Antal Szerb, 1901 in Budapest geboren, wuchs in einer zum Katholizismus konvertierten jüdischen Familie auf. Nachdem er an der Universität in Budapest zuerst ungarische und deutsche, danach auch englische Philologie studiert hatte (1924 Promotion, später Privatdozentur), hielt er sich zu Forschungszwecken längere Zeit in Frankreich, Italien und England auf. Neben mehreren literaturgeschichtlichen Werken schuf er ein umfangreiches episches und essayistisches Œuvre. Er gehört zu den meistgelesenen Autoren Ungarns. Trotz Taufe, einer christlichen Lebensweise und des Besuchs eines kirchlichen Gymnasiums musste er nach dem sogenannten Zweiten Ungarischen Judengesetz von 1939 den gelben Stern tragen. 1943 zog man ihn ein erstes, ein Jahr später ein zweites Mal zum Arbeitsdienst ein. Im Januar 1945, geschwächt und entkräftet von den Strapazen und von Pfeilkreuzlern misshandelt und geschlagen, starb er im ungarischen Konzentrationslager Balf (Sopron) an den Folgen seiner Verletzungen.
«Wenn wir strikt nur diejenigen Autoren und Werke in Betracht ziehen, die wirklich von weltliterarischer Bedeutung sind, schrumpft der unendlich scheinende Stoff in verblüffendem Maße zusammen. Die wirkliche Weltliteratur, könnte man sagen, findet Platz in einer sorgfältig ausgewählten Privatbibliothek, ihre Bände können entlang den Wänden eines größeren Studierzimmers aufgestellt werden. […] Es kann nicht die Aufgabe eines zusammenfassenden und für den Allgemeingebrauch bestimmten Werkes sein, neue Detailwahrheiten und Zusammenhänge zu entdecken; das muss Spezialstudien und Monographien vorbehalten bleiben. Ich wurde eher von einem praktischen als von einem theoretischen Ziel geleitet: jenen an die Hand zu gehen, die in Ungarn gerne lesen, ihnen behilflich zu sein bei der leichteren Orientierung im unendlichen und herrlichen Gedränge der Schriftsteller und Werke. Ich möchte, dass wer in meinem Buch herumblättert, Lust bekommt, möglichst viele wertvolle, wahrhaft weltliterarische Bücher zu lesen. Es gibt solche, die zum Zeitvertreib lesen, und solche, die mit ihrer Lektüre ihre Bildung erweitern wollen; ich denke jedoch an den dritten Leser, für den das Lesen lebensnotwendig und unwiderstehlicher Zwang ist – nur dieser ist der eigentliche Leser. Mein Wunsch ist es, die Leidenschaft des Lesens in jenen zu wecken und zu hegen, zu denen meine Zeilen ihren Weg finden.» Antal Szerb im Vorwort zu seiner Geschichte der Weltliteratur von 1941.
András Horn, 1934 in Budapest geboren, war Professor für Komparatistik und Literaturtheorie an der Universität Basel. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zur Literaturtheorie und -ästhetik sowie Übersetzer einer Auswahl von Essays aus Antal Szerbs Band Gedanken in der Bibliothek. György Poszler (1931–2015) war Literaturwissenschaftler und Ästhetiker, Professor an der Eötvös-LorándUniversität in Budapest und Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Er hat zahlreiche Publikationen zur Literaturtheorie, Ästhetik und über Antal Szerb verfasst und mehrere Auszeichnungen erhalten.
Schwabe Verlag Basel www.schwabeverlag.ch
GESCHICHTE Antal DER Szerb WELT LITERATUR
GESCHICHTE Antal DER Szerb WELT LITERATUR
Als Antal Szerb 1941 die – hier zum ersten Mal in deutscher Übertragung vorliegende – Geschichte der Weltliteratur herausgab, hatte er bereits 1934 seine Ungarische Literaturgeschichte publiziert sowie zahlreiche Essays, doch im Westen ist er heute in erster Linie als Belletrist bekannt. Dabei lag seine größte Begabung in der Essayistik und in der Literaturgeschichtsschreibung; beides verband er im vorliegenden Werk auf schöpferische Weise zu einem Großessay. In seinem kleinen, 1936 auf Ungarisch erschienenen Essayband Alltag und Wunder schreibt Antal Szerb: «Ich schreibe lieber über wenige Autoren, aber vielleicht gelingt es mir, von diesen ein plastisches Bild zu geben, weil dies – obschon das nur wenige wissen – doch die Aufgabe einer Literaturgeschichte wäre.» Und doch soll Literatur darüber hinaus – so Szerbs Credo – in exemplarischer Weise die Ewigkeit repräsentieren, sie soll von menschlicher, überhistorischer Relevanz sein. Sein Begriff der Weltliteratur umfasst daher nur das, was er für das Beste hielt, das heißt: ausschließlich jene Autorinnen und Autoren und jene Werke, die über die Jahrhunderte und alle Landesgrenzen hinweg Bestand hatten. Besonders bedeutend waren ihm in seinem Zugang zur Literatur Dilthey, Spengler und Freud. Neben Hermeneutik, Kulturtheorie und Literaturpsychologie berücksichtigte er auch die Literatursoziologie in seiner Methode der Literaturbetrachtung. 1965 schrieb Antal Szerbs Witwe Klára Szerb: «Der Gedanke an die Geschichte der Weltliteratur quält mich. Ich denke, es ist Tónis [Antal Szerbs] bedeutendstes Buch und es sollte übersetzt und in eine andere europäische Sprache gerettet werden. Inzwischen sind bereits mehr als zwanzig Jahre vergangen, seitdem er es schrieb. […] Es bricht mir das Herz, wenn ich daran denke, dass die Geschichte der Weltliteratur nur auf Ungarisch erhältlich ist.» Die Geschichte der Weltliteratur ist auch heute noch ein ausgezeichnetes Nachschlagewerk und Szerbs umfassende Belesenheit, sein originelles und kritisches Urteil, sein Humor sowie sein essayistischer Stil lassen die Lektüre zu einem bereichernden Leseerlebnis werden.
ISBN 978-3-7965-3370-9
RZ_Schwabe_GDW_Szerb.indd 1-5
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