Was Sie schon immer über die Mindestlohn-Initiative wissen wollten (FAQ)

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Was Sie schon immer über die Mindestlohn-Initiative (und verwandte Themen) wissen wollten Was ist ein Mindestlohn? Ein Mindestlohn ist der tiefste rechtlich zulässige Lohn für geleistete Arbeit. Die Festsetzung erfolgt durch ein Gesetz oder durch einen Gesamtarbeitsvertrag. Ein Mindestlohn kann sich auf den Stundenlohn oder den Monatslohn bei Vollzeitbeschäftigung beziehen. Neben nationalen Mindestlöhnen

Die Schweiz kennt bis heute keinen Mindestlohn.

gibt es auch solche, die sich nur auf bestimmte Regionen oder Städte beziehen. Eine weitere Erscheinungsform sind branchenspezifische Mindestlöhne, die nur für eine bestimmte Branche gelten, zum Beispiel den Bau oder die Reinigungsbranche. Die Schweiz kennt bis heute keinen gesetzlichen nationalen Mindestlohn.

Was ist ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV)? Ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Gewerkschaften und einzelnen Arbeitgebern oder Unternehmerverbänden. Der GAV legt Arbeitsbedingungen fest und regelt das gegenseitige Verhältnis der Parteien – man nennt das auch Sozialpartnerschaft. Einzelarbeitsverträge dürfen nicht schlechter sein, als das, was im Gesamtarbeitsvertrag geregelt ist. Im Gesamtarbeitsvertrag werden in der Regel Arbeitszeiten, Ferien, Kündigungsfrist, Mindestlöhne und weitere Arbeitsbedingungen festgelegt. Es gibt sowohl gesamtschweizerische wie auch kantonale Gesamtarbeitsverträge. Man kennt im Wesentlichen folgende Arten von Gesamtarbeitsverträgen: 

Gesamtarbeitsvertrag, der nur für die Unternehmen bindend ist, die Mitglied des jeweiligen Unternehmerverbands sind.

Gesamtarbeitsvertrag, der nur für das Unternehmen bindend ist, das den Vertrag abgeschlossen hat.

Gesamtarbeitsvertrag, der von der Kantonsregierung für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Dieser ist dann für alle Arbeitgeber im Kanton verbindlich.

Auch in Gesamtarbeitsverträgen gibt es Mindestlöhne.


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Gesamtarbeitsvertrag, der vom Bundesrat für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Dieser ist dann für alle Arbeitgeber verbindlich.

In der Schweiz profitieren etwa 50 Prozent aller Beschäftigten vom Schutz eines Gesamtarbeitsvertrags.

Gibt es Mindestlöhne nur in links regierten Ländern? Nach einer Statistik der internationalen Arbeitsorganisation (ILO), einer Organisation der UNO, gibt es in über 90 Prozent ihrer 182 Mitgliedstaaten einen Mindestlohn. Länder ohne Mindestlohn wie die Schweiz sind also eher

90 Prozent aller Länder kennen Mindestlöhne.

die Ausnahme als die Regel. 20 der 27 Länder der EU kennen einen Mindestlohn.

Sind Mindestlöhne eine „neue Erfindung“? Erste lokale Mindestlohnregelungen gab es bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Ab 1894 vergab die Stadt Amsterdam öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen, die ihre Beschäftigten nicht unter einem Mindestlohn bezahlten. 1896 wurden in Neuseeland Lohnschlichtungsstellen eingeführt, gefolgt von Australien im Jahre 1899 und Grossbritannien im Jahre 1909. Das argentinische Mindestlohnsystem hat seinen Ursprung im Jahre 1918. Auch eine Reihe von Entwicklungsländern beschloss in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Mindestlöhne, darunter Sri Lanka im Jahre 1927. Zu anderen Ländern mit einer langen Erfahrung mit Mindestlöhnen gehören u.a. die Vereinigten Staaten (seit 1938), Frankreich (1950) oder die Niederlande (1968). In der Schweiz gibt es seit über 100 Jahren Mindestlohnregelungen in Gesamtarbeitsverträgen. 1911 wurde der Gesamtarbeitsvertrag auf Bundesebene rechtlich geregelt. Seit den 1940er Jahren gibt es Gesamtarbeitsverträge mit allgemeinverbindlichen Mindestlöhnen.

Was sagen die Ökonomen zur Idee eines Mindestlohns? In den 1990er Jahren setzte bei den Ökonomen ein Meinungswandel in Bezug auf Mindestlöhne ein. Vorher waren viele der Ansicht, dass Mindestlöhne zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Seither wurden unzählige Studien gemacht. Sie zeigen: Höhere Mindestlöhne sind möglich, ohne dass die Arbeitslosigkeit steigt. Ein Hauptargument für Mindestlöhne ist die Verbesserung der Einkommenssituation von Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Ein Hauptargument da-

Mindestlöhne gibt es seit 1894.


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gegen ist der mögliche Verlust von Arbeitsplätzen. Die Wirkung von Mindestlöhnen auf das Beschäftigungsniveau ist allerdings sehr umstritten. Während einige Ökonomen glauben, dass die Einführung eines Mindestlohns Arbeits-

Unter den Ökonomen gibt es Befürworter und Gegner eines Mindestlohns.

plätze kostet, sind andere überzeugt, dass dank Mindestlöhnen die Zahl der Arbeitsplätze sogar wachse. Diese zweite These wird von neueren Studien bestätigt. So zeigt eine jetzt veröffentlichte Mammut-Untersuchung des ArbeitsmarktForschungszentrums der US-Eliteuniversität Berkeley: Höhere Mindestlöhne haben in den Vereinigten Staaten in den vergangenen 16 Jahren keine Jobs vernichtet. "Wir finden keine negativen Beschäftigungseffekte", lautet das Fazit der Arbeit mit dem Titel Minimum Wage Effects Across State Borders.

Welche ökonomischen Argumente werden denn gegen einen Mindestlohn angeführt? Für manche Ökonomen (und Unternehmer) sind Löhne nichts anderes als Kosten. Jeder Arbeitnehmer ist somit ein Kostenfaktor. Wenn die Kosten für die Beschäftigung des Arbeitnehmers und für seinen Arbeitsplatz tiefer sind als das, was dieser Arbeitnehmer durch seine Arbeit erwirtschaftet, dann lohnt es sich (aus Sicht des Unternehmers) einen solchen Arbeitnehmer zu beschäftigen. Wenn aber der Lohn und die Arbeitsplatzkosten höher sind, als das, was der Arbeitnehmer erarbeitet, dann lohnt sich eine Weiterbeschäftigung oder eine Anstellung nicht. Durch die Festlegung eines staatlichen Mindestlohnes – so die Theorie – könne es nun geschehen, dass ein Unternehmer gezwungen werde, seinen unproduktiven, weil gering qualifizierten Arbeitnehmern einen höheren Lohn zu zahlen, als er mit ihnen verdienen könne. Also werde er diese Arbeitsplätze so schnell wie möglich abbauen. Unternehmen seien schliesslich keine Wohlfahrtseinrichtungen.

Was ist gegen diese Arbeitsplatzverlust-Theorie zu sagen? Zunächst einmal, dass sie lediglich eine Theorie ist, die von der Realität widerlegt wird. Ein Beispiel: Der US-Bundesstaat New Jersey hatte den Mindestlohn um fast 20 Prozent erhöht, im benachbarten Pennsylvania verharrte er auf dem bisherigen Niveau. In einer Untersuchung stellten Forscher dann fest: Obwohl einfache Arbeit in New Jersey erheblich teurer wurde, fielen dort keine Jobs weg. Im Gegenteil: Fast-Food-Restaurants in New Jersey stellten mehr Personal ein als ihre Konkurrenten in Pennsylvania.

Mehr Arbeitsplätze dank Mindestlöhnen.


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Das Fazit der Forscher: Höhere Mindestlöhne haben tatsächlich die sozialpolitisch gewünschte Wirkung. Wenn ein Bundesstaat den Mindestlohn erhöhte, stiegen danach die Einkommen der betroffenen Beschäftigten auch deutlich an – die Arbeitgeber konnten die Gesetze also nicht umgehen. Auf die höheren Lohnkosten reagierten sie dennoch nicht mit Entlassungen.

Das ist aber nicht logisch. Oder doch? Auf den ersten Blick nicht. Diese Ergebnisse stützen jedoch die Theorie des britischen Arbeitsmarkt-Forschers Alan Manning. Der Professor der renommierten London School of Economics propagiert seit mehr als zehn Jahren, dass wirkliche Arbeitsmärkte nicht so perfekt funktionieren, wie es Ökonomen in ihren Modellen und Theorien unterstellen. Im wirklichen Leben würden die Arbeitgeber gerade im Niedriglohnsektor über grosse Marktmacht verfügen – diese erlaube es ihnen, die Löhne ihrer Beschäftigten weit unter das Produktivitätsniveau zu drücken. Wenn das so ist, können staatliche Lohnuntergrenzen die Einkommen von Geringqualifizierten erhöhen, ohne dass Arbeitsplätze verloren gehen. Das ist aber noch nicht alles: Mindestlöhne steigern auch die Motivation der Mitarbeiter, sie senken die Personalfluktuation und bringen dadurch eine bessere Produktivität. Selbst gesamtwirtschaftlich bringen Mindestlöhne Vorteile und kurbeln das Beschäftigungswachstum an: Dank der Mindestlöhne verfügen auch tiefere Einkommen über eine höhere Kaufkraft, was ihnen erlaubt, mehr zu konsumieren. Das wiederum führt wegen der gestiegenen Nachfrage zu einem Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum. Dass es keinen Zusammenhang zwischen Mindestlohn und Arbeitslosigkeit gibt, zeigt auch diese Grafik. So gibt es offenbar Länder mit hohem Mindestlohn und niedriger Arbeitslosigkeit und solche mit tiefem Mindestlohn und hoher Arbeitslosigkeit. Und es gibt auch alles dazwischen...

Mindestlöhne steigern die Produktivität und Motivation der Mitarbeiter.


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Vermutlich gibt es aber noch mehr Einwände gegen einen Mindestlohn? Ein anderes Ökonomenargument ist die Behauptung, die Unternehmer würden die Mehrkosten, die ihnen ein Mindestlohn verursache, dadurch kompensieren, dass sie die Löhne derjenigen kürzen, die knapp über dem Mindestlohn liegen. Ein Mindestlohn habe zudem die Tendenz, sich zum „Normallohn“ zu entwickeln. Das allgemeine Lohnniveau sinke deshalb.

Stimmt das auch nicht? Arbeitgeber, die so handeln, würden sich ins eigene Fleisch schneiden. Wer den ohnehin schon tiefen Lohn seiner Angestellten kürzt, torpediert deren Motivation. Ihre Produktivität ginge stark zurück. Ausserdem setzt diese Argumentation voraus, dass ein Mindestlohn die üblichen Lohnfindungsmechanismen quasi ausser Kraft setzen würde. Das ist aber nicht der Fall. Nach wie vor werden die Konjunkturlage, die allgemeine Produktivität bzw. ihr Wachstum, die Stärke der Gewerkschaften, das Niveau der Arbeitslosigkeit usw. Einfluss auf die Lohnbildung haben. Der einzige Unterschied: Es wird keine Löhne unter dem Existenzminimum mehr geben.

Löhne werden auch in Zukunft ausgehandelt werden müssen – aber es wird keine Hungerlöhne mehr geben.


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Die Initiative will zudem eine Stärkung der Gesamtarbeitsverträge. Damit sollen alle Löhne – nicht nur die ganz tiefen – geschützt werden.

Dann gibt es doch noch das Argument, dass niedrige Löhne gesamtwirtschaftlich sinnvoll seien? Niedrige und sinkende Löhne haben nach dieser Lehrmeinung eine gesamtwirtschaftlich sinnvolle Funktion: Sie würden ein Überangebot an Arbeitskräften in dem betroffenen Bereich signalisieren und die arbeitswilligen Menschen veranlassen, sich anderen Branchen, bzw. Berufen sowie Qualifizierungs- und Weiterbildungsmassnahmen zuzuwenden. Diese Signalfunktion des Lohnes werde durch eine Mindestlohnregelung behindert. Dazu ist zu sagen, dass eine solche Argumentation äusserst zynisch ist und ein verqueres Menschenbild voraussetzt. Sie geht nämlich davon aus, dass Menschen freiwillig in einem Beruf oder in einer Branche arbeiten, in dem sie

Niemand will sein Leben lang freiwillig auf dem Mindestlohnniveau bleiben.

so wenig verdienen, dass sie davon nicht leben können. Aber auch ein Mindestlohn wird kein Leben in Luxus erlauben. Er wird knapp über dem Existenzminimum liegen. Allein aus der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer mit Mindestlohn nicht mehr auf die Sozialhilfe angewiesen sein wird, gleich zu schliessen, ihm fehle dann auch jede Motivation zur Verbesserung seiner Lebenssituation, ist herabwürdigend.

Manche behaupten doch auch, ein Mindestlohn führe zu mehr Schwarzarbeit? Ja. Es wird gesagt, ein Mindestlohn untersage Arbeitsverhältnisse, die sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer freiwillig eingegangen worden wären, und von dem sich beide Seiten Vorteile versprochen hätten. Da also offenbar Bereitschaft besteht, zum vereinbarten Lohn unter dem Mindestlohnniveau zu arbeiten bzw. jemanden so zu beschäftigen, der Staat das aber verbietet, wird eine Zunahme von Schwarzarbeit befürchtet. Dieser Theorie ist entgegenzuhalten, dass wohl eher das Gegenteil richtig ist. Wenn Menschen auch im Niedriglohnbereich für ihre Arbeit anständig bezahlt werden müssen, dann fehlt ihnen der Anreiz, in ihrer Freizeit noch schwarz zu arbeiten. Auch die Notwendigkeit, noch in einem Zweitjob Geld verdienen zu müssen (wie z.B. Putzen am Abend, Zeitung vertragen am Morgen, Verkauf am Samstag etc.), fällt weg, was wiederum dazu führt, dass diese Jobs jemand anderem zur Verfügung stehen.

Weniger Schwarzarbeit dank Mindestlöhnen.


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Welche Schlüsse kann man aus der Uneinigkeit der Ökonomen zum Mindestlohn ziehen? Ökonomen sind sich nicht grundsätzlich uneinig – es gibt Minderheitsmeinungen gegen den Mindestlohn. Je höher der Mindestlohn, desto mehr Ökonomen haben Bedenken. Ob die Einführung eines Mindestlohns in der Schweiz wünschbar ist oder nicht, ist aber nicht in erster Linie eine Frage der Ökonomie. Sie kann uns keine eindeutige Antwort geben, auch wenn immer mehr Experten die Auffassung vertreten, dass ein staatlicher Mindestlohn auch ökonomisch eine gute Sache wäre. Die Notwendigkeit eines Mindestlohns lässt sich deshalb besser mit dem Gebot der Gerechtigkeit als nur mit ökonomischen Überlegungen begründen. Es ist ungerecht, wenn jemand, der Vollzeit arbeitet, vom Lohn für seine Tätigkeit nicht anständig leben kann. Es ist entwürdigend, wenn ein Mann oder eine Frau nach acht, neun oder zehn Stunden harter Arbeit noch bei der Sozialhilfe um Geld betteln muss, damit er oder sie über die Runden kommt. Es ist falsch, wenn die Allgemeinheit über ihre Steuern quasi die Arbeitgeber subventioniert und ihre zu tiefen Löhne über die Sozialhilfe aufstockt. Armut macht krank und schliesst die Betroffenen vom gesellschaftlichen Le-

Mindestlöhne sind eine Frage der Gerechtigkeit und nicht der Ökonomie.

ben aus. Mit anderen Worten: Wer wenig verdient, lebt schlecht und stirbt früh. „Ein Mensch muss von seiner Arbeit leben können und sein Lohn muss wenigstens existenzsichernd sein!“ forderte darum Adam Smith, der Urvater der liberalen Wirtschaftstheorie und des freien Marktes, bereits 1776.

Weshalb wollen die Gewerkschaften für die Schweiz einen gesetzlichen Mindestlohn? Es ist die Aufgabe der Gewerkschaften, die materielle Situation ihrer Mitglieder und aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern. Sie tun das, indem sie mit den Arbeitgebern verhandeln. Im Notfall greifen sie auch zu Kampfmassnahmen wie Demonstrationen oder Streiks. Auf diese Weise ist es ihnen immer wieder gelungen, die Situation der Arbeitnehmenden zu verbessern, zum Beispiel durch die Festschreibung von Mindestlöhnen in Gesamtarbeitsverträgen. Leider gibt es Branchen oder auch Unternehmen, in denen es für die Gewerkschaften aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, Einfluss zu nehmen. Entweder weigern sich die Unternehmen grundsätzlich, mit den Gewerkschaften zu verhandeln. Oder die Branche ist so strukturiert, dass es

Die Gewerkschaften sind nicht überall gleich stark – darum braucht es einen gesetzlichen Mindestlohn.


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auf Arbeitgeberseite gar keine Organisationen gibt, mit denen die Gewerkschaften ins Gespräch kommen könnten (z.B. Privathaushalte). Oft sind es solche gewerkschaftsfeindlichen Branchen, in denen die tiefsten Löhne bezahlt werden und in denen der Niedriglohnbereich besonders gross ist. Für rund 60 Prozent der Arbeitnehmenden ist kein Mindestlohn festgelegt. In Branchen ohne GAV kommt es zudem immer wieder zu skandalösen Fällen von Lohndumping. Skrupellose Arbeitgeber drücken die Löhne, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen – zu Lasten der Beschäftigten, der Qualität, der Kunden und nicht zuletzt der fairen Arbeitgeber, die anständige Löhne zahlen. Aus diesen Gründen haben die Gewerkschaften beschlossen, eine Mindestlohn-Initiative zu lancieren, die zwei Ziele verfolgt: 1. Der Staat soll mit geeigneten Massnahmen den Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen mit Mindestlöhnen fördern, und dort wo das nicht möglich ist soll er 2. einen gesetzlichen Mindestlohn vorschreiben.

Machen sich die Gewerkschaften mit einem gesetzlichen Mindestlohn nicht überflüssig? Nein. Die Mindestlohn-Initiative geht ausdrücklich davon aus, dass Lohnverhandlungen in erster Linie eine Sache der Sozialpartner und nicht des Staates sind. Deshalb fordert das Volksbegehren die Förderung der Gesamtarbeitsverträge. In solchen Verträgen werden nicht nur die Löhne, sondern auch viele andere Arbeitsbedingungen (Ferien, Arbeitszeit, Sozialleistungen usw.) geregelt. Die Gewerkschaften werden darum auch mit einem gesetzlichen Mindestlohn nicht überflüssig.

Aber kommen mit einem gesetzlichen Mindestlohn nicht die Mindestlöhne in den GAVs unter Druck? Auch Branchen, in denen bereits heute höhere GAV-Mindestlöhne gelten, würden von einem guten gesetzlichen Mindestlohn profitieren: Wenn jede Arbeit anständig bezahlt werden muss, können die Unternehmen nicht mehr so leicht bestehende GAV umgehen und Lohnkosten auf dem Buckel der Beschäftigten «sparen», indem sie notwendige Arbeiten in Tieflohnbranchen «outsourcen» oder von «billigeren» temporär Beschäftigten erledigen lassen.

Gesamtarbeitsverträge und Mindestlöhne ergänzen sich.


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Ein gesetzlicher Mindestlohn stärkt darum die bestehenden Gesamtarbeitsverträge und erleichtert den Abschluss neuer Verträge in bisher ungeregelten Branchen. Die Gewerkschaften können auf der Basis eines guten gesetzlichen Mindestlohns auch für qualifizierte Arbeitskräfte bessere Löhne durchsetzen. Vernünftige Arbeitgeber werden dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter von einem Lohnsystem profitieren, in dem Ausbildung, Berufserfahrung usw. weiterhin existieren. Damit steigen gerade die mittleren Löhne über dem Mindestlohn ebenfalls an. Ein gesetzlicher Mindestlohn ist keineswegs eine einseitige Angelegenheit des Staates. Gewerkschaften und Arbeitgeber werden an der regelmässigen Anpassung des gesetzlichen Mindestlohnes beteiligt.

Wer würde eigentlich am ehesten von einem Mindestlohn profitieren? Folgende Personengruppen sind einem überdurchschnittlich hohen Niedriglohnrisiko ausgesetzt: 

Beschäftigte in Kleinbetrieben oder bestimmten Wirtschaftszweigen wie Handel und Dienstleistungen oder Landwirtschaft

Frauen,

jüngere Arbeitnehmer,

Hilfsarbeitskräfte wie z.B. Reinigungskraft, Hilfsarbeit in der Land-

Frauen würden am meisten profitieren.

wirtschaft, 

Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung,

Teilzeitbeschäftigte.

Gibt es eigentlich einen Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Qualität der Arbeit? Die Qualität am Arbeitsplatz steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Höhe der Löhne. Je tiefer der Lohn, desto schlechter sind in der Regel die Arbeitsbedingungen. Niedriglohn wird somit immer mit schlechten Arbeitsbedingungen, unzureichender sozialer Absicherung (niedriger Lohn = niedrige Rente im Alter) und keinerlei Chancen auf Weiterbildung, Qualifizierung und berufliche Karriere gleichgesetzt. Niedrige Löhne haben zudem ungenügende Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit und Krankheit zur Folge. Aus sozialer und gesellschaftlicher

Mindestlöhne sind wichtig für die Bekämpfung der Armut.


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Sicht sind Niedriglöhne nicht nur Auslöser für Altersarmut, sondern sie sind eine wichtige Ursache für Armut überhaupt. Mit anderen Worten: Ein Mindestlohn ist ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Armut und soziale Ausgliedrung.

Wie hoch muss ein Mindestlohn sein? Ausgangspunkt für die Forderung nach einem Mindestlohn ist das Existenzminimum. Jemand, der 100 Prozent arbeitet, soll mit dem Lohn seinen Lebensunterhalt finanzieren können. Es gibt viele Arten, wie dieses Existenzminimum berechnet werden kann. So kennt man in der Schweiz das Existenzminimum gemäss der Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Daneben gibt es auch das so genannte betreibungsrechtliche Existenzminimum. Das ist der Betrag, der einem Schuldner im Falle einer Pfändung wegen Schulden auf jeden Fall belassen werden muss und nicht gepfändet werden darf. Zur materiellen Grundsicherung zählen gemäss SKOS folgende Positionen: Wohnkosten (samt üblichen Nebenauslagen), Medizinische Grundversorgung (samt Selbstbehalten und Kosten nötiger Zahnbehandlung), Grundbedarf für den Lebensunterhalt. Existenzminimum gemäss SKOS plus 10 Prozent (2008) Grundbedarf

990 Franken

Wohnen (2-Zimmer-Wohnung)

910 Franken

Berufsauslagen

400 Franken

diverse situationsbedingte Ausgaben

200 Franken

Steuern/Sozialversicherung/Krankenversicherung

750 Franken

Risikomarge 10 Prozent

320 Franken

Total (2008)

3570 Franken

Total (2011)

3800 Franken

In der Schweiz braucht es also mindestens 3800 Franken um über die Runde zu kommen. Es gibt noch eine andere, international übliche Berechnungsmethode, um herauszufinden, wie hoch ein Mindestlohn sein sollte. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat die Tief- oder Niedriglohnschwelle folgendermassen definiert: Als Niedriglohn wird ein

Es braucht mindestens 4000 Franken pro Monat oder 22 Franken pro Stunde.


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Bruttolohn bezeichnet, der unterhalb von zwei Dritteln des nationalen Medianbruttolohns aller Vollzeitbeschäftigten liegt. Was ist aber ein Medianbruttolohn? Der Medianbruttolohn ist der Lohn, bei dem eine Hälfte aller Beschäftigten mehr verdient, und die andere dementsprechend weniger. Der Medianlohn liegt also genau in der Mitte. Von diesem Lohn nimmt man zwei Drittel und man hat die Niedriglohngrenze. Es ist sinnvoll, diese Grenze auch gleichzeitig als Mass für einen Mindestlohn zu nehmen. In der Schweiz beträgt dieser Medianlohn 5823 Franken. Zwei Drittel davon sind 3882 Franken. Ausgehend von diesen Zahlen (SKOS-Richtlinien zum Existenzminimum, Niedriglohngrenze gemäss OECD) wird in der Initiative der Gewerkschaften ein Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde gefordert. Das sind bei einer bei einer 42 Stunde-Woche 4000 Franken pro Monat. Zur Erinnerung: Mit diesem Lohn kann man ein einigermassen anständiges Leben führen. Die Summe liegt aber nur knapp über dem Existenzminimum, so dass der Lohn sicher nicht als zu hoch bezeichnet werden kann.

Sind Niedriglöhne in der reichen Schweiz überhaupt ein Problem? In der Schweiz arbeiten heute rund 400‘000 Menschen zu Armutslöhnen, d.h. sie verdienen weniger als 3'500 Franken im Monat. Viele von ihnen sind „working poor“, das heisst sie sind trotz Arbeit arm und auf Sozialhilfe angewiesen. Steigende Krankenkassenprämien und hohe Mietkosten liegen schwer auf dem Familienbudget, wenn der Lohn nicht reicht. Rund 300'000 Tieflohnbezügerinnen sind Frauen. Mindestlöhne sind also auch ein wichtiger Schritt in Richtung Lohngleichstellung! In der Schweiz wachsen 233'000 Kinder in Armut auf, viele von ihnen, obwohl ihre Eltern Arbeit haben. Oder anders gesagt: Wer zu wenig verdient, kann sich keine Kinder «leisten». Das ist ein sozialpolitischer Skandal. Ein Lohn von mindestens 4000 Franken hilft darum nicht nur den Direktbetroffenen, sondern auch den Familien. Tiefstlöhne haben auch im Alter schlimme Folgen: Sie führen zu Armutsrenten. Darum ist der gesetzliche Mindestlohn auch im Pensionsalter wichtig, speziell auch für viele Frauen: Denn wer im Erwerbsleben einen anständigen Lohn erhält, hat im Alter eine existenzsichernde Altersvorsorge.

Fast eine halbe Million bekommt nur einen Hungerlohn.


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Ist es nicht so, dass die Löhne steigen, und das Problem der Niedriglöhne immer kleiner wird? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die Löhne der Arbeitnehmenden mit mittleren und tiefen Einkommen sind nach Abzug der Teuerung in den letzten Jahren kaum gestiegen. Profitiert haben nur die hohen Einkommen. So hat die Zahl derjenigen, die eine Million Franken und mehr verdienen stark zugenommen. Die Normalverdienenden hingegen verspüren steigenden Lohndruck.

Was sind die Ursachen dieses Lohndrucks? Es gibt mehrere Gründe: 

Höhere Arbeitslosigkeit. Das ist unter anderem eine Folge von Rationalisierungen in den Betrieben. Mehr Arbeitslose bedeutet mehr Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Lohnerhöhungen sind schwieriger.

Lohndiskriminierung der Frauen: Bei gleicher Arbeit verdienen die Frauen rund 10 Prozent weniger als die Männer. In den letzten 20 Jahren ist der Anteil der Frauen an der Gesamtbeschäftigung von rund 41 auf 45 Prozent gestiegen. Die Firmen haben auf Kosten der Frauen mehr Gewinn gemacht.

Auslagerung von Arbeiten in Billigfirmen: Viele Firmen haben einen Teil ihrer Tätigkeiten in externe Firmen, die tiefere Löhne zahlen, ausgelagert. So zum Beispiel die Reinigung. Bis in den 1990er Jahre hatten die Banken das Reinigungspersonal selber angestellt. Mittlerweile putzen externe Reinigungsfirmen die Banken.

Sparprogramme der öffentlichen Hand: Wegen diesem künstlichen und unnötigen Spardruck hinken die öffentlichen Löhne den Löhnen in der Privatwirtschaft hinterher.

Verbilligung der Temporärarbeit: Temporärbüros können wegen der Personenfreizügigkeit Grenzgänger und Kuraufenthalter aus dem Ausland an Schweizer Firmen verleihen. Wenn die Temporärbüros den Temporärbeschäftigten aus dem Ausland keine Schweizer Löhne zahlen, wird die Temporärarbeit billiger. Bei Lohnkontrollen wird oft Lohndumping bei Temporären festgestellt. Der Anteil der Temporären an der Gesamtbeschäftigung in der Schweiz hat sich innerhalb von 10 Jahren fast verdoppelt und beträgt heute mehr als 2 Prozent – in einzelnen Branchen (z.B. Bau) ist es fast ein Viertel.

Lohndruck ist gestiegen.


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Bonus-Zahlungen: Von den Boni profitieren vor allem die hohen Einkommen auf Kosten der tieferen Einkommen. Es ist daher kein Wunder, dass die Lohnschere genau in den Branchen mit dem höchsten Bonus-Anteil (Banken, Versicherungen) aufgegangen ist.

Ist nicht auch die Personenfreizügigkeit schuld am Lohndruck und den vielen tiefen Löhnen? Seit der Personenfreizügigkeit hat der Druck auf die Löhne tatsächlich zugenommen. Die Gewerkschaften haben daher für flankierende Massnahmen gekämpft, und wollen diese und die damit verbundenen Kontrollen weiter verbessern. Aber gerade in Branchen ohne Mindestlohn kommt es immer wieder zu Fällen von Lohndumping. Die Einführung eines Mindestlohns wäre deshalb eine wichtige Ergänzung zu den bestehenden flankierenden Massnahmen. Mit einem gesetzlichen Mindestlohn wird es nicht mehr möglich sein, in der Schweiz zu einem Lohn von 10, 12 oder 15 Franken pro Stunde zu arbeiten – auch nicht in den Branchen in denen die Gewerkschaften noch schwach sind. Ein Mindestlohn ist die beste Prävention gegen Lohndumping. Wer in der

Mindestlöhne sind wichtig als flankierende Massnahme bei der Personenfreizügigkeit.

Schweiz arbeitet, soll für die gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn erhalten und davon anständig leben können!

Ist es nicht so, dass die Löhne in der Schweiz im internationalen Vergleich schon jetzt zu hoch sind? Die Schweiz ist sicher kein billiges Land. Wie haben hohe Lebensmittelpreise, die Medikamente sind teurer als im Ausland, die Mieten sind hoch und die Krankenkassenprämien sind kaum mehr zu bezahlen. Es braucht deshalb auch Löhne, mit denen man das Leben in unsrem Land finanzieren kann. Für die internationale Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft ist aber nicht die Höhe der Löhne der entscheidende Faktor. Viel wichtiger ist, wie viel die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer bestimmten Zeit produzieren. Es geht um die Produktivität. Und hier liegen wir weit vorne. Wir produzieren ein Stück Ware drei, vier und fünf Mal so schnell wie die Konkurrenz im Ausland – und erst noch in besserer Qualität. Entscheidend sind also die Lohnstückkosten (der Anteil Lohn pro produziertes Stück Ware) und nicht der Lohn an sich.

Es kommt auf die Lohnstückkosten an.


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Aber werden bei einem Mindestlohn nicht Arbeitsplätze im Tieflohnbereich ins Ausland verlagert? Nein, denn Niedriglohn-Jobs sind vor allem bei ortsgebundenen Dienstleistungen zu finden (Coiffeur, Gastgewerbe, persönliche Dienstleistungen, Landwirtschaft usw.), die nicht ins Ausland verlagert werden können.

Ist es nicht falsch, einen einheitlichen Mindestlohn für das ganze Land festzulegen, ohne Rücksicht auf die regionalen Unterschiede? Ziel der Initiative ist ein nationaler Mindestlohn, deshalb soll es auch so wenige Ausnahmen wie möglich geben. Gegen eine Kantonalisierung der Löhne sprechen zahlreiche Argumente: sehr viele Preise sind national gleich hoch; viele Dienstleistungen werden über die Kantonsgrenzen hinweg angeboten bzw. ein beträchtlicher Teil der Dienstleistungen wird in den Kantonen von ausserkantonalen Anbietern erbracht (Bau usw.); kantonal unterschiedliche Mindestlöhne wären zudem

Kantone können den Mindestlohn aufstocken.

schwieriger zu kontrollieren. Was soll entscheidend sein, der teure Wohnkanton des Arbeitnehmers oder der Sitz des Unternehmens, für das er arbeitet, in einem anderen, „billigeren“ Kanton? Um aber Kantonen, die über den nationalen Mindestlohn hinaus einen höheren kantonalen Mindestlohn einführen wollen, diese Möglichkeit zu geben, ist in der Initiative zusätzlich eine entsprechende Kompetenz eingefügt. Abschläge sind aber nicht zulässig.

Bleibt der Mindestlohn für alle Zeiten gleich hoch? Der Mindestlohn muss regelmässig an die Lohn- und Teuerungsentwicklung angepasst werden – und zwar nach dem gleichen Mechanismus wie bei der AHV, dem so genannten Mischindex. Er steigt nicht nur im Ausmass der Teuerung, sondern berücksichtigt auch die Lohnerhöhungen zur Hälfte. Um die Teilanpassung an die Lohnentwicklung zu kompensieren, soll eine Anpassung über den Mischindex hinaus möglich sein. Der Mischindex ist das Minimum. Die Initiative verlangt zudem, dass bei einer Anpassung an die Lohn- und Preisentwicklung die Sozialpartner mitwirken dürfen.

Der Mindestlohn gilt also für alle Kategorien von Erwerbstätigen? Nicht ganz. Der Mindestlohn stellt eine zwingende Lohnuntergrenze dar, die in keinem Arbeitsverhältnis unterschritten werden darf. Branchenausnahmen sind nicht möglich. Auch für unter 25-Jährige soll es keine Ausnahmerege-

Der Mindestlohn wird der Teuerung und der Lohnentwicklung angepasst.


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lungen geben. Ausnahmen von der Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohnes sollen jedoch für bestimmte Anstellungen möglich sein. Unter der Bezeichnung „besondere Arbeitsverhältnisse“, die nicht unter den Geltungsbereich des Mindestlohnes fallen sollen, versteht die Initiative folgende Anstellungen: 

Berufslehre

Arbeitsverhältnisse mit Minderjährigen (z.B. Ferienjobs)

Anstellungen mit überwiegendem Ausbildungscharakter (Praktikum,

Lehrlinge und Familienbetriebe sind ausgenommen.

Einarbeitungszeit) 

Anstellungen im eigenen Familienbetrieb

Anstellungen mit überwiegendem gemeinnützigem Charakter (Freiwilligenarbeit)

Wie werden eigentlich die Gesamtarbeitsverträge in der Initiative berücksichtigt? Die Initiative nennt das wichtigste Instrument zum Schutz der Löhne: die Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen. Für die Gewerkschaften bleiben die Gesamtarbeitsverträge der Königsweg für anständige Löhne – erst wenn der Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages nicht möglich ist, gelten die gesetzlichen Mindestlöhne. Um den Abschluss von GAV mit Mindestlöhnen voranzutreiben, verlangt die Initiative, dass der Bund diese fördert.

Wie ist das zu verstehen? Unter Förderung des Abschlusses und der Einhaltung von Mindestlöhnen in GAV sind u.a. folgende Massnahmen zu verstehen: 

GAV-Pflicht bei öffentlichen Aufträgen von Bund, Kantone oder Gemeinden. Ein Unternehmen, das einen öffentlichen Auftrag von Bund, Kanton oder Gemeinde will, muss einen GAV abgeschlossen haben.

GAV-Pflicht bei Erteilung von Konzessionen und Finanzhilfen. Auch bei der Erteilung von Konzessionen, zum Beispiel für Radio- oder Fernsehsender oder Personentransport muss das gesuchstellende Unternehmen nachweisen, dass es einen GAV abgeschlossen hat.

Auslagerungen bzw. Privatisierungen nur unter der Auflage einer GAV-Einhaltung.

Öffentliche Aufträge nur noch mit Gesamtarbeitsvertrag.


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Was verlangt die Initiative genau? 

Ein neuer Verfassungsartikel (Art. 110a neu) gibt Bund und Kantonen den Auftrag, Massnahmen zum Schutz der Löhne zu treffen.

Das geschieht in erster Linie über eine Förderung von Mindestlöhnen in Gesamtarbeitsverträgen und in zweiter Linie über einen nationalen gesetzlichen Mindestlohn.

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt 22 Fr./h (2011).

Er wird an die Lohn- und Teuerungsentwicklung angepasst.

Die Kantone erhalten die Kompetenz, höhere Mindestlöhne als der nationale Mindestlohn festzulegen.

Wie lautet der Text der Initiative? I. Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 110a Schutz der Löhne 1 Bund und Kantone treffen Massnahmen zum Schutz der Löhne auf dem Arbeitsmarkt. 2 Sie fördern zu diesem Zweck insbesondere die Festlegung von orts-, berufs- und branchenüblichen Mindestlöhnen in Gesamtarbeitsverträgen und deren Einhaltung. 3 Der Bund legt einen gesetzlichen Mindestlohn fest. Dieser gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als zwingende Lohnuntergrenze. Der Bund kann für besondere Arbeitsverhältnisse Ausnahmeregelungen erlassen. 4 Der gesetzliche Mindestlohn wird regelmässig an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst, mindestens aber im Ausmass des Rentenindexes der Alters- und Hinterlassenenversicherung. 5 Die Ausnahmeregelungen und die Anpassungen des gesetzlichen Mindestlohnes an die Lohn- und Preisentwicklung werden unter Mitwirkung der Sozialpartner erlassen. 6 Die Kantone können zwingende Zuschläge auf den gesetzlichen Mindestlohn festlegen.

II. Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert:


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Art. 197 Ziff. 8 (neu) 8. Übergangsbestimmungen zu Art. 110a (Schutz der Löhne) 1 Der gesetzliche Mindestlohn beträgt 22 Franken pro Stunde. Bei der Inkraftsetzung von Artikel 110a wird die seit dem Jahr 2011 aufgelaufene Lohn- und Preisentwicklung nach Artikel 110a Absatz 4 hinzugerechnet. 2 Die Kantone bezeichnen die Behörde, die für den Vollzug des gesetzlichen Mindestlohnes verantwortlich ist. 3 Der Bundesrat setzt Artikel 110a spätestens drei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände in Kraft. 4 Falls innert dieser Frist kein Ausführungsgesetz in Kraft gesetzt wird, erlässt der Bundesrat unter Mitwirkung der Sozialpartner die nötigen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg.

Wer unterstützt alles die Initiative? 

SGB – Schweizerischer Gewerkschaftsbund

Unia

SEV – Gewerkschaft des Verkehrspersonals

Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD)

Syndicom – Gewerkschaft Medien und Kommunikation

Personalverband des Bundes PVB

Musikpädagogischer Verband

garaNto

AvenirSocial

Schweizer Syndikat Medienschaffender – SSM

kapers – Vereinigung des Kabinenpersonals

Schweizerischer Musikerverband SMV

Schweizerischer Bühnenkünstlerverband SBKV

SIT – Syndicat interprofessionnel de travailleuses et travailleurs

KABBA – Komitee der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen

Alternative Liste / Linke

LCH – Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer

SAH – Schweizerisches Arbeiterhilfswerk


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Liste 13

SP

Grüne

CSP

JUSO Schweiz

Junge Grüne

VASOS – Vereinigung aktiver Senioren- und SelbsthilfeOrganisationen der Schweiz

IG Sozialhilfe

Wann wird über die Initiative abgestimmt? Für die Mindestlohn-Initiative werden seit dem 25. Januar Unterschriften gesammelt. Die Initianten haben bis zum 25. Juli 2012 Zeit, die benötigten 100‘000 Unterschriften zu sammeln. Nach dem Zustandekommen der Initiative muss der Bundesrat dem Parlament einen Vorschlag machen, wie mit der Initiative zu verfahren ist. Er die Annahme oder die Ablehnung empfehlen. Er kann auch einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag machen. Anschliessend entscheidet das Parlament. Und dann erst kann das Volk über die Initiative und eventuell einen Gegenvorschlag abstimmen. Wann diese Abstimmung stattfinden wird, kann heute noch nicht gesagt werden.

pc/27.1.2011


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