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Irgendetwas mit Medien – oder was kommt nach dem Abitur?

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Sprachlernklasse

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Ein- und Ausfälle eines BO-Beauftragten

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Wenn man Schülerinnen und Schüler der höheren Jahrgänge befragt, wie sie sich ihre Zukunft nach dem Abitur vorstellen, hört man nicht selten solche Einschätzungen. Während einige angehende Abiturienten sehr zielgerichtet ihre Profile wählen, um den Traumberuf erlernen oder das Wunschfach studieren zu können, hadern andere sehr lange mit ihrer Entscheidung.

Und dabei kann Berufliche Orientierung an Schulen – und insbesondere an höheren Lehranstalten – im Prinzip ganz einfach sein. In der Pennäler-Komödie „Die Feuerzangenbowle“ aus dem Jahr 1944 kommt es zu einem aufschlussreichen Dialog zwischen dem Deutsch-Lehrer Professor Crey und seinem Schöla Hans Pfeiffer: „Sehen Sie, Pfeiffer, es ist nichts mit Ihnen. Sie werden immer dömmer! Was wollen Sie denn mal werden?“ –- „Das weiß ich noch nicht.“ – „Suchen Sie sich einen Beruf, in dem Sie nicht viel schreiben müssen, am besten Zahnarzt oder so etwas.“ – Für den größten Teil der Schauspieler dieses Filmklassikers stellte sich Frage nach dem Beruf allerdings nicht; sie wurden nach Drehschluss fast ausnahmslos eingezogen und an die Reste der Ostfront geschickt.

Knapp 25 Jahre später stand dann eine neue Schülergeneration hüben wie drüben, diesseits und jenseits der Mauer, vor der quälenden Frage nach dem „Was soll ich nur machen?“ Während Mandy und Maik ihre blaubebluste und blaubehemdte Karriere manchmal blauäugig, aber meist immer im Sinne des Plansolls, direkt in ihr Dasein als Kindergärtnerin oder Dispatcher münden ließen, weil der Staat und die von ihm gelenkte Wirtschaft hier ihre Bedarfe hatte, wurden die unmündigen und unschlüssigen Brüder und Schwestern im Westen mit geistreichen 16mm-Ton-Filmen wie „Gammeln geht nicht!“ oder „Arbeit könnte Spaß machen“ an den Ernst des Lebens erinnert, der einer Fama zufolge ja nach der Schule beginnt. Es könnte sein, dass nur die Macher dieser Medien Spaß dabei hatten und die Zielgruppe die wohlgemeinten Gaben klaglos in den neuen BIS (Berufsinformationsstellen) konsumiert haben. Aber es war zumindest ein gutes Zeichen, dass BO mit Medien zu tun hat.

Die neuen Wege, jungen Menschen Perspektive für die Berufs- und Studienwahl zu geben, haben die Verantwortlichen am Neuen Gymnasium, allen voran der BO-Pionier Siegfried Doepel, auch bald entdeckt. Damals reichte es allerdings, die Oberstufenschüler einmal pro Jahr mit dem Bus nach Hannover zum Arbeitsamt, wie weiland die Bundesagentur für Arbeit hieß, zu karren. Hier verbrachten sie – gefüttert mit Vorträgen und Recherchen in Infomappen (Medien, wohin man schaut!) einen lieben langen Berufsinfotag und waren für das weitere „Was-soll-ich-nur-machen-Dilemma“ gerüstet. Mehr gab’s nicht; mehr war auch nicht nötig. Aus Schnuffi und Duffi ist meistens etwas geworden.

Und heute? Die Kleinen bekommen ein Rund-um-sorglos-Paket ministeriell verordnet und von uns BO-Beauftragten geschnürt:

• Girls-Day, Praktikum und BA • Beratung hier und Coachen da • Jumpen, MIG und SFT • Wohin nur? – ach herrjemine • Exkursionen und der HIT • Hab‘ ich alles, bin ich fit? • Studieren – dual oder doch trial? • Hetzt mich nicht, ist mir egal!

Ist es die Haltung, die Selbstständigkeit oder die Gelassenheit der früheren Schülergeneration, die der heutigen fehlt? Vielleicht lähmt auch der Overkill an Angeboten. Im Zeitalter von Vollbeschäftigung sind die Kids vollbeschäftigt, sich neben Klausuren, Referaten und dem Sozialstatus in ihrer WhatsApp-Gruppe auch noch um BO-Angelegenheiten kümmern zu müssen. Sie sind Fit 4 Fun, aber weniger fit, was einmal kommen soll.

BO ist bei aber – allem Augenzwinkern – mehr als nur eine leidige Pflichterfüllung. Als Schule haben wir die wichtige Aufgabe, die jungen Menschen nicht nur in ihrer Lernentwicklung zu begleiten und zu fördern und zu fordern, sondern sie auch auf eine der wichtigsten Lebensentscheidungen vorzubereiten: Auf die Weichenstellung zur beruflichen Zukunft, zum Studium oder zur Ausbildung. Die Vermittlung einer Berufswahlkompetenz soll im Idealfall den Jugendlichen nicht nur den anstehenden Übergang von Schule in die Berufs- bzw. Studienwelt ermöglichen, sondern ihnen als wichtige Kompetenz während des gesamten Berufslebens zur Verfügung stehen. Ein hehres Ziel, wenn man überlegt, dass so manch ein Zeitgenosse, Schwierigkeiten hat, den täglichen Weg zur Schule zu finden.

Mit den BO-Paketen alle SuS stets und immer während des gesamten Schullebens zu erreichen, ist und bleibt aber ein frommes Wunschdenken; dieser Zahn musste auch dem Verfasser dieser Worte gezogen werden. Aber mit einem einfachen Dreisatz kommen, glaube ich, beide Seiten voran. Wenn die SuS in einer Zielfindung für sich erst einmal klären, was sie wollen, und dann in einer Selbstanalyse herausfinden, was sie eigentlich können, ist schon viel gewonnen. In einer Marktrecherche heißt es dann noch herauszufinden, wo es am meisten matcht; also herauszubekommen, bei welchem Beruf bzw. in welcher Branche es die meisten Übereinstimmungen mit den eigenen Zielen gibt; also eine Antwort auf die Frage finden: Wer kann das wo gebrauchen? Oder in einem zitierfähigen Satz für spätere Generationen zusammengefasst: Junge Menschen müssen nachhaltig ist die Lage versetzt werden, ihre Selbstkonzepte mit den Umweltfaktoren abzugleichen.

Wie dieses gelingen kann, ist die große Herausforderung, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Der BO-Beauftragte am WBG, ein Mann des gedruckten Wortes, fühlt sich mit seiner prall gefüllten Bibliothek samt Nachschlagewerken, Broschüren, Infoheften und Zeitschriften allein gelassen, aus der Zeit gefallen; wie ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert. Das periodische Aus- und Einsortieren der Printmedien verleiht ihm an unserer Umweltschule das Prädikat „Altpapier-Obmann mit Einkaufswagen“. Das Internet hat den Oldschool- und Vintage-Angeboten längst den Rang als Leitmedium abgelaufen. Angesichts schmaler Inhalte und mühsamer Wege mutiert der mediale Kasten allerdings oft auch zum Leid- oder Lightmedium.

Mittlerweile hat die medial-digitale Aufrüstung an unserer Schule einen neuen Höhepunkt erfahren: In der Pausenhalle prangt der Karrieremonitor, der via Splitscreen über lokale Aus- und Fortbildungen informiert und gleichzeitig die SuS in Sachen BO auf dem Laufenden hält. Fortschritt ich hör dir trapsen!

BO ist für alle Beteiligten ein Fulltimejob und hat immer auch irgendwas mit Medien zu tun.

Wenn die SuS in einer Zielfindung für sich erst einmal klären, was sie wollen, und dann in einer Selbstanalyse herausfinden, was sie eigentlich können, ist schon viel gewonnen.

Dr. Joachim S. Heise, AdL (Obmann Berufliche Orientierung am WBG)

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