eine wesentliche Voraussetzung für diese Studie geschaffen haben: dem Rudolf Steiner Archiv – vor allem dem Vorstand der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, dem Archivleiter Prof. Dr. Walter Kugler und dem Archivar Stephan Widmer – sowie der Dokumentation am Goetheanum, dem Archivleiter Uwe Werner und den Mitarbeitern Mirjam Hege, Peter Braithwaite und Karin Rohrer. Dem Kollegium der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum möchte ich danken, daß es mich für ein Vierteljahr von den Sitzungen freigestellt hat, um diese Arbeit abschließen zu können. Auch an meine Mitarbeiter in der Sektion für Schöne Wissenschaften, Hildegard Backhaus und Daniel Thiel, geht ein Dank fürs Korrekturlesen und sonstige kleine Hilfsleistungen. Zu guter Letzt sei noch ein herzlicher Dank an meinen Mann, Dietrich Rapp, ausgesprochen, der nicht nur über Jahre hindurch die intensive Arbeit an dieser Studie mitgetragen hat, sondern der mir auch stets mit Rat und Tat und hilfreichem Lektorat zur Seite stand.
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Einführung – Problemstellung und Voraussetzungen Bis 1999 war «das Dornacher Goetheanum die einzige Bühne, die Goethes Faust ohne jeglichen Strich gespielt hat und noch spielt» (Mahl 1999,114), wie Bernd Mahl in seiner Übersicht Goethes ‹Faust› auf der Bühne (1806-1998)1 feststellt. Erst im Jahre 2000 wurde dieser Gesamtaufführung eine andere an die Seite gestellt: in Hannover, Berlin und Wien führte der frühere Regisseur der ‹Berliner Schaubühne›, Peter Stein, über zwei Jahre hin in kompakten Wochenend- und Fünf-Abende-Aufführungen ebenfalls den kompletten Faust auf. Von Anfang an wurde dieses (als ‹Weltpremiere› promovierte) Unternehmen durch zahlreiche Gönner unterstützt und von großem (wenn auch erstaunlich kritischem) Medienspektakel sowie warmem Interesse des Publikums begleitet, während die Dornacher Aufführungen über Jahrzehnte hin weder von der Theaterszene noch von der allgemeinen Öffentlichkeit besonders beachtet wurde. – Angesichts der Tatsache, daß über 70 Jahre am Goetheanum in regelmäßigen Abständen (meist alle vier Jahre) der gesamte Faust gespielt wurde; daß die Welturaufführung des ungekürzten Werkes 1938 in Dornach stattfand;2 daß sich die Schweiz an der Pariser Weltausstellung 1937 durch eine ‹Sémaine Artistique du Goetheanum›, die auch einen Abend mit Faust-Szenen umfaßte, erfolgreich repräsentieren ließ, ist das eigentlich erstaunlich. Warum dieses so unterschiedliche Echo? Warum erfuhr die Dornacher FaustAufführung kaum einen Bruchteil der medialen und Publikums-Aufmerksamkeit der Steinschen? Warum wurde sie in den Übersichten zur Bühnengeschichte von Goethes Faust meist übergangen? – Die Gründe für diese Ignoranz gegenüber den Dornacher Faust-Aufführungen liegen einerseits auf der Hand und sind doch andererseits nicht leicht konkret zu fassen. Bernd Mahl, der die Dornacher Aufführungen in seinem Abriß der FaustBühnengeschichte immerhin mit einer dreiseitigen Darstellung würdigt, benennt das ‹Grundproblem›: «Problematisch scheint mir zu sein, daß das Dornacher Faust-Spiel, abgeleitet von Behauptungen Rudolf Steiners, die bei nüchterner Betrachtung nichts beweisen, mit einem gewissen absoluten Wahrheitsanspruch verbrämt werden. Walther Henze […] klammerte in seinen Vorträgen zur Bühnengeschichte von Goethes Faust 1
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Vgl. auch seine Ausführungen zur ‹Bühnengeschichte von Goethes Faust› im Goethe Handbuch 2004/2,528. Diese Weltpremiere des ungekürzten Faust wurde allerdings von der Presse in einer Weise beachtet (vgl. Kap. II.7.4.), wie dies später nicht mehr der Fall war. Durch die mit Begeisterung aufgenommenen Aufführungen der Goetheanum-Bühne bei der Weltausstellung in Paris 1937 und die ausgedehnten Sprechchor-Reisen durch öffentliche Theater anfangs der 1930er Jahre genoß das Dornacher Ensemble damals eine gewisse Popularität, die für das Interesse der Presse sicherlich mit ausschlaggebend war (vgl. Kap. II.7.).
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Einführung
von den Anfängen bis Gustaf Gründgens den Dornacher Faust aus diesem Grund aus.» (Mahl 1999,118) Der kanadische Germanist David G. John, der eine ausführliche Besprechung von Peter Steins Faust-Inszenierung in den Mannheimer Studien zur Literatur- und Kulturwissenschaft veröffentlichte, versucht zu verstehen, warum Stein – obwohl er von der Dornacher Gesamtaufführungstradition wußte – seine Inszenierung als die «erste professionelle Gesamtaufführung» bezeichnet hat: «Because these productions function at least in part as expressions of the organization’s beliefs and approach to life, and since the perfomances are housed within the rarified setting of their premises in Dornach, one might agree with Stein that they do not qualify as professional.» (John 2003,308)3 Peter Stein selbst bemerkt – sich dabei nach zwei Seiten abgrenzend – in der Einleitung des Programmbuchs zu seiner Faust-Inszenierung in Hinsicht auf seine Intentionen lapidar: «Die unselige Tradition der ‹Fassungen› galt es zu durchbrechen, andererseits kein Weihe- oder Festspiel zu weltanschaulichen Zwecken daraus zu machen (wie von Rudolf Steiner geschehen).» (Stein 2000,9) In diesen repräsentativen Äußerungen spiegelt sich eine Grundstimmung: Die Dornacher Faust-Festspiele werden nicht als ‹normale› Theater-Aufführungen im öffentlichen Raum gesehen. Man vermutet auf der einen Seite eine ‹Ableitung› der Inszenierung aus «Behauptungen Rudolf Steiners» und schreibt ihr auf der anderen Seite einen Zweck, nämlich eine identitätsstiftende Funktion für die Anthroposophengemeinde, zu. Der Raum des rein Ästhetischen, die Freiheit des Künstlerischen scheinen «weltanschaulicher Zwecke» wegen untergraben oder zumindest gefährdet. Daß aufgrund dieser Einschätzung der ganze anthroposophische Ansatz – sowohl der theoretisch-interpretatorische als auch der praktisch-inszenatorische – in der Rezeptionsgeschichte des Faust nahezu vollständig ausgeklammert wurde, ist nachvollziehbar. Die Vermutung, daß ein großes Werk der Weltliteratur in der oben angesprochenen Weise quasi zweifach – weltanschauungsumsetzend und identitätsstiftend – ‹mißbraucht› werde, erzeugt Unbehagen. Und so wurden und werden mit dem Verdikt ‹weltanschauliche Prägung› die Dornacher Faust-Aufführungen sowie die Steinerschen (und weitgehend auch sonstigen anthroposophischen) Faust-Deutungen aus der Reihe dessen, was heute wissenschaftlicher Untersuchung und Kenntnisnahme als wert erachtet wird, de facto ausgeschlossen. Allerdings muß man festhalten: Hätte jemand eine solche Rezeption ernsthaft versucht, wären ihm zumindest in bezug auf die Faust-Ausführungen und Inszenierungshinweise Rudolf Steiners einige Schwierigkeiten im Wege gestanden. Denn diese sind über ein immenses Werk und z. T. schwer zugängliche Sekundärliteratur verstreut. Und in Hinsicht auf die Dornacher Faust-Festspiele muß festgehalten werden, daß bis vor 3
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Dem ‹Nicht-Professionalität›-Vorwurf Steins wollte John allerdings in einem Gespräch nach einem Besuch der Faust-Festspiele am Goetheanum 2004 und eingehenden Erkundigungen nach der Ausbildung der Schauspieler und Eurythmisten nicht mehr zustimmen.
Problemstellung und Voraussetzungen
kurzem keine großen Anstrengungen unternommen wurden, z. B. durch gezieltes Marketing die Aufführungen stärker in das Bewußtsein der Öffentlichkeit zu bringen.4 Die ‹Nischenexistenz› wurde bewußt in Kauf genommen. Dadurch, daß die Faust-Festspiele aber immer öffentlich zugänglich waren, wurden sie im Laufe der Jahre doch auch von vielen ‹außenstehenden› (d. h. der anthroposophischen Bewegung nicht nahestehenden) Zuschauern und Faust-Kennern wahrgenommen, die teilweise der Dornacher Art der Inszenierung einiges abgewinnen konnten. Marie Luise Kaschnitz, die wohl in den späten 1930er Jahren, also zu Zeiten der Regie Marie Steiners, eine Aufführung des ersten Drittels von Faust I besucht und einige Eindrücke davon niedergeschrieben hatte, kommt zu dem Urteil: «Die Aufführung ist hervorragend, was mit der übereinstimmenden Weltanschauung der Schauspieler und der monatelangen minuziösen Probenarbeit erklärt wird.» (Kaschnitz 1991,69) Eine Dornacher Faust-Aufführung zu besuchen, ist (oder, besser gesagt, war bis 2004)5 bei ernsthaftem Interesse kein Problem. Schwieriger verhält es sich in bezug auf die Rezeption von Rudolf Steiners Faust-Ausführungen: Steiner hat einige Kritiken zu Faust-Aufführungen6, Besprechungen zu Sekundärliteratur und drei Aufsätze verfaßt; er hat viele öffentliche und interne Vorträge zu Faust gehalten; in über hundert anderen Vorträgen mehr oder weniger marginale Anmerkungen dazu gemacht.7 Er hat wesentliche Teile des Faust-Dramas am Goetheanum inszeniert – manche Szenen wurden dabei zum erstenmal in der Theatergeschichte des Faust ungekürzt aufgeführt. Im Laufe dieser Einstudierungen gab er Hunderte von Anweisungen zu Choreographie, Kostümen, Bühnenbild, Beleuchtung, Sprache und Spielweise. Steiners Bibliothek umfaßt 26 Faust-Ausgaben und 41 Sekundärtitel, die er – den Anstreichungen und Anmerkungen nach zu schließen – teilweise intensiv durchgearbeitet hat; in einigen seiner über 600 Notizbücher finden sich Überlegungen zum Faust-Komplex; er hat die Kabiren plastisch ausgestaltet und Faust als ‹Repräsentanten der modernen Menschheit› in die kleine Kuppel des Ersten Goetheanum hineingemalt. In all diesen mündlichen, schriftlichen und künstlerischen Äußerungen ist eine Fülle von Interpretationen zu Details des Werkes enthalten. Rudolf Steiner beschäftigte sich in der ein oder anderen Art sein Leben lang mit Faust; das wird der erste Teil der vorliegenden Untersuchung deutlich zeigen. Doch von einer Faust-Interpretation im akademisch-literaturwissenschaftlichen Sinn kann bei ihm 4
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Eine Ausnahme hiervon bildete der in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut München veranstaltete Faust-Zyklus 1999, vor allem aber die letzten Faust-Festspiele 2004 (Neuinszenierung von Wilfried Hammacher), die erstmals in breitem Umfang öffentlich beworben sowie durch öffentliche Gelder unterstützt wurden. Für die nächsten Jahre sind noch keine weiteren Faust-Festspiele konkret in Aussicht genommen. Rudolf Steiner konnte fast alle wesentlichen Faust-Inszenierungen seiner Zeit (in Wien, Weimar und Berlin) wahrnehmen. Vgl. ‹Rudolf Steiners Faust-Vorträge und -Aufsätze im Überblick› im Anhang.
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Einführung
nicht die Rede sein – sein Anliegen mit diesem Werk war ein anderes. Auch fehlt die Durchgängigkeit und Systematik der Darstellung: das meiste ist in Vorträgen skizzenhaft und in einem bestimmten Kontext gegeben. Wer näher daran interessiert ist, sich ein Bild von Steiners Zugang zu Faust zu machen, wird zunächst zu den beiden Bänden Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes Faust (GA 272 u. 273) greifen, die aber mit einer gewissen Problematik behaftet sind und sich nicht als Einführung eignen. Denn es handelt sich dabei um eine (im wesentlichen auf Marie Steiner zurückgehende) Zusammenstellung von Vorträgen der Jahre 1910 bis 1919, die Rudolf Steiner überwiegend aus Anlaß der ersten, ganz internen Aufführungen von Faust-Szenen am Goetheanum gehalten hat. Damit sind diese Vorträge im Duktus voraussetzungsvoll und sehr ‹esoterisch›; oft schließen sie sich auch nur locker an die Darstellung an.8 Ohne die Grundlagen der ‹anthroposophischen Geisteswissenschaft›, ohne – abgesehen vom engagierten, doch sehr allgemeinen Vorwort Marie Steiners zur ersten Ausgabe 1931 – Einführung in den sozialen und atmosphärischen Kontext der Aufführungen kann der unvorbereitete Leser diese Darstellungen nur als unsystematisch-assoziativ und teilweise absurd empfinden. Wer sich davon nicht abschrecken läßt und eingehender in Steiners FaustAusführungen vertiefen will, hat mit einer erschlagenden Fülle zu kämpfen, aus der er sich das Material mühevoll zusammensuchen muß – 360 Bände Rudolf SteinerGesamtausgabe, über die ganze Vorträge oder auch nur marginale Bemerkungen zum Faust breit verstreut sind; dazu kommen bislang in der Gesamtausgabe nicht publizierte Vorträge; 122 Hefte Beiträge zur Rudolf Steiner-Gesamtausgabe mit interessanten, ergänzenden Aperçus; Marginalien in den entsprechenden Büchern seiner Privatbibliothek; Notizbücher; Choreographie- und Kostümzeichnungen; zahlreiche Erinnerungen von Teilnehmern der ersten Aufführungen; die minutiös geführten, bisher nicht ausgewerteten ‹Garderobetagebücher› jener Zeit etc. Eine Zusammenstellung und Zusammenschau dieses reichen Materials ist bisher noch nicht geleistet worden.9 Schon von daher kann es nicht verwundern, daß man bei der Suche nach Aufarbeitungen der Faust-Rezeption Steiners von akademischer Seite her kaum fündig wird. Allenfalls die Dissertation von Wolfhard Raub aus dem Jahr 8
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Rudolf Steiner charakterisiert die Ausgangslage für solche internen Vorträge in seiner Autobiographie so: «Bei diesen Vorträgen waren nur Mitglieder. Sie waren mit den AnfangsMitteilungen aus der Anthroposophie bekannt. Man konnte zu ihnen eben so sprechen, wie zu Vorgeschrittenen auf dem Gebiete der Anthroposophie. Die Haltung dieser internen Vorträge war eine solche, wie sie eben in Schriften nicht sein konnte, die ganz für die Öffentlichkeit bestimmt waren. – Ich durfte in internen Kreisen in einer Art über Dinge sprechen, die ich für die öffentliche Darstellung, wenn sie für sie von Anfang an bestimmt gewesen wären, hätte anders gestalten müssen.» (GA 28/444, 1924/25) Einen Anfang in diese Richtung bildet die Faust-Ausgabe von Heinrich O. Proskauer, der die Schröerschen Kommentare um einige Hinweise Rudolf Steiners ergänzte (siehe Proskauer 1982).
Problemstellung und Voraussetzungen
1963 kann hier genannt werden, die sich mit dem ganzen Komplex Rudolf Steiner und Goethe. Literatur und Wissenschaftstheorie im Werk Steiners auseinandersetzt. Dort findet sich ein Kapitel zu den ‹Faustvorträgen Steiners›, das mit den oben erwähnten Schwierigkeiten zu kämpfen hat und an gegebener Stelle berücksichtigt werden wird.10 Im weiteren Umfeld sind noch die Arbeiten von Thomas Koerner (Rudolf Steiners ‹Mysterientheater›)11, Brigitte Margesin (Die Bedeutung des Lautes in der Theaterkonzeption von Rudolf Steiner) und Thomas Parr (Eurythmie – Rudolf Steiners Bühnenkunst) zu nennen, die jedoch alle die Faust-Deutungen und -Inszenierungen nicht oder nur marginal thematisieren. Wer sich nun, wie es die vorliegende Arbeit zu tun versucht, diesem riesigen Komplex mit dem Anspruch einer möglichst umfassenden Dokumentation nähert, sieht sich – was die Sache nicht einfacher macht – mit einigen spezifischen Eigenarten der Quellen konfrontiert. Die wesentliche Quelle für Steiners Faust-Rezeption bilden die stenographischen Mitschriften seiner Vorträge. Ca. 320 von insgesamt 350 Bänden der noch immer nicht abgeschlossenen Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe bestehen aus solchen Vortragsmitschriften; mit Aufzeichnungen von 4945 (von insgesamt 6692 nachgewiesenen) Vorträgen handelt es sich dabei um den weltweit größten stenographischen Nachlaß einer Einzelperson. Diese Mitschriften liegen in äußerst unterschiedlicher Qualität vor. Viele Stenogramme stammen von Laien; erst ab 1916 wurde mit Helene Finckh von Rudolf Steiner eine Berufsstenographin mit der Aufzeichnung der Vorträge beauftragt.12 Doch auch dann konnten die aus den stenographischen Notizen angefertigten Lang- oder Klarschriften aus Zeitgründen so gut wie nie vom Vortragenden durchgesehen werden. Die weitaus meisten Bände der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe enthalten also vom Autor nichtautorisierte, stellenweise sogar lücken- oder fehlerhafte Nachschriften von Vorträgen – in bezug auf die Authentizität der Aussagen eine schwierige Ausgangslage. Dazu kommt, daß die Bände der Gesamtausgabe – nicht zuletzt, weil sie über einen Zeitraum von über 50 Jahren entstanden sind – in unterschiedlicher editorischer Quali10 11
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Vgl. dazu das Abschlußkapitel ‹Schlußdiskurs und Fazit›. Koerner untersucht Rudolf Steiners Mysteriendramen; in diesen Kontext gehören auch die Arbeiten von Christian Clement: Die Geburt des modernen Mysteriendramas aus dem Geiste Weimars (Clement 2005) und Alexander Höhne: Spiegelmetaphorik in Rudolf Steiners ‹Vier Mysteriendramen›, Tübingen 2006. Ursprünglich sprach sich Rudolf Steiner gegen die Publikation von Vortragsnachschriften aus. Gesprochenes Wort sollte gesprochenes Wort bleiben. Als jedoch interne Mitschriften in verdrehter und verzerrter Form an die Öffentlichkeit gelangten, nahm er die Sache selbst in die Hand. Marie Steiner berichtet: «Die Nachschriften wurden zunächst gegen das Gebot Dr. Steiners privat vervielfältigt und unter der Hand verbreitet und enthielten oft solchen Unsinn, daß Dr. Steiner [...] sich gezwungen sah, die Stenografierenden selbst zu bestimmen und die Übertragung in unsere eigene Regie zu nehmen... Er selbst hatte aber nicht die Zeit, sie durchzusehen, und er litt daran, weil er das gesprochene Wort als nicht geeignet für den Druck betrachtete.» (Dokumentation 1988,26)
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tät vorliegen. Das vorrangige Zielpublikum dieser Ausgabe waren anthroposophisch interessierte Leser, für die die Quellenproblematik sekundäre Bedeutung hatte.13 Eine weitere Besonderheit dieser Vorträge, die ihre zusammenfassende Auswertung zusätzlich erschwert, ist die folgende: Rudolf Steiner hat niemals ‹Vorlesungen› im Sinne des Ablesens eines vorab geschriebenen Manuskriptes gehalten; er bereitete eigenen Aussagen zufolge seine Vorträge innerlich vor und versuchte dann die aktuellen Gegebenheiten – Ort, Publikum, Zeitereignisse – so miteinzubeziehen, daß er unter Umständen dasselbe Thema in sehr unterschiedlicher Weise darstellen konnte.14 Gesprochenes Wort und schriftliche Darlegung waren ihm – angesichts der verschiedenen Ausgangsbedingungen – je eigene Darstellungsweisen mit spezifischen Möglichkeiten und Beschränkungen. So pflegte er im Vortrag bis in sprachliche Einzelheiten hinein bewußt einen ausgesprochen ‹mündlichen›, schon zu seiner Zeit in der akademischen Welt völlig unüblichen Stil, der auf viele heutige Leser zunächst befremdlich wirkt.15 Aus diesen Gründen waren ihm die (nicht überarbeiteten) Vortragsveröffentlichungen, die ihm abgenötigt worden waren, unangenehm. Er äußert sich in seiner Autobiographie Mein Lebensgang dazu: Es liegen nun aus meinem anthroposophischen Wirken zwei Ergebnisse vor; erstens meine vor aller Welt veröffentlichten Bücher, zweitens eine große Reihe von Kursen, die zunächst als Privatdruck16 gedacht und verkäuflich nur an Mitglieder der Theosophischen (später Anthroposophischen) Gesellschaft sein sollten. Es waren dies Nachschriften, die bei den Vorträgen mehr oder weniger gut gemacht worden sind und die – wegen mangelnder Zeit – nicht von mir korrigiert werden konnten. Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn mündlich gesprochenes Wort mündlich gesprochenes Wort geblieben wäre. Aber die Mitglieder wollten den Privatdruck der Kurse. Und so kam er zustande. (GA 28/442f., 1924/25) So liegt in der Zweiheit, den öffentlichen und den privaten Schriften, in der Tat etwas vor, das aus zwei verschiedenen Untergründen stammt. Die ganz öffentlichen Schriften sind das Ergebnis dessen, was in mir rang und arbeitete; in den Privatdrucken ringt und arbeitet die Gesellschaft mit. Ich höre auf die Schwingungen im Seelenleben der Mitgliedschaft, und in meinem
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Für die Nachlaßverwalter Rudolf Steiners entstand zudem – mit Blick auf den auslaufenden Urheberrechtsschutz – ein gewaltiger Zeitdruck, möglichst schnell möglichst viel herauszubringen, und das mit geringen finanziellen Mitteln. Erst in den letzten zwei Jahrzehnten konnte man sich mit etwas mehr Ruhe den editorischen Erfordernissen widmen. Es wird seitdem versucht, durch ausführliche Dokumentation der jeweiligen Quellenlage und Vortragssituation das Bewußtsein der Leser für die Problematik dieser Nachschriften zu schärfen. So unterscheidet sich z. B. der stilistische Duktus der in Holland oder England gehaltenen Vorträgen deutlich von den in Deutschland gehaltenen; vor Mitgliedern spricht er anders als öffentlich; bei den Arbeitern hat er eine andere Art der Darstellungsweise als bei Studenten etc. Siehe dazu ‹‘Die Sprache so drehen und wenden, daß man ihre Mängel nicht so fühlt ...’. Über den besonderen Charakter der Vorträge [Rudolf Steiners]› in Sam 2004,31-38. Als ‹Privatdrucke› wurden die Manuskriptveröffentlichungen der Vorträge im Rahmen der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft bezeichnet, die zunächst nur an Mitglieder abgegeben wurden.
Problemstellung und Voraussetzungen
lebendigen Drinnenleben in dem, was ich da höre, entsteht die Haltung der Vorträge. (GA 28/444)
Aus diesem Bewußtsein heraus machte er der Rezeption dieser Vortragsnachschriften gegenüber Vorbehalte geltend und verwies vor allem auf seine Schriften: Wer mein eigenes inneres Ringen und Arbeiten für das Hinstellen der Anthroposophie vor das Bewußtsein der gegenwärtigen Zeit verfolgen will, der muß das an Hand der allgemein veröffentlichten Schriften tun. In ihnen setzte ich mich auch mit alle dem auseinander, was an Erkenntnisstreben in der Zeit vorhanden ist. (GA 28/443, 1924/25) Ein Urteil über den Inhalt eines solchen Privatdruckes wird ja allerdings nur demjenigen zugestanden werden können, der kennt, was als Urteils-Voraussetzung angenommen wird. Und das ist für die allermeisten dieser Drucke mindestens die anthroposophische Erkenntnis des Menschen, des Kosmos, insofern sein Wesen in der Anthroposophie dargestellt wird, und dessen, was als «anthroposophische Geschichte» in den Mitteilungen aus der Geist-Welt sich findet. (GA 28,445)
Was Steiner hier über die in ‹Privatdrucken› veröffentlichten Mitgliedervorträge äußert, gilt für fast alle Vorträge, die er im Umkreis der Faust-Inszenierungen hielt: sie waren im internen Kreis gehalten und deshalb im obigen Sinne voraussetzungsvoll. Der Germanistik-Professor und Anthroposoph Friedrich Hiebel, der wohl anläßlich der von Stuart Atkins zusammengestellten Übersicht ‹Faustforschung und Faustdeutung seit 1945›17 Steiners Stellung im Kontext der Faustforschung reflektierte, kam zu dem Schluß: «Die Faustforschung Rudolf Steiners kann nicht in das Prokrustesbett der am Buchstaben haftenden Goethephilologie gespannt werden. Sie wendet sich von vorneherein an die Kulturwelt und nicht an die Zunftgenossenschaft. Mit Ausnahme der Schrift Goethes Geistesart liegt das Werk seiner Faustforschung in Form von Vorträgen vor, die sich an Menschen gerichtet haben, denen das Menschenbild der Anthroposophie bereits zum Seelenmittelpunkt ihres Strebens geworden war.» (Hiebel 1984,172f.) So stehen wir also vor dem Paradox, daß einerseits ein reiches Material an Ausführungen, Interpretationen, Anmerkungen bis hin zu Inszenierungshinweisen, Choreographien etc. zu Faust vorliegt, andrerseits durch die besondere Eigenart von großen Teilen dieses ‹Materials› eine Auswertung im üblichen akademischen Sinn schwierig bis unmöglich erscheint. Es wäre jedoch bedauerlich, wenn deswegen die Aufarbeitung völlig unterlassen würde – zumal Steiners Faust-Deutungen und -Inszenierungen der Welturaufführung des gesamten Faust 1938 den Boden bereitet haben. Die vorliegende Studie verfolgt deshalb das Ziel, alle irgendwie relevanten Aussagen und Inszenierungsangaben Rudolf Steiners zu Goethes Faust erstmals an einem Ort zu versammeln, um damit einen Überblick über das umfangreiche Material zu geben, Steiners Faust-Rezeption in Um-
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Erstmals veröffentlicht in der Vierteljahrsschrift für Literaturgeschichte Euphorion, Bd. 53, 1959.
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rissen darzustellen und gegebenenfalls weiterführenden Arbeiten eine Grundlage zu schaffen. Und so wurden trotz der komplizierten Quellenlage alle Äußerungen ungeachtet ihrer Provenienz (die sich aber anhand des Literatur- und Siglenverzeichnisses leicht erschließen läßt) zunächst gleichermaßen berücksichtigt. Wie oben bereits angedeutet, beabsichtigte Steiner nie, eine in sich geschlossene Faust-Interpretation oder einen durchgängigen Faust-Kommentar zu geben. Was in dieser Hinsicht in kreativer Fülle entstand, war eine Art Nebenprodukt seines eigentlichen Anliegens. Marie Steiner sagt im Vorwort der ersten Ausgabe der Faust-Vorträge 1931 darüber: «Die hier gebrachten Vorträge geben uns Unterlagen zum Verständnisse des ‹Faust›. Sie sind keine in dem Gelehrtenzimmer verfaßten Kommentare, sondern eine Einführung in die Gebiete der Geisteswissenschaft an Hand eines von ihnen inspirierten Dichterwerks, dessen Geheimnisse erst durch diese Geisteswissenschaft ihre rechte Beleuchtung finden.» (Marie Steiner in GA 272/13) Eine «Einführung in die Gebiete der Geisteswissenschaft an Hand eines von ihnen inspirierten Dichterwerks» – in der Tat steht vieles, was Rudolf Steiner zum Faust geäußert oder geschrieben hat, unter diesem Motto. Faust war ihm in diesem Sinne oft ‹Mittel zum Zweck›, was die oben angeführten Bedenken von Peter Stein, David G. John etc. in Erinnerung ruft und berechtigt erscheinen läßt. Der ‹Zweck› – Rudolf Steiners Grundanliegen und selbstempfundene Lebensaufgabe – war die Inaugurierung der ‹Geisteswissenschaft›18 oder Anthroposophie19, einer Wissenschaft des Geistes. ‹Geist› war ihm etwas durchaus Konkretes, Reales, Wesenhaftes, in der Welt- und Menschheitsgeschichte Wirkendes, nicht ein abstraktpantheistisches Prinzip. Das unterschied seine okkulten Bestrebungen von vielen anderen in seiner Zeit. Es kam ihm darauf an, wie die schwedische Dichterin Selma Lagerlöf es einmal ausdrückte, daß «man sich selber durch ein festes, bewußtes, systematisches Denken Kenntnis von der Geisteswelt erwerben kann. Man soll nicht dasitzen wie ein träumender Mystiker, sondern durch Anstrengung seines ganzen Denkvermögens dahin gelangen, die Welt, die uns sonst verborgen ist, zu sehen.»20 Das Denken und seine Erweiterung im Sinne der ‹Geisteswissenschaft› sollen zu einer gesicherten, nüchternklaren (Er-)Kenntnis der geistigen oder übersinnlichen Welt führen können. Dabei war es Rudolf Steiner ein zentrales Anliegen, die ganze westliche, insbesondere die mitteleuropäische Kultur als Stufen auf diesem Weg sichtbar zu machen. Eigenem Bekunden nach fußte er in seinen Bestrebungen auf dem Deutschen Idealismus, besonders aber auf Goethe, mit dem er sich zeit seines Lebens eingehend beschäftigt hat.
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Zum Gebrauch des Wortes ‹Geisteswissenschaft› vgl. das ‹Glossar einiger anthroposophischer Grundbegriffe› im Anhang. Steiner versteht darunter nicht primär die «‹Weisheit vom Menschen› […], sondern ‹Bewußtsein seines Menschentums›» (GA 257/76, 13.2.1923). Hier zitiert nach Hemleben 1963,165 (dort leider ohne Quellennachweis).
Problemstellung und Voraussetzungen
An Goethe interessierte ihn vor allem dessen Erkenntnismethode, seine Schätzung der sinnlichen Erfahrung, seine Suche nach den reinen Phänomenen ohne jedwelche Spekulation. Diese Methode, die Ansätze zu einer anderen Art der Wissenschaft, einer Wissenschaft nicht nur des Quantitativen, sondern des Qualitativen, die nach Einschätzung Peter Heussers «eine Erneuerung des thomistisch-aristotelischen Ideenrealismus auf dem Boden der modernen Naturwissenschaft» (Heusser 2000,490) darstellt, konnte eine Grundlage geben, um auch das Lebendig-Organische in seiner spezifischen Eigenart zu begreifen, wie es Goethe in seiner Metamorphosenlehre versucht hat. Deshalb schrieb Rudolf Steiner in seiner Einleitung zu Goethes Schriften über organische Bildung, Goethe sei «der Kopernikus und Kepler der organischen Welt» (GA 1/107). Die Ansätze Goethes waren seiner Überzeugung nach etwas Zukünftiges und machten dessen überragende Bedeutung aus.21 Steiner wollte Goethes Methode erkenntnistheoretisch fundieren22 und ihre Bedeutung herausstellen. Auf dieser Grundlage fußend, suchte er einen Schritt weiterzugehen und aufzuzeigen, wie der Mensch zu einer zeitgemäßen Geist-Erfahrung kommen könne, indem er sich nicht mit dem gewöhnlichen Begriffsdenken begnüge, sondern das wirkende, erfahrungsgesättigte Geistige in seinem Denken aufspüre.23 Aus diesem heraus war es ihm möglich, praktisch alle Lebensgebiete neu anzusehen und zu inspirieren: Er gab Anregungen u. a. für eine andere Pädagogik, Medizin, Landwirtschaft, Ökonomie und Gesellschaftsgestaltung; inaugurierte neue Kunstarten wie die Eurythmie, Sprachgestaltung, Glasradierung etc. Auch war es ihm ein Anliegen, in Vorträgen und Schriften die Kulturgeschichte der Menschheit (und deren Zeugnisse in Gestalt der Kunstwerke, Schriften und Dichtungen etc.) als eine Geschichte des sich verändernden Verhältnisses des Menschen zum Geistigen durchsichtig zu machen: Er war bestrebt aufzuzeigen, wie sich der Mensch in einer komplizierten Entwicklung durch die Jahrtausende hindurch allmählich aus dem träumenden, animistischen Sich-eins-Fühlen mit Natur (und Gottheit) löste und in ein distanziertes Subjekt-Objekt-Verhältnis zur Welt trat. Dadurch finde der Mensch heute in der Seele eine «gereinigte, in sich selbst bestehende Geistigkeit [...] als Erleben» (GA 26/66), durch die er sich mit dem Weltgeist wieder neu verbinden könne und solle, aber jetzt in bewußter und freier Weise.24 Auch sein Faust-Interesse speist sich im wesentlichen aus diesem Grundanliegen – er möchte den spirituellen Gehalt der Dichtung herausstellen. Das Werk ist ihm ein allerdings hervorragendes dichterisches Zeugnis für einen wichtigen Wendepunkt in der 21
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Aus diesem Grund wurde der Zentralbau der anthroposophischen Bewegung in Dornach später ‹Goetheanum› genannt. Vgl. dazu GA 1 (Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften) und GA 2 (Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung). Vgl. dazu insbesondere seine Philosophie der Freiheit (GA 4). Vgl. dazu seine Schriften Die Geheimwissenschaft im Umriß (GA 13) und Anthroposophische Leitsätze (GA 26), aber auch seinen Abriß zur Philosophiegeschichte Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt, GA 18.
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Bewußtseinsentwicklung, nämlich für den Wechsel vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen, und sogar eine Grundlage für die Ausbildung eines künftigen Bewußtsein – mit all der Tragik und Größe, die damit verbunden ist. Anhand dieser bedeutenden Dichtung eines inspirierten Menschen, in der, wie Steiner nicht müde wird zu betonen, die geistigen Gebiete und Szenen erstaunlich sachgemäß und kenntnisreich geschildert sind, läßt sich gut «eine Einführung in die Gebiete der Geisteswissenschaft» geben, wie Marie Steiner es ausdrückte. Umgekehrt finden, folgt man ihr weiter, die Geheimnisse der Dichtung «erst durch diese Geisteswissenschaft ihre rechte Beleuchtung»: «Auf anderen Wegen dringt man nicht durch zum Kern des Faust-Problems.» (GA 272/13) Das ist natürlich eine Provokation und erweckt den Eindruck, daß, wer so spreche, sich im Besitz der ‹alleinseligmachenden Wahrheit› wähnt: Am Kunstwerk entlang wird eine Weltanschauung aufgezeigt und bestätigt, andrerseits kann das Kunstwerk nur durch diese selbe Weltanschauung wirklich in ihren Tiefen verstanden werden – eine Art circulus vitiosus baut sich auf; Peter Steins Vorwurf der «weltanschaulichen Zwekke» scheint durch eine solche Aussage bestätigt. Diesem möglicherweise einengenden weltanschaulich-spirituellen Vorverständnis steht auf der anderen Seite Steiners Vielperspektivigkeit entgegen: So ist eine seiner wesentlichen Darstellungsmethoden das ‹Charakterisieren›, das Beweglich-Halten der Begriffe, das Vermeiden fester Definitionen. Er empfiehlt seinen Zuhörern (und Lesern), eine Sache stets von verschiedenen Seiten her anzusehen und durchzuempfinden und nicht nur einen Standpunkt einzunehmen. Komplexe geistige Tatsachen könnten erst durch die Zusammenschau verschiedener Perspektiven erfaßt werden: Man kann niemals von einem Wesen oder einer Tatsache der wirklichen geistigen Welt eine Vorstellung bekommen, wenn man sich nur einen Begriff bildet. Man muß seine Begriffe so bilden, daß sie gewissermaßen um das Ding herumgehen, daß sie das Ding möglichst von den verschiedenen Seiten aus, ich darf jetzt sagen ins Auge fassen, obwohl der Begriff nur symbolisch gemeint ist. Im äußeren Leben sind die Menschen Pantheisten, Monadisten oder Monisten oder irgendwelche andere ‹isten›. Man glaubt, mit einer solchen Vorstellung so recht irgend etwas von der Wirklichkeit zu erforschen. Der Geistesforscher weiß, daß das nicht möglich ist. Wenn es sich um geistiges Gebiet handelt, ist es nicht möglich, daß man pantheistisch forscht, den Baum nur von einer Seite betrachtet. Man muß zu gleicher Zeit Monadist sein, den Baum auch von einer anderen Seite fotografieren und so weiter, man muß seine Begriffe innerlich beweglich machen. – Dadurch aber erlangen Sie die Möglichkeit, wirklich unterzutauchen in das volle Leben. Dadurch werden Sie [...] wirklichkeitsgemäß in Ihren Begriffen. (GA 72/251f., 30.11.1917)
So kommt er gelegentlich sogar in bezug auf ein- und dieselbe Sache zu widersprüchlichen Aussagen:25 «Die wirkliche, die ganze Wahrheit liegt mittendrinnen. Und das Wesen alles Streites der Ideen in der Welt beruht darauf, daß immer die Menschen nach 25
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Schon zu seinen Lebzeiten wurde Rudolf Steiner offensichtlich des öfteren vorgeworfen, er würde sich selbst widersprechen. Siehe dazu beispielsweise die ‹Vorrede zur Neuauflage 1924› in Die Rätsel der Philosophie, GA 18.