sHeft.li no. 4

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IN Editorial HRKR Kampfradfahrer SchĂśni Bildli Bettwarenfabrik Dr. FrĂźhling Mitarbeiter der Ausgabe India Med. Notversorgung Impressum

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H T


To l l e s W o r t . Ve r w e n d e n w i r in den letzten zwölf Monaten ganz oft, hier in der sHeft.li R e d a k t i o n . We l c h e e s j a s o in dem übertragenen Sinne ja eigentlich gar nicht gibt, auch wenn das anfangs manche dachten. Nein wir haben k e i n e f e s t g e m i e t e t e n B ü ro s 4

b

sorgt. Wer nicht warten will, bis er hier etwas darüber lesen kann,

in der Zürcher Innenstadt. W ir

ist mit seinem Blog: http://www.

erledigen die Redaktionsfüh-

sanctionfour.com wahrscheinlich

rung und das Management

Fall aktueller.

besser bedient, aber auf jeden

alles dezentral aus unseren

Aktuell, noch so ein Kracherwort.

Feriendomizilen in Ecuador

Doch, bei der Tommy Vercetti

und Costa Rica. Tönt auch viel besser. Inter nationaler.

Waren wir glaub ich nie wirklich. Ausgabe haben wir «fast» zeitgleich zu seinem Release eine Ausgabe mit ihm als Titelstory hinbekommen. Heidenkrampf für

International, auch so ein tolles Wort. Einer den Grafiker. Und auch für alle anunser besten Fotografen wird jetzt internati- deren. Nicht das wir nicht gerne onal durchstarten. Manche würden sagen er krampfen, nur es ist recht schwieverreist einfach für ein Jahr, Job gekündigt, rig ein selbst so hoch gestecktes Wohnung in Schachteln verpackt. Wir möch- Niveau für gratis zu bieten. Aber ten es eher einen Ausbau unseres Geschäfts- es macht Spass. Immer noch! Nur netzwerks nennen. Wir haben jetzt einen müssen wir jetzt entweder unseAuslandskorrespondenten im Südasiatischen re Pariser Zweigstelle schliessen, Raum der unseren Newsroom täglich mit oder uns auf weniger aktuelle spannenden Reportagen aus der Wildnis ver- Themen fokussieren.


Priori– t A E te N – ver– s c hie – ung 5

Und sowieso ist doch eine ganz lässige Flos- leicht schauen wir wie die meisten kel um am Schluss dann doch noch den Dreh SonntagsBlick Leser, dieses Mal zu kriegen. Und sowieso, warum sind eigent- auch einfach nur die Bilder an. lich keine Rapper mehr auf dem Titelbild? Ja, Danke für eure Treue liebe Leser, Prioritätenverschiebung wissen Sie, wir sind ich wünsche euch zeitloses Verjetzt halt auch einfach internationaler gewor- weilen bei dieser Ausgabe und den und vielleicht gibt es aktuell gar nicht so freue ich wie immer auf eurer grausam viel darüber zu berichten? Vielleicht Feedback, auf Facebook, Twitter gibt es aber auch einfach zeitlosere Themen, oder bei uns auf der Seite. zum Beispiel gute Sprayer, oder Kampfradfahrer, oder Bettwäschefabriken? Oder viel- Andrea


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love, peace, unity

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betoncombo

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soulreflector

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wall 1

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day & night

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H R HRKR – hinter diesem Kürzel stehen Push, Disk und No te , d i e zusa mm en e i n l o s e s K ü n s t l e r k o l l e k tiv bilden, welches sich früher primär mit Graffiti als klassischer Streetart beschäftigte, sich inzwischen jedoch 10

in viele Richtungen weiterentwickelt hat. Hergeleitet ist HRKR aus dem japanischen «Harakiri», was die rituelle Selbsttötung/Selbstopferung meint und hier im übertragenen Sinne für die Aufopferung an der Wand steht.

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Heute beschäftigen wir uns mit Push,

der sich allmählich von seinem Künstl e r n a m e n t re n n t u n d , m i t A u s n a h m e v o n e i n i g e n Ta g s , n u r n o c h s e i n e n bürgerlichen Namen verwendet: Benjamin Solt.


Traub: Wenn du irgendetwas verwirklichen könntest, ohne auf ein Budget achten zu müssen, was würdest du tun? Solt: Um die Welt segeln. Traub: Und mit wem würdest du – egal wer, ob verstorben oder nicht – gerne mal zusammenarbeiten? Solt: Ich glaub da gibts zu viele so gute Künstler und Macher, da gibts einen Haufen Leute,

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die sicherlich viel positiven Einfluss hätten…

Traub: Du kennst sicherlich die Problematik, wenn du etwas vor Augen hast, es aber einfach nicht in der gewünschten Art

Sein Brot verdient er als Maler, ausdrücken oder erschafnebenbei bildet er sich als Farb- fen kannst. Wann erlebst gestalter weiter. Vom eigentlichen du das? Sprayen ist er, wie er selbst sagt, Solt: Beinahe täglich. Es ist ein wenig abgedriftet – dies, weil ja nicht so, dass ich nach er aus Zeitgründen nicht mehr die Rezept oder mit Formeln

Routine hat, die er haben müsste, arbeite – also ist eigentlich um seinen eigenen Ansprüchen alles freestyle. Zumindest jetzt noch.

gerecht zu werden. Dazu kommt Traub: Welchen Werkstoff würdest du als die Lust, ausgelöst von seiner unverzichtbar bezeichnen?

Weiterbildung und von Reisen, Solt: WD 40. (lacht) Oder meine Styropormit neuen Materialien zu experi- schneidemaschine. mentieren. So werkelt er zurzeit vermehrt an Skulpturen und Typographien aus Holz, Beton und Stahl.

Traub: Die ich nicht als Werkstoff betiteln würde. Solt: Dann halt Holz. Holz ist sehr wichtig.

Nach zehn Jahren Graffiti glaubt Traub: Ok. Und wenn du ein Gegenstand sein er heute, mit Skulpturen und Ins- könntest – was wärst du? tallationen einen weitaus aussa- Solt: Geile Frage. Keine Ahnung… Ein Feegekräftigeren Weg gefunden zu haarpinsel zum Beispiel. Weil man die zum haben, seine Emotionen, Gefühle Vergolden braucht, wird auch immer sanft und Stimmungen auszudrücken.

damit umgegangen.

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Traub: Wenn du deine heutigen Arbeiten in Traub: Du hast welche!! zehn Jahren betrachtest, was denkst du, was Solt: Ich weiss, viele! (lacht) Ich bin du darüber denken wirst?

ein «Haschpli». Teilweise bin ich

Solt: Schwierig. Ich denke, sie werden mir viel- verwirrt, chaotisch und denke zu leicht leichtsinnig oder egoistisch erschei- oft über mich selber nach. Manchnen. Aber das ist doch immer schön, auf mal zu faul. Und dann schwanke einen jahrelangen Prozess zurückzuschauen. ich noch zwischen Selbstkritik Traub: Du gehst also nicht davon aus, dass du

und Selbstverliebtheit.

heute schon den Zenit deiner künstlerischen Traub: Sehenswertestes Reiseziel Reife erreicht hast?

aus deinem Fundus?

Solt: Nein, aber ich bin an einem Punkt ange- Solt: Südamerika. langt, an dem ich sagen kann, doch, das ist mein Weg. Das ist ja eigentlich das Geile, denn eigentlich schaust du ja ständig was 12

Traub: Dachte ich mir. Solt: Was für eine billige Antwort!

von anderen ab oder lässt dich inspirieren, Traub: Passt schon. auch beim Graffiti, immer übernimmst du dir Solt: Ich würde auch lieber… Elemente, die dir gefallen, und lässt dich so Traub: …Tibet sagen. beeinflussen… Solt: Tibet! Oder die Mongolei. Traub: Also bist du ein Byter?

Traub: Nein, lass nur, muss ja für

Solt: Ja, zum Teil. Ich bin ja auch nicht der dich stimmen. Einzige, der Installationen aus verschiede- Solt: Oder lass mich einschrännen Werkstoffen fertigt – aber als ich begann, ken: Brasilien. Oder noch besser, dies zu tun, habe ich gemerkt, das ist mein den Amazonas. Ding, hier sehe ich mich. Das ist ein Schritt Das war wirklich der Hammer, die auf dem Weg zur Findung meines Stils. Bis Natur dort ist überwältigend! man den gefunden hat, geht es lange. Wie Traub: Was würdest du von da Claude (Note), der gemerkt hat, hey shit, ich nach Hause bringen? will eigentlich nur noch mit Kugelschreibern Solt: Eine Amazonin. (lacht) Oder arbeiten, das ist es! einen der wunderschönen PapaTraub: Themawechsel. Was würdest du a l s geien… deine Schwachpunkte bezeichnen? Solt: (grübelt)


Traub: …der dann hier in Gefangenschaft lebt. Solt: Ja, ich weiss, das ist suboptimal – eigentlich würde ich ja gerne einen Jaguar wählen, für den es aber noch um einiges schlimmer wäre. Und ich kann ja nicht sagen, ich hätte gerne irgendein «Buschtrümmeli», das ist langweilig. Traub: Und wo liegt dein nächstes Reiseziel? Solt: Ich dreh den Globus und drücke an einer beliebigen Stelle den Finger drauf. Traub: Wirklich? Solt: Irgendwann schon. Aber ich müsste auf jeden Fall darauf achten, mit dem Finger unter dem Äquator zu sein. Traub: Was mich zu einer weiteren Frage bringt: Arbeitest du als Künstler eigentlich darauf hin, nicht mehr arbeiten zu müssen, oder machst du, was du willst und hoffst, irgendwann damit Geld zu verdienen? Solt: Das Ziel scheint mir noch sehr weit entfernt. Ich glaube nicht daran, hier etwas erzwingen zu können. Ich kann die Frage schlichtweg nicht beantworten. Der Weg ist das Ziel… Entweder man trifft mit seinem Stil ein Bedürfnis der Gesellschaft, die einem folglich unterstützt – oder nicht. Traub: Oder man wird subventioniert! Das folgende Gespräch über rote Halstücher und Filzkugelketten, Vernissagen mit Weisswein, Hartkäse und Vollkornbrot und den Sumpf im Hahnenkampf um ein Scheibchen des Subventionskuchens wird euch Lesern erspart. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Benjamin Solt für seine Zusammenarbeit mit uns.

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Da sind sie wieder. W ie in jedem Fr체hjahr, sobald die e r s t e n S o n n e n s t r a h l e n d e n A s p h a l t k 체 s s e n , v e r b re i ten Sie wieder Angst und Schrecken auf den Schweizer Hauptstrassen. Als schlagkr채ftige Duos unterwegs, selten aber auch als komplette Spezialeinheiten anzutreffen, terrorisieren sie wieder die Hauptverkehrsverbindungen unserer Nation. Text: Andrea Savoca/Bilder: Merlin Leuenberger

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KAMPF– RAD– FA H R E R Ganz im Gegenteil zu den faulen Au- dehnbaren Stoff mit Apotheke Göldin, beschriftofahrer, die selbst bei schönstem ten lassen. Wetter am Samstag Nachmittag in Natürlich nicht nur, weil Ruedi der Vermieter des den Benzinschleudern unterwegs Ladenlokals der Apotheke! Nein, er und Frank sind, gehört diese Gattung zu einem kaufen dort nach der Fahrradtour auch immer die elitären Kreis von umweltbewussten Pflaster und die tollen isotonischen Getränke ein. Neureichen. Mit Fahrrädern bewaff- Plus Schoggiriegel welche eine komplette Mahlnet, welche sie im Internet zu einem zeit ersetzen und das Junior Heftli für die Kleinen, Spottpreis von CHF 12‘000 und mehr welche gerade von Grossmutter gehütet werden ersteigern, benehmen sich Herren um müssen, weil Papa sich im Hormonstress der Middie 50, wieder wie junge Cowboys im life Crisis, Samstag Nachmittags gerne etwas die Sandkasten. Ein bisschen Anarchie Hoden quetschen geht. Die Verkehrsregeln haschadet nie, und wenn dabei andere ben sie deshalb auch gleich zu Hause bei Frau, Verkehrsteilnehmer davon betroffen Kind und dem Jaguar gelassen. sind, sind das alles Spiesser.

Nur in einem Punkt sind sie überhaupt nicht ver-

Mit dem schicken, mehrfarbigen gesslich. Sie fühlen sich auf ihren LeichtbaufahrräDress symbolisieren sie mehr als nur dern genauso wichtig und sicher, wie wenn sie in die Professionalität mit der sie ihr ihrem SUV unterwegs sind, denn mit ihren RennHobby betreiben, nein sie haben ei- velos können sie (subjektiv gefühlte) 50 fahren. nen Sponsor. Jemand der an ihr Vor- Dies natürlich nur darum, weil sie konsequent darhaben, die Vision die Welt mit dem auf achten, Gewicht am Rad einzusparen. Dies erVelo zu erobern, glaubt. Und dieser klärt dann auch fehlendes Licht, Reflektoren, die jemand hat zwei rosarote Fetzen Klingel und alle anderen Sicherheitsausnahmen.

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Ausser dem Helm, der ist wichtig sie führt an einem idyllischen und schützt kluge Köpfe!

Bach entlang, mehrere Kilo-

So kann man nämlich Samstags im- meter weit direkt ins Herz der mer den kompletten Frust einer Stadt hinein. Wenn auf dieser Woche direkt auf der Strasse liegen nur für Zubringer öffentlichen lassen und mal wieder so richtig die Strasse Autofahrer unterwegs Sau rauslassen, ohne einen Schädel- sind, dann verhalten sich diese basisbruch.

stets zuvorkommend, höflich

Etwaige Versuche, die Herren in und passiv, weil die Platzverzartrosa, azurblau oder knallorange hältnisse eng sind, und man mit dezentem Gebrauch der Hupe sich im Quartier kennt. Hupen auf die Verkehrsregeln aufmerksam ist hier verpönt, das hier ist zu machen, enden darin, dass das Radfahrerland. Tempo gesteigert wird. Die Brüder Weshalb also zwängen sich im Bunde vergrössern nun den seit- gestandene Männer mit Kalichen taktischen Abstand auf eine derfunktion jedes Wochenenkomplette Lastwagenbreite von de in zu eng geschnittene Un2,30 Meter und verunmöglichen ein terwäsche? Setzen Brillen und rasches Überholmanöver. 16

Schuhe auf, welche ein Kind

Wer dies trotz aller Reviermarkierun- in Afrika ein Jahr lang ernähgen doch wagt, wird mit einem extra ren würden, und tun dann als Schlenker belohnt, der Mittelfinger wären sie die Könige der Straswird gezückt und mit einem Vogel se? Haben Sie in der Jugend an die Stirn garniert.

etwas verpasst? Dieses Verhal-

Wir Raser im Quartier sind ein echtes ten erinnert mich etwas an junProblem auf den immer überfüllte- ge Teenager auf Alkohol, die ren Strassen, und sowieso könnte auch geblendet von Hormoman ja auch mal das Velo für eine nen, Unsummen von Geld für kurze Strecke nehmen!

Accessoires ausgeben und sich

Bleibt nur noch zu erwähnen, dass jeden Samstag einen Dreck um parallel zur genannten Hauptstrasse Regeln scheren. eine wunderschöne, verkehrsberuhigte Quartierstrasse mit Tempo 30 führt. Es ist die Strasse die alle vernünftigen Radfahrer (immerhin etwa 300 pubertierende Schüler jeden Tag) in unserem Dorf benutzen und


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SC H O BILDL


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Ein schonungsloser Vorstoss dahin, wo sich geschädig te Berufsmisstrauer und leidenschaftliche Vollblutverkäufer begegnen: in die Bettwarenfabrik. Text: Beni Traub/Illustration: Roger Lehner er, auch wenn sich das die Fischers wohl anders vorgestellt hatten. Wer den Steifen noch nicht kennt, sollte dieses schwerverzeihliche Malheur unverzüglich HIERMIT beseitigen. Irgendwie muss sich dieser kurlige Mann im Apothekerkittel in meinen Hirnwindungen festgehakt haben. Mir fiel jedenfalls kein anderer Laden ein, der Daunendecken verkauft, als ich meine Ber26

ner Zweitwohnung einzurichten begann und eine solche benötigte. Ich mags nicht sonderlich, wenn ich mich gehirngewaschen fühle. Um die Angelegenheit ihrer Mystik zu berauben, beschloss ich, dem Feind frontal ins Gesicht zu blicken und mich der skurrilen Bettwarenfabrik anzunehmen – im Dienste der Medienwelt und als Hommage an so viele tapfere Journalisten vor mir. (Auch wenn sich keiner von Ich vermute, viele von unseren Lesern mussten, denen je in Fischers Bettwarenfawie ich übrigens auch, mindestens einmal über brik vorgewagt hatte…) den inzwischen Kult gewordenen Lokal-TV- Der Bünzli in mir klärte telefonisch Spot der Bettwarenfabrik Wädenswil schmun- ab, ob der Fabrikladen geöffnet zeln – oder sich wenigstens fragen, welcher habe und wurde unverzüglich und Pinsel Regie zum Kurzfilm führte. Oder ob der betont herzlich zu einem unverbewusst derart anticharismatisch daherkommt, bindlichen Besuch eingeladen. als Konzept sozusagen. Immerhin soll der Film Dieser Einladung kam er denn auch Aufmerksamkeit erregen – und genau das tut nach. Das Gebäude war sauber


IN DER BETT– WAREN– F A BR I K und gepflegt, der Parkplatz lud zum Parkieren nen lächelnd und innerlich augenein und der Kittelmensch, der mich empfing, rollend zurück, auf die Frage, was stand demjenigen, der mich am Telefon beriet, ich gerne hätte. (Was will man an Freundlichkeit in nichts nach. Hart im Ver- sonst in einer Bettwarenfabrik?) such, dem guten Mann seine aufgestellte Art Da fing der sauber rasierte und abzukaufen, krabbelte doch etwas unheimlich gekämmte Herr mittleren Alters Kaltfüssiges über meinen Sinn für Gefahr, ich Feuer. Zu Recht, denn nach dem behielt den Sicherheitsabstand bei. Immerhin eigentlichen Entschluss gibt es würde ich mich genau wie er verhalten, wenn unheimlich viel zu bestimmen. Ich ich ahnungslose Mitbürger zur Sezierung, Aus- wählte die Masse, das Füllgewicht weidung und anschliessenden Konservierung und die Federn aus. Mich als prakin mein verkapptes Kellerlabor des Schreckens tischen Typ regte es sehr positiv locken wollte… Oder warum sonst wird immer an, die Federn der verschiedenen wieder betont, man solle doch am besten Klassen gleich selber zu befühlen – gleich persönlich vorbeischauen?

die oberste Klasse ist übrigens so

Keine Bedenken signalisierend, folgte ich dem leicht und weich, dass man nicht Kittel ins Innere der Anstalt, nur um erstmal einmal wahrnimmt, dass die Hände festzustellen, dass hier alle so super gelaunt in Federn stecken, man fühlt nur waren wie Micheline Calmy-Rey während des die Körperwärme, die unverzügFrankophonie-Gipfels. Die Situation blieb kaf- lich am Abzug gehindert wird. kaesk. „Eine Decke“, gab ich auf den Stockzäh- Alleine das war die Anfahrt wert.

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Ich entschied mich für eine Standarddecke, Gramm Federn.» Hätt´ ich besser 1.60 x 2.20m gross, 850 Gramm polnische Dau- nicht gesagt. Wie unsensibel von nenfedern, natürlich an toten Tieren gerupft – mir. Als hätte ich nicht mit eigenen nicht wie in China, wo das Töten der Gänse als Augen gesehen, dass Bettdecken irrationaler Arbeitsgang grundsätzlich abge- für die Mitarbeiter von Fischers lehnt wird.

Bettwaren nicht nur Bettdecken

Herr Weisskittel war sichtlich ein wenig ent- waren, sondern eine Passion. täuscht – lieber hätte er eine exquisitere Decke Verdammt. Seine Mine wurde steiverkauft, und er wollte offensichtlich, dass nig, die Entschlossenheit, mir die ich ihm bei der Fertigung derselben zusehe, Decke zu tragen, wuchs ins Unerdenn er wurde nicht gerade sonniger, als ich messliche. Ich beschloss, mich dies ablehnte. Kurz verschwunden, um meine nicht mit ihm anzulegen – jedenDecke aus dem Lager zu holen, und danach falls ganz sicher nicht in seinem wieder völlig gefasst aufgetaucht beteuerte er, vertrauten Lebensraum. Wenn, dass diese Decke auch eben gerade gemacht dann auf dem Parkplatz, wo die worden wäre – ganz frisch. (Als ob ich ein Gip- Karten gleich verteilt waren. Im feli kaufen würde…)

Hinterkopf ging ich die zur Verfü-

Liebevoll, mit zufriedenen, ruhigen Augen gung stehenden Mittel in meinem betrachtete er noch einmal die ganze Decke, Auto durch, ohne befriedigende 28

breitete sie auf dem riesigen, weissen Tisch Resultate – ausser einer Flachaus, drehte sie, strich wehmütig über die abge- zange und zwei Maglite-Taschensteppten Daunenabteile und faltete das gute lampen hatte nichts davon PotenStück zusammen, um sich der Quittung zu wid- tial zur Zweikampfunterstützung. men. Ihn ähnlich sorgfältig beobachtend, ahnte Beim Gang über den Parkplatz ich, dass er am liebsten jede Decke behalten schwiegen wir, ich prägte mir wollte. Knuffig. Er tat mir leid und ich ertappte seinen Schrittrhythmus ein, um mich in flagranti, wie ich den Sicherheitsab- zu wissen, wann er welches Bein stand vernachlässigte.

belastet – dies kann helfen, seinen

Nachdem ich bezahlt und er gedankt hatte, Fortbewegungsapparat im Fall der wollte ich meinen neuen Besitz wie selbstver- Fälle effektiv zu traktieren. (Da er ständlich an mich nehmen, nochmals grüssen eine Decke vor sich hertrug, war und die Filiale verlassen – doch schon hatte Kit- der berechnende Bastard hervortel die Tasche wieder in den Händen. Still seine ragend gegen Schläge und Tritte flinken Finger bewundernd, glotzte ich ihn in den Torso geschützt.) Zu meiner eine Sekunde lang fragend an, über ein mögli- Überraschung, gepaart mit einem ches Aussenden aggressiver Signale nachden- Fünkchen Bedauern, eskalierte kend. «Ich bestehe darauf, Ihnen die Decke die Situation nicht, er bettete die zum Wagen zu tragen,» tönte mein Gegenüber grosse, weisse Tüte behutsam in ergeben. «Ach, geht schon, sind ja nur 850 den Kofferraum. Mit einem letz-


ten Aufblitzen von Abschiedsschmerz in seinen Augen klappte er vorsichtig entschlossen die Heckklappe zu und wandte sich an mich: «Also, Herr Traub, viel Spass mit Ihrer Qualitätsdecke und gute Fahrt!» Seinen Gruss erwidernd, lächelte ich ihm zu, drehte mich um und stieg in meinen Wagen, um blitzschnell die Zentralverriegelung zu betätigen. Ha! In meinem Kopf erschien der für immer dort eingebrannte Leutnant Christian S. aus B.* mit seinen sauber polierten, fast kniehohen Stiefeln, an denen jede Öse für die gebrochene Selbstachtung eines geschundenen Rekruten stand. Mit gespannter Körperhaltung, korrektem Tenue, forderndem Blick und bebender Stimme schrie er mir mitten ins Ohr: «Move move move!» Affektartig, zum bedingungslosen Erfüllen seiner Befehle gedrillt, leistete ich Folge, liess das Automatikgetriebe walten und die Reifen zeichnen. Längst hatte ich Zürich hinter mir gelassen, als mein Körper allmählich begann, die Bereitschaftsstufe «Rot» zu verlassen. Aufdrehen war schon immer einfacher als Herunterfahren. Bald werde ich erneut Fischers Bettwarenfabrik besuchen, ich brauche eine neue Decke. Das bereits erworbene Exemplar ist einfach nichts für mich. Zu lange schlief ich mit schlechten Decken in unbeheizten Räumen, als dass ich jetzt bei 19°C unter 850 Gramm Federn einer solch hohen Qualität liegen könnte, ohne mitten in der Nacht schweissgebadet und angegart aufzuwachen. Die Decke ist einfach zu gut für mich – ich hol mir eine mit 400 Gramm Füllgewicht. Oder ich bestell mir eine. Besser für die Nerven. *Name dem Verfasser bekannt

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DR. 30

Lieber Karl

Als erstes solltest du sie vor allem

Gerne würde ich dich einfach beruhigen, doch als das ansehen was sie wirklich ist: eines Karl, eines kann ich dir versichern. Das Ein pubertierendes Stück Horwas Vanessa gemacht hat ist definitiv nicht nor- mone, welches beim Anblick eines mal. Versuche auch nicht leichtfertig den Fehler gestandenen Mannes wie dir, in bei dir selbst zu suchen, denn genau das wollen Wallungen versetzt wird. solche Menschen erreichen. Am liebsten wäre Menschen wie Vanessa versuIhnen wenn du im Boden versinken würdest und chen mit solchen triebgesteueranfangen würdest zu stottern. Aber denke daran ten Attacken, ihren inneren Frust lieber Kar, DU bist das Opfer, SIE ist der Täter. abzubauen. Sie kanalisiert ihre teils auch sexuellen Probleme in dieOb sie es schafft, dich zu erniedrigen, das ent- sem Moment auf deine Hoden und scheidest alleine du.

macht sie zum Symbol der Unter-


F RU E h– LING

drückung und Erniedrigung. Doch Ihre Tat war Hinterkopf, fahre durch ihre Haare

schlussendlich nur ein Spiegel der Sehnsucht und gleite über ihre Schultern. die sie innerlich auffrisst, der Sehnsucht nach Schon nach wenigen Augenblicken deiner Männlichkeit, nach Zuneigung, Liebe wird sie gefangen von deiner Aura und ein paar richtig dicken Eier.

sein, du bemerkst dies eventuell

Wissenschaftlich gesehen gibt es verschiedene an einem abgespreizten Bein oder Handlungsmöglichkeiten, lass dich dabei bitte daran dass sie dich fester umarmt. nicht von diesen selbsternannten Doktoren und Du darfst nun ganz kurz ins Stocken Psychologen täuschen. Lieber Karl, glaube mir, geraten, löse deine Lippen und Vanessa benötigt nichts, aber auch gar nichts, versuche verträumt aber sehr verdringender als einen richtig gut gemeinten traut in ihre wundervollen Augen Klaps auf den Po.

zu schauen und dann gibts ne rich-

Dies wird sie zuerst vielleicht etwas überra- tig saftige Kopfnuss direkt aufs schen, aber je überzeugter und beherzter du Nasenbein. hierbei vorgehst umso mehr wird sie verstehen, wer ihr Daddy ist. Und das mein lieber Karl, das Dein Dr. Frühling bist du. Sie hat dich dazu auserwählt, sehr wahrscheinlich weiss sie dies selbst noch gar nicht, denn dafür ist sie ihrer eigenen Gefühle noch zu wenige bewusst. Doch es liegt an dir, ihr zu zeigen wie das Spiel funktioniert. Wenn sie erschrocken zusammenfährt und wissen will, wer da gerade Besitz von ihr ergreift, dann schaue ihr selbstbewusst und voller Lust tief in die Augen, ziehe ihre Lippen an deine und küsse sie als wäre die Apokalypse nahe. Lass sie all ihre Sorgen vergessen, streichle leicht mit deinen rauhen Händen über ihren

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M I TA R – BEITER DER A USG A – BE BENI TRAUB

Für seine todesmutigen Expeditionen in die freie Natur, um uns auch in dieser Ausgabe w i e d e r l e b e n s re t t e n d e Ti p p s für eigene Abenteuer geben zu können.

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IN 35

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W ir sind nun bereits seit über

Da wir alle nur wenig Zeit in Delhi

drei Wochen in Indien unter-

möglichst viel von der Stadt zu

verbringen wollten, probierten wir

wegs und haben schon eine

sehen. Unser Fahrer klärt uns dann

grosse Strecke zurück gelegt.

Lassi-Flash auf: Die «Bhang-Lassi»,

Hier nun der Bericht über

auch über unseren mysteriösen eine Yoghurt-Getränk gemischt mit Haschisch, die in Indien überall

unsere bisherige Reise:

unter dem Namen «Special-Lassi»

New Delhi

schön schmunzeln.

verkauft wird. Wir mussten ganz

Zum zweiten mal nun heisst es Namaste Delhi. Die erste Destination unserer Diesmal ein bisschen besser vorbereitet suchen sightseeing-Tour ist das berühmte wir uns ein Hotel mitten im belebten Backpack- Red-Fort, welches von aussen zwar ter-Quartier „Pahar Ganj“. Nach den ersten imposant ist, von innen allerdings Schritten schon fühlen wir uns total wohl und eher langweilig ist. Diesen überlassen uns vom noch wilderen und farbigen teuerten Eintritt hätten wir uns Strassenleben berauschen.

eindeutig sparen können.

Irgendwann zieht uns der Hunger in ein klei- Als nächstes besuchen wir die nes, typisch indisches Nischenrestaurant. Dort Jama Masjid, die grösste Moschee 36

geniessen wir zum ersten mal richtig gutes indi- Indiens. Das Fahren durch das busy sches Essen und trinken eine Lassi. Diese Lassi Old-Dehli ist für uns eine eindeuwird grössere Auswirkungen haben als wir uns tige Sinnesüberforderung und vor das vorstellen. Schon im Restaurant sind wir allem für unseren Fahrer eine nerverstaunt, dass uns der Kellner ständig mit einen liche Probe. Prompt rammt er doch Grinsen im Gesicht fragt, ob alles in Ordnung einen Motorradfahrer und regt sich sei. Ein Paar Stunden später, in einem der zahl- danach über dessen Fahrstil auf. reichen Rooftop-Restaurants sitzend, bemer- Am Abend organisieren wir bereits ken wir beide, dass wir uns irgendwie benebelt die Weiterreise nach Agra, der fühlen. Wir fragen uns ob dies wohl an den vie- Stadt des Taj Mahals. Da wir uns len neuen Eindrücken oder doch eher vielleicht mit Stephen auf anhieb sehr gut an der Lassi liegen könnte, mit welcher sich die verstanden haben, einigten wir uns Restaurant-Jungs einen kleinen Scherz erlaubt darauf für die nächsten paar Tage und irgendetwas reingemischt hatten.

zusammen weiter zu reisen.

Auf der Dachterasse lernen wir Stephen ken- Agra nen, einen äussersten sympathischen und lus- Nach einem ausgiebigen Frühtigen Engländer und verabreden uns für eine stück machen wir uns also auf den gemeinsame sightseeing-tour am folgenden Weg zum Bahnhof um Zugtickets Tag. Am nächsten Tag treffen wir einen äusserst zu organisieren. Nach zweistündisympathischen Rikshafahrer und buchen ihn gem Schlangestehen müssen wir als Fahrer/Guide für den ganzen Nachmittag. hören, dass wir am falschen Ort


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angestanden sind. Irgendwie bekommen wir klimatisieren. Mittlerweile zu viert dann doch noch ein Zugticket und freuen uns unterwegs, (Rose, eine Kanadierin auf unsere erste Zugfahrt in Indien. Und dann welche wir in Agra kennengelernt erst noch eine komfortable. Die Beamten am haben) besuchen wir den VogelSchalter wollen uns nämlich partout nur Tickets Park Keoladeo Ghana, das Wahrfür die (teurere) klimatisierte Klasse verkau- zeichen von Bharatphur. Sechs fen. Die fünfstündige Fahrt ist dann ein tolles Stunden lang auf rostigen indiErlebnis. Wir sitzen im Abteil mit extrem netten schen Fahrrädern erkunden wir die Indern die uns mit Fragen löchern und auch viel wunderschöne und faszinierende über Indien und die Kultur erzählen. Sie teilen Landschaft und sehen die ersten ihr weniges Essen mit uns, und dies obwohl sie Kingfisher, Schildkröten, Rieseneinoch eine 50-Stündige Zugfahrt vor sich haben. dechsen… ein tolles Erlebnis!!! Wir hingegen erreichten unsere Destination Die nächsten Tage planen wir bereits nach ,kurzen‘ 6 Stunden.

unsere Weiterreise und geniessen

Am nächsten Tag stehen wir gaaanz früh auf um die Gastfreundschaft und Offenheit den Taj Mahal im fröhmorgendlichen Licht und der indischen Gastgeber, erfahren ohne viele andere Touristen besuchen zu kön- viel über arrangierte Hochzeiten nen. Tatsächlich enttäuscht der Anblick nicht, (was in dieser Familie gerade das Touristenfalle und überteuerten Eintritt hin oder wichtigste Thema ist da sie auf der her, das Gebäude ist eines der wohl schönsten Suche für einen geeigneten Kandi38

der Erde und der Anblick eifach magisch, fast daten für ihre quirlige Tochter Tina schon surreal schön.

sind). Diskussionen über Sexuali-

Das Agra abseits vom Taj Mahal ist dafür ein tät, Beziehungen und Scheidungen umso krasserer Gegensatz: unglaublich dre- führten zum gegenseitiger Erstauckig, stinkig und laut.

nen und Erheiterung.

So kommt es auch, dass Merlin und Stephen Pushkar bereits in der ersten Woche Indien für sieben Frühmorgens um halbsechs verliesStunden flachliegen beziehungsweise im WC sen wir dann Bharatpur und nahverbringen: Eine extrem heftige aber wenigs- men die Reise nach Pushkar auf. tens kurzanhaltende Lebensmittelvergiftung. Nach 6 Stunden in einem ziemlich Am nächsten Tag wollen alle nur noch weg vom vollen Zug erreichten wir Ajmer. stinkigen Agra, da die zwei Patienten aber Von da aus planten wir dann mit immer noch ziemlich schwach und fiebrig sind, dem Local-Bus nach Pushkar entschliessen wir uns ein Taxi zu nehmen und weiter zu fahren. Da in Pushkar ins 2 Stunden entfernte Bharatpur zu flüchten.

genau in dieser Zeit die berühmte

Bharatpur

«Camelfair» (Kamel-Markt) statt-

Dort angekommen finden wir genau das, was fand, war dies gar nicht mal so wir uns erhofft haben: Eine Oase der Stille im einfach, da die Busse ziemlich voll Grünen, im Guesthouse einer liebevollen Fami- waren und wir mit unserer eurolie. Dort erholen wir uns von den Strapazen päischen Zurückhaltung Schwieder ersten Tage und lassen uns Zeit uns anzu- rigkeiten hatten in den Bus rein zu


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kommen. Irgendwie klappte es dann doch und keiner verkauft wird, denn schliessso erreichten wir nach einer weiteren Stunde lich ist die indische Lebensweisheit Pushkar.

«everything is possible» also wird

Der Pushkar-Lake, um welchen die Stadt herum das Bier halt einfach in Teekrügen gebaut ist, ist eine magischer kleiner See, an serviert ;-) dem sich Hindus an den Ghats (Badestellen) Jodhpur baden und viele heilige Rituale stattfinden.

Noch bevor die Camelfair zu ende

Normalerweise soll das ziemlich kleine Städt- war entschieden wir uns, dieses mal chen ruhig sein doch während der Camelfair jedoch ohne Rose welche alleine war es ein einziges Menschengetummel. Nebst weitergezogen ist, nach Jodhpur dem, dass die Stadt bei westlichen Touristen weiter zu reisen. Am Bahnhof von sehr beliebt ist, ist es auch ein wichtiger Hindu- Ajmer warteten wir also auf den Pilgerort und während der Camelfair zusätzlich 14:30 Uhr Zug welcher einfach belebt durch zahllose indische Touristen und nicht kommen wollte bis wir merkMarkstände- bzw. Kamelzüchter und in safran- ten, dass wir uns wohl besser doch farbigen Tüchern gekleidete Hindu-Mönche. nicht auf die Anzeige-Tafel in der Tagsüber herrschte ein wirres Tun, nachts eine Bahnhofshalle verlassen sollten. sehr ruhige bedächtige Stille und überall in den Glücklicherweise schafften wir es Strassen übernachteten Inder in improvisierten dann doch rechtzeitig, den Zug auf Zelten oder auf Tüchern neben einem der vielen einem anderen Perron zu besteigen Tempeln.

um da unsere reservierten Plätze

Die Kamelmesse war dann auch echt ein Erlebnis frei zu kämpfen. Nach einer weitefür sich. Zuerst einmal wandert man durch fast ren 6-Stunden Zugfahrt durch die endlose Märkte voller Textilware und Schmuck, malerische Landschaft von Rajastdarauf folgten Stände mit Kamel- und Pferde- han erreichten wir die blaue Stadt rei-Zubehör und dann erreicht man die Wüs- als es bereits dunkel war. tenlandschaft die Pushkar umringt und schaut Im Zug trafen wir den jungen Faruk, auf ein Meer mit hunderten ja tausenden von welcher uns zu einem geeigneten Kamelen.

Hotel brachte. Wir wanderten

Nebst diesen äusserst ruhigen Tieren wird auch also durch die düsteren Strasmit Pferden gehandelt, unter denen es millio- sen weg vom Bahnhof um etwas nenteure Albinopferde gibt. Zu guter letzt gibt abseits ein Rikscha zu organisiees natürlich auch Büffel und Kühe. Im Rahmen ren und bemerkten erst dann, dass der Messe finden auch immer lustige Festspiele wir plötzlich Zuwachs zu unserer im Stadium statt; wie zum Beispiel das Turban- Gruppe erhielten. Craig aus EngWettbinden oder die Krönung zum schönsten land, Jeanny aus China und Sandra Schnauz des Jahres.

aus Deutschland liefen uns irgend-

Gute Erholung fanden wir immer in den wunder- wie einfach nach :) Als wir dann schönen Gartenrestaurants, in denen wir auch zu siebt im Hotel «Baba Haveli» viel Zeit verbrachten. In ganz Pushkar ist Alko- ankamen waren die Besitzer hol verboten, was natürlich nicht heisst dass natürlich hoch erfreut und gaben

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uns drei Zimmer zu sehr günstigen Preisen lich sei, deshalb haben die Hotels (CHF 3.-/Nacht) und einen Willkommens-Chai innerhalb des Forts einen margratis für alle. Und wieder waren wir alle positiv kanten wirtschaftlichen Einbruch überrascht von den Qualitäten die ein Family- erhalten. Wieder ein Beweis, wie Guesthouse bietet. Das Rooftop-Restaurant im hoch der Einfluss von LonelyPlanet fünften Stock bat uns einen genialen Ausblick auf den weltweiten Tourismus ist auf das wirklich eindrückliche Fort von Jodhpur (Dieses Phänomen erleben wir in und so sassen wir stundenlang auf der Terasse fast jeder indischen Stadt). Schon und genossen die Stimmung.

am nächsten Tag starteten wir ins

Auch sonst gefiel uns Jodhpur ziemlich gut, da lang herbeigesehnte Abenteuer: es sehr authentisch indisch ist und weniger stark Ab in die Wüste, rauf aus Kamel!!! vom Tourismus verändert wurde als beispiels- Doch nicht alle Kamele waren gleich weise Pushkar. Aber trotzdem nicht unbedingt glücklich über die neue Gesellein Ort um lange zu verweilen. Schliesslich zog schaft. Das jüngste Kamel, welches es uns alle wie magisch in die Wüste. So mach- Merlin reiten sollte, schmiss ihn ten wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit den bereits nach knapp einer Minute indischen Nachtbussen und reisten zu sechst auf den harten Wüstenboden. nach Jaisalmer.

Gottseidank blieb er unverletzt.

Jaisalmer

Das blieb glücklicherweise auch

Morgens um vier erreichten wir die Wüsten- der einzige Unfall während unserer 44

stadt Jaisalmer, die einen mit, die anderen ohne Safari. So wackelten wir die nächsnächtlichen Schlaf (je nach Schlafmittelkonsum ten paar Stunden gemächlich auf ;-), wo ein mysteriöser Unbekannter uns mit den Kamelrücken dahin. Begleieinem Schild «Merlin Leuenberger» empfing. tet wurden wir von zwei erwachDoch wir waren zu müde um uns gegen diese senen und zwei minderjährigen Touristenfängerei zu wehren und liessen uns «Cameldriver» welche selber leider gerne direkt in ein Hotel fahren. Nach einer nur zu Fuss unterwegs waren. Mütze Schlaf und einer erfrischender Dusche Nach den ersten Stunden bemerkmachten wir uns auf um die Stadt zu erkunden. ten wir, dass unsere Körper nicht Rajasthan-typisch natürlich wieder mit einem unbedingt dafür gemacht sind um mächtigen Fort, das spezielle hier aber war, dass auf Kamelrücken zu reiten. Stedie Stadt nicht nur ums Fort herum sondern auch phen beschloss schon nach einer innerhalb des Forts gebaut wurde. Vor allem Stunde, dass er die nächsten drei zahlreiche Restaurants, Shops und Hotels. Das Tag zu Fuss durch die Wüste wanhat für das Fort sehr schlimme Folgen; durch die dern wird, was er dann auch wirknachträglich gebauten miesen Wasserleitungen lich tat. Wir anderen bissen auf die und dem ständig wachsendem Wasserkonsum Zähne und übten uns darin die Podurch den Tourismus fällt das Fort langsam in Schmerzen zu ignorieren und uns sich zusammen. Die aktuellen LonelyPlanet auf die faszinierende Landschaft zu Reiseführer schreiben, dass der Aufenthalt in konzentrieren. den Hotels innerhalb des Forts unverantwort- Am Mittag war dann während der


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heissesten Tageszeit eine längere Pause ange- ähnlich gemütlich und wir genossagt. Zumindest für uns; unsere Guides muss- sen unsere zweite und letzte Nacht ten Holz suchen, Feuer machen, Chai und Essen unter freiem Himmel. kochen, abwaschen, Kamele satteln etc.

Am letzten Tag verbrachten wir

Die vier haben die drei Tage lang echt hart dann noch einmal vier Stunden auf geschuftet. Manchmal kamen wir uns schon dem Kamel und genossen dann sehr verwöhnt vor und sie taten uns ein wenig unsere letztes gemeinsames Essen leid. Nach weiteren Stunden auf den starken mit den Drivern im Schatten eines Kamelen erreichten wir unser Nachtlager in den grossen Baumes. Und schon kam Dünen. Wir waren alle ziemlich überwältigt und ein Jeep um uns abzuholen und genossen den bisher schönsten und roman- wieder zurück in die Zivilisation tischsten Sonnenuntergang unseres Lebens.

zu fahren. Vorbei war das schöne

Aus dem nichts tauchte dann plötzlich ein Herr Abenteuer, wir waren alle etwas mit einem grossen Jutesack über der Schulter wehmütig, dass der Trip bereits auf und bot uns mitten im Nirgendwo kaltes vorbei war und trotzdem freuten Bier und Süssgetränke an. Auch wenn es uns wir uns auf eine Dusche und ein ziemlich dekadent vor kam konnten wir nicht bequemes Bett :) nein sagen und genehmigten uns und den Die Kamelsafari war für uns alle Cameldriver ein kaltes Getränk.

ein grosser Erfolg und übertraf

In der Nacht, noch bevor der Mond aufging, unsere Erwartungen. Einzig ein sahen wir einen Sternenhimmel wie wir ihn negativer Nachgeschmack hinterzuvor noch nie gesehen hatten. Als dann der liess das Erlebnis. Schon während Mond aufging brauchten wir nicht einmal mehr der Safari trafen wir eine andere Taschenlampen, so stark erhellte der Fastvoll- Gruppe, deren Drivers nicht zu mond die Landschaft. Eingewickelt in einem Fuss sondern ebenfalls auf KameSchlafsack auf einer dünnen Matratze liegend, len unterwegs waren. Hätten wir der Natur so nahe und jeglicher Zivilisation das im Voraus gewusst, hätten wir gefühlsmässig so weit weg, dass war ein ein- gerne 100 Rupien (2 CHF) mehr malige Erfahrung.

pro Tag bezahlt und gewusst, dass

Wir alle schliefen in diesen zwei Nächten tief unsere Cameldriver zu besseren und friedlich. Am morgen wachten wir mit der Konditionen angestellt sind. EbenSonne auf. Die Cameldriver bereiteten dann falls hätten wir lieber ein Familienbereits unser Frühstück vor. Dann hiess auch bussiness finanziell unterstützt als schon wieder rauf aufs Kamel. Da der zweite unsere zwielichtigen Zeitgenossen Tag meistens noch ein bisschen schmerzthaf- (Opium- und Haschischdealer) aus ter ist, machten wir heute nur eine relativ kurze dem Hotel. Aber man kann wohl Route. Auch am zweiten Tag wurden wir wie- kaum von einem Guesthouse sozider durch abwechslungsreiche Landschaften ale Verantwortung erwarten, in dem beglückt: Dünen, schwarze Steinlandschaft, der Big Boss «liebevoll» OpiumSavannen-artige Gebiete (tatsächlich sahen Baba genannt wird. Aber im Nachwir sogar Antilopen). Der Abend war wieder hinein ist man immer schlauer nicht

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wahr? Ausgleichend dafür entschloss sich unsere Gruppe, den vier Drivern jeweils 500.- Rupien als Abschiedsgeschenk zu übergeben. In den nächsten Tagen genossen wir Jaisalmer, ein wirklich empfehlenswertes Städtchen, klein aber fein und voller netter Bewohner. Wir liessen uns durch die Gässchen treiben und stoppten hier auf einen Chai für ein kleines Schwätzchen, hörten uns dort die traurige Liebesgeschichte eines Inders an und dachten immer wieder wie emotional verbohrt, traurig und einsam doch viele Menschen in Europa sind. Die Offenheit für Freundschaften und persönliche Geschichten, sind sie auch manchmal nur kurz, ist eine der faszinierendsten Eigenschaften der Inder. Mittlerweile sind wir in Udaipur ange50

kommen und lassen die Seele baumeln. Wir nehmen uns die Zeit um unsere Weiterreise gen Osten zu planen. Schon sind wir fast einen Monat in Indien und haben noch eine weite Reise vor uns. Denn so wie der Plan im Moment aussieht werden wir bis ganz in den Süden fahren. Also durch die Staaten Madhya Pradesh, Maharastra, Goa, Karnataka und zu guter letzt Kerala. Tja, Indien hat uns voll in seinen Bann gezogen, wir werden wohl noch eine ganze Weile in diesem wunderschönen Land bleiben. Sehr wahrscheinlich werden wir sogar Weihnachten und Neujahr hier verbringen (am Strand!) um erst danach Richtung Südost-Asien aufzubrechen. Wir hoffen es geht euch allen gut liebe Freunde und Familie! In zwei oder drei Wochen werden wir dann Teil 2 unserer Indien-Reise veröffentlichen.


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Was einem selbst oder einem Mitirrer, was wir alle sind, zustösst, kann man selten beeinflussen – doch es ist nie, was es ist, sonder n immer, was man daraus macht. So trage ich schon seit Jahren meine Apotheke mit m i r r u m , n a t ü r l i c h u n d z u m G l ü c k m e i s t v e rg e b e n s . Selbstredend, es gilt abzuschätzen, in welchen Situationen es Sinn macht, sich zusätzlich zu beschweren. Sicherlich bei mehrtägigen Unter nehmungen, im Ausland, im Urlaub und bei der Arbeit – also eigentlich 52

immer, wenn ich ein Gepäckstück mitführe. Mein FAK (First Aid Kit) habe ich meinen Erfah- erstes zur Hand haben sollte – die rungen entsprechend selbst zusammengesam- liegen dann entsprechend oben. melt. Es gibt inzwischen wirklich schon brauch- Was man nicht nach Dringlichkeit und bezahlbare Lösungen, vor allem aus dem ordnen kann, sollte man nach der militärischen Bereich, jedoch finde ich immer Wahrscheinlichkeit der Verwenwas, was ich nicht mittragen würde und ande- dung weiter oben packen. res, was mir persönlich darin fehlt. Vor allem Hier ein Einblick in meine Apodie Verpackungen überzeugten mich nie.

theke – wie ich sie haben will.

Als Hülle verwende ich mit bestem Gewis- (Nicht abgebildet sind die einzelsen ein hartschaliges Lebensmittelaufbewah- verpackten Alkoholtupfer.) rungssystem der Marke LOCK&LOCK mit vier Klickverschlüssen. Es schützt den materiell wertvollen und situationsbedingt unbezahlbaren Inhalt vor Feuchtigkeit, Schmutz und Gewalteinwirkung. Zudem schwimmt die Apotheke autonom. Beim Packen des FAK sollte man sich schon ein erstes Mal überlegen, welche Hilfsmittel man im Fall der Fälle, also dem Schlimmsten, als


MEDIZI– N I SC H E NOTVER– SOR – GU N G TAKTISCHE SEITE/FOLGE IV

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1 Celox-Pulver zur Stillung starker Blutungen. Das aus Chitin von Krabbenpan

zern gefertigte Pulver wird direkt auf die Wunde gegeben und zwei bis drei

Minuten lang festgedrückt. In Verbindung mit Blut setzt unverzüglich eine

chemische Reaktion ein, die die Wunde verklebt – sogar arterielle Blutungen

können so gestillt werden. Die operative Entfernung des Klumpens sowie

eine Nachbehandlung durch einen Arzt sind natürlich ratsam. (Dem Arzt

sollte man unbedingt die leere Verpackung vorweisen.)

2 Vinylhandschuhe – wenns mal schmierig wird. 3 Zinova LED Kompaktlichtquelle. Sollte jeder Mensch immer bei sich tragen –

die Welt wäre merklich besser. Klemme ich bequem zwischen die Lippen

um beide Hände frei zu haben.

4 Betadine, die dunkelrote Desinfektionslegende. 5 Kochsalzlösung zur Spülung von verschmutzten oder entzündeten Wunden. 6 Bepanthen Plus. Perfekte Basisversorgung. Desinfiziert und unterstützt die Wundheilung. 7 Derma Plast Formpflaster. Perfekt zur Abdeckung kleiner Wunden an Fingern 54

und Zehen.

8 Micropore Klebeband. 9 Selbstklebende Gazebinde zur zusätzlichen Fixierung von Wundabdeckungen. 10 Omnistrip. Diese kleinen Kleber sind Gold wert, wenn es darum geht, Schnitt-

und Platzwunden zuzukleben. Können in leichteren Fällen ein Nähen erset-

zen. Die Wundränder müssen trocken sein.

11 Sterile Gaze. 12 Perskindol 400 forte, Schmerzmittel 13 DAFALGAN 1g, Schmerzmittel 14 Das klassische IVP (Individuelles Verbandspaket) der Schweizer Armee, steril

und vakuumiert, wie wir es lieben lernten. Beinhaltet Wundversorgungs-

hardware; blutabsorbierende Gazen und genügend Verband.

15 3x Spritzenkanülen 0.6mm 16 3x ** Cl-Spritzen 17 3x sterile Supramid Wundnähnadeln (krumm) mit 45cm Faden, einzelverpackt. 18 Die normalsten Vliespflaster der Welt. Vlies haftet gut und atmet um einiges

besser, als die perforierten Kunststoffpflaster der Erdölzeit.

19 DAFALGAN ODIS 500mg Lutschtabletten. Werden in Kombination mit


20 Novalgin 500mg verschrieben. Eines der stärksten Schmerzmittel –

ausgenommen einer Handvoll intravenös verabreichten.

21 Nagelschere, scharf und neu. Leistet gute Dienste beim Entfernen von Haut

fetzen oder verbrannter, stark verschmutzter oder zerquetschter Wundteile

und -ränder.

22 Eine der Kleinsten aus der Victorinox-Reihe für den Zuschnitt von Gazen,

Pflastern und Verbänden.

23 Compeed Blasenpflaster. Diese Dinger sollte man heilig sprechen. Bei Anzeichen

auf Blasen, offensichtlichen Blasen oder sogar bereits geplatzten Blasen

aufkleben und die Finger davon lassen, bis das Pflaster sich von selbst ablöst.

Da Blasenpflaster Flüssigkeit entziehen, kühlen und beruhigen, eignen sie

sich meiner Erfahrung nach auch zur Behandlung von starken

Insektenstichen. 24 Pinzette der Oberklasse, scharf und präzise. 25 5x Skalpellklingen, steril, einzelverpackt. 26 Chromstahl-Skalpellgriff, hält die Klingen. 27 Epinephrin 2% Streuli zur Lokalanästhesie. Wird um eine zu behandelnde

Wunde gespritzt, wenn die Schmerzen einer Behandlung zu gross wären.

Faceshield Beatmungsmaske von Laerdal, zum Selbstschutz bei Beatmen

blutender, erbrechender oder ansteckend kranker Menschen.

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28 Faceshield Beatmungsmaske von Laerdal, zum Selbstschutz bei Beatmen blu tender, erbrechender oder ansteckend kranker Menschen.

29 2x o.b.-Tampons. Eignen sich hervorragend zur – Überraschung – Blutabsorp

tion.Auf kleinen, stark blutenden Wunden können sie dank anfänglicher

Härte als Kompressen unter Druckverbänden verwendet werden. Es soll

auch Leute geben, die auf Tampons als Erstversorgung von Durchschuss

wunden schwören.

30 Zahnbürstenkopf zur groben Reinigung von Wunden. Es ist weder in Lehr-

büchern empfohlen noch schmerzfrei, Wunden auszubürsten – je nach

Situation ist es jedoch notwenig. (z.B. wenn sich heisse Asche einbrannte

oder Sand eingequetscht wurde.)

31 Kunststoffbeschichtete Gaze für grossflächige Schürf- und Brandwunden. Die

perforierte Folie verhindert, dass die Watte mit Blut oder

Wundflüssigkeiten verklebt.

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IM RES S


Redaktionsleitung: Beni Traub

P

Fotografie: Marco Nietlisbach, Merlin Leuenberger Grafik & Layout: Roger Lehner Texte: Beni Traub, Andrea Savoca, Andrea Schweizer Illustrationen: Roger Lehner Webauftritt: Andrea Savoca Erscheinungsdatum: Ende April 2012 ©2012 für alle Beiträge. Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird keine Haftung übernommen. Der Export der Zeit- schrift sheft.li und ihr Vertrieb im Ausland sind nur mit Genehmigung des Verlages zulässig. Bei Nichtbelieferung ohne Verschulden des Verlages oder infolge von Störungen des Arbeitsfriedens bestehen keine Ansprüche gegen das sheft.li. www.sheft.li

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FE R T I G


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