Das Rettungswesen in Italien, Kroatien, Slowenien und Deutschland im Systemvergleich
Das Rettungswesen in Italien, Kroatien, Slowenien und Deutschland im Systemvergleich Studienbericht zum Forschungsprojekt »Rettungswesen in den Adrialändern«
Gerhard Nadler
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Professor für Organisation und Recht des Rettungswesens
Gerhard Nadler ist seit den 1990er-Jahren wissenschaftlich mit Organisation und Recht des Rettungswesens sowie mit Aspekten der beruflichen Bildung der Gesundheitsfachberufe befasst. Von Sommersemester 2012 bis einschließlich Sommersemester 2021 hatte er die Professur für Organisation und Recht des Rettungswesens an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin inne. Gegenwärtig ist er in Leitungsfunktionen bei Heimerer University Network in München und an der Friedrich Heimerer Hochschule i. G. tätig.
Die Planung der Studie, die Erhebung der Informationen im Rahmen der zahlreichen Exkursionen und durch weitere Recherchen sowie die Arbeit am Systemvergleich erfolgten im Rahmen der Professur an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport.
Die Ausarbeitung der Zeitschriftenbeiträge zur Publikation wesentlicher Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt, veröffentlicht in den Fachzeitschriften BOS-LEITSTELLE AKTUELL und RETTUNGSDIENST im Jahr 2022, wurden durch Heimerer University Network unterstützt.
Die Erstellung dieses Studienberichts wurde unterstützt durch die Friedrich Heimerer Hochschule i. G.
Der Druck der Publikation wurde ermöglicht durch den Druckkostenzuschuss der Friedrich Heimerer Hochschule i. G.
E-Mail: Prof.Gerhard.Nadler@gmx.net
Hinweise:
Die Erhebung der Informationen und die Arbeiten am Systemvergleich wurden im September 2021 abgeschlossen. Im Oktober 2023 erfolgte allerdings eine Überprüfung wesentlicher Fakten auf Aktualität durch Nachfragen in den drei Adrialändern. Im Übrigen wurde auch geprüft, ob es zwischenzeitlich im Rettungswesen in Deutschland zu relevanten Modifizierungen kam. Lediglich aus Kroatien wurden Neuerungen berichtet. Diesbezüglich wurden Hinweise in die Kapitel 4 und 6 aufgenommen. Eine in Deutschland im Jahr 2022 zaghaft einsetzende Diskussion zum Katastrophenschutz wurde bei den Ausführungen in Kapitel 6 berücksichtigt. Der Studienbericht spiegelt somit im Grunde die Situation im Herbst 2023 wider. Die aus Kroatien berichteten Neuerungen sind in Kapitel 8 beschrieben und entsprechen dem Stand im Sommer 2024. Auch der Kommentar zur Situation im Katastrophenschutz in der Bundesrepublik Deutschland in Kapitel 9 entspricht dem Stand im Sommer 2024.
3.1 Land, Verwaltungsgliederung sowie Gesundheitswesen und Rettungsdienst im Überblick
3.2 Zur Historie des Rettungsdienstes in Italien
3.3 Organisation des Rettungswesens in Italien
4.1 Land, Verwaltungsgliederung sowie Gesundheitswesen und Rettungsdienst im Überblick
4.2 Zur jüngeren Geschichte des Rettungsdienstes in Kroatien
5.1 Land, Verwaltungsgliederung sowie Gesundheitswesen und Rettungsdienst im Überblick
8.2 Weiterbildungsprogramm für Nurses und Medical Technicians zur Fachkrankenpflegekraft für Notfallmedizin
Kommentar zum Systemversagen des Katastrophenschutzes in Rheinland-Pfalz und NordrheinWestfalen bei der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021*
Vorwort
Im Rahmen dieser Studie wurden die wichtigsten Komponenten des Rettungswesens in der Republik Italien, der Republik Kroatien und der Republik Slowenien sowie der Bundesrepublik Deutschland betrachtet und verglichen. Zu den betrachteten Komponenten gehören das Notrufsystem, der Katastrophenschutz, die Feuerwehr, der Rettungsdienst (Notfallrettung), die Bergrettung, die Wasserrettung im Küstenbereich sowie der maritime SARDienst. Verglichen werden die Strukturen der genannten Komponenten, inklusive der personellen Ausstattung (Personal) und materiellen Ausstattung (Ausrüstung). Nicht betrachtet werden, abgesehen von der vereinzelten Beobachtung von Arbeitsabläufen und Übungsszenarien, die Prozesse.
Die Studie wurde im ersten Halbjahr 2015 geplant. Von Sommer 2015 bis einschließlich Sommer 2020 erfolgten diverse Exkursionen in die drei Adrialänder. Im Rahmen dieser Exkursionen wurden zahlreiche Experteninterviews geführt, um genaue Informationen aus erster Hand zu erhalten. Wesentliche Informationen wurden auch durch die Analyse von Dokumenten gewonnen, die zur Verfügung gestellt worden waren oder auf die hingewiesen worden war. Zudem wurden Einrichtungen des Rettungswesens und Ausrüstungen in Augenschein genommen. Die Arbeiten am Systemvergleich wurden im September 2021 abgeschlossen.
Im Jahr 2022 erfolgte die Publikation von wesentlichen Erkenntnissen in jeweils vier Zeitschriftenbeiträgen in den Fachzeitschriften RETTUNGSDIENST und BOS-LEITSTELLE AKTUELL. Dafür wurde jeweils kurz vor Veröffentlichung die Aktualität der wesentlichen Fakten und Zahlen durch Nachfrage im jeweiligen Land verifiziert.
Für diesen Studienbericht – die Arbeiten wurden, abgesehen von verschiedenen redaktionellen Arbeiten, im Oktober 2023 abgeschlossen – erfolgte eine nochmalige Überprüfung wesentlicher Fakten auf Aktualität. Wesentliche Neuerungen wurden lediglich aus Kroatien berichtet. Sie werden in einem Nachtrag (Kapitel 8) dargelegt. Eine der Neuerungen ist die Indienststellung von vier Rettungshubschraubern an Ostern 2024.
Von verschiedenen Interessengruppen wird stets behauptet, die Bundesrepublik Deutschland habe den besten Rettungsdienst der Welt, das Rettungswesen sei das beste der Welt. Der Systemvergleich (Kapitel 6) zeigt jedoch, dass das Rettungswesen in Deutschland zahlreiche Schwächen hat, die in den anderen Ländern nicht bestehen. Eine dieser Schwächen scheint die Organisation des Katastrophenschutzes zu sein. Darauf wird im Kommentar zum Systemversagen des Katastrophenschutzes bei der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen (Kapitel 9) ausführlich eingegangen.
September 2024
Gerhard Nadler
Rettungswesen in der Republik Slowenien
5.1 Land, Verwaltungsgliederung sowie Gesundheitswesen und Rettungsdienst im Überblick
Die Republik Slowenien (slowenisch: Republika Slovenija), kurz Slowenien genannt, ist eine parlamentarische Republik im Süden Europas mit etwa 2 Millionen Einwohnern. Slowenien grenzt im Norden an Österreich und im Süden an Kroatien. Das Land hat eine Fläche von 20 271 km² und damit eine Fläche, die etwa der von RheinlandPfalz oder Sachsen-Anhalt entspricht. Im Nordwesten verlaufen die Hochgebirgszüge der Julischen Alpen, der Karawanken und der Steiner Alpen. Über 60 Prozent des Landes sind Waldflächen. Hauptstadt und zugleich größte Stadt des Landes ist Ljubljana (deutsch: Laibach). Slowenien ist in 212 Gemeinden, darunter elf Stadtgemeinden, gegliedert. Zwischen der Gemeindeebene und dem Gesamtstaat gibt es keine weitere administrative Ebene. Das Land trat im Jahr 2004 der Europäischen Union bei.
Slowenien gehörte von 1945 bis 1991 zur Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (Zweites Jugoslawien). Im Juni 1991 erklärte Slowenien seine Unabhängigkeit von der Republik Jugoslawien. Es kam zu einem zehntägigen militärischen Konflikt zwischen der Jugoslawischen Volksarmee und der slowenischen Territorialverteidigung. Der relativ gut organisierte Widerstand der slowenischen Territorialverteidigung verhinderte eine Besetzung Sloweniens durch die serbisch dominierte Jugoslawische Volksarmee. Am 23. Dezember 1991 erklärte die Bundesrepublik Deutschland als erster Staat die Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit Sloweniens. (52, 53, 54)
Die medizinische Primärversorgung der Bevölkerung obliegt den kommunalen Gesundheitszentren (slowenisch: Zdrávstveni dóm). Dort sind u. a. Allgemeinärzte, Zahnärzte, Krankenpflegekräfte und Physiotherapeuten tätig, es kann Labor- und Röntgendiagnostik erfolgen. Diese Einrichtungen werden jeweils von mehreren Kommunen zusammen betrieben. Häufig sind die kommunalen Gesundheitszentren mit öffentlichen Krankenhäusern verbunden. Den kommunalen Gesundheitszentren obliegt auch die Stellung des Rettungsdienstes. Die Notfallrettung wird ausschließlich von den kommunalen Gesundheitszentren durchgeführt. Einfache Krankentransporte werden auch von privaten Unternehmen ausgeführt. Die Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens und auch des Rettungsdienstes erfolgt durch eine gesetzliche Krankenversicherung nach Bismarck’schem Muster. Allerdings besteht nur eine Versicherungsanstalt, die Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung ist, das ZZZS. Einen genaueren Einblick in das slowenische Gesundheitswesen gibt die Publikation der WHO, auf die im Anhang hingewiesen wird. (55, 56, 57, 58, 59)
5.2 Zur jüngeren Entwicklung des Rettungsdienstes in Slowenien
Der Rettungsdienst in Slowenien wurde bis vor Kurzem auf der Basis lokaler Konzepte und letztlich auch auf unterschiedlichem Niveau durchgeführt. Die Koordination von lokalen Einheiten des Rettungsdienstes war, vor allem bei größeren Lagen, auch deshalb schwierig, weil keine regionalen Rettungsleitstellen existierten und die Notrufe von der Notrufzentrale des Katastrophenschutzes direkt an die örtlich zuständige Rettungswache weitergeleitet wurden. Bereits zu Beginn der letzten Dekade hatte in Fachkreisen eine Diskussion über eine Reform des Rettungsdienstes eingesetzt. (60) Die Entwicklung seit dem Jahr 2008 sowie den Stand der Diskussion im Jahr 2018, also kurz nach dem Start des Forschungsprojektes „Rettungswesen in den Adrialändern“, sollen fünf PowerPoint-Folien aus dem Vortrag von Renata Rajapakse, Gesundheitsministerium der Republik Slowenien, gehalten auf der European Conference on Work-Related Road Safety des European Transport Safety Council am 17.10.2018 in Brüssel, zeigen (61), deren Inhalt nachfolgend wiedergegeben wird.
EMS system regulative
• First Act on the emergency medical service 29.12.1996
• Second Act on the emergency medical service 11.11.2008
• Third Act on the emergency medical service 14.11.2015 – important changes
• Act on the conditions for the implementation of helicopter emergency medical service 16.12.2016
• Act on Medical dispatch service 20.10.2017
• The Acts are
Ø Defining the organizational structure and network of EMS system
Ø Defining the composition and training of staff in EMS units
Ø Defining the equipment and vehicles
Ø Defining the responsibilities and tasks
Ø The basis of funding
Plans for the future
• From 2008 there is new speciality of emergency medicine in Slovenia
• At the end of 2015, 10 new regional, hospital based A&E EDs were build and starting to work
NEW CONCEPT
• Emergency physicians will provide medical EMS care prehospitally and in ED
• Mobile ambulance teams of graduate nurses and medical rescuers will provide EMS
• care for less urgent calls
• Rendezvous (RV) system as complementary system will be implemented
• Medical dispatch system will coordinate all EMS units
• Family physicians will provide OOHC service
Future model
• 12 large emergency centres (A&E) in the hospitals in every region –emergency physicians + family physicians for OOHC
• 19 small emergency centres in bigger community health centres –emergency physicians + family physicians for OOHC
• 32 OOHC primary health care in smaller community health centres –family physicians
• Mobile EMS units staffed with emergency physician in all 31 emergency centres
• Mobile EMS units staffed with competent graduate nurses and medical rescuers in all OOHC locations and additional ones in most of emergency centres
• Central dispatching service is coordinating the work of all mobile units Act on Medical dispatch service 20.10.2017
• National service
• 2 medical dispatch centres – Ljubljana and Maribor
• Standards for communication infrastructure and technology
• Protocols for communication with the emergency and transport personnel
• Computer based technology to support reception of calls/e-calls, alarming emergency staff, support of the operation, documentation ...
• Slovenian Index for Emergency medical help (based on Norsk indeks for medisinsk nødhjelp, 3. utg)
Medical dispatch service will:
• Receive calls through 13 regional notification centres for 112
• Dispatch mobile EMS units for a uniform and rational response to emergency calls
• Activate first responders
• Collect data about all components of the EMS system
• Perform statistical analyses, prepare suggestions for improving performance of the system
• Also improve the response of EMS in the event of road accidents
Text der PowerPoint-Folien 3 sowie 15 bis 18 aus R. Rajapakse, 2018 (61)
5.3 Organisation des Rettungswesens in Slowenien
Wichtige Komponenten des Rettungswesens in Slowenien sind das Notrufsystem, der Katastrophenschutz, die Feuerwehr, der Rettungsdienst (Notfallrettung), die Wasserrettung, die Bergrettung und der maritime SAR-Dienst. Die in der nachfolgenden Darstellung genannten Zahlen beziehen sich lediglich auf den Zuständigkeitsbereich der Rettungsleitstelle in Ljubljana, die für den westlichen Teil des Landes zuständig ist.
Notrufsystem
In Slowenien gibt es zwei Notrufnummern, um die Polizei sowie die Institutionen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr erreichen zu können:
112 – Allgemeiner Notruf
Der Notruf läuft bei einer der 13 regionalen 112-Notrufzentralen des Zivilschutzes auf und wird nach einer primären Abfrage zur fachlich und örtlich zuständigen Leitstelle von Feuerwehr, Rettungsdienst oder anderen Notdiensten weiterverbunden. In der Regel kann der Notruf neben der Landessprache auch in englischer Sprache entgegengenommen werden.
113 – Polizeinotruf
Der Notruf läuft direkt bei einer Leitstelle der Staatspolizei auf.
SMS-Notruf
Von allen GSM-Handys aus kann ein Notruf auch in Textform an 112 gesendet werden. Diese Variante ist in erster Linie für gehörlose und schwerhörige Personen gedacht.
eCall
Unfall- und Notfallmeldungen, die über eCall gesendet wurden, laufen bei den regionalen 112-Notrufzentralen des Zivilschutzes auf.
Uprava RS za zaščito in reševanje, Klic v sili (Website)
Katastrophenschutz
Der Katastrophenschutz wird in Slowenien als Zivilschutz (slowenisch: Civilna zaščita) bezeichnet. Der Katastrophenschutz besteht aus einem komplexen Netzwerk aus staatlichen Behörden (z. B. Katastrophenschutzbehörden), kommunalen Einrichtungen (z. B. kommunalen Feuerwehren) sowie Hilfsorganisationen (z. B. dem Roten Kreuz) und weiteren Vereinigungen (z. B. Funkamateurgruppen). Die Direktion für Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe ist dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der vertikale Aufbau des Katastrophenschutzes ist dreistufig (national, regional und lokal), die Zuständigkeiten, insbesondere auch im Katastrophenfall, ergeben sich aus dem Subsidiaritätsprinzip.
Katastrophenschutz wird in Slowenien durch den Staat nicht nur organisiert, sondern durch die nationale Katastrophenschutzbehörde mit zahlreichen untergeordneten Dienststellen auch aktiv betrieben. Zu den Aufgaben dieser Behörden gehören die Früherkennung von Gefahren, die von den Naturgewalten und anderen Gefahrenquellen ausgehen, die Warnung der Bevölkerung und das Erteilen von Verhaltenshinweisen sowie die Alarmierung von Einsatzkräften und Koordination von Einsätzen bei Katastrophen. Dafür werden etwa 300 hauptamtliche Kräfte beschäftigt.
In diesem Kontext ist auf das nationale Lagezentrum des Katastrophenschutzes und die 13 regionalen Leitstellen des Katastrophenschutzes hinzuweisen. Sowohl das nationale Lagezentrum als auch die regionalen Leitstellen sind tagtäglich rund um die Uhr mit hauptamtlichen Kräften besetzt.
Das nationale Lagezentrum sammelt und analysiert u. a. meteorologische, hydrologische, seismologische, radiologische und verkehrstechnische Daten, die über Überwachungssysteme bzw. Überwachungsnetze gewonnen werden können. Zu den Überwachungssystemen zählt auch ein videogestütztes Überwachungssystem zur Früherkennung von Waldbränden. Gewonnene Informationen werden an untergeordnete Dienststellen und andere Behörden sowie den Rundfunk weitergegeben. Bei größeren Ereignissen werden die Einsätze durch das nationale Lagezentrum koordiniert.
Die regionalen Leitstellen des Katastrophenschutzes sind neben der Annahme und ggf. der Weiterleitung von Notrufen, die über die EU-Notrufnummer 112 erfolgen, u. a. für die Ausrufung des Katastrophenfalles, die Warnung der Bevölkerung, das Erteilen von Verhaltenshinweisen sowie die Alarmierung von Einsatzkräften und die logistische Unterstützung der Notfalldienste vor Ort zuständig.
Primäre Quelle:
Kučič, Tomaž, Interview 2017
Sekundäre Quellen:
Uprava RS za zaščito in reševanje, Home (Website)
Uprava RS za zaščito in reševanje, Civil protection and disaster relief (Website)
Uprava RS za zaščito in reševanje, Delovna področja (Website)
Feuerwehr
Die Feuerwehr ist in Slowenien ähnlich wie in Deutschland organisiert. Es gibt Berufsfeuerwehren, freiwillige Feuerwehren, Werkfeuerwehren und Betriebsfeuerwehren. Aufgaben der Feuerwehr sind abwehrender Brandschutz, dringende technische Hilfeleistung, Leistung Erster Hilfe und vorbeugender Brandschutz, nicht aber Notfallrettung. Vier der Berufsfeuerwehren agieren als regionale Stützpunktfeuerwehr. Einige größere freiwillige Feuerwehren beschäftigen auch hauptamtliche Kräfte. In den 212 Kommunen bestehen 1341 freiwillige Feuerwehren mit insgesamt etwa 44 000 aktiven Mitgliedern und 13 Berufsfeuerwehren. Den Feuerwehren kommt in Slowenien eine bedeutende Rolle im Katastrophenschutz zu. Anzumerken bleibt, dass der gesamte Katastrophenschutz, also auch das Feuerwehrwesen, dem Verteidigungsministerium untersteht.
Primäre Quelle:
Kučič, Tomaž, Interview 2017
Sekundäre Quellen:
Gasilski Zvezi Slovenije, Home (Website)
Gasilski Zvezi Slovenije, Organizacija (Website – offline)
Slovenian Professional Firefighters Association, Home (Website)
Rettungsdienst (Notfallrettung)
Die medizinische Primärversorgung der Bevölkerung obliegt, wie bereits oben ausgeführt, den kommunalen Gesundheitszentren. Den kommunalen Gesundheitszentren obliegt auch die Stellung des Rettungsdienstes. Einfache Krankentransporte werden zum Teil innerhalb des Rettungsdienstes mit Krankentransportwagen durchgeführt, zum Teil von verschiedenen Anbietern auch außerhalb dieses Systems. Private Unternehmen können einfache Krankentransporte durchführen, sind aber nicht in den Rettungsdienst eingebunden. Als Beispiel kann das Unternehmen SANTRA in Maribor genannt werden. An Hilfsorganisationen gibt es in Slowenien nur das Rote Kreuz, das aber am Rettungsdienst nicht beteiligt ist. Zu erwähnen ist, dass das gesamte Personal im Rettungsdienst hauptberuflich tätig ist.
Rettungsdienst im Umbruch
Bis vor wenigen Jahren war der Rettungsdienst in Slowenien sehr heterogen organisiert. Die 61 lokalen Gesundheitszentren hatten entsprechend eigenen Präferenzen unterschiedliche Konzepte entwickelt und umgesetzt. Anstelle von Rettungsleitstellen gab es 64 Notrufstellen, integriert in Rettungswachen. Schon zu Beginn des Forschungsprojektes im Jahr 2015 hatte eine Diskussion über eine Reform des Rettungsdienstes eingesetzt.
Im Zentrum der Überlegungen für eine Reform stand insbesondere das Folgende:
• Einrichtung von drei Regionalleitstellen für den Rettungsdienst
• Umstellung des reinen NAW-Systems auf ein überwiegendes NEF-System
• Vereinheitlichung der rettungsdienstlichen Strukturen
• Einheitliche Regelung der Kompetenzen der Nurses
• Einrichtung eines zivilen Luftrettungsdienstes (2 RTH und 1 ITH)
Im Jahr 2018 wurde schließlich festgelegt, dass es für das gesamte Staatsgebiet zwei Rettungsleitstellen geben soll, eine in Ljubljana und eine in Maribor. Die Leitstelle in Maribor wurde im Herbst 2019 in Betrieb genommen, die Leitstelle in Ljubljana im Frühjahr 2020. Die beiden Leitstellen werden vom Universitätsklinikum in Ljubljana betrieben.
Eine einheitliche Regelung der Kompetenzen der Nurses ist erfolgt. Die Umstellung von einem reinen NAW-System auf ein überwiegendes NEF-System, die Vereinheitlichung der rettungsdienstlichen Strukturen und die Anbindung aller Kommunen an die neuen Rettungsleitstellen sind noch nicht abgeschlossen. Konkrete Schritte zum Aufbau eines zivilen Luftrettungsdienstes stehen noch aus. Bei Bedarf kann aber auf Hubschrauber der Armee und der Polizei zurückgegriffen werden.
Einsatzkräfte und Einsatzmittel
Als Notärzte kommen Fachärzte für Notfallmedizin sowie Fachärzte für Allgemeinmedizin mit Zusatzausbildung für den Rettungsdienst zum Einsatz. Die Allgemeinmediziner arbeiten in der Regel in einem kommunalen Gesundheitszentrum und versehen den Notarztdienst als Dienstaufgabe.
Als Sanitäter werden Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger mit Zusatzausbildung für den Rettungsdienst eingesetzt. Bei den Krankenpflegekräften ist zwischen „Registered Nurses“ und „Medical Technicians“, wie sie von offizieller Seite in englischer Sprache bezeichnet werden, zu unterscheiden. Die Registered Nurses haben nach dem Abitur ein dreijähriges Hochschulstudium in Nursing absolviert, die Medical Technicians lediglich eine schulische Krankenpflegeausbildung. Bei der genannten Hochschulausbildung handelt es sich um Bachelorstudiengänge mit einem Workload von 180 ECTS, die der Niveaustufe 6 des EQF bzw. DQR entsprechen und zum Abschluss „Bachelor of Science in Nursing“ führen. Die schulische Krankenpflegeausbildung erstreckt sich über vier Jahre und findet an beruflichen Sekundarschulen statt.
Zu Notfalleinsätzen kommen regulär folgende Rettungsfahrzeuge mit genannter Besatzung zum Einsatz: Notarztwagen (ALS-Unit): Notarzt + Registered Nurse + Technician (Fahrer) Rettungswagen (BLS-Unit): Registered Nurse + Technician (Fahrer) Notarzteinsatzfahrzeug (VUZ REA): Notarzt + Registered Nurse oder Technician (Fahrer)
Logo des Rettungsdienstes in Slowenien (Grafik: DSZ UKC Ljubljana).
Rettungswagen des Rettungsdienstes in Ljubljana (Foto: Martin Čeh, Ljubljana).
Notarzteinsatzfahrzeug des Rettungsdienstes in Kamnik (Foto: Zdravstveni dom dr. Julija Polca, Kamnik).
Militärhubschrauber landet an einer Einsatzstelle des Rettungsdienstes (Foto: Martin Čeh, Ljubljana).
Polizeihubschrauber auf dem Dachladeplatz des Universitätsklinikums in Ljubljana (Foto: Martin Čeh, Ljubljana).
Gerhard Nadler
Im Rahmen dieser Studie wurden die wichtigsten Komponenten des Rettungswesens in Italien, Kroatien und Slowenien sowie Deutschland betrachtet und verglichen. Im Fokus der Untersuchung standen das Notrufsystem und die Notfallrettung.
Bei dieser Studie handelte es sich um ein organisationswissenschaftliches Forschungsprojekt zum Rettungswesen. Aufgrund des konkreten Erkenntnisinteresses wurde als wissenschaftlicher Ansatz der „Systemvergleich“ gewählt. Zur Erhebung der hierzu notwendigen Informationen wurden über fünf Jahre hinweg zahlreiche wissenschaftliche Exkursionen nach Italien, Kroatien und Slowenien durchgeführt. Für den Systemvergleich herangezogen wurden Experteninterviews und Dokumentenanalysen sowie Inaugenscheinnahmen von Ausrüstung und Einrichtungen und Beobachtungen von Arbeitsabläufen und Übungsszenarien.
Im Buch wird zunächst das Rettungswesen in den drei Adrialändern ausführlich beschrieben. Die zahlreichen
Fotos im deskriptiven Teil gewähren weitere Einblicke, insbesondere in die Bereiche Notrufsystem und Notfallrettung. Im analytischen Teil wird aufgezeigt, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Organisation des Rettungswesens in den drei Adrialändern Italien, Kroatien, Slowenien und der Bundesrepublik Deutschland bestehen.
Das Werk wendet sich insbesondere an Personen, die in Lehre und Forschung mit der Organisation des Rettungswesens oder in Exekutive und Legislative mit der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr befasst sind. Studierenden in Studiengängen mit Bezug zum Rettungswesen, Führungskräften der den Rettungsdienst durchführenden Organisationen und Unternehmen sowie interessierten Einsatzkräften ermöglicht das Buch tiefere Einblicke in die Organisation des Rettungswesens in den Adrialändern.
Diese Publikation begründet die FHH-Schriftenreihe, die Schriftenreihe der Friedrich Heimerer Hochschule, die sich gegenwärtig in der Gründungsphase befindet.
Das Rettungswesen in Italien, Kroatien, Slowenien und Deutschland im Systemvergleich
Studienbericht zum Forschungsprojekt »Rettungswesen in den Adrialändern«