THOMAS GARTMANN STÜRME SEUCHEN SPEKULANTEN
Versorgungsprobleme im antiken Rom und ihre angeblichen Ursachen
Thomas Gartmann
Stürme – Seuchen – Spekulanten
Versorgungsprobleme im antiken Rom und ihre angeblichen Ursachen
Schwabe Verlag
Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung.
Open Access:
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© 2024 Thomas Gartmann, veröffentlicht durch Schwabe Verlag Basel, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel, Schweiz
Abbildung Umschlag:Villa gallo-romaine d’Orbe-Boscéaz, mosaïque du Cortège rustique. Archéologie cantonale de l’État de Vaud, photo Archéotech SA.
Lektorat:Ricarda Berthold, Freiburg i. Br.
Cover:icona basel gmbh, Basel
Layout:icona basel gmbh, Basel
Satz:3w+p, Rimpar
Druck:Hubert& Co., Göttingen
Printed in Germany
ISBN Printausgabe 978-3-7965-5175-8
ISBN eBook (PDF)978-3-7965-5176-5
DOI 10.24894/978-3-7965-5176-5
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May You Live in InterestingTimes
Terry Pratchett, Interesting Times (1994)
2.2.8 Gegenmassnahmen
2.3 Ernährung
2.3.1 Vielfalt und Ungleichheit
2.3.2
2.3.4 Was bedeutet «Hunger»inRom?.
2.4 Logistik
2.4.1 Lagerung
2.4.2
2.4.3
2.4.4
2.5
2.5.1 400 v. Chr.: Erinnerungen daran, wie es niemals war
2.5.2 200 v. Chr.: Die Last des Krieges und die Früchte der Vorherrschaft
2.5.3 Zeitenwende 1 – Die frumentationes von den Gracchen bis Augustus ..
2.5.4
2.5.5
2.5.6 200 n. Chr.: Die Antoninische Pest und ihre Folgen
2.5.7
3.1 Klare
3.1.2 Bürgerkriegsakteure – Beeinträchtigung der Transporte
3.1.3 ErkenntnissezumilitärischenBeeinträchtigungen der römischen Versorgung
3.2 Klare Schuldige im zivilen Bereich
3.2.2 Raffgierige und unfähige
3.2.3
3.2.4 Kaiser, Beamte und Händler als Schuldige und Sündenböcke
3.3 Klare Ursachen ohne klare Schuldige – Höhere Gewalt
3.3.1 Luft – Göttlicher Zorn
3.3.2 Erde – Geologisch
3.4 Zwischenbilanz – Klare Schuldzuweisungen und eindeutige Ursachen
3.5 Komplexe Ursachen und mehrschichtige Erklärungen
3.5.1 Reziproke Ursachen und Teufelskreise –Seuchen und Ständekämpfe
Kombinationen von Problemen
Abwägungen und Gerüchte
4Antike Diskurse – Wie und weshalb Versorgungskrisen zur Sprache kommen
4.1
Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um die überarbeitete Version meiner Dissertation, die ich im November 2022 in Bern verteidigt habe. Als ich 2016 mit der Arbeit begann, war das Thema auch schon spannend – darauf, dass es seither stark an Aktualität gewonnen hat, hätten wir jedoch sicheralle verzichten können.
Für eine erfolgreiche Dissertation sind neben dem, was man selbst mitbringt, vor allem drei Dinge essenziell:erstens ein gutes Umfeld und insbesondere eine gute Betreuung, zweitens ein interessantes Themaund drittens eine gesicherte Finanzierung. Diese Herausforderungen in der genannten Reihenfolge anzugehen, kann ich durchaus weiterempfehlen. Nachdem Prof. Dr. Thomas Späth bereits meine Masterarbeit an der Uni Bern betreut hatte, sagte er freundlicherweise auch für die Betreuungmeiner Dissertation zu. Vondaanbis zum Druck dieses Werkes konnteich immer auf seine volle Unterstützung zählen –und zwar nicht nur über seine Emeritierung, sondern auch weit über die Kerntätigkeiten eines Doktorats hinaus. Neben Thomas Späth (als vertrautem Mentor und Experten für methodische Aspekte)benötigteich allerdings auch noch einen Experten für die römische Versorgung. Diesen habe ich in Prof. Dr. Paul Erdkamp von der Vrije Universiteit Brussel gefunden. Bereits während des Einlesens in die Thematik fiel mir auf, dass er zu praktisch allen Aspekten, die mich interessierten, massgeblichePublikationen vorgelegt hatte. (Bis heute ist es aufgrund seiner Produktivität eineHerausforderung geblieben, wenigstens das Meiste von dem zu lesen, was er schreibt.) Paul Erdkamp verdanke ich nicht nur zahlreiche wertvolle inhaltlicheInputs, sondern auch die Gelegenheit, im Rahmen eines Doppeldoktorats anderthalb Jahre in Brüssel und Leuven lernen und arbeiten zu können.
Sowohl Thomas Späth als auch Paul Erdkamp haben mir anschliessend bei der bisweilen schwierigenSuche nach Finanzierungsquellengeholfen. Mein durch ein Praktikum im Archiv für Agrargeschichte in Bern ermöglichter und durch eine Anschubfinanzierung des Historischen Institutes der Uni Bern unterstützter Antrag auf ein Doc.CH-Stipendium hatte zwar keinenErfolg, doch die lange Wartezeit auf die Entscheidung verhalf mir zu sehr interessanten Erfahrungen im Alpinen Museum der Schweiz. Die Janggen-Pöhn Stiftung in St. Gallen hat dann aber mein Forschungsvorhaben unterstützt und mir freundlicherweise ab Herbstsemester 2016 das erste Jahr der eigentlichen Forschungsarbeit in Brüs-
sel finanziert. Die Gerda Henkel Stiftung in Düsseldorf hat dann nicht nur das Stipendium für die beiden folgenden Jahre übernommen, sondern schliesslich auch noch das Verlängerungsgesuch bewilligt und mir damit drei wertvolle Jahre ungestörte Arbeit an der Dissertation ermöglicht. Im zweiten Jahr wurde ich zusätzlich durch die Stiftung zur Förderung der Ernährungsforschung in der Schweiz (SFEFS)unterstützt.
Als während der Coronapandemie das Leben für die meisten schwieriger und Teile meines Themas unerfreulich aktuell wurden, bot mir Prof. Dr. Stefan Rebenich eine Assistenz an der AbteilungAlte Geschichte und Rezeptionsgeschichte der Antike am Historischen Institut der Uni Bern an. Diese sicherte nicht nur die weitere Finanzierung meiner Forschung, sondern ermöglichtees mir auch, wertvolle neueErfahrungen im Institut zu sammeln und einige meiner Erkenntnisseineiner Lehrveranstaltung zu Seuchen und Krankheiten in der Antike weiterzugeben. Die geordnete Fertigstellung meiner Dissertation hat schliesslich ein Abschlussstipendium der Dr. Joséphine de Kármán-Stiftung massgeblich erleichtert.
Neben den Betreuern und den Geldgebern gibt es eine Fülle von weiteren Personen, die zum erfolgreichenAbschluss der vorliegenden Arbeit wesentlich beigetragen haben. In Bern waren dies insbesondere die Professoren Stefan Rebenich, Jan Meister, Christian Gerlach und Christian Joppke, die Kolleginnen und Kollegen Jonas Borsch, Seraina Ruprecht, Ilse Hilbold, Christian Körner, Severin Thomi, Alexander Thies, Jannik Lengeling, Lena-Sophie Margelisch, Bettina Reese, Simon Lentzsch, ThomasLeibundgut,Riccarda Schmid, Liliane Marti, Juri Auderset, Cedric Zengaffinen, Judith Mania und Rahel Schär, sowie viele weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Althistorischen Kolloquiums, Angehörige des Mittelbaus des Historischen Instituts und weiterer Kreise, die ich bitte, es mir nachzusehen,wenn ich sie nicht alle namentlich erwähnen kann. Nennen möchte ich aber Prof. em. Dr. Leonhard Burckhardt (Universität Basel) und Prof. Dr. Arjan Zuiderhoek (Universiteit Gent), die sich nebst meinen Betreuern für die Prüfungskommission unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Stefan Rebenich dankenswerterweise zur Verfügung stellten.
In Belgien konnteich von wertvollen Gesprächenund Hinweisen profitieren, für die ich insbesondere Prof. Dr. Arjan Zuiderhoek, Frits Heinrich, Ruben Menten-Plesters, Filip Degreef, Jelten Baguet, Fleur van Bocxlaer und Karen Schuurmansmeinen Dank ausspreche.
Für die Publikation haben ArletteNeumann-Hartmannund Teresa Keller vom Schwabe Verlag,die Lektorin Ricarda Bertholdsowie das ganze Verlagsteam vorzügliche Arbeit geleistet. Zudem hat Michelle Lutz mich bei der Erstellung des Registers unterstützt. Die Open-Access-Publikation mit allemDrum und Dran hat mir freundlicherweise der Schweizerische Nationalfonds (SNF)ermöglicht. Nicht zuletzt war schliesslich auch die Unterstützung aus meinem weiteren Umfeld, von Freunden und Verwandten, unglaublich wertvoll – und letzten En-
des entscheidend. Stellvertretend für alle anderen möchte ich hier Laura Cueni, Gianni Bernasconi, Martina Föhn und meine Eltern erwähnen.
Bei allen namentlich, kollektiv oder implizit genannten Mentoren, Helferinnen und Helfern, Geldgebern, Verwandten, Freundinnen und Freunden möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Widmen möchte ich dieses Werk schliesslich denjenigen, die mich von Anfanganbedingungslos unterstützt haben – meinen Eltern.
Am Anfang meines Dissertationsprojekts stand ein Paradoxon:Jebesser die antiken Autoren einen römischenKaiser beurteilten, destowahrscheinlicherhatte er während seiner Regierungszeit mit schlechtem Wetter und anderenSchwierigkeiten aller Art zu kämpfen. Solche Probleme waren es den antiken Historiografen zufolge, die unter Kaisern wie Augustus oder Trajan zu Hungerkrisen führten. Die Herrscher sollen dann aber derlei Probleme immer auf die bestmögliche Art bewältigt haben. Ganz anders sah es dagegen offenbar bei Kaisern wie Caligula oder Nero aus:Wenn in deren Regierungszeit etwas schieflief, waren sie nach Meinung unserer Gewährsmänner jeweils nicht nur persönlich dafür verantwortlich, sondern auch stets aus besonders niederen Motiven – insbesondere aus Gier, Grausamkeit und generellem Menschenhass.
Mit der Zeit kamen noch zwei weitere Paradoxa hinzu, die mit dem ersten zusammenhängen:Das Versorgungssystem Roms war nämlich zu seiner Blütezeit nicht nur gigantisch, sondern auch ausserordentlich komplex. Die antiken Autoren können in aller Regel aber dennoch sehr einfache Erklärungen für die auftretenden Versorgungskrisen anbieten – wenn sie sich überhaupt die Mühe machen, danach zu fragen.
Vorallem aber – und dies ist das dritte und für mich interessantesteParadoxon – lassen sich in den antiken Geschichtswerken zwar so manche Hungersnöte finden,doch je genauer man diese untersucht, desto mehr erhärtet sich der Verdacht, dass sich die Autoren gar nicht wirklich für diese Krisen interessierten. Letzteres ist zugleich meine zentrale These.
Zur Untermauerungdieser These müssen vielfältige Hintergründe beleuchtet werden, die bei isolierter Betrachtung bisweilen gar nichtsdamit zu tun zu haben scheinen. Im Kern der Untersuchung geht es aber um Quellenpassagen wie die folgende aus Tacitus’ Annalen:
Das Volk hatte zwar unter den hohen Getreidepreisen zu leiden, aber keine Schuld traf dabei den Princeps:jaerwirkte den Folgen von Missernten oder Unfällen zur See entgegen, soweit er es durch Geldzuwendungen und umsichtige Hilfsmassnahmen vermochte.1
1 Tac. ann.4.6.4: plebes acri quidem annona fatigabatur, sed nulla in eo culpa ex principe: quin infecunditati terrarum aut asperis maris obviam iit, quantum impendio diligentiaque poterat. Text und Übersetzung Heller 2010. Tacitus schildert hier Tiberius’ vorbildliches Verhalten
Diese Passage führt in aller Kürze die wichtigsten Elemente zusammen, um die es in diesem Werk gehen wird – drei auf inhaltlicher und drei auf analytischer Ebene. Auf inhaltlicher Ebene geht es um Beeinträchtigungen der Lebensmittelversorgung im antiken Rom, um die möglichen Ursachen dieser Probleme und um die Massnahmen, die dagegen ergriffen wurden. Auf der analytischen Ebene stehen dagegen erstens die Thematisierung von Versorgungsproblemen und ihren Ursachen in den Quellen, zweitens deren literarische Ausgestaltung und drittens ihre Bewertung durch die antiken Autoren im Vordergrund.
Forschungslücke
Eine Besonderheit der Alten Geschichte besteht darin, dass die literarische Quellengrundlage seit Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten, im Wesentlichen unverändert gebliebenist. Neue Erkenntnisse lassen sich daher primär dadurch gewinnen, dass man Neuentdeckungen aus benachbarten Disziplinen auswertet (wie der Papyrologie oder Archäologie) – oder aber, indem man neue Fragestellungen an die bekannten Quellen heranträgt. Die VersorgungRoms hat gemessen daran, dass sie – für antike Verhältnisse – relativ gut dokumentiert ist und politisch höchst brisant war, von modernen Forscherinnen und Forschern lange Zeit nicht viel Aufmerksamkeit erhalten. Als «Eisbrecher»und grundlegendes Werk für alle folgendenAuseinandersetzungen mit der römischen Versorgung kann Geoffrey Rickmans The Corn Supply of Ancient Rome gelten.2 Danachfolgte eine Vielzahl von vertieften Auseinandersetzungen mit allen möglichen Aspekten der römischen Versorgung, unter denen Paul Erdkamps vielzitiertes The GrainMarket in the Roman Empire3 als weitereumfassende monografische Behandlung des Themas hervorzuheben ist.
Im Hinblick auf die Versorgungskrisen sieht es im Grunde ähnlich aus –hier gibt es zwei zentrale Monografien aus den 1980er Jahren, die teilweiseauf Rickmans Werk aufbauen und letztlich den Ausgangspunkt aller späteren Beschäftigungenmit antiken Versorgungskrisen darstellen müssen:Catherine Virlouvets Famines et émeutes àRome des origines de la République àlamort de Néron und Peter Garnseys Famine and Food Supply in the Graeco-Roman vor seiner Wendung zum Schlechten, die angeblich v. a. nach dem Tod von Drusus (23 n. Chr.) Fahrt aufgenommen habe.
2 Rickman 1980a. Natürlich gab es auch zuvor bereits wichtige Beiträge, wie etwa Rostovtzeff 1926 oder Veyne 1976 (die aber deutlich breiter angelegt waren), insbesondere aber van Berchem 1975 [1939](Les distributions de blé et d’argent àlaplèbe romaine). Andere besonders wichtige Beiträge waren etwa Hopkins 1980 (Taxes and Trades)und Morley 1996 (Metropolis and Hinterland).
3 Erdkamp 2005.
World.4 Diese und ihnen nachfolgende Werke setzten sich auch bereits mit den Ursachen von Versorgungskrisen in der Antike auseinander.5
Wenig Beachtung fanden dagegen bisher die Perspektiven der antiken Autoren auf die Versorgungskrisen und deren Ursachen. Dass dieses Thema bisher noch nicht systematisch aufbereitet worden ist, hat freilich seine Gründe – denn die einschlägigen Quellenstellen dazu sind eher spärlich, dafür aber umso weiter verstreut. Wie zu erweisen sein wird, handelt es sich dabei jedoch nicht nur um eine vernachlässigbare Randnotizzur römischen Versorgung – denn was die antiken Autoren unter Versorgungskrisen verstanden, für welche Ursachen sie sich interessierten und an welche literarischen Konventionen sie sich bei deren Beschreibunghielten, hat einen ganz entscheidenden Einfluss darauf, welche Informationen über die Versorgung des antiken Rom und die damit verbundenen Schwierigkeiten modernen Forscherinnen und Forschern überhaupt noch zugänglich sind – oder eben nicht.
Eingrenzung
Um mein Forschungsvorhaben handhabbar zu machen, waren Eingrenzungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht, aber auch in Bezug auf die auszuwertenden Quellentypen unumgänglich.
In räumlicher Hinsicht ergibtsich ein Fokus auf Rom fast zwingend aus dem verfügbarenQuellenmaterial, dennnur für Rom (und später Konstantinopel)ist eine grössere Anzahl von Hungerkrisen in etwas umfangreicheren Berichten überliefert.6 Wichtige Hungersnöte in anderen Teilen der antiken Welt tauchen zwar bisweilen in den Quellen auf, doch handelt es sich dabei um einsame Schlaglichter, die ansonstenvon grossflächiger Dunkelheit umgeben sind. Die vereinzelten Nachrichten über Hungersnöte ausserhalb Roms habe ich deshalb zwar soweit möglich miteinbezogen, aber eher mit dem Ziel, das Bild für Rom selbst zu schärfen, als mit dem Anspruch, die Vorgänge in den Provinzen (oder gar darüberhinaus)umfassend abzubilden. Im militärischen Bereich gäbe es noch eine erhebliche Anzahl von zusätzlichen Versorgungsproblemen, aber mich interessierenvor allem diejenigenSchwierigkeiten, die den zivilen Bereich tangieren – obwohl sich zeigen wird, dass militärische Aspekte auch dabei eine wichtige Rolle spielen.
4 Virlouvet 1985;Garnsey 1988. Wichtige Impulse zur Untersuchung von Versorgungsproblemen gingen auch von der Auseinandersetzung mit späteren Epochen aus – hervorzuheben sind dabei insbesondere Amartya Sens (1981) kurzes, dafür aber umso einflussreicheres Werk Poverty and Famines sowie die Beiträge in Rotberg/Rabb 1985.
5 Siehe etwa Stathakopoulos 2004.
6 Vgl. etwa Schneider 2016 [1983], 23.
Die zeitliche Eingrenzung meinesUntersuchungsgegenstandes hat sich bereits als eine erste Herausforderung erwiesen. Zunächst war eine Beschränkung auf die ausgehende Republik und die frühe Kaiserzeit vorgesehen, doch bei der anfänglichen Suche nach geeigneten Quellenstellen zur Auseinandersetzung mit den Ursachen von Versorgungskrisen in Rom stellte sich bald heraus, dass aussagekräftige Passagen in den antiken Geschichtswerken schwer zu finden sind. Folglich sah ich mich gezwungen,auch das monumentale Geschichtswerk von Livius zu berücksichtigen und damit meinen Untersuchungszeitraum auf praktisch ein ganzes Jahrtausendauszudehnen – von der mythischen Gründung Roms (753 v. Chr.) bis zum Ende der severischen Dynastie (235 n. Chr.).7 Relativiert wird dieser sehr umfangreiche Zeitrahmen allerdings dadurch, dass die römische Geschichtsschreibung erst am Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. einsetzte. Was das konkret bedeutet,wird in Kapitel 2.5.1 thematisiert, doch da bei den antiken Autoren ihre eigenen Zeitumstände nicht weniger wichtig sind als die in ihren Werken beschriebenen, relativiert dies die ersten 400 Jahre stark. Letztlich schrumpft der massgebende Zeitraum noch weiter zusammen, da von den frühen römischen Historikern nur vereinzelte Fragmente erhalten sind, währendPolybios zu meinem Untersuchungsgegenstand nur wenig beizutragen hat und die umfangreicheren Quellenpassagen zu römischen Versorgungskrisen daher mit Cicero und vor allem Livius einsetzen. Die berücksichtigten Autoren schrieben also primär zwischen 70 v. Chr. und 250 n. Chr.: Cicero, Caesar und Diodormachen den Anfang, währendCassius Dio und Herodian für den Schlussstrich verantwortlich sind. Die Werke von Livius und Cassius Dio bilden dabei nicht nur durch ihre grosseAbdeckung,sondern auch aufgrund ihres überdurchschnittlichen Interessens an Versorgungsproblemen den Schwerpunkt der Untersuchung. Dies führt dazu, dass die massgebenden Zeitspannen gar nicht mehr so gross sind, und dass die individuellen Vorlieben der Autoren stärkerins Gewicht fallen als die Veränderungenihrer (politischen)Umwelt – nicht zuletzt, da die Texte der bevorzugten Vorgänger einen wichtigen Teil des Referenzrahmens für die Autoren (und somit des Diskurses)darstellen. Obwohlalso der lange Zeitraum –inklusive der von Mythen und Legenden geprägten frühen Republik – gewisse Herausforderungen mit sich bringt, die im Kapitel 2.5 näher thematisiert werden, hat er sich letzten Endes für den Erkenntnisgewinn als vorteilhaft erwiesen.
Was die Quellengattungen betrifft, habe ich mich auf die antiken Historiografen konzentriert. Zur Ergänzung habe ich biografische Werke, Briefe und Reden sowie einige weitere Schriften herangezogen. Weitgehend ausklammern musste ich für meine Untersuchung dagegen philosophische Beiträge. Dies war
7 Dazu sei noch angemerkt, dass ich bisweilen durchaus auch auf die Spätantike ausgegriffen habe, dafür aber keinen Anspruch auf die systematische Berücksichtigung der Krisen, Zeitumstände oder Autoren erheben kann. Für den Zeitraum von 284 bis 750 n. Chr. hat aber Dionysios Stathakopoulos (2004)einen solchen Versuch gewagt. Vgl. Meier 2005a.