Tierwürde

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Einleitung

Mit einer solchen Präzisierung möchte ich einen Beitrag dazu leisten, dass wir den Würdebegriff weiterhin verwenden und dabei auf konkrete Sachverhalte referenzieren können. Meine Definition soll deshalb auch bestimmte Intuitionen einfangen können. Dabei fokussiere ich hauptsächlich auf Intuitionen auf sprachlicher Ebene – auf unser Sprachgefühl, wie ein Ausdruck korrekt zu gebrauchen ist – und auf Intuitionen auf moralischer Ebene – wohlüberlegte Alltagsurteile darüber, was moralisch erlaubt oder verboten ist. Ich werde deshalb im Verlauf meiner Arbeit immer wieder Beispiele anführen, um zu verdeutlichen, worin meine Aussage genau besteht beziehungsweise um zu veranschaulichen, welche Intuition ich einfangen möchte. In der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Würdeverständnissen wird sich zeigen, dass nicht alle Philosoph*innen dieselben Adäquatheitsbedingungen teilen oder dass sie mit ihrem Verständnis von Würde nicht auf die gleiche Art von Intuitionen fokussieren – sie gewichten zum Beispiel bestimmte moralische Intuitionen mehr als andere. Mein Anspruch in dieser Arbeit ist somit nicht zu zeigen, dass mein Würdeverständnis das einzig legitime ist. Ich möchte vielmehr einen in unserer Alltagssprache oft und teilweise auch inkohärent verwendeten Begriff mithilfe einer adäquaten Definition präzisieren und dabei plausibel machen, weshalb wir unter dem Begriff «Würde» das verstehen sollten, was ich erarbeitet habe – wobei ich nicht ausschliessen möchte, dass der so erarbeitete Würdebegriff nicht auch für Rechtstexte relevant sein könnte. Ich möchte deutlich machen, weshalb es Sinn macht, bestimmte Aspekte in das Würdeverständnis einzubeziehen und anderen Aspekten wiederum keinen Platz zuzugestehen. Mein Ziel ist es, einen Würdebegriff zu skizzieren, der nachvollziehbaren begrifflichen Bedingungen entspricht, dabei aber auch unsere Intuitionen einzufangen vermag sowie darüber hinaus einen Beitrag in ethischen Debatten leisten kann. Was die Erarbeitung eines präzisen Würdebegriffs anbelangt, unterscheide ich mich in meiner Vorgehensweise methodisch von anderen Philosoph*innen. Viele Autor*innen, beispielsweise Peter Schaber (2004; 2014; 2017; 2019) und Ralf Stoecker (2013), beginnen ihre Erläuterung des Würdebegriffs damit, Beispiele zu diskutieren, in denen Würde eben nicht vorhanden ist, das heisst, sie fokussieren auf den Begriff der Würdeverletzung – Schaber orientiert sich für seine Begriffserläuterung beispielsweise an «paradigmatische[n] Fälle[n] von Würdeverletzungen» (Schaber 2004, S. 99). Ich setze an einem anderen Punkt an: In Anlehnung an Eva Weber-Guskar (2016b) liefere ich eine Explikation des Würdebegriffs, indem ich das Phänomen der Würde betrachte und dabei die relevanten Aspekte mit einer präzisen Definition des Würdebegriffs zu erfassen versuche. Dabei gehe ich unter anderem von unserem alltäglichen Sprachgebrauch aus, konkret: von unseren sprachlichen und moralischen Intuitionen. Ich stütze mich ausserdem auf Beispiele, in denen Würde vorhanden ist und in denen ersichtlich ist, was mit Würde gemeint ist, das heisst: Situationen, in denen der Begriff der Würde im Vordergrund steht. Diesen methodischen Weg wähle

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