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Juli / Aug. 2015
Wirtschaft. Gemeinsam. Denken.
WEITERE THEMEN:
Sarah Wiener: Was in der VeganIndustrie falsch läuft =========================
Kampf ums Kondom: Der bizarre Streit zweier Unternehmen =========================
ERZIEHUNG: ======================
Wie man Kindern Umweltschutz näherbringt
Ver trau mir! Vertrauen wird in der Wirtschaft immer wichtiger. Wie Unternehmen darum kämpfen und wann Kunden ihnen trauen können
Deutschland € 8,90 BeNeLux € 8,90 Schweiz sfr 17,50 Österreich € 8,90
Bio-Marken: Wie die Pioniere ihre Nachfolge regeln
© DB AG/JET-FOTO Kranert
Mehr Sonnenenergie für mehr Klimaschutz: Solaranlagen auf DB-Flächen liefern sauberen Strom. Die DB stellt Dach- und Freiflächen zur Gewinnung von Strom aus Photovoltaikanlagen zur Verfügung. Auch im Bahnstrom steigern wir den Anteil erneuerbarer Energien: Im Jahr 2014 lag dieser bei rund 40 Prozent. Damit haben wir unsere Zielmarke von 35 Prozent bereits sechs Jahre früher erreicht. Bis 2050 soll der Strom für unsere Züge komplett CO2-frei sein.
Für Menschen. Für Märkte. Für morgen.
Seite 5
Editorial
Gier nach Vertrauen
V
ter, als ein Radfahrer über das Wort fuhr, brachten andere es wieder in Form. Und abends steckten ein paar Jugendliche das Geld nicht selbst ein, sondern gaben es einem Obdachlosen. Die Menschen wollen vertrauen, so sagen es Psychologen. Es ist eine Art Standardeinstellung. Sie hilft uns dabei, den Alltag mit all seinen Komplexitäten zu meistern. Was für persönliche Beziehungen gilt, ist für die Wirtschaft nicht weniger wichtig. Auch Geschäftsmodelle basieren auf gegenseitigem Vertrauen, ebenso das Verhältnis zwischen Angestellten und Vorgesetzten. Insofern ist es nur folgerichtig, wenn Unternehmen um das Vertrauen der Kunden werben, ja, geradezu danach gieren. Zugleich zeigen Umfragen, dass eben dieses Verhältnis in einigen Branchen empfindlich gestört ist, etwa bei Banken und Lebensmittelherstellern. Vergangene Krisen und Skandale wirken noch nach. Wozu das führt und wohin sich die Kunden wenden, hat unser Autor Constantin Wißmann recherchiert (ab Seite 16). Fündig wurde er vor allem dort, wo es den Menschen leicht gemacht wird, Handlungen zu verstehen und Produktionen zu überblicken. Etwa bei Lebensmitteln, die aus der Region stammen – und deren Herstellung man, bei Zweifeln, selbst überprüfen kann. Und wem vertrauen Sie? Schreiben Sie mir: mw@enorm-magazin.de Herzlichst, Ihr
MARC WINKELMANN, CHEFREDAKTEUR
D VO IE N NÄ e C AM no HS T 21 rm E A == . A ER US == UG SC G == U H AB ST EI E N T
COVER Martha von Maydell FOTO Paolo Castagnola
or einem Jahr hat der Künstler Ralf Kopp 54 000 Ein-Cent-Münzen auf den Fußweg neben der Frankfurter Katharinenkirche gelegt. Nicht willkürlich, nicht auf einen Haufen, sondern zu Buchstaben geformt. Sie bildeten das Wort Vertrauen. „Gier frisst Vertrauen“ nannte er sein Experiment. Um 12 Uhr mittags überließ er das Geld sich selbst. Etwa 14 Stunden später war es verschwunden. Trotzdem zog Kopp ein positives Fazit, denn er hatte auch Erstaunliches beobachtet. Zum Beispiel, dass die Passanten zunächst Münzen dazulegten. Es war, als wollten sie das Vertrauen stärken. Spä-
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Titelgeschichte
Kontrolle ist gut.
Vertrauen ist besser
In der globalisierten Wirtschaft wird Vertrauen immer wichtiger. Unternehmen, die die Wünsche der Menschen ernst nehmen, können profitieren. Aber auch die Kunden müssen etwas lernen: Gelassenheit TEXT Constantin Wißmann
ILLUSTRATION Kaja Paradiek
Seite 7
Titelgeschichte
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Titelgeschichte
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Titelgeschichte
J
eden Dienstag erlebt Fuhlenhagen, ein beschauliches Dorf in Schleswig-Holstein, eine Invasion. In ihren Kombis und Vans kommen sie angefahren aus dem 40 Kilometer entfernten Hamburg und dessen Speckgürtel, aus Geesthacht, aus Glinde oder Ratzeburg, alte und junge Menschen, allein, zu zweit oder mit den Kindern. An der Dorfstraße folgt ein Bauernhofgelände auf das nächste. Warum biegen die Autos ausgerechnet bei diesem, beim Buschberghof ab? Die roten Klinkerbauten, die grünen Scheunentore, der gepflasterte Vorplatz mit der grünen Wiese, so sehen die anderen Höfe auch aus. Kein Schild weist darauf hin, dass hier irgendetwas besonderes passiert. Doch dann, wenn man die Autotür öffnet, der Duft! Es riecht nach frischem Brot. Komplex und intensiv riecht es, erdig irgendwie, ein bisschen nach Moos, aber auch nach Butter und Rauch. Es ist, als hätte dieser Duft die Menschen in ihren Wagen die Autobahn und Landstraßen entlang hierher gezogen, und das stimmt auch, zum Teil zumindest. Denn da ist noch etwas anderes, etwas, das die Menschen noch stärker anzieht, was aber ähnlich schwer zu beschreiben ist wie ein Duft, weil es ähnlich flüchtig und diffus ist. Ein Gefühl, für jeden anders, obwohl alle wissen, was damit gemeint ist: Vertrauen. Vertrauen wird oft als Schmiermittel der Wirtschaft bezeichnet. Denn welches Produkt jemand kauft und welches nicht, ist eine Frage des Vertrauens. Vertraue ich darauf, dass die Ware meine Erwartungen befriedigt? Dass Kunden diese Frage mit „Ja“ beantworten, ist für Firmen entscheidend. Deshalb werben Banken und Versicherungen, Industrieunternehmen und Dienstleister darum wie Freunde oder Liebespartner. Vertraue mir, sagen Anzeigen und Kampagnen, ich meine es gut mit dir, schließlich ist „Vertrauen der Anfang von allem“ (Deutsche Bank). Und habe keine Angst, die ganze Welt vertraut uns ja schon (Bayer), ja, wir schaffen sogar Vertrauen (Schufa). Oft werben diejenigen am meisten darum, die unter Vertrauensverlust leiden. Denn tatsächlich sinkt das Vertrauen in die Wirtschaft und das Misstrauen steigt. Das ist das Ergebnis nahezu aller Studien zum Thema Verbrauchervertrauen – zum Beispiel des GPRA-Vertrauensindex, den der Verband der führenden Kommunikationsagenturen mit PR-Schwer-
punkt, jährlich aufstellt. Wenn man sich anschaut, was so alles passiert ist in den vergangenen Jahren, verwundert das kaum: Bankenkrise, Fehlberatung bei Geldanlagen, Lebensmittelskandale, die Aufdeckung miserabler Produktionsbedingungen, der systematisch aufgezogene Vertrieb von Schrottimmobilien, Rückrufaktionen und so weiter. Selbst die aus Verbrauchersicht „vertrauenswürdigsten Branchen“ wie etwa die Automobilhersteller erhalten im Index nur rund 40 von 100 möglichen Punkten. Noch schlechter steht es um Energieversorger, Banken und vor allem Lebensmittelhersteller. Was unter anderem dazu führt, dass so viele Menschen sich jeden Dienstag zum Buschberghof aufmachen. Den Duft verbreiten die Brote, die hier in etwa zehn Varianten – Schwarz- oder Dinkelschrot-, Misch- oder Buttermilchbrot – in der eigenen Bäckerei gebacken werden. Auch sonst gibt es auf dem Buschberghof alles, was man braucht. Obst, Getreide und Gemüse von den Äckern, Milch und Käse von den Kühen, Fleisch von Hühnern und Schweinen. Die Menschen können in Ruhe zusammensuchen, was sie brauchen. Die Schnäppchenjagd fällt aus, bezahlt ist alles nämlich schon. Jedes Jahr berechnen die Landwirte, die sich zu einer Gesellschaft
Ein Gefühl, flüchtig, diffus und doch allbekannt: Vertrauen
Mehr dazu im neuen Heft 3 _2015 ========================
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Unternehmen & Gesellschaft
„Niemand rettet euch!“ Der Ökonom Jeffrey Sachs berät die Vereinten Nationen und Regierungen weltweit im Kampf gegen die Armut. Viele Politiker, sagt er, hätten mehr Interesse an Wählerstimmen als an Entwicklungshilfe
An diesem Tag Mitte Mai ist Jeffrey Sachs der Star. Der Wirtschaftswissenschaftler hält bei der „Bonn Conference for Global Transformation“ den Hauptvortrag. Sachs ist unterhaltsam, seine Rede gespickt mit Anekdoten. Seine Tochter, die er mit nach Deutschland gebracht hat, kennt die Argumente ihres Vater offenbar gut: Sie spielt derweil auf ihrem Tablet. Für enorm nimmt sich Sachs vorher noch Zeit. Im Gespräch ist er zugewandt, aufmerksam und warmherzig. Die Empörung über die Gleichgültigkeit der Welt gegenüber den Armen nimmt ihn so gefangen, dass er wegen des Interviews fast seinen Auftritt verpasst. Herr Sachs, Sie haben maßgeblich die Nachhaltigkeitsziele mitentwickelt, die im September von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet werden sollen. Der Kampf gegen Armut steht dabei an erster Stelle – wie schon bei den Millenniumszielen. Passiert denn immer noch zu wenig? Klar gibt es manchmal Hilfe. Aber ich bin nach 30 Jahren Arbeit in der Entwicklungspolitik Realist geworden. Die Welt ist von Vernachlässigung geprägt, nicht von Aufmerksamkeit. Armen Ländern sage ich deshalb ganz klar: Niemand kommt, um euch zu retten! Papst Franziskus hat dazu etwas Schockierendes und Bedenkenswertes gesagt: Die Welt leide unter der Globalisierung von Gleichgültigkeit. Damit meint er, dass wir so reich geworden sind, dass wir oft die Schreie der Armen nicht hören.
Die „New York Times“ schreibt, Sie seien der „vermutlich wichtigste Ökonom der Welt“. Sie haben mehr als 125 Länder besucht und Regierungen beraten. Was hören Sie hinter den Kulissen, wenn es um Hilfen für die Armen geht? Politiker sagen oft schockierende Sätze, zum Beispiel: „Wir können nicht mehr Entwicklungshilfe leisten, sonst bekom======================== JEFFREY SACHS, 60,
ist unter anderem Direktor des Earth Institute und Professor für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University. Der Ökonom mit Harvard-Abschluss gilt als einer der weltweit führenden Experten für wirtschaftliche Entwicklung und den Kampf gegen Armut. Seit 30 Jahren berät er weltweit Regierungen zu diesen Themen, auch den Vatikan. Er ist zudem Sonderberater für die „Millennium Development Goals“ des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon. Mit Schauspielerin Angelina Jolie und den Sängern Bono und Madonna reiste Sachs nach Afrika und schrieb Bestseller wie „Das Ende der Armut“ (2005) und „Wohlstand für viele“ (2008)
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men wir keine Wählerstimmen.“ Sie fürchten tatsächlich, dass den Wählern die eigenen Probleme wichtiger sind. Aber meine Erfahrung ist eine ganz andere. Ich bin sicher, dass die Menschen bereit sind zu helfen. Wenn die Europäer sehen, dass Menschen aus Verzweiflung über das Mittelmeer
flüchten und ertrinken, dann verstehen sie, dass wir beim Aufbau ihrer Wirtschaft helfen müssen. Als Großbritannien 2014 etwa als einziger G-7-Staat beschloss, das UNZiel umzusetzen und 0,72 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in Entwicklungshilfe zu stecken, unterstützten die Briten das – denn es spiegelt ihre Werte wider. Trotzdem passiert noch zu wenig. Das Problem ist, dass weder die nationale noch die internationale Politik die Wünsche der Mehrheit erfüllen geschweige denn die Bedürfnisse der Armen berücksichtigen: Aus marktwirtschaftlicher Sicht haben sie nämlich kaum Bedeutung und darum politisch keine Lobby. In den USA zum Beispiel fordern Bürger seit langem mehrheitlich, dass die Reichen höhere Steuern zahlen sollten. Stattdessen aber erhalten diese Steuersenkungen, weil sie Wahlkämpfe und politische Kampagnen finanzieren. Arme Menschen hingegen wählen oft gar nicht. In vielen Bundesstaaten braucht man beispielsweise zur Identifikation einen Führerschein mit Foto, viele besitzen allerdings keinen. Solche Gesetze werden von reichen Menschen gemacht, um die Armen vom Wählen abzuhalten. Diese Bevölkerungsschicht ist darum auch nicht im Wahlergebnis repräsentiert. Wie reagieren Politiker auf Ihre Vorschläge und Ideen? Sie sehen meine Empfehlungen oftmals erst skeptisch. Wenn ein Projekt aber erfolgreich verläuft, tun sie so, als hätten sie
FOTO James Hill/laif
INTERVIEW Heike Janssen
Seite 11
Unternehmen & Gesellschaft
„Arme Menschen haben aus marktwirtschaftlicher Sicht kaum Bedeutung und darum politisch keine Lobby“
Mehr dazu im neuen Heft 3 _2015 ========================
Jeffrey Sachs bereist die Länder der Welt, um Regierungen zu beraten. Hier besucht er ein Millenniumsdorf in Kenia
Die Schlepper von Melilla In der spanischen Exklave im Norden Marokkos blüht der illegale Handel. Für ein bisschen Leben tragen auch alte Frauen 80 Kilo schwere Bündel von Europa nach Afrika TEXT Diana Laarz
FOTOS Sascha Montag / Zeitenspiegel
Seite 13
Unternehmen & Gesellschaft
Grenzgängerin: Vier Tage in der Woche schleppt die 73-jährige Habiba Uardani (li.) Warenbündel über die europäisch-afrikanische Grenze
PORTUGAL
SPANIEN
Sevilla Málaga
Mittelmeer
Gibraltar Ceuta (span.) Tangier
Melilla (span.)
Melilla SPANIEN
Atlantischer Ozean
Verlauf des Grenzzauns
MAROKKO Fes
ALGERIEN
Casablanca
W
ie die Tiere“, sagt der Polizist und zückt seinen Knüppel. „Wie die Tiere“, sagt der Lastenträger und stürzt sich zurück ins Getümmel, wo die Menschen schubsen, stoßen, vorwärts drängen. Wie die Tiere, denkt man bald selbst. Und: Warum stellen die sich nicht vernünftig an? Können sie nicht. Wollen sie nicht. Ist vielleicht auch nicht der richtige Ort für die Sehnsucht nach ein bisschen Ordnung. Das hier ist Melilla, genannt „Melilla, die Alte“, spanischer Außenposten der „Festung Europa“ auf marokkanischem Boden. Nichts soll hineingelangen in diese Festung. Einiges darf aber hinaus. Altkleider zum Beispiel, Turnschuhe, Reifen, Decken. Und damit der Handel möglichst wenig kostet, heuern die Händler Menschen an, die – bepackt wie Lastenesel – Waren in großen Bündeln über die Grenze schleppen. So lassen sich die teuren Einfuhrzölle umgehen. Alltag an der europäisch-afrikanischen Grenze. Wir treffen dort Habiba Uardani, 73 Jahre alt, ein Gesicht mit Falten wie mit einem Meißel hineingetrieben. Auf ihrem Rücken trägt sie, eingeschlagen in ein Tuch, einige Wolldecken, die Enden des Tuches hat sie vor ihrer Brust zusammengeknotet. Das Paket ist viel breiter als ihr Rücken. Mit ihrem ausgezehrten Körper stemmt sich Habiba Uardani gegen den Druck der Menschenmasse, die sie zu überrollen droht. Eine Frage, zugerufen durch den Tumult: „Habiba, ist diese Arbeit nicht zu schwer für eine alte Frau?“ Habiba Uardani führt ihre Hand zum Mund, als würde sie Erdnüsse knabbern. Soll heißen: Sie muss doch Geld zum Essen verdienen. Dann verschluckt die Menschenmenge die Frau und ihr Bündel. Melilla ist seit 1497 in spanischem Besitz. 13 Quadratkilometer Europa in Marokko. 85 000 Menschen leben hier – etwa so viele wie in Tübingen.
Die Stadt war eine der beliebtesten Baustellen der spanischen Gründerzeit-Architekten. Hier erhoben sich 1936 Soldaten unter General Francisco Franco gegen die Zweite Spanische Republik und lösten damit den Spanischen Bürgerkrieg aus. Ein geschichtsträchtiger Ort. Heute ist Melilla eine Stadt, in der Europa und Afrika aufeinanderprallen. Mit all der Schizophrenie, die dazugehört. Berühmt wurde ein Foto, auf dem Bewohner von Melilla zu sehen sind, die in aller Seelenruhe auf dem städtischen Golfplatz putten, während im Hintergrund eine Gruppe Flüchtlinge versucht, den Grenzzaun zu erklimmen. „Zaun“ ist eigentlich eine Verniedlichung für das elf Kilometer lange Bollwerk, das Melilla umschließt. Drei Zäune sind es, hintereinander, bis zu sechs Meter hoch, stacheldrahtbewehrt und mit Maschen so klein, dass kein Finger hineingreifen kann. Europas Abwehr gegen ungebetene Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten. Für das, was trotzdem über die Grenze soll, gibt es rund um Melilla vier Löcher im Zaun – vier Grenzübergänge. Über einen gehen die marokkanischen Kinder, die spanische Schulen besuchen. Über den nächsten läuft der Warenhandel mit Lkw. Den dritten benutzen vor allem marokkanische Arbeitskräfte, die in spanischen Restaurants und Haushalten ihr Geld verdienen. Der vierte mit Namen Barrio Chino ist auch für den Handel da. Für die Marokkaner ist das illegal, wird jedoch von spanischer Seite geduldet. Offiziell spricht man dort von „atypischem Handel“. Zehn Uhr vormittags am Grenzübergang Barrio Chino: Vor einer Stunde haben ein paar Männer die faustgroßen Schlösser am Grenzzaun gelöst, noch zwei weitere Stunden wird der Übergang offen sein. Auf spanischer Seite sind zunächst die Menschen zu hören, die sich vor dem Übergang drängen. Kreischen, Pfeifen, dann anschwel-
Bollwerk gegen die Armut: Mit einem zehn Kilometer langen Grenzzaun schirmt sich die spanische Exklave Melilla vom Nachbarland Marokko ab. Ein paar Stunden am Tag steht die Grenze für den Handel offen
lendes Surren und das dumpfe Klatschen von Gürteln und Knüppeln auf Plastiksäcke. Dann sind sie zu sehen: Hunderte Marokkaner drücken sich der Drehtür am Grenzübergang entgegen. Jeder von ihnen hat ein Bündel dabei, manch eines wiegt 80 Kilogramm. Die Träger balancieren die Packen auf ihren Rücken, sie werden ganz krumm unter dem Gewicht. Sie wuchten die Pakete über die Schultern und Köpfe ihrer Vorderleute und steigen hinterher. Einige haben ein dünnes Skateboard dabei und schieben den Packen darauf wie einen störrischen Esel an. Eine Frau sinkt mit einem Asthmaanfall zu Boden, einem jungen Mann fließt das Blut von einer Platzwunde am Kopf den Hals hinab, ein anderer führt seinen blinden Freund an der Hand. Die Menschen drängen sich durch einen immer schmaler werdenden Gang. Gebändigt nur durch etwas, das einmal ein Zaun war. Die Löcher sind gestopft mit Paletten, Planen und Brettern. Von oben hängen die Fetzen eines zerstörten Sonnenschutzes herab. Ein paar Männer der spanischen Guardia Civil, der M i l it ä rp ol i-
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Was Hänschen nicht lernt Es ist nicht leicht, Kindern Nachhaltigkeit näher zu bringen – zumal der Alltag voller Widersprüche ist. Ein paar Ideen, wie es gelingen kann, gibt es aber TEXT Anja Dilk & Heike Littger
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erdammt. Egal, was man kauft, irgendwo gibt es immer einen Haken, sagt Daniel Hautmann. Der Apfel für den Babybrei kommt aus Chile und lässt durch das viele Transport-CO2 die Pole schmelzen. Den Reifen fürs Fahrrad haben Kinderhände in Bangladesch produziert. Vor zwei Jahren hat der Hamburger Journalist, der auch für enorm arbeitet, mit seiner Frau Coco entschieden: Lass uns für ein Jahr abhauen. Abstand gewinnen und Antworten finden auf die Fragen: Was ist
ILLUSTRATION Eva Plaputta
uns eigentlich wichtig? Was leben wir unseren beiden Söhnen vor? Und: Ist es möglich, umweltfreundlicher und sozial verträglicher zu leben, ohne allen den Spaß am Leben zu nehmen? Im April 2013 fiel der Startschuss zur großen Reise im selbstausgebauten Bus. Einmal haben die Hautmanns einen Monat lang auf Plastik verzichtet, einmal einen Monat lang vegan gelebt. In Marokko gab es viele arme Menschen zu sehen, an Portugals Stränden angeschwemmten Wohlstandsmüll. Inzwischen ist Hautmann zurück, er
sagt: „Es ist nicht wirklich einfacher geworden, jeden Tag die richtigen Entscheidungen zu treffen, aber die Zusammenhänge sind klarer. Uns allen.“ Wenn sein älterer Sohn, heute sechs Jahre alt, unbedingt ein Smarties-Eis haben will, weiß er, dass es da ein Problem mit der Kunststoffverpackung gibt. „Manchmal entscheidet er sich um“, so Hautmann, „und wir essen beim Italiener ein Eis in der Waffel.“ Nachhaltig leben mit Kindern – wie geht das? Die Verlockungen und Stolperfallen scheinen riesengroß zu sein. E rdbeeren
Seite 17
Verbraucher
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Weitere Highlights der Ausgabe 3_2015 AUFTAKT Am Anfang » ............................................................... Seite 6 Wann läuft die Milch ab? Passt die Krawatte zum Hemd? Eine App hilft Blinden per Videochat, solche Probleme zu lösen
UNTERNEHMEN & GESELLSCHAFT Wer hat den Längsten? »...................................... Seite 30 Zwei Unternehmen streiten darum, wer das erste nachhaltige Kondom herstellt. Eine Geschichte über Fairness
„Niemand rettet euch!“ » ..................................... Seite 34 Die Welt ist geprägt von Vernachlässigung, sagt US-Ökonom Jeffrey Sachs im Interview. Hoffnung hat er trotzdem
VERBRAUCHER In Luft aufgelöst » ................................................. Seite 82
Immer mehr Unternehmen bieten ihren Kunden an, den CO2Verbrauch zu kompensieren. Worauf man achten muss
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