3 minute read

Mehr als ein Pädagogen-Palaver

Next Article
Als Eltern am WBG

Als Eltern am WBG

Meine 13 Jahre im Schulvorstand

Bei allem Hin und Her, was ich als Spätberufener in meinem Lehrerdasein schon an Reformen und Re-Reformen erleben durfte, genießt eine schulische Innovation der vergangenen Dekade erstaunlichen

Advertisement

Bestandschutz: der Schulvorstand. Und das zu Recht!

Mit der Einführung der „Eigenverantwortlichen Schule“ 2007 wurde auch der Schulvorstand – wenig liebevoll mit „TschVau“ (SchV) abgekürzt – ins Leben gerufen. Zu Beginn seines Daseins war die Resonanz aus dem WBG-Kollegium eher verhalten bis abwartend, sich als VertreterInnen wählen zu lassen. Wahrscheinlich waren viele meiner KollegInnen im Unterschied zu mir ihrer Pflicht nachgekommen und hatten in unserer Lieblingslektüre, dem Schulverwaltungsblatt, den entsprechenden Passus zu den Aufgaben des SchVs gelesen:

„Der Schulvorstand entscheidet über die Inanspruchnahme der den Schulen im Hinblick auf ihre Eigenverantwortlichkeit von der obersten Schulbehörde eingeräumten Entscheidungsspielräume.“

Dieser stilistisch und pragmatisch betrachtet wenig ansprechende Satz, ja hier spricht der Germanist, lässt nur erahnen, was wir in den vergangenen 13 Jahren in diesem Gremium für das WBG bewegt haben und bewegen konnten.

Mit den alten Schulvorständen, die schon vor mehr als 200 Jahren über die Geschicke der Schule wachten, hat das neue Konzept wenig zu tun. Weiland setzte sich ein Schulvorstand lediglich aus vier Personen, dem Bürgermeister, dem Pfarrer und zwei Gemeindemitgliedern, zusammen, die über „Aufführung und Lebenswandel der Schullehrer“ zu wachen hatten. Das Ausblenden der Lehrerschaft aus diesem politisch-moralischen Gängelgremium befand auch die pädagogische Fachzeitschrift „Der Wittwen- und Waisenfreund“ im Jahre 1829 als Zumutung für jeden Lehrer. Itzo finden sich nicht nur Lehrer, sondern auch Eltern- und Schülervertreter, die im Idealfall gemeinsam das Schulleben organisatorisch und gestalterisch voranbringen sollen. Die Verlagerung ehemaliger Domänen der mitgliedsstarken Gesamtkonferenz in die Hände weniger SchV-Mitglieder sahen und sehen nicht wenige Pädagogen als schleichende Entmachtung der guten alten Gesamtkonferenz durch die Großkopferten. Wenn Schulleiter das neue Gremium tatsächlich als Verlautbarungs- und Zustimmungsorgan eigener Interessen sehen – besser gesagt: missbrauchen –, dann mögen nicht nur Zweifel an der Wirkmächtigkeit berechtigt sein; dann ist die Existenz des SchV obsolet.

Die drei WBG-Schulleiter hingegen, die ich in den zahlreichen Legislaturperioden und zahlreicheren Sitzungen als Vorsitzende des Schulvorstands bislang erleben durfte, hatten und haben ein Gespür für die erforderliche Mischung aus Leitwolf und Herdentier. Der Schulvorstand am WBG ist – pathetisch gesprochen – gelebte Schuldemokratie: Gewählte Vertreter aus der Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft arbeiten unter Einbeziehung des Personalrats in paritätisch besetzten Gruppen zu aller erst an so genannten Pflichtthemen, die zu den originären Ausgaben des Schulvorstandes gehören. Hier sind bspw. das Schulprogramm, das Ganztagskonzepts, die Schulordnung oder die Stundentafel zu nennen. Darüber hinaus erarbeiten die Mitglieder Konzepte für die Ausgestaltung der Pausen, der Berufsorientierung, der AGs und Raumnutzung. Gerade der Austausch der Mitglieder aus den unterschiedlichen Schulgruppen eröffnet Perspektiven auf Themen, die man als Lehrer nicht immer antizipieren, aber dennoch akzeptieren kann. Ein besonders heißes Eisen, das wir kontrovers geschmiedet, aber nicht zur Zufriedenheit aller in Form bringen konnten, ist bspw. die Handyordnung, die immer wieder Thema für lebhafte Debatten sorgte und in ihrem Fortleben zur Nutzung der iPads weiterleben wird.

Dass der SchV nicht immer reiche Erträge aus dem Schulacker hervorbringt, sondern auch mit Missernten klarkommen muss, zeigen gescheiterte und nicht vollendete Projekte wie die Erarbeitung eines echten Förderkonzepts, die sinnvolle Gestaltung von Vertretungsstunden sowie die überfällige Überarbeitung von Flyern und Broschüren unter dem Dach eines einheitlichen Leitbildes. Hier haben sich viele Menschen viele Stunden engagiert, ohne am Ende etwas Konkretes in den Händen halten zu können. Dies sorgte für Frust und Enttäuschung.

Wiederkehrende Höhepunkte unserer Arbeit sind allerdings die bereits vor zwölf Jahren etablierten zweitägigen Klausurtagungen, auf denen wir fernab vom Schulalltag und -gebäude intensiv in gemischten Gruppen neue Themen anschieben, ältere voranbringen und oft auch zum Abschluss bringen, dass sie der Gesamtkonferenz zur Abstimmung vorgelegt werden können. Doch hier ist Vorsicht geboten. Das alte Monopoly-Prinzip „Begib dich direkt dort hin. Gehe nicht über Los!“ birgt Risiken in sich. Ohne die vielfach Betroffenen im Kollegium oder in der Schüler- und Elternschaft zu informieren und ins Boot zu holen, würden die vorab ersonnenen Ideen in der Gesamtkonferenz scheitern. Manchmal ist es eben schwer, unsere Euphorie in die weiteren Gremien des WBG zu tragen und das Kollegium für unsere Beschlüsse zu begeistern.

Dr. Joachim S. Heise, AdL

This article is from: