Diagnose: Vernachlässigte Datenströme

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DEBATTE

Sollte im Peer-Review die Identität offengelegt werden? JA die Korrektheit, Integrität und Vertrauenswürdig- NEIN Peer-Review ist eine schlechte Antwort auf

Foto: zVg

keit von Forschungsergebnissen geworden. Ich bin überzeugt, dass die Offenlegung der Identität der Gutachtenden das Vertrauen in den wissenschaftlichen Prozess weiter stärken kann. In der Anfangszeit der Open-Access-Bewegung war ein gegnerisches Hauptargument: Wenn die Forschenden für die Veröffentlichung ihrer Artikel zahlen müssen, verleitet das die Fachzeitschriften zu laschem Peer-Review und dazu, mehr minderwertige Artikel zu publizieren. Die neuen Open-Access-Journals wollten dieses Argument mit einem strengen Review entkräften, weshalb sie die Gutachtenden nun namentlich aufführen. Eine revolutionäre Taktik! Niemand konnte mehr behaupten, dass diese Zeitschriften unerfahrene Gutachtende einsetzten. Die Namensnennung war der Beweis für einen seriösen Prozess, denn dadurch stand jeweils der Ruf der betreffenden Person auf «In offenen dem Spiel. Für Open Access war die Offenlegung der Identität entscheidend, Systemen kommt um Glaubwürdigkeit zu schaffen – eine es auf die Identität Lektion für alle Fachzeitschriften. der Gutachtenden In Zukunft könnte die Preprint-Kulan, denn hinter tur wegweisend sein für diese Frage: Fachwissen und Seit zehn Jahren stellen immer mehr fundierten Forschende eine frühe Version ihrer Kenntnissen steht Arbeit als Preprint online. Diese öffentjahrelange harte lich zugänglichen Artikel können auf Plattformen geteilt, diskutiert, zitiert Arbeit.» und kritisch kommentiert werden – beStephanie Dawson gonnen bei einfachen Tweets bis hin ist Geschäftsführerin von zu vollwertigen Reviews etwa auf Pre Science Open, einem Review oder Scienceopen. In solch ofStart-up, das Open-Accessfenen Systemen kommt es auf die IdenVerlage und Forschende tität der Gutachtenden an, denn hinter vernetzt und Ideen für fundierten Kenntnissen steht jahrewissenschaftliches lange harte Arbeit: Es spielt eine Rolle, Publizieren entwickelt. ob ein Kommentar von einer führenden Wissenschaftlerin mit viel Erfahrung oder einem jungen Forscher mit sehr punktuellen Kenntnissen stammt. Vertrauen in die Forschenden, den wissenschaftlichen Prozess und die veröffentlichten Daten ist zentral, damit wir die Herausforderungen in einer zunehmend globalisierten und dezentralisierten Welt bewältigen können. Gutachtende sollen zu ihren Reviews stehen.

Die Identifizierung von Gutachtenden im

eine falsch gestellte Frage. De-Anonymisierung mag Vertrauen fördern, aber bringt es eine bessere Begutachtung her? Böswillige, unsorgfältige oder anderweitig für die Gutachtenden selbst peinliche Reviews sind die Ausnahme. Weiter verbreitet sind hingegen eine Vielzahl von Bias, denen die Gutachtenden unterliegen. Manche davon sind wissenschaftlich gerechtfertigt, wie etwa strengere Urteile im Spezialgebiet, manche davon sind es nicht, wie etwa sprachliche Geschmacksurteile. Gutachtende können solche Bias jedoch nicht ein- oder ausschalten, egal, ob ihre Identität offen­- «Das wäre ein gelegt ist oder nicht. sinnvoller Einsatz Falsch gestellt ist die Frage, da Probfür Lotterien: leme an individuellen Verantwortlichzur zufallsbasierten keiten festgemacht werden. Das PeerReview ist schon lange kein aristokrati- und damit diversches – peerage bezeichnet den engli- seren Auswahl von schen Hochadel – Zensurinstrument Gutachtenden.» mehr wie in seinen historischen Anfän- Martin Reinhart gen. Peer-Review ist zur verfahrens- ist Professor am Robert-K.förmig organisierten Bewertungsinfra- Merton-Zentrum für struktur geworden, über die moderne Wissenschaftsforschung an Wissenschaftssysteme gesteuert werden. der Humboldt-Universität Aristokratisch geblieben ist nur der An- zu Berlin. Er forscht spruch auf Kollegialität: Wen ich heute zu Begutachtungsverfahren wohlwollend begutachte, der begutach- in der Wissenschaft und tet mich morgen auch wohlwollend. Peer-Review. Berechtigt ist hingegen die Kritik, dass die Gutachtenden zu wenig divers sind. Dies zu beheben, ist aber keine Frage der Transparenz, sondern der Kosten und der Motivierung. Motiviert zur Begutachtung ist nur, wer intrinsisch eine dauerhafte Zukunft mit guten Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sieht oder extrinsisch durch Karrierefortschritt oder Bezahlung belohnt wird. Einfacher wäre die gezielte Rekrutierung marginalisierter Gruppen. In der Wissenschaft hiesse das aber, nicht nur auf Geschlechter-, Alters- oder Nationalitätsquoten zu achten, sondern auch auf marginalisierte Theorien, Methoden, Fragestellungen oder Disziplinen, die nicht simplistischen Exzellenzkriterien entsprechen. Wenn es in der Wissenschaft einen sinnvollen Einsatz für Lotterien gibt, dann beim Peer-Review: zur zufallsbasierten und damit diverseren Auswahl von Gutachtenden. Juni 2022

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Foto: Sarah Wiltschek

Peer-Review ist mehr und mehr zum Garanten für


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