Das Buch der Rose - Leseprobe

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Leseprobe aus

Petra van Cronenburg: Das Buch der Rose. Eine Kulturgeschichte. Edition Tetebrec Ausschnitt aus dem Kapitel „Rosenkriege und Züchterwettstreit“, S. 114 – 117 © by Petra van Cronenburg, alle Rechte vorbehalten

Mehr über das Buch: http://bit.ly/RosenInfo Das Layout der Leseprobe ist unabhängig vom Buch gestaltet, weil das Original als E-Book vorliegt.


Die neue Rose schrieb Geschichte, und in vielen Ländern wurde ihr liebevoll ein eigener Namen gegeben. Peace nennt man sie international, die Deutschen kennen sie als Gloria Dei, die Italiener freuen sich an Gioia. Francis Meilland benannte seine Züchtung von 1942 ursprünglich nach seiner toten Mutter: Madame Antoine Meilland. Ihre Blüte ist bestimmt vom zarten Gelb einer an Pernet-Sorten erinnernden Rose, überhaucht mit Rosa, das bis zu einem karminroten Rand nachdunkeln kann. Die große, fruchtig duftende Blüte verändert ihre Farben je nach Temperatur, Licht und Standort, mit zunehmender Kühle wirkt sie gelber, heller, schwächer. Von ihr stammen die ebenfalls beeindruckenden Sports Chicago Peace in Pfirsichfarben mit roten Schattierungen und die dunkel-samtrote Kronenbourg mit den auffälligen gelben Petalenrückseiten. Nicht die Qualitäten, Schönheit und Beliebtheit allein machten Meillands Rose zur weltweit am häufigsten kultivierten Sorte. Sie wurde zum Sinnbild vom Sieg über den Krieg, von einer zarten Blume, die Feindeslinien durchbrach, überlebte, zurückkehrte und schließlich sogar ehemalige Erzfeinde in der Liebe zu ihr vereinte. Schon einmal in der Geschichte hatte es Rosen gegeben, deren Namen untrennbar mit einem Krieg verbunden waren, allerdings stifteten sie keinen Frieden. Shakespeare machte die Sorten unsterblich, die Kämpfe gingen als Rosenkriege (1455–1485) in die Geschichte ein.

“Der heut’ge Zank ... Wird zwischen roter Rose und der weißen In Tod und Todesnacht tausend Seelen reißen.”

So heißt es in Shakespeare’s Heinrich VI., und weiter:

“Sein Antlitz führt die rothe Ros’ und weiße, die Unglücksfarben unsrer zwist’gen Häuser.”


Im Bürgerkrieg um die englische Thronherrschaft standen sich damals die Adelshäuser York und Lancaster gegenüber, zwei Zweige des Hauses Plantagenet. Zum Namen des endlos scheinenden Krieges kam es aufgrund der Wappenblumen. Das House of York führte die weiße Rosa alba maxima, das House of Lancaster die rote Apothekerrose (Rosa gallica officinalis). Noch gab es im Gedenken an den Frieden keine eigene Rosensorte, aber der Lancaster-Sprössling Heinrich VII. legte bei seiner Heirat mit Elizabeth von York 1486 symbolisch die beiden Wappenrosen aufeinander. Diese so genannte Tudorrose, die Wappenrose des englischen Königshauses, verband sich sogar später mit einer real existierenden Sorte: Die weiß, hellrosa und rötlich gefleckte oder zufällig changierende York and Lancaster Rose (Rosa damascena versicolor) ist seit 1551 schriftlich belegt. Als Friedensrose hat sie sich gegen die Symbolik der weißen Yorkrose und der roten Lancasterrose nie sonderlich durchsetzen können – und so übertrug sich auch die Bezeichnung „Rosenkriege“ auf aggressive Kämpfe von Scheidungspaaren. Dass mit Meillands Mme A. Meilland dagegen erstmals ein fest verankerter Friedensmythos gelang, ist hauptsächlich einer geschickten PRKampagne zu verdanken. Francis Meilland hatte bereits 1935 mit unterschiedlichen Kombinationen für große Blüten Versuche angestellt. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schickte er Reiser seiner noch unbenannten Züchtung an Kollegen in den USA, nach Italien und zu Kordes nach Deutschland. So kam es, dass die Pflanze dort bereits in den Baumschulen gezogen und benannt wurde, ohne dass Meilland durch die Kriegswirren davon erfahren hätte. Sein amerikanischer Kollege Robert Pyle, Inhaber der Conrad Pyle Rosenzucht, wartete mit der Taufe bis 1945. In den Tagen des Befreiungskampfes um Berlin im April 1945 bekam die Züchtung Meillands in den USA den hoffnungsvollen Namen Peace. Sie hatte, wie so viele Emigranten auch, mit viel Glück den Zweiten Weltkrieg überlebt und war der deutschen Besatzung von Frankreich entgangen. Dafür sollte die Rose, bevor sie nach Europa heimkehrte, in allen Köpfen vom Frieden künden. Robert Pyle ließ 1945 bei der Gründungsversammlung der Vereinten Nationen in San Francisco jedem Leiter der 49 Delegationen eine Peace aufs Hotelzimmer stellen.


So wurde die Rose ein generationenübergreifendes, mahnendes Symbol dafür, wie wichtig Frieden in der Welt ist. Ob als „Ruhm Gottes“ (Gloria Dei) wie in Deutschland oder „Freude“ (Gioia) wie in Italien – ihre drängende Friedensbotschaft hat die meistverkaufte Rose der Welt, der man 1976 als erster den Titel „Weltrose“ verlieh, nie verloren. Mit den Blüten der Rosenkriege hatte die Lieblingsblume der Menschheit die gefährliche Kampflinie ins Lebensfeindliche überschritten, hatte ihre Unschuld verloren. Doch lange blieb sie nie auf der Seite des Todes, dazu versprachen ihre Reizungen der Sinne zu sehr Lebenslust. Die meisten Kämpfe um Rosen blieben darum auf der friedlichen Seite des Wettstreits und Strebens nach Verbesserungen.

© by Petra van Cronenburg, alle Rechte vorbehalten

Das Buch jetzt kaufen: http://bit.ly/BuchderRose


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