significatio 2: René Wetzel, Robert Gisselbaek, Katharina Gedigk (Hg.). REFLEXION & ILLUMINATION

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REFLEXION & ILLUMINATION

Facetten analogischer Bedeutungsbildung in der Vormoderne

Facettes de la construction de sens par analogie à l’époque prémoderne

significatio

Beiträge zur Bedeutungsbildung in vormodernen Texten

Band 02

Herausgegeben von René Wetzel, Hartmut Bleumer, Christine Putzo

REFLEXION &ILLUMINATION

Facetten analogischer Bedeutungsbildung in der Vormoderne

Facettes de la constructiondesens par analogie àl’époque prémoderne

unter Mitarbeit von / avec la collaboration de Julia Brusa &Mirko Pinieri

Schwabe Verlag

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© 2025beidenAutor:innen;Zusammenstellung © 2025RenéWetzel,RobertGisselbaek, KatharinaP.Gedigk,veröffentlichtdurchSchwabe VerlagBasel, Schwabe VerlagsgruppeAG,Basel,Schweiz AbbildungUmschlag: VierTugendenmitSpruchbändern,umeinenSpiegelgruppiert (Prudentia,Justitia,Fortitudo,Temperantia),Anonym,Oberrhein (Basel),um1470/80 Korrektorat:WolfgangSchühly,Graz Gestaltungskonzept:iconabaselgmbh,Basel Satz:3w+p,Rimpar Druck:Hubert &Co.,Göttingen PrintedinGermany

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DaseBookistseitenidentischmitdergedrucktenAusgabeunderlaubt Volltextsuche. ZudemsindInhaltsverzeichnisundÜberschriftenverlinkt. rights@schwabe.ch www.schwabe.ch

Michael Stolz: Geleitwort ..

Inhalt /Sommaire

9

Einleitung /Introduction

Robert Gisselbaek und René Wetzel: Zwischen Reflexion und Illumination Zur Konzeptualisierung von Erkenntnis in der Vormoderne .. ... .... ... . 15

Robert Gisselbaek et René Wetzel : Entre Réflexion et Illumination. La conceptualisation de la connaissance àl’époque prémoderne 33

Konzeption /Conception

Natalia Cziganj :Bya forbisene Ishal þe faire shewe.Lamétaphore de la lumière et la conceptualisation de la connaissance en moyenanglais .. ... . 51

Emmanuel Sander : Produire du sens par analogie 69

Mirko Pinieri :De biauté le vrai mireoir.Révéler, conceptualiser et mirer la beauté féminine dans Li Mireoirs as dames de Watriquet de Couvin ... . 83

Christine Ferlampin-Acher : Le mireoir dans la littérature arthurienne médiévale en français :unmirage ?. .. .. ... ... .... ..

111

Björn Reich und Christoph Schanze: Das Ganze im Fragment. Der zerbrochene Spiegel in der geistlichen Literatur des Mittelalters 131

Christine Putzo: Durch Raum und Zeit gespiegelt. Analogische Strukturverfahren und diagrammatisches Prinzip im Apollonius von Tyrlant des Heinrich von Neustadt ... .... ... .... ... . 163

Marie Anne Polo de Beaulieu : Analogies spéculaires, lumineuseset animalières dans la Scala coeli de Jean Gobi le Jeune (1327–1330). ... ... . 191

Julia Brusa: Meister Wilhelms Fünf Spiegel als Diagramm ....

. 211

Reflexion /Réflexion

Annette Volfing: MirrorsandviolenceintheworksofNeidhart andWittenwiler

MariusRimmele: Wunderspiegel.ZurRollevonkognitiven MischszenarienbeiderKonzeptualisierungundDarstellungvon DenkvorgängenamBeispielvonDanielHopferund demBurgkmair-Ehepaarbildnis

StefanAbel: DerBlickdesKindesindenSpiegel.AugustinischeLesarten derSpiegelmetaphorikbeiHeinrichvonMorungenundinder sikulo-toskanischenDichtung

JoanaThinius: ImSpiegeldesObjekts. TristansSchwertzwischenAnalogieundOxymoron.

AlbanStuckel: LumièreetmiroirchezMaîtreEckhart. Unecontribution

KatharinaP.Gedigk:spiegelspriez.SemantikenverrätselterBilder beiFrauenlob

Illumination

ManfredEikelmann: Lichtvergleiche.ÜbererzählteMetaphorik undAnalogiedenkeninWolframs Parzival ...........................

FabiennePomel: Uneluminothérapieallégorique.Métaphoreset expériencedepenséespéculaireetanalogiquedans LeSongevert

CamilleBellenger :Oumireoirdesapensee.Lalogiquespéculaire dansles MiraclesdeNostreDame deGautierdeCoinci

Anne-GaëlleCuif :Tanquaminspeculis.Les miroirs dusensible, delaspéculation àlaconversion,danslessystèmesperceptifs etcognitifsdeSaintBonaventureetdePierredeJeanOlivi

PaulineQuarroz :Lidisdoumiroir deJeandeCondé. Del’idéaléthique àlalégitimationpoétique

Geleitwort

Die im November 2022 an der Universität Genf unter dem Titel Spiegel und Licht – Erkenntnis und Erleuchtung durchgeführte Tagung hatte mit ihrem Interesse an „analogischerBedeutungsbildunginvormodernen Texten“ einen stark kognitionstheoretisch ausgerichteten Fokus: ‚Licht‘ als Metapher für Erkenntnisprozesse im weltlichen und geistlichen Bereich (Weltwissen – Gotteserkenntnis), ‚Spiegel‘ als Sinnbild eines Analogiedenkens, das zwei Erkenntnisgegenstände (jenen vor dem Spiegel und jenen in der Reflexiondes Spiegels)miteinander in Bezug setzt. Besonders Letzterem eignet dabei eine selbstreflexive Dimension, da der Spiegel als (gedoppelte)Bilder erzeugendesMedium seinerseits ein zeichenhaftes ‚Sinnbild‘ abgibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Spiegel der Komponente des Lichts bedarf, um seine analogiebildende Wirkung zu entfalten, während das Licht in seiner Wirksamkeit des Spiegels keineswegs bedarf.

In ihrer Einladung forderten die Veranstalter einekonsequente Historisierung der auf diese Weise entwickeltenSemiotik von ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ ein,indem sie nach der Bedeutungsbildunginhistorischen Semantiken, in epistemologischen Dimensionen, in narrativ-poetischenund didaktischen Umsetzungen fragten. Das auf diese Weise zur Disposition gestellte Quellencorpus war dabei im Mittelalter und dessen Anschlussepochen, der Antike einerseits und der Frühen Neuzeit andererseits, verankert. Diese historische Perspektive wurde freilich von einem gegenwärtigenkognitionstheoretischen Kontext umrahmt,für den beispielhaft der von Douglas Hofstadter und EmmanuelSander entwickelte ‚Analogie‘-Begriff stehen kann:1 Das ‚Neue‘ lässt sich nur in der Vertrautheit des bereits ‚Erlebten‘‚be-greifen‘ (com-prendre), dies durchaus im Wortsinn des seinerseits metaphorisch gebrauchten Ausdrucks. So bedient sich etwa die in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der digitalen Virtualität entwickelte Begrifflichkeit der Computersprache vorhandener Modelle aus alltäglichen Diskursen, dies oft mit Prägungen,die dem Englischen entlehnt sind – Beispiele wären ‚Windows‘ (Fenster), ‚Sites‘ (Örtlichkeiten)oder ‚Networks‘ (Netzwerke). Die über Jahrhunderte hin entwickelte Metaphorik von ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ unterliegt, wenn auch historisch anders gelagert, ebenfalls diesem Analogiedenken, wenn es um Prozesse des individuellen oder kollektiven Erkennens geht.

1 Vgl. Hofstadter,DouglasR.u.Sander, Emmanuel,L’ Analogie. Cœur de la pensée, Paris 2013.

Der nunmehr vorliegende Sammelbandzeigt, wie produktiv sich die Schwerpunkte unter dem Eindruck der gehaltenen Vorträge und der daran anschließendenDiskussionen nochmals verschoben haben. Denn an die Stelle der Dichotomie von ‚Erkenntnis und Erleuchtung‘ ist jene von ‚Reflexion und Illumination‘ getreten. Damit ist die Paarung von Spiegel und Licht insgesamtstimmiger aufgegriffen, denn es werden Vorgänge benannt, die jeweils eineder beiden Seiten (stärker)betreffen:der Spiegel reflektiert, das Licht illuminiert. Mit dieser Metaphorik lassen sich Prozesse der (Selbst‐)Reflexion und der Erleuchtungals geistig-spirituelle Vorgänge noch effektvoller fassen. Das weite unter dieser Begrifflichkeit aufscheinendeSpektrum an Themen und Ansätzen bündeln die Ausführungen in der Einleitung der Herausgeber. Ihr ist hier nicht vorzugreifen, weshalb dem Band einige Eindrücke vorangestellt seien, die man als Zeugeder ertragreichenVeranstaltung von den herbstlich grauen Novembertagen in Genf 2022 mitnehmen durfte.

Geradezu symptomatisch für die historische Erfahrung von ‚Licht‘ und ‚Spiegel‘ und deren Aktualisierung in gegenwärtigen Analogiebegriffen waren die saisonalen Bedingungen, unter denen das Kolloquium stattfand:Bereits am Nachmittagkam künstliches Licht zum Einsatz;Wege, die am Abend vom Tagungsort zu geselligen Anlässen und ins Hotel führten, waren wie selbstverständlich durch Straßenbeleuchtung erhellt – dies ganz im Gegensatz zu vorneuzeitlichen Erfahrungen, in denen das Lichtantageszeitliche Perioden gebunden war. Künstliche Beleuchtung wurde dazumal an Feuerstellen oder in Laternen entfacht;imgünstigsten Fall wurde es am Körper mitgeführt (als Kerze, Fackel, torch/e – im Französischen und Englischen heute noch in der Doppelbedeutung von ‚Fackel‘ und ‚Taschenlampe‘ gebraucht). Dieses banale Beispielzeigt, dass es gegenwärtige Lichterfahrungen mit jenen vergangener Zeiten zu vermitteln und entsprechend zu ‚reflektieren‘ gilt. Erstrecht scheint dies für den Spiegel und für die an diesen Zeichenträger gebundeneSymbolik angebracht. Der klassizistisch geprägte Hörsaal am Genfer Espace Colladon gab dafür eine eindrucksvolle illusionistischeSzenerie ab, denn er ist an der Frontseite (beim Rednerpult)und an der Rückenseite (hinter der letzten Hörerreihe) jeweils mit einem großflächigen Spiegel ausgestattet. Spiegel dieses Ausmaßes und ihre durch Glasschliff erzielte Klarheit waren im Mittelalter unüblich,ihre technische Perfektionierung ist das Produkt spätererJahrhunderte. Die durch solche neuzeitlichen Spiegel erwirkten Reflexionen trugen auf ihre Weise zur Tagungsatmosphäre bei:Ander Frontseite ergab sich für das anwesende Publikum die Illusion, die Tagungwürde sich in einem durch den Spiegel eröffneten Nebenraum duplizieren. Augenfällig wurde dabei die Rückenansicht der Vortragenden, die sich an eine gespiegelte Hörerschaft wandten, welche dem anwesenden Publikum – je nach der eigenen Position im Saal – ihrerseitsnur in einem Ausschnitt sichtbar wurde.Die körperliche Gestalt und besonders die Gesichter der Anwesenden waren dabei eigentümlich verfremdet,daZüge und Minenspiel seitenverkehrt in Erscheinung traten. Wer

10 Michael Stolz

selbst am Rednerpult stand, blickte in den gegenüberdem Spiegel der Frontseite leicht versetzten Spiegel der Rückseite, was in der Spiegelungbeider eine vielfach gestaffelte Reflexion ergab, die mit elliptischer Drehung die Illusion eines in die Unendlichkeit führenden Raums erzeugte – ein in der Barockzeit beliebter Spiegeleffekt.Der Hörsaal wurde auf diese Weise regelrecht in eine mise en abyme versetzt. Diese keinesfalls mittelalterliche Erfahrung von Raum und Reflexion lässt sich durchaus mit theoretischenAnsätzender Moderne in Bezug setzen, die gerade in Genf und seinengeisteswissenschaftlichen ‚Schulen‘ entwickelt worden sind. Man ist versucht, von einem genius loci – oder gar einem ‚genius lucis‘ – zu sprechen, der auch in dem Projekt von ‚Spiegel und Licht‘ und dessen vormoderner Ausrichtung fortwirkt.

Der in dem Vorhaben praktizierte Blick auf die Signifikantenseitevon literarisch inszeniertenLichteffekten scheint durch den linguistischen Ansatz der Genfer Sprachwissenschaft mitgeprägt, für den Ferdinand de Saussure mit seinen als Cours de linguistique générale veröffentlichten Vorlesungen steht.2 Die Zeichenebene der ‚Signifiants‘ von ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ spielt im gleichnamigenGenfer Projekt und in zahlreichen Beiträgen des nunmehr vorliegenden Bands eine wichtige Rolle. Ausgehend von der Dominanz des metaphorischen Signifikats werden die arbiträren (oder je nach Fall auch analogisch motivierten), stets jedoch vom historischen Kontext abhängigenBedeutungsdimensionen der Zeichenträger ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ erschlossen.

ÄhnlicheBezügelassen sich zu anderen Forschungen aus dem Genfer Kontext herstellen: So analysierte der Literaturwissenschaftler undMediziner Jean Starobinskiden vonden Augenausgehenden ‚Blick‘ in Drama und Epikvon der Barockzeit bis ins19. Jahrhundert.3 Er pointierte dabei das mitdem Blickverbundene Begehren unddie Tatsache,dassdie Augendie vonihnen erspähten Objekte regelrecht ertasten und (mitunter gewaltsam)durchdringen können.4 Der erwähnten mise en abym‘ als literarischem Spiegeleffekt widmeteLucien Dällenbach seineander Universität Genf abgeschlossene Dissertation 5 Ausgehend vonsemiotischen Multiplikationseffekten in der Heraldik,wie sieder Schriftsteller André Gidebeobachtet hatte, untersuchte Dällenbach Formen der literarischen Spiegelung und Selbstreflexion in Texten dereuropäischen Neuzeit bis hin zum Nouveau Roman;ein besonderes Augenmerk galt dabeider Äquivalenz vonSpiegel und mise en abyme 6

2 De Saussure, Ferdinand, Cours de linguistique générale, hg. v. Charles Bally u. Albert Sechehaye, unter Mitarbeit von Albert Riedlinger, Lausanne, Paris 1916;Nachdruck als: Édition critique préparée par Tullio de Mauro, zuletzt Paris 2002 (Collection Grande bibliothèque Payot).

3 Starobinski, Jean, L’Œil vivant. Essai (Corneille, Racine, Rousseau, Stendhal), Paris 1961.

4 Vgl. Starobinski, L’Œil, S. 11–16.

5 Dällenbach, Lucien, Le récit spéculaire. Contribution àl’étude de la mise en abyme, Diss. masch. Faculté des lettres de l’université de Genève 1976;Druck Paris 1977.

6 Dällenbach, Le récit, S. 215 („équivalence de la mise en abyme et du miroir“).

12 Michael Stolz

Erwähnung verdienen aber auch dieForschungen des Genfer Entwicklungspsychologen Jean Piaget, dessen genetische Erkenntnistheorie evidente Anknüpfungspunktezuden im vorliegenden Band diskutiertenThemen ermöglicht:Nach Piaget ist Erkennen stets das Produkt vonEntwicklungen,die, beeinflusst vonäußeren Impulsen, vorgegebene Erkenntnisstrukturen reorganisieren;zugleichist das (wissenschaftliche)Erkennen solchenErkennensvon den jeweiligen epistemologischen Bezugssystemen abhängig.7 Die Prävalenz des Signifikanten, dasauf denliterarischen ‚Blick‘ gerichtete Augenmerk, die Selbstbespiegelung der mise en abyme und diegenetischen Bedingungen der Erkenntnis sind Forschungsgegenstände, die in Genfseit langem – manist versuchtzusagen: –‚reflektiert‘ werden. Indemsich dieVerantwortlichen der Tagung undihreGästeanhand der Phänomene von ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ aufhistorisch bedingteProzesse des Erkennens,dessen Entfaltung im Spannungsfeld vonReflexion und Illumination, einließen, setztensie diese Tradition semiotischer, literaturkritischer undepistemologischer Fragestellungennicht nur fort, sondernverliehen ihrmit neuenPerspektivierungen eigene Akzente.

7 Vgl. stellvertretend Piaget,Jean, Introduction àl’épistémologie génétique, Paris1950 ; ders., L’épistémologie génétique,Paris1970.

Einleitung /Introduction

Zwischen Reflexion und Illumination

Zur Konzeptualisierung von Erkenntnis in der Vormoderne

Robert Gisselbaek und René Wetzel

I. Spiegel und Licht:Erkenntnis ins Bild gesetzt

Der vorliegende Band, der auf eine Tagung in Genf im Herbst 2022 zurückgeht,1 befasst sich mit ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ im Verhältnis zu Erkenntnisprozessen und Bedeutungsbildung in ihrer je historischen Bedingtheit.2 Seit der (griechischen) Antike dienen ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ als bedeutende Verweisungen, mit deren Hilfe abstrakte Konzepte und Prozesse besonders gut zum Ausdruckgebracht werden können. Zentral sind dabei vor allem epistemische und kognitive Aspekte,3 wobei der Spiegel dafür prädestiniert zu sein scheint, Selbsterkenntnis,Vorbildlichkeit und nicht zuletzt die im physikalischen Vorgang der Spiegelung immer schon angelegte und auf kognitiveVerarbeitungsprozesse übertragene Reflexion selbst ins Bild zu setzen.4 Das Licht hingegenverbindet sich dank seiner erhellenden,

1 Die Tagung fand im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF)geförderten und von René Wetzel geleiteten Projekts Spiegel und Licht – Erkenntnis und Erleuchtung. Zur Praxis analogischer Bedeutungsbildung in volkssprachiger Literatur des 12. bis 16. Jahrhunderts vom 3. bis 5. November 2022 unter dem Titel Spiegel und Licht – Erkenntnis und Erleuchtung. Facetten analogischer Bedeutungsbildung in mittelalterlichen Texten an der Université de Genève statt.

2 Mit den in einfache Anführungszeichen gesetztenWörtern ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ ist im Folgenden jeweils das gesamte Bedeutungsspektrum bezeichnet, das mit dem Wort evoziert wird. Konkret-materielle Aspektevon Spiegel undLicht sind damit ebenso einbegriffen, wie abstrakt-ideelle Vorstellungen. Zu diesem Spektrumvgl. die Ausführungen von Michel, Paulu.Rizek-Pfister, Cornelia, Physik, Trug, Zauber undSymbolikdes Spiegels, in:Präsenzohne Substanz. Beiträge zur Symbolikdes Spiegels, hg.v.PaulMichel, Zürich 2003 (Schriften zur Symbolforschung 14), S. 1–57. Präzisierungen – z. B. Hinweise auf den Wort-oderObjektstatus – werden durchentsprechende Ergänzungen vorgenommen.

3 Zum Spiegel in dieser Bedeutung vgl. Ebbersmeyer, Sabrina, Art. ‚Spekulation‘,in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 9, Basel 1995, Sp. 1355–1372, oder Largier, Niklaus, Spiegelungen. Fragmente einer Geschichte der Spekulation, in:Zeitschrift furGermanistik, Neue Folge 9,3, 1999, S. 616–636;zum Licht:Beierwaltes, Werner, Art. ‚Licht‘ , in:Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5, Basel 1980, Sp. 282–289, oder Nash, Ronald H., The Light of the Mind. St. Augustine’sTheory of Knowledge, Lexington 1969.

4 Vgl. Brückner, Wolfgang, Spiegel-Erkenntnis. Mittelalterliche Realie und doppeldeutige Metapher, in:Ambivalenz. Studien zum kulturtheoretischen und empirischen Gehalt ei-

erleuchtendenKraftmitspontanerEinsichtigkeit,KlarheitundeinemobjektiviertenWahrheitsanspruch.5 GrundlegendistinbeidenFällendieAnalogiebeziehung zwischendemsinnlichenSehenbzw.BetrachtenundkognitivenProzessen.Die visuellbestimmtenErfahrungen,diemitSpiegelundLichtgemachtwerdenkönnen,sindphänomenologischengmitErkenntnisverbunden:Wasmiteigenen Augen,mithilfevonSpiegelnunderhelltvomLicht,gesehenwird,kannidentifiziert,alsrealerkanntundmitbereitsBekanntemabgeglichenwerden.Beider ÜbertragungaufdenabstraktenBereichderErkenntnisisthiermitLakoff/Johnson6 voneinermetaphorischen,gleichwohlphysischbedingtenAusdehnungeinerKörpererfahrungauszugehen,welchedasNicht-Sinnlichedenkbarund – mit einementsprechendenAusdruckverbunden – folglichauchsprachlichkommunizierbarmacht.DeraufeinerAnalogiebeziehungberuhendeTransferlässtsich dannalskonzeptuelleMetapherERKENNEN =SEHENbegreifen,diederKonzeptualisierungvonDenkprozessenebensozugrundeliegt,wieden Versprachlichungen.7 AufgrundderhohenAnalogizitätdieserMetapherüberlagernsichje-

nerKategoriederErschließungdesUnbestimmten,hg.v.HeinzOttoLutheu.Rainer E.Wiedenmann,Opladen1997,S.83–107;Konersmann,Ralf,SpiegelundBild.ZurMetaphorikneuzeitlicherSubjektivität,Würzburg1988;Pendergrast,Mark,MirrorMirror.A HistoryoftheHumanLoveAffairwithReflection,NewYork2003;Miroirsetjeuxde miroirsdanslalittératuremédiévale,hg.v.FabiennePomel,Rennes2003;Haas,Alois Maria,MystischeDenkbilder,Freiburgi.Br.2014,S.446–488 (Spiegel).Dererkennende BlickindenSpiegel (lat. speculum),dernichtnurdaseigeneBild,sondernauchdasden Augen Verborgene,weilaußerhalbdesSichtbereichsLiegendezusehenunderkennen verhilft,istandenBegriffder ‚Spekulation‘ angelehnt. Vgl.Ebbersmeyer, ‚Spekulation‘ . 5 Vgl.Blumenberg,Hans,LichtalsMetapherderWahrheit.Im Vorfeldderphilosophischen Begriffsbildung,in:ders.:ÄsthetischeundmetaphorologischeSchriften,Frankfurta.M. 2001,S.139–171;Beierwaltes,Werner,Luxintelligibilis.UntersuchungenzurLichtmetaphysikderGriechen,München1957;Luther,Wilhelm,Wahrheit,LichtundErkenntnis indergriechischenPhilosophiebisDemokrit.EinBeitragzurErforschungdesZusammenhangsvonSpracheundphilosophischemDenken,in:ArchivfürBegriffsgeschichte 10,1966,S.1–240.Nichtzuvergessenistallerdings,dassLichtimnegativenSinnauch (ver‐)blendenundderSpiegeltäuschenbzw.etwas ‚vorspiegeln‘ oderverzerrenkann,wodurchdierichtigeErkenntnisjeweilsverhindertwird.ZumSpektrumvgl.denBandLicht, Glanz,Blendung.BeiträgezueinerKulturgeschichtedesLeuchtenden,hg.vonChristina Lechtermannu.HaikoWandhoff,Berlin,Boston2008.

6 Lakoff,Georgeu.Johnson,Mark,LebeninMetaphern.KonstruktionundGebrauchvon Sprachbildern,Heidelberg 92018.

7 ImKerngehtesdarum,dasskonzeptuelleMetaphernabstraktenundkomplexenDiskursenzugrundeliegenkönnen.Lakoff/Johnson,Leben,S.62,nennenbeispielsweiseVERSTEHEN =SEHEN,IDEEN =LICHTQUELLENundDISKURS =LICHTMEDIUM,mit einerReihedamitverbundeneralltagssprachlicherAusdrückealsverbalenKonkretisierungen.ZurCognitiveMetaphorTheory (CMT)vgl.Madsen,MathiasW.,CognitiveMetaphorTheoryandtheMetaphysicsofImmediacy,in:CognitiveScience40,4,2015, S.881–908,verfügbarunter:https://doi.org/10.1111/cogs.12320, undausliteraturwissen-

doch die Vorstellungen von den materiell-physikalischen Erscheinungen mit den ‚Spiegel‘-und ‚Licht‘-Begriffen im eigentlichen wie im übertragenen Sinne, sodass – dies ist eine der zentralenErkenntnisse des Bandes – in der Analyse von Text- und Bildzeugnissen die Grenze zwischen sprachlichem Ausdruck(als Objektidentifikation),Bildund Konzept kaum je scharfgezogen werden kann.

Hinzu kommt, dass sich die Verbindung von ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ mit Erkenntnisprozessen und Bedeutungsbildungnicht nur überaus eng,sondern regelrecht doppelt darstellt, da ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ diese Prozesse eben nicht einfach nur bedeuten, sondern – als Begriff, Konzept und materiell grundgelegte Erfahrung – selbst auf entsprechenden kognitiven Verfahrenberuhen:Bereits das Verstehen des Ausdrucks ‚Spiegel‘ setzt ein Konzept voraus,das seinerseits auf einer kognitiven Verstehensleistung basiert,wobei ihm gleichzeitig die Erfahrung mit tatsächlichspiegelnden Phänomenen (wie polierten Metall- und Glasflächen, Wasseroberflächen oder dem Auge andererMenschen)zugrunde liegt;ebenso kann die Verwendung von ‚Licht‘ als Metapher oder Analogie für abstrakte Erkenntnisprozesse nur dann erfasst werden, wenn die Decodierungder Bildlichkeit von der Kenntnisphysikalischer Erscheinungen her erfolgt (wie etwa Sonnenlicht, Mondschein, Fackeln, Kerzen oder – als Phänomen der Reflektion –glänzenden Metallen oder Edelsteinen).

Die Konzeption abstrakter Erkenntnisprozesse beruht dabei auf konkreteren Konzepten, um die ErkenntnisgegenständeanBilder zu binden, welche der Vorstellung einen in (be‐)greifbaren Analogien möglichst treffenden Ausdruckverleihen. ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ stellen folglich Möglichkeiten dar, anhand sinnlicher (hier:visueller), leicht nachvollziehbarer Phänomene über abstrakte Denkprozesse zu sprechen.

II. Die Analogie:Zwischen Identität und Differenz

Für jene Erkenntnisprozesse, welche sowohl die Konzeptualisierung von Erfahrungen als auch die von Begriffen8 bedingen, erweist sich in kognitionspsychologischer Perspektive die Analogiebildung als zentral:So, wie sich Konzepte bei wiederholt als analog erlebten Reizen (durch die Ausprägung regelrechter ‚Spu-

schaftlicher Perspektive Fludernik, Monika, Beyond Cognitive Metaphor Theory. Perspectives on Literary Metaphor, New York 2011. Siehe dazu auch die Studien von Cziganj und Rimmele im vorliegenden Band.

8 Der Ausdruck ‚Begriff‘ wird hier, im Anschluss an Hofstadter, Douglas u. Sander, Emmanuel, Die Analogie. Das Herz des Denkens, Stuttgart 2014 [englische und französische Originalausg. 2013], für ‚Konzept‘ bzw. ‚Kategorie‘ verwendet. Zu einer (vor dem Hintergrund einer idealistischen Philosophie formulierten)Kritik vgl. Schiller, Hans-Ernst, Ähnlichkeit und Analogie. Zur Erkenntnisfunktion des mimetischen Vermögens, Berlin 2021, S. 69–75.

18 Robert Gisselbaek und René Wetzel

ren ‘ auf neuronaler Ebene)ausprägen, basieren Metaphern9 auf bestimmten Analogien zwischen zwei in Relation zueinander gesetzten konzeptuellen Bereichen.10 Wesentlich bei der analogischenRelationierung ist, queles situations sourcessontcodées en étantintégrées àune organisationdes connaissancesenmémoire àlongterme,que le remindingn’est pas l’accèsà une situation source antérieurementà une mise en correspondance maisest le résultat du processus d’encodage de la situation cible qui utiliseles mêmes structures en mémoire quecellesqui codentlasituation source,etque desstructuresdeconnaissanceabstraites interviennenttantdanslecodagedelasituation cible quedanscelui de la situation source.11

Beim Aufbau von Konzepten – wie sie mit konkreten Erfahrungenoder bereits erfolgten Abstraktionen verbunden sein können – spielen also (wieder‐)erkannte Strukturen eine zentrale Rolle, sodass die Nutzung verschiedener Aufzüge – um ein konkretes Beispiel anzuführen – immer mehr zu einer Kernkategorie führt (zu „structures en mémoire“), die sich als stabil erweistund zukünftig die weitgehend problemlose Nutzung bisher nie betretener Aufzüge erlaubt.12 Neues, Fremdes oder Unklares lässt sich mithilfe von bereits Vertrautem und Bekanntem identifizieren,verstehen und bewältigen. Dabei geht es darum, dass in der mentalen Verankerung von Konzeptendas jeweils Identische im Differenten bewahrt bzw. – umgekehrt – Differenzen im Identischen immer mehr ausgeblendet werden.13 Bei bildlichenAusdrücken, bei Metaphern z. B., die zwei Konzepte in eine

9 Vgl. Köller, Wilhelm, Semiotik und Metapher. Untersuchungen zur grammatischen Struktur und kommunikativen Funktion von Metaphern, Stuttgart 1975;Asmuth, Bernhard, Art. ‚Metapher‘,in: Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik, hg. v. Horst Brunner u. Rainer Moritz, Berlin 1997, S. 219–222;Peil, Dietmar, Art. ‚Metapher‘,in: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze, Personen, Grundbegriffe, hg. v. Ansgar Nünning, Weimar 1998, S. 363–364;Kurz, Gerhard, Metapher, Allegorie, Symbol, 5., durchges. Aufl., Göttingen 2004;Rolf, Eckard, Metaphertheorien. Typologie – Darstellung – Bibliographie, Berlin, New York 2005;Friedrich, Udo, Art. ‚Historische Metaphorologie‘,in: Literatur- und Kulturtheorien in der Germanistischen Mediävistik. Ein Handbuch, hg. v. Christiane Ackermann u. Michael Egerding, Berlin, Boston 2015, S. 169–211.

10 Grundlegend Sander, Emmanuel, L’analogie, du Naïf au Créatif. Analogie et Catégorisation, Paris 2000;Hofstadter/Sander, Die Analogie. Vgl. auch den Sammelband The Analogical Mind. Perspectives from Cognitive Science, hg. v. Dedre Gentner, Keith J. Holyoak u. Boicho N. Kokinov, Cambridge (MA) 2001.

11 Sander, L’analogie, S. 98.

12 Beispiel aus Hofstadter/Sander, Die Analogie, S. 42.

13 Vgl. Beierwaltes, Werner, Identität und Differenz, Frankfurt a. M. 2011, oder ders., Denken des Einen, 2. durchges. Aufl., Frankfurt a. M. 2016;Endres, Johannes, Unähnliche Ähnlichkeit. Zu Analogie, Metapher und Verwandtschaft, in:Similitudo. Konzepte der

Zwischen Reflexion und Illumination 19

analogische Relation setzen, lässt sich beobachten,dass die konzeptuellen Kerne der beteiligten Bildbereiche auf sehr unterschiedliche Art miteinander verbunden werden können:Sie können entweder aufgrund unbewusst erfolgender Assoziationen spontan gebildetwerden, aus einem bereits vorhandenen Fundus schöpfen oder durch bewusstes Nachdenken gefunden und konstruiert werden, auf Eindeutigkeit oder auf eine gewisse Dunkelheit hin ausgelegt sein.14

Allerdings stellen Metaphern mit der ihnen zugeschriebenen Urbild-AbbildRelation zwischen Bildspender- und Bildempfängerbereich (ihrem logos)eine spezifischeArt der Analogisierung dar:15 Im Gegensatz zu den permanentablaufenden, kontextabhängigen und intuitiven Analogiebildungen im Rahmen alltäglicher Konzeptualisierungen liegt den mitunter als feststehenden Ausdrücken verwendeten Metaphern eine Form der Analogie zugrunde, bei der die eigentlich spontan-dynamische ‚Plastizität‘ in einestabilisierte Form verweisender Bildlichkeit verwandelt worden ist. Zu denken ist nicht nur an die sogenannten ‚toten‘ oder ‚verblassten‘ Metaphern, die bei der Verwendung gar nicht mehr bewusst in ihrer Bildlichkeit wahrgenommen werden,16 sondern auch an Blumenbergs ‚absolute Metaphern‘,die aufgrund einer regelrechten Verschmelzung von Bildspender- und Bildempfängerbereich nicht mehr auf ihreBildlichkeit zurückgeführt werden können und einen konzeptuellen ‚Überschuss‘ erzeugen.17 Damit wird vornehmlichjener Aspekt der Analogiebildung, der ihre Flexibilität auszeichnet (nämlich die erkannte Identität im Differenten), in einer zweiwertigen, als zeichenhaft denkbaren logischen Konstellation fixiert, deren intuitiv-assoziative Genese in der rationalen Betrachtung von Urbild (Bildspenderbereich )und Abbild Ähnlichkeit in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Martin Gaier, Jeanette Kohl u. Alberto Saviello, München 2012, S. 29–58;Friedrich, Historische Metaphorologie, S. 184–189.

14 Vgl. dazu ausführlich Hofstadter/Sander, Die Analogie, S. 314–317, mit Nachweisen für die Möglichkeiten. Siehe dazu den Beitrag von Gedigk in diesem Band.

15 DieTheorie derUrbild-Abbild-Relationinder Metapher referiertKurz, Metapher, S. 23–26.Der logos alsverbindendesgeistiges Elementspielt eine entscheidende Rolle fürdie historischeTheorie derAnalogie, wiesie beiKluxen, Wolfgang, Art. ‚Analogie I‘ , in:Historisches Wörterbuch derPhilosophie, Bd. 1, Basel 1971,S.214– 227, referiert wird.Siehe dazu auch denBeitrag vonThinius in diesemBand.

16 Vgl. Henle, Paul, Die Metapher (1958), wiederabgedr. in:Theorie der Metapher. Studienausgabe, hg. v. Anselm Haverkamp, Darmstadt, 2., erg. Aufl. 1996, S. 80–105, hier 92.

17 Blumenberg, Hans, Paradigmen zu einer Metaphorologie. Kommentar von Anselm Haverkamp unter Mitarbeit von Dirk Mende u. Mariele Nientied, Frankfurt a. M. 2013. Zu Diskussion und Kritik vgl. Kaminski, Andreas, Was heißt es, dass eine Metapher absolut ist?Metaphern als Indizien, in:Journal Phanomenologie 41, 2014, Schwerpunkt. Metaphern als strenge Wissenschaft, hg. v. Alexander Friedrich, Petra Gehring u. Andreas Kaminski, S. 47–62. Zu einer Auseinandersetzung mit Blumenberg siehe auch Stuckl in diesem Band.

(Bildempfängerbereich )zwangsläufigindenHintergrundtrittunddurchdenlogischenZuganggleichsamausgeblendetwird.

DieSchwierigkeitbeiderAnalysevonMetaphernbestehtfolglichdarin,das ihneninhärenteAnalogiedenken – alsErkennenvonIdentischemimDifferenten – imHinblickaufdiebegrifflichfixierteDifferenzinderUrbild-Abbild-Relationder ‚verkürzten Vergleiche‘18 imanalytischenZugriffdynamischzufassen. Dabeihilftes,AnalogiebildungenalsparadigmatischeRelationenzubegreifen (d.h.alsBeziehungen,dienichteigentlichhierarchischgedachtsind)19 odersie alsFormenapproximativerÄhnlichkeitzubeschreiben.20 DieAuseinandersetzungmiteinerganzenBandbreitevonAktualisierungenvon ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ , wiesieindiesemBandvorliegt,21 machtdeutlich,dassdieanalogischeBedeutungsbildungdiesendynamischenProzessennichtnurunterworfenist,sondern diesezugleichauchbeständigselbstbeeinflusst.

III.ProduktiveUnschärfe:

VombedeutendenBildzurBedeutungsbildung

AufgrundderReziprozitätvonErkenntnisprozessenundihrerKonzeptualisierungbei ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ bietensichdiesebeidenBegriffefüreineBeschäftigungmitderBedeutungdesAnalogiedenkensundderanalogischenBedeutungsbildunginhistorischerPerspektivierunginbesondererWeisean:Sowohldas häufige Vorkommenvon ‚Spiegel‘ und ‚Licht‘ inKunstundKulturalsauchdie

18 GeradeinälterenTheorienwerdenMetaphernoftalsverkürzte Vergleicheerklärt. Vgl. Kurz,Metapher,S.7–8.

19 DieRelationvonZeichenzuBezeichnetem,dieoftdasgrundlegendeInterpretationsmodellderMetapherdarstellt,enthältvonder VorstellungderUrbild-Abbild-Relationimmerschondie VorstellungeinesvorgängigAuthentischenundabgeleitetNachbildenden, waseineHierarchieimpliziert.

20 Vgl.Agamben,Giorgio,Signaturarerum.ZurMethode,Frankfurta.M.2009 [Original 2008]zumParadigma;auchFoucault,Michel,DieOrdnungderDinge.EineArchäologie derHumanwissenschaft,Frankfurta.M. 222012 [Original1966],S.46–77,bieteteinen ÜberblickzuFormenähnlichkeitsbasiertenDenkens (mitNachbarschaft,Gleichzeitigkeit etc.).ZurZeichentheoriealsBasismetaphorischerModellevgl.Köller,SemiotikundMetapher.KritikdesangeblichenZeichencharaktersdesSpiegelbildsbeiEco,Umberto,Über Spiegel,in:ders.,ÜberSpiegelundanderePhänomene,München 51998,S.26–61,hier 43–47.

21 ‚Spiegel‘ sindebensoMetaphernwieSymbole,BuchtitelundObjekte;das ‚Licht‘ erscheint alsSinnbildundabstrakte Vorstellung,alskörperlicheEigenschaftundgöttlichesSein. Siehedazuauchdie VorstellungderBeiträgeinAbschnittV.

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