Trotzdem 2/2017

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LINKS IM DRUCK.

DI E ZEI T U NG DER SOZ I A L IST ISCH E N J UGE N D ÖST ER R EICH

Ausgabe 2/17 Oktober 2017 www.sjoe.at

Frauenfußball in Österreich Das Frauen-Nationalteam hat bei der EM gezeigt, was es kann! Wir haben uns angeschaut, wie es um Frauenfußball in Österreich sonst so bestellt ist. s. 16–17

Achtung, Überwachungspaket! Wie steht es um Überwachung in Österreich, was war im Sicherheitspaket und was wird noch kommen? Wir haben nachgefragt! s. 22–23

100 Jahre Russische Revolution Warum kam es gerade in Russland zur Revolution und im restlichen Europa nicht? s. 28–29

Leistbares Wohnen, günstige Öffis, gerechte Steuern:

s. 4–15

Weil es dir zusteht! Die Mieten laufen den Einkommen davon, Mobilität wird immer wichtiger, ist aber nicht immer verfüg- und leistbar. Gleichzeitig leisten weder Konzerne noch Reiche ihren gerechten Beitrag! Wir wollen das ändern. Mit einem eigenen Programm und vielen KandidatInnen ist die SJ bei der kommenden Nationalratswahl stark vertreten!

Österreichische Post AG / Sponsoring.Post 02Z032957 S

Im Interview beantwortet Julia Herr, SJ-Spitzenkandidatin auf Platz 16 der SPÖ-Bundesliste, Fragen zu ihren Plänen im Nationalrat, Grundsätze in Koalitionsfragen und das Politik-Interesse bei Jugendlichen. Außerdem: unsere Inhalte und alle SJ-KandidatInnen im Überblick!


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INHALT INHALT

Links in die Sozialdemokratie! In ganz Österreich sind Mitglieder der Sozialistischen Jugend seit Wochen auf der Straße, sie diskutieren mit PassantInnen, SchülerInnen und Studierenden, sie werben für die Inhalte der Sozialistischen Jugend und die Unterstützung unserer KandidatInnen. Es geht um leistbares Wohnen, gute Öffis und eine gerechte Besteuerung. Aber es geht auch um mehr: Vor etwas mehr als zwei Jahren erschien im August 2015 eine Ausgabe mit der Coverstory „Die SPÖ wieder auf Kurs bringen“. Ein paar Wochen zuvor kam es zu Rot-Blau im Burgenland. AutorInnen der SJ ergriffen im Trotzdem das Wort und kritisierten diesen Tabubruch und forderten einen Linksruck in der SPÖ. Genau darum geht es auch bei dieser Wahl! Wir müssen nicht nur eine drohende Schwarz-Blaue

oder Blau-Schwarze Regierung verhindern, sondern auch die linken Kräfte in der Gesellschaft und innerhalb der Sozialdemokratie stärken. Mit unserem Programm, unseren KandidatInnen und hoffentlich vielen Vorzugsstimmen wird uns das auch gelingen! Ein großer Teil dieser Trotzdem Ausgabe widmet sich daher der kommenden Nationalratswahl am 15. Oktober. Wir nutzen die Gelegenheit, nicht nur unsere KandidatInnen kurz vorzustellen, sondern auch unsere Inhalte gebührend zu präsentieren. Darüber hinaus blicken wir aber auch auf die gerade noch abgewendete, aber keinesfalls gebannte Gefahr durch Sobotkas Überwachungspaket, schauen auf den Rechtsextremismus in den USA und einen Präsidenten, der dabei

untätig bleibt, bedanken uns für ein Kommentar aus den Philippinen, berichten über die Lage des österreichischen Frauenfußballs und analysieren den Zusammenhang zwischen Männlichkeits-Bildern und Gewalt.

Die Trotzdem-Redaktion

Inhalt Editorial 3 Vorwort von Julia Herr

Wahlsieg allein ist nicht das Ziel!

Nationalratswahl 2o17 4–5 Interview mit Julia Herr Weil es dir zusteht!

6 Forderungen der Sozialistischen Jugend Weil es dir zusteht!

7 Wohnen muss leistbar werden

Wohnst du schon oder suchst du noch?

8 Für günstige & gute Mobilität

Die Jugend muss am Zug bleiben

9 Steuerbetrug stoppen!

Wir haben ja nichts zu verschenken!

10 Millionärssteuer

Auch Reiche müssen ihren Beitrag leisten!

11 So funktioniert’s

So wählst du linke Politik!

Alle KandidatInnen der SJÖ im Überblick 12 13 14 15

OÖ, NÖ und Burgenland Steiermark und Salzburg Kärnten und Tirol Wien

Frauen 16–17 Männerdomäne Fußball brechen Brot, Rosen UND Rasen!

Inland 18 Neue Farbe, alte Inhalte

Kurz’ Steuerpläne: Bereit zum Abriss

19 Spenden & Interessen bei Kurz Wer hat, dem wird gegeben

20 ArbeiterInnenfeindliche FPÖ

Ein Geschenk für die Reichen – das FPÖ Wirtschaftsprogramm

21 Warum AK & Pflichtmitgliedschaft wichtig sind Frontalangriff auf unsere Rechte!

22–23 Sicherheits- aka Überwachungspaket Überwachungsstaat Österreich

Gesellschaft 24 Gewalt & Männlichkeit Der kleine Krieger

Internationales 25 Gastbeitrag aus den Philippinen They’re killing the children!

26–27 Rechtsextreme Gruppen in den USA

Donald Trump und der Rechtsextremismus

Geschichte 28–29 1917/2017

100 Jahre Russische Revolution

Kalender 30–31 Was war – was kommt

Julia Herr, Platz 16 auf der SPÖ-Bundesliste, erklärt auf ihrem YouTube Account unsere Forderungen und Inhalte. Schau vorbei! http://bit.ly/JuliaHerrYoutube

Impressum Trotzdem 2/2017: Verlagspostamt: 1050 Wien Aufgabepostamt: 4020 Linz Zulassungsnummer: GZ 02Z032957 S Herausgeberin: Sozialistische Jugend Österreich (SJÖ), Amtshausgasse 4, 1050 Wien Tel.: 01/523 41 23, Fax: 01/523 41 23-85, Mail: office@sjoe.at, Web: www.sjoe.at DVR: 0457582, ZVR: 130093029 Medieninhaberin: Trotzdem VerlagsgesmbH, Amtshausgasse 4, 1050 Wien. Geschäftsführerin: Sara Costa, Eigentümerin: SJÖ (100%), Tel.: 01/526 71 12, Fax: 01/526 71 12-85, Mail: office@trotzdem.at Grundlegende Richtung: Das Trotzdem versteht sich als Medium zur Information von Mitgliedern, FunktionärInnen und Sympathisant­ Innen der SJÖ. Das Trotzdem informiert über aktuelle politische Debatten und thematisiert jugendrelevante Ereignisse. Chefredaktion: Julia Herr, Roland Plachy MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Nina Andree, Justine Raphael Luis C. Balane, Radovan Baloun, Simon Brezina, Mirza Buljubasic, Silvia Czech, Ines Erker, Nikolina Franjkic, Daniel Gürtler, Fiona Herzog, Maja Höggerl, Fiona Kaiser, Sarah Kleinschuster, Katharina Lederer-Vadon, Eva Reiter, Stephanie Schmidrathner, Fabian Schweiger, Maximilian Trenkmann, Elias Winter Lektorat: Roland Plachy Produktion: NGL-Mediamondial, 3151 St. Georgen Art Direction, Grafik: Peter Rüpschl, Bernhard Grießler Gefördert durch: BMFJ, gem. § 7Abs. 2B-JFG


EDITORIAL EDITORIAL Vorwort von Julia Herr

Wahlsieg allein ist nicht das Ziel! Vor mittlerweile acht Jahren bin ich in der Sozialistischen Jugend aktiv geworden. Getrieben hat mich der Ärger über Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau und die Frage, warum ganz wenige Menschen so viel haben und ganz viele so wenig. Es ging mir nicht um Prozente, die Höhe des roten Balkens am Wahlabend oder den ersten Platz. Es ging mir um Inhalte, um eine bessere Welt für uns alle und den Weg dort hin!

scheidet aber nicht ausschließlich ein Wahlsieg. Weder ist deren Erreichen mit einem Wahlsieg garantiert – noch ist bei einer Niederlage alles verloren. Natürlich ist eine starke demokratische Legitimation für die eigenen Inhalte wichtig, doch wer nur bis zum Wahltag denkt, denkt zu kurz!

Uns geht es um mehr!

Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Österreich

E

s ist wohl vielen von uns so gegangen und wir sollten uns heute, paar Tage vor der Nationalratswahl, all das in Erinnerung rufen. Hunderte SJ-Mitglieder laufen gerade, genau weil es ihnen um unsere Inhalte geht, die sie umgesetzt sehen wollen. Es sind unsere Ideale, die uns tagtäglich motivieren. Ob wir diese erreichen können, ent-

Es geht um die langfristigen Ziele und die notwendige Glaubwürdigkeit beim Argumentieren und Diskutieren mit Menschen auf der Straße, in der Familie oder der Arbeit. Da helfen keine bezahlten Flyer-VerteilerInnen, keine millionenschwere Inserate, sondern nur tiefsitzende Überzeugungen, die wir SozialistInnen im Herzen (und im Hirn) tragen und für die es sich zu kämpfen lohnt. Davon dürfen wir uns auch von der aktuellen Medienberichterstattung nicht abbringen lassen. Für viele Medien ist die nahende Wahl ein Spektakel, die es finanziell bestmöglich zu nutzen gilt. Kleine Probleme werden aufgeblasen, obwohl sie das Leben der Menschen in keiner Weise betreffen. Über die großen Fragen, wie die immer teureren Mieten, die wachsende Ungerechtigkeit und die Macht der Konzerne wird kaum berichtet, weil sich daraus keine packende Schlagzeile machen lässt. Davon dürfen wir uns weder beirren, noch demotivieren lassen. Unsere Forderungen sind es, um die es geht. Denn sie sind es, die Menschen in ihrer Lebenslage helfen und tatsächlich den Weg in eine bessere Welt ebnen.

„Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen.“ — Johanna Dohnal

Mutig sein – bis zur Wahl und danach! Manche sagen, eine Wahl ist der Wettbewerb der Ideen. Sie wird aber immer mehr zu einem Wettbewerb der Persönlichkeiten. Als SozialistInnen müssen wir unsere Inhalte aber nicht unter den Teppich kehren. Wir brauchen keine neue Fassade für verstaubte Ideen, denn unsere Ideen sind so aktuell wie nie zuvor. Die Mieten sind kaum noch leistbar, das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystem braucht dringend Geld. Nur wenn die Reichen endlich ihren Beitrag zahlen und wir diese massive Ungerechtigkeit beenden, werden alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können. Was wir brauchen ist Mut. Mut, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, mutig zu den eigenen Inhalten zu stehen und sich nicht beirren zu lassen, Mut auch bei Widerspruch nicht gleich nachzugeben oder nach Rechts zu schielen, Mut auch mal nicht um jeden Preis in eine Regierung zu gehen. Diese Wahrheit ist am 15. Oktober gültig, aber auch am 16.

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Öffentlichen Wohnbau ankurbeln und einen fairen Wohnungsmarkt schaffen.

Millionärssteuer einführen! Damit auch das reichste 1% seinen Beitrag leistet.

Ticket

Um 60€ durch ganz Österreich! Top-Jugendticket für alle unter 26.

Leistbares Wohnen, günstige Öffis, gerechte Steuern:

Weil es dir zusteht! Verbandsvorsitzende und SJ-Spitzenkandidatin für den Nationalrat Julia Herr spricht über ihre Forderungen, den notwendigen Fokus auf soziale Themen und ihre Position zu Rot-Blau.

Steuerbetrug stoppen! Die Macht der Konzerne brechen.

Trotzdem: Du bist bundesweite SJSpitzenkandidatin und auf Platz 16 der SPÖ-Bundesliste zur kommenden Nationalratswahl. Warum kandidierst du und was willst du erreichen? Julia Herr: Ich bin mittlerweile seit acht Jahren bei der Sozialistischen Jugend und habe in der Zeit so viel politisch machen können, mit so vielen Leuten geredet und unglaublich viele Flyer verteilt, dass ich jetzt diese ganzen Themen endlich auch umsetzen möchte. Man kann als SJ-Vorsitzende viel Druck erzeugen und Inhalte auf die Straße bringen, aber ich will sie jetzt gerne auch im Nationalrat einbringen. Ich will diese Themen, für die ich seit acht Jahren brenne, umsetzen und so jungen Leuten endlich leistbare Wohnungen und Öffis, die gut und günstig sind, ermöglichen. Es gibt einfach so viele kleine Themen, die man schnell anpacken könnte, aber auch die großen Fragen, über die wir endlich wieder mehr reden müssen, will ich in den Nationalrat einbringen. Fragen über den Einfluss von Politik, den Einfluss von Wirtschaft und den Einfluss einer kleinen Elite auf Politik. Wenn wir

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Qualität und Wertschätzung der Lehre steigern! Bonus-Malus System für Betriebe einführen.

uns zum Beispiel anschauen, wie die CETA Diskussion verlaufen ist, wie hier Lobby-Gruppen Einfluss genommen haben und wie hier die Interessen von Konzernen über die Interessen der Mehrheit gestellt wurden, merkt man, dass da ganz viel falsch läuft. Trotzdem: In deinem Wahlkampf thematisierst du die Ungleichheit zwischen Arm und Reich. Warum gerade dieses Thema und welche Antworten hast du darauf? Julia Herr: In Österreich besitzt das reichste Prozent mehr als 90% der Bevölkerung. Da gibt es für mich gar keine andere Möglichkeit, als dieses Thema intensiv anzusprechen. So große Ungerechtigkeit muss man immer bekämpfen. Da geht es ja nicht nur um Vermögen, da geht es auch um politischen Einfluss auf der einen Seite und Armut und Perspektivenlosigkeit auf der anderen. Deshalb verteilen wir aktuell in ganz Österreich Flyer zur Millionärssteuer, weil mit einer Millionärssteuer können wir leistbares Wohnen finanzieren. Das ist direkte Umverteilung! Nicht nur arbeitende Menschen sollen Steuern zahlen, son-

dern auch große Konzerne. Das stößt auf viel Zustimmung! Ich frage dann immer: wie viele Steuern zahlst du? Und dann lasse ich raten, was McDonalds zahlt. Denn egal ob Apple, Starbucks, Aida oder McDonalds, die finden aktuell Wege, wie sie Steuern umgehen können. Dieses Steuergeld fehlt dann natürlich. Die müssen wir stärker zur Kassa bitten und das Geld jenen zugutekommen zu lassen, die momentan zu wenig haben.

In Österreich besitzt das reichste Prozent mehr als 90% der Bevölkerung. Da gibt es für mich gar keine andere Möglichkeit, als dieses Thema intensiv anzusprechen. Dabei muss auch für Jugendliche etwas herauskommen. Wenn wir uns anschauen, was die letzten Jahre im Nationalrat beschlossen wurde, da wurde oft auf Jugendliche vergessen. Und da ist es wichtig, dass wir uns die notwendige Aufmerksamkeit holen!

Verhütung darf nicht vom Einkommen abhängen! Gratis Kondome & moderner Sexualkundeunterricht an Schulen.

Trotzdem: Thematisiert die SPÖParteispitze Themen wie Millionärssteuer und soziale Gerechtigkeit deiner Meinung nach ausreichend? Julia Herr: Die Millionärssteuer ist im aktuellen SPÖ-Programm gar nicht enthalten. Diese fordern also gerade nur wir von der Sozialistischen Jugend. Das zeigt also ein mal mehr, dass man uns im Wahlkampf unterstützen sollte, weil wir die besten Forderungen haben. Uns war von Anfang an klar, dass, wenn wir solche Themen nicht ansprechen und Forderungen erheben, es niemand machen wird. Wir sind die größte linke Jugendorganisation in Österreich, als solche ist genau das unsere Verantwortung. Kurz und die FPÖ sorgen eh schon dafür, dass der Wahlkampf grindig genug ist, da müssen wir schauen, dass auch sinnvolle Inhalte angesprochen werden. Auch in der Sozialdemokratie glauben viele, dass man voll auf diesen Sicherheitskurs aufspringen muss, sich für restriktive Asylgesetze einsetzen sollte.Aber das machen bereits ÖVP und FPÖ, die man hier nicht mehr unterscheiden kann, und da braucht es keine dritte Partei. Wir müssen andere Themen besetzen,


NATIONALRATSWAHL NATIONALRATSWAHL 2017 wie soziale Gerechtigkeit. Ich bin froh, dass sich die SPÖ schlussendlich für diesen Schwerpunkt entschieden hat, auch wenn leider nicht alle mitziehen. Trotzdem: Wenn du dich daran zurück erinnerst: was hat zu deinem politischen Engagement geführt und hat sich da etwas verändert? Julia Herr: Ein Thema, das mich schon damals bewegt hat, war die Frauenpolitik. Ich bin aber nicht gleich zur SJ, weil mir die SPÖ etwas suspekt war. Aber dann bin ich mal auf ein Seminar, das war die Bildungswerkstatt, mitgefahren und es hat mir so gut gefallen, dass ich sofort Mitglied geworden bin. Ich weiß nicht mehr, wann ich ein politischer Mensch geworden bin, aber es gab einfach schon immer Dinge, die mich gestört haben: Warum werde ich als Frau später mal weniger verdienen als irgendein Mann, nur weil er ein Mann ist. Das hab ich nie verstanden. Je älter ich geworden bin, desto besser hab ich verstanden, dass man diesen Ärger in politischen Aktivismus verwandeln muss, dass du was verändern kannst. Während Konzerne Gewinne ins Ausland verschieben, um ihren gerechten Steuerbeitrag zu umgehen, wird Mobilität für viele von uns zur Herausforderung. Öffentlicher Verkehr ist nicht immer verfügbar und manchmal auch nicht leistbar. Stoppen wir den Steuerbetrug der Konzerne, damit wir nachhaltig in unsere Öffis investieren können!

Trotzdem: Wie war und ist das Politik-Interesse in deinem Umfeld und wie schaut es deiner Meinung nach mit Politikverdrossenheit bei Jugendlichen heutzutage aus? Julia Herr: Bei mir war das ideal, da war gleich eine größere Gruppe aus meiner Schule bei der SJ. Das hat natürlich besonders viel Spaß gemacht, weil die SJ war gleichzeitig Freundeskreis und Politik. Ich glaube, dass heute sogar wieder mehr Leute an Politik inter-

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essiert sind. Was zuletzt passiert ist, mit Trump in den USA, Brexit oder auch das Ergebnis von Norbert Hofer, sind große politische Umbrüche und Jugendliche sehen schon, dass hier ein Wandel geschieht und haben auch ihre Meinung dazu. Ich hab das Gefühl, dass Jugendliche heute wieder viel stärker interessiert sind an Politik. Vielleicht nicht an Parteien, aber an Politik! Trotzdem: Warum ist es bei dieser Wahl so wichtig, mit einer Vorzugsstimme dich und die Inhalte der SJ zu unterstützen? Julia Herr: Wie gesagt, wir haben ganz viele Themen im Programm, da sind wir die einzigen. Zum Beispiel auch die Legalisierung von Cannabis. Wir haben auch beim Thema Steuerbetrug deutlich weitreichendere Forderungen als andere Parteien. Und wenn man diese Inhalte für richtig und wichtig befindet, muss man halt auch die SJ-KandidatInnen mittels Vorzugsstimme unterstützen. Nach der Wahl, wenn wir viele Stimmen haben, können wir mehr Druck für unsere Themen machen. Da geht es gar nicht um die einzelnen Personen, sondern um die Inhalte, die wir vertreten. Wenn wir uns damit in der SPÖ und hoffentlich auch im Parlament durchsetzen wollen, braucht es viel Rückhalt und da ist jede Vorzugsstimme eine wichtige Unterstützung! Trotzdem: In der SPÖ wird über Rot-Blau diskutiert. Die SJ hat hier eine klare ablehnende Haltung. Wie wirst du diese im Falle eines Mandates im Nationalrat vertreten? Julia Herr: Ich habe vor der Wahl und werde auch nach der Wahl sagen, dass ich hier nicht mit kann. Da geht es um Glaubwürdigkeit, aber auch inhaltlich gibt es da meiner Einschätzung nach keinerlei Überschneidungen. Das FPÖ-Wirtschaftsprogramm ist alles andere als ein Programm für ArbeiterInnen und Angestellte. Da ist das Ende der Pflichtmitgliedschaft bei der Arbeiterkammer und damit ein Ende für das System der Kollektivverträge genauso mit drinnen, wie ein Fokus auf indirekte Steuern, also vor allem die Mehrwertsteuer. Das trifft Menschen mit niedrigem Gehalt besonders hart. Darüberhinaus ist die FPÖ eine rechtsextreme Partei. Das muss man in dieser Deutlichkeit sagen, und mit der will ich nicht zusammen arbeiten. Wenn ich ins Par-

lament komme, werde ich auch gegen einen Rot-Blauen-Koalitionsvertrag stimmen. Trotzdem: Jeremy Corbyn und Bernie Sanders haben in Großbritannien und den USA gezeigt, wie ein linker Wahlkampf ausschauen kann. Was können wir in Österreich daraus lernen? Julia Herr: Natürlich lässt sich nicht alles eins zu eins umlegen, weil die Situationen in diesen Ländern anders sind. Da gibt es noch viel größere Ungleichheit als in Österreich. Aber wir sehen, mit welchem politischen Themen sie gepunktet haben. Gerade bei Jeremy Corbyn war zu sehen, dass er nicht in Hochglanz inszeniert wurde, sondern er war ein ganz normaler Typ, mit dem sich die Menschen identifiziert haben. Beide haben sie soziale Themen angesprochen und so unglaublich viele junge Menschen mobilisiert.

Die Mieten stiegen seit 2012 um 14%, die Einkommen nur um 6%. Für viele Menschen stellen Mietkosten eine hohe Belastung dar, gleichzeitig schwimmen wenige Reiche im Geld. Wenn auch Millionäre endlich ihren Beitrag leisten, können wir damit den öffentlichen Wohnbau ankurbeln.

Je älter ich geworden bin, desto besser hab ich verstanden, dass man diesen Ärger in politischen Aktivismus verwandeln muss, dass du was verändern kannst. Das sind halt auch die Themen, die die große Mehrheit der Bevölkerung direkt betreffen. Und da haben beide einfach eine extrem hohe Glaubwürdigkeit, die viel wichtiger ist, als irgendwelche Wahlkampfgags. Auf das muss man wieder zurück kommen. Die Inhalte, für die wir stehen und die ja immer noch eine Politik für die Vielen bedeuten, damit können wir die Wahlen gewinnen.

Das Interview führte Fabian Schweiger


NATIONALRATSWAHL NATIONALRATSWAHL 2017

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Forderungen der Sozialistischen Jugend

WEIL ES DIR ZUSTEHT! Die Mieten laufen den Einkommen davon! Seit 2012: Mieten +14% Einkommen +6%

16€/m2

In Innsbruck kostet ein Quadratmeter im Schnitt bereits 16€ im Monat. Wien und Salzburg liegen nicht weit dahinter. SpekulantInnen lassen Wohnungen leer stehen! Sie hoffen auf steigende Preise. mehr dazu auf Seite 7

Ticket

MIETEN KOSTET WENIGER, WENN MILLIONÄRE STEUERN ZAHLEN. Kurbeln wir den öffentlichen Wohnbau an! So schaffen wir wieder genug Angebot an guten und günstigen Wohnungen.

Die Reichen werden immer Reicher! Kapitaleinkommen steigt rascher als Einkommen durch Arbeit. Allein durch Arbeit reich werden ist unmöglich.

1%

Die reichsten 37.000 Haushalte besitzen mehr Vermögen, als 90% der restlichen Haushalte. Mit dem Vermögen des reichsten 1% könnten wir Österreichs Staatsschulden bezahlen – 2x!

Startwohnungen für Junge! Eine Förderung senkt Mietpreise. Damit bleibt der Traum von der 1. eigenen Wohnung nicht nur ein Traum. Mit Wohnraum spekuliert man nicht! Manche HausbesitzerInnen spekulieren auf höhere Preise. Dann sollen sie auch eine Leerstandsabgabe leisten: 1 Euro pro Quadratmeter im Monat! Weg mit den Provisionen! Mit dem Bestellerprinzip zahlt künftig jener den Makler, der ihn beauftragt hat.

Tax

Unbefristete Mietverträge wieder als Regel! Für mehr Lebensplanung.

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Rich

Studiheime müssen wieder leistbar werden! Neubau und Renovierung von Studiheimen müssen wieder gefördert werden. So werden sie wieder eine attraktive, flexible und leistbare Alternative!

Mobilität ist zu teuer! Wir werden immer mobiler oder sollten es zumindest sein. Egal ob der Besuch von FreundInnen und Familie, das Studium in der Landeshauptstadt oder die Lehrstelle eine Fahrstunde entfernt: oft wird der Preis zur finanziellen Herausforderung. Regionalbahn geschlossen! Öffentlicher Verkehr ist leider nicht immer gut ausgebaut. In den letzten Jahren wurden sogar Regionalbahnen geschlossen und manchmal fährt der Bus nur 2x am Tag. Öffentlicher Verkehr muss attraktiv sein, damit er auch genutzt wird.

Millionärssteuer bringt rund 6 Mrd. €! – Freibetrag bis 500.000€ – Ab 500.000€ 0,25% – Stufenweiser Anstieg auf 1,45% ab 2 Millionen € mehr dazu auf Seite 10

ÖFFIS WERDEN BILLIGER, WENN DER STEUERBETRUG ENDET. Öffis ausbauen! Verbindungen in alle Regionen & mit brauchbaren Intervallen. Mit 60€ durch ganz Österreich! Das Top-Jugendticket für alle unter 26. Führerschein in der Schule! Wenn der theoretische Teil der Fahrprüfung während der Schulzeit gelehrt und absolviert werden kann, wird auch der Führerschein endlich billiger. W-Lan in allen Öffis! Egal ob ein wichtiges E-Mail oder ein Bild für Social Media – das muss auch unterwegs möglich sein.

mehr dazu auf Seite 8

Die Zahl der Lehrstellen nimmt ab! Zwischen 2005 & 2015 sank die Zahl der lehrlingsausbildenden Betriebe um 21%.

!!! #1

!? 500€

Die Lehre ist in der Gesellschaft nicht angesehen genug! Eine gute Lehre wird nicht genug wertgeschätzt, auch nicht finanziell. Die Qualität lässt manchmal zu wünschen übrig! Lehrlinge sind keine billige Arbeitskraft – Ausbildung muss qualitativ hochwertig sein.

Verhütung ist teuer! Rund die Hälfte der Öster­ reicherInnen würde anders verhüten, wenn Pille, Spirale, Kondom & Co. gratis wären. Tabus erhöhen die Unsicherheit! In der Schule wird zu wenig und falsch über Sexualität gesprochen. Auch die Eltern sind hier oft keine Hilfe. Ein Schwangerschaftsabbruch kostet zu viel! Ein Schwangerschaftsabbruch kostet mehr als 500€. Das kann sich nicht jede Frau leisten.

Steuerbetrug kostet uns allen Milliarden! Manche Zahlen sprechen von bis zu einer Billion Euro Schaden pro Jahr für EU-Staaten. Das sind 2.000 Euro Schaden pro EU-BürgerIn.

DIE LEHRE WIRD ATTRAKTIVER, WENN BEZAHLUNG, QUALITÄT UND ANSEHEN STEIGEN! Lehrlingsfond mit Bonus-Malus System schaffen! Betriebe zahlen künftig 1% der Bruttoentgeldsumme in den Fond ein: 1 Mrd. € im Jahr. Dieses Geld geht an Betriebe, die Lehrlinge qualitativ hochwertig ausbilden.

Star sucks

Qualität der Lehre verbessern! Es braucht mehr Qualitätskontrollen und die Einführung eines flächendeckenden Güte-Siegels! Lehre aufwerten! Höhere Lehrlingsentschädigung & Übernahme von Kosten, wie Ausgaben für das Berufsschulinternat, durch den ausbildenden Betrieb, bringen die finanzielle Wertschätzung. Gesellschaftlich muss die Bedeutung gut ausgebildeter Fachkräfte hervorgehoben werden. Rollenbilder aufbrechen! Die Wahl der Lehre soll nicht durch Geschlechter-Kategorien, sondern die eigenen Interessen bestimmt werden.

VERHÜTUNG DARF KEINE FRAGE DES EINKOMMENS SEIN! Sexualität in die Schule! Guter Sexualkundeunterricht braucht spezifische Ausbildung für LehrerInnen & schul­ externe SexualpädagogInnen. Verhütungsmittel kostenlos an Schulen! Verhütungsmittel müssen kostenlos & anonym an Schulen erhältlich sein. Denn die Wahl der Verhütungsmethode darf nicht vom Taschengeld abhängen. Kostenübernahme für jene, die sich Verhütung nicht leisten können! Menschen mit niedrigem Einkommen sollen verschreibungspflichtige Verhütungsmittel kostenfrei erhalten. Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein! Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine schwere Entscheidung. Finanzielle Gründe dürfen sie nicht noch schwerer machen.

STOP

Starbucks zahlte in Österreich 2014 nur 814 Euro an Steuer auf Gewinn – trotz 17 Millionen Umsatz! Ein komplexes System aus Gewinnverlagerung & Steuerabkommen macht es möglich. Die Macht der Konzerne brechen! – Bankgeheimnis & Briefkastenfirmen beenden – Steuern zahlen, wo Gewinne gemacht werden – Vermögensregister & mehr Kontrollen – int. Untergrenzen für Unternehmenssteuern – Strafe deutllich über angerichtetem Schaden mehr dazu auf Seite 9

LEGALIZE IT. NOW! Mit Mythen aufräumen! Alkohol & Nikotin sind gesellschaftlich akzeptiert, obwohl sie gefährlicher sind als Cannabis. Jugendliche nicht in die Illegalität treiben! Jeder 3. Jugendliche kifft. Die aktuelle Gesetzeslage treibt sie in den illegalen Schwarzmarkt, was Gefahren für die Gesundheit birgt. Cannabis legalisieren! Eine geregelte Abgabe durch den Staat garantiert Qualität und bringt Steuereinnahmen. Diese können in die Suchtprävention investiert werden. Washington, Colorado, Portugal & Kanada! Diese Staaten zeigen vor, wie es gehen kann.

Noch mehr Infos gibt es auf juliaherr.at


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Wohnen muss leistbar werden

Wohnst du schon oder suchst du noch? Wohnen wird für viele Menschen zur finanziellen Herausforderung und die Wohnungssuche dauert oft eine Ewigkeit. Eine von vielen Antworten auf dieses Problem hat sich Silvia Czech in ihrer Heimatstadt Mattersburg genauer angeschaut.

Mietpreisänderung von 2012 bis 2016

Durchschnittliche Miete (mit Betriebskosten) in Euro pro m2.

Hauptmieten gesamt

Gemeindewohnung

Genossenschaft

Andere/Private Mietwohnung

+14,3%

+11,6%

+11,6%

+15,7%

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7,4

2012 2016 Im Zeitraum von 2012 bis 2016 stieg die Miete kräftig an, besonders stark im privaten Sektor. Der Trend geht hin zu noch höheren Mieten, in Innsbruck wurde zuletzt sogar eine Durchschnittsmiete von 16 Euro pro Quadratmeter erreicht. Quelle: APA/Statistik Austria

6,3

2012 2016

I

6,6

2012 2016

ch gehe die Straße in Mattersburg entlang, in den Ohren das Dröhnen von Baustellenlärm. Sie sind schon wirklich weit, fast schon fertig. In zwei Monaten werden die ersten Leute kommen und einziehen. Ich treffe eine Bekannte – Susanne. Sie wird in eine dieser neu errichteten Wohnungen einziehen. Susanne ist kaum älter als ich und hat knappe zwei Jahre nach einer passenden Wohnung gesucht. Jetzt ist sie fündig geworden: 55 Quadratmeter, die Küche ist schon dabei, die Wohnung ist sehr günstig. Im ersten Moment dachte Susanne, dass es sich um einen Scherz handelt. Dann fand sie heraus, dass ihre Wohnung eine Startwohnung ist. Was das bedeutet? In erster Linie bedeutet das Leistbarkeit. Der Preis dieser Startwohnungen ist auf 5€/m2 begrenzt. Die Wohnungen sind jeweils 50 bis 55m2 groß. Den MieterInnen wird kein Finanzierungsbeitrag abverlangt. Maximal eine Kaution von 2.500€ ist zulässig. Damit wird garantiert, dass auch junge Menschen, die keine reichen Eltern haben, von zu Hause ausziehen können.

8,6

2012 2016

Genau darum geht es nämlich beim Erwachsenwerden: um persönlichen Freiraum, um Selbstständigkeit und um Selbstbestimmung. Ausziehen heißt Freiheit und jeder und jedem sollte diese Freiheit zustehen. Ganz egal, wie reich oder wie arm man ist. Die Realität schaut im Moment aber leider ganz anders aus. Ein Umzug kostet meist sehr viel Geld. Nur wenige können sich das problemlos leisten und wohnen daher lange zuhause bei den Eltern. Selbst, wenn der Wohnort der Eltern und der Ausbildungs- oder Arbeitsplatz ganz wo anders sind und der tägliche Weg enorm belastet. Im eigenen FreundInnenkreis, im eigenen sozialen Umfeld, beobachtet man also ganz oft Leute, die wirklich ewig nach einer Wohnung suchen und einfach nicht fündig werden. Susanne ging es auch so. Viele ärgern sich, nur wenige wissen, was der Grund für die Probleme bei der Wohnungssuche sind. Das Problem, eine Wohnung zu finden, teilt sich vor allem eine Gruppe: Menschen mit wenig Geld.

Kein Wunder: Die Kosten für Mietwohnungen sind in manchen Städten in den vergangenen zehn Jahren am privaten Wohnungsmarkt um 40 Prozent gestiegen – ohne Betriebskosten. Gleichzeitig sanken oder stagnierten die Löhne jener Menschen, die in den untersten Lohnsektoren arbeiten. „Das ist ein untragbarer Zustand!“, meint auch Susanne. Wohnen ist für viele – vor allem aber natürlich für Menschen mit wenig Geld – kaum noch leistbar. Dabei ist Wohnen ein Grundrecht. Auf Seite 6 findest du deshalb noch mehr Forderungen zum Thema Wohnen. Damit schaffen wir es, dass alle Menschen schönen und günstigen Wohnraum bekommen. Für junge Menschen haben sich aber vor allem Startwohnungen bewährt. Im Burgenland setzt sich die Sozialistische Jugend schon seit dem Jahr 2012 für günstigen Wohnraum für junge Menschen ein – mit Erfolg! Insgesamt wurden bereits 19 Projekte mit 214 Wohnungen im Burgenland fertiggestellt. Zusätzlich befinden sich 151 Wohnungen in Bau und weitere 20 Wohnungen in Planung. Tendenz steigend.

40 Prozent Anstieg: http://wien.orf.at/news/ stories/2778227/

Das Problem, eine Wohnung zu finden, teilt sich vor allem eine Gruppe: Menschen mit wenig Geld. Junge Menschen wie Susanne bekommen dadurch endlich eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben in den ersten eigenen vier Wänden. Österreichweit gibt es mancherorts ähnliche Angebote, allerdings mit unterschiedlichen Konditionen. Wir brauchen eine bundesweite Angleichung und eine flächendeckende Versorgung mit Jugend-Startwohnungen. Damit alle die gleichen Chancen bekommen!

Silvia Czech


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NATIONALRATSWAHL NATIONALRATSWAHL 2017

Für günstige & gute Mobilität

Die Jugend muss am Zug bleiben Aufgrund von infrastrukturellen Fehlentwicklungen sterben ländliche Gemeinden zunehmend aus. Vor allem die Einstellungen von ÖBB-Nebenbahnen in Niederösterreich durch die ÖVP-Landesregierung zeigen, dass Infrastruktur und Mobilität, vor allem für junge Menschen, auf der Strecke bleiben. Das muss aber nicht so sein. Mirza Buljubasic mit einer Bestandsaufnahme aus dem Ybbstal.

Gegen das Ende der Ybbstalbahn formierte sich Protest – vergebens. Seither ist Mobilität insbesondere für Jugendliche erheblich schwerer geworden. Quelle: Matthias Michaelis

NÖVOG: Niederösterreichische Verkehrsorganisationsges.m.b.H

Z

uerst haben sie unser Postamt geschlossen und somit Arbeitsplätze weggenommen. Danach haben sie die Ybbstalbahn eingestellt und die Schienen rausgerissen und haben das Ybbstal wieder um Arbeitsplätze beraubt. Und dann haben sie den Polizeiposten geschlossen“, erzählt Bernhard, Einwohner von Hollenstein an der Ybbs. Die Gemeinde an der historischen Eisenstraße im Ybbstal kämpft seit Jahren mit sinkenden EinwohnerInnenzahlen. In den letzten 10 Jahren ging die Bevölkerung um 6,8 Prozent zurück, in den letzten 45 Jahren sogar um 21,7 Prozent. Alle Gemeinden im Ybbstal sind mit ähnlichen Problemen konfrontiert: Sparprogramme des Landes, mangelnde bzw. zerstörte öffentliche Infrastruktur, keine Jobs, keine Mobilität und dadurch Landflucht – vor allem von jungen Menschen – was zu Überalterung der Gemeinde führt. In weiterer Folge wird es immer schwerer, Kindergärten und Schulen zu erhalten, ein Ende der Abwärtsspirale ist nur durch gezielte Investitionen in den ländlichen Raum möglich. Doch die ÖVP sieht nur zu und wiederholt gebetsmühlenartig, dass sie die Partei des ländlichen Raumes ist.

Die Zerstörung eines Kulturerbes Die Ybbstalbahn wurde Ende

des 19. Jahrhunderts erbaut und symbolisierte den mit der Industrialisierung verbundenen wirtschaftlichen Aufstieg der gesamten Region. Die Region Eisenwurzen im Dreiländereck Ober-, Niederösterreich und Steiermark profitierte von der Anbindung des Erzbergs mit dem Donauraum. Viele Bahnhöfe, Viadukte und Brücken stehen heute noch unter Denkmalschutz. Ende des 20. Jahrhunderts bis 2010 wurde die Bahn von vielen SchülerInnen genutzt, die in die Schulstadt Waidhofen pendelten. TouristInnen nutzten die Eisenbahn für Wochenendausflüge und Naherholung. Mit der Übernahme der Nebenbahnen von der ÖBB durch das Land Niederösterreich und die NÖVOG wurde das Ende der historischen Zugstrecken eingeleitet. Schnell wurde klar, dass man kein Interesse daran hatte, eine nachhaltige Lösung für die Region zu finden. Der Sparstift wurde angesetzt, Deals mit Busunternehmen ausgehandelt und die Abrissbirnen wurden platziert. Eisenbahn-Vereine versuchten, die Ybbstalbahn zu retten. Man legte Konzepte vor, wie die Bahn mit Hilfe privater Betreiber erhalten werden könnte. Bahn-BefürworterInnen organisierten Demonstrationen und sammelten fast 6.000 Unterschriften. Beim

Land stieß man auf taube Ohren. Das Budget wurde immer und immer wieder gekürzt, bis es einfach nicht mehr leistbar war. Ein Radweg wurde erbaut, die Schienen entfernt. Durch den Radweg ersparte sich die Landesregierung auch die Dekontaminierung und die Rückgabe der Bahngrundstücke an die ursprünglichen EigentümerInnen. 2013 wurde mit den Abrissarbeiten begonnen und mit Sommer 2017 waren die letzten Überreste der Gleiskörper entfernt und der Radweg wurde eröffnet. Jetzt lässt man sogar das private Eisenbahnmuseum im ehemaligen Bahnhof Ybbsitz räumen.

Für Bahngleise müssen Private ihre Grundstücke entlang von Strecken zum Teil abtreten. Wenn die Strecken aufgelassen werden, müsste der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werden, was sowohl Eigentumsrecht als auch den ökologischen Zustand angeht. Das ersparte man sich durch den neuen Radweg

Jugend muss am Zug bleiben Die Ybbstalbahn ist nur ein Beispiel einer oft verfehlten Raumentwicklungs- und Infrastrukturpolitik. Es muss angefangen werden, nachhaltiger zu denken. Es darf nicht sein, dass im 21. Jahrhundert Verkehr von der Schiene auf die Straße verlegt und öffentlicher Verkehr eingeschränkt wird. Auf der Strecke bleiben vor allem Jugendliche, die auf Individualverkehr ausweichen oder vom „Taxi Mama & Papa“ abhängig werden. Das muss aber nicht so sein! In Südtirol und der Schweiz wurden alte Regionalbahnen attraktiviert und revitalisiert. Erhöhte Taktungen und Ausbau von Nebenstrecken wurden ein Erfolgsrezept und belebten die gesamte Region. Dieses Denken muss auch nach Österreich überschwappen. In Kombination mit einem TopJugendticket für alle unter 26 um 60 Euro würde Österreich ein ökologischer und mobilitätstechnisches Vorbild für ganz Europa werden und die Lebensqualität für Jugendliche stark anheben.

Mirza Buljubasic

Weitere Forderungen zum Thema Mobilität auf Seite 6


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Steuerbetrug stoppen!

Wir haben nichts zu verschenken! Lux-Leaks, Panama-Leaks, … die Veröffentlichung dieser Daten haben uns in den letzten Jahren immer wieder einen Einblick in die Parallelstrukturen gewährt, die die Reichen und Mächtigen entwickelt haben, um staatliches Recht zu umgehen und ihren Reichtum vor Steuern zu verstecken. Und gleichwohl der enormen Summen, die zuletzt durch die Panama-Leaks ans Tageslicht gebracht wurden, können wir doch nur erahnen, wie viele Milliarden wirklich in Steueroasen liegen. Druck auf einzelne Unternehmen zu erhöhen.

Unitary Taxation

Nach den Enthüllungen der Panama-Leaks haben wir darauf aufmerksam gemacht: Gegen Steuerbetrug NICHT vorzugehen, ist, wie Steuergeld aus dem Fenster zu werfen!

D

enn Mossack-Fonseca, das Rechtsberatungsunternehmen für InvestorInnen, das bei der Gründung von über 300.000 Briefkastenfirmen beteiligt war, ist hier nur das Datenmaterial des 4.-größten OffshoreRechtsunternehmens. Diese Unternehmen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Steuerschlupflöcher zu finden und anderen dabei zu helfen, sie gezielt auszunutzen, um einerseits Steuern zu vermeiden und andererseits Schwarzgeld verschwinden zu lassen. Schätzungsweise geht man davon aus, dass den EU-Ländern durch Steuerflucht und Steuervermeidung etwa 1 Billion Euro im Jahr verloren geht. Dieses Geld könnte man in sinnvolle Infrastruktur investieren, wie Krankenhäuser, Wohnbau, oder öffentlichen Verkehr. Infrastruktur, von der auch die großen multinationalen Unternehmen profitieren. Denn eine stabile Infrastruktur sorgt auch für einen stabilen Unter-

nehmensstandort. Gleichzeitig werden durch Steuerflucht kleinere, heimische Unternehmen immer weiter vom Markt verdrängt, weil sie keine Möglichkeit haben, an den Steuertricksereien teilzunehmen. Mittlerweile gibt es dutzende Abkommen zur Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerflucht, wobei nur letzteres wirklich illegal ist. Bei ersterem werden die unterschiedlichen Steuersysteme durch die schon genannten Briefkastenfirmen geschickt ausgenutzt, um den Steuerbeitrag eines Unternehmens möglichst gering zu halten. Die Schwierigkeit in beiden Fällen Lösungen zu finden, liegt darin, dass man auf nationaler Ebene nur sehr wenig bewirken kann: Zwar könnte man in Österreich sicher einiges verbessern, wie zum Beispiel auch schon bei kleineren Tatbeständen aktiv zu werden. Vor allem aber auch mehr Transparenz kann dazu führen, Steuerschlupflöcher zu erkennen und die öffentliche Aufmerksamkeit und damit den

Viel mehr kann auf der Ebene der EU erreicht werden. Hier wurde in den letzten Jahren auch schon vieles versucht: Die EU hat im letzten Jahr ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Steuervermeidung gestartet, das langfristig sicherstellen soll, dass Unternehmen dort besteuert werden, wo sie auch Gewinne machen. Dafür könnte man beispielsweise eine gemeinsame Unitary Taxation und eine gemeinsame Körperschaftsteuer, die keinesfalls unter 25% liegen darf, einführen, damit sich Geldverschiebungen in andere Länder nicht mehr lohnen. Die Abkommen, die es heute schon gibt, sind oft nur Verträge zwischen einzelnen Ländern und keine wirklich einheitliche Neuregelung, die diese Parallelstrukturen aushebeln würde. Viel zu viel profitieren leider einzelne Staaten von dem Geschäft der Steuervermeidung, als dass sie dessen Bekämpfung in Betracht ziehen würden. Auch nicht selten sind es die Regierungschefs selbst, oder ihr nächstes Umfeld, die ihr Vermögen über Briefkastenfirmen reinwaschen und in Steueroasen in Sicherheit bringen. Umso wichtiger ist es also, über den Steuerbetrug von Konzernen und Reichen zu informieren. Öffentlicher Druck durch jeden und jede einzelne von uns, wird notwendiger denn je, denn nur so werden wir die Regierungen dazu bringen, dem Steuerbetrug einen Riegel vorzuschieben. Wir wissen, die Reichen und Mächtigen dieser Welt werden ihre Privilegien nicht kampflos aufgeben.

Fiona Herzog

Die Unitary Taxation ist eine Form der Besteuerung internationaler Konzerne in zwei Schritten. 1. Einheitliche weltweite Unternehmensbilanz: Ein Konzern wird mit all seinen Sitzen als eine Einheit betrachtet und die Aktivitäten auch von Tochterunternehmen offengelegt. 2. Formulary apportionment: Im zweiten Schritt wird mit Hilfe einer Formel der Gewinn des Konzerns nach dessen realen Aktivitäten den einzelnen Ländern zugeordnet. Quelle: attac.de


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Millionärssteuer

Auch Reiche müssen ihren Beitrag leisten! Trauriges Fazit der letzten Jahrzehnte: Die Armen werden immer ärmer und die Reichen immer reicher. Die Schere zwischen Arm und Reich wächst. Aber wie kann so etwas passieren und wie wirkt man dem entgegen?

Wir haben am Wiener Graben auf den unermesslichen Reichtum von ganz wenigen aufmerksam gemacht – während viele andere sich nicht mal die Miete leisten können!

D

as Phänomen der immer ungerechter werdenden Verteilung, welche immer rasanter fortschreitet, ist kein Mythos. Es ist lediglich die logische Konsequenz unseres Wirtschaftssystems und einer Sozialgesetzgebung, die dem nicht genügend entgegenwirken kann.

So lange Vermögen nicht besteuert wird, kann sich das Kapital in den Händen weniger anhäufen und die Machtposition der Reichen verfestigt sich noch weiter.

Mehr Infos zur Vermögensverteilung in Österreich befinden sich hier: https://media. arbeiterkammer.at/ wien/MWuG_Ausgabe_122.pdf

Die Superreichen gibt es nicht nur in Amerika, irgendwo ganz weit weg, sondern auch in Österreich. Wie Zahlen der Arbeiterkammer bestätigen, besitzen die reichsten 3% der österreichischen Bevölkerung mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens des Landes. Wobei die ärmeren 50% der Bevölkerung nur über 2% des Vermögens verfügen. Österreich ist jedoch mit Zahlen wie diesen ganz und gar nicht allein, denn eine Vermögensverteilung nach diesem Schema zeichnet sich in ganz Europa ab. Das beste Argument für einen progressiven Steuersatz, also einer Steuer die von jenen, die mehr haben, auch mehr Steuern verlangt, ist die weltweite

Ungleichheit: 8 Männer aus Industrienationen besitzen mehr als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also 4 Milliarden Menschen.

Es waren einmal: 8 Männer... Auf der Forbes Liste der reichsten Menschen der Welt sind die ersten 8 ausschließlich Männer, alle Unternehmer beziehungsweise Investoren. Wenn es den Großunternehmen doch wegen der angeblich hohen Steuerlast so schlecht geht, wieso sind die Reichen dann allesamt UnternehmerInnen? Ganz einfach: weil für einen Menschen, der kaum mehr als seine eigene Arbeitskraft besitzt, oft nicht viel mehr bleibt, als zum Überleben notwendig ist. Bei Konzernen und jenen, die über Produktionsmittel verfügen, stehen jedoch auch nach Abzug von Steuern oft noch millionenschwere Gewinne in den Büchern. Wenn man dann auch noch so wie jetzt Arbeit im Verhältnis zum Kapital um vieles mehr besteuert, werden die Wenigen immer mehr besitzen als die Vielen. Die einzige Lösung um ArbeiterInnen, welche die große Mehrheit der Bevölkerung stellen, nicht mehr zu belasten als die Reichen, ist von letzteren höhere Abgaben und Steuern

zu verlangen. Somit wird die Ausbeutung der ArbeiterInnen eingeschränkt und Vermögen umverteilt. Ein weiterer Effekt eines progressiven Steuersatzes ist, dass die politische Macht gerechter verteilt wird. Da jene mit einem großen Anteil am Reichtum auch Forderungen an die Politik stellen können, würde eine gerechte Vermögensverteilung deren Einfluss verringern und stattdessen dem Mitspracherecht der restlichen Menschen zugutekommen. Momentan wirken auf EU-Ebene ca 3.900 Lobbys der Wirtschaftsseite auf Entscheidungen ein, während nur 130 Gewerkschaften die Interessen der ArbeiterInnen einbringen können. Mindestens 123 Millionen € gibt alleine die Finanzlobby aus, um die EU-Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Dem stehen gerade einmal 4 Millionen € gegenüber, die von Gewerkschaften, NGOs oder KonsumentInnenorganisationen für Lobbyismus ausgegeben werden.

Und die Moral von der Geschicht: Luxus für alle, sonst gibt es Krawalle! So lange Vermögen nicht besteuert wird, kann sich das Kapital in den Händen weniger anhäufen und die Machtposition der Reichen verfestigt sich noch weiter. Ein gutes Beispiel dafür liefert der Amerikaner David Hamilton Koch, Nummer 8 auf der Forbes Liste: er ist einer der Hauptfinanzgeber der konservativen „Tea-Party“-Bewegung, die sich klar gegen Maßnahmen wie eine höhere Abgabe für Wohlhabende ausspricht. So gelingt es ihm, wie auch vielen anderen, weiterhin Milliardengewinne machen zu können ohne einen gerechten Beitrag zu leisten. Diesen Teufelskreis kann nur eine Umverteilung des Kapitals – und damit eine Millionärssteuer – durchbrechen. Fiona Kaiser und Eva Reiter

Die Sozialistische Jugend setzt sich seit langem für eine Millionärssteuer ein. Dank eines hohen Freibetrages, trifft diese nur die Reichen und spart das hart erarbeitete Eigenheim oder Sparguthaben aus. Steuersatz für Vermögen (abzüglich Schulden) <500.000€ Freibetrag >500.000€ 0,25% >750.000€ 0,45% >1,000.000€ 0,65% >1,250.000€ 0,85% >1,500.000€ 1,05% >1,750.000€ 1,25% >2,000.000€ 1,45% Herr A. Eigenheim 350.000€ Wertpapiere 50.000€ Sparbuch für Kinder 50.000€ Kredit auf das Haus -70.000€ Vermögenssteuer: 0€ Frau M. Eigenheim 400.000€ Wertpapiere 200.000€ lfd. Kredit -50.000€ Vermögenssteuer: 125€ Herr W. Wochenendhaus & Eigentumswohnung 750.000€ Sparguthaben 100.000€ Vermögenssteuer: 1.075€ Quelle: GPA-Modell, http://www.reichebesteuern.at/hintergrunde/steuerrechner/ berechnungsbeispiele/


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So funktioniert’s

So wählst du linke Politik! Am 15. Oktober heißt es wieder: Wählen gehen! Die kommende Nationalratswahl wird die Richtung vorgeben, in die sich Österreich in den nächsten 5 Jahre entwickeln wird. Um so wichtiger ist es jetzt linke Politik aktiv zu unterstützen. nalwahlkreisliste pro Partei. Auf jeder dieser Ebenen kann man bei der Nationalratswahl jeweils eine Vorzugsstimme für eine Person vergeben. So hat man die Möglichkeit, Personen direkt auf Grund ihrer jeweiligen Inhalte und Meinungen zu unterstützen und innerhalb der gewählten Partei einzelne PolitikerInnen gezielt eine Stimme zu geben. Das bedeutet in vielen Regionen, dass man mit nur einem einzigen Stimmzettel gleich drei Mal die Forderungen und die Arbeit der Sozialistischen Jugend unterstützen kann.

Warum überhaupt wählen gehen?

Mit deinen Vorzugsstimmen für Julia Herr (Bundesliste) und die vielen anderen SJ-KandidatInnen in deinem Bundesland (Landes- und Regionalwahlkreis) kannst du die eigenständige Arbeit der Sozialistischen Jugend unterstützen! Bild: Marco Feilbach

W

ie du auf den nächsten Seiten sehen kannst, tritt die Sozialistische Jugend mit eigenen KandidatInnen und einem eigenen Programm in vielen Bezirken und Bundesländern sowie auf der Bundesebene an. Um nicht nur dem Rechtsruck in der Gesellschaft wirkungsvoll entgegentreten zu können, sondern auch für einen Linksruck in der SPÖ zu sorgen und so soziale Probleme wieder in den Mittelpunkt politischer Arbeit zu stellen, brauchen wir ein starkes Ergebnis. Mit einer Vorzugsstimme kann man ganz einfach die SJ, ihre eigenständige Arbeit und unsere Inhalte unterstützen.

Vorzugsstimmen!? Auf dem Wahlzettel finden sich nicht nur die verschiedenen Parteien auf verschiedenen Listen, sondern ebenfalls eine Bundes-, eine Landes- und eine Regio-

Das ist ganz einfach erklärt: Gesellschaftliche Verbesserungen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen immer erst hart erkämpft werden. Und das funktioniert nur, wenn man sich zusammenschließt und gemeinsam für etwas kämpft. Auch bei dieser Wahl geht es wieder um viel: Verhindern wir die drohende Koalition aus ÖVP und FPÖ, die mit ihren Plänen beim Sozialstaat kürzen wollen und mit ihrer rassistischen Hetze bereits jetzt Menschen gegeneinander aufbringen. Bei dieser Wahl wird sich entscheiden, ob weiterhin die Reichen immer reicher werden, während für ArbeiterInnen am Monatsende immer weniger überbleibt. Ob wir uns weiterhin auf erkämpfte ArbeiterInnenrechte verlassen können, oder ob diese Schrittweise abgebaut werden! Ob gute Wohnungen und unseren Bedürfnissen entsprechende Mobilität wieder für alle zur Normalität werden, oder ob diese einer kleinen Elite vorbehalten bleiben! Mit einer Vorzugsstimme für eineN KandidatIn der Sozialistischen Jugend stimmst du für linke Politik, in der es darum geht, dass wir alle ein besseres Leben führen können! Weil es dir zusteht!

So funktioniert's Sozialdemokratische Partei Österreichs

SPÖ

O Vorzugsstimme Bundeswahlvorschlag

16, Julia Herr (Hier trägst du den Namen ein)

Vorzugsstimme Landeswahlkreis

(Hier trägst du den Namen ein)

Vorzugsstimme Regionalwahlkreis o 1 ....... 0 2 ....... o 3 ....... 0 4 ....... 0 5 ....... ... ... (Hier kreuzt du den Namen an)


Alle KandidatInnen der OÖ, NÖ UND BURGENLAND Serafina Demaku Platz 6, Wahlkreis Thermenregion & Platz 47, SP-Landesliste Niederösterreich I Ein Top-Jugendticket für alle unter 26, weil man im Studium sowieso schon auf Sparflamme kochen muss.

Corinna Jost Platz 12, Wahlkreis NÖ-Mitte & Platz 69, SP-Landesliste Niederösterreich I Ich werde mich für die Umsetzung eines Top-Jugendtickets für ALLE unter 26 österreichweit und den Ausbau von Öffis einsetzen, weil ein guter Zugang zu Mobilität die Lebensverhältnisse von Jugendlichen stark verbessert.

Mirza Buljubasic Platz 434, SPÖBundesliste I Ich würde mich für eine Mobilitätsoffensive einsetzen: Reaktivierung der Nebenbahnen, Ausbau des öffentlichen Verkehrs und ein Top-Jugend­ ticket für alle unter 26!

Melanie

corinna Merima serafina

Fiona Kaiser Platz 20, SP-Landesliste Oberösterreich I Ich werde für eine Arbeitszeitverkürzung und die Einführung einer Vermögenssteuer kämpfen!

Christoph Weichsler Platz 175, SPÖBundesliste I Die Durchsetzung einer Reichensteuer, um einen Schritt für gesellschaftliche Gleichheit zu machen. Die Kluft zwischen Reich und Arm darf nicht noch größer werden.

kevin

Merima Zukan Platz 6, Wahlkreis Linz und Umgebung & Platz 28, SP-Landesliste Oberösterreich I Ich würde mich für die Einführung einer Erbschaftssteuer einsetzen, um Pflege, Gesundheit und Bei­ hilfen in Österreich finanzieren zu können, damit eine Entlastung der Besteuerung von Lohn und Arbeit möglich ist.

Melanie Gorup Platz 3, Wahlkreis Mühlviertel I Ich werde für faire Chancen im Berufsleben für Frauen mit Kindern kämpfen!

Julia Herr Platz 16, SPÖBundesliste I Als erstes die Millionärssteuer. Nur wenn wir bei der extremen Vermögenskonzentration in den Händen von ganz wenigen ansetzen, können wir die Macht und den Einfluss der Reichen brechen und in Projekte, die uns allen helfen, investieren.

Kevin Sifkovits Platz 12, Wahlkreis Burgenland Süd I Das duale Ausbildungssystem ist eine großartige Möglichkeit um bestmöglich ausgebildet zu werden. Leider gibt es noch immer versteckte Ausbildungskosten. Über 50% der Lehrlinge müssen ihre Internatskosten selbst tragen, deshalb ist eine gesetzliche Kostenübernahme wichtig.


SJÖ im Überblick

Elisabeth Koch Platz 6, Wahlkreis Weststeiermark I Die Themen Wohnen und Mobilität liegen mir besonders am Herzen. Im Konkreten würde ich mich für Startwohnungen für junge Menschen einsetzen.

Daniel Uhl Platz 18, Wahlkreis Graz und Umgebung I Ich werde für eine Arbeitszeitverkürzung und die Einführung einer Vermögenssteuer kämpfen!

Antonia Grabner Platz 16, Wahlkreis Obersteiermark I Ich möchte mich vor allem für junge Menschen einsetzen und ein erstes Thema für mich wäre zum Beispiel das Top-Jugendticket für Studierende.

Was würdest du als erstes im Nationalrat umsetzen wollen?

Susanne Hofer Platz 15, Wahlkreis Graz und Umgebung I Prekäre Arbeitssituationen eindämmen! Egal, ob die Bezahlung nicht stimmt oder ob sie als Urlaubsvertretung eingesetzt werden und gar nichts vermittelt bekommen – es braucht klare und faire Rahmenbedingungen, damit PraktikantInnen nicht länger ausgebeutet werden können!

Nicole Pasti Platz 10, Wahlkreis Obersteiermark & Platz 6, SP-Landesliste Steiermark I Wir brauchen ein sozial gerechtes und innovatives Bildungssystem, bedeutet eine bessere Finanzierung vom Kindergarten bis hin zu den Hochschulen und Universitäten, Gesamtschulen und eine Aufwertung der Elementarpädagogik.

Antonia, nicole

Susanne, daniel

elisabeth

Sarah Hirschbichler Platz 7, SP-Landesliste Salzburg I Ich werde für junge Menschen und ihre Themen kämpfen. Freier Hochschulzugang, leistbares Wohnen, billiger öffentlicher Verkehr, “Ehe für alle” und Neuverhandlung des Präsenzdienstes.

Tobias Aigner Platz 21, SP-Landesliste Salzburg & Platz 233, SPÖ-Bundeliste I Der Mindestlohn. Wer Vollzeit arbeitet, soll auch genug zum Leben verdienen.

Emina Ramic Platz 14, SP-Landesliste Salzburg I Als Erstes möchte ich die Forderung nach einer Millionärssteuer umsetzen.

STEIERMARK UND SALZBURG


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KANDIDATINNEN KANDIDATINNEN

Was würdest du als erstes im Nationalrat umsetzen wollen?

Verena Seunig Platz 12, Wahlkreis Kärnten Ost I Leistbares Wohnen. Es stellt sich oft die Frage: "Wer kann sich das Wohnen heute noch gut leisten?“ Egal ob Miete oder Eigentum – die Preise für beide Wohnformen sind in den vergangen zehn Jahren eklatant gestiegen. Die Mieten steigen ungebremst weiter.

Stefan Salzmann Platz 7, Wahlkreis Kärnten Ost I Den Mindestlohn von 1.500 Euro, gemeinsam mit einem Steuerfreibetrag der selben Höhe. Diese Maßnahme kommt nämlich bei jenen Menschen an, die tatsächlich eine Erleichterung brauchen!

René Girolla Platz 111, SPÖ-Bundesliste I Ich möchte mich so schnell wie möglich als die Jugendstimme im Parlament etablieren und dann sofort mit meinen KollegInnen Anträge stellen, die Österreich nach vorne bringen.

eda

Eda Celik Platz 11, Wahlkreis Oberland & Platz 32, SPÖ-Bundesliste I Am Herzen liegen mir vor allem die Themen Mobilität, Wohnen (Mietrecht!) und Integration. Aber als Erstes würde ich das Top-Jugendticket für alle unter 26 und den gratis Führerschein für Lehrlinge fordern.

KÄRNTEN UND TIROL

verena, stefan

manuel

Manuel Jug Platz 4, Wahlkreis Klagenfurt I Mein Hauptaugenmerk würde ich auf die Bildungsund Volksgruppenpolitik legen. Ich würde mich dafür einsetzen, dass SchülerInnen zukunftsfit gemacht werden und die Volksgruppenförderung erhöht wird.

Luca Kaiser Platz 7, SP-Landesliste Kärnten I Es wird keine Sitzung vergehen, in der ich nicht unbezahlte Praktika abschaffen will. Keine, in der ich nicht den Antrag auf die Ehe für alle Menschen stellen werde und jedenfalls keine in der ich nicht die konkrete Lebenssituation eines Menschen schildern werde, der unter steigenden Mieten leidet, damit es irgendwann auch die Letzten verstanden haben.


KANDIDATINNEN KANDIDATINNEN

WIEN Marina Hanke Platz 5, Wahlkreis Wien Nord I Vermögenssteuern, weil sie für eine dringend notwendige Umverteilung von Vermögen sorgen und Finanzierungen in den Bereichen Bildung, Wohnen oder auch soziale Absicherung ermöglichen.

Julia Hess Platz 12, Wahlkreis Wien Süd-West I Ein Ende der unter- und unbezahlten Praktika. Mit der Ausbeutung der Jugend muss endlich Schluss sein!

Benjamin, claudia, julian

Julian Kroyer Platz 9, Wahlkreis Wien Nord-West I Die Einführung einer bundesweiten Gesamtschule für alle 6-14 Jährigen, denn Bildung darf nicht vom Einkommen der Familie und der sozialen Herkunft abhängig sein.

marina

sara

Fiona Herzog Platz 18, SP-Landesliste Wien I Es gibt sehr vieles, das verändert gehört. Vieles ist aber auf eine starke Ungleichverteilung von Vermögen zurückzuführen. Deshalb würde ich als erstes Millionärssteuern einführen, um damit viele weitere wichtige Dinge finanzieren zu können.

julia

Sara Costa Platz 12, Wahlkreis Wien Innen-Süd I Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich: das halte ich für notwendig um Umverteilung und Gleichheit zwischen den Geschlechtern voranzutreiben.

Claudia Varga Platz 5, Wahlkreis Wien Nord-West I Ich würde mich für die Einführung der Erbschaftssteuer einsetzen. Während Vermögen und Kapital in Österreich kaum besteuert werden, sind die Steuern auf Arbeit sehr hoch. Das muss sich ändern.

Benjamin Enzmann Platz 4, Wahlkreis Wien Nord-West I Ganz klar eine bundesweite Lösung der Mindestsicherung, denn auf dem Rücken der Ärmsten darf keine Hetzpolitik betrieben werden!

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FRAUEN FRAUEN

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Wir haben uns die Lage des Öster­ reichischen Frauen­ fußballs auch vor Ort angeschaut!

Männerdomäne Fußball brechen

Brot, Rosen UND Rasen! Der Erfolg des Österreichischen Frauennationalteams bei der EM sorgte für Begeisterung in ganz Österreich und hat Frauenfußball in den Fokus gerückt. Doch so gut wie die Spiele bei der EM vermuten lassen würden, geht es Frauenfußball in Österreich nicht. Ein Blick zurück

A

llen Widerständen zum Trotz gelang 1935 die Gründung der Damen Fußballunion (DFU), ein Jahr später organisierte die DFU bereits die erste Meisterinnenschaft, die der Damenfußballclub (DFC) Austria gewann. Ende September 1936 gastierte der Klub auch als erstes österreichisches Frauenteam im Ausland und traf in Brno auf das dortige Damenfußballteam „Sparta“ und konnte auch in der folgenden Meisterinnenschaft 1937 seinen Titel verteidigen. Der Versuch, ein eigenes Frauennationalteam zu gründen, scheiterte aber. Engagierte Funktionärinnen, wie die junge Schülerin Alice Maibaum, aber auch Frauen aus dem Großbürgertum, wie die Textilkauffrau und Kommerzialrätin Ella Zirner-Zwieback, die 1936 die Präsidentschaft der DFU übernahm, kämpften gegen die politischen Vorbehalte der patriarchalischen Gesellschaft, die in ihrem reaktionären Frauenbild keine Fußballbetäti-

gung erlaubte. In der Zeit des Austrofaschismus wurden den Frauen zwar Steine in den Weg gelegt, die Ausübung des Frauenfußballs aber nicht gänzlich verhindert. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung im März 1938 wurde der Frauenfußball schließlich verboten und der laufende Meisterinnenschaftsbetrieb 1938 nicht mehr abgeschlossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es längere Zeit, bis der österreichische Frauenfußball wieder in Erscheinung trat. 1948 fanden die ersten Frauenfußballspiele in Wien statt. 1957 nahm ein österreichisches Team an der inoffiziellen Weltmeisterinnenschaft in Berlin teil. Zehn Jahre später startete ein Meisterinnenschaftsbetrieb, der vom ÖFB aber nicht anerkannt wurde.

Wie sieht es heute aus? Die Frauenliga des Österreichischen Fußballbundes wurde 1972 gegründet, es dauerte jedoch weitere zehn Jahre, bis der Österreichische Fuß-

ballbund den Frauenfußball auch offiziell anerkannte. Als erster Frauenfußballclub in Österreich gilt der 1968 gegründete USC Landhaus. Bekannt ist der Verein nicht nur durch sein langes Bestehen, sondern vor allem durch die großen sportlichen Erfolge, die er seit seiner Gründung feiern konnte – sowohl auf nationaler als auch

In den Vereinigten Staaten von Amerika würde man Fußball eher dem Frauensport zuschreiben, weil das Frauenteam dort erheblich erfolgreicher ist als das Team der Männer. auf internationaler Ebene. Für das österreichische Frauennationalteam hat sich das Frauenteam des SKN St. Pölten als besonders wichtig

herausgestellt – vier Nationalspielerinnen nennen SKN St. Pölten ihren Stammverein! Auch traditionelle Männerfußballvereine haben mittlerweile erfolgreiche Frauenteams, wie zum Beispiel der First Vienna FC 1894 und der Wiener Sportklub. Doch im Gegensatz dazu stehen zwei der größten (und „wichtigsten“) österreichischen Vereine: Rapid Wien und FK Austria Wien. Beide haben noch immer keinen Frauenbetrieb eingerichtet.

Anerkennung und Förderung – der Schlüssel zu mehr Qualität Frauenfußball hat generell keinen leichten Start hinter sich, doch die Anerkennung variiert drastisch. Während der Frauenfußball in manchen Ländern in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, gibt es noch viele Länder, in denen er als Randsportart wenig Beachtung findet. Der Frauenfußball sei zu langsam und die Qualität des Spiels sei bedeutend schlechter als im Männersport. Im internationalen


FRAUEN FRAUEN

Ein Bild aus dem Jahr 1974 aus Wien Favoriten zeigt eine Frauenfußballmannschaft. Zwei Jahre zuvor wurde erst die Frauenliga des Österreichischen Fußballbundes gegründet. Quelle: WStLA

Vergleich ist aber oftmals erkennbar, dass die Qualität und Stärke des Frauenfußballs im eigenen Land in direktem Zusammenhang mit der Förderung und Anerkennung des Frauensports stehen. So sieht man zum Beispiel das Frauenteam der USA und das deutsche Frauennationalteam im stetigen Konkurrenzkampf um die FIFA Frauen-Weltranglistenführung. Sie haben die hohe Anerkennung des Sports gemeinsam. In den Vereinigten Staaten von Amerika würde man Fußball eher dem Frauensport zuschreiben, weil das Frauenteam dort erheblich erfolgreicher ist als das Team der Männer. Diese Tatsache spiegelt sich leider wie in allen anderen weiblichen Nationalteams nicht im Gehalt wieder. In Deutschland wiederum schafft es das Frauennationalteam ähnlich viele ZuschauerInnen in das Stadion oder vor den Bildschirm zu locken wie ihre männlichen Kollegen. Das liegt auch an der Subventionierung durch den DFB:

Der Erwerb einer Lizenz der österreichischen Bundesliga soll in Zukunft nur dann möglich sein, wenn die Vereine auch Frauenfußball-Teams betreiben.

Das Logo des Damenfußballclubs Austria, er gewann die erste Meisterinnenschaft 1936. Quelle: WStLA

Die Frauen profitieren von der Marktmacht des Verbands, der die Rechteinhaber der MännerLänderspiele verpflichtet, auch die Heimspiele des Frauenteams zu übertragen. So hat es der Deutsche Fußballverband geschafft, eine Fangemeinde beider Teams zu schaffen und die Männerdomäne im deutschen Fußball weitestgehend aufzubrechen. Eine erfolgsversprechende Möglichkeit, die wir für den österreichischen Frauenfußball dringend in Betracht ziehen müssen. Deutschland wartet zudem mit einer sehr guten Nachwuchsarbeit und Talentförderung auf, welche die Zukunft des deutschen Frauenfußballs abzusichern vermag. Außerdem haben in Deutschland viele große Vereine wie beispielsweise Bayern München, 1.Fc Köln oder Wolfsburg alle ein Frauenteam in der Allianz Frauen Bundesliga. Diese großflächige Förderung ermöglicht dem Nationalteam solch gute Spielqualität.

Frauenfußball fördern in Österreich – aber wie? Österreich kann sich von den erfolgreicheren Frauenfußball-

Ländern vieles abschauen und auch hierzulande umsetzen. Wie der dritte Platz bei der diesjährigen EM eindrucksvoll belegt, lassen die Erfolge nicht lange auf sich warten, wenn Frauenfußball ernst genommen und gefördert wird. Dazu braucht es klare Forderungen. Der Erwerb einer Lizenz der österreichischen Bundesliga soll in Zukunft nur dann möglich sein, wenn die Vereine auch Frauenfußball-Teams betreiben. Dabei sind Voraussetzungen, um in der Bundesliga spielen zu dürfen, nichts Neues. Bereits jetzt gibt es Vorgaben, darunter beispielsweise auch eine eigene Nachwuchsmannschaft. Wird auch eine Frauenmannschaft zur Pflicht, erhält der professionelle Frauenfußball endlich auch professionelle Infrastruktur! Angesichts der Tatsache, dass bloß drei Vereine der Bundesliga aktuell Frauenfußball fördern, ist dieser Schritt dringend notwendig – kommt aber nicht ohne Maßnahmen auf anderen Ebenen aus: Eine zweite Forderung betrifft deshalb die Förderung weniger groß aufgestellter Fußballvereine, wenn diese ein Frauenteam unterhalten: Kleine Vereine bilden das Fundament des österreichischen Breitensports. Eine Förderung wirkt hier also flächendeckend und kann als Bonus für jene Vereine etabliert werden, die auch Frauen eine Spielmöglichkeit schaffen. Effektive Förderung hat jedoch schon vor Eintritt in Vereinsstrukturen anzusetzen. In vielen Schulen gibt es das Interesse von Schülerinnen am Fußballsport. Leider ist es an vielen Schulen, vor allem an kleineren

bzw. solchen mit geringer SchülerInnenzahl, nicht möglich, ein diesbezügliches Angebot (wie etwa eine „unverbindliche Übung“) zu schaffen. Der Grund dafür liegt in den Werteinheiten, die den Schulen zur Verfügung stehen. Ein zusätzlicher Topf von Bund und Ländern zur vollständigen Finanzierung der unverbindlichen Übung Frauenfußball kann hier endlich Abhilfe schaffen! Noch ist hierzulande ein erschreckendes Defizit in der Förderung weiblicher Fußballtalente auszumachen. Ein Schritt in die richtige Richtung wurde immerhin im Jahr 2011

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Das FrauenfußballNationalteam vor dem Freundschaftsspiel gegen Dänemark im Juli 2017. Bei der EM erreichten sie den 3. Platz. Quelle: Granada

Nur mit einem guten und fairen Netzwerk rund um den Frauenfußball lässt sich dieser Sport weiter ausbauen und die Begeisterung steigern. gesetzt: Das „Nationale Zentrum für Frauenfußball“ hat in St. Pölten seine Tore geöffnet. Dieses Zentrum soll vor allem die Qualität des österreichischen Fußballs steigern und diesen international konkurrenzfähig machen. Derzeit trainieren 49 Mädchen im Zentrum. Nur mit einem guten und fairen Netzwerk rund um den Frauenfußball lässt sich dieser Sport weiter ausbauen und die Begeisterung steigern, um unserem längst überfälligen Ziel endlich ein Stückchen näherzukommen: die Männerdomäne im österreichischen Fußball aufzubrechen! Stephanie Schmidrathner, Katharina Lederer-Vadon, Ines Erker


INLAND INLAND

18 Neue Farbe, alte Inhalte

Kurz’ Steuerpläne: Bereit zum Abriss Uns allen würde es viel besser gehen, wenn die ungeheuerliche Steuerlast nicht wäre, die der Staat uns aufbürdet. Das wollen uns zumindest Sebastian Kurz und seine neu gefärbte ÖVP weismachen. Ihr Wirtschaftsprogramm ist ein leistungsstarker Bagger, der unermüdlich Geld von unten nach oben schaufelt. keine Steuer anfällt. Ihnen bringt diese Maßnahme gar nichts. Weil in Österreich höhere Einkommen mehr besteuert werden, haben insbesondere Besserverdienende etwas davon. Gut macht sich auf den ersten Blick der Steuerbonus für Kinder. Die soll man sich, wie das Diensthandy, von der Steuer abschreiben können. Mit 1.500 Euro pro Nase. Das ärmere Drittel der ÖsterreicherInnen verdient aber nicht genug, um überhaupt Lohnsteuern zu zahlen und wird dementsprechend auch nicht entlastet. Für Kurz sind Kinder von GeringverdienerInnen also weniger wert. Wollte er jedes Kind gleich fördern, müsste er die Familienbeihilfe anheben. Das geht aber nicht, wenn die Steuerausgaben des Staates um jeden Preis sinken sollen.

Den Preis zahlen wir!

Was Kurz als „Neue Gerechtigkeit“ tituliert, ist ein Umverteilungsprogramm von Unten nach Oben. Die Sozialstaat-Abrissraupe rollt schon!

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Milliarden Euro an Steuereinnahmen sollen mit dem Wirtschaftsprogramm der ÖVP aus dem Staatsbudget herausgebrochen werden. Das ist in etwa so viel, wie in ganz Österreich für alle öffentlichen Krankenhäuser ausgegeben wird. Das Geld soll vor allem an Reiche und Konzerne gehen: Kurz will die Körperschaftssteuer auf nicht entnommene Gewinne völlig abschaffen. UnternehmerInnen müssen ihre Gewinne dann überhaupt nicht versteuern, solange sie diese in ihr eigenes Unternehmen zurückstecken. Allein diese Maßnahme kostet uns rund vier Milliarden Euro! Kurz möchte auch die Lohnund Einkommenssteuer senken. Rund ein Drittel aller ÖsterreicherInnen verdient aber so wenig, dass bei ihnen ohnehin

Diesen Preis wird die große Mehrheit der ÖsterreicherInnen zu zahlen haben. Während sie von den geplanten Steuererleichterungen fast nichts haben, werden sie durch die daraus entstehenden Ausfälle schwer belastet. Die ÖVP rechnet uns die Gegenfinanzierung ihrer massiven Steuergeschenke vor: Ein großer Teil davon soll durch das Wirtschaftswachstum passieren, das durch die Lohnsteuersenkung losgetreten wird. Diese Wirkung soll sich dadurch einstellen, dass Menschen mehr Geld haben um einzukaufen. So soll die Wirtschaft in Schwung kommen. Diese Rechnung wird aber nicht aufgehen. Es sind diejenigen, die über wenige Geldmittel verfügen, die regelmäßig ihr ganzes Geld ausgeben, um sich erhalten zu können. Diejenigen, deren Grundbedürfnisse bereits gut bedient sind, werden zusätzliches Geld eher nicht ausgeben,

sondern sparen oder anlegen. Der ÖVP-Steuerplan gibt aber nur denjenigen, die schon haben. Deswegen ist er alles andere als ein Wachstumsmotor.

Bereit zum Abriss Somit bleibt schließlich alles an ihr hängen: an der türkisen Sozialstaat-Abrissraupe, gegen die Sebastian Kurz sein schwarzes Geilomobil getauscht hat. Sie steht vollgetankt und gut geölt in der Garage, bereit nach den Koalitionsverhandlungen mit voller Kraft los zu starten. Kurz nennt sein neues Gefährt die „Ausgabenbremse“. Damit, dass seine Steuergeschenke durch Einsparungen an öffentlichen Leistungen bezahlt werden sollen, geht er nicht hausieren. Kurz sagt, er habe kein Problem damit, wenn die Staatsausgaben sogar steigen – solange sie es unter dem Inflationsniveau tun. Staatsausgaben die weniger wachsen als die Inflation beträgt, schrumpfen in ihrem realen Wert.

Kurz’ Steuerpläne begünstigen nur jene, die schon viel haben. Alle anderen werden durch die entstehenden Ausfälle schwer belastet werden! Um auf die 14 Milliarden zu kommen, wird aber ein regelrechter Kahlschlag notwendig sein. Kuz hat bisher nur wenig über seine Abriss-Ziele verraten. Bekannt ist: Er will flächendeckende Studiengebühren einführen. Er will die Mindestsicherung für Flüchtlinge kürzen. Er will MigrantInnen aus dem EU-Ausland für die ersten Jahre komplett aus dem Sozialsystem ausschließen. Danach wird er aber nicht fertig sein und seine Kürzungen werden schließlich jede und jeden von uns betreffen.

Radovan Baloun


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INLAND INLAND Spenden & Interessen bei Kurz

„Wer hat, dem wird gegeben“ — Matthaeus 25:29

Die Flyer sind gedruckt, Menschen lachen uns von großen Plakatwänden überall im Lande an und an jeder Straßenecke wird man mit Kugelschreibern beschenkt: Der Wahlkampf für die Nationalratswahl 2017 ist voll im Gange. Doch ein Wahlkampf muss natürlich auch finanziert werden. Manchen Parteien reichen dabei die staatliche Parteienförderung und ihre Mitgliedsbeiträge nicht aus, sie sammeln fleißig Privatspenden. Ein Blick auf das Spendenregister schafft Abklärung.

Unternehmen und vermögende Privatpersonen spenden nicht ohne einem spezifischen Interesse dahinter. Das gilt auch für die Großspender von Sebastian Kurz. Quelle: Lea Six

Mehr zur Pflichtmitgliedschaft bei der Arbeiterund Wirtschaftskammer auf Seite 21

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nfangs wirkt die vollkommen transparente Spendenliste von Sebastian Kurz doch ganz nett: Ein gewisser Marco hat 20€ gespendet, ein Hermann 50€ und ein Leopold sogar 100€. Es wirkt doch fast schon so, als ob sein Wahlkampf von all seinen UnterstützerInnen aus ganz Österreich gleich getragen und unterstützt wird. Herr Kurz hebt auch immer wieder stolz hervor, dass 90% seiner Spenden von KleinspenderInnen kommt. Über das Spendenvolumen schweigt er jedoch. Denn 70% des Volumens wurde von 18 Personen erbracht, die alle je einen Betrag zwischen 10.000€ und 436.563€ an die Liste Kurz überwiesen haben. Es ist ein Schritt in die rich-

tige Richtung, dass diese Spenden vollkommen transparent behandelt werden, doch es ändert nichts daran, dass jedeR dieser UnternehmerInnen wahrscheinlich nicht aus Spaß so viel Geld in eine Partei steckt. So tritt KTM-Chef Stefan Pierer beispielsweise gegen eine „Zwangsmitgliedschaft“ bei Arbeiter- und Wirtschaftskammer ein und MRP Investment Management wünscht sich ein neues, „marktkonformes“ Miet- und Förderungsrecht von unserer Politik. Wer tiefer taucht, findet noch mehr Unternehmen als engste Berater oder „Ideenspender“. Beispielsweise die „Tiroler Adler Runde“ ist in diesen Kreisen vorzufinden, ein Wirtschaftsbund von 42 Großunternehmen, der es sich zum Ziel gesetzt hat eine „Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Menschen zu bilden, um Tirol als Wirtschaftsstandort zu stärken“. Welche Bitten und Wünsche Herr Kurz hier in Zukunft verfolgen wird, ist also nicht schwer zu erkennen. EinE NationalratsabgeordneteR darf keine teure Flasche Wein annehmen, weil dies als Bestechungsversuch gelten könnte. Warum darf man nun also als Partei ungefähr zwei Millionen Euro an Spenden annehmen, wenn es um den Wahlkampf geht? Denn macht es einen Unterschied, wo ich als Politikerin oder Politiker ein Geschenk erhalte? Wobei zwei Millionen Euro an Spenden eigentlich plötzlich ganz klein wirken, wenn man die Summe mit dem letztjährigen Wahlkampf in den USA vergleicht, wo Großspenden ja bei jeder Wahl an der Tagesordnung stehen. Hier haben Clinton und Trump es

geschafft, einen neuen Rekord an Spenden einzusammeln: Ganze 1,1 Milliarden US-Dollar haben die beiden zusammen erhalten. Nur zehn Personen sind allerdings für 20% dieser Geldmenge verantwortlich. Die größten Spender sind Tom Steyer und Donald Sussman, die zusammen 61,4 Millionen Dollar an Hillary Clinton gespendet haben, damit sie junge Wählerinnen und Wähler, Latinos und Gewerkschaften erreichen konnte. Also sind Großspenden immer nötig, um einen Wahlkampf zu führen? Sozialdemokratische Kandidaten wie Bernie Sanders beweisen hier das Gegenteil. Er punktete mit dieser Herangehensweise bei jungen Wählerinnen und Wählern. Denn das wichtigste im Wahlkampf und sonst auch immer ist die Demokratie und Mitbestimmung! So ist es essentiell, dass eine Partei, die sich an Arbeiterinnen und Arbeiter richtet, von diesen auch getragen wird: nicht nur politisch, sondern auch finanziell.

Spendenliste von Sebastian Kurz (ÖVP) IGO Industries GMBH (Bau von Stadion in Katar): 30.000€ ⁃ Direktorin Casinos Austria/Lotterie Bettina GlatzKremsner: 10.000€ ⁃ Ehemaliger Minister unter schwarz-blau Detlev Neudeck: 4.000€ ⁃ Georg und Dorit Muzicant (besitzen 20 Unternehmen): 40.000€ ⁃ KTM-Chef Stefan Pierer: 436.563€

So ist es essentiell, dass eine Partei, die sich an Arbeiterinnen und Arbeiter richtet, von diesen auch getragen wird: nicht nur politisch, sondern auch finanziell. Damit kann verhindert werden, dass Politik nicht für ein paar wenige Unternehmen gemacht wird, sondern für die vielen Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich nicht einfach so tausende von Euros aus dem Hut zaubern können, damit ihre Meinungen und Wünsche gehört werden.

Maja Höggerl


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ArbeiterInnenfeindliche FPÖ

Ein Geschenk für die Reichen – das FPÖ-Wirtschaftsprogramm Das Wirtschaftsprogramm der angeblich „sozialen Heimatpartei“ steckt voller Angriffe auf ArbeiterInnen. dass sie nichts leisten müssen, und nur kassieren wollen.“ Der Kampf gegen angebliche „Sozialschmarotzer“ stand danach jahrelang auf der FPÖ-Agenda. Doch in den vergangenen Jahren fanden auch immer mehr FPÖWählerInnen keinen Job mehr oder hatten arbeitslose Menschen in ihrem sozialen Umfeld. Da trickste die FPÖ und verlagerte ihre Kritik geschickt auf BezieherInnen der Mindestsicherung, wobei es hier zu betonen gilt, dass diese ebenfalls zu einem Großteil arbeitslose Menschen oder gar ArbeiterInnen mit sehr niedrigem Gehalt sind.

Weniger Arbeitslosengeld – trotz eigener Einzahlungen! Der Vorwurf an Arbeitslose, trotz andauernd hoher Arbeitslosigkeit, nicht Arbeiten zu wollen, zeigt: der FPÖ geht es nicht um „Fairness“, sondern um Lohndrückerei zugunsten der Konzerne! Zitat 1: stopptdierechten.at Zitat 2: Handbuch freiheitlicher Politik, 2013, Wien

„Die FPÖ – Partei der Reichen“ von Michael Bonvalot Mandelbaumverlag, ISBN: 978385476-672-8

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ozialraub, Einsparungen im Gesundheitsbereich und schlechtere Arbeitsbedingungen stehen ganz oben auf der Tagesordnung der FPÖ. Während sich die Lebensrealitäten von arbeitslosen Menschen und vor allem Frauen drastisch verschlechtern, gibt’s Geschenke für Banken und Konzerne. Im Buch „Die FPÖ – Partei der Reichen“ hat der Autor Michael Bonvalot genau diese Themen im Kapitel „Das Wirtschaftsprogramm der Strache-FPÖ. Von A bis Z.“ zusammengefasst – ein sehr empfehlenswertes Nachschlagewerk. Beispielhaft wird hier das Thema Arbeitslosigkeit behandelt. Die FPÖ ist die Partei gegen arbeitslose Menschen. Im Interview mit dem Standard zur bevorstehenden Wahl 2012 verlor Strache ein paar Worte zum Thema: „Wir haben heute in Österreich Situationen, wo sowohl Österreicher[innen] als auch Zugewanderte keiner Arbeit nachgehen wollen und dem Sozialstaat gezielt auf der Tasche liegen. (…) Man muss bei österreichischen Sozialschmarotzern ansetzen und vor allem auch bei Zugewanderten, die glauben,

Nicht erst im Wirtschaftsprogramm 2017, sondern bereits im „Handbuch freiheitlicher Politik“ finden sich so einige verwerfliche Forderungen zum Thema Arbeitslosigkeit. So will die FPÖ Langzeitarbeitslosen „unter anderem anbieten, im Rahmen von Hilfsdiensten personelle Bedarfsspitzen bei gemeinnützigen Tätigkeiten abzudecken. Dies soll prinzipiell freiwillig erfolgen, sollte sich aber als Bonus/ Malus auf die Höhe der Unterstützungsleistung auswirken“. Welche Bedarfsspitzen hierbei gemeint sind bleibt offen. Wenn die Betroffenen nicht arbeiten können oder schlichtweg nicht wollen, soll ihnen ein Teil ihrer nötigen Unterstützung gestrichen werden, für die sie zuvor selbst ins Arbeitslosenversicherungssystem eingezahlt haben! Die FPÖ geht aber noch einen Schritt weiter. „Sogenannte Berufsarbeitslose“ haben laut ihnen überhaupt keine Unterstützung mehr verdient, lediglich eine „Grundsicherung in Form von Sachleistungen“ soll ihnen zustehen. Wer genau eine „berufsarbeitslose“ Person ist, bleibt offen. Zusätzlich will die FPÖ, allen voran ihr neoliberaler Wirtschaftsflügel,

den Branchenschutz für arbeitslose Menschen aufheben und diese Personen bevorzugt für die meist schlecht bezahlte Hotellerie und Gastronomie heranziehen. Personen mit Migrationshintergrund soll, ginge es nach der FPÖ, in Zukunft überhaupt keine Arbeitslosenversicherung mehr ausbezahlt werden. Laut dem Handbuch heißt es: „Gastarbeiter müssen mit ihrem Einkommen nicht in unser Arbeitslosenversicherungssystem einzahlen, weil das öffentliche Arbeitslosenversicherungssystem dazu dient österreichische Arbeitslose zu vermitteln.“ Im Wirtschaftsprogramm 2017 wurde das Ganze etwas abgeschwächt. Dort heißt es, dass nach 26 Wochen eine Bewerbung im „Heimatland“ erfolgen soll, nach 52 Wochen gäbe es für diese Personen keine Notstandshilfe mehr. Für den Bezug der Mindestsicherung soll ebenfalls die StaatsbürgerInnenschaft vorausgesetzt werden. Die Folge in Österreich wäre, dass rund 15% der Bevölkerung durch finanzielle Notlagen zu LohndrückerInnen gemacht werden! Das bedeutet Verschlechterungen für alle ArbeiterInnen und Freude nur bei den Konzernen.

https://www.fpoe.at/ fileadmin/user_upload/ www.fpoe.at/dokumente/2017/Wirtschaftsprogramm/Wirtschaftsprogramm.pdf [18.09.2017]

Die Folge in Österreich wäre, dass rund 15% der Bevölkerung durch finanzielle Notlagen zu LohndrückerInnen gemacht werden! Mit diesem Wirtschaftsprogramm, welches neben diesen noch viele andere problematische Punkte beinhaltet, hat sich in der FPÖ eindeutig der autoritär-neoliberale Flügel durchgesetzt. Sollte also die FPÖ in der nächsten Regierung sein und weiter erstarken, werden wir für unsere hart erkämpften sozialen Rechte erneut aufstehen müssen, denn Rückschritte statt Fortschritte werden auf der Tagesordnung stehen!

Nina Andree


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Warum AK & Pflichtmitgliedschaft wichtig sind

Frontalangriff auf unsere Rechte! Wenn es um Arbeiterkammer und Pflichtmitgliedschaft geht, zeigt sich die Einigkeit von Freiheitlichen und NEOS in wirtschaftlichen und arbeitsrechtlichen Fragen. Sie nutzen den Wahlkampf, um einen Angriff auf die Pflichtmitgliedschaft und damit auf wichtige ArbeiterInnenrechte zu starten. jahr hat die AK 532 Millionen Euro für ihre Mitglieder erstritten – weit mehr als diese an Beiträgen gezahlt haben. Die Arbeiterkammer unterstützt vor Gericht oder bei außergerichtlichen Einigungen, sie hilft beim Steuerausgleich, unterstützt durch Informationen, Veranstaltungen, Messen sowie Bildungsangebote. Über zwei Millionen Beratungen waren es allein 2016. Dazu nimmt die Arbeiterkammer Einfluss auf die Politik. Fast 600 Gesetzesbegutachtungen finden sich in der jüngsten Leistungsbilanz.

Das Großkapital wünscht ihr Ende

Während Strache und Hofer (FPÖ) hoch oben im 35. Stock der Wiener Twin Towers ihr arbeiterInnenfeindliches Wirtschaftsprogramm präsentierten, machten wir davor auf die wichtigen Leistungen der Arbeiterkammer aufmerksam.

Sepp Schellhorn ist Gastronom und seit 2014 für die NEOS im Nationalrat. Aktuell will er die WKO "boykottieren".

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as jüngst veröffentlichte Wirtschaftsprogramm der FPÖ sieht ein Ende der Pflichtmitgliedschaft bei der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer vor. Sepp Schellhorn von den NEOS sagt sogar, er sei zu diesem Zweck „auf die Welt gekommen“. Was aber hat es mit der Pflichtmitgliedschaft auf sich? Die Arbeiterkammer (AK) ist die gesetzliche Interessensvertretung der ArbeiterInnen in Österreich. Wer arbeitet, zahlt 0,5 Prozent seines Bruttolohns an die AK, maximal aber 14,44 Euro. Im Durchschnitt sind das sieben Euro im Monat. Dazu kommen über 800.000 Personen, die gar nicht zahlen müssen, weil sie beispielsweise in Karenz sind, Krankengeld beziehen oder geringfügig beschäftigt sind.

„Ich bin auf die Welt gekommen, um die Pflichtmitgliedschaft zu beenden.“ – Sepp Schellhorn (NEOS) Für die Lohnabhängigen zahlt sich das durchaus aus: Im Vor-

Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass VertreterInnen des Großkapitals gerne ein Ende dieser effizienten Vertretung der ArbeiterInnen und Angestellten sehen würden. ÖVP-Chef Sebastian Kurz umschifft diese Frage geschickt. Wir erinnern uns: KTM-Chef Pierer spendete für seine Kampagne über 400.000 Euro und sprach sich in der Vergangenheit deutlich gegen jegliche Pflichtmitgliedschaft aus. Es ist zu erwarten, dass dies auf die Positionierung der ÖVP einen entsprechenden Einfluss haben wird. Neben der Arbeiterkammer gibt es noch weitere Kammern. Die bedeutendste davon ist die Wirtschaftskammer (WKO). Hier gibt es eine Pflichtmitgliedschaft für Unternehmen. FPÖ und NEOS haben sich vorgenommen, auch diese abzuschaffen. Um zu verstehen, warum die kapitalfreundlichen Parteien gerade die Vertretung der UnternehmerInnen schwächen wollen, müssen wir uns ansehen, wie Löhne zustande kommen. Die jährliche Erhöhung der

Löhne wird, genauso wie das 13. und 14. Gehalt (Urlaubs- und Weihnachtsgeld), der Urlaubsanspruch und vieles mehr, durch Kollektivverträge (KVs) geregelt. Diese Kollektivverträge verhandeln die Gewerkschaften mit der Wirtschaftskammer. Erst kürzlich war es möglich, durch gute Verhandlungen einen Mindestlohn von 1.500 Euro zu vereinbaren und den 12-Stunden-Tag abzuwehren. Während in Deutschland solche Verträge nur für etwa die Hälfte der Beschäftigten gelten und die anderen sich ihren Lohn selbst ausverhandeln müssen, sind in Österreich etwa 98 Prozent der Arbeitsplätze durch Kollektivverträge abgedeckt. Das kommt daher, dass sich die Unternehmen nicht aussuchen können, ob sie sich an den KV halten. Durch ihre Pflichtmitgliedschaft in der WKO sind sie an das Verhandlungsergebnis gebunden. Das garantiert, dass es in Österreich vergleichsweise wenig „working poor“, also Menschen, die trotz Arbeit arm sind, gibt.

Erst die Pflichtmitgliedschaft garantiert die Verbindlichkeit der Kollektivverträge! Natürlich versuchen Unternehmen immer wieder, die Kollektivverträge zu umgehen und betreiben so Lohn- und Sozial­ dumping. Die Gewerkschaften kämpfen – oft erfolgreich – dagegen an. Und die Arbeiterkammer hat durch Einflussnahme auf die Politik ihren Anteil daran, dass ein Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping beschlossen wurde. Die FPÖ stimmte freilich dagegen und zeigt damit auch hier, auf welcher Seite sie wirklich steht.

Daniel Gürtler


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Die Sozialistische Jugend Wien machte unter dem Motto „Willst du die ÖVP in deinem Wohnzimmer?“ gegen das Überwachungspaket mobil. Quelle: SJ Wien

Sicherheits- aka Überwachungspaket

Überwachungsstaat Österreich In dieser Legislaturperiode wird das Sicherheitspaket, welches viel mehr ein Überwachungspaket ist, nicht mehr umgesetzt. Vom Tisch ist es aber noch lange nicht! Das Trotzdem traf Thomas Lohninger von epicenter.works und fragte zu den Kritikpunkten und möglichen Alternativen genauer nach. Trotzdem: Das Sicherheitspaket ist in der jetzigen Legislaturperiode mal vom Tisch. Würden Sie das als Erfolg von epicenter sehen?

Trotzdem: Was werden Ihrer Meinung nach die nächsten Schritte der UnterstützerInnen des Sicherheitspaketes sein?

Trotzdem: Die aktuelle Gesetzgebung ist schon recht veraltet. Welche konkreten neuen Ideen haben Sie hier?

Thomas Lohninger: Ja, weil wir ab dem 30. Jänner, dem Tag an dem das Arbeitsprogramm der Bundesregierung vorgestellt wurde, sehr in Aufruhr gekommen sind, weil darin viele Überwachungsmaßnahmen und Verschärfungen enthalten waren, die aus unserer Sicht aus Datenschutz- und BürgerInnenrechtsgründen abzulehnen sind. Wir haben dann sieben Monate lang alles getan um diese Gesetze zu verhindern und versucht mit allen politischen Parteien zu sprechen. Dann gab es von uns eine eigene Website, ein Tool um ParlamentarierInnen einfach anrufen zu können und in der Begutachtungsfrist haben wir nochmals intensiv mobilisiert. Engagement kam aber natürlich nicht nur von uns, da waren auch viele gewichtige Institutionen, die sich in der Begutachtungsfrist ablehnend geäußert haben. Uns ist natürlich klar, dass das Sicherheitspaket nicht dauerhaft vom Tisch ist und wir hätten uns da eine noch stärkere Distanzierung von der SPÖ gewunschen. Da wäre mehr drinnen gewesen, auch um BürgerInnenrechts-affine Menschen vor der Wahl besser anzusprechen.

Thomas Lohninger: Das kommt ganz auf das Ergebnis der Nationalratswahl an und dann auch, ob Wolfgang Sobotka der nächsten Regierung angehören wird. Bei manchen Themen rechnen wir damit, dass sie wieder kommen werden, wie zum Beispiel der Bundestrojaner. Der war ja schon 2016 da, als Justizminister Wolfgang Brandstetter diesen vorgelegt hatte. Damals gab es nie eine Regierungsvorlage, weil in der Begutachtung so viel Kritik kam. Aber da geht die Politik in die völlig falsche Richtung.

Thomas Lohninger: Das beginnt mal mit der klassischen Polizeiarbeit. Wir brauche mehr Menschen, die wirklich den einzelnen Verdachtsmomenten nachgehen, eine stärkere Verankerung in den Communities haben und Sprachkenntnisse mitbringen. Das heißt auch, Vertrauen in der Bevölkerung zu haben. Wenn man gewissen Bevölkerungsgruppen prinzipiell feindlich gegenüber steht, dann werden die der Polizei nicht sagen, wo es bei ihnen vielleicht Probleme gibt. Die ersten, die merken, wenn Radikalisierung passiert, ist ja das soziale Umfeld. Die meiste Radikalisierung geschieht aktuell unter den Augen der JustizwachebeamtInnen in Gefängnissen. Da muss man sofort ansetzen.

Trotzdem: Sie sind nicht nur gegen geplante, sondern auch gegen bestehende Gesetze? Thomas Lohninger: Wir haben von Tag 1 nicht nur gesagt, dass es sich hier um kein Sicherheits-, sondern um ein Überwachungspaket handelt, sondern fordern auch seit langem eine Rückkehr zu einer faktenbasierten Sicherheitspolitik und eine ÜberwachungsGesamtrechnung, weil wir wissen, dass wir auf Dauer den Kampf verlieren werden, wenn wir keine Alternative haben.

Wenn ich die Nadel im Heuhaufen suche, hilft es mir nicht, den Heuhaufen zu vergrößern. Dann geht es natürlich auch mehr um die zielgerichteten, verdachts-

abhängigen Ermittlungen und nicht um anlasslose Massenüberwachung, wie zum Beispiel bei der vorgeschlagenen Kennzeichenerfassung. Wenn ich die Nadel im Heuhaufen suche, hilft es mir nicht, den Heuhaufen zu vergrößern. Aber wenn ich die gesamte Bevölkerung überwache, habe ich am Ende so einen riesigen Datenberg, denn ich nie durchforsten kann. Trotzdem: Könnten Sie die Überwachungs-Gesamtrechnung genauer erklären? Thomas Lohninger: Dabei geht es um mehr als finanzielle Kosten. Es geht darum, wie viel Freiheit wir verlieren, wenn wir überwacht werden. Überwachungsmaßnahmen, wie die Telefonüberwachung, arbeiten ja mit vielen anderen Maßnahmen zusammen. Daher kann man das Ganze nicht an einem einzelnen Aspekt festmachen, sondern muss es in einer Gesamtschau betrachten. Mit der Gesamtrechnung meinen wir, dass der Staat, wenn er neue Gesetze machen möchte, zuerst schauen muss: was bringen denn die bestehenden Überwachungsgesetze? Wo bringen sie vielleicht gar nichts, kosten aber Grundrechte? Genau das meinen wir mit faktenbasierter


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Thomas Lohninger ist Geschäftsführer von epicenter.works, einer BürgerInnenrechts-DatenschutzOrganisation, die sich für Meinungsfreiheit und Grundrechte im Internet einsetzt. 2014 wurde für Thomas Lohninger das Hobby Netzpolitik zum Beruf.

Manche Gesetze müssen durch ein Begutachtungsverfahren, bevor sie in den Nationalrat eingebracht werden dürfen. In dieser Zeit können Institutionen, aber auch Private, eine Stellungnahme zum Gesetz abgeben, die veröffentlicht werden muss. Der Bundestrojaner ist eine staatliche Spionagesoftware. Der Staat wird hier zum Hacker, kauft am Schwarzmarkt Sicherheitslücken ein und hackt sich auf Rechnern und Smartphone ein. Diese Sicherheitslücken sind sehr kritisches Wissen, das Millionen Euro kosten kann und eigentlich dem Hersteller gemeldet werden müsste. Wenn Sicherheitslücken in Umlauf geraten, ist das eine massive Gefahr für unsere Sicherheit – mit einem Bundestrojaner wird also in Unsicherheit investiert! Kennzeichenerfassung: jedes Auto soll durch die Infrastruktur der ASFINAG aufgezeichnet werden, die Daten bis zu 5 Jahre gespeichert werden.

Sicherheitspolitik: was bringt was und was kostet uns nur Freiheit und Geld? Es gibt ganz viele Maßnahmen, die die Freiheit einschränken, aber nicht mehr Sicherheit bringen. Das wird oft als Waage dargestellt, ist aber falsch. In Großbritannien gibt es massive Videoüberwachung, in Frankreich gab es die Vorratsdatenspeicherung und trotzdem kam es dort zu Anschlägen. Aktuell wird halt nach jedem Anschlag ausgeweitet und niemals was zurückgenommen. Gesetze, die Grundrechte einschränken, dürfte man nur mehr mit Ablaufdatum beschließen. Nach drei Jahren wird evaluiert und wenn sie nichts gebracht haben – weg damit! Die SPÖ hat leider noch keinen Beschluss zu dieser gangbaren Alternative. Deshalb kann sie hier auch von der ÖVP so vor sich hergetrieben werden. Aber Sicherheit und BürgerInnenrechte kann man zusammen bringen und dann hat man eine viel bessere Antwort als Überwachung. Trotzdem: Ein weiterer Kritikpunkt waren noch die Netzsperren und das Interesse daran, die Netzneutralität zu umgehen. Thomas Lohninger: Die Netzsperren sind im letzten Moment noch in dieses angebliche Sicherheitspaket gekommen, obwohl sie nichts mit Sicherheit zu tun haben. Die Internetprovider haben selbst gesagt, sie hätten gerne solche Netzsperren, aber so wie die Regierung das plant, ist es europarechts- und verfassungswidrig. Das Problem ist, wenn ich einem Provider sage, er soll Inhalte sperren, die er für strafrechtlich relevant sieht, dann kann das ja Gott und die Welt sein. Damit wird plötzlich ein privates Unternehmen zu Richter und Polizei gemacht und eine Privatisierung der Rechtsprechung umgesetzt. Jede Sperre einer Website ist eine Einschränkung

der Meinungsfreiheit und dafür braucht es einen klaren rechtsstaatlichen Prozess.

all unserem Tun, egal ob mittels Website, Vortrag, Folder, Sticker oder Klage. Es ist ein schwieriges, technisches Problem, aber wir sehen, dass es doch viele Menschen bewegt. Uns geht es darum aufzuklären. Menschen sollen die Möglichkeit haben, noch bevor Gesetze beschlossen werden, sich einzuschalten und Einblick zu verschaffen. Damals bei der Vorratsdatenspeicherung haben wir die größte BürgerInneninitiative gegen dieses Gesetz gemacht und wurden ignoriert. Dann haben wir mit 11.000

Trotzdem: Auf Ihrer Website steht, dass Sie vorhaben Innenminister Sobokta zu verklagen, weil er meinte, Kritik am Sicherheitspaket wäre ein Anschlag auf die Bevölkerung. Steht diese Klage noch? Thomas Lohninger: Wir sind gerade dabei diese Klage auszuarbeiten und haben uns zu diesem Schritt entschieden, weil die Aussage von Innenminister Sobotka alle KritikerInnen innerhalb und außerhalb des Parlaments umfasst. Wenn man plötzlich die Kritik an eigenen Gesetzen als Terrorismus bezeichnet, ist eine rote Linie überschritten. Es darf nicht sein, dass man den politischen Gegner als TerroristInnen bezeichnet. Wir sehen daher diesen extremen Schritt als gerechtfertigt an. Trotzdem: Wie hält man hier die Bevölkerung interessiert und informiert?

Es gibt ganz viele Maßnahmen, die die Freiheit einschränken, aber nicht mehr Sicherheit bringen. Das wird oft als Waage dargestellt, ist aber falsch. UnterstützerInnen gegen das Gesetz geklagt und gewonnen. Seither gibt es keine Vorratsdatenspeicherung in Österreich mehr und die europäische Richtlinie haben wir auch gleich als verfassungswidrig aufheben lassen. Auch gegen das Staatsschutzgesetz haben wir uns ins Rennen geworfen, aber leider nicht geschafft es aufzuhalten. Aber da sind wir gerade beim Verfassungsgerichtshof und klagen gegen das Gesetz. Wichtig zu bedenken ist aber: wir sind ein kleiner Verein, damit wir erfolgreich sein können, müssen wir viele Leute hinter uns versammeln.

Thomas Lohninger: Das ist unsere Mission. Wir versuchen das mit

Das Interview führten Maximilian Trenkmann und Sarah Kleinschuster

Vorratsdatenspeicherung bedeutet das anlasslose Sammeln und Speichern personenbezogener Daten. Durch das Staatsschutzgesetz wurde ein neuer Inlands-Geheimdienst ins Leben gerufen, mit weitreichenden Befugnissen und ohne ausreichender richterlicher Kontrolle.

Schon 2016 machte epicenter.works, damals noch AKVorrat, gegen den Bundestrojaner mobil. Quelle: AKVorrat / Karola Riegler


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GESELLSCHAFT GESELLSCHAFT

Gewalt & Männlichkeit

Der kleine Krieger Wir sind konstant umringt von Gewalt. Die Boulevard Medien schreiben täglich über mehr als zehn Gewaltverbrechen. In der Film und Entertainment Industrie ist die Vermarktung von Gewalt die lukrativste Einnahmequelle. Auch im Alltag werden wir ständig mit Gewalt konfrontiert. Meistens äußert sich das in kleinen verbalen und körperlichen Handlungen. Nicht immer, aber in der Regel geht die Gewalt von Männern aus. Und das hat System. Ich will kein Krieger sein!

Videospiele, Filme, Medien: Wir sind von Gewalt umringt. Meist sind es Männer, die als letzten Schritt zu diesem Mittel greifen – ein Bild, das die Rollen­bilder in der Gesellschaft reproduziert. Quelle: Tripwire Interactive

Der kleine Krieger

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leich nach der Geburt werden Kinder aufgrund ihres biologischen Geschlechts in Schubladen gesteckt und unterschiedlich behandelt. Mädchen werden von klein auf belohnt, wenn sie fürsorgliches Verhalten zeigen. Neben einer forcierten Passivität und Zurückhaltung bekommen Mädchen auch wertvolle Skills mitgegeben. Die Fähigkeit, sich mit den eigenen Gefühlen zu beschäftigen und Konflikte friedfertig zu lösen, bleibt Buben meistens vorenthalten. Buben spielen neben Autos und Bauklötzen vor allem mit Actionfiguren und Spielzeugwaffen. Von Rolemodels in Film und Videospielen lernen sie, dass die letzte Option, einen Konflikt für sich zu entscheiden, die gewalttätige Auseinandersetzung ist. Kinder versuchen diesen Vorbildern und vermeidlichen Regeln zu entsprechen und nachzueifern. Wenn der Filmheld seinen Feind letztendlich in einem ungewollten aber notwendigen Kampf besiegt, liegt es nahe, dass im echten Leben die Probleme in gleicher Manier gelöst werden können.

Der Krieger wird ein Problem Als Kind Gewalt auszuleben ist meistens harmlos. Ein Bub ist „aufgeweckt“ oder wird „falsch verstanden“. Doch sobald dieser Bub älter wird, wird er plötzlich mit einer Realität konfrontiert, die sein bisheriges Verhalten ablehnt. Doch gibt es kaum Möglichkeiten, aus dieser moralischen Marginalisierung auszubrechen. Es fehlen die Werkzeuge um mit der neuen Ablehnung umzugehen. Diese Machtlosigkeit äußert sich oft in noch mehr Gewalt – entweder an sich selbst oder wehrlosen anderen. Diese Art der Problemlösung mag zwar von der gesellschaftlichen Autorität (Lehrpersonal, Eltern etc.) abgelehnt werden, ist aber effektiv, um sich zumindest in der eigenen peergroup zu behaupten. Das ist oft in männlichen Jugendgruppen zu beobachten. Ob in Klassen- oder Sportdynamiken, in der Regel entstehen sehr schnell Hierarchien, die vor allem durch körperliche Auseinandersetzungen erhalten werden. Auch hier wird körperliche Überlegenheit belohnt.

Nicht jedem Menschen liegt die gewalttätige Auseinandersetzung. Die körperliche Unterlegenheit innerhalb einer peergroup aber auch die Vorliebe, gewaltfrei zu kommunizieren, ist Grund für viele, diese Hierarchien abzulehnen. Die Ablehnung kommt aber selten gut an. Jegliche Form des Protests ist eine Gefährdung der bestehenden Hierarchie – die Antwort darauf ist selten sensibel und friedlich. Damit wird es für die Protestierenden zu einer Notwendigkeit, sich verteidigen zu können und im schlimmsten Fall auch selbst Gewalt auszuüben.

Ausbrechen – aber wie? In einem System, in dem Gewalttätigkeit belohnt, und deren Vermeidung bestraft wird, erzieht die Gesellschaft Generation für Generation Männer, die kein Problem haben, zuzuschlagen. Auch wenn das keinen gewalttätigen Übergriff entschuldigt, zeigt es doch einen Aspekt auf, warum es letztendlich hauptsächlich Männer sind, die Gewalt ausüben. Für ein so komplexes Problem gibt es keine einfache Antwort. Wir können diesen Kreislauf nicht mit einer einzigen Entscheidung beenden. Die Entscheidung, ein gewaltfreies Leben zu leben und vorzuleben, muss jeden Tag, wieder und wieder, getroffen werden. Es geht um einen umfangreichen gesellschaftlichen und kulturellen Bruch mit dem Status quo. Nur mit einer fundamentalen Veränderung der männlichen Geschlechterrolle (und idealerweise deren Auflösung) kann die systemische Gewalt, die von Männern ausgeht, bekämpft werden. Das bedeutet zwar keine gewaltfreie Welt, doch zumindest einen Schritt in die richtige Richtung.

Simon Březina


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Gastbeitrag aus den Philippinen

They’re killing the children! How the youth in the Philippines fight back against the drug war.

#youthresist: AktivistInnen der Akbayan Youth gegen die gewalttätigen Übergriffe der Polizei und den brutalen Krieg gegen Drogen durch den Präsident der Philippinen. Quelle: Akbayan Youth

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young boy’s body was found in a dark corner of the street on the night of August 16, 2017. Kian Delos Santos, 17, was just in boxers, lying face down, when he was found with three gunshot wounds in the head. He was killed in a big-time police operation against illegal drugs in Caloocan City, 2 hours away from Manila. The cops said he fired at them when they chased him, prompting them to shoot back. They also alleged that a packet of illegal drugs were found on his shorts. This is a common narrative for cops whose botched police operations end up with dozens of people killed. People on the police’s watchlist end up killed, often without a day in court. This time, however, witnesses to the boy’s death told a different story. To the witnesses, the cops, some of them in plain clothes, dragged the boy across a basketball court, forced him to hold a pistol and shot him while he was face down. Eyewitness accounts don’t usually hold power until a security camera footage caught the scene. The police tried to contain their narrative but the massive outrage that followed after the senseless killing sparked a nationwide campaign against killings.

Kian is just one of 8,000 people killed in Philippine President Rodrigo Duterte’s failing antiillegal drugs campaign. But Kian isn’t the last one. A few days before the Senate can end their hearing on Kian’s slay, another young boy was killed in the hands of police. Carl Angelo Arnaiz, 19, was accused of robbing a cab driver at gunpoint. Police said they fired at him, when they saw he was armed, but autopsy reports revealed that he was tortured with hands tied before he was shot. His 14-yearold companion, who was found days after, had his head wrapped in plastic and his body covered with stab wounds. Initially, Duterte brushed off the slay as an isolated case. But the systematic violence of the police force became obvious when the number of youth killings started to rise in a short span of time. The victims of the state’s killings became obvious as well: most of them belonged to poor families and lived in low-income neighborhoods where they are caught between the crossfire of drug syndicates and abusive cops. On August 21, democratic socialist Akbayan Youth and other youth groups led a massive protest in the country’s capital

where concerned citizens and different sectoral organizations joined in indignation against the killings. This was the first and biggest multisectoral protest against the youth victims of the violent drug war. The groups decried how the poor are on the police’s crosshairs and demanded for accountability, even from the President. The fight for justice to the victims of the youth killings was rough especially when Duterte has a massive propaganda machine that continued to defend his drug war. When the witnesses of Kian’s slay agreed to testify in the senate hearings, Akbayan Senator Risa Hontiveros took the witnesses in her protective custody. This was an important move sought by the witnesses as the heads of the government’s witness protection program made them feel unsafe as they continued to defend the murderous anti-drug war. The cops in Kian’s slay have been slapped with murder raps after the senate hearing. The cases filed may be important steps towards justice for the victims but the drug war remains. After their brutal takedown in the eyes of the public, Duterte’s allies moved to discredit and disable institutions tasked to keep an eye on government abuses. Barely a month after the death of Kian, the congress gave the Commission on Human Rights a budget of $20 for the whole year of 2018. This was after the human rights commission’s vow to investigate the police on the trend of killings under Duterte’s campaign. The socialist youth, of course, mobilized their ranks online and tweeted with #GiveMyTaxToCHR, a campaign to bring back the human rights budget in the Philippines. The campaign for human rights in the Philippines is a dark, narrow alley with the government bent on constricting the democratic spaces of its own citizens. But the fire burns bright to lead the way to restoring democracy as long as the youth keeps fighting back. Justine Raphael Luis C. Balane

Rodrigo Duterte wurde im Mai 2016 zum Präsidenten der Philippinen gewählt. Schon als Bürgermeister von Davao City handelte er sich den schweren Vorwurf ein, paramilitärische Truppen gegen Drogen-Banden, aber auch Oppositionelle ein.

Die Akbayan Youth ist die Jugendorganisation der linken Oppositionspartei Akbayan Citizens’ Action Party. Die Sozialistische Jugend arbeitet mit der Akbayan Youth und deren internationalem Sekretär Justine Raphael Luis C. Balane über den Dachverband International Union of Socialist Youth (IUSY) zusammen. Weitere Fragen beantwortet Justine Raphael Luis C. Balane gerne via E-Mail: international. akbayanyouth@gmail.com


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INTERNATIONALES INTERNATIONALES

Rechtsextreme marschierten am 12. August mit Südstaaten- und Hackenkreuz-Fahnen durch Charlottesville. Am selben Tag wurde eine Gegendemonstrantin durch einen Teilnehmer der rechtsextremen Kundgebung getötet. Quelle: Anthony Crider

Rechtsextreme Gruppen in den USA

Donald Trump & der Rechtsextremismus Die Ereignisse in Charlottesville Mitte August verdeutlichen, welche Gefahr von rechtsextremen Gruppierungen ausgeht. Doch sie zeigen auch den Unwillen des Präsidenten der Vereinigten Staaten Donald Trump, sich von rechtsextremer Gewalt klar zu distanzieren – nicht zum ersten Mal in seiner politischen Laufbahn. Was geschah in Charlottesville?

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m 12. August dieses Jahres versammelten sich hunderte Mitglieder rechtsextremer Gruppen in Charlottesville unter dem Motto „Vereinigt die Rechte“. Der Grund hierfür war ein Stadtratsbeschluss, wonach eine Statue des Oberbefehlshabers der Konföderierten-Armee Robert E. Lee aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 entfernt werden sollte. Robert E.Lee gilt bis heute als eine Identifikationsfigur für nationalistische Bewegungen in den Vereinigten Staaten, da er einerseits Bekanntheit erlangte für zahlreiche gewonnene Schlachten und andererseits als Verteidiger der Sklaverei gilt. Bei der Kundgebung ist schließlich ein Auto in eine Gruppe von GegendemonstrantInnen gefahren, die 32-jährige Heather Heyer wurde dabei getötet und mindestens 19 weitere Personen verletzt. Der Autofahrer James Alex Fields Jr. war zuvor bei der Versammlung der Rechtsextremen anwesend und sympathisiert

mit der Ideologie der NationalsozialistInnen.

Alt-Right-Bewegung und KuKlux-Klan Besonders viele AnhängerInnen der Alt-Right-Bewegung sowie Mitglieder des Ku-Klux-Klan waren bei der rechtsextremen Versammlung anwesend. Doch was zeichnet diese beiden Gruppierungen aus und was macht sie so gefährlich? Der Name „Alt Right“ ist die Abkürzung der Website „AlternativeRight.com“. Die Bewegung bedient sich rassistischer und rechtsextremer Ideologien. Beispielsweise geht sie von einer intellektuellen „Überlegenheit einer weißen Rasse“ aus, welche einer ständigen Bedrohung von „NichtWeißen“ ausgesetzt ist. Die christlichen Weltanschauungen seien durch fremde Kulturen gefährdet. Des Weiteren fordert sie einen Einwanderungsstopp sowie das Ende der politischen Korrektheit. Die Gruppe zählt einige tausend AnhängerInnen und möchte, seit Donald Trumps Amtsantritt, die Mitte der Gesellschaft erreichen.

Als zentrale Führungsfigur der „Alt Right“- Bewegung gilt Richard B. Spencer, der 2010 das Onlinemagazin „Alternative Right“ gründete. Seit 2011 ist er Präsident der Denkfabrik „National Policy Institute“, welche sich zum Ziel gesetzt hat das Bewusstsein der weißen US-AmerikanerInnen zu stärken sowie ihre BürgerInnenrechte zu wahren – stets mit rassistischen Motiven untermalt!

Die Vereinigung verfolgte zwei klare Ziele: die Sicherstellung der weißen Vorherrschaft vor allem gegenüber AfroamerikanerInnen sowie einen konsequenten Antisemitismus. Im Gegensatz zur „Alt Right“-Bewegung ist der Ku-Klux-Klan eine Vereinigung, die auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, da sie als älteste rechtsextreme Gruppe in den USA gilt. Gegründet wurde diese im

Dezember 1865 als paramilitärische Organisation, die gewaltsam insbesondere gegen AfroamerikanerInnen vorging. Als Markenzeichen dieser Vereinigung gelten weiße Kutten sowie Fackeln. Das Ziel war, ihre politischen Forderungen mittels Terror und Gewalt durchzusetzen. Nachdem der Klan 1870 aufgelöst und 1915 wieder neu gegründet wurde erreichte die Gewalt eine neue Dimension. Die Vereinigung verfolgte zwei klare Ziele: die Sicherstellung der weißen Vorherrschaft vor allem gegenüber AfroamerikanerInnen sowie einen konsequenten Antisemitismus. Die Mittel, derer sie sich bedienten reichten von verbalen Einschüchterungen über körperliche Angriffe bis hin zu Morden. In den Zwanzigerjahren erreichte der Ku-Klux-Klan mit etwa vier Millionen AnhängerInnen seinen Rekord. Als 1954 das Oberste Gericht die Rassentrennung in öffentlichen Schulen für ungültig erklärte, formierte sich im Süden der Vereinigten Staaten eine Abwehr gegen die Integration im Bildungswesen.


INTERNATIONALES INTERNATIONALES

Robert E. Lee, der einstige Oberbefehlshaber der Konföderierten-Armee ist Identifikationsfigur rechtsextremer Vereinigungen. Lee forderte den Erhalt der Sklaverei, seine Statue sorgte daher für Unmut unter BürgerInnenrechtsbewegungen und sollte abmontiert werden. Quelle: Cville dog

Der Begriff „White Supremacy“ oder „Weiße Vorherrschaft“ vereinigt verschiedene rassistische Ideologien, darunter auch die nationalsozialistische Rassentheorie.

Einer der führenden Persönlichkeiten des Klans ist David Duke, der bereits während seiner Studienzeit in Louisiana die rassistische Studentenverbindung „White Youth Alliance“ gründete. Er sorgte bereits damals durch das Feiern von Hitlers Geburtstag für Aufsehen. Von 1974 bis 1978 war er Leiter der Organisation Knights of the Ku-KluxKlan in Louisiana und setzte sich später weiterhin für eine Rassentrennung ein. 1989 gelang ihm der Einzug als republikanischer Abgeordneter ins Repräsentantenhaus von Louisiana. Seine mehrmaligen Versuche für das Präsidentenamt zu kandidieren blieben erfolglos. Neben seiner Ideologie der „White Supremacy“ tritt Duke sehr häufig mit antisemitischen Äußerungen in Erscheinung.

Trumps Problem mit der Distanzierung Die Reaktion von Donald Trump auf den Angriff in Charlottesville empörte und schockierte viele, jedoch ist sie in Anbetracht seines Verhältnisses zu rechtsextremen Gruppen nicht sonderlich überraschend.

diesen unerhörten Ausbruch von Hass, Fanatismus und Gewalt auf vielen Seiten“. Kein einziges Mal wies er auf den ideologischen Hintergrund dieser Kundgebung und der Tat hin, auch nicht auf Nachfrage von ReporterInnen. Wenig überraschend waren daraufhin die Reaktionen vieler rechtsextremer Gruppen. Auf der Neonazi-Website „Daily Stormer“ war unter anderem zu lesen: „Er hat uns nicht attackiert“, „Wirklich, wirklich gut. Gott segne ihn“ und „Wir befinden uns jetzt im Krieg. Und wir werden keinen Rückzieher machen“. Bereits im Wahlkampf von Donald Trump wurde von diversen Seiten mehrmals darauf hingewiesen, dass rechtsextreme Vereinigungen merklich an Zulauf gewonnen hätten und dass er sich nie klar von ihnen distanzierte. Ganz im Gegenteil: er holte sich rechtsextreme Vertreter in das Weiße Haus, wie zum Beispiel seinen Chefideologen und Gründer von Breitbart News Steve Bannon. Dieser musste erst kürzlich sein Amt als Chefstratege zurück legen. Trump hatte nie allzu große

"Wir sind entschlossen, unser Land zurückzuerobern, wir werden das Versprechen von Donald Trump erfüllen, und daran glauben wir, darum haben wir Donald Trump gewählt." Trump nahm sowohl die TeilnehmerInnen der rechtsextremen Kundgebung als auch die GegendemonstrantInnen in die Verantwortung und benannte den Angriff nicht als das was er war: rechtsextrem und nationalistisch. Zunächst hüllte sich der Präsident komplett in Schweigen, schließlich folgte eine Verlesung seiner Erklärung. In dieser verurteilte er „auf das Schärfste

Schwierigkeiten mit rechtsextremen Gruppen. David Duke hatte ihm bei seiner Wahl als US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner seine Unterstützung zugesagt, wovon sich Trump ebenfalls nicht distanzierte. Auch bei der Kundgebung in Charlottesville äußerte sich Duke vor JournalistInnen mit folgenden Worten: "Wir sind entschlossen, unser Land zurückzuerobern,

wir werden das Versprechen von Donald Trump erfüllen, und daran glauben wir, darum haben wir Donald Trump gewählt." Welche ideologischen Gemeinsamkeiten diese beiden Männer in vielen Punkten teilen, zeigt sich auch am Beispiel der mexikanischen Grenze. Bereits in den 70ern und 80ern wurden Mitglieder des Ku-Klux-Klans an die mexikanische Grenze geschickt, um „Jagd auf illegale Einwanderer“ zu machen. Heute fordert Trump die Errichtung einer Mauer an eben jener Grenze und sichert sich dadurch die Unterstützung des Klans. Auch Richard B. Spencer zeigte sich erfreut über den Wahlsieg von Donald Trump, denn dieser bedeutete einen weiteren wichtigen Schritt der Verfestigung rechtsextremer Ansichten in der Gesellschaft. Bei der Veranstaltung seiner Denkfabrik „National Policy Institute“ im November 2016, auf der Trumps Sieg gefeiert wurde, rief er der anwesenden Menge unter anderem zu: „Hail Trump, hail our people, hail victory!“ („Heil Trump! Heil unserem Volk! Sieg Heil!“). Daraufhin zeigte große Teile des Publikums den Hitlergruß. Angesprochen auf die Konferenz erklärte Trump, diese Gruppe sei ihm nicht bekannt, obwohl sein politischer Berater Steve Bannon ein Anhänger ebendieser ist. Im Hinblick auf Trumps vergangene und derzeitige Verbindungen zu rechtsextremen und nationalistischen Vereinigungen ist seine Erklärung zu Charlottesville also nur konsequent. Die Gefahr durch solche Gruppen wird mit einem Präsidenten, der ihnen durch fehlende Distanzierung und seine eigene Politik den Rücken stärkt, noch größer!

Nikolina Franjkic

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Hitlergruß bei einer Veranstaltung des „National Policy Institute“ zur Feier von Trumps Wahlsieg. Rechtsextreme Vereinigungen erleben seit Trumps Präsidentschaft einen starken Auftrieb. Quelle: The Atlantic

Breitbart News ist ein Internetportal, über das rassistische und rechtsextreme Theorien und Falschmeldungen verbreitet werden. Breitbart News hat im vergangenen US-Wahlkampf Trump unterstützt und versucht seit geraumer Zeit auch in Europa Fuß zu fassen.


GESCHICHTE GESCHICHTE

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DemonstrantInnen geraten in Petrograd am 4. Juli 1917 in den Kugelhagel von Truppen der provisorischen Regierung.

1917/2017

100 Jahre Russische Revolution „Dass es schließlich doch gelungen ist in Russland, ist auf den Umstand zurückzuführen, dass sich Arbeiter und Bauern massenhaft an der Revolution beteiligten. Als Beispiel für die Beteiligung des Volkes, bringen wir die Geschichte vom Finnischen Lokomotivführer Jalava, der Lenin im Oktober 1917 von Finnland nach Petersburg geschmuggelt hat.“ Mit diesen Worten beginnt das JalavaLied aus der Proletenpassion. Wenn heute über die russische Revolution gesprochen wird, dann wird oft nur über einzelne Persönlichkeiten gesprochen. Die russische Bevölkerung tritt dabei oft in den Hintergrund: die hungernden Frauen von St. Petersburg die den Anstoß für die Revolution geben, die Soldaten, die ArbeiterInnen, die Bäuerinnen und Bauern. Doch warum war es gerade die russische Bevölkerung, die sich erfolgreich gegen die alte Ordnung auflehnte? Das Russische Reich unter den Zaren m die Russische Revolution verstehen zu können, muss man zuerst die Situation der Bevölkerung im Zarenreich betrachten. Denn revolutionäre Denker gab es in allen europäischen Staaten. Und in vielen schien die Situation um 1900 viel geeigneter um die alte Ordnung in einer Revolution wegzufegen. Doch drei maßgebliche Faktoren spielten in Russland zusammen, die die Ereignisse des Jahres 1917 ermöglichten: Eine schwache und zerstrittene Elite, eine Bevölkerung, die aufnahmefähig für revolutionäre Ideen war und die allgemeine weltpolitische Lage. Eine wesentliche Grundvoraussetzung für das Gelingen der Revolution war die Schwäche des Zaren. Die Mächtigen im Land, auf die sich Zar Nikolai der II. und seine Vorgänger stützen mussten, waren gespalten. Einerseits versuchte der alte Adel

U

seinen Einfluss aufrechtzuerhalten, andererseits waren auch die neuen Eliten, die aufstrebenden Unternehmer, nicht geeint. Zwischen den oft gegensätzlichen Interessen dieser Gruppen musste der Zar einen Ausgleich finden und tat sich schwer, die Modernisierung des Landes voranzutreiben. Die russische Bevölkerung lebte noch überwiegend am Land, oder hatte zumindest noch starke Bezüge zu ihren Heimatdörfern. Bauern waren zwar seit 1861 keine Leibeigenen mehr, waren also theoretisch frei. In der Praxis hatte sich ihre Situation aber oft verschlechtert, weil sie zunehmend von Großgrundbesitzern verdrängt wurden. Das stellte die ländliche Bevölkerung nicht nur vor das Problem, dass sie sich kaum noch selbst versorgen konnte, sondern wurde auch als große Ungerechtigkeit wahrgenommen. Die russischen Bauern waren, noch bevor sozialistische Ideen zu ihnen vordrangen,

davon überzeugt, dass das Land das sie zum Leben brauchen, ihnen gehören sollte. Die Regierung unternahm einige Anläufe um die Situation

In vielen russischen Städten entstanden verschiedene kritische und teils revolu­tionär oder terroristisch gesinnte Kreise von Intellektuellen, Sozial­ revolutionärInnen, AnarchistInnen und KommunistInnen. der Bevölkerung zu verbessern und Aufständen vorzubeugen. Doch die Bauern spürten am eigenen Leib auf wessen Seite der Staat stand. Sie wurden sowohl von adligen Großgrund-

besitzern immer stärker unter Druck gesetzt, als auch von anderen Bauern, die es schafften, sich einen bescheidenen Wohlstand anzueignen. Doch die Befreiung von der Leibeigenschaft bot auch viele Chancen. So wurden die neu gewonnenen Freiheiten genutzt um sich in der Dorfgemeinschaft stärker selbst zu verwalten. Die ländliche Bevölkerung war also einerseits extrem skeptisch gegenüber der Obrigkeit und von der Befreiung aus der Leibeigenschaft enttäuscht und andererseits hatte man jahrelange Erfahrung damit, wichtige Entscheidungen selbst, in der Dorfgemeinschaft, zu fällen. Die ArbeiterInnen, die in die Städte zogen um in den neuen Fabriken zu arbeiten, kamen aus genau dieser Gesellschaft.

Die Russische Revolution 1905 Während der Industrialisierung verschärften sich die Probleme des


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GESCHICHTE GESCHICHTE

Lenin im Sommer 1917, kurz vor der Oktober­ revolution. Quelle: Jon Reed

Landes. Aufgrund einer miserablen Sozialgesetzgebung, war das Elend der Arbeiter­ Innen groß. Die Unzufriedenheit in allen Schichten der Bevölkerung wuchs nun auch in den Städten, und vor allem auch in gebildeten Kreisen. In Russland entstand dafür der Begriff der Intelligenzia, damit sind liberale oder linksgerichtete Professoren, Studenten und Akademiker gemeint, die meist dem Adel und Wirtschaftsbürgertum entstammten. In vielen russischen Städten entstanden verschiedene kritische und teils revolutionär oder terroristisch gesinnte Kreise von Intellektuellen, SozialrevolutionärInnen, AnarchistInnen und KommunistInnen. Nach der Niederlage im Russisch-Japanischen Krieg verschärfte sich die Lage und es kam zu weitgehend friedlichen Demonstrationen, die Zar Niko-

richtet. In den nächsten Jahren wurden die Reformen aber wieder schrittweise zurückgenommen oder von der Regierung einfach ignoriert. Doch die Revolution von 1905 hatte einen Prozess in Gang gesetzt, den die Regierung nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte. Im Verlauf der Revolution verlor der Staat die Kontrolle über Versammlungsverbot und Pressezensur, sodass zum ersten Mal eine Art öffentliches politisches Leben in Russland entstand. Den linken Kräften im Land gelang es, jene, die vom Ergebnis der Revolution enttäuscht waren, zu organisieren. Sie hatten bemerkt, dass sie sich weder auf die Verbündeten in Bürgertum und Adel noch auf die Versprechungen des Zaren verlassen konnten. Die Ordnung war wiederhergestellt, doch revolutionäre Ideen fanden immer mehr Zustimmung in der Bevölkerung. Während des Ersten Weltkriegs war die Ordnung im Reich aber kaum mehr aufrechtzuerhalten. Die Euphorie, die am Anfang die Bevölkerung noch erfasst hatte, verflog nach den ersten Niederlagen. Das Leid der Menschen nahm zu, Hunger, die tausenden Toten an der Front und die immer schlechter werdenden Bedingungen in den Fabriken führten dazu, dass es Anfang 1917 vor allem in Petrograd (St. Petersburg) zu Protesten kam. Die Polizei ging anfangs noch mit der gewohnten Repression vor und die Aufständischen beschränkten sich noch auf friedliche Maßnahmen. Sie wollten eine offene Konfrontation mit der Staatsgewalt verhin-

den Betrieben Wahlen zu ArbeiterInnenräten (Sowjets) die die Kontrolle über die Hauptstadt übernahmen. Daraus entstanden ArbeiterInnen- und Soldatenräte im ganzen Land, die den Petrograder Sowjet als ihre Regierung anerkannten. Der Zar versucht noch ein letztes Mal den Aufstand niederzuschlagen, doch seine Soldaten verweigern den Befehl. Am 27. Februar stellt sich auch die Duma auf die Seite des Volkes. Regiment um Regiment schließt sich den Aufständischen an. Schließlich dankt Zar Nikolai der II. ab, kurz darauf auch sein Bruder. Die Herrschaft der Romanovs geht damit am 3. März 1917 zu Ende. Doch die Revolution geht weiter. Zu viele Fragen drängen noch auf eine Lösung. Es herrscht immer noch Krieg, die Bevölkerung leidet immer noch Hunger und ein Machtkampf zwischen der bürgerlichen Regierung und den sich zuneh-

Schnell gab es in den Betrieben Wahlen zu ArbeiterInnenräten (Sowjets) die die Kontrolle über die Hauptstadt übernahmen. mend radikalisierenden Sowjets steht bevor. In dieser Situation stellen sich die Bolschewiki um Vladimir Iljitsch Uljanov an die Spitze der revolutionären Bevölkerung. Lenin kehrt im April 1917 wieder nach Russland zurück um die Revolution voranzubringen. Nicht als Heizer der Lokomotive 293, sondern als Priester verkleidet.

Doch schnell zeigte sich, dass die Armee auf der Seite der DemonstrantInnen stand und auch bereit war, sie vor der Polizei zu schützen.

In Russland wurde 1917 noch der Julianische Kalender verwendet. Nach unserem Kalender fand die Februarrevolution im März und die Oktoberrevolution im November statt.

lai der II. gewaltsam auflösen ließ. Die harte Reaktion des Herrschers am sogenannten Blutsonntag, dem 9. Jänner 1905, führte zu landesweiten Protesten, die das ganze Jahr andauern sollten. Nachdem der Zar den Aufständischen Zugeständnisse machte, zerbrach das breite Bündnis aus Liberalen, gemäßigt Konservativen und Linken. Denn das Bürgertum und der Adel waren mit den angekündigten Reformen zufrieden. So wurde zum Beispiel eine gewählte Volksvertretung (Duma) einge-

dern. Doch schnell zeigte sich, dass die Armee auf der Seite der DemonstrantInnen stand und auch bereit war, sie vor der Polizei zu schützen.

Revolution 1917 Am 23. Februar begann in Petrograd die eigentliche Revolution. Erneut wurde in den Fabriken in St. Petersburg gestreikt. Die Forderung: „Gebt uns Brot!“ Immer mehr Menschen schlossen sich den Streiks an und strömten auf die Straßen. Schnell gab es in

„Zehn Tage, die die Welt erschütterten“ – das Buch von Jon Reed gibt genaue Einblicke in die Vorgänge in Russland 1917, über geführte Diskussionen und unterschiedliche Ansätze.

Elias Winter

Im Jalava-Lied wird die Fahrt von Lenin auf der Lokomotive 293 von Finnland nach Russland besungen. Quelle: Manfred Schröter, Berga


KALENDER KALENDER

WAS WAR WAS WAR

Seminar

Antifaschistisches Seminar 23. August 2017

5. – 7. Mai 2017

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Aktionen

Festival-Tour 2017

Aktion

Das reichste Prozent der ÖsterreicherInnen besitzt mehr als 90% der Bevölkerung. Gleichzeitig können sich viele Menschen die Miete nicht mehr leisten. Wir haben mit einer Aktion am Wiener Graben darauf aufmerksam gemacht: ein Pool voller Geld und Davids 5m2-WG-Zimmer!

Aktion

Leistbare Mieten zählen mehr als eure Profite

Die Mieten steigen seit Jahren rascher als die Löhne. Uns geht es um einen fairen Wohnungsmarkt: keine Spekulation mit Wohnraum, Maklerprovision nur für VermieterInnen, unbefristete Mietverträge als Regel und eine klare Mietzinsobergrenze zählen zu unseren Forderungen.

September 2017

17. August 2017

Mit unserer Forderung nach einem Top-Jugendticket für alle unter 26 waren wir wieder auf den Festivals unterwegs und haben mit den BesucherInnen über günstige Mobilität gesprochen. Die unzähligen Rückmeldungen waren unglaublich positiv: 60 Euro für ganz Österreich – Mobilität muss leistbar sein!

Wohnen kostet weniger, wenn auch Millionäre Steuern zahlen!

Arbeiterkammer & Kollektivverträge schützen!

NEOS und FPÖ reiten eine Attacke gegen die Arbeiterkammer nach der anderen. Während die FPÖ ihr arbeiterInnenfeindliches Programm präsentierte, haben wir davor auf die Bedeutung der AK und die Notwendigkeit der Pflichtmitgliedschaft aufmerksam gemacht. Mehr auf Seite 21.

6. September 2017

Sommer 2017

Wie jedes Jahr im Mai fand auch heuer wieder das Antifaschistische Seminar im Europacamp am Attersee statt. 200 Jugendliche und internationale Gäste entwickelten gemeinsam Strategien gegen den Rechtsruck in Europa. Der Besuch der Befreiungsfeierlichkeiten im ehem. KZ Mauthausen stand selbstverständlich ebenfalls am Programm!

Aktion

Aktionen

Schulplaner verteilen!

In den ersten Wochen nach Schulbeginn waren wir in ganz Österreich vor Schulen und haben tausende Schulplaner verteilt. Diese bieten nicht nur eine tolle Übersicht, sondern auch Infos über Mathematik, die Rechte von SchülerInnen und schließen Lücken aus dem Aufklärungsunterricht. Wer noch keinen Schulplaner hat, kann ihn hier bestellen: www.sjoe.at/shop


KALENDER KALENDER

Social Media

YouTube-Videos zur Wahl

7. – 10. Dezember 2017

Ab sofort

WAS KOMMT WAS KOMMT

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Seminar

Bildungswerkstatt

Im Dezember ist es wieder soweit: die Bildungswerkstatt findet statt! 300 Jugendliche aus ganz Österreich treffen sich am Wörthersee um sich über brandaktuelle und grundsätzliche Themen zu unterhalten, zu diskutieren, Neues zu lernen und gemeinsam ein schönes Wochenende zu erleben. Komm mit zum größten Seminar der Sozialistischen Jugend Österreich!

Wahl

Nationalratswahl 2017

Herbst 2017

Am 15. Oktober heißt es wieder: Wählen gehen! In vielen Regionen, Bundesländern und auch auf der SPÖ-Bundesliste findest du KandidatInnen der Sozialistischen Jugend, die du mit deiner Vorzugsstimme unterstützen kannst. Damit stärkst du linke Positionen in der Gesellschaft, der Politik und der SPÖ. Mehr dazu auf Seite 11.

Veranstaltung

123 Jahre SJ

Seminar

Studienreise ins ehemalige KZ-Theresienstadt

Gleich zu Beginn des neuen Jahres veranstaltet die SJ gemeinsam mit dem Gedenkdienst eine Fahrt zum ehemaligen KZ-Theresienstadt. Mit Besichtigung und Workshops ist dies eine ebenso intensive, wie interessante Studienreise, die viel Erfahrung, viel Wissen und viele Eindrücke für uns AntifaschistInnen bringt. Wie? Anmeldung auf www.sjoe.at/studienreise18

16.–18. März 2018

15. Oktober 2017

Über den YouTube-Channel von Julia Herr zeigten und zeigen wir alles Wichtige über den aktuellen Wahlkampf der Sozialistischen Jugend. Mit dabei: Herrklärt-Videos in denen Julia Herr ihre wichtigsten Forderungen vorstellt und zu aktuellen Fragen Stellung bezieht. Schau noch vor der Wahl vorbei!

2.– 6. Jänner 2018

Wo? St. Velden am Wörthersee Wie? Anmeldung auf www.sjoe.at/biwe17

Seminar

FemSem

Am 4. November wird die Sozialistische Jugend 123 Jahre alt. Bereits 1894 wurde der "Verein jugendlicher Arbeiter" gegründet, der sich später zur Sozialistischen Jugend Österreich weiter entwickeln sollte. Grund genug zum Feiern!

Im Frühling findet wieder das Feministische Seminar der Sozialistischen Jugend statt. Drei Tage geht es um feministische Forderungen und frauenpolitische Arbeit innerhalb der SJ und in der Gesellschaft. Fahr mit auf das coolste frauenpolitische Seminar Österreichs!

Wo & Wann? Genauere Infos werden rechtzeitig verbreitet!

Wo? St. Gilgen


www.spe.at

www.socialistsanddemocrats.eu

Für faire &

bezahlte

Praktika

in ganz Europa Eure SPÖ-Europaabgeordneten

Josef Weidenholzer

Evelyn Regner

Eugen Freund

Karoline Graswander-Hainz

Karin Kadenbach

Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament

ICH BIN Porto übernehmen wir!

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Trotzdem 2/2017 – Die Zeitung der Sozialistischen Jugend Verlagspostamt: 1050 Wien – Aufgabepostamt: 4020 Linz P.b.b. Zulassungsnummer: GZ 02Z032957 S

ICH WILL Stück Schulplaner mit zur Bildungswerkstatt an der Studienfahrt ins ehem. KZ Theresienstadt teilnehmen Infos zum FemSem und der frauenpolitischen Arbeit der SJ erhalten Mitglied werden – kontaktiert mich!

An die Sozialistische Jugend Österreich Amtshausgasse 4 1050 Wien


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