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Claudia Zschoch & Michael Alber

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INTERVIEW CLAUDIA ZSCHOCH & MICHAEL ALBER im Gespräch

«EIN WERK, DAS STARKE EMOTIONEN WECKT»

VON CORINA KOLBE Mit Ein deutsches Requiem von Johannes Brahms gastiert der MDR-Rundfunkchor erstmals im Stadtcasino Basel. Chormanagerin Claudia Zschoch und Chorleiter Michael Alber sprechen über die Herausforderungen der Corona-Krise und die Vorfreude auf die erneute Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester Basel.

CK Was verbinden Sie beide persönlich mit dem Brahms-Requiem? CZ Als ich das Werk zum ersten Mal hörte, hat es mich sofort gepackt und seitdem nie mehr losgelassen. Ganz gleich, wie oft ich es auf der Bühne erlebe – ich bekomme an bestimmten Stellen immer wieder eine Gänsehaut. «Denn alles Fleisch, es ist wie Gras», das ergreift mich jedes Mal. Die grosse Kraft dieses Werks liegt darin, dass es beim Publikum solch starke Emotionen weckt. Dem kann sich wohl kaum jemand entziehen.

«Schon bei den ersten Takten spürte ich, wie sehr mich die Texte aus der Lutherbibel, die Brahms ausgesucht hatte, trösten konnten.»

MA Ich habe das Requiem während meiner Studienzeit in einem Moment persönlicher Trauer kennengelernt. Schon bei den ersten Takten spürte ich, wie sehr mich die Texte aus der Lutherbibel, die Brahms ausgesucht hatte, trösten konnten. Da sich das Stück an die Lebenden richtet, unterscheidet es sich grundlegend von den Vertonungen lateinischer Totenmessen. Brahms hatte den Wunsch, ein ‹menschliches› Requiem zu komponieren, das nicht auf eine bestimmte Konfession festgelegt ist. Als Chorleiter komme ich glücklicherweise immer wieder damit in Berührung.

«Mit 73 Sängerinnen und Sängern sind wir der grösste Rundfunkchor Deutschlands.»

CK Beim MDR-Rundfunkchor gehört Ein deutsches Requiem zum Kernrepertoire. Was zeichnet diesen Chor besonders aus? CZ Mit 73 Sängerinnen und Sängern sind wir der grösste Rundfunkchor Deutschlands. Deshalb sind wir auch in der Lage, das grosse chorsinfonische Repertoire ohne Verstärkung durch andere Chöre aus eigenen Kräften zu stemmen.

CK Die Corona-Pandemie hat die Arbeit der Orchester und vor allem auch die der Sängerinnen und Sänger für längere Zeit unterbrochen. Wie erleben Sie jetzt die Proben? MA Wir entdecken gemeinsam etwas wieder, das wir schmerzlich vermisst haben. Wenn der MDR-Rundfunkchor piano singt, geniessen wir es jetzt ganz besonders, die Resonanzen im Raum zu spüren. Auch die klangschönen forte-Passagen kommen uns momentan sehr nah. Manchen stehen plötzlich Tränen in den Augen. Ich denke, wir alle haben den grossen Wunsch, bald auch das Publikum in Basel an diesen Emotionen teilhaben zu lassen. CZ An gross besetzte Chorwerke wie Ein deutsches Requiem oder Ludwig van Beethovens Missa solemnis war über Monate nicht mehr zu denken. Irgendwann konnten wir in kleinen Gruppen und mit viel Abstand zueinander wieder mit Proben beginnen. In der Zeit, in der wir nicht öffentlich auftreten durften, haben uns die Zuhörer im Saal sehr gefehlt. Wenn ein Publikum anwesend ist, spürt man eine andere Energie. Es entstehen Momente von gespannter Stille, Reaktionen auf das Dargebotene spiegeln sich in den Gesichtern wider. Ein solcher Austausch ist für die Künstler extrem wichtig. MA Sobald Sängerinnen und Sänger durch ihren Atem ein bestimmtes Gefühl zum Tönen bringen, überträgt sich die Spannung auf die Zuhörer im Saal. Wenn der Chor eine Pause zelebriert, hält das Publikum, das davon ergriffen wird, unbewusst den Atem an. Bei einer LivestreamÜbertragung lässt sich so etwas nicht vermitteln.

«Mit unserer Arbeit möchten wir erreichen, dass Erinnerungen an die Konzerte in den Köpfen lebendig bleiben.»

CK Im Frühjahr 2019 hat der Chor das

Werk mit dem Sinfonieorchester Basel unter Leitung von Marek Janowski bereits in Genf, Bergamo, Brescia und Aix-en-Provence aufgeführt. Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an diese Tournee zurückdenken? CZ Als wir in den ersten Monaten der Pandemie die schrecklichen Bilder aus Bergamo sahen, wurde uns schlagartig bewusst, dass wir dort ein Jahr vorher ausgerechnet ein Requiem aufgeführt hatten. Das hat uns alle betroffen gemacht, denn diese Stadt war ja zu einem Sinnbild der Pandemie geworden. Es ist eine schöne Vorstellung, dass sich vielleicht jemand aus dem Publikum in Bergamo während dieser schweren Zeit an unsere Aufführung erinnert und daraus Trost geschöpft hat. Mit unserer Arbeit möchten wir erreichen, dass Erinnerungen an die Konzerte in den Köpfen lebendig bleiben.

«Wir freuen uns darauf, nun wieder mit diesem hervorragenden Orchester zusammenzuarbeiten.»

CK Mit Marek Janowski ist der Chor jetzt erstmals im Stadtcasino Basel zu erleben. CZ Wir sind alle sehr gespannt auf die Akustik des Saals. Im Sommer 2020 wollten wir zur Wiedereröffnung des Stadtcasinos Basel nach der Renovation dort eigentlich mit dem Sinfonieorchester Basel die 2. Sinfonie von Gustav Mahler aufführen. Leider hat uns die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Umso mehr freuen wir uns darauf, nun wieder mit diesem hervorragenden Orchester zusammenzuarbeiten.

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