SIEGESSÄULE Gourmet - Erste Ausgabe 2017

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TE S R ! E BE U E N SGA U A

GOURMET GENUSSGUIDE FÃœR DAS QUEERE BERLIN



INTRO 3

Herzlich willkommen

beim neuen Sahnestück der SIEGESSÄULE, unserem Gourmet Guide! Szenenah, kompetent und unterhaltsam erwartet euch eine SIEGESSÄULE GourmetReise mit vielen Tipps und Entdeckungen. Wir servieren euch schmackhafte Gerichte, tolle Restaurants, angesagte Bars und aktuelle Essens-Trends sowie die MacherInnen* dahinter. Von süß bis salzig: Berlin in seiner ganzen queeren Genuss-Vielfalt. Lasst es euch schmecken!

INHALT Interview: Henrik Tidefjärd Leibspeisen: Maren Kroymann Spezialitäten: Pasta Trendscout: Israelische Küche Trendscout: Fair essen Kiezkultur: Restaurant Vertikal Lerneffekte: RunningPapaya Leibspeisen: Chantal Interview: Tianfuzius Hotspots Kaffeekultur: The Barn Augenschmaus: So sweet! Leibspeisen: Ursli Pfister Teststrecke: Frühlingssäfte Rezept: Salzburger Bierfleisch

Trend israelische Küche: Covermodel Oshri im kreativen Prozess Foto: Ivo Hofsté

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4 INTERVIEW

Foto: Berlinagenten

„BERLIN IST EINE KULINARISCHE SPIELWIESE“ Seine KundInnenliste zieren Madonnas Tochter Lourdes und Adele: Der Lifestyle-Tourguide Henrik Tidefjärd wurde für seine Gastro-Rallyes vom Luxury Travel Guide in London mit dem Preis der „Best Culinary Experience 2016“ ausgezeichnet. Der Gründer der Berlinagenten, ein gebürtiger Schwede, lebt seit 2001 in der Hauptstadt. Carsten Bauhaus sprach mit ihm über kulinarische Trends, SM-Kultur in Berliner Restaurants und Cocktails, die Geschichten erzählen

Wie wichtig sind die aktuellen Trends für

Woher kommen die wichtigsten neuen

dein Geschäft? Ich bin kein Trendscout, son-

Impulse für die Berliner Gastronomie?

dern ein Cool-Hunter. Trends kommen und

Nach Berlin kommen nicht nur Gäste aus aller

gehen. Cool aber kann auch ein Laden sein, den

Welt, sondern auch Zuzügler, die die Stadt mit

es schon jahrzehntelang gibt. Der eine Ge-

neuen gastronomischen Konzepten berei-

schichte zu erzählen hat. Wie etwa das

chern. Es gibt heute viele ungewöhnliche An-

Schwarze Café, der Vagabund Club oder der Die-

gebote, die es früher nicht gab. Gerade ist etwa

ner im alten West-Berlin. Aber natürlich schaue

die israelische und peruanische Küche sehr an-

ich auch immer, was es Neues gibt. Als ich vor

gesagt – und natürlich Streetfood generell. Viele

13 Jahren mit dem Luxussegment angefangen

von den Leuten, die vielleicht in der Markthalle

habe, gab es noch kaum entsprechende Ange-

Neun klein anfangen, eröffnen später ein eige-

bote. Heute ist die Szene viel größer und vielfäl-

nes Restaurant.

tiger geworden. Gerade in den letzten zwölf

Vor zehn Jahren wäre in Berlin niemand

Monaten hat das Tempo nochmal angezogen:

auf die Idee gekommen, drei Wochen im

Beinahe jede Woche konnte man auf eine Neu-

Voraus einen Tisch zu reservieren, nur

eröffnung eines Restaurants gehen – was zu

um ein angesagtes Restaurant zu besu-

den angenehmen Seiten meines Jobs gehört.

chen. Ist mit der neuen Restaurantkultur


INTERVIEW 5 auch irgendwie etwas verloren gegangen

Lieblingsrestaurants in Mitte: Wenn man nur

oder haben wir jetzt nur einfach viele

auf den Trend setzt, nur die Hipster anspricht,

tolle neue Optionen? Spontaneität ist heute

kann es nach einem Jahr kippen: die Szene ist

nicht mehr ganz so einfach, jedenfalls nicht,

dann längst woanders, wo es gerade noch an-

wenn man in die besten Restaurants möchte.

gesagter ist. Wichtig ist also eine authentische

Früher gab es nicht so viele Touris, und die Ber-

Atmosphäre, die auch etwas Gemütlichkeit aus-

linerInnen selbst hatten einen anderen Tages-

strahlt. Als Personal keine Hipster, sondern

ablauf. Platz gab es immer, irgendwo und

echte Persönlichkeiten. Das „Schwein“ etwa hat

irgendwie. Heute ist Berlin eine echte Weltme-

all das, noch dazu eine tolle internationale, mo-

tropole. Die internationalen Gäste kommen oft

derne Küche. Das Cecconi’s im Soho House ist

aus Städten, wo Reservierungen ganz üblich

ebenfalls sehr kosmopolitisch und sexy. Es ist

sind, in New York, London oder Stockholm

immer rappelvoll, und es herrscht eine tolle

etwa.

Stimmung. Auch das gehört für mich zu einem

Was ist für dich das Rezept für langfristi-

Restaurantbesuch dazu.

gen Erfolg eines Restaurants? Gerade neu-

Du bist viel in der Welt unterwegs. Wie

lich habe ich mich darüber mit dem Inhaber

steht Berlin heute im internationalen Ver-

des „Schwein“ unterhalten, eines meiner neuen

gleich da? In Vergleich zu anderen Metropo-


6 INTERVIEW

Foto: SohoHouse

Kosmopolitische Sexiness: das Cecconi’s im Soho House

zum „Sophisticated Drinking“. Vor zehn Jahren ging es nur darum, mit guten Freunden richtig viel zu saufen. Es spielte keine Rolle, wie der Laden aussah oder wie man angezogen len sind die Kosten hier noch nicht so exorbi-

war. Das ist heute anders. Das Sodom & Go-

tant. Die Restaurants und Bars stehen deshalb

morra in der Torstraße ist ein gutes Beispiel für

nicht unter so enormem Erfolgsdruck wie in

eine angesagte Bar, die auch Storytelling bietet.

New York oder London, wo eine Neueröffnung

Es herrscht eine Burlesque-Atmosphäre, mit

eine riesige finanzielle Investition bedeutet.

dunkler Cigar-Lounge, schweren Sesseln und

Berlin ist immer noch eine Spielwiese, wo viel

Personal, das Hosenträger und Hut trägt. Hier

experimentiert und gewagt wird. Eine Bar oder

werden alte Traditionen mit neuer Interpreta-

ein Restaurant zu eröffnen ist für viele die Er-

tion aufgeladen. Oder wie die The Coven Bar, die

füllung eines Traumes. Die Läden strahlen des-

mit einem kreativen industriellen Raumkon-

halb Leidenschaft und Charme aus, haben so

zept und nettem Service überzeugt. Ein Drink

etwas wie eine Seele. Aber was den Service an-

in solchen Bars darf heute auch etwas kosten:

geht, hängt Berlin dafür noch immer gut zehn

man bezahlt dann auch für den Inhalt, tolle Zu-

Jahre hinterher. Wenn man mal den Mund auf-

taten, Erfahrung und guten Service.

macht, bekommt man oft eine pampige Ant-

Welche Qualitäten muss gutes Barperso-

wort. Das ist gerade dort ärgerlich, wo heute

nal für dich mitbringen? Ein guter Barten-

hohe Preise aufgerufen werden. Man muss in

der mussen kreativ sein. Wenn ein Gast an die

Berlin schon einen gewissen Fetisch dafür mit-

Bar kommt und von seiner Trennung erzählt,

bringen, schlecht behandelt zu werden.

muss er einen „traurigen Cocktail“ zaubern kön-

Der Abend endet für dich nicht mit dem

nen. Oder als Trost für schlechtes Wetter einen

Restaurantbesuch. Was ist dir wichtig,

„sommerlichen Drink“ kredenzen: Richtig gute

wenn du anschließend noch etwas trin-

Cocktails müssen heute auch immer eine Ge-

ken gehst? Bei den Bars gibt es einen Trend

schichte erzählen. Interview: Carsten Bauhaus



8 LEIBSPEISEN

„ANGENEHM DIVERS“ Die Schauspielerin und Kabarettistin Maren Kroymann ist Ende April in der Bar jeder Vernunft mit der musikalischen Zeitreise „In My Sixties“ zu sehen. SIEGESSÄULE GOURMET verrät sie, wo sie nach der Vorstellung gerne essen geht – und welche gastronomische Neuentdeckung sie aufgetan hat Nach meinem Besuch bei meiner Mode-Designerin in der Weiberwirtschaft habe ich neulich das Hofrestaurant heimlichTreu im gleichen Komplex entdeckt. Das hat mir ausnehmend gut gefallen – und das nicht nur, weil man dort von netten Frauen bedient wird. Die Einrichtung ist sophisticated reduziert, dabei aber nicht ungemütlich kalt, sodass ich mich gleich zu Hause gefühlt habe. Die Karte hat mich sofort angesprochen. Es ist doch oft so: Männer bestellen ein Schnitzel oder einen Braten, und Frauen Diese Kleinigkeiten sind im heimlichTreu zum konstituierenden Prinzip erhoben worden. Wir waren zu dritt und haben vier vegetarische Gerichte bestellt, die dann in der Mitte geteilt wurden, wie man das auch in der asiatischen oder Schwesterliches Teilen im heimlichTreu

arabischen Küche macht. Von den drei Sorten Kohl – „Kohl_Kohl_Kohl“ – waren wir hellauf

heimlichTreu Anklamer Str. 38, 2. Innenhof, Mitte heimlichtreu.de

begeistert. Aber auch von den Shiitake-Pilzen mit Salzzitrone und Harissa-Crumble. Und das Beste: Jetzt, bei wärmeren Temperaturen, sitzt

Engelbecken Witzlebenstr. Ecke Steifensandstr., Charlottenburg engelbecken.de

man im großen Innenhof auf einer Terrasse mit aufgeschüttetem Sand!

Fotos: M. Knickriem, Emil Schramm, Engelbecken Gaststätten GmbH

wollen nur eine „Kleinigkeit“, meist einen Salat.


LEIBSPEISEN 9 Das Engelbecken am Lietzensee ist wie mein zweites Wohnzimmer: ein Kiezlokal, mit regionaler Küche, das gleichzeitig sehr urban ist. Oft esse ich dort nach der Vorstellung noch kurz vor Schluss ein Süppchen. Auf der Karte stehen viele süddeutsche und alpenländische Gerichte, die ich aus meiner Heimat kenne. Besonders gerne wird das Wiener Schnitzel genommen, das fast über den Tellerrand lappt. Aber sie bieten vor allem auch immer zwei vegetarische und ein veganes Gericht, die ich inzwischen sehr schätze. Das Publikum ist angenehm divers: Es gehen viele KünstlerInnen hin, auch der schräge Vogel kriegt Engelbecken: So geht Bayern

nicht das Gefühl, fehl am Platz zu sein. An-

dererseits gibt es auch ein gutbürgerliches Publikum, Paare mit Kindern, am Sonntag wird hier auch gerne mal das generationsübergreifende Familienessen eingenommen. Die Einrichtung ist sehr kommunikativ: Man sitzt teilweise typisch bayrisch an hellgebeizten Holztischen – wo nie jemand fremdelt oder man weggebissen wird, wenn man sich dazusetzt. Das Restaurant war früher am Engelbecken in Kreuzberg und hat den Namen beim Umzug an den Lietzensee mitgenommen. Es hat eine gewisse kollektive Tradition, was man den dort Arbeitenden anmerkt: Es sind Individuen, die frei wirken und angenehm mit den Gästen umgehen.


AL DENTE TO GO Bella Italia an Spree und Havel: Zwei Manufakturen in und um Berlin sorgen für Pasta-Genuss ohne Reue

Alles frisch: Melanie Fischer vom PastaWerk

Es geht nichts über frische Pasta. Dazu eine

petente Beratung: Antworten auf Fragen wie

gute Soße – und schon kommt ein leckeres Ge-

„Was passt zu den Ravioli?“ oder „Wie viel

richt auf den Tisch. Berlin ist zwar nicht gerade

Gramm sollte man pro Portion rechnen?“ Hat

ein Mekka für authentische italienische Küche,

die Kundin beziehungsweise der Kunde seine

aber wer von Hand gefertigte Nudelwaren

Pasta gewählt, geht Melanie Fischer vom Tre-

sucht, findet doch die eine oder andere Manu-

sen in den hinteren Teil des Geschäfts, wo die

faktur in der Stadt. „Bis jetzt wirbt die Pasta für

Nudelmaschinen stehen. Sie nimmt die frisch

uns“, sagt Melanie Fischer vom Schöneberger

am Morgen gefertigten Teigplatten aus dem

PastaWerk und lächelt vergnügt. Zurzeit sind

Kühlschrank und lässt sie auf die entspre-

vor allem ofenfertige Cannelloni oder Lasagne

chende Dicke walzen. Die Maschine summt

der Renner. Die Leute, die in den Laden an der

friedlich. Dann wird geschnitten, und aus den

Bülowstraße kommen, lieben diese frische,

Teigfolien entstehen beispielsweise Spaghetti.

handgemachte Pasta. Viele werden Stammkun-

Kein Wunder, dass die Pasta lecker ist. Es kom-

dInnen. Und so hat sich das entwickelt, was Me-

men nur feine Zutaten in den Teig und die Fül-

lanie Fischer besonders schätzt: ein freundlich

lung. Alles wird von Hand frisch zubereitet. Die

offenes Verhältnis zu den Nachbarn im Kiez.

Soßen und Pesti, die man ebenfalls im Laden er-

Wer im PastaWerk kauft, bekommt eine kom-

werben kann, werden von italienischen Fami-

Fotos: Dijana Zadro, Anika Büssemeier

10 SPEZIALITÄTEN


SPEZIALITÄTEN 11 lienbetrieben hergestellt. Melanie Fischer hat

pertoire wählen. Sehr beliebt sind etwa die Ra-

ein Auge darauf, dass keine Konservierungs-

violi mit leckeren Füllungen wie Ricotta-Spinat

stoffe oder Ähnliches zugesetzt sind. Das Pasta-

oder Walnuss-Gorgonzola. Neben italienischer

Werk führt sie zusammen mit ihrer römischen

Pasta bereichern auch schwäbische Maulta-

Partnerin, die die engen Geschäftskontakte

schen, Spätzle und Schupfnudeln manchen

nach Italien hält.

Berliner Mittagstisch. Das Geheimnis von Nudel

BerlinerInnen lieben Wochenmärkte. Egal ob

& Co besteht neben der Verwendung von Kräu-

Mittwoch, Freitag oder Sonnabend – sie sind

tern der Saison und natürlichen Rohstoffen

immer gut besucht, denn auf den Markt zu

auch in nachhaltiger Herstellung und fairen Ar-

gehen hat sich zu einer eigenen Kultur entwi-

beitsbedingungen. Eine ausgesprochen queere

ckelt. Davon profitiert auch die Nudel & Co

Belegschaft sorgt in Dallgow nicht nur für köst-

GmbH mit Firmensitz im havelländischen Dall-

lichen Genuss, sondern auch für ein gutes Be-

gow. Auf sage und schreibe neun Wochenmärkten ist

Frisch aus der Manufaktur auf die Berliner Märkte: Nudel & Co in Dallgow

triebsklima: Sechs Lesben, ein Schwuler und ein Trans-

die Firma mit ihren frischen

mann machen die Heteros

Bio-Nudeln in Berlin vertre-

im Havelland zu einer ge-

ten. Das spricht für die gute

schätzten Minderheit.

Qualität – ebenso wie die

Diane Schöppe

langen Schlangen, die sich etwa samstags auf dem Markt am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg bilden. Am Stand,

einem

PastaWerk Bülowstr. 50, Schöneberg, pastawerk@facebook.com

offenen

Wagen mit Frischetheke, kann der Fan der hausgemachten Nudeln aus einem großen Re-

Nudel & Co frischenudelberlin.de, auf der Website stehen auch alle Märkte, auf denen Nudel & Co einen Stand haben


12 TRENDSCOUT

Shalom, Berlin: Neu zugezogene Israelis becircen die Hauptstädter mit leichter, moderner Küche aus Tel Aviv. Die Inspiration schöpfen sie aus den vielfältigen Traditionen der Nahost-Küche. Mit serviert wird auch jede Menge mediterranes Temperament – und ein Schuss queere Hipness

Koch und Dragqueen Oshri bringt mediterrane Lebensfreude nach Berlin

„In der Küche öffne ich mein Herz.“ Dragqueen

leicht. „Ich verwende immer viele Kräuter und

Oshri lächelt breit. Freudestrahlend präsentiert

Gewürze. Bei mir findet man Geschmäcker und

er seinen Salat aus vier verschiedenen Toma-

Farben, die man so nicht erwartet.“ So lautet

tensorten mit gutem Olivenöl und viel, viel Ko-

auch, kurz gefasst, das Erfolgsrezept der mo-

riander. Vor zwei Jahren ist der gelernte Koch

dernen israelischen Küche, die vor etwa zehn

aus Tel Aviv nach Berlin gezogen. Nicht nur um

Jahren Tel Aviv erobert hat – und jetzt auch

die hiesige Dragszene zu bereichern, sondern

Berlin. Das Feinberg’s im Herzen der Schöne-

auch um die kulinarische Landschaft aufzupep-

berger Szene ist eine Art Vorreiter dieses

pen. Nachts steht er seine Frau in den Berliner

Trends. Als der ehemalige Balletttänzer Yorai

Clubs, tagsüber gestaltet er für die Brasserie

Feinberg sein Restaurant auf der Fuggerstraße

Franke im Wyndham Hotel Excelsior mit viel

eröffnete, war noch nicht absehbar, dass die

Liebe das Mittagsbuffet: „Ich koche wie eine

Nahost-Küche in Berlin einen solchen Boom er-

Mutter für ihre Kinder. Ich möchte, dass die

leben würde. Bisher für das beste Hummus der

Leute die gute Laune und Energie spüren, wenn

Stadt gelobt, muss er sich nun immer mehr

sie bei mir essen. Deshalb singe ich auch

Konkurrenz stellen. Ebenfalls im Westen der

immer beim Kochen.“ Seine Rezepte stammen

Stadt, auf der Uhlandstraße, hat Ende letzten

von der Mutter und Großmutter, Oshri aber in-

Jahres etwa das Benedict eröffnet. Die erste eu-

terpretiert sie neu, macht sie modern und

ropäische Filiale der erfolgreichen israelischen

Foto: Ivo Hofsté

WARM UMARMT


TRENDSCOUT 13

Frühstückscafé-Kette schlug ein wie eine

mengewürfelte Möbel schaffen eine gemütli-

Bombe. Die vielbeschworene Ähnlichkeit mit

che Wohnzimmeratmosphäre. Die israelische

Tel Aviv, die so viele junge Israelis nach Berlin

Gastgeberin Shani sorgt dafür, dass sich die

zieht, zeigt sich hier in den feierfreundlichen

Gäste „warm umarmt und heiß willkommen

Öffnungszeiten: Frühstück bekommt man im

fühlen“ – etwa mit einem „Arak-Boy“ aus Arak,

Benedict „24/7“, also zu jeder Tages- und Nacht-

Minze, Zitrone und Ingwerbier. Dazu wird köst-

zeit, in einem zeitgemäßen Interieur mit hel-

liche Nahost-Küche geboten: gesunde, überwie-

lem Holz, weißen Kacheln und viel frischem

gend vegetarische Kost, geschmacksintensiv

Grün. Für die Nachteulen der Hauptstadt ein

zubereitet mit traditionellen Gewürzen, serviert

Angebot, endlich mal den Bezirk Wilmersdorf

in Backpapier und am Tisch geteilt. Der ganz

zu erkunden. Zur klassischen Frühstückszeit

große Auftritt gehört hier dem Blumenkohl

allerdings sollte man besser noch im Club tan-

oder der Aubergine, langsam geröstet und mit

zen: Vormittags stehen Berlinerinnen und Ber-

cremiger Tahina serviert. Viele der eingesetz-

liner Schlange, um dem Tag mit Shakshuka

ten Produkte bezieht das Yafo aus dem Libanon

oder New Yorker Eggs Benedict einen interna-

und Syrien. Und die Karte gibt es nicht nur auf

tionalen Anstrich zu geben.

Deutsch, Englisch und Hebräisch, sondern

Auch im Yafo in der Gormannstraße ist eine Re-

selbstverständlich auch auf Arabisch. Über-

servierung dringend angeraten. Jeden Abend

haupt: Vieles, was im konfliktbeladenen Nahen

brummt der Laden, und das sogar ganz wort-

Osten beinahe unmöglich ist, scheint in Berlin

wörtlich: Orientalisch angehauchte Beats und

zu gelingen – zumindest in der Kulinarik. Im

Vibes entführen die Gäste von Berlin nach Jaffa,

Prenzlauer Berg eröffnete Oz Ben David mit sei-

der arabisch geprägten Zwillingsstadt von Tel

nem arabischen Landsmann Jalil Dabit das Ka-

Aviv. Auch im Yafo wird eine ordentliche Por-

naan Express: „Wir bringen beide gerne

tion Lebensgefühl mit serviert: Bunt zusam-

Menschen zusammen, auch um gegenseitiges


14 TRENDSCOUT

Verständnis zu fördern“, erklärt Oz. Mit

diesem

gemeinsamen

Spirit

haben sie die Kombination verschiedener Küchen nach Berlin gebracht: „Wenn jeder das, was er gut kann, einbringt, es wortwörtlich auf den Tisch bringt, kreiert man etwas, das besser und stärker ist – und eben auch schmackhafter.“ In der „Humschuka“ wird die Shakshuka von Oz’ jüdischmarokkanischer Großmutter mit Jalils Hummus kombiniert, dessen palästinensische Familie seit Jahrzehnten ein Restaurant in der Nähe von Tel Aviv betreibt. „Malawach Sabich“ dagegen ist eine schmackhafte Kombina-

Gemüseberge im Yafo: geröstete Auberginen mit Tahina und Ei

tion aus jemenitischem Pita-Brot und einer Version von Hummus, wie sie im Irak gegessen wird. Auch außerhalb der Küche sind in Berlin Begegnungen möglich, wie sie in Israel unmöglich scheinen – was auch Dragqueen Oshri zu schätzen weiß: Hier hat er FreundInnen aus dem Libanon, dem Irak und Iran gefunden. Überhaupt waren die letzten zwei Jahre in Berlin für Oshri die besten seines Lebens. Für das Phänomen, dass so viele der neuen boomenden Restaurants einen queeren Hintergrund haben, gibt es für Oshri eine einfache Erklärung: „Unter den vielen Israelis, die in den letzten Jahren der vielfältigen Entfaltungsmöglichkeiten wegen nach Berlin gezogen sind, ist der Pro-

Brasserie Franke im Wyndham Berlin Excelsior Hardenbergstraße 14, Charlottenburg frankerestaurant.de Feinberg’s Fuggerstraße 37, Schöneberg feinbergs.de Benedict Uhlandstraße 49, Wilmersdorf benedict-breakfast.de Yafo Gormanstr. 17b, Mitte Yafoberlin.com

zentsatz der Schwulen besonders hoch. Und viele von ihnen haben ihre Leidenschaft für gutes Essen mitgebracht.“

Carsten Bauhaus

Kanaan Express Kopenhagener Str. 17, Prenzlauer Berg kanaan-berlin.de


Fotos: Christoph Jackschies, Marktschwärmer

TRENDSCOUT 15

FAIR ESSEN

In Frankreich gibt es Food Assembly bereits seit sechs Jahren. Eine Art privater Bauernmarkt für regionale Produkte, der übers Internet organisiert wird. Auch in Deutschland ist dieses Modell der Direktvermarktung angekommen – hier heißt es allerdings seit Kurzem Marktschwärmer. Projektleiterin ist Laure Berment (Foto), die mit einem kleinen Team das bundesweite Netzwerk koordiniert. Laure, was ist die Idee von Marktschwär-

Nähe. Als neuer Gastgeber oder neue Gastgebe-

mer? Wir wollen mit unserer Onlineplattform

rin füllt man online einen Fragebogen aus und

direkte Vertriebswege für kleine Bauernbe-

erklärt kurz, warum man das machen möchte.

triebe schaffen und zugleich VerbraucherInnen

Denn damit baut man sozusagen ein kleines Un-

den Zugang zu frischen, regionalen Produkten

ternehmen auf. Auch die ErzeugerInnen müs-

ermöglichen. Dazu werden lokale Gemeinschaf-

sen sich über die Plattform registrieren und

ten gegründet, die wir Schwärmereien nennen.

angeben, was sie anbieten: Gemüse, Käse, Obst,

Verkauft und bezahlt werden die Produkte on-

Fleisch, Honig.

line, aber geliefert werden sie dann direkt von

Was sind die Vorteile? Die durchschnittliche

den ProduzentInnen. Dazu trifft man sich ein-

Entfernung zwischen einer Schwärmerei und

mal die Woche für zwei Stunden auf einem

den ErzeugerInnen liegt bei knapp 28 Kilome-

selbst organisierten Markt in der Nachbarschaft.

tern. Wir sprechen also wirklich von regionalen

Wie wird man GastgeberIn, ErzeugerIn

Produkten. Man ist außerdem Teil einer Bewe-

oder KundIn? Das ist sehr einfach. Wir nen-

gung, die nicht mehr anonym einkauft, sondern

nen die KundInnen auch Mitglieder, um das Ge-

direkten Kontakt zu ErzeugerInnen und Nach-

meinschaftsgefühl zu betonen. Aber es gibt an

barInnen hat. Als KäuferIn fördert man regio-

sich keine Mitgliedschaft, also keinen regelmä-

nale Wirtschaftskreisläufe und unterstützt

ßigen Beitrag und keinen Mindestbestellwert.

LandwirtInnen in seiner Nähe.

Man kann auch nur eine Tomate und einen

Interview: Andreas Marschner

Apfel bestellen, wenn man will. Man legt über die Internetplattform ein Konto an und registriert sich dann in einer Schwärmerei in seiner

marktschwaermer.de


16 KIEZKULTUR

Die hausgemachte Schinkenterrine: eine Gaumenfreude in vielen Varianten

Fotos: Kevin Coleman, Marion Hunger

ECHT KREUZBERG Die ehemalige Rahmenbauerin Claire D’Orsay hat ein internationales kulinarisches Team um sich versammelt. Das Ziel: hochwertige und dennoch bezahlbare Küche für den Kreuzberger Kiez Kiezatmosphäre mit hochwertiger Esskultur zu

liegt der Schwerpunkt keinesfalls auf vegetari-

verknüpfen ist keine gänzlich neue Idee. Doch

schen Speisen. FleischesserInnen kommen voll

das neu eröffnete Vertikal in der Reichenberger

auf ihre Kosten. Erwähnenswert sind die Enten-

Straße setzt dieses Konzept auf eine Kreuzber-

brust mit Aprikosen und Feigen in einer Him-

ger Weise um: Es vereint Welten – hinter den

beer-Rosmarin-Sauce oder die hausgemachten

Kulissen und zu Tisch. Moderne europäische

Schinkenterrinen, die es als Snacks gibt – wahl-

Küche steht auf der Speisekarte, zubereitet von

weise mit Kapern, Senf, Pastinaken-Toffee,

einem internationalen Team: Den Kopf bilden

Apfel-Chutney und Focaccia.

der französische Chefkoch Guillaume Leduc

Das Vertikal bietet ein Frühstücks-, Brunch-

und Ben Scales aus Großbritannien gemeinsam.

und Abendmenü an, die Preise bewegen sich

Die Rezepte sind in ihrer Basis italienisch und

zwischen 5 und 18 Euro. „Ich wollte ein Restau-

französisch geprägt, verfeinert mit nordafrika-

rant mit hochwertigem Essen, das jedoch preis-

nischen oder asiatischen Noten. Die Kombina-

lich für alle im Kiez zugänglich ist“, erklärt die

tion etwa aus French Toast mit Bacon, Labneh

Inhaberin Claire D’Orsay. „Außerdem sollen

(libanesischem Käse), Bananen und Kokosnuss

Gäste hier sowohl vier Stunden mit einem Kaf-

Karamell führt den Gaumen auf kulinarische

fee verweilen als auch schick zu Abend essen

Entdeckungsreise. Für viele Gerichte gibt es ve-

können!“ Als die New Yorkerin vor sieben Jah-

getarische oder vegane Alternativen, allerdings

ren nach Berlin kam, war sie sofort begeistert


KIEZKULTUR 17 von der multikulturellen Stadt und ihrer

Das Vertikal soll für Kreuzberg stehen: Kiezbe-

Kreativität. So landete sie in der Kunstszene

wohnerinnen und -bewohner treffen auf Tou-

und erlernte drei Jahre in einem Bilderrah-

risten, das diverse Team und die Speisen

men-Geschäft das Hand-

repräsentieren die multikul-

werk. Später eröffnete das

turelle Prägung des Bezirks.

„Frameworks“, ebenfalls in

Getrübt wird dieses Bild von

der Reichenberger Straße.

der Kontroverse, die sich

Ihre Bilderrahmen baute

Anfang des Jahres um das

sie aus recyceltem Holz:

Restaurant bildete, als direkt

Nachhaltigkeit

bei

nebenan der Bäckerei Filou

großge-

der Mietvertrag gekündigt

schrieben, was sie auch ins

wurde. Vertikal wurde zur

Claire

D’Orsay

wird

Vertikal weiterträgt. Den

Claire D’Orsay mit Chefkoch Guillaume Leduc

künstlerischen Background

Zielscheibe von Gentrifizierungskritik und Vandalis-

der Inhaberin sieht man dem Vertikal an: Im

mus. „Inzwischen begreifen die Leute, dass sie

Eingangsbereich schmücken Stadtimpressio-

damit nicht den Eigentümer erreichen, sondern

nen in selbstgebauten Bilderrahmen das Lokal,

nur mir und meinem Team schaden“, stellt sie

der Raum ist modern und hell eingerichtet. Ein

erleichtert fest. Und sie ist froh über neu ge-

Kräutergarten unterstreicht das Ambiente –

wonnene Gäste: „Sie besuchen uns, um das Res-

und die Rolle der Nachhaltigkeit für das Restau-

taurant zu unterstützen. Und kommen dabei

rant: „Mein Anspruch ist, frisches, saisonales

auf den Geschmack!“

Paula Balov

Essen anzubieten, so wenig Lebensmittel wie möglich zu verschwenden und eigene Ressourcen zu nutzen wie eben unseren Kräutergarten.“

Vertikal Restaurant & Bar Reichenbergerstr. 86, Kreuzberg vertikalberlin.com


18 LERNEFFEKTE

INSPIRATION À LA CARTE

Fotos: Svenja Paulsen

Michael Rivera-Hoffmann hilft in seinen Kursen der kulinarischen Fantasie auf die Sprünge. Wer die Mühen scheut, bucht ihn als Koch für die eigene Dinnerparty zu Hause

Gesunde Ernährung kann nicht nur, sondern

erst einmal verinnerlicht haben. Sie werden

soll Spaß machen: Diese Mission haben sich der

spielerisch aus ihrer Gewohnheit herausgekit-

Koch Michael Rivera-Hoffmann und der Fit-

zelt, immer dasselbe zu kochen. Dafür legt Mi-

ness-Coach Esben Aalvik auf die Fahne ge-

chael schon mal Swing auf oder versetzt den

schrieben, als sie RunningPapaya gründeten.

Kursraum in die hektische, jedoch anregende

Zugegeben, Ähnliches gibt jede Frauenzeit-

Atmosphäre einer echten Restaurantküche. Er

schrift vor verstanden zu haben. Also was ist

zeigt, welche Vorteile verschiedene Ernäh-

bei der Agentur für Koch- und Sport-Events im

rungsweisen haben, statt über Verzicht zu sin-

Nollendorfkiez anders? In seinen Kochkursen

nieren: „Bei einer veganen Ernährung gewinnt

geht es Michael nicht um strenge Ernährungs-

man sehr viel dazu“, erklärt der gebürtige

konzepte oder darum, wie viele Kalorien am

Bayer. „Ideen, auf die man sonst nie gekommen

Ende des vierten Gangs eingespart wurden. Er

wäre, wie einen Käsekuchen mit Seidentofu zu

möchte Neugier auf neue Rezepte wecken.

backen.“ Der vegane Kochkurs ist nur einer aus

Oder auf alte, die anders oder gesünder umge-

dem Repertoire, hinzu kommen Paleo – die

setzt werden. Die Teilnehmerinnen und Teil-

fleischlastige Steinzeiternährung –, Crossover

nehmer lernen, was alles mit ein paar

asiatisch, Fingerfood, Ribs und Roastbeef. Sehr

Grundzutaten möglich wird, wenn sie die Basics

beliebt ist auch der Kurs „Altes unbekanntes


LERNEFFEKTE 19

Crossover asiatisch: selbstgedrehte Frühlingsrollen

Die Standardausrüstung einer Küche reicht vollkommen, „nur Messer und Schneidebretter bringe ich meist mit.“ Vor allem bei erfolgreichen Start-UplerInnen Ende zwanzig bis Mitte dreißig, die ihn für ein Dinner mit Kolleginnen und Kollegen buchen, ist das Angebot beliebt. Auch Kochkurse können in die eigene Küche transferiert werden, wenn sie groß genug für die TeilnehmerInnenanzahl ist und eine Gruppe gemeinsam bucht. „Das Schöne an dem Beruf ist, dass man so verschiedene Menschen kennen-

Gemüse“. Hier geht es um vegetarische Lecker-

lernt und sich so lustige Situationen ergeben“,

bissen, die unsere Großeltern noch oft verwandt

erzählt Michael. „Zum Beispiel als die Teilneh-

haben, wie rote Beete, Möhren aller Couleur,

merInnen im veganen Kochkurs, der für Mitar-

Schwarzwurzeln, Pastinaken oder Petersilien-

beiterInnen eines Betriebs gebucht wurde,

wurzeln.

plötzlich lieber Buletten mit Kartoffelbrei woll-

Inzwischen ist der Trend aus den USA auch bei

ten.“ Er lacht: „Das war natürlich in Ordnung. Ich

uns angekommen, sich einen Koch oder eine

bin zufrieden, wenn meine Kundinnen und

Köchin nach Hause zu bestellen, was Running-

Kunden zufrieden sind.“

Paula Balov

Papaya ebenfalls anbietet. „Wir besprechen die Wünsche, ich bringe die Zutaten mit, bereite alles vor und räume wieder auf“, erklärt Michael.

Running Papaya Bülowstr.6, Schöneberg runningpapaya.de


20 LEIBSPEISEN

„AN DER QUELLE“ Seit über 17 Jahren lädt Chantal donnerstags zu ihrem House of Shame ins Bassy. Ihre kampferprobten Moderationskünste leiht sie jedes Jahr dem Aids-Benefizdinner im La Cocotte. Das französische Restaurant empfiehlt sie SIEGESSÄULE GOURMET als ihren Stammladen. Und eine Neuentdeckung hat sie auch in petto

Schon seit der Eröffnung ist das La Cocotte

Ambiente mit französischen Filmpos-

mein Stammrestaurant.

tern und französischer Musik. Im

noch nicht so gut ging,

Ein weiteres Highlight: Salade Rocamadour im La Cocotte

Sommer kann man draußen unter dem 120 Jahre alten Mirabellenbaum

haben mich Micky und Philippe dort regelrecht

sitzen, der sogar immer noch Früchte trägt.

durchgefüttert. „Cocotte“ ist nicht nur der fran-

Mein Lieblingsplatz aber ist am Tresen. An der

zösische Begriff für eine Lebedame, sondern

Quelle! Dort, wo ich mich auch mit dem Chef

auch der Name des schwarzen Schmortopfs, in

unterhalten kann, ohne durch den ganzen

dem viele der Gerichte serviert werden. Auf der

Laden zu brüllen. Überhaupt geht es dort sehr

vielfältigen Karte, die jede Saison neu gestaltet

familiär zu, man trifft viele Bekannte und Pro-

wird, finden sich viele Klassiker. Für das Bœuf

minente aus der Kunst- und Filmszene – wobei

bourguignon mit Kartoffelgratin, frisch aus dem

allerdings niemand eine Extrawurst bekommt.

Ofen, könnte ich töten! Aber auch die Schnecken oder die Miesmuscheln sind ganz toll. Alles eben authentisch französisch, auch das

La Cocotte Vorbergstr. 10, Schöneberg lacocotte.de

Fotos: La Cocotte, Venexiana Berlin, Promo

In Zeiten, wo es mir


LEIBSPEISEN 21

Italienische Weinseligkeit im Schöneberger Kiez: Osteria Venexiana

Durch die Empfehlung eines Freundes habe ich kürzlich die Osteria Venexiana in der Nollendorfstraße entdeckt, ein Kiezrestaurant mit venezianischer Küche. Da es sich auch als Weinbar versteht, spielt die Einrichtung mit

GAY GUIDE BERLIN

jeder Menge Weinflaschen als Deko-Element.

GAY

des Tages an. Ich hatte einen hervorragenden

SIEGESSÄULE

Große Schiefertafeln preisen die Spezialitäten

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BERLIN

Pulpo vom Grill mit Kichererbsenpüree und Gemüse, mein Freund eine Platte mit italienischen Wurst- und Käsespezialitäten. Anschließend gab es ein tolles Tiramisu und eine Runde Grappa.

Now with extended information about Berlin's hotspots!

51

Das Publikum ist schwul-gemischt: Ich habe

Party

gleich viele Bekannte dort getroffen. Unseren

Culture

Kellner, den Ivo, kenn ich schon seit 20 Jahren!

Shopping

Und der Koch, den man in der schönen, offenen Küche werkeln sieht, war schon ein paarmal im

04

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Foto: Brigitte Dummer

22 INTERVIEW

TRADITIONELL VEGETARISCH Das Tian Fu in der Uhlandstraße gehört zu den Urgesteinen chinesischer Restaurants in Berlin. Seit knapp einem Jahr betreibt Wen Wang, die Tochter des erfolgreichen Tian-Fu-GastronomInnenpaars, einen vegetarischen Ableger: das Tianfuzius Hat der Name Tianfuzius eine Bedeutung?

habe ich im letzten Frühjahr in Schöneberg er-

Es klingt ein wenig nach einem Wortspiel.

öffnet und ich habe ihr die Endung -fuzius ge-

Gut beobachtet. Meine Eltern stammen beide

geben. Wie Konfuzius – der ja Vegetarier war.

aus China und haben vor 18 Jahren das Restau-

Vegetarische Küche hat also Tradition in

rant Tian Fu in Wilmersdorf eröffnet. Tian Fu be-

China? Meine Mutter zum Beispiel, von der ich

deutet Himmelssitz, was man auch als siebten

inzwischen den Betrieb übernommen habe, hat

Himmel übersetzen könnte. Für Menschen aus

sich vor fünf Jahren dem Daoismus, der Philo-

China gibt es zwischen Poesie und Essen eine

sophie von Lao-Tse, zugewandt – der zur Er-

starke Verbindung. Unsere vegetarische Filiale

leuchtung vegetarische Ernährung empfiehlt. In


INTERVIEW 23 China gibt es in der Nähe jedes Tempels ein ve-

eher auf den Lippen und der Zunge brennt und

getarisches Restaurant. Bei uns sind sogar 80

nicht so sehr im Rachen.

Prozent der Gerichte vegan.

Früher haben chinesische Restaurants

Ihr seid stolz darauf, das erste vegetari-

ihre Gerichte oft dem deutschen Ge-

sche Chinarestaurants Berlins zu sein.

schmack angepasst. Muss man das heute

Jetzt lese ich auf der Karte aber von „ve-

nicht mehr machen, weil Berlin um so

getarischem“ Huhn, „vegetarischer“ Ente

vieles internationaler geworden ist? Erst

und „vegetarischen“ Calamari. Wie soll

einmal kochen wir vor allem das, was unseren

ich

wir

eigenen Gaumen erfreut! Aber immer öfter

anbieten, sind natürlich Fleischimitate. Auf der

kommen auch Gäste zu uns, die selber in China

Karte klingen aber „Hühnchenimitat“ oder „fal-

waren und die Küche gut kennen. Dazu kommt

sche Ente“ nicht so sexy. Und: Dem Originalpro-

dann natürlich, dass Berlin tatsächlich immer

dukt kommen die vegetarischen Varianten in

multikultureller geworden ist. Die Leute wollen

Geschmack und Konsistenz sehr nahe. Gerade

heute einfach authentische Küchen. Sodass sich

unsere nicht vegetarischen Gäste sind immer

viele Restaurants immer mehr trauen, ihre ur-

total erstaunt und erfreut.

eigene Küche zu präsentieren. Deswegen ist

Woraus besteht beispielsweise das vege-

das gastronomische Angebot in Berlin in den

tarische Huhn? Aus Weizen- und Sojaprotei-

letzten Jahren so viel besser geworden.

nen und Mais- und Weizenstärke.

Wie kommt ihr an die entsprechenden

Wie traditionell beziehungsweise experi-

Produkte ran? Die Szechuan-Region ist ja vor

mentell ist eure Küche? Wir kochen sehr

allem für ihre reichhaltige und scharfe Küche

traditionell. Man könnte unsere Speisekarte so

bekannt – und eben den Szechuanpfeffer.

ähnlich auch in China finden. Wobei man sagen

Immer wenn wir nach China fliegen, probieren

muss, dass die chinesische Küche per se sehr

wir unterschiedliche Sorten aus und bringen ei-

experimentierfreudig ist. Wenn wir auf Heimat-

nige Säcke mit nach Berlin. Diese Art Qualität

besuch in China sind, schauen wir auch immer,

bekommt man hier einfach nicht.

was es Neues gibt, das uns schmeckt und das

Für das Tianfuzius habt ihr euch den

wir neu einführen können.

Schöneberger Kiez ausgesucht. Warum?

Die Szechuan-Küche gilt als sehr scharf.

Vegetarisches Essen verbindet man ja auch

Auf was muss man sich bei euch einstel-

immer wieder mit Ruhe. Und hier, am Rand des

len? Ich vergleiche die Schärfe immer mit der

Viktoria-Luise-Platzes, ist es, obwohl es so zen-

von Tabascosoße, weil die einfach jeder kennt.

tral ist, auch wunderbar ruhig. Ganz so, als

Das Schärfeempfinden ist natürlich sehr sub-

wenn die Zeit für einen Moment still stünde.

das

verstehen?

Das,

was

jektiv und auch stark Gewöhnungssache. Das Gute an der chinesischen Schärfe ist, dass sie

Interview: Carsten Bauhaus


24 HOTSPOTS

Arielle´s Macarons Berlin Arielle ist eine kreative und leidenschaftliche Bäckerin, die ihre Rezepte immer weiter entwickelt und sich stets aufs Neue inspirieren lässt. Täglich neue Geschmacksrichtungen mit hochwertigen Produkten. Arielle verwendet nur Valrhona-Schokolade. Di–Fr 10–18 Uhr Schillerstraße 93, 10625 Berlin U Deutsche Oper Tel.: 030-31 10 20 95 arielles-macarons.de Barkett Berlins bester veganer Brunch. Christian Weber, unser Koch mit viel Sternegastronomieerfahrung, zeigt, was man alles aus Gemüse machen kann. Alles hausgemacht, frei von raffiniertem Zucker & komplett glutenfrei. Plätze: 60 Vegan, €€€€€ Czeminskistraße 10, 10829 Berlin U Kleistpark, S + U Yorckstraße,

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26 HOTSPOTS


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Hirtenstraße 4, 10178 Berlin S + U Alexanderplatz Tel.: 030-27 89 09 95 55, the-grand-berlin.com Tristan Stadtbar Frühstück, Lunch, Kuchen oder die besten Cocktails immer am perfekten Ort: loungig-chillige Terrasse oder später an der Bar. Donnerstags ab 18 Uhr AfterWork mit Fingerfood 4free! Di–So ab 10 Uhr bis Open End, Plätze: 50 Frühstück & Lunch, €€€€€ Fuggerstraße 35, 10777 Berlin U1 + U2 + U3 Wittenbergplatz Tel.: 030-23 63 52 49 tristan-stadtbar.de

IMPRESSUM Special Media SDL GmbH, Ritterstraße 3, 10969 Berlin Kontakt: Tel. (030) 23 55 39-0, Fax (030) 23 55 39-19 Geschäftsführung: Gudrun Fertig, Manuela Kay (V. i. S. d. P.) Redaktion: Carsten Bauhaus Grafik und Layout: Mario Olszinski Anzeigen: Michael Scheitle, Tel.: (030) 23 55 39-24, Matthias Reetz (16), Eckehard Heine (-13), Ralf Eifridt (-14) Druck: Möller Druck u. Verlag GmbH, Zeppelinstr. 6, 16356 Ahrensfelde Auflage: SIEGESSÄULE GOURMET ist eine Beiklebung der SIEGESSÄULE Mai 2017 (mind. 53.000 Auflage), plus

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Fortdruck von 2.000 Exemplaren Coverfoto: Ivo Hofsté Copyright: Special Media SDL GmbH Alle Rechte, auch auszugsweiser Nachdruck, vorbehalten. Für unverlangt eingesandte Bilder und Texte wird nicht gehaftet. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Nachdruck von Texten, Fotos, Grafik oder Anzeigen ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages möglich. Gerichtsstand ist Berlin.


Foto: Urte Kaunas

28 KAFFEEKULTUR

„DER SOMMER WIRD LÄSSIG“ Ralf Rüller belebt mit The Barn die Rotunde des ehemaligen Café Kranzler neu. Carsten Bauhaus sprach mit ihm über den Trend zum Filterkaffee, erwachsene Stadtbezirke und seine Vorfreude auf die Terrassen-Saison


KAFFEEKULTUR 29

Du kommst gerade aus Guatemala. Bist du

Filterkaffee jetzt der neue Megatrend? Fil-

viel beruflich in der Welt unterwegs? In

terkaffee erinnert an Tee, da er viel leichter ist.

den letzten zwölf Monaten war ich außerdem

Es ist ein intensiver Geschmack, ganz ohne Zu-

in

und

satzstoffe. Das zieht die Lifestyle-Klientel an, die

Ruanda, immer jeweils zur Erntezeit. Wir

auf der Suche nach dem puren Geschmackser-

arbeiten dort mit ausgesuchten kleinen Farmen

lebnis ist. Wie guter Rotwein kann er übrigens

zusammen, die wir wie Winzerbetriebe behan-

auch lauwarm getrunken werden. Wenn man

deln. Ich achte darauf, dass dort alles richtig ge-

seine volle Geschmacksvielfalt genießen will, ist

macht wird, um den Geschmack zum Kaffee

Milch tabu. Da erlauben wir uns sogar, streng

zurückzubringen. Dabei entschleunigen wir die

zu sein. Wenn man Spezialist sein will, muss

Farmen: Nur reife Kaffeekirschen werden per

man sich reduzieren.

Hand geerntet, die dann langsam trocknen. So

The Barn ist ein typisches Mitte-Produkt.

bleibt alles in der Bohne, die Aromen, die Mine-

Warum jetzt der Ku’damm? 2010 waren wir

ralien, die Säuren. Hochwertiger, nur leicht ge-

die Pioniere einer neuen Kaffeekultur. Heute

rösteter Kaffee kann schließlich bis zu 800

gibt es auf der Ostkante der Stadt, in Mitte, aber

verschiedene Aromen entfalten, sogar mehr als

auch in Kreuzberg und Neukölln, einige gute

Tee.

Läden. Dort gibt es viele NeuberlinerInnen aus

Bei euch bekommt man auch handge-

Australien und Kanada zum Beispiel, wo die

machten Kaffee aus japanischen Kera-

Kaffeekultur viel ausgeprägter ist. Hier im Wes-

mikfiltern. Warum ist der gute alte

ten hat es bisher keiner gemacht, deswegen

Kenia,

Äthiopien,

Kolumbien


Foto: Urte Kaunas

30 KAFFEEKULTUR

wollten wir unbedingt auch hier sichtbar sein. Während nach der Wende alles in den Osten sprang, „re-infiziert“ jetzt der Osten den Westen. Zwei Jahre haben wir nach dem richtigen Auftritt gesucht. Mit dem Kranzler ist immer noch emotional viel verbunden und wir tragen es nun mit einem internationalen Konzept in die Zukunft.

Ich

persönlich

empfinde

den

Ku’damm als noch urbaner als Mitte – und irgendwie erwachsener. Die Kuchen, die ihr anbietet, sind nach den Rezepten deiner Mutter gebacken. Bei Mutti schmeckt es immer noch am besten ... Meine Mutter, übrigens eine gebürtige Berlinerin, lebt leider nicht mehr. Aber ihre

Alles handgemacht: Der gute alte Filterkaffee erlebt eine Renaissance

alten Rezepte hat sie alle aufgeschrieben. Ihr

Die stilvolle 50er-Jahre-Wendeltreppe

Karottenkuchen ist unser Bestseller! Die Re-

habt ihr wieder aktiviert. Das nimmt in

zepte allerdings bleiben mein Geheimnis.

der Rotunde allerdings viel Platz weg.

In deinem Café in der Schönhauser Allee

Hast du dich der warmen Jahreszeit ent-

gibt es kein WLAN. Das ist ja eher unge-

gegengesehnt, um die Fläche endlich

wöhnlich für die Gegend. Im Prenzlauer

draußen weiter ausbreiten zu können?

Berg sollte man sich entspannen und runter-

Der Sommer wird sehr lässig werden. Alles

schalten können. Im Hier und Jetzt und nicht

wird auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Auf

im Cyberspace. Deswegen gab es dort auch kein

den Terrassen gibt es jetzt kommunale Tische

Wifi. Hier am Boulevard haben wir ein anderes

und Sonnenbetten, ebenfalls in dem denkmal-

Konzept — wir sind schließlich keine Kette. Der

geschützten rot-weißen Design. Außerdem pla-

Ku’damm ist insgesamt reger und urbaner, wir

nen wir wöchentlich besondere Events mit

spielen Jazzmusik. Und es gibt auch Free Wifi.

anderen lokalen GenussmittelherstellerInnen.


KAFFEEKULTUR 31

Im klassischen Kranzler saß man auf dem Trottoir. Im Erdgeschoss aber befindet sich heute der neue Flagshipstore von Superdry. Ist sehen und gesehen werden nicht mehr so angesagt? Im Gegenteil: Jeder Mensch ist doch ein bisschen voyeuristisch. Wir schweben wie ein Ufo über der zweitwichtigsten Kreuzung Berlins. Alle Blickwinkel sind nach außen gerichtet. Und den Wintergarten in der ersten Etage haben wir zurückgebaut: Auf der Terrasse dort sitzt man jetzt schon fast wie auf dem Boulevard. TouristInnen werden für das Geschäft immer wichtiger. Wie finden die euch dort oben? Wir haben eine riesige OnlineCommunity. Auf Instagram haben wir allein 35.000 Follower. International sind wir viel bekannter als in Berlin: 90 Prozent unserer Röstungen aus der Schönhauser Allee gehen ins Ausland. Gerade hat das schwule Gourmet-Magazin Mouthfeel aus New York über uns berichtet, in einer eigenen Ausgabe nur über Kaffee aus schwuler Sicht. Schließlich bin ich einer der wenigen Schwulen im Kaffee-Geschäft.

Interview: Carsten Bauhaus



SO SWEET!

Fotos: Tal Amitai

Das entzückte schon die niederländischen Royals: Der Berliner Künstler Tal Amitai erfüllt jeden Torten-Wunsch, und das von hart bis zart. Sein Handwerk hat er in Amsterdam gelernt, wo seine Fetisch-Torte zum Gay Pride das Schaufenster des Kult-Cafés De Taart van m’n tante schmückte. Seine fantasievollen Kreationen aus Marzipan und Fondant sind alle essbar, doch eigentlich geht es um das Darunter. Sein Credo: Je schöner die Torte, desto mehr muss sie auch dem Gaumen munden. Das Auge isst eben nur mit. Tal Amitai instagram.com/talamitai Tal.amitai@gmail.com


Foto: Frank David

Klein, aber oho: Nina Junghans von Art Sucré kreiert ihre Macarons nach den Regeln traditioneller und moderner französischer Patisserie. Eine leicht knackige Hülle umschließt die weiche Füllung in verschiedensten Geschmacksrichtungen, ob Himbeer Joghurt, Caramel Fleur de Sel, Mandarine Minze oder Limette Ingwer. Abenteuerlustige Genießerinnen und Genießer greifen zu den süß-salzigen Varianten wie Roquefort Quitte oder Schinken Pflaume. Bon appétit! Art Sucré Siemensstr. 14, Moabit art-sucre.biz


Der Sommer kann kommen: Vanille & Co hält in der wonnigen Jahreszeit immer eine reiche Auswahl an Frozen Cupcakes bereit. Verschiedene Schichten garantieren dabei vielfältige Geschmackserlebnisse, so etwa die Kombination von köstlicher Erdbeere mit frischer Zitrone. Die SemifreddoMasse ruht dabei auf einer Schicht Biskuit. Der Vorteil: Die kühle Köstlichkeit bringt nichts so leicht aus der Fassung. Vanille & Co Joachim-Friedrich-Str. 27, Halensee vanille-und-co.eu


36 LEIBSPEISEN

„ZUM NIEDERKNIEN“ Aktuell sind die Geschwister Pfister wieder in der Komischen Oper zu bestaunen: in der Spoliansky-Revue „Heute Nacht oder nie“, im Juni außerdem in dem musikalischen Toskana-Abend „Wie wär’s, wie wär’s?“ in der Bar jeder Vernunft. Christoph Marti alias Ursli Pfister (Foto) verrät SIEGESSÄULE GOURMET, wo er mit seinem Partner Tobias Bonn kulinarische Demut praktiziert

Der Salat „Klausener“ im Fresh & Easy

Unser Stammladen ist das Fresh & Easy in Charlottenburg. Es gab in der Gegend um den Karl-August-Platz ja schon immer eine ausgezeichnete Imbisskultur. Durch das Fresh & Easy ist diese jetzt seit einiger Zeit nochmal ganz hervorragend ergänzt worden. Nudeln, Suppen, gebot. Die Nudelgerichte sind alle nach Straßen, die Salate nach Plätzen in Charlottenburg benannt. So heißt der Salat mit Thunfisch beispielsweise Klausener. Extrem lecker, sehr zu empfehlen. Emir, Frank und Veronica geben sich richtig Mühe, alle Gerichte werden frisch zubereitet, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist unschlagbar. Fresh & Easy Pestalozzistr. 26, Charlottenburg

Appetitliche Übersicht im Fresh & Easy

Fotos: Mischa Gawronski, Fresh & Easy, Nenad Lucic

Salate sowie ein täglich wechselndes Tagesan-


LEIBSPEISEN 37

Keine Opiumhöhle: das Ryotei 893 auf der Kantstraße

Unsere Neuentdeckung ist das Ryotei 893 an der Kantstraße. In Deutschlands einst depressivster Schlecker-Filiale hat Kuchi-Chef The Duc Ngo ein ultracooles japanisches Restaurant eingerichtet. Von außen erkennt man es fast nicht, es sieht aus wie eine Opiumhöhle. Nur das kleine Neonschild mit den schönen japanischen Schriftzeichen und der Zahl 893 über der Tür verrät, was sich dahinter verbirgt. Die Karte ist viel zu groß, um sich beim ersten Besuch einen Überblick verschaffen zu können, zu empfehlen sind daher die Chef’s Recommendations sowie die Menüs, die es in unterschiedlichen Preiskategorien gibt. Am besten bestellt man sich als Erstes einen Sake Martini und lässt sich dann vom freundlichen Kellner beraten. Billig ist das alles nicht, schmeckt dafür aber zum Niederknien. Ryotei 893 Kantstr. 135, Charlottenburg 893ryotei.de


Foto: Guido Woller

38 TESTSTRECKE


TESTSTRECKE 39

FRÜHLINGSSÄFTE Gesünder geht’s nimmer: Das Daluma in Mitte bietet Suppen, Salate und Säfte, alles frisch, alles Bio, alles ohne Zusätze. Aber ist solch eine pure Natürlichkeit auch dragtauglich? Die Expertin fürs Schöntrinken, Jurassica Parka, macht für uns die Probe aufs Exempel Saft! Ich liebe Saft. Als die Redaktion an mich

alles Bio und ohne Zusätze. Es geht um Vita-

herantrat, einen Artikel über Saftkuren zu

mine, Mineralien und Antioxidantien. Eine „spe-

schreiben, dachte ich sofort: Yay. Voll nice und

zielle Hochdruck-Kaltpresse” lässt so viele

so (das sagen jetzt die jungen Leute, später

Nährstoffe wie möglich im Saft. Ich bin ver-

mehr dazu). Als ich erfuhr, dass es sich um eine

wirrt. Grundsätzlich geht’s also in erster Linie

„One-Day-Cleanser“-Kur – sprich eine Entgif-

darum, ganz viel Gesundheit ins Essen zu pa-

tungs-Saft-Kur handelt, musste ich einfach zu-

cken. Irgendwie kommt mir da der Genuss zu

stimmen! Da ich beruflich sehr viel Schnaps

kurz. Aber das ist Geschmackssache. So wie der

trinken muss, bräuchte ich bestimmt öfter mal

mir gereichte Salat (danke für die Einladung).

so ein Detox-Saft … Cleanser ... whatever. Also

Er ist sehr grün. Und ziemlich … pur. Grünkohl

mache ich mich auf zum Flagshipstore für so-

is the new shit. Ich mag ihn lieber gekocht und

genanntes Powerfood und Saft: das Daluma in

mit Butterschmalz versetzt, dazu eine Weih-

Mitte. Ich bahne mir den Weg vorbei an Voll-

nachtsgans. Roh ist der aber bestimmt voller

bärten, Männerdutten und Oversized-Strickja-

Flavinoide, oder so. Okay, ich hab’s verstanden.

cken in das stark modern eingerichtete

Hier konsumiert die körperbewusste junge

Ladengeschäft von Daluma. Ich habe ein Date

Großstadt-Beautybloggerin. Die Preise für di-

mit Marian, einem der drei Besitzer. Einige

verse Speisen sind überraschend moderat.

Gäste sitzen auf strengen Podesten, essen Salat

„Besonders nice sind natürlich unsere Säfte“, da

und checken ihr Instagram. An einer Wand

ist es wieder: dieses „nice“. Egal. In meinem

prangt eine riesige Kühlwand mit frischen Säf-

„One Day Cleanse“ enthalten sind: ein Smoothie

ten. Marian ist sehr nett. Er erzählt von der Phi-

(zum Sofort-Verzehr), drei Säfte für den Tag

losophie des Ladens: nur „frischeste“ Zutaten,

und eine Art Shot (kein Schnaps! Hmpf ...). Alles


40 TESTSTRECKE

zusammen kostet knapp 25 Euro. Dann kommt

mögen. Ich mag ihn überhaupt nicht. Ich bin

die Hiobsbotschaft: Ich darf den ganzen Tag

noch unglücklicher. Okay, Marian hat gesagt,

NICHTS dazu essen. Verdammte Scheiße. Hätt

ich darf nichts essen. Aber während meines

ich das mal vorher gewusst. Als Sofort-Verzehr-

Detox-Tages ein Sektchen für’s Gemüt – das

Smoothie wähle ich „Dr. Feel Good“ mit Mango,

muss drin sein. Plopp! Gegen 20 Uhr ist es Zeit

Himbeer, Açai, Kefir und Kokosblütenstaub. Aha

für den letzten Saft. Ich habe mir als Krönung

… wer sammelt so was ein? Kleine Feen?

den „Rehab“-Saft aufgehoben. Er reizt und ver-

Schmeckt aber gut. Macht ein bisschen satt.

stört mich zugleich. Denn er ist schwarz. Er be-

Gott sei Dank. Ich wähle drei Säfte und den

steht aus Aktivkohle (kenn ich nur von

„Burning Man“-Shot (Ingwer, Zitrone, Cayenne,

Zigaretten), Minze, Agave (schmeckt immer

Oregano-Öl), dieser kommt in einem kleinen

wie Fuß) und Limette. Zur Entgiftung soll das

Glasfläschchen daher – sieht aus wie Poppers.

sein. Und er ist endlich mal nicht so dickflüssig.

Oder GHB. Ab geht’s nach Hause. Ich habe Bü-

Die Konsistenz ist eher wie Wasser. Und eben

rotag. Als erstes probiere ich den Shot. Allein

schwarz. Ich hätte auch an einem Brikett lut-

das Wort macht mich geil. Und ich liebe Ingwer.

schen können, da macht die Minze nicht viel

Der Shot ist sehr scharf, ich trinke ihn auf ex.

wett. Ich fange an zu weinen, mein Magen

Das kann ich. Fühlt sich antibakteriell an. So wie

knurrt. Ich glaube, dass der Homo sapiens nicht

mein Listerine, nur zum Schlucken. Ziemlich

dafür gemacht ist, seine Nährstoffe in Saft- oder

nice. Ich hab Hunger. Ich brauch noch einen

Smoothieform aufzunehmen. Aber ich bin auch

Saft – es ist 11.30 Uhr. Ich nehme „The Radiator“

nicht der Nabel der Welt. Vielleicht bin ich eine

zur Hand, einen Saft für Haut und Haare. Er be-

zynische hungrige Transe, die so was einfach

steht aus Süßkartoffel (örks!), Aloe Vera, Li-

nicht versteht, in ihrer kleinen Welt voller ge-

mette, Birne, Apfel, Traube und Karotte. Na ja.

füllter

Er schmeckt, wie ein Saft schmeckt, der Kartof-

Klopse. Laut Marian läuft das Daluma sehr gut.

feln enthält. Breiig. Irgendwie … unsaftig. Ich

Der Nerv der Zeit ist getroffen. Ich bleibe aber

bin unglücklich. Ich arbeite. Gegen 16 Uhr treibt

bei meinem stinknormalen Frühstücks-Oran-

es mich wieder zu meiner Saftbar. Die „Beet

gensaft und fester Nahrung. Bin ich gedetoxt?

Box“ ist dran, die besteht aus Açai, roter Beete,

Ich weiß es nicht. Aber: nicer shit!

Orange (geht immer), violetten Karotten (Aha!

Paprikaschoten

und

Königsberger

Jurassica Parka

Was?), Limette, Dill (ich liebe Dill, aber nur in Schmorgurken oder zum Fisch) und Cayenne. Der Saft soll antioxidant sein und schmeckt sehr gemüsig. Im Abgang scharf. Muss man

Daluma Weinbergsweg 3, Mitte daluma.de


REZEPT 41

Sie ist die gute Seele des Restaurants: Johanna Nußbaumer wacht nicht nur über die Küche, sondern begrüßt auch viele Gäste persönlich mit Handschlag. Aufgewachsen ist die WahlNußbaumerin Leibnizstr. 55, Charlottenburg nussbaumerin.de

Berlinerin im Salzburger Land. „Ich habe fünf Jahre lang auf dem Hof meiner Großmutter gelebt. Es gab immer frisches Gemüse und Fleisch und ich bin in jeden Kochtopf hineingekrochen.“ Aus dem Repertoire ihrer Oma hat die Nußbaumerin für SIEGESSÄULE GOURMET das Rezept für Salzburger Bierfleisch ausgewählt (nächste Seite). Mit dem Sonntagsessen verbindet

sie

intensive

Kindheitserinnerungen:

„Meine Großmutter hat das Rezept zu Hause am Holzofenherd zubereitet. Das roch dann schon den ganzen Tag irrsinnig nach Kräutern und Gewürzen – ein wunderbarer Duft.“ Die Oma hat dafür gutes Schweinefleisch verwendet, die Nußbaumerin empfiehlt heute hochwertiges und mageres Kalbfleisch. Essenziell ist, dass der Wacholder zusammen mit den anderen Kräu-

SONNTAGSESSEN

tern im Mörser gut klein gestoßen wird. Auch

Backhendl, Wiener Schnitzel und köstliche Mehlspeisen: In der Leibnizstraße gibt es mit der Nußbaumerin eine österreichische Exklave, die allen Fans der Alpenküche eine kulinarische Zuflucht bietet

Bierfleisch daheim im Salzburger Land, wie

der Zeitfaktor ist nicht zu vernachlässigen: Die Soße mit dem dunklen Malzbier sollte unbedingt über Nacht ziehen. Nur so entfalten alle Aromen ihre volle Kraft. Kredenzt wurde das auch heute bei der Nußbaumerin in Berlin, mit dampfenden Knödeln. „Irgendwann habe ich beschlossen, das Gericht aus meinen Kindheitserinnerungen nachzukochen“, erzählt Johanna Nußbaumer. „Seitdem ist das einer der Renner unter meinen StammkundInnen.“

Carsten Bauhaus


Foto: Stephanie Drescher

42 REZEPT

Johanna Nussbaumers Rezept für

Zwiebeln, Knoblauch, Suppengemüse und

Salzburger Bierfleisch

Speck scharf im Schmalz anbraten, mit der

500 g Fleisch, pro Portion ca. 150 g 75 g Speck 100 g Suppengemüse 150 g Zwiebeln 1 kleine Knoblauchzehe 1 Scheibe Bauernbrot 15 g Schmalz 1 Flasche (0,5 l) dunkles Bier mit hohem Malzgehalt 625 ml Brühe 1 TL Pfefferkörner (schwarz) ½ TL Kümmel ½ TL Wacholderbeeren ½ TL Meersalz 1 TL Majoran 25 g frischen Koriander 2 kleine Lorbeerblätter 4 EL Kartoffelstärke 1 Karotte (zum Anrichten)

schen. Wacholder, Kümmel und Pfeffer zer-

Hälfte des dunklen Bieres und Brühe ablöstoßen. Salz, Majoran, Koriander, Brot und Lorbeerblätter zugeben und alles über Nacht ziehen lassen. Am nächsten Tag das Fleisch in etwa 2 cm große Würfel schneiden und in Öl anbraten. Den Sud durch ein Sieb passieren und das Fleisch anschließend darin gar kochen. Wenn das Fleisch weich ist, aus dem Sud rausnehmen. Zum Andicken 4 EL Kartoffelstärke und 200 ml Bier verrühren und nach und nach zu dem Sud geben, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit blanchierten Möhren und Beilage anrichten.




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