Nr. 121 - Oktober 2012
Insight
SEKEMs Journal für Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Ökologie in Ägypten
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, nach rund 10 Jahren Planungszeit eröffnete am 23. September 2012 die Heliopolis Universität. Wir dachten uns, das ist Grund genug, der neuen Einrichtung SEKEMs eine ganze Ausgabe zu widmen.
Heliopolis Uni
Umweltschutz
Waldorfschulen
Einrichtung heißt erste Studenten willkommen
Lebensbaum-Stiftung ehrt „Moorhelden“
Neuer Kurzfilm zur Umweltbildung
Öffnung der Heliopolis Universität beschließt 10jährige Entwicklungsgeschichte Am 23. September öffnet die Heliopolis Universität ihre Pforten für ihren ersten StudentInnenjahrgang. Anlässlich der Eröffnungsfeierlichkeiten lernten diese jetzt erstmals die SEKEM-Farm und ihren Entwicklungsimpuls kennen.
Aus diesem Grunde stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe die neue Einrichtung etwas genauer vor. Nachdem wir in der vergangenen Ausgabe bereits über das innovative Studium Fundamentale berichtet haben, widmen wir uns diesmal der Eröffnungswoche. Sie gab den StudentInnen erstmals die Möglichkeit, ihr neues Arbeitsumfeld zu entdecken und die SEKEM Initiative genauer kennenzulernen. Viele zeigten sich von der Schönheit der Anlagen und der Bandbreite des Engagements der Initiative beeindruckt, denn in Ägypten ist SEKEM vorrangig als Produzent von Bioprodukten und weniger als kulturelle Initiative bekannt. Das wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich ändern, wenn die Bildungsangebote nicht nur der Heliopolis Universität mehr und mehr Interessierte anziehen werden.
Ihr Redaktionsteam SEKEM finden sie im Internet auch auf:
Die ersten Studenten erhielten am Tage der Eröffnungsfeierlichkeiten die Möglichkeit eines umfassenden Besuchs der SEKEM-Farm. Mit weiteren 50-100 Studenten wird für den ersten Jahrgang gerechnet.
E
s ist ein besonderes Erlebnis, an der Eröffnung einer neuen Universität teilzunehmen - noch dazu einer so speziellen Einrichtung. So empfanden die jungen Studenten und Studentinnen des ersten Studienganges in diesen Tagen während der Eröffnungsfeierlichkeiten, wie viele ihrer Kommentare bezeugen. Denn es ist nicht irgendeine Universität, die sie besuchen, sondern eine buchstäblich einzigartige
Institution, vollständig und in integrativer Weise auf der Idee nachhaltiger Entwicklung gegründet. Sie ist als gemeinnützige und unabhängige Einrichtung konstituiert. Am 23. September nahm die erste Gruppe von StudentInnen ihr Studium auf. In den kommenden Wochen werden noch einmal 50-100 Neuankömmlinge erwartet. Sie beginnen ihr Studium an zunächst drei Fakultäten: SEKEM Insight | Oktober 2012 | Seite 1
Kultur
Pharmazie, Ingenieurwesen und Betriebswirtschaftslehre. Innerhalb dieser wird eine Spezialisierung in Fächer wie Marketing, Buchführung, Volkswirtschaftslehre und im Umweltbereich erneuerbare Energien oder Wasser möglich sein. Während ihrer ersten Studienwoche genossen die jungen Studierenden im Alter zwischen 19 und 21 zunächst eine mehrtägige Orientierungs veranstaltung. Hier lernten sie auch alles Wichtige über SEKEM und ihre Geschichte, die globalen Herausforderungen, die zu lösen mitzuhelfen die Initiative sich vorgenommen hat, und die Bedeutung nachhaltiger Entwicklung für die Entwicklung der Menschheit. Schlechter Ruf privater Bildung Am 1. August hatte die Einrichtung die letzte administrative Hürden nehmen können. Danach war alles sehr schnell gegangen. Diesem Tag waren fast 10 Jahre der Planung vorausgegangen. Bereits zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts war in SEKEM die Idee entstanden, die vorhandenen pädagogischen Institutionen durch eine Einrichtung für die höhere Bildung abzurunden. Klaus Merckens, der mit seiner Familie die soziale Arbeit SEKEMs als langjähriger Geschäftsführer der damaligen SEKEM-Stiftung für kulturelle Entwicklung in Ägypten geprägt hat, nahm die Entwicklung eines Konzepts in Angriff. 2003 konnte unter Mitarbeit wechselnder Fachkräfte aus Europa
und Ägypten erstmals ein „Uni-Team“ gebildet werden, das sich als erstes Ziel die Herstellung der Ge neh migungsunterlagen setzte. Diese mussten nicht nur ein pädagogisches Konzept, sondern auch ausgearbeitete Lehrpläne, ein Finanzierungskonzept und Informationen zu den baulichen Verhältnissen enthalten. Damals waren die Universitätsgebäude an genau dem selben Platz geplant worden, an dem sie heute stehen. Einem ersten Versuch 2004, eine Genehmigung zu erhalten, folgten Jahre des bürokratischen Tauziehens. In den vorangegangenen Jahren hatte sich in Ägypten eine private Bildungslandschaft gebildet, die sich durch geringe Qualität und hohe Studiengebühren auszeichnete. Kairo habe genug Bildungseinrichtungen dieser Art, befand man, und verweigerte der SEKEM trotz des innovativen Konzepts die Zulassung.
genden Zeit zu einem inneren Entwicklungsprozess und regem Austausch an Praxiswissen und gemeinsamen Beratungen mit zahlreichen Hochschulen und einen ersten Austausch von Know-How und „best practice“. Zu den ideellen Partnern der neuen geplanten Einrichtung gehörten schnell führende Wirtschaftsschulen in Europa, die Alanus Hochschule in Alfter und andere renommierte Einrichtungen von den USA bis Australien. Aus diesen Kooperationen gingen teils langjährige Freundschaften hervor. Auch mit internationalen Fi nan zierungsorg anisationen wie der Weltbank wurden erste Gespräche geführt. Die Europäische Kommission förderte von 2004 bis 2007 mehrere Entwicklungsprojekte für die inhaltliche Entwicklung der Studienprogramme. Humanistischer Bildungsbegriff
Partnerschaften halfen Grundlagen legen Die Verleihung des Schwab Stiftungspreises für herausragendes Unternehmertum und des Alternativen Nobelpreises im Jahr 2003 hatte zu einer beträchtlichen Ausdehnung der internationalen Bekanntheit SEKEMs geführt. Dadurch angeregt verbanden sich auch Vertreter des weltweiten Bildungsbranche mit SEKEMs Idealen, und das Interesse an einer „euromediterranen“ Bildungseinrichtung auf gemeinnütziger Basis wuchs. Eine enge Freundschaft zur Universität Witten-Herdecke führte in der fol-
Kern dieser Programme ist auch heute das bereits früh entworfene Studium Fundamentale („Core Programme“), das unabhängig vom Fachstudium für alle Studenten verbindlich ist (SEKEM Insight berichtete). Das Programm basiert auf einem ganzheitlichen Bildungsbegriff, der die Persönlichkeit der Studenten einbezieht und diese durch allgemeinbildende Studien zu Gesellschaftsfragen und Aspekten des Umweltschutzes, der Kunst und Kultur, Wissenschaft und Unternehmertum fördert. Während der Einführungswoche bekamen die StudentInnen einen ersten Eindruck von diesen und ande-
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ren Themen durch eine Präsentation von Dr. Ibrahim Abouleish. Er erläuterte den Studenten die globalen Herausforderungen künftiger Generationen und die Verantwortung unserer eigenen. Den StudentInnen bot dies die besondere Gelegenheit, von seinem Wissen und seiner Erfahrung zu profitieren. Viele nutzten die Gelegenheit zur Diskussion. Integration in Arbeiten und Leben SEKEMs Die Verbindung humanistischer Allgemeinbildung mit Praxis f ä hig kei ten und einem Wissen, das konkrete Ent wicklungsherausfor de rung en in den Blick nimmt, steht als Bildungskonzept hinter diesen auf den ersten Blick nur der ästhetischen Bildung gewidmeten Ausbildungsteilen. Das bedeutet, dass der auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Kern des Lehrkonzepts sich durch sämtliche Lehr- und Pra x is
an gebote zieht: wo eine humanistische Allgemeinbildung den Menschen nachhaltig zu bilden sucht, sind auch die Lehrinhalte an regionalen Entwick lungs f ragen orientiert und Praktika in SEKEM und anderen Einrichtungen verschaffen den Studenten den nötigen Realitätsbezug. Die Universität wird auch umfassenden Gebrauch von Methoden des interaktiven Lernens machen - ein Novum in Ägypten. Um den StudentInnen die Bedeutung der Arbeit SEKEMs und die Wechsel wirkungen moderner Lebensstile mit unserer natürlichen Umwelt zu verdeutlichen, hatten die StudentInnen auch Zeit, SEKEM zu erkunden. Vielen war die Bandbreite der Aktivitäten nicht bewusst. Sie zeigten sich begeistert von der Schönheit der Anlagen und der Vielfalt der sozialen Projekte. Studieren im Park Zurück auf dem Campus gaben ihnen ihre zukünftigen Dozenten erst-
mals einen Vorgeschmack auf das erste Semester, besonders die künstlerischen Angebote. Zu ihnen gehören Bewegungskunst, Sprache und Musik, bildende Künste, Musik und Theater, Schauspiel und Rede. Die Studenten zeigten sich interessiert an dem ungewöhnlichen Angebot, das sie sofort ausprobieren konnten. Es gaben ihnen eine erste Gelegenheit, Fähigkeiten zu erkunden und ihre Kommilitonen besser kennenzulernen. Während der Pausen konnten die StudentInnen auch die grünen Parks genießen, welche die Gebäude der Universität umgeben. Neben dem neuen Kunstpavillon findet sich Werkstätten und die dazugehörige Fakultät für Ingenieurwesen. Die daneben liegende Fakultät für Pharmazie ist mit modernsten Labors und Technik ausgestattet. Am Ende der Orientierungswoche, nachdem sie die meiste Zeit in gemischten Gruppen verbracht hatten, war es Zeit, die neuen Räumlichkeiten zu beziehen und das übrige Lehrpersonal kennenzulernen. Die werden übrigens in Zukunft auch in ungewöhnlichen Fragen auf die Meinung ihrer Studenten bauen. Die Universität macht es sich zur Aufgabe, das Engagement der Studierenden aktiv zu fördern. In der Einführungswoche hatten diese daher auch sofort die Gelegenheit, an der Erstellung des ethischen Verhaltenskodex der Einrichtung mitzuwirken. Ein weiteres Prinzip, das in die Zukunft weist. Bijan Kafi, Mette Solnordal
Das Core Programme erlaubt eine Spezialisierung innerhalb zahlreicher Schwerpunktgebiete.
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Mehr Informationen: http://www.hu.edu.eg
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Impressionen
Impressionen aus SEKEM
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n diesem Sommer erlebte SEKEM ganz besonderen Besuch: ein Japanischer Chor, bestehend zumeist aus den in Kairo ansässigen Ehefrauen von Ägyptern, besuchte SEKEM, um an einem Sonntagmorgen für eine halbe Stunde ein Gastkonzert im Park vor dem SEKEM-Hauptquartier am Stadtrand von Kairo zu geben. Dafür hatten sie sich ein ganz besondere Programm einfallen lassen. Sie begeisterten ihr Publikum aus SEKEM-Mitarbeitern mit japanischen, englischen und arabischen Liedern, die sie gekonnt und zur allgemeinen Freunde und Erstaunen vortrugen. Die Beziehung SEKEMs zum Chor der japanischen Frauen kam über eine Sängerin zustande, die gemeinsam mit SEKEM-Mitarbeitern in einem Kairoer Laienchor singt. Angela Hofmann (im Bild), zuständig in SEKEM für den Bereich der Demeter-Landwirtschaft, betreute die Gruppe. Welch ein Beispiel für einen gelungenen Kulturaustausch!
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Kurznachrichten
GLS Bank investiert in Elektroauto-Flotte
Lebensbaum-Stiftung ehrt Moorhelden
Bund der Waldorfschulen veröffentlicht neuen Kurzfilm
Der GLS Bank wurden kürzlich die Schlüssel für sechs Elektroautos überreicht. Die Autos sind Bestandteil eines Forschungsprojekts der Ruhr Universität Bochum (RUB), an dem die GLS Bank teilnimmt.
Über 60 Besitzer von Grundstücken im Diepholzer Moor sind in den letzten Wochen zu Moorhelden geworden, verkündet jetzt die Ulrich-Walter-GmbH, ein langjähriger Partner und Kunde SEKEMs. Sie haben ihre Grundstücke, die zusammen eine Fläche von ca. 50 Hektar ergeben, an die LebensbaumStiftung verschenkt und dadurch den Weg für einen unbürokratischeren und effektiven Moorschutz im drittgrößten Moorgebiet Norddeutschlands frei gemacht.
Der Bund der Freien Waldorfschulen hat kürzlich seinen zweiten Kurzfilm zum Thema „Ökologische Erziehung an Waldorfschulen“ veröffentlicht. Damit macht der Bund, der die Waldorfschulen weltweit vertritt, den nächsten Schritt in Sachen Bewegtbildkommunikation. Vor rund einem halben Jahr hatte er seine erste Produktion zum Thema „Waldorflehrer werden“ veröffentlicht und damit ein neues Kapitel in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit aufgestoßen.
„Elektromobilität ist ein richtiger und wichtiger Schritt, wenn eine Vernetzung mit regenerativen Energien und öffentlichem Nahund Fernverkehr sowie Car Sharing stattfindet. Genau das machen wir“, erläutert GLS Vorstandssprecher Thomas Jorberg. „Diese sechs Elektrofahrzeuge sind das sichtbarste Zeichen unseres Engagements für neue Mobilitätskonzepte – deshalb nehmen wir an dem Forschungsprojekt der RUB teil“, so Jorberg. Die E-Fahrzeuge wurden von der GLS Bank gekauft und stehen den GLS Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab sofort für regionale Dienstfahrten zur Verfügung. Zudem können sie privat über ein internes Car-SharingModell gemietet werden. So werden möglichst viele relevante Daten für das Forschungsprojekt erzeugt. Die Autos können per Feierabendmiete, per Wochenendmiete oder im Wochenbzw. Monatstarif gebucht werden.
Das musste gefeiert werden, fand der Vorstand der Lebensbaum-Stiftung. Er luden deswegen am Samstag, dem 8. September, nach Diepholz zu einem Moorhelden-Fest, um sich für die großzügigen Grundstücksschenkungen zu bedanken. Rund 30 Moorhelden und ihre Angehörigen kamen und feierten bei Kaffee, Kuchen und klimaneutral hergestellten Würstchen. „Sie alle sind Teil dieser einzigartigen Aktion, die Klima- und Naturschutz vor Ort ermöglicht“, erklärte Ulrich Walter, Gründer der Ulrich-Walter-GmbH, in seiner Ansprache.
Prof. Constantinos Sourkounis und sein Forscher-Team untersuchen, inwieweit Elektroautos schon für den Alltagsbetrieb geeignet sind, welche Reichweitenrestriktionen es gibt und mit welchen Maßnahmen entgegengewirkt werden kann.
Die Trockenlegung des Moores und der damit verbundene Abbau des Torfes haben tiefe Spuren in der Landschaft hinterlassen. Die Renaturierung dieses von herber Schönheit geprägten Naturerbes ist deswegen dringend notwendig, um bedrohten Tier- und Pflanzenarten ihren Lebensraum zurückzugeben. Außerdem soll durch eine gezielte Wiedervernässung die Freisetzung von klimaschädlichem Kohlendioxid aufgehalten werden, die in trockenen Mooren in großem Ausmaß stattfindet. Für die Diepholzer Moorniederung rechnen Experten mit 900.000t Kohlendioxid pro Jahr, die in die Umwelt abgegeben werden.
Quelle: GLS Bank
Quelle: Lebensbaum
Die sechs Autos erhalten ihren Stellplatz auf dem neuen mit einer Lademöglichkeit ausgestatteten Parkplatz der Bank. Für 2013 ist geplant, eine für Kunden und Besucher zugängliche Ladesäule in Betrieb zu nehmen.
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Mehr Informationen: http://www.gls-bank.de
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Mehr Informationen:
Der neue Film kann im Internet auf der Videoseite YouTube angesehen werden: http://bit.ly/PdKUPO. Unter dieser Adresse sind auch weitere Filme des Bundes unter anderem zum Beruf des Waldorflehrers und verschiedenen Unterrichtsarten (z.B. Eurythmieunterricht) zu sehen.
Quelle: Bund der Waldorfschulen
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Mehr Informationen: http://www.waldorfschule.de
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http://www.lebensbaum.de
SEKEM Insight | Oktober 2012 | Seite 5