Bildung als Auftrag

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Beatrice Montanari Häusler

Bildung als Auftrag

Band 183 G

Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft

Die Volkshochschule beider Basel im Wandel ihres Publikums und Programms (1969–2009)

1919 wurde in Basel unter Einfluss der Universitätsausdehnungsbewegung die erste Schweizer Volkshochschule gegründet. Diese populäre Bildungseinrichtung machte seit den 1960er Jahren einen grundlegenden Wandel durch, den die Studie anhand der Erweiterung und Veränderung des Programmangebots untersucht. Im Mittelpunkt stehen dabei die Einführung eines Fremdsprachenprogramms, das seit den 1980er Jahren zu einer tragenden Säule des Angebots wurde, sowie die dem Wandel des Zeitgeistes sich anpassenden Geschichtskurse. Hinzu kommen Versuche, mit Programmen wie «Lesen und Schreiben für Erwachsene» ein bislang vom Angebot der Volkshochschulen ausgeschlossenes Publikum zu gewinnen, aber auch institutionelle Erweiterungen etwa durch die 1979 gegründete Seniorenuniversität.

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Erwachsenenbildung im Umbruch

Neben der Aufarbeitung umfangreichen Archiv- und Quellenmaterials kann sich die Untersuchung auf eine ausführliche Umfrage sowie Interviews stützen, die den Bildungsauftrag der Volkshochschule und seine Umsetzung aus Sicht der Kursbesucher kommentieren. Die Befragungen geben zugleich Aufschluss über die sich wandelnden Wünsche und Ansprüche des Volkshochschulpublikums.

Beatrice Montanari Häusler, geb. 1966, studierte in Basel Allgemeine Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit sowie Osteuropäische Geschichte und Ethnologie. 2010 promovierte sie mit dieser Arbeit an der Universität Basel im Fach Neuere Allgemeine Geschichte. Sie ist heute in der Erwachsenenbildung tätig.

I S B N 978-3-7965-2773-9

Schwabe Verlag Basel www.schwabe.ch

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Beatrice Montanari Häusler Bildung als Auftrag

50 Jahre Geschichte der Basler Volkshochschule werden im Spiegel der Kurse und ihrer Besucher anschaulich und greifbar.

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Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft Band 183

Begründet von E. Bonjour, W. Kaegi und F. Staehelin

Weitergeführt von F. Graus, H. R. Guggisberg, G. Kreis, H. Lüthy, M. Mattmüller, W. Meyer, M. Schaffner und R. Wecker

Herausgegeben von S. Burghartz, K. v. Greyerz, H. Haumann, M. Lengwiler, J. Mooser, A. v. Müller und C. Opitz-Belakhal


Beatrice Montanari Häusler

Bildung als Auftrag Die Volkshochschule beider Basel im Wandel ihres Publikums und Programms (1969–2009)

Schwabe Verlag Basel


Die Arbeit entstand mit grosszügiger Unterstützung der Stiftung P. Schlettwein Publishing Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von Pierrette Schlettwein und der Volkshochschule beider Basel

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Abbildung auf dem Umschlag: Titelbilder aus Volkshochschulprogrammen von VischerVettiger aus den 1990er Jahren

© 2011 Schwabe AG, Verlag, Basel Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder elektronisch verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Lektorat: Nana Badenberg, Schwabe Gesamtherstellung: Schwabe AG, Druckerei, Muttenz/Basel Printed in Switzerland ISBN 978-3-7965-2773-9 www.schwabe.ch


Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Quellenlage und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4. Adressaten- und Biographieforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. 1. 2.

Die Volkshochschulbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Zur Entstehung der Volkshochschulbewegung . . . . . . . . . . . . . . . 29 Die ersten Volkshochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

III. Bildungspolitik und Volkshochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Erwachsenenbildung und Weiterbildung: Ein begriffshistorischer Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Lifelong Learning: Eine ökonomische Notwendigkeit . . . . . . . . . 39 3. Die Bildungspolitik in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 IV. V on den «Volkshochschulkursen der Universität Basel» zur «Volkshochschule beider Basel» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Die Volkshochschulkurse der Universität Basel . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Das Zentrum für Erwachsenenbildung der Universität Basel . . . 56 3. Die «Stiftung Volkshochschule und Senioren-Universität beider Basel» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4. Der Reformkurs im Spiegel der finanziellen Engpässe . . . . . . . . . 69 V. 1. 2. 3. 4.

Die Senioren-Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Die ersten Seniorenuniversitäten in Europa und der Schweiz . . . 77 Dreissig Jahre Senioren-Universität Basel (1979–2009) . . . . . . . . 79 Das Publikum der Senioren-Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Zum Programmangebot der Senioren-Universität . . . . . . . . . . . . 90


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Inhalt

VI. Die Bildungsarbeit im Selbstverständnis der Volkshochschule . . . . 97 1. Ziele der Volkshochschularbeit in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Die Basler Volkshochschule zwischen Tradition und Neuerung . . . . 114 3. Das Selbstverständnis der Basler Volkshochschule im Spiegel der Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 VII. Allgemeine Entwicklung des Programmangebots . . . . . . . . . . . . . 137 1. Das Programmangebot von 1960 bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Fachübergreifende, aktualitätsbezogene Themenkreise . . . . . . . . . . . 148 3. Das Angebot im Fach Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Die Spitzenreiter quer durchs Programmangebot . . . . . . . . . . . . . . . . 193 5. Der Fachbereich Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 6. Lesen und Schreiben für Erwachsene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 VIII. Die Volkshochschule beider Basel und ihr Publikum . . . . . . . . . . 227 1. Das heutige Publikum in seiner historischen Entwicklung . . . . . . . . 227 2. Die Interviewpartner: Biographien, Lebensstile, Interessen . . . . . . . 254 3. Teilnahmemotive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4. Aufgaben und Ziele der Volkshochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 5. Erwartungshaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 6. Konkrete Auswirkungen des Kursbesuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 7. Bildungsvorstellungen des Basler Publikums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 IX. Die Volkshochschule durch die Jahrzehnte: Fazit und Ausblick . . . 321 X. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 XI. Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Archivmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Amtliche Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 3. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 4. Besuchte Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 XII. Verzeichnis der Abbildungen, Tabellen und Grafiken . . . . . . . . . . 346 XIII. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 1. Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2. Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353


Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel im Frühjahr 2010 als Dissertation angenommen und für die Drucklegung leicht überarbeitet. Angeregt, betreut und begutachtet wurde sie von Professor Dr. Josef Mooser und Professor Dr. Martin ­Schaffner, die mich mit ihren wertvollen Feedbacks und kritischen Äusserungen in den verschiedenen Phasen der Entstehung und Bearbeitung der Dissertation begleitet haben, wofür ich ihnen von Herzen danke. Für die wertvolle fachliche Unterstützung bedanke ich mich a­ usserdem bei Thomas Bein, Bernadette Kaufmann, Dr. Beat von Wartburg, Dr. Charles Stirnimann, Marie-Thérèse Kuhn sowie bei Nathalie Grillon und Dr. Madeleine Imhof vom Statistischen Amt Basel-Stadt. Unzählige hilfreiche In­ formationen erhielt ich ausserdem von allen Kolleginnen und Kollegen der Volkshochschule beider Basel. Ein besonderer Dank gilt der Stiftung P. Schlettwein Publishing für die grosszügige Unterstützung, ohne die diese Arbeit nicht entstanden wäre. Die Druckkosten wurden von Pierrette Schlettwein und der Volkshochschule beider Basel getragen. Beiden spreche ich meinen herzlichen Dank aus. Meinem Mann Marcel und meinem Sohn Manuele danke ich für die liebe­ volle Unterstützung und Geduld.



I. Einleitung

1. Gegenstand der Untersuchung Die Entstehung der institutionalisierten Erwachsenenbildung in Europa lässt sich bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Auf der einen Seite wurden bürgerliche Institutionen gegründet, die sich auf die Ideale der Aufklärung beriefen und sich zum Ziel setzten, die ungebil­ deten, benachteiligten Schichten an die Ideenwelt des Bürgertums heranzuführen, um sie auf diese Weise gesellschaftlich zu integrieren. Diesen Zielen verpflichtet fühlten sich etwa die Verfechter einer University Extension, der ­sogenannten Universitätsausdehnungsbewegung, die sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts in England entwickelte und gegen Ende des Jahrhunderts auch im übrigen Europa ausbreitete. Die Träger d ­ ieser Idee planten eine Öffnung des bisher eng begrenzten Universitätsbetriebs für die Allgemeinheit und eine entsprechende Popularisierung der wissen­ schaftlichen Erkenntnisse. Auf der anderen Seite entstanden Arbeiterbildungsvereine, die im Gegensatz zu den bürgerlichen Bildungsvereinen weniger die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit b ­ ezweckten als vielmehr die kollektive Befreiung der arbeitenden Klasse aus den e­ lenden Lebensverhältnissen und dem ökonomischen Diktat der herrschenden Klasse. Die einen sprachen von «Volksbildung», die anderen von «Arbeiterbildung». Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, einer politisch und sozial äusserst unruhigen Zeit, entstanden im deutschsprachigen E ­ uropa – vorwiegend als Träger der bürgerlichen Bildungsidee – Tausende von Volkshochschulen. In den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten verbreiteten sie sich sowohl in städ­tischen als auch in ländlichen Gebieten. Die Basler Volkshochschule, die erste der deutschsprachigen Schweiz, wurde im Oktober 1919 von Angehörigen der Universität Basel gegründet. Ihr ursprünglicher Name war «Volkshochschulkurse der Universität Basel». Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Geschichte der Basler Volkshochschule und analysiert hauptsächlich die Zeit nach 1960. Die Periode von der Gründung im Jahre 1919 bis zum Ende der 1950er Jahre wird nur am Rande berücksichtigt, da sie bereits von dem ­Historiker


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I. Einleitung

Hanspeter Mattmüller aufgearbeitet wurde.1 Gleichwohl steige ich mit der Gründerzeit ein, um den Bildungsideen auf die Spur zu kommen, die in der Aufbruchsphase zum Tragen kamen. Die Entstehungsgeschichte wird zuerst in einen gesamteuropäischen Rahmen eingebettet, um den Fokus dann nach und nach auf die Schweizerischen Volkshochschulen und speziell auf die Basler Einrichtung engzuführen. Wo es inhaltlich sinnvoll erscheint und von der Quellenlage her machbar ist, werden punktuell Vergleiche zwischen der Basler Institution und anderen Volkshochschulen in der Schweiz und in Deutschland sowie weiteren Erwachsenenbildungseinrichtungen ­angestellt. So können regionale beziehungsweise institutionsspezifische ­Entwicklungen in einem breiteren Kontext gesehen werden. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen die institutionshistorische Entwicklung, das Selbstverständnis und die Bildungsziele, wie sie sich aus der Perspektive der Akteure darstellen, das Programmangebot als prak­ tische Umsetzung dieser Ziele sowie als Nutzer dieses Angebots die Kursteilnehmenden und deren Wahrnehmung der Bildungseinrichtung. Ebenfalls Teil meiner Untersuchung ist die Senioren-Universität, die ein inte­ grierter Bestandteil der Basler Volkshochschule ist. Ich gehe von der These aus, dass die Basler Volkshochschule als tradi­ tionelles, in der Universität verankertes Institut ein bestimmtes Segment von Bildungsinteressierten anspricht und dieses spezifische Segment während ihres neunzigjährigen Bestehens auch kontinuierlich zu erreichen vermochte. Die vermutete Kontinuität in der Teilnehmerschaft lässt wiederum eine Kontinuität in der Form der Wissensvermittlung und der Inhalte ­annehmen, die auf dieses ganz bestimmte Publikum zugeschnitten sein dürften. Welche Bildungsinhalte und Bildungsziele verfolgte die Volkshochschule in Basel überhaupt? Was für Merkmale kennzeichneten sie? Inwiefern versuchte die Volkshochschule, ihrem Namen Rechnung zu tragen und ihr Angebot allen sozialen Gruppen und Bildungsinteressierten zugänglich zu machen? Wer waren die Bildungsinteressierten, die die Kurse der Volkshochschule besuchten? Kann gar von einem spezifischen Typus Volkshochschulbesucher die Rede sein? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen wird sich dem Bildungsverständnis aus zwei Perspektiven annähern: der der Volkshochschule als Bildungsanbieterin als auch derjenigen der Kursteilnehmenden.

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Mattmüller, Hanspeter. Volkshochschule in Basel und Zürich. Zur Geschichte der Erwachsenenbildung in der Schweiz. Bern 1976.


2. Aufbau der Arbeit

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2. Aufbau der Arbeit Die Kapitel II, III, IV und V zeichnen sich durch einen deskriptiven Charak­ ter aus. Fakten und Sachverhalte werden hier rekonstruiert, bedeutende Persönlichkeiten in ihrem Wirken vorgestellt, Begriffe und Zusammenhänge erläutert. Dadurch soll ein Überblick über den gesamten hier untersuchten Zeitraum möglich werden – in Bezug auf die Institution einerseits und auf das kontextuelle Geschehen ausserhalb der Institution andererseits. Im zweiten Kapitel beschäftige ich mich mit den Hintergründen, die zur Entstehung der Basler Volkshochschule beitrugen, insbesondere mit der Universitätsausdehnungs- und der Volkshochschulbewegung. Zur Bearbeitung dieser Themen ziehe ich neben der Fachliteratur über die Geschichte der Erwachsenenbildung in Europa auch zeitgenössische Berichte und Schriften von Vordenkern oder Leitern der Volkshochschulen in der Schweiz. Kapitel III liefert durch die Auseinandersetzung mit der begriffsgeschichtlichen Entwicklung der hier grundlegenden Bildungsterminologie eine theoretische Begleitschiene, auf der ich mich bei der Untersuchung der einzelnen historischen Phasen bewege. Darüber hinaus und darauf aufbauend, beschäftige ich mich in diesem Kapitel mit den Entwicklungen in der Bildungspolitik seit 1960, soweit sie den Bereich der Erwachsenenbildung betreffen, sowie mit den bildungspolitischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche die Volkshochschularbeit in beträchtlichem Masse beeinflussten. Dabei stütze ich mich mehrheitlich auf Stellungnahmen und Entscheidungen aus Protokollen und Berichten des Verbandes der Schweizerischen Volkshochschulen (VSV) sowie der Regio-Konferenz für Erwachsenenbildung, die in unerschlossenem Zustand in den jeweiligen Archiven lagern, ferner auf Anzüge (Gesetzesanstösse von Grossräten) und Gesetzestexte. In bildungspolitischen Belangen sind punktuell Quervergleiche mit anderen Kantonen und dem benachbarten Ausland sinnvoll, um die Entwicklungen der Volkshochschule Basel und der lokalen Verhältnisse in ­einen breiteren Kontext zu stellen. Hierbei stütze ich mich mehrheitlich auf die einschlägige Fachliteratur zur Bildungspolitik und Gesetzgebung anderer Kantone und Länder. Das vierte Kapitel präsentiert sich als ein Leitfaden durch die Institu­ tionsgeschichte, wie sie sich aus der Sicht der Akteure und der Entscheidungsträger darstellt. Es soll als Gerüst dienen, um Fakten und wirkende Personen einzuordnen. Grundlegende Quellen für die Bearbeitung der in­ s­titutionshistorischen Entwicklung sind die Jahresberichte und Protokolle


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I. Einleitung

der Kommission der Volkshochschulkurse der Universität Basel (1919–1980) beziehungsweise ab 1980 des Zentrums für Erwachsenenbildung der Universität Basel (ZEB) als Zusammenschluss von Volkshochschule und Senio­ ren-Universität sowie die Korrespondenz zwischen Institution und poli­ tischen Amtsträgern, Universität, Erwachsenenbildungsorganisationen der Region und Dachverbänden. Kapitel V ist der Geschichte der Senioren-Universität gewidmet. Sie wurde 1979 gegründet und organisatorisch der Volkshochschule ­angegliedert. Vielfältige Dokumente: der Schriftverkehr zwischen Senioren-Universität, Rektorat der Universität und den Dachorganisationen, die Protokolle des Vorstands und der Programmkommission, die Programmhefte, unzählige Presseberichte und die schriftlichen Stellungnahmen von Kursteilnehmenden, sie alle bilden die Grundlage für die Rekonstruktion der 30-jährigen Geschichte der Senioren-Universität. Die nachfolgenden Kapitel der Arbeit (Kap. VI–VIII) stellen den Kern der Untersuchung dar. Hier wird detailliert auf die zentralen Fragestellungen eingegangen: Auftrag und Bildungsziele der Volkshochschule sowie deren Realisierung werden behandelt, aber auch die Zusammensetzung der Kursteilnehmenden und deren Perspektive. Im Kapitel VI steht das Selbstverständnis der Basler ­Volkshochschule im Zentrum. Welchen Bildungszielen verschrieb sie sich, worin sah sie ihre Aufgaben? Dieses Selbstverständnis kann nicht losgelöst von den wirtschaftlichen Bedingungen in der Erwachsenenbildung einerseits und den sich wandelnden Anforderungen in Beruf und Privatleben andererseits betrachtet werden. Mit einigen punktuellen Bezügen auf die Zeit vor ­ 1960 sowie auf die Ziele des VSV und des Schweizerischen Verbandes für Weiter­bildung (SVEB), ergänzt noch durch Vergleiche mit Deutschland und ­Österreich, werden die Vorstellungen über Aufgaben und Funktion der Volkshochschule und der Volkshochschularbeit diskutiert. Die zeitgenössischen Schriften, Leitbilder, Interviews und Presseberichte sowie die Kursangebote selbst enthalten wertvolle Informationen. Der Vergleich mit ­früheren Schriften von Volkshochschulleitern oder Präsidenten des VSV sowie die Auseinandersetzung mit dem Bedeutungswandel der Begriffe ­Erwachsenenbildung und Weiterbildung erlauben es, eine Antwort zu geben auf die Frage, ob die Basler Volkshochschule dem ursprünglichen Ideal von Volksbildung treu blieb oder ob sie im Laufe der Jahrzehnte versuchte, den neuen Trends beziehungsweise der nach marktwirtschaftlichen Regeln ­bestimmten Nachfrage nachzukommen, und dabei die ursprünglichen Ziele aus den Augen verlor.


2. Aufbau der Arbeit

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Den herausgearbeiteten Konzepten, Leitbildern und Zielsetzungen der Volkshochschule werden im Kapitel VII die ausgeschriebenen Kurs- und Programmangebote der Basler Volkshochschule von 1960 bis 2005 gegenübergestellt. Die lückenlos aufbewahrten Programmhefte sind die wichtigste Quelle, um die Umsetzung der theoretischen Ideen in die Praxis zu untersuchen. Sie liefern unterschiedliche Informationen zur Ausgangslage: Inhalt, Zielvorstellungen und potentielles Publikum der einzelnen Kurse, wann und wie lange ein Kurs angeboten wurde, wie viele Kurse innerhalb eines Faches ausgeschrieben wurden, welche Fächer und Themen aktuell waren und wer die Kurse leitete, lässt sich anhand der Programmhefte feststellen. Von wem die einzelnen Kurse besucht wurden, ist hingegen schwieriger zu rekonstruieren. Ob die Kurse stattfanden und wie viele Teilnehmende sich für die einzelnen Kurse anmeldeten, kann immerhin für die Zeit zwischen 1960 und 1981 und wieder ab 1999 eruiert werden. Für den Zeitraum von 1981 bis 1998 war ich auf vereinzelte, unsystematisch abgelegte und nach unterschiedlichen Kriterien geführte Teilnehmerlisten angewiesen, so dass sich hier nur in einigen wenigen Fällen feststellen lässt, ob ein Kurs tatsächlich stattfand und wie viele Teilnehmende ihn besuchten. Im Spiegel der Programme erhalten wir auf der einen Seite Einblick in die zeitgebundenen, aktualitätsbezogenen Interessen der Gesellschaft; auf der anderen können wir feststellen, ob die Basler Volkshochschule mit ­ihren Angeboten auf die jeweils aktuellen sozialpolitischen und gesellschaftlichen Fragestellungen einging, die die Schweiz, Europa und die Welt in jenen Jahren bewegten. Beeinflusste das aktuelle politische und gesellschaftliche Geschehen – beispielsweise die Frauen-, Bürger- und Studentenbewegungen der 1960er, 1970er und 1980er Jahre, die Umweltkatastrophen oder die gestiegenen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt – das Bildungsprogramm an der Basler Volkshochschule inhaltlich oder didaktisch? Und, wenn ja, inwiefern? Kontinuitäten und Veränderungen im Programm zeigen, wie sich die Bildungsinstitution in den letzten vier Jahrzehnten entwickelt hat, wie das Angebot jeweils ins Profil der Bildungseinrichtung passte und mit den Zielen und Aufgaben übereinstimmte, denen sich Entscheidungsträger und Leitung verschrieben hatten. Im Spiegel der Programme untersuche ich ausserdem die Bedeutung und Auffassung von Bildung und Wissen aus der Perspektive der Akteure auf der institutionellen Seite. Die Beschäftigung mit verschiedenen, im Laufe der Jahrzehnte neu eingeführten thematischen Schwerpunkten sowie mit der sich wandelnden Benennung einzelner Fächer soll über zeitgebundene Modeströmungen und Wahrnehmungen in der Gesellschaft Auskunft geben. Die Art und Weise, wie die


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I. Einleitung

Basler Volkshochschule solche Veränderungen in ihr Bildungsan­gebot aufnahm und behandelte, sagt einiges über die Vorstellungen von Bildungsvermittlung und Bildungsverständnis aus. Exemplarisch wird dies hier in der Auseinandersetzung mit dem Fach «Geschichte» und dem Fach­bereich «Sprachen» s­ owie mit fachübergreifenden Themenkreisen auf­gezeigt. Anhand dieser spezifischen Fächer lässt sich gut herausarbeiten, ­inwieweit sich die Ziele und Bildungsvorstellungen der Volkshochschule mit ihrem Programm deckten. Indirekt soll die Analyse auch helfen, dem Bildungsverständnis der Basler Volkshochschule auf die Spur zu kommen. Ich habe mich aus unterschiedlichen Gründen für die genannten F ­ ächer – Geschichte und die Fremdsprachen – entschieden. Geschichte ist ein b ­ reites Themenfeld, ein traditionelles Schul- und Universitätsfach, stark verwoben mit Politik und aktuellen Gesellschaftsfragen, was alles in den P ­ rogrammen deutlich zum Ausdruck kommt. Dieses Fach eignet sich daher besonders gut zum Aufspüren zeitgebundener gesellschaftlicher Fragestellungen und Interessen, aber auch solcher, die unabhängig vom Zeitgeist das Publikum dauerhaft fesselten und faszinierten. Die Fremdsprachen wiederum ­stellen heute einen der Hauptpfeiler des Bildungsangebotes an der Volkshoch­ schule beider Basel dar und sind daher entscheidend für die neuere Erfolgs­ geschichte der Institution. Fremdsprachenkurse gibt es erst seit 1972. Welche Sprachen aus welchen Gründen angeboten wurden, wird hier ­ ebenso untersucht wie die Frage, welche Ziele die Basler Volkshochschule mit ihrem Fremdsprachenangebot verfolgte. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit einem Exkurs über das Programm «Lesen und Schreiben für Erwachsene». Die Entscheidung, mich mit diesem Angebot und nicht mit anderen, etwa «Reisen ins Wissen» oder «SamstagsUni», zu beschäftigen, ist auf die besonderen Merkmale gerade dieses Programms zurückzuführen. In Bezug auf die I­ nhalte, Lernziele und das Zielpublikum unterscheidet es sich wesentlich vom übrigen Kursangebot der Volkshochschule beider Basel. Das erlaubt, das Spek­ trum sowohl im Hinblick auf das Angebot als auch auf das ­Pu­blikum zu erweitern. Im Kapitel VIII stehen die Kursteilnehmenden der Basler Volkshochschule im Mittelpunkt; sie werden als Akteure im Wechselverhältnis zur ­Institution untersucht. Zu diesem Zweck machte ich zunächst eine quantitative Bestandsaufnahme der Kursteilnehmenden («Adressatenforschung»). Vertiefend und ergänzend wurde eine qualitative Untersuchung vorgenommen, die sogenannte Biographieforschung, um die Interessen, Bedürfnisse, Bildungsziele sowie die Erwartungshaltung bei den ­Kursteilnehmenden zu


3. Quellenlage und Forschungsstand

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erfassen.2 Ich führte eine schriftliche Umfrage und persönliche ­Interviews durch, die sich auf die in der Soziologie üblichen Befragungsmethoden stützten. Die Ergebnisse der schriftlichen und mündlichen Befragung ­benutzte ich als Datenbasis, um sie wiederum mit den Ergebnissen früherer Befragungen und Studien zu vergleichen. Auf diese Weise gelang es mir nicht nur, die Zusammensetzung der Teilnehmerschaft als Momentaufnahme aus dem Jahr 2007 zu ermitteln, sondern auch Kontinuitäten und Veränderungen auf einer zeitlichen Achse von vier Jahrzehnten zu eruieren und somit die Entwicklung historisch nachzuzeichnen.

3. Quellenlage und Forschungsstand Ausgewertet wurden für diese Arbeit vornehmlich Quellen, die den Archiven der verschiedenen Verbände der Erwachsenenbildung entstammen. Die gesichteten, meist chronologisch oder thematisch in Schachteln oder Ordnern abgelegten Dokumente befinden sich in folgenden Archiven: – Archiv der Volkshochschule beider Basel (VHSBB-Archiv), über die Stiftung Zentrum für Erwachsenenbildung der Universität Basel (ZEB) und die Stiftung Volkshochschule und Senioren-Universität beider Basel, mehrheitlich für die Zeit nach 1987, sowie alle Quellen und Dokumente über die Senioren-Universität von der Gründung 1979 bis heute. – Staatsarchiv Basel-Stadt (StABS), das die Bestände der Kommission der Volkshochschulkurse der Universität Basel von 1919 bis 1980, die Unterlagen zur Gründung des ZEB (ab 1980) sowie mehrere Bestände zur Geschichte der Basler Volkshochschule bis 1989 führt. Die Dokumente befinden sich zum Teil auch in dem hier aufbewahrten Universitätsarchiv. – Archiv des Verbandes der Schweizerischen Volkshochschulen in Bern (VSV-Archiv), in dem verschiedene zeitgenössische Schriften und Sonderdrucke des Verbandes und der Leiter der schweizerischen Volkshochschulen seit 1919 aufbewahrt werden, insbesondere Protokolle, Berichte und die Zeitschrift Volkshochschule sowie Archivbestände über die Berner Volkshochschulen. – Archiv der Regio-Konferenz für Erwachsenenbildung in Muttenz. Hier waren insbesondere die Protokolle der Sitzungen der Regio-Konferenz für Erwachsenenbildung von Interesse. – Archiv der GGG-Kurse in Basel für Protokolle und Teilnehmerstatistiken. 2

Wittpoth, Jürgen. Einführung in die Erwachsenenbildung. Opladen 2003, S. 56 und 67.


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I. Einleitung

Ergänzend und vertiefend führte ich mehrere Gespräche mit ehemaligen und aktuellen Leitern, Mitarbeitenden in der Planung und Administration sowie mit einigen langjährigen Dozierenden der Volkshochschule beider Basel. Die erwähnte, von Hanspeter Mattmüller geschriebene und 1979 anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der Volkshochschule herausgegebene Geschichte der Volkshochschule in Basel von ihren Anfängen bis zum Ende der 1950er Jahre ist bislang die einzige Gesamtdarstellung. Abgesehen von den spezifischen Umfrageergebnissen, die in diesem Kapitel unter 4. erläutert werden, liegen keine weiteren Studien zur Entwicklung oder dem Status dieser Institution vor. Über die Volkshochschulen in anderen Schweizer Städten, beispielsweise Bern und Zürich, sind zusammen­fassende Darstellungen erschienen, die aus der Perspektive der jeweiligen Leiter der genannten Institutionen geschrieben wurden.3 Untersuchungen über die Geschichte der Erwachsenenbildung und Weiterbildung in der Schweiz sind insgesamt jedoch spärlich. Die Forschung auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung befasst sich vor allem mit didaktischen und methodischen Fragen.

4. Adressaten- und Biographieforschung Statistische Daten über Teilnehmende an institutionalisierter Weiterbildung in der Schweiz wurden in den letzten Jahren regelmässig erhoben. Die Ergebnisse publizierte jeweils das Bundesamt für Statistik.4 Was die Schweizerischen Volkshochschulen betrifft, so liegen zudem unveröffentlichte Marktforschungsresultate sowie die Ergebnisse verschiedener Umfragen vor. Der VSV setzte sich im Wintersemester 1969/70 dezidiert mit den Kursteilnehmenden an den Schweizerischen Volkshochschulen auseinander. Die Resultate dieser gross angelegten Befragung an sieben Volkshochschulen in der Schweiz, darunter auch Basel, veröffentlichte der VSV in einem Be3 4

Mattmüller, Hanspeter / Lindgren, Anton. Volkshochschule Bern 1919–1979. Bern 1979; Schneebeli, Robert. Dreiviertelhundert Jahre Volkshochschule des Kantons Zürich 1920–1995. Zürich 1995. Bundesamt für Statistik. Weiterbildung in der Schweiz 2001. Eine Auswertung der schweizerischen Arbeitskräfteerhebungen 1996–2000. Neuchâtel 2001; Bundesamt für Statistik. Weiterbildung in der Schweiz 2003. Eine Auswertung der schweize­ rischen Arbeitskräfteerhebungen 1996–2003. Neuchâtel 2004; Bundesamt für Statistik. Lebenslanges Lernen und Weiterbildung. Bestandesaufnahme der internationalen Indikatoren und ausgewählte Resultate. Neuchâtel 2006; Bundesamt für Statistik. Teilnahme an Weiterbildung in der Schweiz. Erste Ergebnisse des Moduls «Weiterbildung» der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung 2006. Neuchâtel 2007.


4. Adressaten- und Biographieforschung

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richt, der Ende 1970 in der Zeitschrift des Verbandes erschien.5 Im Jahre 1998 wurde von Stefanie Busam Golay im Auftrag der Basler Volkshochschule eine ausführliche Befragung der Teilnehmenden durchgeführt. Die Ergebnisse sind in einem Bericht zusammengefasst.6 Auf der Grundlage beider Berichte veröffentlichte Urs Hochstrasser, VSV-Präsident von 1993 bis 1996, im Jahr 2003 einen Beitrag über die Klientel der Schweizerischen Volkshochschulen.7 Für diese Arbeit sind die zwei zuletzt genannten Befragungen wichtige Quellen, die zu komparativen Zwecken herangezogen und deshalb separat vorgestellt werden. Über die Teilnehmerschaft der Senioren-Universität Basel liegt eine Studie aus dem Jahr 1997 vor.8 Bei allen hier erwähnten Befragungen und Publikationen ging es vorwiegend um die Zusammenstellung sozialstatistischer Daten, berücksichtigt wurden dabei die besuchten Kurse, die Weiterbildungsinteressen und die Teilnahmemotive auf der Basis von vorformulierten Aussagen. Offene Kommentare, freie Aussagen und Anmerkungen wurden nicht gründlich, die Biographien der Teilnehmenden gar nicht analysiert. Die vorliegende Studie stellt daher mit ihrer offener gestalteten Befragung sowie den Interviews, was die Untersuchung der Kursteilnehmenden an der Volkshochschule beider Basel betrifft, ein Novum dar. Vergleichbare Studien über Teilnehmende an der Erwachsenenbildung in der Schweiz und spezifisch an den Schweizerischen Volkshochschulen sind mir nicht bekannt. Im übrigen deutschsprachigen Raum wurde Adressatenforschung schon sehr früh betrieben, jedoch nicht kontinuierlich. So wird Adressaten- und Biographieforschung im Bereich der Erwachsenenbildung häufig als spär5

Fischer, Hardi. Umfrage in den Volkshochschulen der Schweiz. In: Verband der Schweizerischen Volkshochschulen (Hg.). Volkshochschule. Université Populaire. Corsi per adulti. Zeitschrift des Verbandes der Schweizerischen Volkshochschulen. 1970/4, S. 4–60. 6 Busam Golay, Stefanie. Befragung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Kursen der Volkshochschule beider Basel. Wintersemester 1997/98. Ergebnisse, Schaubilder, Tabellen. Basel 1998. Darüber hinaus liegen aus dem gleichen Jahr die Resultate ­einer weiteren Studie vor (von Anja Lohse), die in dieser Einleitung vor­gestellt wird. 7 Hochstrasser, Urs. Das Bild der Klientele der Schweizer Volkshochschulen. In: Schlutz, Erhard/Schneider, Heinrich (Hg.). Teilnehmende in der Erwachsenen­ bildung. Historische Forschungen, Erfahrungen, Veränderungen. 23. Konferenz des Arbeitskreises zur Aufarbeitung historischer Quellen der Erwachsenenbildung. Deutschland – Österreich – Schweiz. Bremen 2003, S. 124–143. 8 Jöhl, Theres. Das Bildungsangebot der Senioren-Universität. Ergebnisse der Be­ fragung der Seniorinnen und Senioren im Frühjahr 1997 zum gegenwärtigen und ­zukünftigen Lehrangebot. Basel 1997.


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I. Einleitung

lich erforschtes Gebiet beklagt.9 Die wenigen bekannten Untersuchungen werden daher bis heute in der Fachliteratur immer wieder herangezogen. Nach der ersten Hörerstatistik von den volkstümlichen Uni-Vorträgen in Wien aus dem Jahr 1895 musste lange Zeit vergehen, bis sich die soziologische Forschung wieder den Teilnehmenden der Erwachsenenbildung widmete. Erst zu Beginn der 1950er Jahre begann sich der Soziologe Wolfgang Schulenberg in der Stadt Hildesheim mit dem Bildungsbewusstsein der ­Bevölkerung auseinanderzusetzen. Seine daraus resultierende Publikation ist in der Fachwelt als Hildesheimer Studie bekannt.10 Im Jahr 1966 erschien eine weitere umfangreiche soziologische Publikation über die Bildung und das gesellschaftliche Bewusstsein Erwachsener in Westdeutschland, die sogenannte Göttinger Studie.11 Sie stellte eine starke Interdependenz zwischen bestimmten Bildungsvorstellungen und der sozialen Lage der Befragten fest. Dieses Ergebnis wurde 1973 in der sogenannten Oldenburger Studie wieder aufgegriffen und weiterverfolgt. Die 1978 publizierten Resultate der Oldenburger Studie12 konstatierten im Vergleich zur Göttinger Studie einerseits ein verstärktes Bewusstsein für die Bedeutung von Bildung für die ­Lebenschancen und andererseits eine Verschiebung in den Orientierungen der Bildungsvorstellungen selbst mit der ausgeprägten Tendenz zu einem instrumentellen Verständnis von Bildung.13 In beiden Studien wurden die unterschiedlichen Bildungsvorstellungen mit einem methodenpluralistischen Ansatz untersucht, der sowohl quantitative als auch qualitative Forschungsmethoden einsetzte. Was diese Methodenvielfalt und auch bestimmte Fragen in den persönlichen Interviews betrifft, liess ich mich von diesen früheren Studien inspirieren.

9 Seitter, Wolfgang. Geschichte der Erwachsenenbildung. Theorie und Praxis der ­Erwachsenenbildung. Eine Einführung. Bielefeld 2000, S. 132; Schröder, Helmut/­ Gilberg, Reiner. Weiterbildung Älterer im demographischen Wandel. Empirische Bestandsaufnahme und Prognose. Bielefeld 2005, S. 12. 10 Schulenberg, Wolfgang. Ansatz und Wirksamkeit der Erwachsenenbildung. Eine Untersuchung im Grenzgebiet zwischen Pädagogik und Soziologie. Stuttgart 1957; Raapke, Hans-Dietrich. Erwachsenenbildung. In: Führ, Christoph/Furck, Carl-Ludwig (Hg.). Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band 6. 1945 bis zur Gegenwart. Erster Teilband. Bundesrepublik Deutschland. München 1998, S. 549–584. 11 Strzelewicz, Willy / Raapke, Hans-Dietrich / Schulenberg, Wolfgang. Bildung und gesellschaftliches Bewusstsein. Eine mehrstufige soziologische Untersuchung in ­ Westdeutschland. Stuttgart 1966. 12 Schulenberg, Wolfgang / Loeber, Heinz-Dieter / Loeber-Pautsch, Uta / Pühler, ­Susanne. Soziale Faktoren der Bildungsbereitschaft Erwachsener. Stuttgart 1978. 13 Ebd., S. 520–521.


4. Adressaten- und Biographieforschung

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Nach einer beinahe zwanzigjährigen Pause wurde die Adressaten­ forschung in der Erwachsenenbildung in Deutschland erst in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wieder aufgenommen. In einer in der Stadt Freiburg im Breisgau initiierten Studie, daher Freiburger Studie, widmeten sich die beiden Bildungsforscher Heiner Barz und Rudolf Tippelt den milieuspezifischen Vorstellungen von Bildung. Die Göttinger und Oldenburger Studien aufgreifend, gingen sie einen Schritt weiter, indem sie, dem Milieuansatz folgend, gruppen- beziehungsweise milieuspezifische und nicht mehr indi­viduelle Wahrnehmungen und Vorstellungen untersuchten.14 Das Weiterbildungsverhalten, die Wahrnehmung von Bildung sowie die Einstellung zur Institution Volkshochschule wurden entsprechend der Zugehörigkeit zu bestimmten Milieus erfasst und verglichen. Die Milieu-Typologie erfolgte nach dem Modell des Marktforschungsinstituts Sinus-Sociovision in Heidelberg. Die Sinus-Milieus fassen Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Nach dem gleichen Ansatz wurde zwischen 2001 und 2002 in der Stadt München eine Untersuchung durch­geführt.15 Etwa zeitgleich führten Barz und Tippelt eine von den Methoden und den Fragestellungen her ähnliche, aber deutschlandweite Untersuchung durch.16 Auch diese zuletzt genannten Studien zeichnen sich durch eine breite Methodenvielfalt aus, die von schriftlicher Datenerhebung über intensive narrative Interviews bis hin zu Gruppendiskussionen reicht. ­Obwohl ich bei meiner Untersuchung der Kursteilnehmenden an der Basler Volkshochschule den Milieuansatz nicht angewendet habe, waren diese Studien für mich aus zwei Gründen von Interesse: Zum einen präsentierten alle hier erwähnten Studien Ergebnisse über die Volkshochschulen und deren Teilnehmende in Deutschland und lieferten somit wertvolle Vergleichs­materialien für meine Untersuchung; zum anderen griffen sie die Frage nach der Bedeutung von Bildung und Weiterbildung sowie nach bestimmten biographischen Aspekten auf, die ich in den persönlichen Interviews ebenfalls berücksichtigte. 14 Barz, Heiner / Tippelt, Rudolf. Zum Wandel von Nachfragestrukturen – «Bildung» und «Volkshochschule» aus Sicht sozialer Milieus. In: Hessische Blätter für Volksbildung. Arbeitsformen und Adressatengruppen in der Erwachsenenbildung. 1/1997, S. 16–27; Barz, Heiner. Weiterbildung und soziale Milieus. Neuwied 2000. 15 Tippelt, Rudolf / Weiland, Meike / Panyr, Sylva / Barz, Heiner. Weiterbildung, ­Lebensstil und soziale Lage in einer Metropole. Studie zu Weiterbildungsverhalten und -interessen der Münchner Bevölkerung. Bielefeld 2003. 16 Barz, Heiner / Tippelt, Rudolf. Weiterbildung und soziale Milieus in Deutschland. Adressaten- und Milieuforschung zu Weiterbildungsverhalten und -interessen. Bd. 2. Bielefeld 2004.


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I. Einleitung

Umfrage an Volkshochschulen 1969/70 Im Wintersemester 1969/70 führte der Verband der Schweizerischen Volkshochschulen eine Befragung von Teilnehmenden an verschiedenen schweizerischen Volkshochschulen durch, deren Resultate dreisprachig und ausführlich in der Zeitschrift Volkshochschule veröffentlicht wurden.17 Beteiligt hatten sich die städtischen Volkshochschulen von Zürich, Bern und Basel sowie die Volkshochschulen der Kantone Bern, Aargau, Berner Jura und Tessin. Da die Resultate der einzelnen befragten Volkshochschulen s­ eparat aufgeführt sind, können die Ergebnisse, die nur die Basler Volkshochschule betreffen, extrahiert und hier als Vergleichsgrösse herangezogen werden. Die gesamtschweizerische Umfrage war nicht primär aus Gründen der Marktforschung initiiert und der Zufriedenheit der Kursteilnehmenden mit dem bisherigen Angebot gewidmet. Man erhoffte sich vielmehr, Genaueres über die Erwartungen des Publikums der jeweiligen regionalen Volkshochschulen zu erfahren und so einen Informationenaustausch zu ermöglichen, um «neue Ideen an die Teilnehmer heran-, in die Volkshochschule hineinzutragen.»18 Gerade die Fragen, was nach Meinung der Kursteilnehmenden zu den Zielen und Aufgaben der Volkshochschule gehöre und was die Teilnehmenden von dieser Erwachsenenbildungsinstitution erwarteten und sich wünschten, sind für meine Arbeit aus zwei Gründen von Interesse. Erstens wird durch den Vergleich mit der damaligen Befragung die Aufzeichnung eines allfälligen Wahrnehmungs- und Vorstellungswandels in ­Bezug auf die Ziele, Funktionen und Aufgaben der Basler Volkshochschule zwischen 1969/70 und 2007 möglich. Zweitens kann die damalige Teilnehmerschaft – sozialstatistisch gesehen – mit der heutigen verglichen werden, um allfällige Kontinuitäten und Unterschiede aufzuspüren.

Befragungen an der Basler Volkshochschule 1997 und 1998 Im Jahr 1997 wurden zwei Befragungen durchgeführt. Bei der einen nahm sich Anja Lohse, in einer Projektarbeit im Rahmen ihrer Ausbildung an der Kaufmännischen Führungsschule Basel mit der Marketing-Analyse beauftragt, den Bedürfnissen eines potentiellen jüngeren Publikums an. Die ­Befragung war sehr breit abgestützt. Befragt wurden Teilnehmende jeden 17 Fischer 1970, S. 4. 18 Ebd., S. 4.


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