painting black
painting black
Museum Wilhelm Morgner Soest 2. Dezember 2017 – 4. März 2018
Stiftung Konzeptuelle Kunst
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Inhalt Index
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Carl-Jürgen Schroth Vorwort
Foreword
9
Ivo Ringe painting black
painting black
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Carl-Jürgen Schroth Über die Ausstellungsarchitektur
About the exhibition architecture
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Künstler*innen und Kunstwerke
Artists and Artworks
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Autoren
Authors
109
Leihgeber
Lenders
109
Fotonachweise
Photo credits
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Impressum
Imprint
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RAUM SCHROTH im Museum Wilhelm Morgner
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Vorwort Foreword Liebe*r Leser*in,
Dear Reader,
mit dieser 5. der Stiftung Konzeptuelle Kunst eigenen Publikation halten Sie einen Katalog in Händen, der einen ungewöhnlich breiten Überblick über Malen in Schwarz gibt.
You are now looking at the fifth of the Stiftung Konzeptuelle Kunst‘s own publications, a catalogue offering a remarkably wide survey of painting in black.
Im Herbst 2016 traf ich den Kurator dieser Ausstellung, den Kölner Künstler Ivo Ringe. Er berichtete über ein von ihm kuratiertes Ausstellungsprojekt in New York zum ähnlichen Thema. Spontan entschieden wir, dieses für eine Ausstellung im RAUM SCHROTH im Museum Wilhelm Morgner aufzugreifen und zu vertiefen. Dank Ivos guten Kontakten zu den beteiligten Künstler*innen hat er diese zu deren unterstützenden Engagements bewegen, einige darunter sogar zu einer speziell für diese Ausstellung entwickelten Arbeit ermuntern können. Ohne diese Hilfe aller Beteiligten hätten wir es organisatorisch kaum leisten können, diese großartige Ausstellung mit 42 zum Teil überseeischen Künster*innen zu realisieren. Diese Publikation dokumentiert die Anstrengungen aller mit ihren außergewöhnlichen Ergebnissen. Auch sie helfen den Ruf des RAUM SCHROTH als Ausstellungsort international herausragender Kunst weiter zu tragen. Herzlichen Dank an alle! Dank gilt auch meiner Tochter Miriam, die diese Publikation graphisch generiert hat und der Kunsthistorikerin Juliane Rogge, welche die Editierung der Künstlerstatements durchführte. Die so schwierige Darstellung von Schwarz in der Reproduktion basiert
Carl-Jürgen Schroth Translation Lucinda Rennison
I met the curator of this exhibition, Cologne-based artist Ivo Ringe, in autumn 2016. He told me about an exhibition project in New York that he had curated on a similar theme. Spontaneously, we decided to take up the subject again and examine it further for an exhibition in the RAUM SCHROTH in the Museum Wilhelm Morgner. Thanks to Ivo‘s excellent connections to the participating artists, he was able to persuade them to commit their support to the project; some, he even encouraged to develop a work especially for this exhibition. Without this assistance from all those involved, we would have had immense difficulty in organizing this magnificent exhibition with 42 artists, some from overseas. The present publication documents all our efforts and their extraordinary outcome, also helping to maintain the reputation of the RAUM SCHROTH as an exhibition location for outstanding international art. Many thanks to you all! Thanks are also due to my daughter Miriam, who has been responsible for the graphic production of this catalogue, and to art historian Juliane Rogge, who edited the artists‘ statements. The difficult reproduction of black images has been based on utilizable picture files, mainly provided by our photographer Ulli Sowa. Everyone involved acted as a reliable team, and 7
auf verwertbaren Bilddateien. Diese haben wir größtenteils unserem Photographen Ulli Sowa zu verdanken. Alle zusammen bilden ein verlässliches Team. Ihnen gilt ebenfalls meine Anerkennung und ein großes Dankeschön. Ihr Carl-Jürgen Schroth 1. Vorsitzender der Stiftung Konzeptuelle Kunst
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I owe them my warmest appreciation and resounding thanks. Yours, Carl-Jürgen Schroth President of the Stiftung Konzeptuelle Kunst
painting black painting black Warum habe ich diese Ausstellung painting black genannt?
Why did I name this exhibition painting black?
Ivo Ringe
Painting, also malen, beschreibt so treffend den Prozess, das Tun, die Aktivität, Farbe aufzutragen, mit Farbe tätig zu sein und das in der englischen Verlaufsform, der Endung “ing”, die so treffend die Dauer oder den Verlauf der Handlung des Malens beschreibt. In einem Pinselstrich etwa, der zugleich eine Bewegung darstellt und Bewegung ist, wenn der malerische Vorgang selbst zum Objekt wird. Der Prozess des Tuns. Die Aktivität des Malens. Der malerische Vorgang. In diesem Tun in der Gegenwart, wenn also das Bewusstsein, die Aktivität und die Materialität des Bildes eins werden, entsteht Kunst. Dieser magische Moment, wenn der Sehende, das Sehen und das Gesehene verschmelzen.
Painting lends itself perfectly to describe the process, the doing, the action of applying colour, working with colour, and in the English continuous tense with the ending “ing”, it also describes ideally the duration or course of the action of painting. In a brush stroke, for example, which simultaneously represents a movement and is movement, when the painting process itself becomes an object. The process of doing. The activ-ity of painting. The painting process. In this action in the present – in other words, when the awareness, the activ-ity and the materiality of the image become one – is when art emerges. This magical moment, when the person seeing, the act of seeing, and what is seen merge into one.
Translation Lucinda Rennison
In der Ausstellung sind Arbeiten von Künstler*innen zu sehen, die im heutigen Feld der minimalistischen, konkreten, monochromen, reduktiven, radikalen Malerei tätig sind. Das ist nicht nur dem Ausstellungsort geschuldet, es zeigt auch, wie ich meine, den spannendsten Bereich unserer gegenwärtigen, internationalen Kunst. In dieser Kunst, wo nichts mehr aus unserer normalen Wahrnehmung kopiert, abstrahiert oder neu zusammengesetzt wird, sondern wo neue Realitäten und dadurch neue Wahrnehmungen geschaffen werden, die jetzt in zunehmender Weise in Lagen übereinander liegen oder miteinander verwoben sind und dadurch die neue Realität der Wechselwirkungen erzeugen. Es ist Kunst für den geistigen Gebrauch. Ich erinnere hier an die Worte von Max Bill: “das ziel der konkreten kunst ist es,
In this exhibition works are to be seen by artists who work today in the contemporary field of minimalist, concrete, monochrome, reductive, or radical painting. This is not only a consequence of the exhibition location; it also indicates, or at least in my opinion, the most exciting field of contemporary international art. Such art is art whereby nothing is copied, abstracted or newly assembled from our normal perceptions; instead, here new realities and thus new perceptions are being created, which are increasingly layered one upon the other or interwoven, and so generate the fresh reality of their reciprocal interplay. This is art for the mind. Here, let me recall the words of Max Bill: “The goal of concrete art is to develop 9
gegenstände für den geistigen Gebrauch zu entwickeln, ähnlich wie der mensch sich gegenstände schafft für den materiellen Gebrauch. “ Oder wie es Theo van Doesburg schon vor ca. hundert Jahren prophezeite: “Wir sehen die Zeit der reinen Malerei voraus. Denn nichts ist konkreter, wirklicher, als eine Linie, eine Farbe, eine Oberfläche… Konkrete und nicht abstrakte Malerei. Denn der Geist hat den Zustand der Reife erreicht. Er braucht klare, intellektuelle Mittel, um sich auf konkrete Art zu manifestieren.” Soweit zum PAINTING und jetzt zum BLACK, zum SCHWARZ. Die „Farbe” Schwarz ist ja strenggenommen keine Farbe, sondern, wie Wikipedia es so hübsch sagt, die Bezeichnung für eine Helligkeitsempfindung, die beim Fehlen eines visuellen Reizes entsteht, also wenn unsere menschliche Netzhaut keine Lichtwellen oder nur Lichtwellen geringer Intensität im sichtbaren Spektrum wahrnimmt. Eine Oberfläche eines Körpers hat die “Körperfarbe” Schwarz, wenn er bei Beleuchtung mit allen Frequenzen des Lichts kein oder fast kein Licht zurückwirft; als “Lichtfarbe” ist Schwarz das Nicht-Aussenden jeglicher Lichtfrequenz. Nun wäre ja dann das Malen mit Schwarz ein Paradoxon, wenn nicht da das “fast kein Licht” wäre. In diesem kleinen Spektrum arbeiten oder arbeiteten die hier ausgestellten Künstler*innen. Hier werden also bewusst Arbeiten gezeigt, die sowohl im dargestellten Sujet oder Motiv sehr reduziert sind als auch im Farbspektrum auf das Wesentliche begrenzt sind. Die hier präsentierten Resultate zeigen auf, in welchem engen Forschungsfeld hier resonierend mit dieser kaum wahrnehmbaren Farbfrequenz gearbeitet wurde, wie nah und mutig sich da die Künstler*innen an das “Nichts”, an den 10
objects for mental use, the same way people make objects for material use.” Or as Theo van Doesburg prophesied as many as a hundred years ago: “We speak of concrete and not abstract painting because nothing is more concrete, more real than a line, a color, a surface. The intellect has reached a state of maturity. It needs clear, intellectual means to become manifest in the concrete world.” So much for PAINTING, and now to BLACK. Strictly speaking, the “colour” black is not a colour but, as Wikipedia puts it so nicely, the term used for a sense of brightness that emerges when visual stimulus is missing, i.e., when the human retina is unable to perceive any light waves or only light waves of very low intensity within the visible spectrum. The surface of a volume displays the “non-luminous colour” black when, if it is illuminated by all frequencies of light, it reflects no or almost no light; as a “luminous colour”, black is the non-transmisson of any light frequency. This means, therefore, that painting with black would be a paradox, if it were not for the aforementioned “almost no light”. The artists exhibited here work or have worked within this small spectrum. Here, therefore, we are conscious of showing works that are not only very much reduced in terms of subject or motif but also restricted to the essentials with respect to the colour spectrum. The results shown here reveal the narrow field of research within which work has been produced that resonates with this scarcely perceptible colour frequency; how closely and boldly these artists have dared to approach the “nothingnesss”, the
farbfreien Raum und Körper herangetraut haben und dort in dieser Lücke, dieser Leere, einen nicht vermessbaren Raum schaffen für Gedanken und Gefühle, die zwar in ihrer Stille wahrnehmbar, aber in ihrer innewohnenden Transzendenz nicht beschreibbar sind und eher in den fernöstlichen Philosophien behandelt werden.
colour-free space and volume, and how there, in this gap, this void, they create an immeasurable space for ideas and emotions. There can be no doubt that they are perceptible in their silence, but they cannot be described in their inherent transcendence – the far eastern philosophies are more inclined to deal with them.
Oder wie Rupert Sheldrake es so treffend ausdrückt: “Fragen wir aber weiter, so geraten wir auf das Terrain uralter Denktraditionen, in denen der schöpferische Urgrund die verschiedensten Namen trägt: Das Eine, Brahman, die Leere, das Tao, die ewige Vereinigung von Shiva und Shakti, die Heilige Dreifaltigkeit. In all diesen Traditionen erreichen wir früher oder später die Grenzen des begrifflichen Denkens und das Gewahrsein dieser Grenzen.”
Or as Rupert Sheldrake puts it so well: “But if we go on questioning, we arrive in the territory of ancient traditions of thought, in which the original creative source bears a wealth of names: the One, Brahman, the Void, the Tao, the eternal union of Shiva and Shakti, the Holy Trinity. In all these traditions, sooner or later we come to the limits of conceptual thought and an awareness of those limits.”
Im Eingangsbereich zeigt diese Ausstellung zunächst einige Arbeiten von Künstler*innen, die noch den Gegensatz, also das Weiß, für ihr Schwarz-Weiß-Denken, den Dualismus, brauchen, um das Schwarz zu definieren. Wo im Weiß die Farbe aufgelöst ist und sich im Schwarz verdichtet. Diese dualistischen Arbeiten sind als eine Art Einführung in diese Ausstellung in den Eingangsbereich gehängt. Auch einige der schwarzen Arbeiten zeigen dualistische Ansätze, wie man sie deutlich in der dualistischen Behandlung der Gegensätze, horizontal gegen vertikal, erkennen kann. Neuer sind die Arbeiten, die diesen Dualismus verlassen haben und die sich mit den Diagonalen und mit der Viellagigkeit von Feldern und Strukturen verschiedener sich verschachtelnder Grade und Ebenen und deren Resonanzen und Wechselwirkungen beschäftigen.
In the exhibition entrance area, this presentation shows some works by artists who still employ the opposite, i.e. white, for their conception of black-white; they utilize this dualism to define black, whereby the colour is dissolved in the white and concentrated in the black. These dualistic works are hung in the entrance area as a kind of introduction to our exhibition. Some of the black works also reveal their dualistic starting points as well, as is clearly visible in their dualistic treatment of the opposites, horizontal and vertical. The works that have abandoned this dualism are more recent: they concern themselves with diagonals and with the multilayered nature of fields, as well as the structures of different interlocking degrees and levels, and their reciprocal echoes and interplay. I am very grateful to Carl-Jürgen Schroth and his foundation for creating 11
Ich bin Carl-Jürgen Schroth und seiner Stiftung sehr dankbar, dass er mit dem Raum Schroth im Museum Wilhelm Morgner im letzten Jahr einen Ort in Soest geschaffen hat, in dem solche internationalen Ausstellungen und Experimente möglich sind, die sich mit den Inhalten und inneren Arbeitsfeldern der jetzigen radikalen, konkreten, nonobjektiven, minimalistischen, bildenden Kunst beschäftigen, für die es noch keinen Namen gibt, und dass ich diesem internationalen Phänomen in der heutigen Malerei hier in dieser Ausstellung einen Platz geben konnte. Mein Dank gilt auch den beteiligten Künstler*innen und Galerist*innen und den Mitarbeitern der Stiftung und des Museums, die mit ihrer Hilfe und Unterstützung dieses ermöglicht haben. In das Schwarz und darüber hinaus… Nun grenzt diese Publikation mit den Abbildungen der Nuancen des Schwarzen an technische Probleme der Wiedergabe, aber die Betrachter*innen dieses Buches bekommen wohl doch einen Eindruck der hier ausgestellten Arbeiten. Und die Besucher der Ausstellung werden an die Erfahrungen, Gefühle und Gedanken erinnert, die sie vor den Bildern hatten. Wenn Schwarz eben nicht nur schwarz ist, sondern in sich selbst vibriert und resoniert, wenn die unterschiedlichen Schwärzen sich definieren oder manche Bilder einladen, in ihren grenzenlosen Raum einzutauchen. Wenn die Betrachtende oder der Betrachter, das Betrachten und das Betrachtete eins werden und die Welt außerhalb dieser Ausstellung dann mit feineren Sinnen wahrgenommen wird. Ivo Ringe Kurator der Ausstellung
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– in this past year – a place in Soest, in the Raum Schroth at the Museum Wilhelm Morgner, which helps to facilitate international exhibitions and experiments concerned with the content and inner fields of work in contemporary, radical, concrete, non-objective, minimalist fine art – for which there is as yet no name. I much appreciate the opportunity to give a place to this international phenomenon of today‘s painting here, in this exhibition. My thanks also go to the participating artists and gallery owners, and to the staff of the foundation and the museum, who have made all this possible with their assistance and support. Into the black and beyond … Certainly, this publication has encountered technical problems of reproduction in the illustrations of the nuances of black, but readers of this book will still be able to gain an impression of the works exhibited. And the exhibition‘s visitors will be reminded of their experiences, emotions and ideas vis-a-vis the paintings. When black is not just black but vibrates and resonates in itself; when different blacks define each other or some paintings invite us to immerse ourselves in their infinite space. When the viewer, the viewing and what is viewed become one, and the world outside this exhibition is perceived with finer senses as a consequence. Ivo Ringe Curator of the exhibition
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Über die Ausstellungsarchitektur About the exhibition architecture Bereits in der Vorplanung zur späteren variablen Gestaltung des RAUM SCHROTH war festgelegt, dass es für die verschiedensten Ausstellungen und deren Bedarf an unterschiedlich großen Wandflächen eines flexiblen Wandsystems bedarf. Diese Flexibilität muss von einzelnen Wänden bis hin zu langen Wandflächen reichen. Im Extrem müssen die Wände aber auch im Ausstellungsbereich platzsparend untergebracht werden können, um zum Beispiel großflächigen Bodeninstallationen Platz zu schaffen. Dazu sind sie so entworfen, dass sie durch eine hauseigene Konstruktion auf nur 40% ihrer normalen Dicke zusammengefaltet werden können. Besondere Aufmerksamkeit musste den niedrigeren Deckenhöhen im äußeren Bereich gegenüber dem quasi unendlich hohen Innenbereich, der sogenannten „Kathedrale“, gewidmet werden. Die Wandhöhen hier wurden so gewählt, dass sie mit der Reling im Umgang des ersten Stocks korrespondieren und ein spannender Durchblick von oben in den RAUM SCHROTH gewährleistet ist.
It was decided even in the advance planning stage for the subsequently variable design of RAUM SCHROTH that a flexible wall system was necessary to cater for a wide range of exhibitions and the variously-sized wall areas they require. This flexibility had to range from separate small walls to long expanses of wall. At the extremes, however, it also had to be possible to accommodate the walls in a space-saving fashion within the exhibition area in order, for example, to create space for large-format floor installations. To this purpose, they were made so that they can be folded to only 40% of their normal thickness using an especially conceived construction. Special attention had to be given to lower ceiling heights in the external area as opposed to the quasi infinitely high interior, the so-called “cathedral”. The wall heights here were chosen so that they correspond to the railing of the first floor gallery, thus assuring an exciting prospect into the RAUM SCHROTH from above.
Fast alle gestellten Anforderungen wurden während der inzwischen sechs Ausstellungen durchgeprobt.
Meanwhile, almost all these factors have been tried and tested during six exhibitions in the space.
Für painting black haben wir alle niedrigen Wände einzeln gestellt, um jedem der Künstler*innen seinen/ihren ungestörten Platz zu geben. Der Kurator hat es dazu großartig verstanden, kleine Arbeiten in eine intime Situation zu setzen. Beginnend mit Arbeiten, die Weiß enthalten, im langgezogenen Flur, verdichten sich die Arbeiten innerhalb des RAUM SCHROTH hin zum tiefsten
For painting black, we have set up all the low walls individually in order to give each of the artists his/her undisturbed space. The curator has shown considerable skill in placing small works in intimate situations. Beginning with those that contain white, in the long corridor, the works become increasingly concentrated inside the RAUM SCHROTH into a final, deepest black. The images of the
Carl-Jürgen Schroth Translation Lucinda Rennison
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Schwarz. Die Raumaufnahmen sollen beredt Auskunft über diese Architektur geben. Wir verzichten hier ausdrücklich auf die detaillierte Nennung der Künstler*innen, weil diese Raumaufnahmen allein dem architektonischen Eindruck gewidmet sein sollen. Die Wandmalerei im Nebenraum, unserem sogenannten „Appendix“, repräsentiert diese Ausstellung zusätzlich publikumswirksam nach außen. Die Begeisterung ausstrahlenden Kommentare im Gäste-buch bestätigen das Konzept dieser Ausstellung.
space are intended to provide eloquent illustration of the architecture. We are expressly omitting the artists‘ names, as these shots of the space are devoted exclusively to an impression of the architecture. The mural painting in the side room, our so-called “Appendix”, provides additional representation of the exhibition towards the outside, generating more public impact. The comments in the guest book, which exude enthusiasm, certainly confirm the exhibition concept.
painting black
RAUM SCHROTH
2. Dezember 2017 - 4. März 2018
22. 27. 26.
28.
25. 24.
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20.
21.
19. 8.
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17. 5.
16.
33. 31.
30.
9.
14.
4.
34.
3. 12.
11. 10.
1.
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2.
Zeichnung: leistungsphase.architekturbüro
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HubliftPlatform 90/140
→
HubliftPlatform 90/140
29.
7.
6.
Foyer
35.
16
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
1.
MARK FRANCIS Dark Field
22. SYBILLE PATTSCHECK Hinter dem Vorhang
2.
SHAWN STIPLING 188
23. MATT MCCLUNE Bone Black Graphite
3.
PHILIPPE CHITARRINI o.T.
24. ANTON QUIRING Phoenix I + II
4.
DON VOISINE Noir (Confidential)
25. JON GROOM Black Sandokai painting
5.
EDGAR DIEHL 19/15 Jupiter LIV
26. TIM ALLEN Black 2
6.
VINCENT COMO Trismegistus
27. ALISON HALL Black Elisabeta
7.
JAN VAN DER PLOEG Wallpainting Soest 2017
28. MATTHEW DELEGET Black Site
8.
ALAN EBNOTHER Relatively Black #3 Schwerin
29. FRANK GERRITZ Parallel Universe Straight Up III
9.
RUPERT EDER black hill - black mirror
30. DAVID RHODES o. T.
10. RAYMUND KAISER GRUEBLSCH-H1
31. BRITTA BOGERS o. T.
11. RUDOLF DE CRIGNIS Painting #93017
32. IVO RINGE painting black I-IV
12. MARK HARRINGTON HAKABLAKK
33. LASZLO OTTO Homage to Malevich y 1 + 21 squares
13. BARBARA ROSENGARTH Pli 0317 14. ROLF ROSE o. T. 15. JOE BARNES MEDITATION IN BLACK 16. GÜNTER UMBERG o. T. 17. STEFAN ANNEREL MOWAT 18. ELISABETH SONNECK vice versa Schwarz ohne Schwarz 19. KATE BECK I Dwell, You Dwell 20. MICHAEL JÄGER Bell #70 21. DEB COVELL Present
34. KATRINA BLANNIN Piero 35. VICTOR VASARELY Umbriel 36. ESTHER STOCKER o. T. 37. ANDREW BICK 0GVDS 135%v3 38. JOAN WITEK Encaustic 39. MATS BERGQUIST Iconostasi 40. DOLF VERLINDEN Black Mondrian 41. ALAIN BILTEREYST #2171 42. JOAQUIM CHANCHO Horizontals 17
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Tim Allen Stefan Annerel
Künstler*innen und Kunstwerke Artists and Artworks
Joe Barnes Kate Beck Mats Bergquist Andrew Bick Alain Biltereyst Katrina Blannin Britta Bogers Joaquim Chancho Philippe Chitarrini Vincent Como Deb Covell Rudolf de Crignis Matthew Deleget Edgar Diehl Alan Ebnother Rupert Eder Mark Francis Frank Gerritz Jon Groom Alison Hall Mark Harrington Michael Jäger Raymund Kaiser Matt McClune Laszlo Otto Sybille Pattscheck Anton Quiring David Rhodes Ivo Ringe Rolf Rose Barbara Rosengarth Elisabeth Sonneck Shawn Stipling Esther Stocker Günter Umberg Jan van der Ploeg Victor Vasarely Dolf Verlinden Don Voisine Joan Witek
TIM ALLEN GB
Tim Allen Übersetzung Stephanie Rupp
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*1950, lebt und arbeitet in London, GB
*1950, lives and works in London, GB
PAINTING BLACK
PAINTING BLACK
Die zentrale Kraft meiner Arbeit ist die Farbe, sowie eine durch ein umfassendes, komplexes Farbspektrum entstehende emotionale und intellektuelle Vielschichtigkeit. Ich benutze Schwarz als eine Farbe unter vielen, daher war/ist die Aufgabe, Bilder nur in Schwarz zu malen, sehr schwierig für mich. Es war eine sehr interessante, jedoch auch einschränkende Erfahrung. Zen-Mönche und Jesuiten tragen Schwarz – warum?
The main demon in my work is colour and the emotional and intellectual complexities that a broad and complex range of colour evokes. I use black as one colour among many, so to be asked to make paintings solely from black was/is very difficult for me. It was an interesting experience but very restricting. Zen monks and Jesuits both wear black – why?
Tim Allen Black 2 Acryl auf Leinwand 2017 40 x 50 cm 25
STEFAN ANNEREL BE
Jan Dirk Baetens Übersetzung Stephanie Rupp
*1970 in Dendermonde, BE, lebt und arbeitet in Antwerpen, BE
*1970 in Dendermonde, BE, lives and works in Antwerp, BE
Wenn man sehr lange auf abstrakte Muster oder Formen starrt, können Bilder entstehen […]. Das ist eine Übersteuerung der Wahrnehmung; das blinde Wiedererkennen des sich nach einer erkennbaren Welt sehnenden Menschen. Aber auch das Gegenteil ist möglich: das so intensive Fokussieren von Objekten – oder Bildern von Objekten –, dass diese nicht mehr als das zu erkennen sind, was sie sind (oder das, was wir erwarten), sondern dass sie zu rein abstrakten Mustern werden. Dies bedeutet, dass die Wahrnehmung zum Stillstand kommt; die visionäre Blindheit des formbezogenen Menschen – des Künstlers vielleicht. Die letztgenannte Strategie liegt der Arbeit von Stefan Annerel zugrunde. Seine einer alltäglichen, gewöhnlichen Bildsprache entliehenen Motive isoliert Annerel […]. Der Künstler vergrößert diese Fragmente so extrem, dass ihre bereits prekäre Beziehung zur realen, sichtbaren Welt (oder dem, was wir als solche wahrnehmen) zu zerreißen droht: seine Arbeiten sind beeindruckende und zugleich fragile Fragmente einer gebrochenen Realität, zu der wir den Kontakt verlieren. Der Betrachter dieser stark vergrößerten Fragmente findet hier nicht die Abstraktion einer einst eindeutigen Realität, vielmehr fokussiert er seinen Blick so, dass dieser sich an die figurative Realität hinter diesen Bildern erinnert. Das Betrachten von Annerels Arbeiten ist eine Gratwanderung zwischen Sehen und Nicht-Sehen; […] so als versuche man, sich an ein Wort zu erinnern, das einem auf der Zunge liegt, sich jedoch dem nachlassenden Gedächtnis entzieht.
It is possible to stare at abstract patterns or forms for such a long time that images appear [...]. This is perception in overdrive; the blind recognition of man craving for a knowable world. But the opposite is also possible: to focus so intently on objects, or images of objects, that their meaning blurs – that they are no longer recognisable as what they are (or what we think they are), but become mere abstract patterns. This is perception come to a stop; the visionary blindness of the man of forms – of the artist perhaps. The latter strategy is the basic structure which underlies the work of Stefan Annerel. Annerel isolates motifs which he borrows from everyday, vernacular imagery [...]. The artist blows these fragments up to such a size that their already strained relationship with the real, visible world (or what we perceive as such) becomes even more precarious: his works are formidable but fragile fragments of a broken reality with which we are loosing touch. Looking at these blown-up fragments, the viewer [...] does not find abstraction where once was plain reality, but strains his eyes to make them remember the figurative reality behind these images. Looking at Annerel’s work, is balancing between seeing and not yet seeing; [...] it is trying to remember a word on the tip of your tongue that just stays out of reach from a faltering memory.¹
1 Auszug aus: Jan Dirk Baetens, Stefan Annerel. What You See Is Never What You Get: The Art of Deception / De kunst van het misleiden
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1 Extract from: Jan Dirk Baetens, Stefan Annerel. What You See Is Never What You Get: The Art of Deception / De kunst van het misleiden
Stefan Annerel MOWAT Acryl auf Glas und Holz 2017 26 x 21 cm 27
JOE BARNES US
Joe Barnes Übersetzung Stephanie Rupp
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*1925 in Detroit, MI (US), lebt und arbeitet in New York City, NY (US)
*1925 in Detroit, MI (US), lives and works in New York City, NY (US)
Für mich ist Malerei Ausdruck des Spirituellen. Sie ist ein meditativer Prozess, der mich in die Arbeit hineinzieht und es mir ermöglicht, einen endlosen Pfad zu beschreiten. Ich treffe zwar bewusste Entscheidungen hinsichtlich der Farbe, der Größe und des Materials, abgesehen davon geht es jedoch um das Transzendieren des Egos… eine Meditation.
Painting, for me, is an expression of the spiritual. It is a meditative process, which takes me into the work and allows me to wander an endless pathway. Although I do make conscious choices as to color, the size, and material, the rest is an exercise in transcending the ego... a meditation.
Joe Barnes MEDITATION IN BLACK Acryl auf Holz 2017 50,9 x 40,5 cm 29
KATE BECK US
Kate Beck Übersetzung Stephanie Rupp
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*1956 in Bath, ME (US), lebt und arbeitet an der Küste von Maine (US)
*1956 in Bath, ME (US), lives and works on the coast of Maine (US)
Ich bin Malerin. Und, mit ein wenig Glück, vielleicht sogar Poetin.
I am a painter. And maybe even, when I am lucky, a poet.
Ich lebe und arbeite an der See, an einem ruhigen Küstenstreifen in Maine. Hier, inmitten extremer Elemente, wird meine Wahrnehmung durch die sehr realen Gegebenheiten der Natur bestimmt – Wellen, Spiegelungen, Lichtbrechungen, Mäanderndes – lebendige Bewegungen –, die ein Dasein konturieren und umschließen. Mein ganzes Leben schon lebe ich unter diesem Himmel, bin ich diese Strände entlanggewandert, in diesem kalten Salzwasser geschwommen. Es ist mein Ort.
I live and work by the sea on a quiet shore on the coast of Maine. Here within an extremity of elements, my perceptions are dictated by the very real architectonics of nature – waves, reflections, refractions, meanderings – vital motions – delineating and enveloping an existence. I have been beneath these skies, walking these beaches, swimming in this cold salt water my entire life. This is my place.
Ich schaffe konzeptuelle, ungegenständliche Flächen. Meine Arbeiten entwickeln sich aus einer Reaktion auf Material, das systematisch innerhalb eines festgelegten Feldes platziert und verschoben wird, wobei ein sich wiederholender Prozess der Komposition und Dekomposition von Zeichen entsteht. So wird eine Spannung geschaffen, die zwischen formalistischer Geometrie und existenziellem Raum oszilliert, ein Verweis auf Denken, Bewusstsein und das Vergehen der Zeit. Meine gedämpften Farbkadenzen und detailliert ausgearbeiteten Oberflächen spiegeln die Beschaffenheit des Lichts und meine lebenslange Beziehung zur See wider.
I create conceptual, non-objective surfaces. My works evolve in response to material systematically placed and displaced within a given field, finding opportunity for mark to repetitively gather and disband. In this way, a tension is created that oscillates between formalistic geometry and existential space, an allusion to thought and consciousness and to the passage of time. My muted color cadences and detailed surfaces are parallels to the nature of light and to my lifelong relationship with the sea.
Kate Beck I Dwell, You Dwell Ă–l, gegossene Schichtplatte, Emaille und Mineralien auf Aluminium 2017 139,8 x 86,4 cm 31
MATS BERGQUIST SE
Nanna Preußners Translation Lucinda Rennison
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*1960 in Stockholm, SE, lebt und arbeitet in Bassano del Grappa, IT & Nyköping, SE
*1960 in Stockholm, SE, lives and works in Bassano del Grappa, IT & Nyköping, SE
Bergquist vereint in seinen monochromen Arbeiten alte, traditionelle Techniken mit einer zeitgenössischen, minimalistischen Formensprache und kreiert einen einzigartigen Ort der Stille. Die vorwiegend weißen und schwarzen Werke führt er in einem aufwändigen und disziplinierten Verfahren aus, das die über 1.000 Jahre alte Tradition der russischen Ikonenmalerei aufgreift – die Enkaustik. Zuerst bearbeitet er Holz als Bildträger und bringt es in die vorgesehene Form, die meistens konvex oder konkav ist. Die Holzkörper werden mit einem Leinengewebe bespannt, das mit Leim und anschließend mit vielen Schichten Gips bedeckt wird. Wiederholt werden die getrockneten Oberflächen glatt geschliffen und erneut bestrichen. Bei diesem sich bis zu 14 Mal wiederholenden Verfahren hinterlassen alle Schichten sichtbare Spuren. Die Arbeitsweise nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und stellt eine Entschleunigung in unserer schnelllebigen Zeit dar. Erst am Ende trägt Bergquist den Farbträger aus einer Mischung von Pigmenten und flüssigem Wachs auf, der eine feste Membran bildet. Auch diese letzte Schicht wird geschliffen und poliert, bis die Objekte ihre teilweise opaken, teilweise wolkigen und fein glänzenden Oberflächen und Strukturen erlangen.
In his monochrome works, Bergquist combines old, traditional techniques with a contemporary, minimalist formal language and so creates a unique place of quietude. He produces his primarily white and black works using a complicated, disciplined process, which re-adopts the more than 1,000-year-old tradition of Russian icon painting – encaustic work. First, he prepares wood as a picture carrier, shaping it into the intended form, which is mainly convex or concave. A linen fabric is then stretched over the wooden volumes, covered with glue, and subsequently painted with many layers of plaster. The dried surfaces are repeatedly polished smooth and then painted over again. All the layers leave visible traces during this process, which may be repeated up to 14 times. This working method takes considerable time and represents a deceleration in our fast-moving age. It is only at the end that Bergquist applies the colour carrier – made from a mix of pigments and liquid wax –, which forms a solid membrane. This last layer is also sanded and polished, until the objects arrive at their partially opaque, partially cloudy, and delicately shining surfaces and structures.
Mats Bergquist Iconostasi Enkaustik auf Holz 2008 52,5 x 41,3 cm 33
ANDREW BICK GB *1963 in Coleford (Gloucestershire), GB, lebt und arbeitet in London, GB
*1963 in Coleford (Gloucestershire), GB, lives and works in London, GB
„bright white dark black“ – Robert Lax1 Andrew Bick Übersetzung Stephanie Rupp
Robert Lax‘ Gedichte entstanden an der Schnittstelle zwischen der Unbedingtheit konkreter Prinzipien und den Zufallsmöglichkeiten des Lebens. Lax beschrieb seinen Ansatz als Achtsamkeit gegenüber dem bestmöglichen Objekt in jedem beliebigen Moment.2 In meinem Bild in dieser Ausstellung entsprechen „black/off-black, white/offwhite“, das Zusammenspiel von über ein Raster verteilten Grautönen, unbunten Farben und transparenten Flächen den optischen Verzögerungen und der Unvorhersehbarkeit alltäglichen Sehens. Eine visuelle Poetik, die jedoch auch das logische Gebiet zwischen einem konkreten System und den Zufälligkeiten des Lebens beschreibt. Betrachten Sie dies als Kunst, die sich durch Lax‘ Konzept der Achtsamkeit definiert. Dieses Bild war das erste einer Serie von Ausdehnungen und Kontraktionen in einem Standardformat von 76 x 64 cm, an der ich seit 2008 arbeite. Es hatte zwei Vorgänger, die jedoch nicht so perfekt gelangen, wie das Werk, das Sie nun vor sich sehen. Dies ist nicht nur Folge einer formalen Korrektur, sondern des Gewahrwerdens, dass jeder konzeptuelle Ansatz die komplexeren Aspekte menschlicher Achtsamkeit umfassen muss.
1 Zitat aus Robert Lax, the light – the shade, Zurich 1989, S. 6. 2 Siehe Three Islands, Leaf, Lax, Stankiewicz, Museum Tinguely, Basel 2004.
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Robert Lax wrote his poems at an interface between the absolutes of concrete principles and the contingencies of being alive. Lax described his approach as attentiveness to the best available object in any given moment.2 For my painting in this exhibition black/ off-black, white/off-white, interplay of greys, non colours and translucencies across a grid, equate to the optical hesitations and unpredictability of everyday looking. This is a visual poetics but also delineates the logical territory between a concrete system and shit that happens. Consider this as art defined by Lax’s approach to attentiveness. This painting was begun as the first in a series of expansions and contractions of a standard 76 x 64 cm format I have been working with since 2008. It had two prior iterations; none functioned completely until the work you see now. Of course this is not simply a case of formal adjustment, but also awareness that any conceptual approach must embrace the more complex aspects of human attentiveness.
1 Quote from Robert Lax, the light – the shade, Zurich 1989, p. 6. 2 See Three Islands, Leaf, Lax, Stankiewicz, Museum Tinguely, Basel 2004.
Andrew Bick 0GVDS 135%v3 Acryl, Öl und Wachs auf Acrylglas 2010 – 2017 102,6 x 86,4 x 4 cm 35
ALAIN BILTEREYST BE
Jack Hanley Übersetzung Stephanie Rupp
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*1965 in Anderlecht, BE, lebt und arbeitet in Brüssel, BE
*1965 in Anderlecht, BE, lives and works in Brussels, BE
Beweismittel sammeln
Gathering Evidence
In den kleinen Bildern von Alain Biltereyst entsteht eine interessante Symbiose aus konkretem, poetischem Formalismus und Anspielungen auf frühe abstrakte Illustrationen utopischer Konzepte. Die Arbeiten sind sowohl Referenzen auf populäre Übernahmen dieser historischen Tropen als auch auf ihre kommerzielle Verwendung. Wir haben uns so an das Eindringen abstrakter (einst der Moderne zugehörigen) Bildwelten in unsere visuelle Welt gewöhnt, dass wir über einen Gullydeckel, das Design eines Zauns oder das bemalte Heck eines Flugzeugs kaum noch nachdenken […]. Alain Biltereyst lenkt die Aufmerksamkeit permanent auf die praktische Verwendung dieser frühen Formen und auf sie betreffende Referenzen. Er rettet diese Schätze aus Farbe, Form und Struktur aus unserer Werbeund Designwelt, isoliert behutsam deren Formen und optimiert ihre Farben, um seine kleinformatigen Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Wertobjekt und Fragment des Designkanons wirken zu lassen. Die sorgfältig ausgewählte Farbskala und die mit sichtbarem Pinselstrich übermalten Oberflächen ziehen den Betrachter in den Bann dieser wunderschön gearbeiteten Werke. Die häufig in Serien gezeigten Bilder funktionieren als eine Art Alphabet, abgeschlossene Einheiten, die aufeinander aufbauen. […]
There is an interesting symbiosis in the small paintings of Alain Biltereyst, between a concrete poetic formality and allusions to earlier abstract illustrations of utopian thinking. The works are at once references to popular assimilations of these historical tropes and also to their commercial applications. The permeation of abstract (once Modernist) imagery in our visual world is so commonplace that we rarely consider the manhole cover or the fence design or the painted tail of an airplane [...]. Alain Biltereyst continually draws attention to the practical uses and references to these earlier forms. He salvages the gems of color and shape and placement in our advertising and design visuals and carefully isolates the forms and tweaks the colors to have these diminutive works operate in the space between a precious object and fragment of the design canon. The carefully chosen scale and brushy overpainted surfaces draw the viewer in to appreciate the beautifully crafted works. Often shown in a series, these paintings act as a sort of alphabet, discreet units that build on each other. [...]
Alain Biltereyst #2171 Acryl und Papier auf Holz 2012 23 x 16,7 cm 37
KATRINA BLANNIN GB
Katrina Blannin Übersetzung Stephanie Rupp
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*1963 in London, GB, lebt und arbeitet in London, GB
*1963 in London, GB, lives and works in London, GB
Ein Prozess des Experimentierens mit einfachen Systemen: palindromische und isochromatische Strukturen sollen Bilder von logischer Klarheit entstehen lassen, die sowohl räumlich als auch stofflich sind. Der Rekurs auf historische Farbtheorien und frühe Malweisen der Renaissance mit besonderem Augenmerk auf die Form wird in einen investigativen Prozess umgesetzt, der die konstruktivistische und konkrete Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts befragt, um neue Möglichkeiten zu eröffnen.
The process of experimenting with simple systems: palindromic and isochromatic structures, aims to produce paintings with logical clarity; both spatial and material in character. The re-examination of historical colour theories and early Renaissance painting conventions, specifically concerning form, is transferred to an investigative process which asks questions of twentieth century constructivist and concrete art, in order to generate new possibilities.
Katrina Blannin Piero Acryl auf Leinen 2017 80 x 80 cm 39
BRITTA BOGERS DE
Stefan Rasche Translation by the author
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*1964 in Goch, lebt und arbeitet in Köln
*1964 in Goch, lives and works in Cologne
Britta Bogers erprobt abstrakte Grundformen aus Farbe und Linie in serieller Variation. Ausgehend von grafischen Formeln, die mitunter an Sprechblasen, Etiketten oder Schnittmuster erinnern, entstehen auf großformatigen Papieren flächengreifende Raster ähnlicher Elemente, die in ihrer Anordnung jedoch deutliche Abweichungen im Sinne individueller Arbeitsprozesse erkennen lassen. Was somit entsteht, ist eine offene, provisorische Bildordnung, deren inneres Gleichgewicht stets neu erprobt werden will – und damit den Blick in ständiger Bewegung hält. Auf kleineren Papierund HDF-Arbeiten sind es hingegen kompaktere bildnerische Strukturen und Formfindungen, die Britta Bogers aus dem Zusammenspiel von malerischen und zeichnerischen Setzungen gewinnt.
Britta Bogers experiments with serial variations on basic abstract forms of color and line. Starting with graphic formulas that sometimes recall speech balloons, labels, or cut-out patterns, she creates constellations of elements that resemble each other and cover the surfaces of large sheets of paper; their arrangement, however, permits the viewer to see obvious deviations, reflecting individual work processes. In this way, Bogers creates an open, provisory visual order, whose internal balance must be continually put to the test – therefore keeping the viewer’s eye in constant motion. On smallersized paper and high-density fiberboard, however, the works consist of more compact visual constructs and inventive forms, which Bogers derives from the interplay of painting and drawing.
Britta Bogers o. T. Acryl auf Papier 2010 110 x 85 cm 41
JOAQUIM CHANCHO ES
Joaquim Chancho Übersetzung Stephanie Rupp
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*1943 in Riudoms, Tarragona, ES, lebt und arbeitet in Barcelona, ES
*1943 in Riudoms, Tarragona, ES, lives and works in Barcelona, ES
Seit seinen Anfängen in den 1970ern zeichnet sich Joaquim Chanchos Werk durch eine streng reduktionistische Geometrie und einen intensiven Dialog zwischen Gestus, Malerei und Matrix aus. Der expressive Ausdruck der Arbeiten entsteht durch Rhythmus und Wiederholung und wird, je nach Komplexität des Bildes, durch ein inneres System aus Fusionen, Fragmenten und Unterbrechungen ergänzt, die eine Ruhe und Tiefe erzeugen, die es dem Betrachter ermöglichen, wie ein Voyeur am kreativen Prozess teilzuhaben. Assumpta Rosés stellte fest […], das Werk repräsentiere einen „Moment der Irritation zwischen der malerischen Geste und der Leinwand, einen Widerstand des Materials gegen die Aktion, eine Spannung zwischen Bildraum und Zeichen, die aus der Geste entsteht. Aus Bilduntergrund, Materialien, Aktion und Rhythmus entsteht eine ursprüngliche Geometrie, die Konstruktion und Gestaltung von Oberflächen, von Zeichen und räumlichen Ordnungen, wie sie sich in Lebens- und Arbeitswelt finden: dies lässt an Muster denken, die sich durch Felder und Straßen ergeben, an Strukturen von Stein- oder Ziegelmauern, an die Verwobenheit von Handschrift, an unterschiedliche textile Qualitäten, an Anhäufungen von Industriematerialien oder labyrinthische Spuren befahrener Straßen“. Einer Generation von Künstlern angehörend, die der festen Überzeugung ist, dass die einzig wichtigen Elemente der Malerei die eigene Maltechnik und ihre Anwendung auf der Leinwand sind, blickt Chancho auf eine über vierzig Jahre währende erfolgreiche Karriere zurück.
Since its beginnings in the 1970s, the work of Joaquim Chancho has been characterised by an austere reductionist geometry and an intense dialogue between gesture, painting and the matrix. The expressive essence of the work emerges through rhythm and repetition, and is, depending on the complexity of the image, complemented by an internal system of fusions, fragments and interruptions that give a sense of serenity and depth, allowing the viewer to participate, like a voyeur, in the creative process. As Assumpta Rosés observed [...], the work represents a “shock between the gesture of the painter and the canvas, a resistance of materials to the action, a tension between the space that contains it and the sign that emerges from the gesture. Support, materials, action and rhythm lead to a primordial geometry, to the construction of surfaces, the creation of surfaces, signs and spatial orders such as can be found in life and work: I think of the patterns formed by fields and roads, in the structures of stone or brick walls, the interweaving of writing, the modulation of textiles, the accumulations of industrial materials or the labyrinthine traces of routes taken”. Belonging to a generation of artists whose work is based on the assumption that the only significant elements in painting are its own technique and its application to the support, Chancho has enjoyed, for more than fourty years, a long and distinguished career.
Joaquim Chancho Horizontals Gouache auf Japanpapier 2013 140 x 137 cm 43
PHILIPPE CHITARRINI FR
Philippe Chitarrini Übersetzung Franziska Dokter Translation Lucinda Rennison
*1966 in Orange, FR, lebt und arbeitet in Südfrankreich
*1966 in Orange, FR, lives and works in South-France
Mein künstlerischer Weg
My path in art
Ich habe jede Art von bildlicher Darstellung verlassen, wie weit entfernt vom Modell sie auch sei, um mich völlig der abstrakten Kunst zu widmen: rein, radikal, nahe dem Minimalismus. Das maßgebliche Motiv meiner Werke bleibt das Quadrat, das ich bis ins Unendliche abwandle, indem ich über die Linien, die Farben und selbst die Grenzen des tragenden Grundes hinwegspiele.
I have abandoned every kind of figuration, no matter how far away from the original, in order to devote myself entirely to abstract art: pure, radical, and close to minimalism. The principal motif of my works is still the square, which I transform infinitely by playfully manipulating its lines and colours, and even the boundaries of the image carrier.
Es ist ein Motiv, das sich oft entfernt, um dem leergelassenen Raum einer Form oder einer Gegenform Platz zu machen. Sich artikulierend, indem sie von einem begrenzten Vokabular ausgeht – geometrischen Grundfiguren, Linien und gleichmäßig verstrichenen Farben – führt meine Arbeit durch die Unpersönlichkeit ihrer Anlage zu dem Versuch, ihre eigene Gegenwart in der Welt zu materialisieren. Sie weist nur auf sich selbst zurück. Mein künstlerischer Weg beruht auf der Schöpfung einer Wirklichkeit, die ihrerseits dazu bestimmt ist, sich in eine andere visuelle Wirklichkeit einzufügen, welche noch weiter reicht und noch weniger organisiert ist. Ohne Zweifel deshalb können meine Farben und meine Materialien eine konkrete Identität haben und deshalb ist die Grenze zwischen Skulptur und Malerei für mich im Augenblick verwischt.
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It is a motif that often absents itself to make space in the resultant void for a form or counter-form. Expressed by starting out from a limited vocabulary – basic geometric shapes, lines and regular applications of colour – my work leads via the impersonal quality of its construction to a tendency to materialize its own presence in the world. It simply refers back to itself. My artistic path is founded on the creation of a reality that is destined in turn to be incorporated into another visual reality; one that extends even further and is even less organized. It is doubtless because of this that my colours and materials succeed in assuming a concrete identity – and this is also why I currently view the border between sculpture and painting as somewhat confused.
Philippe Chitarrini o.T. Acryl auf Leinwand 2017 120 x 120 cm Perspektivische Raumaufnahme 45
VINCENT COMO US
Vincent Como Übersetzung Stephanie Rupp
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*1975 in Kittanning, PA (US), lebt und arbeitet in Brooklyn, NY (US)
*1975 in Kittanning, PA (US), lives and works in Brooklyn, NY (US)
Schwarz – sowohl als Sujet als auch als Farbe – ist der Motor meiner Arbeit. Schwarz ist das reine, unbestechliche Kennzeichen von Informationen und deren Ziel, ebenso ist es jedoch das Nichts/ der Verschleierer, der Informationen ins Reich des zutiefst Unbegreiflichen verbannt. Mittels der Farbe Schwarz erkunde ich das Konzept der Moderne und die Perfektion bzw. das Verfehlen einer idealen Struktur in ihrem Bezug zur Geschichte der Kunst und Ästhetik sowie die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung, Psychologie, Glauben, Ritual und Negierung.
The work that engages me and drives me forward is powered by black as both subject and medium. Black is the pure and unrepentant mark of information and intent as much as it is the void/ obscurer, relegating information to the realm of the deeply unknowable. Through black I explore the concept of modernity and the perfection or failure of an ideal structure as they relate to the history of painting/aesthetics, the limitations of human perception, psychology, belief, ritual, and negation.
Vincent Como Trismegistus Tryptichon Ă–l auf Leinwand auf Karton montiert 2012 125,5 x 126,1 cm 47
DEB COVELL GB
Deb Covell Übersetzung Stephanie Rupp
*1966 in Stockton on Tees, GB, lebt und arbeitet in Saltburn by the Sea, Teesside, GB
*1966 in Stockton on Tees, GB, lives and works in Saltburn by the Sea, Teesside, GB
Deb Covell schafft in ihrer Arbeit Formen, indem sie Material und physische Qualitäten von Farbe untersucht. Dabei möchte sie in ihren Bildern einen Nullzustand erreichen, der frei von Nachahmung und bildlicher Illusion ist. Das beinhaltet auch den Verzicht auf den traditionellen Leinwanduntergrund, wodurch ein uneingeschränkter Schaffensprozess ermöglicht wird. In ihrer Arbeit Present verfolgt Covell im Schaffensprozess einen gleichzeitig systematischen wie intuitiven Ansatz. Sie beginnt damit, einzelne Polyäthylenstreifen mit sich überlagernden, diagonalen, unterschiedlich breiten Bändern in Schwarz und Weiß zu bemalen, wodurch die Illusion besonderer Tiefe und dynamische Spannungen entstehen. Diesen Prozess setzt sie fort, bis die Diagonalen, Horizontalen und Vertikalen Bändern gleicher Breite Raum geben, was die Bildfläche praktisch schwinden und jegliche Illusion von Tiefe in sich zusammenbrechen lässt, bis ein schwarzes, monochromes Quadrat entsteht. Schließlich wird das Bild vom Untergrund aus Polyäthylen gelöst und im Raum installiert, was seine physische Masse und sein Gewicht betont.
Deb Covell‘s practice is concerned with bringing a form into being by exploring the material and physical qualities of paint. Her mission is to reduce everything in her paintings to a Zero state, free from mimicry and pictorial illusion which includes omitting the traditional support of a canvas in the pursuit to create without limitation. In her piece Present Covell follows both a systematic and intuitive approach in the making process. Its inception starts as a sole strip of polythene onto which she repeatedly paints overlapping oblique black and white bands of various widths setting up illusionistic special depths and dynamic tensions. This process continues until the diagonals give way to horizontal and vertical bands of equal widths, effectively shrinking the picture plane and collapsing any illusionary depth created until a black square monochrome emerges. The painting is finally peeled off its polythene support and suspended in space reiterating its physical weight and mass.
Indem sie das Referentielle und die Illusion zugunsten eines sensiblen Umgangs mit dieser realen Form im realen Raum verwirft und so den Fokus in erster Linie auf eine formale, konzeptuelle und sinnliche Beziehung zu der Arbeit richtet, möchte Covell den Betrachter von Present zu einem vollständig aktiven Teilhaber machen.
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In Present Covell aims to make the viewer a fully active participant by disposing of the referential and pseudo in favour of a sentient engagement with this real form in real space, bringing the focus primarily onto a formal, conceptual and sensual relationship with the work.
Deb Covell Present Acrylfarbe 2016 140 x 140 cm 49
RUDOLF DE CRIGNIS CH *1948, Winterthur, CH – †2006, New York City, NY (US)
*1948, Winterthur, CH – †2006, New York City, NY (US)
‚The intuition is more in harmony with nature than any theory the mind can figure out.’ Myron Stout
Rudolf de Crignis Übersetzung Lucinda Rennison
Ich plane nie, wie ein Bild werden soll. Ich verstehe meine Arbeit als work in progress. So bringt mich eine Entscheidung/Arbeit zur nächsten. Das gilt für all meine Arbeiten. Es verhindert, dass ich in meinem Tun zu bequem werde. Am Anfang muss ich meinen eigenen Weg finden. Es kann mehrere Wochen dauern, bis ich sehe, wie ein Bild ist – wie das Licht im Raum wirkt und arbeitet. Das Bild muss in jeder Beleuchtungssituation funktionieren: morgens, nachmittags, abends – an einem grauen Tag, an einem sonnigen Tag, im Licht des Vollmonds, bei künstlicher Beleuchtung. Um dies zu gewährleisten, muss das Licht Schicht um Schicht aufgebaut werden. Die Farbe muss so strukturiert werden, dass das Licht vollständig in das Bild integriert wird. Die Farben und ihre speziellen Kombinationen werden nach dem Licht, das ich in einem Bild entstehen lassen möchte, ausgesucht. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, die Farben und ihren Gebrauch besser zu verstehen. Ich bin aber immer noch auf der Suche und werde dies nie ganz ergründen.
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I never have a plan on how a painting should be. I understand my work as a work in progress. In this way, one decision/work brings me to the next one. And it is the same for all my work. This keeps me from getting too comfortable with what I’m doing. At the beginning, I must find my way. It can take several weeks before I see how a painting is – how the light is affecting and operating within the space. The painting must work in any light: morning, afternoon, evening – on a grey day, on a bright day, in the light of a full moon, in artificial light. In order for the painting to work in all light situations, the light needs to be built layer upon layer. The paint needs to be structured so that the light is wholly incorporated into the picture. The colors, and their specific combinations, are chosen for the light I’m looking for in a painting. Over the years, I have been able to better understand color and the way I use it. Still, I am always searching to understand – but never to fully know.
Rudolf de Crignis Painting #93017 Triptychon Ă–l auf Leinwand 1993 je 61 x 61 cm 51
MATTHEW DELEGET US *1972 in Hammond, IN (US), lebt und arbeitet in Brooklyn, NY (US)
*1972 in Hammond, IN (US), lives and works in Brooklyn, NY (US)
“When they kick out your front door How you gonna come? With your hands on your head Or on the trigger of your gun” – The Clash, Guns of Brixton Matthew Deleget Übersetzung Stephanie Rupp
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Endlich wirft die reduktive Abstraktion das tote Gewicht ihrer hundertjährigen Geschichte ab. Heute kann reduktive Abstraktion alles sein und von allem handeln. Und durch die unbegrenzten Vernetzungstechnologien hat sie sich über die traditionellen geografisch begrenzten Handlungs-, Dialog- und Innovationsräume hinaus ausgebreitet. Relevante Arbeit kann überall auf unserem Planeten entstehen. Das ist mein Ausgangspunkt. Diesem pluralistischen Ansatz fühle ich mich zutiefst verpflichtet. In meinem Studio verbinde ich Malerei mit konzeptuellen, prozessualen und installativen Strategien. Mir ist es wichtig, in möglichst direkter, sachlicher Weise zu arbeiten – keine Neuerungen, Kunstgriffe oder Tricks. Ich interessiere mich mehr für die Idee der Malerei als für deren Prozess, dem ich entschieden unromantisch gegenüberstehe. Alles ist nur Mittel zum Zweck. In reduktiven Herangehensweisen sammle, mixe und zersetze ich auch häufig meine künstlerischen Materialien. Mein Werk absorbiert, verdaut und reagiert auf das, was ich in meiner Umgebung sehe und höre – urbane Kultur, Unternehmensmanagement, Nachrichtenpropaganda, Kriege ohne Sieger, religiösen Fundamentalismus, gewissenlosen Materialismus und mehr. Ich möchte das Problem der reduktiven Abstraktion aus jedem möglichen Blickwinkel angehen.
Reductive abstraction is at last shaking off the dead weight of its hundred-year history. Today reductive abstraction can be anything and be about anything. And, through the unlimited reach of technology, it has expanded beyond traditional geographically-defined pockets of activity, dialogue, and innovation. Meaningful work can be made anywhere on the planet. This is my point of departure. I am deeply committed to this pluralistic approach. In my studio, I merge painting with conceptual, process, and installation strategies. For me, it is important to make work in the most direct, matterof-fact manner possible – no novelties, gimmicks, or tricks. I am more interested in the idea of painting than the process, about which I am decidedly unromantic. It is all a means to an end. I freely sample, remix, and often subvert my artistic precedents in reductive strategies. However, my work absorbs, digests, and reacts to what I see and hear in my environment – urban culture, corporate government, news propaganda, unwinnable wars, religious fundamentalism, unconscionable materialism, and more. I am interested in attacking the problem of reductive abstraction from every possible vantage point.
Matthew Deleget Black Site 1 Glas Acrylfarbe auf Holz 2017 61 x 51 cm 53
EDGAR DIEHL DE
Edgar Diehl Translation Lucinda Rennison
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*1950 in Sprendlingen (Rheinhessen), lebt und arbeitet in Wiesbaden
*1950 in Sprendlingen (Rheinhessen), lives and works in Wiesbaden
Seit den 90er Jahren arbeite ich reduktiv. Mich interessiert besonders das Relief mit seiner Ambiguität der Dimensionen. Mein bevorzugtes Material ist Aluminiumblech, auf das ich meist mit Acrylfarbe in 6 bis 9 Schichten arbeite, um die Farbsätze, die mich interessieren, genau einzustellen und der Farbe Tiefe zu verleihen.
I have been working in a reductive way since the 90s. I am particularly interested in reliefs and their ambiguity of dimensions. My preferred material is sheet aluminium, on which I usually work using 6 to 9 layers of acrylic paints, so adjusting the colour sets which interest me precisely, and lending depth to the colour.
SCHWARZ
BLACK
In den 70er Jahren war am Städel (HfbK Frankfurt/Main) die gängige Meinung, dass einer von zehn Studenten eine Farbbegabung habe. Mit meinen farbigen Zeichnungen wurde ich zugelassen. Danach galt meine Aufmerksamkeit der Farbe. [...] 2011 veröffentlichte ich ein umfangreiches Buch, „Farbzeiten, sozialgeschichtliche Erfahrungen mit Farbe“. Ich rührte Schwarz nie an und besaß bis dato auch kein schwarzes Pigment. [...] 2014 lud mich Ivo Ringe zu der Ausstellung „Painting Black“ [...] in New York ein. Ich sagte zu, kaufte schwarzes Pigment und begann damit zu arbeiten. Schwarz ist zusammen mit Weiß das am einfachsten zu handhabende Pigment! Schwarz macht immer Eindruck. […] Ich habe inzwischen meine Liebe zu Schwarz entdeckt, und habe mittlerweile eine „Schwarze Periode“. Interessant ist, was der große Farbpsychologe Heinrich Frieling zur Vorliebe für das Schwarz zu sagen hat. In „Farbzeiten“ gibt es ein ganzes Kapitel darüber!
In the 70s at the Städel (Art College in Frankfurt/Main) the customary assumption was that one in ten students had a real talent for colour. I was accepted for my coloured drawings. Afterwards, my attention was focused on colour. [...] in 2011, I published a comprehensive book, “Farbzeiten, sozialgeschichtliche Erfahrungen mit Farbe” (Colourful Times, Social-Historical Experiences with Colour). I never touched black, and up to that date I did not possess any black pigments, either. [...] In 2014 Ivo Ringe invited me to the exhibition “Painting Black” [...] in New York. I agreed to go, bought some black pigment, and began to work with it. Together with white, black is the easiest pigment to handle! Black always makes an impression. […] In the meantime, I have discovered my love of black, and meanwhile I am going through a “Black Period”. It is interesting what the great colour psychologist Heinrich Frieling has to say about the preference for black. There is a whole chapter about this in “Farbzeiten”!
Edgar Diehl 19/15 Jupiter LIV Acryl auf Aluminium 2015 70 x 70 x 8 cm 55
ALAN EBNOTHER US
Alan Ebnother Übersetzung Stephanie Rupp
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*1952 in Alameda, CA (US), lebt und arbeitet in Schwerin, DE & Stanley, NM (US)
*1952 in Alameda, CA (US), lives and works in Schwerin, DE & Stanley, NM (US)
Malerei ist eine Akkumulation von Erfahrungen. Das Betrachten eines Bildes ist ein Abenteuer, das nicht minutiös angeleitet oder durch verbale Erklärungen gestört werden sollte. Denkt daran: ‘Farbe ist ein Sinn’, der empfunden und erfahren werden sollte.
Painting is a progression of experiences. Viewing a painting is an adventure, which should not be micro managed or hampered by an explanation with words. Remember, `color is a sense´ to be felt and experienced.
Alan Ebnother Relatively Black #3 Schwerin Ă–le, Wachs, Canada Balsam, Pigment und gemahlenes Glas auf Leinen 2017 84 x 84 cm 57
RUPERT EDER DE
Nanna Preußners Translation Lucinda Rennison
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*1968 in Bad Aibling, lebt und arbeitet in Dießen am Ammersee
*1968 in Bad Aibling, lives and works in Dießen am Ammersee
In Rupert Eders Arbeit „black hill - black mirror“ verlaufen mehrere Pinselbahnen vertikal und horizontal, wobei eine schmale Aussparung den Blick auf das ungewöhnliche Material des Bildträgers – Schieferstein – mit den ihm typischen Oberflächenstrukturen freigibt. Durch die Konfrontation von Schiefer und gemalten Schwarzflächen entsteht eine neue Dimension von Materialität und Farbe. Die Mischungen aus verschiedenen Schwarzpigmenten – Spinell, Elfenbein, Perlglanz Iriodin, Rebschwarz – verdeutlichen, als Flächen aufgetragen, je nach Stand des Lichts und des Betrachters, dass Schwarz als Farbe zu begreifen ist. Es tritt hier in vollster Intensität und Sattheit als Farbraum in Erscheinung, in den sich der Betrachter begibt, und offenbart ihm sein mystisches Potential von Verbergen und Verschleiern einerseits und kraftvoller Raumerzeugung andererseits.
Several brush lines run vertically and horizontally through Rupert Eder‘s work “black hill - black mirror”, whereby a narrow gap offers a glimpse of the picture carrier‘s unusual material – slate – with its typical surface structures. A new dimension of materiality and colour emerges due to this contrast of slate and painted black areas. Applied as flat fields, the mixtures of different black pigments – spinel, ivory, silver pearl iriodin, vine black – make clear that black should be understood as a colour, seen according to the position of the light and of the observer. It appears here in its fullest intensity and satiety as a colour space into which the viewer enters, revealing to him its mystic potential of concealing and veiling on the one hand, and a powerful creation of space on the other.
Rupert Eder black hill - black mirror Spinellschwarz, Elfenbeinschwarz, Rebschwarz, Perlglanz Iriodin Schwarz auf Schiefer auf Aluminium 2017 55,5 x 55,5 cm 59
MARK FRANCIS GB
Mark Francis Übersetzung Stephanie Rupp
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*1962 in Newtownards, Northern Ireland, GB, lebt und arbeitet in London, GB
*1962 in Newtownards, Northern Ireland, GB, lives and works in London, GB
In den vergangenen dreißig Jahren hat Mark Francis Bilder von einzigartiger visueller Intensität geschaffen – kraftvolle, scheinbar abstrakte Kombinationen verdichteter Strukturen und starker Farbkontraste, die letztlich auf dem basieren, was das menschliche Auge ohne Hilfsmittel nicht erfassen kann. Sein Werk greift maßgeblich auf Entdeckungen zu Form und Wesen der Realität zurück, die Folge technischer Entwicklungen im Bereich der Optik sind. So faszinieren Francis zum Beispiel die visuellen Welten, die sich durch den Materie durchdringenden Blick des Elektronenmikroskops erschließen: die dunklen, verstreuten, gruppierten Himmelskörper oder die wahlweise straffen oder lockeren Linien seiner Bilder beziehen ihre eigenartigen Formen aus der Bildwelt des Miniaturuniversums, dem Reich der Molekularstrukturen und Zellverbindungen, aus denen alles Leben entsteht. In jüngerer Zeit wendet sich Francis‘ Arbeit dem Außen zu. Dabei setzt er die grafische Interpretation der von Radioteleskopen empfangenen Daten bildlich um, die Astronomen bei der Kartografierung weit entfernter Zonen des Kosmos dienen. Diese technischen Entwicklungen im Bereich der optischen Wahrnehmung sind die für Francis‘ malerische Praxis wesentlichen Herausforderungen – und Möglichkeiten. […]
Over the past thirty years, Mark Francis has made paintings of singular optical intensity – powerful, apparently abstract combinations of concentrated patterning and stark colour contrasts that are in fact principally based on what the unaided human eye lacks the power to see. His work draws significantly on discoveries about the form and substance of reality that result from technologically enhanced vision. An enduring fascination, for instance, has been the visual worlds made accessible by the matter-penetrating gaze of electron microscopes: the dark, scattered, interconnecting orbs or the variously taut and slack lines of his paintings have drawn their strange forms from imagery of the miniature universe, the realm of molecular structure and cellular association out of which all life is assembled. More recently, too, Francis’ art has looked outwards, taking as points of pictorial reference the graphic interpretations of data received by radio telescopes as part of astronomers’ efforts to chart distant zones of the cosmos. Such scientific advances in the power of perception have for Francis come to present vital challenges – and opportunities – for the practice of painting. [...]
Mark Francis Dark Field Acryl und Öl auf Leinwand 2017 66 x 53 cm Perspektivische Aufnahme 61
FRANK GERRITZ DE
Frank Gerritz Translation Lucinda Rennison
Petra Oelschlägel Translation Lucinda Rennison
*1964 in Bad Oldesloe, lebt und arbeitet in Hamburg
*1964 in Bad Oldesloe, lives and works in Hamburg
Es geht mir nicht um die Farbe Schwarz an sich, sondern ihre einzigartige Fähigkeit, die sich verändernde Qualität des Lichts zu zeigen, wenn es sich über die Oberfläche bewegt. Es ist genau in diesem Moment, dass meine Werke zum Leben erweckt werden.
I am not concerned with the colour black as such but with its unique capacity to show the changing quality of light as it moves across a surface. This is the very moment in which my works are awakened to life.
Frank Gerritz‘ Werk wird nach zahlreichen beeindruckenden Ausstellungen und zum Teil wandfüllenden in situArbeiten aus Grafit aufs Engste mit der Farbe Schwarz verbunden. [...] Betritt man einen Raum mit Frank Gerritz‘ scharf konturierten PaintstickObjekten, so sieht man auf den ersten Blick klare schwarze Flächen, rhythmisiert durch wenige schmale horizontale oder vertikale Aluminiumgrate. [...] Bei Annäherung und Einlassung auf das Gegenüber erkennt man jedoch Licht, eine beinahe irrational anmutende Transparenz. Diese sinnliche Ausstrahlung hebt den Eindruck von Schwere und Massivität auf, der einer schwarzen Fläche gewohnheitsgemäß zu eigen ist. Das sich über die Oberfläche bewegende Licht macht die Werke lebendig und transformiert sie in ein leibhaftiges Gegenüber.1
Frank Gerritz‘s œuvre is associated very closely with the colour black after numerous impressive exhibitions and sometimes full-wall, in situ works in graphite. [...] When entering a room of Frank Gerritz‘s sharp-contoured, paintstick objects, at first glance we see clear black areas, rhythmicized by a few narrow horizontal or vertical aluminium ridges. [...] Approaching and engaging with these counterparts, however, we discern light, an almost irrational seeming transparency. This sensual aura cancels out the impression of heaviness and massiveness that is generally characteristic of a black surface area. The light moving over the surface enlivens the works and transforms them into a physical opposite.1
1 Auszüge aus: Petra Oelschlägel, „Schwarz – Die Magie des Dunklen“, in: Schwarzarbeit – Die Magie des Dunklen, Ausst.Kat. Kunstmuseum Villa Zanders, 2016, S. 5–19.
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1 Extracts from: Petra Oelschlägel, „Schwarz – Die Magie des Dunklen“, in: Schwarzarbeit – Die Magie des Dunklen, exhib. cat. Kunstmuseum Villa Zanders, 2016, pp. 5–19.
Frank Gerritz Parallel Universe Straight Up III Ă–lfarbstift auf eloxiertem Aluminium 2002 120 x 60 cm 63
JON GROOM GB
Jon Groom Übersetzung Stephanie Rupp
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*1953 in Powys, Wales, GB, lebt und arbeitet in München und Bernried
*1953 in Powys, Wales, GB, lives and works in Munich and Bernried
Die Sandokai Paintings sind eine Serie von Arbeiten, die über drei Jahre entstanden ist. Der Malgrund der Bilder ist ein Brett, eine Holztafel, die Kalligraphie-Künstlern in Japan seit Jahrtausenden dazu dient, Papier zu fixieren. Das Brett ist rückseitig zu seiner Aufhängung an der Wand hin abgetreppt und bildet ein skulpturales Rechteck mit einer planen Oberfläche. Der Malgrund wurde durch vielfach aufgetragene eisenoxidschwarze Spachtelmasse geschaffen. Als dieser getrocknet war, wurde schwarze Ölfarbe auf den verbleibenden oberen und unteren Rändern aufgetragen. Ein durch die Gegenüberstellung der beiden schwarzen Materialien implizierter Raum. Ich habe festgestellt, dass Schwarz seinem Charakter nach sowohl „sichtbar“ als auch „unsichtbar“ ist, eine mystische Vereinigung.
The Sandokai paintings are a series of works made over a period of three years. The paintings have as their support a panel, a tablet that was used by Japanese calligraphic artists through millennia for holding the papers in place. The panel is stepped back to the wall and hangs upon the last „step“. A specific sculptural rectangle with a flat face. The ground was built up with multiple layers of iron black „Spachtelmasse“. Once dry black oil was applied over leaving margins top and bottom. An implied space made from the juxtaposition of the two black materials. Black by its nature I have found is both „seen“ and „unseen“, a mystical union.
Jon Groom Black Sandokai painting Acryl und Öl auf Holz 2017 90 x 80 cm 65
ALISON HALL US
Alison Hall Übersetzung Stephanie Rupp
*1980 in Martinsville, VA (US), lebt und arbeitet in Brooklyn, NY (US)
*1980 in Martinsville, VA (US), lives and works in Brooklyn, NY (US)
Halls Arbeit fußt auf Ritualen und Gebräuchen ihrer Kindheit und Jugend im ländlichen Virginia, die sie mit ihrer Leidenschaft für die frühen RenaissanceKunstwerke Mittelitaliens verknüpft. Im Rückgriff auf ihre fortlaufenden Studien der Strukturen in Giottos Freskenzyklus in der Arena-Kapelle (Padua) untersucht Hall visuelle Systeme in Decken, Böden und Gemälden des 13ten Jahrhunderts. Diese, wie etwa diamantförmige Raster und sechszackige Mosaiksterne, dekonstruiert sie, um eigene geometrische Abstraktionen zu erschaffen. Schwebende Graphitmuster auf verdichteten Feldern aus Ölpigmenten auf geschliffenen Gipsflächen – Hall greift durch subtile Bewegungen und Muster in diese ritualisierten Rhythmen ein.
Hall looks to the ritual and repetition of her upbringing in rural Virginia, tempered with a devotion to early Renaissance artifacts in central Italy. Drawing on her ongoing study of patterns in the Arena Chapel’s fresco cycle by Giotto (Padua), Hall searches for visual systems in 13th century ceilings, floors and paintings. She de-constructs these – such as diamond shaped grids and six pointed mosaic stars – conjuring her own geometric abstractions. Floating graphite patterns over dense fields of oil pigment laid over sanded plaster grounds, Hall imbues these ritualistic rhythms with subtle movements and patterns.
Befragt man die Künstlerin nach der Farbe Schwarz, so bezeichnet sie diese als eine „Liebe der anderen Art“. Die Farbe, die sich ursprünglich vom Fliesenboden der Arena-Kapelle herleitet, ist eine irdische Fläche, die sich gegen die von Giotto gemalten Himmel absetzt. 2013 begann die Künstlerin, mit diesem Farbton zu arbeiten, um eine besondere Periode ihres Lebens zu kennzeichnen, zunächst eine Zeit der Trauer, der irdischen, endlichen Liebe. Schließlich wurde das Schwarz jedoch zum „sanftesten Ruheplatz für meine Augen“. Die Dunkelheit lässt Halls Bilder für sie zu dem Ort werden, an dem ihre Augen „am weitesten geöffnet, am empfänglichsten für das Licht“ sind.
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For the artist, when asked about black, she refers to it as, ”love of a different sort”. The color, originally sourced from the tile floor of the Arena Chapel, is an earthly plane standing against the heavens that Giotto painted. The artist began using this hue in early 2013, as a way to mark a specific period in her life, originally a period of grief, of earthly, finite love, but ultimately black has become ”the softest place to rest my eyes”. For the artist the darkness of her paintings is the place where her eyes are “most open, the most willing to let in light”.
Alison Hall Black Elisabeta Ă–l, Graphit, venezianischer Gips auf Holz 2014 70 x 60 cm 67
MARK HARRINGTON US
Mark Harrington Übersetzung Stephanie Rupp
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*1952 in Bakersfield, CA (US), lebt und arbeitet bei München
*1952 in Bakersfield, CA (US), lives and works near Munich
Meine Bilder sind monochrome Flächen, die durch handgezogene Linien in kontrastierenden oder abschattierten Farben zerrissen und durchdrungen werden. Die durchdringenden Linien sind keine wohlkalkulierten Streifen; als gestische Auslösung von Bewegung in der Stille des Raums treten sie in unregelmäßigen Intervallen ins Bildfeld. Die Horizontalität betont die Tiefenschärfe, während aus nicht-symmetrischen Bildtafeln bestehende Diptychen Möglichkeiten der Spannung und Balance offenbaren. Ich arbeite mit Acryl, das zu einer gallertartigen Konsistenz verrührt, mit einem Pinsel aufgetragen und dann geglättet wird, so wie auch Freskooberflächen vorbereitet werden. Linien und andere Markierungen werden in die noch feuchte Oberfläche gerissen, gezeichnet und geschnitten. Die daraus resultierenden Furchen und offenen Adern werden später, wenn sie getrocknet sind, mit kontrastierenden Farben gefüllt und schließlich zügig mit Metallklingen geglättet. Im Gegensatz zum kontinuierlichen Farbauftrag auf die Bildoberfläche werden hier die Bilder durch die Entfernung und Hinzufügung von Materie einem Prozess des Vor und Zurück ausgesetzt. Ich benutze keinen Trocknungsverzögerer für das Acryl, sondern bevorzuge die schnelle Aktion, die durch die Gegebenheiten der Farbe erforderlich wird. Meine Arbeit bringt Elemente des Action Painting in den reduktiven Minimalismus ein.
My paintings are monochromatic fields torn and invaded by hand-drawn lines of opposing or modulated color. The invasive lines are not measured stripes; they enter the visual field at irregular intervals as gestures activating movement within the stillness of space. Horizontality emphasizes depth-of-field, while the use of diptychon relationships between nonsymmetrical panels presents possibilities for tension and balance. I work with acrylic components mixed into heavy gel-like consistency, applied with brush and subsequently smoothed, as in the preparation of fresco surfaces. The linear and other markings are ripped, drawn and cut into the original surface while still wet. The resulting grooves and open veins are filled, when dry, with later applications of contrasting color, then levelled rapidly with metal blades. Hence, the paintings move backward and forward in the removal and addition of substance, in opposition to the continual building-up of matter on the surface-plane. I do not extend dryingtime with acrylic retarders, choosing instead to exploit fast action imposed by the limitation of the paint. My work insinuates elements of action-painting into reductive minimalism.
Mark Harrington HAKABLAKK Acryl auf Leinen 2017 190 x 242 cm Raumaufnahme 69
MICHAEL JÄGER DE
Stephan Berg Translation Lucinda Rennison
*1956 in Düsseldorf, lebt und arbeitet in Köln
*1956 in Düsseldorf, lives and works in Cologne
Öl/Lack-Malerei auf Acrylglas ist für Michael Jäger kein formales Instrument, sondern vielmehr sein inhaltliches Credo. Seine Bilder reflektieren ihre eigene Erscheinungsform und ihre Malgramatik und hinterfragen sie – allein schon durch die angewandte Technik der Hinterglasmalerei. Streng genommen betrachten wir Jägers Bilder von hinten: Die Malschicht, die sich uns zeigt, ist nicht etwa, wie bei einem Leinwandbild, die letzte Malschicht, sondern die erste, durch die alle weiteren mehr oder weniger durchschimmern. Diese Bilder sind Fenster, durch die wir sozusagen in die Vergangenheit schauen, beziehungsweise in die Vergangenheit des malerischen Prozesses. Sie sind semipermeable, von zwei Seiten zugängliche Membranen. Jägers Bilder sind ein Statement zur Frage, wie Malerei heute gegenwärtig sein kann, wie sie sich lustvoll zeigen und dabei ihre autonome Energie ausspielen kann und wie sie zugleich diese emphatische Präsenz abkühlen und sich uns entziehen kann – eine dialektische Verknüpfung von Nähe und Ferne. Man könnte sagen: Diese Bilder finden da ihren Ort, wo sie zugleich von den Bedingungen erzählen können, unter denen Bilder sowohl gemalt als auch gezeigt werden (also von der Metaebene des Bildes) wie auch von den Möglichkeiten, diese Metaebene zu verlassen und zu einer selbständigen Behauptung zu werden.1
Oil/lacquer painting on acrylic glass is not a formal instrument to Michael Jäger; far more, it constitutes his creed of content. His paintings reflect their own formal appearance and the syntax of their production, questioning both – already through the applied technique of reverse glass painting. Strictly speaking, we view Jäger‘s images from behind: the layer of painting revealed to us is not, as in the case of a painting on canvas, for example, the last layer but the first, through which all the added layers shimmer – some more, some less. These paintings are windows, through which we can – so to speak – look into the past, or rather into the past of the painting process. They are semi-permeable membranes, accessible from two sides. Jäger‘s images represent a statement in response to the question of how painting can remain up-to-date today, how it can show itself with relish and play out its own autonomous energy; and how, at the same time, it can cool this emphatic presence and withdraw from us – a dialectic linking of closeness and distance. One could say that these paintings find their place where they succeed in simultaneously telling us about the conditions under which images are both painted and exhibited (that is, about the image‘s meta-level) and also about the possibilities to leave this meta-level and develop into something decisively independent.1
1 Auszüge aus einer Rede von Prof. Dr. Stephan Berg, Köln, Januar 2014
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1 Extracts from a talk by Prof. Dr. Stephan Berg, Cologne, January 2014
Michael Jäger Bell #70 Acryl, Öl, Lack auf Acrylglas 2017 39 x 26 cm 71
RAYMUND KAISER DE
Raymund Kaiser Translation Lucinda Rennison
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*1955 in Wuppertal-Elberfeld, lebt und arbeitet in Köln
*1955 in Wuppertal-Elberfeld, lives and works in Cologne
„Schwarz bewahrt immer ein Geheimnis, das man zu ergründen versucht.“
“Black always keeps a secret that we try to fathom.”
Licht entfaltet sich auf verschiedenen Oberflächen. In meiner Malerei schaffe ich zwei differenzierte Farbzustände, die sich als opak/matt und transparent/ spiegelnd offenbaren. Der entstandene Farbton, durch verschiedenfarbige Lacklasuren auf einem einfarbigen Grund aufgetragen, wird zur tonalen Vorlage für die letztliche partielle Übermalung mit der opaken Ölfarbe. Durch den glänzenden Lack schafft sich die Malerei ihren eigenen Raum, der zwischen einer unbestimmbaren Tiefe im Malgrund und der Überlagerung des Spiegelbildes vagabundiert. Meine Malerei steht nie für sich alleine. Sie kommuniziert mit Betrachter und Raum.
Light develops on various surfaces. In my painting I create two differentiated states of colour, which emerge as opaque/matt and transparent/reflecting. The shade of colour that emerges, applied by means of differently coloured glazes of laquer paint onto a monochrome background, becomes the tonal original for the final, partial painting over using opaque oil paints. The shining lacquer enables the painting to create its own three-dimensional space, which meanders between indefinable depth in the painted ground and the overlappings of the reflection. My painting never stands alone: it communicates with the viewer and the surrounding space.
Raymund Kaiser GRUEBLSCH-H1 Öl und Lack auf HDF-Schichtplatte 2017 114 x 100 cm Perspektivische Aufnahme 73
MATT MCCLUNE US
Matt McClune Übersetzung Stephanie Rupp
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*1973 in Worcester, MA (US), lebt und arbeitet in Saint-Romain, FR
*1973 in Worcester, MA (US), lives and works in Saint-Romain, FR
Bevor ich nach Burgund gezogen bin, beeindruckte mich, wie wichtig den Franzosen der Begriff des „terroir“, der Region also, war. Dass also Dinge wie Käse, Wein, Nüsse, Paprika Ausdruck ihres Herkunftsortes, dieses speziellen Ortes, sein konnten. Bis dahin hatte ich im Grunde mit Farbe und Material gespielt. Nach meinem Umzug nach Burgund fragte ich mich, ob es möglich wäre, etwas von dieser Essenz … das Licht, die Temperatur, die Feuchtigkeit, das Gefühl … eines Ortes in einem abstrakten Bild festzuhalten. […] Heute, wo ich dies schreibe, bin ich nun schon über 10 Jahre in Frankreich und die Idee des terroir hat mich ebenso beeinflusst wie Tausende anderer Dinge. Mein Hauptanliegen ist es vielleicht, in einem abstrakten Gemälde ein Gleichgewicht zwischen intellektuellen und emotionalen Elementen herzustellen. Menschen reagieren mit zwei Mechanismen auf Reize: entweder mit „Bauchgefühl“ oder mit analytischer Betrachtung. Große Kunst sollte beides befriedigen. Zu denken, während man malt, zu fühlen, während man malt, einzuschätzen, was passiert und die Entwicklung einer Komposition zu respektieren/unterstützen – das ist das, was ich für wichtig halte.
Before I moved to Burgundy, I was impressed by how serious the notion of “terroir” was for the French, how things like cheese, wine, nuts, peppers could all express the place they came from… the specific place. Up until this point, I had been essentially playing with color and material. In moving to Burgundy, I wondered whether it was possible to capture something of the essence… the light, the temperature, humidity, feeling… of a place, in an abstract painting. [...] At the time of this writing, I have been in France now for over 10 years, and as much as the idea of terroir has influenced my work, so has a myriad of other things. Trying to balance the intellectual and feeling elements in an abstract painting are perhaps my main concern. Humans have two types of response mechanisms to stimuli: “gut feeling“ and analytical consideration. Great art should satisfy both. Thinking while you paint, feeling while you paint, assessing what is happening and respecting/helping the development of a composition, these are what I consider important.
Matt McClune Bone Black Graphite Kremer Pigmente, Acryl, Polyurethan auf Aluminium 2017 150 x 120 cm 75
LASZLO OTTO HU
Laszlo Otto Translation Lucinda Rennison
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*1966 in Pécs, HU, lebt und arbeitet in Budapest, HU
*1966 in Pécs, HU, lives and works in Budapest, HU
Seit Beginn meiner malerischen Bahn hat die geometrische Konstruktion begünstigte Priorität. Heutzutage hilft die ‚Hard-edge‘ Malerei-Methode die geistigen Gehalte auszudrücken, die hauptsächlich auf vertikal-horizontalen Raster-Gittern basieren. Neben der bewussten Kompilation schaffen die monochromen Flächen die Ausdruckskraft. Das ganze Spektrum der Farben kalkuliere ich ein, ‚Schwarz‘ aber ist von primärer Wichtigkeit. Die schwarzen Farben mische ich aus Pigmenten und Bindemittel mit klassischem Verfahren; bereits 27 verschiedene schwarze „Farben“ habe ich auf meiner Palette. Das monochrome Schwarz kann am intensivsten die Essenz meiner Malerei enttarnen: die geistige, transzendentale Mitteilung. Auch basiere ich auf dem westlichen und östlichen intellektuellgeistigen Erbe: universalistische Ideen suche ich fortdauernd und mache sie in der Malerei erfahrbar für den Betrachter.
Since the beginning of my path as a painter, I have preferred to give priority to geometric construction. Today, the “hard-edge” painting method helps me to express a spiritual content, which is based mainly on verticalhorizontal raster-grids. Alongside this conscious compilation, the monochrome surfaces create a power of expression. I take into account the full spectrum of colours, but “black” is of primary importance. I mix the black colours from pigments and binding agents using the classic process; I already have 27 different black “colours” in my palette. The monochrome black is able to reveal the essence of my painting most intensely: the spiritual, transcendental message. I also work on the basis of western and eastern intellectualspiritual heritage: constantly, I seek universalist ideas and enable the viewer to experience them in my painting.
Meine „Meister“: Kasimir Malewitsch, Piet Mondriaan, Ad Reinhardt, Barnett Newman, Mark Rothko, Agnes Martin, Joseph Marioni, Marcia Hafif, Rudolf de Crignis, Helmut Federle.
My “masters”: Kasimir Malevich, Piet Mondriaan, Ad Reinhardt, Barnett Newman, Mark Rothko, Agnes Martin, Joseph Marioni, Marcia Hafif, Rudolf de Crignis, Helmut Federle.
Laszlo Otto Homage to Malevich by 1 + 21 squares Acryl auf Leinwand 2017 75 x 75 cm 77
SYBILLE PATTSCHECK DE
Sybille Pattscheck Translation Lucinda Rennison
*1958 in Wesel, lebt und arbeitet in Pulheim & Köln
*1958 in Wesel, lives and works in Pulheim & Köln
Licht und Schwarz
Light and Black
Thema meiner Arbeit ist das Zusammenspiel von Farbe, aufgelöst in lichtdurchlässigem Wachs und dem Licht, das durch die aufgetragenen Farbschichten hindurchscheint.
The theme of my work is the interplay of colour, dissolved in translucent wax, and the light that shines through the layers of paint I have applied.
Dabei entsteht durch die Überlagerung der transluzenten Wachsschichten ein Farbraum, der von innen heraus zu leuchten scheint. Es war eine Herausforderung für mich, auch mit der Farbe „Schwarz“ einen imaginären Farbraum zu erschaffen, indem das Licht weiterhin subtil präsent ist.
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The result of overlaying the translucent layers of wax is the emergence of a colour space, which seems to glow from within. It was a challenge for me to create an imaginary colour space using the colour “black”, inasmuch as the light continues to maintain a subtle presence.
Sybille Pattscheck Hinter dem Vorhang Enkaustik auf Acrylglas 2017 70 x 70 cm 79
ANTON QUIRING DE
Holger Birkholz Translation Lucinda Rennison
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*1970 in Kurgan Tjube, TJ, lebt in Dresden, arbeitet in Frankfurt a.M. und Soest
*1970 in Kurgan Tjube, TJ, lives in Dresden, works in Frankfurt a.M. and Soest
Anton Quirings Zeitmaßstäbe
Anton Quiring‘s Measures of Time
Der Status des legendären Vogels Phönix in Form seiner Asche markiert den Nullpunkt einer zyklischen Zeitvorstellung, hier ist die vergangene Zeit als verlorene enthalten, und die Zukunft liegt im Dunkeln. So absolut die Fläche zunächst erscheint, könnte man sich sorgen, die Zeit würde in diesem Zustand verharren. Aber Quirings Tafel aus selbst hergestellter, kristallin glimmernder Holzkohle ist nicht allein, sie hat ein Pendant, das als erster Nachfolger einer Reihe die Zeit gewissermaßen fortsetzt. Die schwarzen rechteckigen Flächen beziehen sich auf die Geschichte der Abstraktion, die sich in der Suche nach reiner Form manifestartig von allem Erzählerischen zu befreien suchte. […] Die Verwendung von schwarzer Holzkohle bei solchen Arbeiten enthält einen Absolutheitsanspruch, der im graphischen Zeichen liegt. Sanfte Lichtreflexionen in der Tiefe des Schwarz jedoch versetzen die Formen sachte wieder in Bewegung und offenbaren ein Energiepotential an seinem Umschlagpunkt von einer vergangenen, im Feuer aufgezehrten Kraft, hin zu einer neuen Perspektive, die aus der Zeichenhaftigkeit erwächst und damit Ansprüche stellt für die Wirklichkeitswahrnehmung jenseits der Begegnung mit dem künstlerischen Objekt.
The status of the legendary bird, the phoenix, in the shape of its ashes marks the zero point in a cyclic understanding of time; time past is contained in this as time lost, and the future still lies in the dark. Absolute as the flat surface may seem initially, one might worry that time will remain in this state. But Quiring‘s panel constructed from home-made, crystalline glistening charcoal is not alone: it has a pendant, which continues time – so to speak – as the successor in a series. The black rectangular fields refer to the history of abstraction, which attempted in its search for pure form to free itself from all narrative qualities in the manner of a manifesto. […] The use of black charcoal in such works involves a claim to the absolute lying in the graphic symbol. Delicate light reflections in the depth of the black, however, gently set the forms in motion again, revealing an energetic potential at the turning point from past force destroyed by fire towards a fresh perspective, which develops from the emblematic quality and so lays claim to a perception of reality beyond our encounter with the artistic object.
Anton Quiring Phoenix I Eitempera mit Kohlepigmenten auf Holz 2012 34,5 x 46,5 cm Anton Quiring Phoenix II Eitempera mit Kohlepigmenten auf Holz 2012 36,5 x 46,5 cm 81
DAVID RHODES US
David Rhodes Übersetzung Stephanie Rupp
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*1955 in Manchester, GB, lebt und arbeitet in New York City, NY (US)
*1955 in Manchester, GB, lives and works in New York City, NY (US)
Für jedes Bild wird rußschwarze Acrylfarbe auf unbearbeiteten Baumwoll-Canvas aufgetragen. Um Linien herzustellen, wird eher einfaches als hochqualitatives Kreppband benutzt. Die Linien haben keine scharf definierten Ränder, da das Klebeband nicht sehr effizient ist – es gibt subtile Brüche, an denen die Farbe das Klebeband unterblutet. Um ein vollkommen schwarzes Bild zu schaffen, wird die Leinwand mit einem zweiten Farbauftrag überdeckt. Die Linien werden nun dadurch sichtbar, dass das auf sie fallende Licht eher absorbiert als reflektiert wird. Dies wird, abhängig vom verfügbaren Licht im Verhältnis zum Bild und der Position, mehr oder weniger wahrnehmbar, wenn der Betrachter sich bewegt. Alle Linien weichen von der Vertikalen ab, verlaufen parallel und wechseln alternierend die Richtung. Dies wiederholt sich. Ein Bild entwickelt sich gemäß seiner eigenen Gesetze. Jedes Gemälde ist sinnlich erspürt, intuitiv, spontan. Zu dem Bild in dieser Ausstellung inspirierte mich Henri Matisses Gemälde Porte-fenêtre à Collioure (1914), dessen zentrales schwarzes, vertikales Bildsegment mich interessiert, weshalb einige meiner Bilder Meditationen über diesen speziellen Ausschnitt sind.
Acrylic carbon black paint is applied to raw cotton duck canvas with a brush in each painting, and functional rather than fine masking tape is used to make lines. These lines do not have super sharp edges, as the tape is not that efficient – there are subtle inconsistencies where paint bleeds under tape. For a completely black painting a second application of paint completely covers the canvas. When this is the case lines are visible because light falling on them is absorbed rather than reflected. As the viewer moves this becomes more or less apparent depending on available light in relation to the paintings surface and the position of the viewer. All the lines are off vertical and parallel and change direction alternately. This is repeated. An image evolves due to its own laws. Each painting is felt, intuitive, spontaneous. For the painting in this exhibition I thought about Henri Matisse’s Porte-fenêtre à Collioure (1914), it is the central black vertical section in Matisse’s painting that interests me and some of my own paintings are a meditation on this particular space.
David Rhodes o. T. Acryl auf Leinwand 2017 60 x 40 cm 83
IVO RINGE DE
Ivo Ringe Translation Lucinda Rennison
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*1951 in Bonn, lebt und arbeitet in Köln
*1951 in Bonn, lives and works in Cologne
Meine Arbeiten sind Forschungen und Untersuchungen im Gedächtnisfeld der Konkreten Kunst. Die Proportionen sind klar definiert und beziehen den Goldenen Schnitt wie auch Proportionen aus anderen Kulturen ein. So entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Harmonie und Gegensatz im Sinne einer Viellagigkeit der Realität, unterstrichen durch die gestischen Linien und den wahrnehmbaren Pinselstrich. Meine Strukturen sind als Formeln gedacht, in die die Betrachter ihre eigenen Zahlen, ihre eigenen Gedanken einfügen und so durch die Betrachtung ihrer eigenen Wahrheit näher kommen.
My works are research and investigation into the memory field of Concrete Art. The proportions are defined clearly and incorporate the Golden Section as well as proportions from other cultures. This leads to tense relations between harmony and its opposite, in the sense of a multilayering of reality, underlined by my expressive lines and perceptible brush strokes. My structures are conceived as formulas, into which viewers can insert their own figures, their own ideas, and so come closer to their own truth through contemplation of my images.
Ivo Ringe painting black I-IV Acryl, Pigmente, Graphit auf Holz 2015 je 40 x 30 cm 85
ROLF ROSE DE
Rolf Rose Translation Lucinda Rennison
86
*1933 in Halberstadt, lebt und arbeitet in Krempe bei Hamburg
*1933 in Halberstadt, lives and works in Krempe near Hamburg
Ein Bild erfüllt etwas auf der Liste des Begehrens, das man nirgends sonst bekommen kann, und das ist übrigens auch der Grund, weshalb die Rede vom Ende der Malerei Unsinn ist. Dies Besondere der Malerei besteht in der Anschaulichkeit jedweden Bildes, selbst desjenigen, auf dem vielleicht nur ein Punkt oder Strich zu sehen ist. Das Bild belehrt über sich selbst und die Grundlage all dieser optischen Phänomene ist die Körperlichkeit des Objektes Bild, bestehend aus der Leinwand und ihrem Träger, dem Keilrahmen. Alles geschieht als Verwandlung, als Verwandlung in Geist, in Verstand und Gefühl. In dieser Interaktion mit dem jeweiligen Betrachter entsteht das immer wieder Neue, neu durch Hinzufügen aus dem kontingenten Urgrund in der Gestalt jedes einzelnen Betrachters. In diesen Fällen von vollendeter Kommunikation sieht auch das Bild einen an – weil es eine Antwort einfordert. Der Maler muss mit diesen Unwägbarkeiten leben; es gilt für ihn, seine Absichten so klar wie möglich zu formulieren. Alles folgende liegt nicht mehr in seiner Hand, aber den Ausgangspunkt, die Basis jeder Interpretation hat er gesetzt und das ist auch seine Verantwortung, zumal vor der Geschichte der Malerei. Dem fühle ich mich verpflichtet und hoffe ihm zu genügen.
A painting fulfils something on our list of desires which is impossible to find elsewhere, and by the way, this is also the reason why talk of the end of painting is nonsense. This particular quality of painting lies in the purity of any and every painted work, even those in which we can only see a dot or a line, perhaps. The painting instructs us further than itself, and the foundation of all these optical phenomena is the corporeality of the object, the painting, consisting of the canvas and its carrier, the stretcher frame. Everything occurs as transformation, as transformation in spirit, understanding and emotion. The eternally new evolves through this interaction with the respective viewer; new because of additions from the contingent, original foundation in the shape of every single viewer. In these cases of perfect communication, the painting also regards us – because it demands a response. The painter has to live with such imponderabilia; the important thing for him is to formulate his intentions as clearly as possible. Everything that follows no longer lies in his hands, but he has set down the starting point, the basis of every interpretation – and that is also his responsibility, especially with respect to the history of painting. I feel an obligation in face of all this, and I hope that I can fulfil that obligation.
Rolf Rose o. T. Öl auf Leinwand 1991 200 x 200 cm 87
BARBARA ROSENGARTH DE
Barbara Rosengarth Translation Lucinda Rennison
Claudia Funke Translation Lucinda Rennison
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*1964 in Münster, lebt und arbeitet in Bremen
*1964 in Münster, lives and works in Bremen
In meiner Arbeit beschäftige ich mich seit über 15 Jahren mit Faltungen. Was ursprünglich aus dem Beobachten und Malen textiler Faltenwürfe entstand, entwickelte sich mehr und mehr zu abstrakten Kompositionen, mit einer eigens entwickelten Systematik zur Simulation von Faltung. Der mit einer Platte versehene und mit Leinwand bespannte Rahmen wird in vielen Schichten grundiert und immer wieder geschliffen, bis die Oberfläche geradezu spiegelglatt ist. Dann werden zumeist mehrere farbige, leicht transparente Lasuren übereinander geschichtet. Schließlich lege ich die Bruchlinien fest, […] klebe […] geometrische Formen wie Linien, Rauten, Quadrate ab und male sie mit Farben aus.
For more than 15 years now, I have been concerned with folds in my work. What evolved originally from observing and painting textiles as they fell into folds developed increasingly into abstract compositions, with a system worked out especially for the simulation of folds. The frame, backed by a panel and stretched with canvas, is grounded in several layers and polished again and again until the surface is literally as smooth as a mirror. Then, usually, I build up several layers of coloured, slightly transparent glazes. Finally, I determine the break lines, […] mask out […] geometric forms such as lines, rhombuses or squares, and paint into them with various colours.
Rosengarths sowohl malerisches als auch zeichnerisches Œuvre eröffnet ein Spannungsfeld zwischen Linie und Fläche und damit zwischen der zweidimensionalen Bildebene und einer perspektivischen Tiefe. Das Auge des Betrachters bleibt bei dem irritierenden Wechselspiel von Form, Farbe und Licht, von geometrischer Strenge und ins diagonale verschobene Parallelen in Bewegung. Die Unabschließbarkeit des Sehprozesses enthält nicht nur einen zeitlichen Aspekt, sondern entgrenzt die Bildfläche ins Formlose, nicht rational zu Erfassende. [...]
Rosengarth‘s œuvre in both painting and drawing reveals a field of tension between line and surface and thus between the two-dimensional image level and a perspective depth. The viewer‘s eye stays in motion as a consequence of the irritating interplay of forms, colours and light – of geometric severity and diagonally displaced parallel lines. Our inability to complete the visual process not only involves a temporal aspect but also de-limits the picture area into something formless, something impossible to grasp rationally. [...]
Barbara Rosengarth Pli 0317 Acryl auf Leinwand auf Holz 2017 25 x 30 cm 89
ELISABETH SONNECK DE
Elisabeth Sonneck Translation Lucinda Rennison
Ursula Ströbele Translation Lucinda Rennison
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*1962 in Bünde, lebt und arbeitet in Berlin
*1962 in Bünde, lives and works in Berlin
In meiner Malerei sind Körperbewegung und Farberscheinung unmittelbar verbunden, die Umstände möglichst reduziert – eine Pinselbreite (12 cm), eine Papierbreite (110 cm), freihändig repetitiv geschichtete, teils minimal versetzte Pinselzüge. Dagegen kann die koloristische Spannweite der fein nuancierten oder auch konfrontativen Farbkonstellationen opulent sein – Farbe empfinde ich als emotionale Energie, die über die rationale Fassbarkeit weit hinausreicht, zudem stets in Relation zur Umgebung wirkt und daher die Wahrnehmung auf Zusammenhänge ausrichtet. Im ortsspezifischen Dialog mit dem Ausstellungsraum nehmen die Rollbilder flexible und reversible skulpturale Formen an.
Body movement and the phenomenon of colour are linked directly in my painting; the conditions are reduced as far as possible – one width of brush (12 cm), one width of paper (110 cm), freehand, repetitive layers of brush strokes, partially and only very slightly staggered. By contrast, the spectrum of the finely nuanced or also contrasting colour constellations may be opulent – I experience colour as an emotional energy extending far beyond any rational conceivability, and also as taking effect in relation to the surroundings and therefore directing our perception towards specific connections and contexts. In a site-specific dialogue with the exhibition space, the rolls of images adopt flexible and reversible sculptural forms.
Charakteristisch für die Herangehensweise Elisabeth Sonnecks ist eine Rhythmisierung des Raums durch ausufernde, teils Boden und Wand vereinende Farbbahnen und plastische Wirbelfelder. „Der Rhythmus durchwebt den Raum (und die Zeit) mit einer existenziellen Bedeutung, das heißt mit einer bedeutsamen Gegenwart.“ Henri Maldineys Beschreibung des Rhythmus als raum-zeitliche Kategorie mit einer besonderen Betonung des Jetztseins, d.h. eines unwiderruflichen Präsens, in dem Dauer und Moment identisch sind, ist ein fruchtbares Merkmal für die Rezeption der Arbeiten Sonnecks.
A rhythmicizing of the space using tracks of colour and whirling plastic fields that sometimes connect the floor and the walls is characteristic of Elisabeth Sonneck‘s approach. “Rhythm weaves through space (and through time) with an existential significance, that is, with a meaningful presence.” Henri Maldiney‘s description of rhythm as a spatial-temporal category with a special emphasis on being in the present, i.e. having an irretrievable presence, whereby duration and the moment are identical, may be regarded as a productive aspect in the reception of Sonneck‘s works.
Elisabeth Sonneck vice versa Schwarz ohne Schwarz Ă–l auf Papier 2017 110 x 460 cm Raumaufnahme 91
SHAWN STIPLING GB
Shawn Stipling Übersetzung Stephanie Rupp
* in Chester, GB, lebt und arbeitet in Essex, GB
* in Chester, GB, lives and works in Essex, GB
Obwohl meine Bilder handgearbeitet sind, wirken sie fast wie industriell produziert. Die Bildfläche wird in vielen dünnen Acrylschichten auf eine glatte GessoGrundierung aufgetragen, wodurch am Ende der Malprozess wenig sichtbar ist. Gleichzeitig möchte ich jedoch nicht die Perfektion einer industriell gefertigten Oberfläche schaffen, sondern eher eine Balance finden, die gezielt zwischen diesen beiden Ansätzen angesiedelt ist. Also bewusst an das Vertraute des von Menschen Hergestellten erinnern, ohne dabei zu direkt zu werden.
Though hand-made, my paintings have an almost industrial feel. The surfaces are built up of many thin layers of acrylic over a smooth gesso finish and as a result leave few signs of the painting process. At the same time, I do not attempt to create the perfection of a manufactured surface, rather to find a balance which sits deliberately between the two. Consciously evoking a familiarity of the man-made without being specific.
Die Bilder selbst sind karg und wenn sie auch weder der Mathematik noch anderen Systemen unterworfen sind, so sind sie doch auch keine vollkommenen Zufallsprodukte. Jedes stellt eine einzelne Aktion in den Mittelpunkt: sei es eine Überlagerung, eine Abweichung oder eine Doppeldeutigkeit von zwei- und dreidimensionalem Raum. Diese Fokussierung und die Undurchdringlichkeit der Oberfläche erfordern eine eingehendere Betrachtung des Werks. Der Betrachter wird in eben jenen intimen Raum einbezogen, in dem ich mich während des Malprozesses bewegt habe, wodurch eine spannende Dynamik zwischen dem Bild, dem Betrachter und mir selbst entsteht.
92
The images themselves are sparse and whilst they avoid the constraints of mathematics or other systems, they are neither completely random. Each focuses on a single action: perhaps an overlap, misalignment or an ambiguity between two and three dimensional space. The focus on detail, along with the opaque quality of the surface, requires that the work be viewed more closely. The viewer is drawn into the same intimate space that I occupied during the painting process, creating an interesting dynamic between the work, the viewer and myself.
Shawn Stipling 188 Acryl und Kreide auf Sperrholz 2016 38 x 28,5 cm 93
ESTHER STOCKER IT
Esther Stocker Translation Lucinda Rennison
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*1974 in Silandro (Schlanders), IT, lebt und arbeitet in Wien, AT
*1974 in Silandro (Schlanders), IT, lives and works in Vienna, AT
Das Raster ist mein Werkzeug. Auch die Ordnungen sind mein Werkzeug – vor allem um das Ungeordnete darzustellen.
The raster is my tool. Orders are also my tool – above all, so that I can represent the disordered.
Es gibt Wahrheit in der Geometrie und der Vermessung des Raumes. Aber es gibt auch Wahrheit in dem Ausbrechen dieser Formen, den Leerstellen, den Linien die abweichen. Da passiert Freiheit. Generell denke ich, dass wir Dinge finden wollen, die wir nicht ursprünglich gesucht haben.
There is truth in geometry and the measurement of space. But there is also truth in breaking open such forms, in the empty spaces, in deviating lines. This is where freedom comes about. Generally, I think we want to find things that we were not searching for originally.
Esther Stocker o. T. Acryl auf Baumwolle 2015 100 x 100 cm 95
GÜNTER UMBERG DE
Günter Umberg Translation Lucinda Rennison
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*1942 in Bonn, lebt und arbeitet in Köln
*1942 in Bonn, lives and works in Cologne
Was ist ein Bild? Vielleicht kommt man dem näher, wenn man nicht nur dem Bild, sondern dem Raum zwischen Betrachter und Bild Beachtung schenkt. Ich nenne diesen Bereich nicht „Abstand“ sondern „Leerstelle“, „Zone“. Diese gilt es anzufüllen, aufzuladen. Mein Bild ist ja bezogen auf unsere leibliche Präsenz. Es ist nicht nur ein Ding an sich. Je mehr ein Bild abgeschlossen ist, ein hermetisches Etwas, in seiner Überschaubarkeit ein Zusammengefügtes, stellt es sich außerhalb unseres Mitseins. Es ist ein Konstrukt, ein Gedankengebilde, ein in Hirarchien Gedachtes. Ich nenne dies ein Sichwichtigmachen der Bilder. Wir können uns ein Bild aber nicht zu eigen machen. Es ist vielmehr ein Sichöffnen, ein Ausfließen, ein Einströmen, ein Sichausdehnen. Es ist die grenzenlose Bewegung der Annäherung, die Sehnsucht nach dem Greifbaren, das Berührenwollen.
What is a picture? Perhaps one comes closer to the idea when attention is devoted not only to the picture but also to the space between the spectator and the picture. I call this a “blank space” or “zone” rather than a “distance”. It needs to be filled, to be charged. My picture is related to our physical presence. It isn’t a thing in itself. The more a picture is hermetically sealed, an assessable and assembled thing, it positions itself outside of our co-presence. It is a construct, a thought structure, something conceived of in hierarchies. I call this the self-assertion of the picture. But we cannot appropriate a picture. It is instead an opening up, a flowing out, a streaming in, an expanding. It is the infinite movement of approach, the yearning for tangibility, the wish to touch it.
Günter Umberg o. T. Dammar und Pigment auf Holz 2003 73 x 70 cm Raumaufnahme 97
JAN VAN DER PLOEG NL
Jan van der Ploeg Übersetzung Stephanie Rupp
Renate Wiehager Translation Lucinda Rennison
*1959 in Amsterdam, NL, lebt und arbeitet in Amsterdam, NL
*1959 in Amsterdam, NL, lives and works in Amsterdam, NL
Ich arbeite immer mit viel Sinn für die Architektur, in die das Wandgemälde eingefügt wird. Ich suche nach verschiedenen Kontrastwirkungen, manchmal hinsichtlich der Form, manchmal hinsichtlich der Farbe oder des Rhythmus … wie wähle ich die Farben aus? Ich denke, dass ich sehr intuitiv vorgehe, ich bevorzuge bestimmte Kombinationen, die häufiger auftauchen, aber ich arbeite nicht nach strengen Regeln, wie etwa Sol LeWitt, der nur mit Primärfarben etc. gearbeitet hat. Man könnte mich wohl am ehesten als Impressionisten bezeichnen.
I’m always working on a good sense for the architecture in which the wall painting will be situated. I strive for different form of contrasts, sometimes regarding form, sometimes regarding color or rhythm … how do I choose colors? I think, it’s very intuitive, there are favored combinations, that appear more often, but I don’t work with strict rules, like e.g. Sol LeWitt, who worked with just primary colors etc. I’m more like an impressionist, I think.
[…] Jan van der Ploeg hat [...] internationale Anerkennung gewonnen mit abstrakten Raumbildern in der Tradition der klassischen Moderne, die sich temporär mit städtischen, öffentlichen oder privaten Räumen verbinden. Mit lächelndem Understatement vermutet der Künstler [...], dass er vielleicht eher ›Impressionist‹ sei – eher als: Formalist, Minimalist, konzeptueller Muralist etc., wie man bezogen auf die Formensprache seiner Wandmalereien sagen würde. Was Jan van der Ploeg damit metaphorisch zum Ausdruck bringt, ist, dass er Entscheidungen hinsichtlich der Wahl von Farbe/Schwarzweiß, Form, Rhythmus etc. seiner Wandmalereien ganz wesentlich ausrichtet an den Gegebenheiten des Ortes […]. Die detaillierte Analyse kunsthistorischer Traditionen und zwei Jahrzehnte künstlerischer Praxis [...], [sind] die unabdingbare Basis [...] für eine solche ›impressive‹ Arbeitsweise.1
[…] Jan van der Ploeg earned [...] international recognition with abstract spatial images in the tradition of classical modernism; these connect temporarily with urban, public or private spaces. Smiling and with understatement, the artist supposes [...] that he is perhaps more of an ›Impressionist‹ than a formalist, minimalist, conceptual mural painter etc., as one could say in relation to the formal language of his mural paintings. What Jan van der Ploeg is expressing metaphorically here is that essentially, he orients his decisions about the choice of colour/black and white, form, rhythm etc. of his murals on the circumstances of the location […]. Detailed analysis of art historical traditions and two decades of artistic practice [...], [are] the essential basis [...] for such an ›impressive‹ working method.1
1 Auszüge aus: Renate Wiehager, “Impressionist? Expressionist? Zu einigen strategischen Kontroversen im Werk von Jan van der Ploeg”, in: Jan van der Ploeg. Selected Works 2009–2016, Kat. Kunsthaus Baselland, Muttenz, 2016
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1 Extracts from: Renate Wiehager, “Impressionist? Expressionist? Zu einigen strategischen Kontroversen im Werk von Jan van der Ploeg”, in: Jan van der Ploeg. Selected Works 2009–2016, cat. Kunsthaus Baselland, Muttenz, 2016
Jan van der Ploeg Wallpainting Soest 2017 Acryl auf Holz 2017 3,22 x 4,32 cm In situ 99
VICTOR VASARELY HU/FR
Michèle Vasarely Übersetzung Lucinda Rennison
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*1906, Pécs, HU – †1997, Paris, FR
*1906, Pécs, HU – †1997, Paris, FR
Vasarely wird weithin als Vater der Op-Art betrachtet. Er ist einer der wichtigsten Künstler des 20sten Jahrhunderts. Seine Bilder befinden sich in Sammlungsbeständen vieler wichtiger Museen auf der ganzen Welt. In den 1960er und 1970er Jahren wurden seine durch optische Effekte bestimmten Bilder Teil der Populärkultur und hatten entscheidenden Einfluss auf Architektur, Informatik und Mode sowie die Art und Weise, auf die wir die Dinge wahrnehmen. Obwohl er sehr berühmt wurde, bestand er darauf, dass seine Kunst für jeden zugänglich sein solle. Sein Motto hieß „Kunst für alle“. Der Durchbruch, der ihm mit seinen „kinetischen“ optischen Experimenten gelang, verwandelte die ebene Fläche in eine Welt unendlicher Möglichkeiten und prägte so eine Epoche der Kunstgeschichte. Zudem nahm er eine Zukunft vorweg, die global durch Programmierung und das Internet bestimmt wird.
Vasarely is widely regarded as the father of Op-Art. He is a major master of 20th century art. His paintings are in the permanent collections of many important museums around the world. During the 1960’s and 70’s his optical images became part of the popular culture, having a deep impact on architecture, computer science, fashion, and the way we now look at things in general. Even though he achieved great fame he insisted on making his art accessible to everyone. His motto was “Art for all”. The breakthrough brought by his “kinetic” visual experiments transformed the flat surface into a world of unending possibilities, book marking an era in the history of art and foreshadowing a new global reality shaped by programming and the Internet.
Victor Vasarely Umbriel 1959 Tempera auf Karton 46,5 x 32 cm 101
DOLF VERLINDEN NL
Dolf Verlinden Übersetzung Stephanie Rupp
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*1960 in Schiedam, NL, lebt und arbeitet in Groningen, NL
*1960 in Schiedam, NL, lives and works in Groningen, NL
Raum, Rhythmus und Reduktion sind die Merkmale, die Dolf Verlindens (1960) Werk auszeichnen. Er lebt im Norden Hollands, in Groningen, und seine Wanderungen durch das umliegende ‘Hogeland’ sind nicht nur Inspirationsquelle: die ausgedehnte, flache Landschaft mit ihrem weiten Horizont, die sich unablässig überkreuzenden und schneidenden Linien sind die Elemente, die seinem Werk natürliche Anknüpfungspunkte bieten.
Space, rhythm and reduction are the characteristic features in the work of Dolf Verlinden (1960). Based in Groningen, in the northern part of Holland, his walks through the adjacent ‘Hoge Land’ are not merely a source of inspiration: the vast, flat landscape, with its broad horizon as a point of reference, the relentlessly cleaving and intersecting lines – those are the elements his work seems to be naturally based on.
Verlindens abstrakte, geometrische Bilder schaffen einen ganz eigenen Raum und eine Ordnung, die sich der Begrenzung durch einen Rahmen entzieht. So treten Kunstwerk und Umgebung in Verbindung. Indem er ausdrücklich, ja sogar buchstäblich den Raum einbezieht – zum Beispiel durch das Hinzufügen von Klebeband und farbigen Holzstreifen – knüpft er mit seinem Werk an aktuelle Tendenzen der Konkreten und Gegenstandslosen Kunst an.
Verlinden‘s abstract, geometry-related images evoke a space and order of their own which refuses to be confined within a framework. Thus an art work and its surroundings become interconnected. By emphatically, and even literally, involving the physical space – for instance by adding tape and coloured wooden strips – his work connects with current tendencies in Concrete and Non-Objective Art.
Dolf Verlinden Black Mondrian Ă–l auf Leinwand 2017 65 x 50 cm 103
DON VOISINE US
Don Voisine Übersetzung Stephanie Rupp
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*1952 in Fort Kent, ME (US), lebt und arbeitet in Brooklyn, NY (US)
*1952 in Fort Kent, ME (US), lives and works in Brooklyn, NY (US)
Die Architektur – eine Sprache des Raums – legt Grenzen fest, bietet Zugangspunkte, Eingang oder Ausgang, und ermöglicht es dem Nutzer, innerhalb der Struktur eines definierten Raumes zu interagieren. Dieses einfache Grundprinzip der Architektur bestimmt auch meine Malerei. Indem ich mit Symmetrie arbeite und ein Standardformat benutze, um Abweichungen zu vermeiden, setze ich auf allen Ebenen Grenzen. Farbe belebt eine offensichtliche Leerstelle; eine reflektierende Oberfläche öffnet ein Fenster zu dem Bild, das den Blick spiegelt und verwirrt. Solche Mittel schränken ein und enthüllen dabei innere Räume, wodurch eine zwischen Betrachter und Bild fließende Subjektivität entsteht. In meinen frühen Arbeiten ging es um Grenzen, Einschränkungen und kontrollierten Zugang. Durch die Einführung komplexerer Winkel wird der Raum aufgeladen, dabei versetzen angedeutete Geschwindigkeit, Krümmung und Schubkraft ihn in Schwingung. Diese Interaktionen scheinen über die Bildränder hinauszugehen und verschieben die Wahrnehmung von Maßstab und Perspektive. Kompositionselemente: Raum, Licht, Farbe und Form schaffen im Zusammenspiel mit der Wahrnehmung durch den Betrachter ein persönliches und besonderes Erlebnis.
Architecture – a language of space – delineates boundaries, exposes points of access, exit or entry, and enables the user to interact with the structure of a defined space. This simple vernacular of architecture informs my paintings. Working with symmetry and a standardized format to reduce variables, I establish borders on all planes. Color activates an apparent void; a reflective surface opens a window into the painting, both mirroring and obscuring the view. Such devices restrict and ultimately reveal the interior spaces, establishing a fluid subjectivity between the viewer and the work. My earlier paintings were about limits, restrictions, and controlled access. With the introduction of more complex angles, the space becomes charged, resonating with implied speed, curve and thrust. These interactions seem to extend beyond the edges of the picture plane, shifting perceptions of scale and perspective. Compositional elements: space, light, color, and form, combined with the perception of the viewer to create an individual and particular experience.
Don Voisine Noir (Confidential) Öl auf Holz 2015 81,3 x 81,3 cm 105
JOAN WITEK US
Niklas von Bartha, Rosie Snaith Übersetzung Lucinda Rennison
106
*1943 in New York City, NY (US), lebt und arbeitet in New York City, NY (US)
*1943 in New York City, NY (US), lives and works in New York City, NY (US)
“Unter Schwarz versteht man gemeinhin die Abwesenheit von Farbe: es ist streng und hart, aber das sind nur zwei seiner vielen Facetten. Einer der Gründe, die mich an der Farbe Schwarz faszinieren, ist ihre Widersprüchlichkeit. Sie ist komplex und primitiv, emotional und intellektuell, sie ist eine Farbe, auf die jeder auf die ein oder andere Art stark reagiert.“ – Joan Witek
„Black is usually considered the absence of colour: it is severe and rigorous but this is only two facets of its many qualities. One of the reasons I am attracted to black is indeed its dichotomies. It is sophisticated and primitive, emotional and intellectual, it is a colour that everyone responds strongly to, in one way or another.” – Joan Witek
In Joan Witeks Arbeit ging es schon immer um die Farbe Schwarz: Ob sie die Arbeiten nun aus Ölfarbe, Wasserfarbe oder Bleistift schafft, konzentriert sie sich stets auf eine bestimmte Materialität und formale Inhalte, denen sie durch Bildtitel aus verschiedenen Quellen eine sprachliche Ebene hinzufügt. Die Einheit des Witekschen Werkes definiert sich nicht durch einen uniformen Stil, sondern durch Wege der Bildschöpfung, die die Arbeiten sehr unterschiedlich erscheinen und sie dennoch sofort als die ihren erkennen lassen. Obwohl man die Farbe Schwarz mit negativen Vorstellungen und Ausdrucksformen assoziieren kann, deckt sie doch ein weites Spektrum ab. Sowohl Witeks große Gemälde als auch ihre kleinen Zeichnungen vermitteln emotionale Nähe. Die Farbe ist stark und zart, rational und emotional. Ihre Gemälde sind von radikaler Verdichtung geprägt, Witeks schier unbegrenzte Suggestivkraft entsteht durch die absichtsvolle Limitierung der Mittel. So vermittelt eine mit schwarzer Wasserfarbe auf feinem, knittrigem Reispapier ausgeführte Arbeit dem Betrachter ebenso Bedeutung und Intensität wie ein schwarzes Gemälde aus repetitiven Pinselstrichen.
Joan Witek’s work has always been involved with the colour black: whether in oil paint, water colour or pencil, Witek’s works concentrate on specific materiality and formalist content, which she twists by adding a linguistic domain using titles from various sources. The unity of Witek’s body of work is defined not through a signature style but through ways of picture making that permit the works to look very different, and yet all are immediately recognizable. Although black can be associated with negative ideas and expressions, it occupies a wide range. Witek’s large paintings, as well as her small drawings imply a sense of emotional intimacy. The colour is strong and delicate, rational and emotional. Her paintings are defined by radical condensation and Witek’s potentially infinite suggestiveness is accomplished using deliberately limited means. For example, the expression of a black watercolor on delicate, wrinkled rice paper or a black painting made of repeated brush strokes; all create a meaning and intensity for the viewer.
Joan Witek Encaustic Pigmente und Wachs auf Papier 1997 33 x 33 cm 107
Die Autoren
The Authors
Wir danken den Künstler*innen selbst und den Autoren für die Texte.
Thank you to the artists themselves and the authors for the texts.
Dr. Jan Dirk Baetens, Nijmegen (NL) Niklas von Bartha, London (GB) Dr. Stephan Berg, Bonn Dr. Holger Birkholz, Dresden Claudia Funke, Berlin Jack Hanley, New York, NY (US) Dr. Petra Oelschlägel, Bergisch Gladbach Dr. Nanna Preußners, Hamburg Stefan Rasche, Berlin Ivo Ringe, Köln Carl-Jürgen Schroth, Soest Rosie Snaith, London (GB) Dr. Ursula Ströbele, Berlin Michèle Vasarely, FR Dr. Renate Wiehager, Berlin
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Die Leihgeber
The Lenders
Wir danken den Künstler*innen selbst und den Galerien für die großzügige Überlassung von Leihgaben.
Thank you to the artists themselves and galleries for the generous lending.
Galerie Gisela Clement, Bonn
S. 67
Galerie dr. julius | ap, Berlin
S. 95
Galerie Floss und Schultz, Köln
S. 37 | 43 | 73 | 85 | 87
Galerie Nanna Preußners, Hamburg
S. 33
Fotonachweise
Photo credits
Serge Hasenböhler, Basel (CH)
S. 51
Gerhard Kassner, Berlin
S. 97
Sebastian Kempa, Hamm
S. 101
Gero Sliwa, Soest
S. 6
Carl-Jürgen Schroth, Soest
S. 81
Miriam Schroth, Soest
S. 45 | 61 | 69 | 73 | 85 | 91
Ulli Sowa, Soest
S. 25 | 27 | 29 | 31 | 35 | 39 | 41 | 47 | 49 | 55 | 57 | 59 | 65 | 67 | 71 | 75 | 77 | 79 | 83 | 87 | 89 | 95 | 105
Der/die Künstler*in selbst oder aus dem Nachlassarchiv
S. 33 | 37 | 43 | 53 | 63 | 93 | 99 | 103
Die Galerien für ihre Künstler*innen Bartha Contemporary, London
S. 107
109
Impressum
Imprint
Herausgeber
Filzenstraße 6 59494 Soest, Germany www.skk-soest.de Konzept und Redaktion
Ivo Ringe Juliane Rogge Miriam Schroth
Übersetzung
Dr. Franziska Dokter, Soest Dr. Lucinda Rennison, Berlin Stephanie Rupp, Berlin
Lektorat
Layoutvorlage Satz Bildbearbeitung Auflage ISBN Gesamtherstellung © 2018
Marion Oremek Juliane Rogge Heather Sheehan Thomas Drebusch von drebusch: design GmbH, Soest Miriam Schroth Thomas Groß, Druckerei Kettler, Bönen 250 Stück 978-3-9819110-1-5 Druckerei Kettler, Robert-Bosch-Straße 14, 59199 Bönen, www.druckerei-kettler.de VG BILD-KUNST Bonn für die Werke von Alain Biltereyst | Britta Bogers | Joaquim Chancho | Rupert Eder | Mark Francis | Frank Gerritz | Jon Groom | Michael Jäger | Raymund Kaiser | Sybille Pattscheck | Ivo Ringe | Barbara Rosengarth | Victor Vasarely. Weiteres liegt bei den Künstler*innen, Autor*innen und Fotograf*innen, die, soweit bekannt, genannt sind. Trotz sorgfältiger Recherche und Bearbeitung behalten wir uns Irrtümer, Satz- oder Druckfehler vor.
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ISBN 978-3-9819110-1-5