Von Spritzenmeistern, Gehülfen und Pümpern zu 100 Jahren Berufsfeuerwehr
Die Geschichte des Brandschutzes in Mülheim an der Ruhr
100 Jahre Berufsfeuerwehr · 172 Jahre organisiertes Löschwesen
Burkhard KleinVon Spritzenmeistern, Gehülfen und Pümpern zu
100 Jahren Berufsfeuerwehr
Die Geschichte des Brandschutzes in Mülheim an der Ruhr
100 Jahre Berufsfeuerwehr
172 Jahre organisiertes Löschwesen
Von Burkhard Klein
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Impressum:
© Copyright Verlagsgesellschaft
Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht 2024
Lektorat: Harald Karutz und Robert Beyer
Satz: Bürger Verlag GmbH & Co. KG, Edewecht
Umschlagbilder: Vorderseite: Harald Karutz, Mülheim an der Ruhr (oben rechts); Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr (oben links und Mitte); Marc Stier, Mülheim an der Ruhr (unten); Rückseite: Feuerwehr Mülheim an der Ruhr (rechts und links); Harald Karutz, Mülheim an der Ruhr (Mitte)
Druck: ADverts Printing House, LV-1021 Riga, Lettland
ISBN 978-3-96461-066-9
Inhalt
Geleitwort
Liebe Leserinnen, liebe Leser, das einhundertjährige Jubiläum der Berufsfeuerwehr war für meinen Vorgänger, Burkhard Klein, Anlass sich genauer mit der Geschichte des Brandschutzes in Mülheim an der Ruhr im Allgemeinen und mit der Geschichte der Feuerwehr im Speziellen zu beschäftigen.
Viele Monate Arbeit sowie hunderte Stunden Sichtung und Auswertung von Dokumenten im Stadtarchiv Mülheim, aber auch in verschiedenen anderen Archiven, sind in das vorliegende Buch eingeflossen. Vieles war bekannt, aber mindestens ebenso viel Neues konnte dabei herausgefunden werden: Es ist eine wechselvolle Geschichte – mit strahlenden Momenten aber auch mit einigen dunklen Flecken.
Zum düstersten Kapitel der Mülheimer Feuerwehr gehört mit Sicherheit die Zeit im Dritten Reich – hier wurde auch die Feuerwehr zum Täter; deutlichstes Zeichen war die Brandstiftung an der Synagoge durch den damaligen Leiter der Feuerwehr. Dies war eine Zeit mit Taten, die uns noch heute fassungslos zurückblicken lässt.
Mülheim war lange Zeit die einzige Stadt in Deutschland ohne Freiwil-
lige Feuerwehr. Insgesamt hat es auf dem heutigen Mülheimer Stadtgebiet zehn einzelne Löschzüge der Freiwilligen Feuerwehr gegeben, die bis 1950 jedoch alle zunächst aufgelöst worden sind. Erst im September 2001 konnte die Freiwillige Feuerwehr in Mülheim neu gegründet werden.
Die Geschichte des organisierten Brandschutzes in Mülheim begann bereits im Jahr 1852 mit der Verabschiedung des Feuer-Polizei-Reglements und damit auch die Geschichte der Feuerwehr Mülheim. Die Berufsfeuerwehr –1924 gegründet – gehört jedoch eher zu den jüngeren der Region.
Das Buch zeigt die wechselvolle Geschichte einer besonderen Institution in einer besonderen Stadt. Es gibt tiefe Einblicke in die Entwicklung des Mülheimer Brandschutzes, aber auch des Katastrophenschutzes und des Rettungsdienstes.
2024 blicken wir auf 100 Jahre Berufsfeuerwehr, 23 Jahre (neue) Freiwillige Feuerwehr und insgesamt 172 Jahre Geschichte des organisierten Brandschutzes in Mülheim an der Ruhr zurück.
Sie, liebe Leserinnen und Leser, werden beim Lesen des Buches entdecken, welche rasante Entwicklung die
Mülheimer Feuerwehr insbesondere in den letzten 30 Jahren gemacht hat. Heute gehört sie zu den modernsten und schlagkräftigsten Feuerwehren im Land.
Ich bin stolz auf die heutige Feuerwehr Mülheim, auf alle Feuerwehrfrauen und -männer in der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr. Und ich bin meinem Vorgänger Burkhard Klein zu tiefem Dank verpflichtet. Er hat mir nicht nur ein wohlbestelltes Haus überlassen; mein besonderer Dank gilt ihm nun auch für die sorgfältige und akribische Aufarbeitung unserer Geschichte.
Dank gilt darüber hinaus all jenen, die ihn bei der Arbeit unterstützt und mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und Entdecken.
Sven Werner Leiter der Feuerwehr MülheimEinleitung
Am 1. April 2024 jährt sich die Gründung der Mülheimer Berufsfeuerwehr zum 100. Mal. Sie gehört damit in der Gruppe der alten, bis zum Ende des 2. Weltkrieges gegründeten Berufsfeuerwehren trotz ihrer 100 Jahre noch zu den jüngeren. Aus bescheidenen Anfängen mit einem Leiter und 17 Feuerwehrmännern, einer Motorspritze und einem Krankenwagen hat sie sich seit ihrem Gründungstag zu einer professionellen, schlagkräftigen Wehr entwickelt, der heute 278 Männer und vier Frauen angehören. In all den Jahren war sie ein Garant für die Sicherheit in Mülheim an der Ruhr – sowohl im Brandschutz wie in der technischen Hilfe, insbesondere aber auch im Rettungsdienst.
In dieser Chronik soll jedoch nicht allein die wechselvolle Geschichte der Berufsfeuerwehr, sondern auch die Entwicklung des organisierten Brandschutzes in Mülheim insgesamt nachgezeichnet werden. Dieser begann bereits im Jahr 1852 mit der Verabschiedung des Feuer-Polizei-Reglements. In der Folge entstanden hieraus eine Turnerfeuerwehr, eine Freiwillige Bürgerfeuerwehr und letztendlich die Freiwillige Feuerwehr – sowohl in der Stadt Mülheim als auch in vielen einzelnen, damals zum Teil noch selbstständigen Ortsteilen. Die für die Sicherstellung des Brandschutzes in Mülheim notwendige Entwicklung der Freiwilligen Feuerwehren soll – von deren Gründung und Auflösung bis zur späteren Neugründung –hier ebenso beschrieben werden.
Auch der Brandschutz in den großen Werken, insbesondere der Stahl erzeu-
genden und verarbeitenden Industrie, soll angemessen zum Thema gemacht werden: Sowohl bei der Firma Thyssen als auch in der Friedrich-Wilhelm-Hütte hatte man frühzeitig erkannt, dass der Schutz der Fabrikanlagen einen eigenen Brandschutz erfordert und somit auch eine haupt- bzw. nebenberufliche Werkfeuerwehr notwendig war. Die Entwicklung der Werkfeuerwehren in Mülheim wird daher, soweit Quellen vorhanden oder zugänglich waren, in den folgenden Ausführungen ebenfalls dargestellt.
Neben dem Archiv der Mülheimer Feuerwehr fanden für die Recherche insbesondere das Mülheimer Stadtarchiv, aber auch das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (Abteilung Rheinland), das Stadtarchiv Essen, das Konzernarchiv der Salzgitter AG Mülheim an der Ruhr, das thyssenkrupp Konzernarchiv Duisburg, das Archiv der Siemens Energy Global GmbH & Co. KG in Mülheim an der Ruhr sowie zahlreiche private Quellen Berücksichtigung.
Die Feuerwehr war bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine reine Männerdomäne. Von Ausnahmen insbesondere während der Weltkriege abgesehen sind Frauen bundesweit erst seit Mitte der 1960er Jahre in der Freiwilligen Feuerwehr und seit 1985 in der Berufsfeuerwehr aktiv. Dies gilt auch für Mülheim: Hier wurde erst 1990 die erste Feuerwehrfrau eingestellt. Zur Wahrung des Leseflusses wird im Text dennoch überwiegend die männliche Form benutzt, und es ist meist von Feuerwehrmännern die Rede. Allerdings sind auch dort, wo es nicht erkenn-
bar ausschließlich um Männer geht, selbstverständlich immer auch Frauen gemeint.
Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich, dass dieses Buch auf sorgfältigen und sehr umfangreichen Recherchen basiert, die Darstellung kann aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. In jedem Kapitel könnte man sicherlich noch weitere Aspekte ergänzen, und zweifellos wären auch andere Schwerpunktsetzungen möglich gewesen.
Insbesondere die aufgeführten Einsätze sind als exemplarische Schilderungen zu verstehen. Sie sollen zeigen, wie die Arbeit der Feuerwehr in unterschiedlichen Zeiten ausgesehen hat. Selbstverständlich können Einsatztagebücher hier aber nicht vollständig wiedergegeben werden. Insofern musste eine Auswahl vorgenommen worden, die zwangsläufig auch etwas subjektiv ausgefallen ist.
Weitere Einsätze, speziell des Mülheimer Rettungsdienstes, werden in einem Buch von Harald Karutz beschrieben, das bereits vor einigen Jahren erschienen ist und die Entwicklung der medizinischen Notfallversorgung von 1850 bis 2010 ausführlich beschreibt.
Die nachfolgenden Ausführungen sind weitgehend chronologisch, teilweise aber auch didaktischen Erwägungen folgend angeordnet, um einzelne Entwicklungen in ihrem inhaltlichen Zusammenhang verständlich zu machen. Dafür, dass an einigen Stellen kleinere Redundanzen und auch zeitliche Sprünge entstanden sind, wird höflich um Verständnis gebeten.
Gründung der Städtischen Freiwilligen Feuerwehr
Der neue Bürgermeister als treibende Kraft
Ab 1879 wurde erneut über eine Reorganisation der Feuerwehren in Mülheim nachgedacht. Hierzu sollten die Turnerfeuerwehr und die Freiwillige Bürgerfeuerwehr zu einer Freiwilligen Feuerwehr zusammengelegt werden. Treibende Kraft hierfür dürfte wohl der neue Bürgermeister Karl von Bock und Polach gewesen sein. Der Bürgermeister war bereits bei seinen bisherigen beruflichen Stationen als großer Anhänger der Freiwilligen Feuerwehren bekannt geworden: Auf seine Initiative hin wurde 1875 sowohl in Langerfeld als auch 1877 in Herne eine Freiwillige Feuerwehr gegründet. In Herne war er zugleich als Hauptmann erster Leiter der Feuerwehr.62
Bis zur Auflösung und Zusammenlegung der beiden Wehren zur Städtischen Freiwilligen Feuerwehr sollte es aber noch acht Jahre dauern.
Im Jahr 1880 einigte man sich zunächst nur darauf, zur Alarmierung ein einheitliches Signal einzuführen.63
Die Mitgliederzahlen sanken weiterhin auf nur noch 119 im Jahr 1884. Leider lassen sich in den Unterlagen keine Gründe für den Mitgliederschwund finden. In diesem Jahr kam es auch zu einem tragischen Unfall, bei dem ein Feuerwehrmann bei einer Übung tödlich verunglückte. Dies wurde zum Anlass genommen, eine Feuerwehrunfallkasse zur Versorgung der Hinterbliebenen zu gründen. In den städtischen Haushalt wurden hierzu jährlich 1.000 Mark eingestellt und angelegt.64
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Im Jahr 1887 hatten die Bemühungen zur Zusammenführung der beiden Wehren dann letztlich doch Erfolg. Die Finanzkommission stellte in ihrer Sitzung im Juli des Jahres fest, dass das Bestehen zweier Wehren viele Unzuträglichkeiten hervorbringe und nur eine städtische Freiwillige Feuerwehr vorteilhafter sei. Für diese sollten die
Geräte der Turnerfeuerwehr, soweit sie nicht ohnehin schon Eigentum der Stadt gewesen sind, geschätzt und dann angekauft werden.65 Nach Verhandlungen mit den Vorständen der beiden Wehren wurden diese aufgelöst und am 11. August 1887 die Städtische Freiwillige Feuerwehr gegründet. Sie startete mit 26 Mitgliedern und wuchs bis zum Ende des Jahres auf 40 Mitglieder an. Diese Zahlen machen allerdings deutlich, dass nur ein kleiner Teil der 127 Mitglieder, die zum Ende des Jahres 1886 noch der Turnerfeuerwehr und der Bürgerfeuerwehr angehörten, in die neue Wehr gewechselt ist. Leider lassen sich auch hierzu keine Gründe finden. Zum Chef der Freiwilligen Feuerwehr wurde der Bürgermeister von Bock und Polach, zu seinem Stellvertreter der bisherige Chef der Bürgerfeuerwehr Heinrich van Eicken gewählt.66
Mit Unterstützung des Hauptmanns und Bürgermeisters von Bock und Polach wurde sehr schnell mit der Neuorganisation der jungen Wehr begonnen. Zum Aufhängen der Schläuche wurde an der hinteren Seite des Rathauses eine entsprechende Vorrichtung angebracht. Die Überprüfung der Feuerlöschgeräte sollte von nun an wöchentlich erfolgen.
Zur Unterbringung und Lagerung von Gerät wurde im Rathaus ein Bodenzimmer bereitgestellt. Der Viaduktbogen 11 der Rheinischen Eisenbahn Gesellschaft mit einer Größe von ca. 80 m² wurde auch weiter für die Feuerwehr angemietet. An der Bahnstraße, in der Nähe des Marktplatzes gelegen, befand sich gleichzeitig ein Sammelplatz.
Nach Abbruch des alten Spritzenhauses auf der Eppinghofer Straße 139 im Jahr 1889 wurde ein neues Haus auf der Bruchstraße, dem heutigen Eppinghofer Bruch in Höhe der Hausnummer 60 errichtet. Den Unterlagen des Katasteramtes lässt sich aber entnehmen, dass es bereits 1908 wieder abgebrochen worden war. Weiterhin wurden auch beim Schacht Carnall in einem Gebäude der Zeche Sellerbeck Geräte der Freiwilligen Feuerwehr untergebracht. Hier stand unter anderem eine Saug- und Druckspritze, die der Zeche
unter der Bedingung überlassen worden war, dass sie für die Instandhaltung sorge.67
Übung macht den Meister
Ihr Können stellte die neue Wehr bei einer ersten großen Übung im Dezember 1887 unter Beweis. Zur Erprobung der Geschwindigkeit ließ der Hauptmann von Bock und Polach Alarm blasen. Sämtliche Mannschaften waren in kürzester Zeit am Gerätehaus und auf dem Weg zur angeblichen Brandstelle. Bei der Übung zeigte die Wehr, dass sie schnell und sicher die Geräte handhaben konnte.
Die Zeitung schrieb hierzu, dass die neue Uniformierung „recht geschmackvoll“ sei und dass man in Anbetracht der vorzüglichen Leitung hoffen könne, bald eine Wehr zu besitzen, auf welche man mit Recht stolz sein könne.68
Ähnlich positiv wurde von einer Schauübung im Oktober 1888 berichtet. Bereits drei Minuten nachdem der Hauptmann den Einsatzbefehl gegeben hatte, waren die Steiger auf dem Dach und löschten mit einem mächtigen Wasserstrahl. Besonderes Interesse erweckten die Rettungsarbeiten. Hierbei wurde im Gegensatz zu früher statt eines Rettungsschlauchs ein neu beschaffter Rettungskorb benutzt.69
Die Einsatzzahlen in den ersten Jahren waren relativ gering. Von jährlich durchschnittlich dreißig erfassten Bränden wurde die Feuerwehr tatsächlich nur zu etwa zehn Einsätzen im Jahr alar-
miert. Zu den bemerkenswerten Feuern zählte der Brand der Gerberei der Firma Coupienne auf der Kaiserstraße am 12. Februar 1889. Obwohl die Feuerwehr schnell zur Stelle war, brannte das Hauptgebäude vollkommen aus. Besonders hervorgehoben wurde die strenge Kälte, die das Arbeiten für die Einsatzkräfte sehr erschwerte und auch gefährlich machte.70
Zu einem weiteren tragischen Unglücksfall kam es im Jahr 1889: Bei einer Übung stürzte ein Feuerwehrmann aus der dritten Etage des Steigerturms und erlag wenige Tage später seinen Verletzungen.71
Ein Großbrand und verheerendes Hochwasser
Am 31. Januar 1890 wurde die Modellschreinerei der Friedrich-WilhelmsHütte durch ein Feuer total zerstört. Der Feuerwehr gelang es lediglich, die umgebenden Gebäude zu halten.72
In der Nacht vom 24. auf den 25. November 1890 wurde die Stadt von einem der größten bekannten Hochwasser heimgesucht. Nach den Meldungen über den Pegelstand aus Herdecke ging man zunächst von einem Hochwasser wie in den Jahren 1880 oder 1888 mit Pegeln bis zu 5,36 Metern aus. Tatsächlich stieg dieser aber auf über 6,69 Meter. Das Wasser stand dadurch in der oberen Delle (heute Bachstraße) bis vor die Liekfeld’sche Apotheke, im Nothweg (ab 1916 Hindenburgstraße, ab 1949 Notweg, seit 1954 FriedrichEbert-Straße) bis zur Höhe der Schol-
lenstraße, im Froschenteich (heute Friedrich-Ebert-Straße), in der Kettenbrückenstraße (heute Schloßstraße) und auf dem Rathausmarkt.
Die Feuerwehr wurde alarmiert und musste die Bewohner in höher gelegene Bereiche retten. Hierzu standen glücklicherweise bei der Brauerei Fuglsang73 genügend Kähne zur Verfügung, die im Sommer ansonsten zu Kahnfahrten am Kahlenberg genutzt wurden. Die Wehr richtete Kahnfahrten bei Fackellicht ein. Erschwert wurden die Rettungsarbeiten jedoch durch die starke Strömung der Ruhr. Genauso schnell, wie das Wasser gestiegen war, fiel es aber glücklicherweise auch wieder. Hierzu trug auch bei, dass noch während des Hochwassers starker Frost einsetzte. Dies führte dazu, dass die Ruhr bis zum Haus Kron mit einer 0,5 Meter starken Eisschicht bedeckt war. Am 24. Januar 1891 trat dann plötzliches Tauwetter ein.
Sogar der obere Stadtteil wurde dabei überschwemmt. Dies war bis dahin noch nie vorgekommen!
Durch massenhafte Zuflüsse von Schmelzwasser wurde der sonst sanfte Rumbach zu einem reißenden Bach. Die am Dickswall beginnende Überwölbung konnte die Wassermassen nicht mehr halten und wurde wie auch die anliegenden Straßen Bachstraße, Kohlenkamp und Löhberg bis hin zum Nothweg überschwemmt. Auch hier konnte der Verkehr erneut nur noch mit Kähnen aufrechterhalten werden.74
Ein neues Steigerhaus und eine neue Leiter
Im Jahr 1891 wurde auch das lange vermisste Steigerhaus auf dem Grundstück der städtischen Bleiche – heute Bleichstraße – eingeweiht. Hierbei handelte es sich um ein dreistöckiges Gebäude mit einer Grundfläche von 42 m², welches im Erdgeschoss massiv und in den oberen Stockwerken in Holzfachwerk errichtet war. Weiterhin befand sich hier auch ein Übungsplatz.75
Im Jahr 1896 erhielt die Wehr eine dringend notwendige Ergänzung in Form einer mechanischen Schiebleiter vom Typ A II mit einem Anschaffungspreis von 1.300 Mark. Die mit einem Ehrendiplom und einer goldenen Medaille ausgezeichnete Leiter von C. D. Magirus in Ulm konnte bis zu einer Höhe von 16 Metern – fünf Stockwerken entsprechend – ausgezogen werden.76 Eine ähnliche, etwas kleinere Leiter vom Typ E 0 befindet sich heute im Foyer der Hauptfeuer- und Rettungswache. Sie stammt ursprünglich aus dem Ort Breitenstein im Schwarzwald, wurde 2021 von Prof. Dr. Harald Karutz erworben und der Feuerwehr Mülheim als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.
Schaulust ist kein neues Phänomen!
Dass man auch früher schon mit Schaulustigen zu kämpfen hatte, welche die Einsatzmaßnahmen behindern, wurde bei einem Feuer am 8. April 1899 besonders deutlich: Am Abend war ein Lagerschuppen am Hingberg in Brand geraten. Bedingt durch die große Brandlast fanden die Flammen immer neue Nahrung, sodass „der Himmel bei haushohen Flammen in helle Glut getaucht war.“ Aufgrund von Wassermangel musste sich die Feuerwehr darauf beschränken, den daneben liegenden Lagerschuppen zu retten.
Allerdings hatte sich eine größere Zuschauermenge eingefunden, „welche den sie zurückdrängenden Polizei- und Feuerwehrmannschaften lebhaften Widerstand entgegensetzte. Hierbei kam es nun zu einigen recht bedauerlichen Exzessen, so dass es den Beamten unmöglich war, die Ordnung aufrecht zu erhalten“.
Ein Feuerwehrmann wurde durch einen Steinwurf erheblich verletzt. Erst als Militär gerufen wurde und mit 40 Mann anrückte, wurde der Tumult aufgelöst.77
Das Brandunglück in der Bachstraße
Eines der größten Brandunglücke der damaligen Zeit ereignete sich am 17. Juli 1899. Bei einem Feuer in einem Wohn- und Geschäftshaus in der Bachstraße kamen drei Menschen ums Leben. Gegen ein Uhr nachts brach in dem Papier- und Luxuswarengeschäft ein Feuer aus und als die Feuerwehr verhältnismäßig schnell an der Brandstelle eintraf, „glich das gesamte Anwesen schon einem Feuermeer.“ Eine Person konnte noch über eine Leiter gerettet werden, eine weitere stürzte aber beim Rettungsversuch ab und verletzte sich so schwer, dass sie kurz darauf verstarb. Zwei Bewohnerinnen konnten sich nicht mehr retten und erstickten.78
Abb. 16: Magirus Leiter Typ A II, wie sie 1896 für Mülheim beschafft wurde [6]
Das schreckliche Ereignis wurde zum Anlass genommen, über eine Verbesserung des Feuerlöschwesens zu diskutieren. So gab es beispielsweise den Vorschlag, „die mechanische Leiter mit dem notwendigen Zubehör an Schlauch usw. bei einem Hauderer [Kutscher, Anm. d. Verf.] unterzubringen, wo jederzeit Bespannung bereitsteht. […] Das Personal müsse natürlich in der Behandlung der Leiter und der Hydranten unterwiesen werden“. Da es sich bei Einsätzen mit Menschenleben in Gefahr nur um Minuten handeln darf, bis die Hilfe vor Ort ist, sollte aufgrund der räumlichen Ausdehnung der Stadt eine Aufteilung in zwei eigene Feuerlösch- sowie Polizeibezirke erfolgen.
Bei einem südlichen und einem nördlichen Bezirk würden die Kosten für die Geräte zwar steigen, dies würde aber durch ein gerettetes Menschenleben aufgewogen.79
Die ebenfalls in diesem Zusammenhang diskutierte Einrichtung einer Berufsfeuerwehr wurde aus Kostengründen zwar zunächst verschoben.80 Zur Beaufsichtigung und Verwaltung des Feuerlöschwesens wurde auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung am 17. Oktober 1899 jedoch eine besondere Kommission gebildet. Dieser gehörten neben dem mit dem Vorsitz beauftragten, besoldeten Beigeordneten der Stadtbaumeister, der Direktor der städtischen Gas- und Wasserwerke, der Polizeiinspektor, der Chef der Freiwilligen Feuerwehr sowie zwei Stadtverordnete an.81 Einem Antrag der Feuerwehr im Jahr 1902, in die Kommission ebenso viele Mitglieder der Wehr wie städtische Beamte aufzunehmen, wurde nicht entsprochen. Als Entgegenkommen einigte man sich jedoch auf die Erweiterung um ein Mitglied.82
Erste Brandmeldeanlagen und „Demolierungslümmel“
Eine deutliche Verbesserung des Brandschutzes ergab sich zum Ende des Jahres 1900. Im Rahmen einer Inspektion der Feuerversicherer wurde das Fehlen von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen bemängelt. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss daraufhin, die Installation einer elektrischen Alarmeinrichtung an die Firma Siemens und Halske zu vergeben. Die Leitung bestand aus zwei geschlossenen Kreisen, die einmal an der Polizeiwache im Rathaus und einmal im Polizeibüro an der Eppinghofer Straße angebunden waren. An die Kreise zwischen den Polizeiwachen waren dann 15 Feuermelder angeschlossen. Die Alarmierung der Feuerwehrwehrmänner erfolgte über eine Weckvorrichtung durch den diensthabenden Polizeisergeant.83 Allerdings
Abb. 17: Feuermeldestellen 1902 [7]
konnte auch die beste Anlage bei Sabotage nichts ausrichten.
Im Juli 1901 brach auf dem Dickswall ein Feuer aus. Leider konnte die Feuerwehr nicht rechtzeitig alarmiert werden, da „Demolierungslümmel“, wie die Saboteure in der Zeitung genannt wurden, sich nicht mit dem Einschlagen der Melderscheiben begnügt, sondern auch die Leitungsdrähte durchgeschnitten hatten.84
Aber nicht nur Sabotage, sondern auch unzureichende Wartungen führten im Jahr 1902 zu Problemen. Kurz hintereinander war die Alarmeinrichtung bei zwei Bränden gestört und eine Alarmierung somit nicht möglich. Eine Überprüfung durch die Firma Siemens ergab, dass mangelnde Reinigungsarbeiten zu Spannungsstörungen bei den Batterien geführt hatten.
Aufgrund der späten Alarmierung war die Feuerwehr bei einem Brand auf der Sandstraße erst eine Stunde nach Ausbruch an der Einsatzstelle. Eine Ret-
tung des Gebäudes der Sprit- und Essigfabrik Renckhoff ist dann leider nicht mehr möglich gewesen.85
Das Brandunglück in der Löhstraße
Ein weiteres schreckliches Brandunglück mit wieder drei Toten ereignete sich am 5. Mai 1902. In der Nacht hatten sich fünf Gelegenheitsarbeiter in ein Stallgebäude an der Löhstraße geschlichen, um dort zu nächtigen. Vermutlich durch fahrlässigen Umgang mit einem Streichholz entzündete sich das Stroh und drei schlafende Personen kamen in den Flammen um. Die beiden anderen konnten sich noch rechtzeitig retten, wobei einer mit starken Brandverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.86
Im Jahr 1902 verstarb nach langer Krankheit Oberbürgermeister Karl von Bock und Polach, der seit der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr 1887 auch deren Chef gewesen war. Nachfolger als
erster Chef der Feuerwehr wurde der Schornsteinfegermeister Hermann Oelschlägel, welcher der Wehr auch bereits seit 1890 angehörte.87
Im Jahr 1905 kam es zu einem Feuer auf der Mühlenstraße 171, bei dem sowohl das Wohngebäude als auch die Stallungen vollkommen abbrannten. Obwohl die Feuerwehr „recht wacker am Platze war“, wurde das Fehlen einer eigenen Feuerwehrabteilung in den nördlichen Stadtteilen moniert, „da diese natürlich schneller vor Ort wäre und so häufig auch noch einiges retten könnte“.88 Obwohl dies zweifellos sinnvoll war, blieb es weiter nur bei diesem Wunsch.
Anschüttungen im Zuge der neu projektierten Bleichstraße machten es zum Ende des Jahres 1905 kaum mehr möglich, den Steigerturm auf der alten städtischen Bleiche mit Wagen der Feuerwehr zu erreichen. Daraufhin wurde beschlossen, als Ersatz einen neuen Turm in der Nähe der Turnhalle an der Kaiserstraße zu errichten.89
Die Jahre des Wiederaufbaus
Rechtliche
Rahmenbedingungen
Nach dem Kriegsende galt zunächst weiterhin das Reichsfeuerlöschgesetz (RFLG) vom November 1938. Allerdings wurde schon im Juli 1945 die Eingliederung der Feuerwehren in die Polizei und das entsprechende Unterstellungsverhältnis durch eine Dienstvorschrift der Militärregierung aufgehoben. Dadurch ergab sich wie früher eine klare Trennung zwischen Polizei und Feuerwehr.
Gleichzeitig wurde auch die Bezeichnung „Feuerschutzpolizei“ aufgehoben und die Bezeichnung „Berufsfeuerwehr“ wieder eingeführt.
Die Organisation des Brandschutzes wurde zunächst durch verschiedene Dienstvorschriften geregelt. Die tatsächliche Aufhebung des RFLG erfolgte dann erst mit der Verabschiedung des Gesetzes über den Feuerschutz im Lande Nordrhein-Westfalen vom 2. Juni 1948. Dieser späte Zeitpunkt für die gesetzliche Neuregelung des Brandschutzes war den langwierigen Verhandlungen zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Militärregierung geschuldet.
Die Zuständigkeit der Feuerwehr beschränkte das Gesetz gemäß § 1 auf „die Abwehr von Gefahren, die durch Schadenfeuer, Unglücksfälle oder durch sonstige aus Naturereignissen sich ergebende Notstände drohen“. Weiter heißt es im Text des Gesetzes: „Zur Durchführung dieser Aufgabe ist ein einsatzbe-
reiter Feuerlösch-, Krankentransportund Rettungsdienst einzurichten [...].“
Als Träger des Feuerschutzes bestimmte das Gesetz die Gemeinden, Ämter und Kreise, welche die Aufgaben nunmehr als Selbstverwaltungsangelegenheit wahrzunehmen hatten. Als der zuständigen Aufsichtsinstanz oblagen dem Land unter anderem jedoch die Regelung der Kopfstärke der Feuerwehren sowie interessanterweise auch die Bestätigung von Ernennungen und Entlassungen der Leiter von Berufsfeuerwehren sowie der Kreisbrandmeister.423
Personal und Ausstattung
Zur Sicherstellung des Brandschutzes musste nach der Auflösung der Freiwilligen Feuerwehr die Stärke der Mülheimer Berufsfeuerwehr erhöht werden. Die Wehr wurde daher zunächst um 15 Mann von 34 auf 49 Mann verstärkt. Hinzu kam noch ein Verwaltungsangestellter. Die Militärregierung wünschte zwar eine Verstärkung einschließlich des Leiters der Feuerwehr auf 60 Mann; einer Umsetzung standen jedoch Ersparnisgründe im Weg.
Um den Anforderungen des Einsatzgeschehens dennoch gerecht werden zu können, wurde mit den benachbarten Berufsfeuerwehren der Städte Duisburg, Essen und Oberhausen nachbarschaftliche Löschhilfe vereinbart.424
Bei den Fahrzeugen und Geräten tat sich einiges. Bis zum 25-jährigen Bestehen der Berufsfeuerwehr 1949 entwickelte sich der Personal- und Fahrzeugbestand wie folgt:
Tab. 3: Stärke und Ausrüstung der Berufsfeuerwehr 1949
Personalstärke (in Klammern Soll)48 (60)
– Hauptbrandmeister (Leiter der Feuerwehr) 1 (1)
– Oberbrandmeister 1 (1)
– Brandmeister 1 (2)
– Unterbrandmeister 6 (6)
– Oberfeuerwehrmänner 14 (24)
– Feuerwehrmänner 25 (26)
Motorspritzen LF 25 2
Motorspritze LF 15 1
Motorspritzen LF 8 3
Tragkraftspritzen TS 8 6
Drehleiter 32 m 1
Drehleiter 17 m 1
Tankspritze (4,5 m³) 1
(4,5 t) 1
4 Krankentransportwagen 5
Die Fahrzeuge waren mittlerweile wieder in einem relativ guten Zustand. Mit Ausnahme der Motorspritze LF 15 aus dem Jahr 1934 und den Leitern von 1941 und 1943 waren alle anderen Fahrzeuge erst nach dem Krieg beschafft worden. Besonders stolz waren die Feuerwehrmänner auf das
Tanklöschfahrzeug. Dieses hatten sie in Eigenarbeit aus einem 4,5 m³ fassenden Tank, den sie auf einem Schrottplatz gefunden hatten, sowie aus einem ausgedienten Fahrgestell selbst gebaut.425
Sorgen bereiteten immer noch die Menge und der Zustand des verfügbaren Schlauchmaterials. Zum größten Teil war es stark überaltert und auch nicht mehr voll einsatzfähig. Zumindest
eine Teil-Ersatzbeschaffung von 500 Metern C-Schläuchen wurde im Spätsommer 1949 eingeleitet.426
Die Instandsetzung der Feuerwache war zumindest teilweise abgeschlossen. Zur Unterbringung der Fahrzeuge wurde in Eigenarbeit ein 80 m² großer offener Schuppen errichtet. Die Krankenwagengarage wurde um 100 m² vergrößert und es wurden verschiedene Werkstätten erstellt. Die zerstörten Dienst- und Wohngebäude an der Aktienstraße 48, 50, 52, 58 und 58a waren aber noch nicht alle wieder hergestellt. Durch die fehlenden Dienstwohnungen wurde auch die Einsatzbereitschaft der Freiwache erheblich behindert. Zudem konnte die durch Kriegseinwirkungen zerstörte Feuermeldeanlage aus finanziellen Gründen noch nicht wieder instand gesetzt werden.427
Die Wirtschaftswunderzeit beginnt
Die Personalstärke nimmt zu Zunächst entwickelte sich die Mülheimer Berufsfeuerwehr in personeller Hinsicht sehr stark. So steigerte sich die Personalstärke von 49 Mann im Jahr 1952 auf 56 Mann im Jahr 1956 und sogar 74 Mann 1960. Bis zum Ende des Jahres 1963 erfolgte eine weitere Erhöhung auf nun 83 Mann, und für 1968 war sogar eine Stärke von 100 Mann geplant.
Ein wesentlicher Grund für diese deutliche Aufstockung des Personalbestandes war der Erlass zur Gliederung und Stärke der Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren vom 15. März 1951, in dem eine Soll-Stärke von 60 Mann vorgesehen worden ist. Ebenso spielte eine Rolle, dass der Aufgaben- und Schutzbereich, für den die Mülheimer Feuerwehr zuständig war, sich stark vergrößert hatte. Schließlich wirkte sich auch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 78 auf 72 Stunden bzw. bis 1968 auf nur noch 67,2 Stunden aus.428
Auf Brandrat Kratz folgt Brandinspektor Knorst
Mit den Allgemeinen Durchführungsbestimmungen zum Feuerschutzgesetz vom 15. März 1951 änderten sich unter anderem auch die Amtsbezeichnungen der Feuerwehrbeamten. In diesem Zusammenhang wurde Ernst Kratz vom Hauptbrandmeister zum Brand-
Abb. 61: Löschzug um 1960 DL 32 Klöckner-Deutz/Magirus (1942-1967), LF 16 MB/ Metz (1955-1973), TLF 16 MB/Metz (1957-1974), KdoW MB (unbekannt-1965) [13]
amtmann. Im Juli 1956 erfolgte schließlich die Beförderung zum Brandrat. Mit Erreichen der Altersgrenze trat er im September 1957 in den Ruhestand. Bei seiner Verabschiedung erhielten seine großen Verdienste um den Wiederaufbau der Feuerwehr eine besondere Würdigung. Die Stelle des Leiters der Mülheimer Feuerwehr wurde vorläufig jedoch nicht neu besetzt und durch Brandinspektor Max Knorst lediglich kommissarisch wahrgenommen.430
Ein neues Gesetz wirkt sich aus
Zum 25. März 1958 wurde das bisherige Feuerschutzgesetz von 1948 durch das neue Gesetz über den Feuerschutz und
Max Knorst wurde am 28. September 1910 in Kirn geboren und machte zunächst eine Ausbildung zum Gärtner. 1931 trat er in Mülheim in die Freiwillige Feuerwehr ein und wurde zum 14. September 1938 als Feuerwehrmann in die damalige Feuerschutzpolizei übernommen. Nach bestandener Prüfung an der Landesfeuerwehrschule wurde er im Juli 1956 zum Brandinspektor ernannt. Mit der Ernennung zum Brandoberinspektor wurde ihm dann auch zum 7. Oktober 1958 die Leitung der Berufsfeuerwehr übertragen.429
Abb. 62: Brandoberamtsrat Max Knorst (1957 – 1970) [11]
die Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen ersetzt.
Nach Ansicht der Landesregierung wies das alte Gesetz, das unter dem Einfluss der britischen Besatzungsmacht entstanden war, erhebliche Lücken auf und stand nicht im Einklang mit dem in Nordrhein-Westfalen geltenden kommunalen Verfassungsrecht.
Das neue Gesetz regelte allerdings nicht alles neu, sondern beschränkte sich „im Wesentlichen auf die Vorschriften über die Organisation und die Aufgaben der Feuerwehren“.431
Demnach waren die Feuerwehren zwar auch weiterhin als Einrichtungen der Gemeinden strikt von der Polizei- und Ordnungsverwaltung getrennt. Neu hinzu kam allerdings die Aufgabe der Brandschau in besonders gefährdeten Gebäuden und Einrichtungen. Der Krankentransport und der Rettungsdienst blieben weiter Aufgaben der Gemeinden und ergänzend der Kreise; die notwendige Vorhaltung von Krankentransport- und Rettungswagen wurde mit einer zusätzlichen Verwaltungsvorschrift konkretisiert. Das Weisungsrecht der Aufsichtsbehörden erfuhr eine deutliche Erweiterung. Ebenso wurden die Pflichten der Bevölkerung wie die Anzeigepflicht, die Hilfspflicht von Fahrzeugbesitzern sowie von Grundstückseigentümern und -besitzern wesentlich vergrößert.432
Fahrzeuge und Geräte der Feuerwehr
Der Fahrzeugbestand hatte sich bis zur Mitte der 1950er Jahre gegenüber 1936 schon deutlich erhöht. Von 1956 bis 1960 wurde er aber nochmals fast verdoppelt: 22 Fahrzeuge standen nun-
mehr für die unterschiedlichsten Einsätze bereit.
Fahrzeuge für den Brandschutz
Im Jahr 1956 wurde ein neues Löschfahrzeug vom Typ LF 16 als Ersatz für ein 22 Jahre altes Fahrzeug in Dienst gestellt. Mit der Beschaffung eines
Tanklöschfahrzeugs (TLF) 16 als Ersatz für den selbstgebauten Tankwagen von 1945 hatte die Berufsfeuerwehr Mülheim laut eines 1957 erschienenen Berichts in der Lokalzeitung den „modernsten Feuerlöschzug, der zur Zeit in der Bundesrepublik eingesetzt wird“.433 Bei dieser Betrachtung fand die Drehleiter aus dem Jahr 1942 allerdings scheinbar keine Berücksichtigung.
Zusätzlich wurde 1958 noch ein LF 8 auf einem Fahrgestell des Typs Opel Blitz in Dienst gestellt. Dieses Fahrzeug wurde allerdings schon ab 1965 anderweitig genutzt: Nach einem Umbau zum Schlauchwagen (SW) diente es ab 1968 zunächst als Gerätewagen-Wasserrettung (GW-W) und dann von 1973 bis zu seiner Ausmusterung 1981 als Gerätewagen für Ölunfälle (GW-Öl).434 Bis zur Mitte der 1960er Jahre wurde die Ersatzbeschaffung für Altfahrzeuge aus dem Krieg abgeschlossen. Den Anfang machte 1960 ein weiteres Tanklöschfahrzeug (TLF) 16. 1961 folgte eine neue Drehleiter (DL) 30 als Ersatz für die völlig veraltete DL 17. Im Gegensatz zur alten Leiter mit einem mecha-
nischen Antrieb über Zahnräder waren nun alle Auszugs-, Aufrichte- und Drehbewegungen hydraulisch angetrieben. Die Steuerung der Bewegung war nun sehr genau regelbar, kontinuierlich und nicht mehr wie bisher ruckhaft mit nur zwei Stufen möglich.435
Mit einem zusätzlichen Löschfahrzeug (LF) 16 waren ab 1962 dann zwei komplette Löschzüge einsatzbereit.
Zunehmende Mineralöltransporte führten Anfang der 1960er Jahre zu Überlegungen, Löschfahrzeuge mit einem größeren Löschpulvervorrat vorzuhalten. Diese wurden zusätzlich verstärkt durch die guten Erfahrungen, welche die Feuerwehr München am 17. Dezember 1960 bei der Brandbekämpfung nach einem Flugzeugabsturz in der Innenstadt nahe der Theresienwiese gemacht hatte.436 Vor diesem Hintergrund stellte man zum Ende des Jahres 1963 auch in Mülheim das erste Trockentanklöschfahrzeug in Dienst. Dieses TroTLF 16 verfügte über einen Tank mit 2.200 Litern Wasser sowie einen Behälter mit 750 kg Löschpulver und zwei Pulverpistolen.
In Ergänzung zum TroTLF 16 wurde 1964 noch ein weiteres Tanklöschfahrzeug (TLF) 24/35 beschafft: Neben einem Wassertank mit 3.500 Litern führte es auch 350 Liter Schaummittel mit. Zur Wasser- und Schaumabgabe verfügte es über eine Schnellangriffseinrichtung sowie ein Schaumwenderohr mit einer Wurfweite von 35 Metern und ein Wasserwenderohr mit einer Wurfweite von 45 Metern.437
Als letztes Fahrzeug aus dem Krieg wurde im Juni 1967 die DL 32 aus dem Jahr 1942 ersetzt. Wie bei der 1961 beschafften Leiter handelte es sich auch wieder um eine DL 30 von Magirus, diesmal aber nicht auf einem Rundhauber-, sondern auf einem Eckhauberfahrgestell.438
Fahrzeuge für technische Hilfeleistungen
Neben den Fahrzeugen zur Brandbekämpfung entwickelte sich die Wehr im Bereich der technischen Hilfeleistungen weiter. Eine Besonderheit stellte beispielsweise ein im Oktober 1956 in Dienst gestellter FeuerwehrKranwagen FwK 15 dar. Anlass für seine Beschaffung war ein tragisches Straßenbahnunglück auf der Zeppelinstraße.
Zwei Menschen kamen dabei zu Tode, da die Feuerwehr über keine ausreichenden Mittel zur Bergung verfügte.439
Bei der Beschaffung handelte es sich um einen von Krupp-Ardelt in Wilhelmshaven gebauten Bergungskran vom Typ Drache AK 11 Dr 4. Der Kran konnte eine maximale Last von 15 Tonnen heben. Ein besonderes Merkmal war ein noch auf Wunsch von Brandamtmann Ernst Kratz gebauter Träger zur Abstützung des Auslegers. Somit konnten auch bei einem Betrieb in Fahrstellung Lasten bis zu zehn Tonnen gehoben werden. Das charakteristische Aussehen erhielt das Fahrzeug durch die durch den Kranausleger geteilte Truppkabine.440
Mit der Indienststellung des Kranwagens war es der Feuerwehr nun möglich, bei den vielfältigsten Bergungseinsätzen technische Hilfe zu leisten. Die Anzahl der Einsätze, die einen Kran erforderten, war dabei im Vergleich zu heute extrem hoch.
Allein im Jahr 1957 berichtet die Mülheimer Zeitung von acht Einsätzen, bei denen der Kran zur Bergung von Pkw und Lkw eingesetzt worden ist.441
Auch in den folgenden Jahren war das Fahrzeug regelmäßig im Einsatz. Einen spektakulären Einsatz in eigener Sache hatte der Kran allerdings im Januar 1965: Beim Heben eines gefällten Baums direkt vor dem Rathaus kippte der Kran beim Ausschwenken des Auslegers mit der neun Tonnen schweren Last um und wurde anschließend mit „Amtshilfe“ der Duisburger Feuerwehr wieder aufgerichtet. Glücklicherweise traten bei diesem Unfall
am Kran selbst keine größeren Schäden auf.442 Umgestürzte Kranwagen bei den Feuerwehren gab es zu dieser Zeit aber scheinbar häufiger. So wird der damalige Leiter der Mülheimer Feuerwehr zur Hilfeleistung durch die Duisburger Kollegen in einem Bericht der RuhrNachrichten wie folgt zitiert: „Die hatten bei uns noch eine Rechnung offen. Vor einiger Zeit hatte unser Kranwagen den umgekippten Duisburger Kranwagen wieder aufstellen müssen.“443
Nachdem die Feuerwehr in den Nachkriegsjahren immer häufiger zu schweren Verkehrsunfällen und als „Mädchen für alles“ auch zu diversen anderen technischen Hilfeleistungen gerufen wurde, begann man in verschiedenen Arbeitskreisen auf Bundesebene Ende der 1950er Jahre mit der Normung entsprechend ausgestatteter Fahrzeuge. 1961 lagen endlich drei Normen für Gerätewagen der Feuerwehr vor, die sich in ihrer Größe und Beladung deutlich unterschieden. So gab es einen
„leichten“ Gerätewagen (GW 1), einen „mittleren“ Gerätewagen (GW 2) und einen „schweren“ Gerätewagen (GW 3). Mit der Beschaffung eines GW 2 –einer Ersatzbeschaffung für ein umgebautes Fahrzeug aus dem Jahr 1938 –wurde 1962 dann auch in Mülheim der sogenannte Rüstzug vervollständigt. Er bestand nunmehr aus einem Kommandowagen (KdoW), dem FwK 15, dem GW 2 und einem Rettungswagen. Der neue Gerätewagen hatte eine Vorbauwinde mit einer Zugkraft von 3,5 Tonnen und war mit den notwendigen Geräten zum Trennen und Schweißen, einem elektrischen Hebeapparat und einem Stromgenerator ausgestattet.
Bei der offiziellen Vorstellung des Gerätewagens hob Max Knorst als damaliger Leiter der Feuerwehr hervor, dass die technischen Hilfeleistungen mittlerweile einen Anteil von 78 Prozent sämtlicher Einsätze ausmachen würden.
Die vergangenen zehn Jahre bis heute
Personelle und organisatorische Entwicklungen
In personeller Hinsicht ergaben sich ab 2010 deutliche Veränderungen. Ein wesentlicher Grund hierfür war die bereits beschriebene Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 54 auf 48 Stunden zum 1. Januar 2011. Aber auch andere gesetzliche Regelungen wie die Angleichung des Urlaubsanspruchs, der zuvor nach Alter gestaffelt war, die deutlich gesteigerte Inanspruchnahme von Elternzeit und weitere Freistellungsregelungen führten zu einem erheblich höheren Personalbedarf.
Eine weitere Verschärfung der personellen Situation ergab sich durch eine Veränderung im Bereich der rettungsdienstlichen Ausbildung: Die bislang nur zweijährige Ausbildung von Rettungsassistentinnen und -assistenten wurde 2014 – wie nachfolgend noch ausführlicher beschrieben wird – durch die nunmehr dreijährige Ausbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern ersetzt.
Entwicklungen im Brandschutz
Für die Gefahrenabwehr werden in Mülheim rund um die Uhr insgesamt 41 Funktionen vorgehalten. Zur permanenten Besetzung von vier Rettungswagen sowie von zwei Notarzteinsatzfahrzeugen sind allein zehn Funktionen erforderlich. Die restlichen 31 Funktionen verteilen sich auf die Besetzung der Löschzüge beider Feuerwachen mit
jeweils zehn Einsatzkräften, sechs Mitarbeitende in der Leitstelle sowie fünf Mitarbeitende, die für Sonderfunktionen vorgesehen sind. Ergänzend kommen noch zwei Führungsfunktionen im Einsatzdienst hinzu. Diese Funktionsstärke gilt bereits seit mehreren Jahrzehnten und wurde auch 2005 im ersten, noch durch einen externen Gutachter erstellten Brandschutzbedarfsplan bestätigt.
Mit der zweiten Fortschreibung des Brandschutzbedarfsplans 2022 wurde eine zusätzliche Funktion für die Sicherstellung der Einsatzstellenhygiene beschlossen. Grundlage ist eine Einschätzung der International Agency for Research on Cancer (IARC), einer Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation, dass die Tätigkeit im Feuerwehrdienst in der höchsten Stufe als krebserregend gilt.599
Mit der neu eingerichteten Sonderfunktion sollen personelle und organisatorische, aber auch materielle Maßnahmen ergriffen werden, dem hohen Krebsrisiko im Feuerwehrdienst entgegenzuwirken.
Zusätzlich sorgten aber auch erheblich gestiegene Anforderungen im Zivilund Katastrophenschutz, im Vorbeugenden Brandschutz, in der Wartung und Unterhaltung der Einsatzgeräte, im Haushaltswesen sowie in der Aus- und Fortbildung zu einem weiteren, sehr deutlichen Personalzuwachs.600
Entwicklungen im Rettungsdienst
Bis 2017 wurden von der Berufsfeuerwehr für die Notfallrettung in Mülheim vier ständig besetzte Rettungswagen vorgehalten. Darüber hinaus konnten jederzeit drei weitere Rettungswagen zur Spitzenlastabdeckung von Brandschutzkräften besetzt werden. Eine Ergänzung gab es an den Wochenenden durch fest besetzte Fahrzeuge der Hilfsorganisationen DRK und JUH. Stark gestiegene Einsatzzahlen führten, verbunden mit verkehrsbedingt immer längeren Fahrzeiten zum Einsatzort, jedoch dazu, dass das vorgegebene Schutzziel, die anerkannte Hilfsfrist von acht Minuten in mindestens 90 Prozent der Notfälle zu gewährleisten, nicht mehr sichergestellt werden konnte.
Mit Unterstützung der Technischen Hochschule Köln wurde daraufhin für das gesamte Stadtgebiet sowohl eine Standortplanung als auch die notwendige Vorhaltung der erforderlichen Rettungsmittel wissenschaftlich ermittelt.
Neben den beiden Feuer- und Rettungswachen in Broich und in Heißen sind demnach zwei zusätzliche Standorte im Norden und im Süden des Stadtgebietes erforderlich. Die optimalen Standorte der neuen Rettungswachen wurden mathematisch ermittelt. Die nachfolgende Suche nach geeigneten Grundstücken gestaltete sich aber keineswegs leicht.
In einem ersten Schritt wurde ab 2018 ein Interimsstandort für eine Rettungswache auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft an der Mintarder Straße eingerichtet. Seitens des DRK wurde hier zunächst ein rund um die Uhr fest besetzter RTW und ab 2023 auch noch ein zusätzlicher Tages-RTW stationiert.
Mit diesem Standort ergibt sich zwar bereits eine deutliche Verbesserung der rettungsdienstlichen Versorgungen im Süden der Stadt. Dennoch ist dieser Standort aufgrund der Verkehrsanbindung längst nicht optimal. Daher wird derzeit weiter nach einem endgültigen Standort für eine Rettungswache gesucht. Neben drei Stellplätzen für Einsatzfahrzeuge und den notwendigen Räumlichkeiten für die Einsatzkräfte soll an dieser Stelle dann auch das Gerätehaus für den geplanten Löschzug Saarn der Freiwilligen Feuerwehr errichtet werden.
Im Gegensatz hierzu war die Standortsuche für eine weitere Rettungswache im Norden etwas einfacher. Auf einem 1.400 m² großen Grundstück an der Augustastraße errichtet die Gesellschaft SWB seit dem Frühjahr 2023 eine 750 m² große, zweigeschossige Wache mit drei Stellplätzen. Die Fertigstellung ist nach 18-monatiger Bauzeit im Jahr 2024 geplant. Die Fahrzeuge – ein rund um die Uhr besetzter RTW und ein 12 Stunden tagsüber einsatzbereiter RTW – werden dann durch die JohanniterUnfall-Hilfe besetzt.601
Zusätzlich wird seit 2021 auch noch ein weiterer Rettungswagen auf der Hauptfeuerwache in Broich vorgehalten. Die Berufsfeuerwehr besetzt hier seitdem drei Rettungswagen. Die Anzahl der täglich zu besetzenden Funktionsstellen stieg hierdurch nochmals um weitere zwei Funktionen.602
Veränderte Gesamtstärke des Personals
Zusammen mit der bereits beschriebenen Erhöhung des Personalbestands um eine Funktion sowie die Besetzung des zusätzlichen Rettungswagens auf der Hauptfeuerwache in Broich stieg die Funktionsstärke im Wachdienst auf 44 Funktionen.
Um diese Funktionen täglich zuverlässig sicherzustellen, sind bereits 232 Stellen erforderlich. Darüber hinaus führten die bereits beschriebenen Ver-
änderungen in diversen Aufgabenbereichen dazu, dass der Stellenplan der Berufsfeuerwehr bis zum Ende 2023 auf insgesamt 315 anstieg. Neben den 282 uniformierten Einsatzbeamtinnen und -beamten sind hierin auch 33 Beschäftigte aus der Verwaltung der Feuerwehr enthalten.603
Vom Stellvertreter zum neuen Chef
Zum 1. Dezember 2019 wurde der Leitende Branddirektor Burkhard Klein mit Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand versetzt. In seine mehr als 22-jährige Amtszeit fielen insbesondere die Neugründung der Freiwilligen Feuerwehr im Jahr 2001 sowie die Errichtung und der Bezug der beiden neuen Feuer- und Rettungswachen in den Jahren 2005 und 2010. Zum Nachfolger wurde sein langjähriger Vertreter Branddirektor Sven Werner ernannt.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz
Mit dem am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Landesgesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) wurde das bisherige Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz (FSHG) grundlegend überarbeitet. Auch wenn das nordrheinwestfälische Katastrophenschutzgesetz (KatSG NW) bereits mit der letzten Gesetzesnovellierung 1998 aufgehoben und in das FSHG integriert worden war, erhielt der Katastrophenschutz mit dem BHKG nochmals eine weitere Aufwertung.
Der Katastrophenschutz wurde in dem Gesetz nun ausdrücklich als gleichrangig bedeutsamer Aufgabenbereich neben dem Brandschutz festgeschrieben: Erfahrungen mit den Hochwassern an Elbe und Oder sowie dem Sturm Kyrill und dem später noch beschriebenen Sturm Ela hatten gezeigt, wie wichtig ein gut aufgestellter Katastrophenschutz ist. Vor diesem Hintergrund hatte auch die gesetzliche Verankerung der bereits beschriebenen Landeskonzepte für überörtliche Hilfseinsätze ihren Sinn. Darüber hinaus wurden
Abb. 239: Leitender Branddirektor Dipl.-Ing. Sven Werner (seit 2019) [11]
Dipl.-Ing. Sven Werner wurde 1968 in Walkenried im Harz geboren und trat schon 1981 in die Jugendfeuerwehr ein. 1984 wechselte er in den aktiven Dienst der Freiwilligen Feuerwehr. Nach seinem Abitur verpflichtete er sich zunächst bei der Bundeswehr und studierte an der Universität der Bundeswehr in Hamburg Elektrotechnik. Nach dreizehn Jahren schied er als Hauptmann der Luftwaffe aus und begann seine hauptamtliche Feuerwehrlaufbahn als Brandreferendar der Stuttgarter Feuerwehr. Neben der Grundausbildung bei der Feuerwehr in Bochum hatte er weitere Stationen bei den Feuerwehren in Dortmund, Stuttgart und Hamburg sowie im Innenministerium in Stuttgart. Nach bestandener Laufbahnprüfung für den höheren feuerwehrtechnischen Dienst war er bereits seit 2003 bei der Feuerwehr Mülheim als stellvertretender Amtsleiter und als Abteilungsleiter für Einsatz, Leitstelle, Ausbildung sowie Zivil- und Katastrophenschutz tätig.
eine einheitliche Krisenstabsstruktur und die Kooperation von Krisenstäben in besonders großen Einsatzlagen verbindlich festgelegt.
Im Bereich des Ehrenamtes wurde die Möglichkeit geschaffen, zur Nachwuchsgewinnung innerhalb der Freiwilligen Feuerwehren neben den Jugendfeuerwehren auch noch Kinderfeuerwehren für Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren einzu-
richten. In Mülheim ist dies bislang allerdings noch nicht geschehen, weil das geeignete Personal für die Begleitung dieser pädagogisch durchaus anspruchsvollen Aufgabe nicht vorhanden ist.604
Rettungsdienstgesetz und Notfallsanitätergesetz
In den Jahren bis 2023 wurde das Rettungsdienstgesetz von 1992 mehrfach angepasst. Von besonderem Interesse sind hierbei die Regelungen zur Besetzung von Fahrzeugen der Notfallrettung: Ab dem 31. Dezember 2026 dürfen beispielsweise keine Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten mehr in der Funktion des sogenannten Transportführers auf Rettungswagen eingesetzt werden.
Diese Transportführer, die für die Patientenversorgung im Einsatz verantwortlich sind, müssen dann vielmehr eine Ausbildung zur Notfallsanitäterin bzw. zum Notfallsanitäter abgeschlossen haben, die wiederum im Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters (NotSanG) geregelt wurde. Dieses Gesetz ist am 1. Januar 2014 in Kraft getreten, und es sieht für angehende Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter eine nunmehr dreijährige Ausbildung vor, die neben 1.920 Stunden schulischem Unterricht und 760 Stunden praktischer Ausbildung in verschiedenen Bereichen eines Krankenhauses auch ein 1.960-stündiges Praktikum auf einer Rettungswache enthält.
Über die Anerkennung einzelner Ausbildungsinhalte ist für Feuerwehrleute, die bereits eine Ausbildung zum Brandmeister absolviert haben, eine geringfügige Verkürzung der Ausbil-
dungsdauer auf zweieinhalb Jahre möglich. Weiterhin bestanden für bisherige Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten bis Ende 2023 verschiedene Möglichkeiten, durch die Teilnahme an Ergänzungskursen und -prüfungen ebenfalls Notfallsanitäterin bzw. Notfallsanitäter zu werden.605
Bei der Mülheimer Feuerwehr wurden in den vergangenen Jahren fast alle früheren Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten auf diesem Weg zur Notfallsanitäterin bzw. zum Notfallsanitäter weiterqualifiziert. Außerdem wurde mit der regulären Ausbildung zur Notfallsanitäterin bzw. zum Notfallsanitäter begonnen. Sowohl verkürzte, zweieinhalbjährige Ausbildungen für Feuerwehrleute mit der Ausbildung zum Brandmeister als auch dreijährige Vollausbildungen von Berufseinsteigern finden an der Rettungsdienstschule der Feuerwehr statt. Bei der zuletzt genannten Ausbildung ist langfristig geplant, eine ergänzende Ausbildung zum Brandmeister anzuschließen, um die Absolventen der Notfallsanitäter-Vollausbildung dann ggf. auch noch im Brandschutzbereich einsetzen zu können.
Nicht zu übersehen ist aber, dass der Ausbildungsaufwand durch das Notfallsanitätergesetz erheblich zugenommen hat. Die im Vergleich zur früheren Qualifizierung von Rettungsassistentinnen und -assistenten wesentlich längere Ausbildungsdauer ist auch mit längeren Ausfallzeiten verknüpft, wodurch – nicht nur in Mülheim, sondern bundesweit – ein deutlich höherer Personalbedarf verursacht worden ist.
Ausbildung bei der Feuerwehr
Die Laufbahnausbildung mit den Lehrgängen der Grundausbildung, aber auch diverse Spezialausbildungen, beispielsweise zum Feuerwehrtaucher, finden seit vielen Jahren vor Ort in der Mülheimer Feuerwehrschule statt.
Neben der Feuerwehrschule für die Ausbildungen im Brandschutz und der technischen Hilfeleistung gibt es für den Rettungsdienst eine eigene Fachschule für Rettungsdienst und Notfallmedizin. Sie besitzt unter anderem die staatliche Anerkennung als Notfallsanitäter-, Rettungssanitäter- und Rettungshelferschule. Daneben gibt es noch eine Desinfektorenschule als staatlich anerkannte Lehranstalt für Desinfektorinnen und Desinfektoren.
Aus Platz- und Kapazitätsgründen erfolgte Anfang 2022 eine organisatorische und räumliche Trennung der Schulen für den Brandschutz- und für den Rettungsdienstbereich. Die Feuerwehrschule verblieb weiterhin auf der Hauptfeuerwache in Broich, während die Rettungsdienstschule Räumlichkeiten in der Parkstadt Mülheim auf dem ehemaligen Tengelmanngelände in Speldorf bezog.
Beide Schulen genießen Dank der Ausbildungskonzepte und der modernen, umfangreichen Ausstattung bundesweit einen hervorragenden Ruf: Neben den eigenen Kräften werden regelmäßig auch Angehörige anderer Feuerwehren aus dem gesamten Bundesgebiet für ihre Ausbildung nach Mülheim geschickt.
Auch an der Rettungsdienstschule werden nicht nur eigene Kräfte aus-, fort- und weitergebildet. An der Ausbildung zur Notfallsanitäterin bzw. zum
Notfallsanitäter nehmen aktuell beispielsweise Angehörige der Feuerwehren aus Essen und Oberhausen sowie des Deutschen Roten Kreuzes teil.
Besondere
Ausbildungen im Brandschutz
Im November 1997 beschritt die Mülheimer Feuerwehr Neuland mit einer umfassenden Realbrandausbildung. Zu einem zweitägigen Übungsprogramm fuhren elf Feuerwehrmänner in das Ausbildungszentrum des Rotterdam International Safety Center (RISC) im Rotterdamer Hafen. Auf einer Fläche von 40.000 m² konnten sie dort unter realen Bedingungen das Löschen von ausgedehnten Bränden üben. Zu den unterschiedlichsten Szenarien gehört die Bekämpfung von Zimmer-, Wohnungs- und Kellerbränden. Aber auch anspruchsvolle Einsätze in chemischen Prozessanlagen oder Tankwagenbrände wurden geübt.
Die Übungsanlagen des RISC sind dabei so aufgebaut, dass die Brennstoffzufuhr durch Öffnen oder Schließen verschiedener Ventile geregelt und die Einsatzlagen sehr dynamisch gestaltet werden können. Bewusst wurden für dieses Training eigene Fahrzeuge mitgenommen, und es wurde somit auch die bekannte technische Ausrüstung eingesetzt. Die praxisnahe Ausbildung hatte einen großen Lerneffekt, sodass über mehrere Jahre Mülheimer Kräfte einmal jährlich nach Rotterdam zur Ausbildung geschickt worden sind.606
Als Nachteil erwiesen sich in Rotterdam jedoch die relativ hohen Kosten, die immer auch nur kleine Ausbildungsgruppen zuließen. Eine deutlich
günstigere Alternative wurde schließlich über persönliche Kontakte des späteren Leiters der Feuerwehr, Dipl.-Ing. Sven Werner, gefunden: Mit bis zu 25 Teilnehmern aus den jeweiligen Grundausbildungslehrgängen konnte in den Jahren 2004 und 2007 auch bei der Werkfeuerwehr der Bayer AG in Brunsbüttel und in einer Realbrandausbildungsanlage in Tinglev in Dänemark geübt werden.
Seit 2009 findet diese besondere Ausbildung nun einmal im Jahr in verschiedenen Liegenschaften der Bundeswehr statt. Zunächst konnte ein Übungsgelände in Altengrabow genutzt werden, seit 2015 fahren Kräfte der Mülheimer Feuerwehr jedoch regelmäßig nach Altmark. Beide Liegenschaften der Bundeswehr befinden sich in Sachsen-Anhalt.
Als Übungsobjekte dienen dort große Wohnblöcke, die bis zu deren Abzug 1994 von der sowjetischen bzw.
russischen Armee bewohnt worden sind. Die Häuser ermöglichen vielfältige und vor allem sehr realistische Brandszenarien, um unterschiedliche Maßnahmen der Brandbekämpfung zu trainieren. An fünf Ausbildungstagen werden in jedem Jahr bis zu 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Grundausbildungslehrgängen der Berufsfeuerwehr und auch der Freiwilligen Feuerwehr geschult. Dabei sind insbesondere auch die geringen Unterbringungskosten positiv hervorzuheben.
Leider mussten die Ausbildungen von 2020 bis 2022 aufgrund der CoronavirusPandemie und einer Absage der Bundeswehr wegen des Ukrainekrieges ausfallen und konnten erst 2023 wieder aufgenommen werden.
Auch eine weitere Ausbildungsmaßnahme ist seit 2006 im Lehrplan der
Fahrzeuge, Anhänger und Abrollbehälter der Feuerwehr Mülheim an der Ruhr (Dezember 2023)
Auf den folgenden Seiten werden sämtliche Einsatzfahrzeuge, Anhänger und Abrollbehälter der Berufsfeuerwehr sowie der Freiwilligen Feuerwehr in Mülheim an der Ruhr in einer orientie-
renden Gesamtübersicht dargestellt. Die Bildunterschriften enthalten jeweils die in Mülheim übliche Fahrzeug-Kurzbezeichnung, Angaben zu den beteiligten Herstellern sowie den Zeitpunkt
der Indienststellung. Bei den Museumsfahrzeugen wird – soweit bekannt – ferner auch das Datum der Ausmusterung angegeben.
Kommandowagen ▶
Mannschaftstransportfahrzeuge ▶
Dienstfahrzeuge ▶
Von Spritzenmeistern, Gehülfen und Pümpern zu 100 Jahren Berufsfeuerwehr
Die Geschichte des Brandschutzes in Mülheim an der Ruhr von Burkhard Klein
2024 begeht die Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr ihr 100. Gründungsjubiläum. Aus diesem Anlass ist die vorliegende Chronik der städtischen Brandschutzgeschichte entstanden. Sie beginnt mit der Bau- und Feuerordnung von 1555, beschreibt unter anderem das Feuerschutz- und Polizeireglement von 1852 und dokumentiert, wie sich die Freiwilligen Feuerwehren in den verschiedenen Stadtteilen entwickelt haben. In zahlreichen Abbildungen und Berichten zu Einsätzen wird die interessante und wechselvolle Geschichte der nun 100 Jahre alten Berufsfeuerwehr aufgezeigt. Dem Brandschutz in den ortsansässigen Firmen und Fabriken ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Nicht zuletzt wird der gesamte aktuelle Fahrzeugpark der Berufsfeuerwehr sowie der Freiwilligen Feuerwehr in Mülheim an der Ruhr vorgestellt. Der historische Rückblick ist für Angehörige der Feuerwehr wie für die interessierte Bevölkerung Mülheims gleichermaßen spannend zu lesen.
Der Autor Burkhard Klein ist fast 30 Jahre lang in verschiedenen Funktionen bei der Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr tätig gewesen; von 1997 bis 2019 als ihr Leiter.