enorm 02 Mai / Juni 2015

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Mai / Juni 2015 Nummer 2

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Mai / Juni 2015

Wirtschaft. Gemeinsam. Denken.

WEITERE THEMEN:

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Anti-Kapitalismus: Naomi Klein über radikale Optionen

enorm

Wirtschaft. Gemeinsam. Denken.

Das perfeckte Ich

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Wilderei: Das tödliche Geschäft mit Nashorn und Elfenbein

ERNÄHRUNG: ======================

Ohne Laktose & Co.: Was bringt das Weglassen?

DAS |CH

Gesundheit, Kinder, Karriere – wie wir uns selbst optimieren und was wir dabei vergessen

Deutschland € 8,90 BeNeLux € 8,90 Schweiz sfr 17,50 Österreich € 8,90

Candle-Light-Dinner: Wie McDonald's die Krise bekämpft


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Wirtschaft. Gemeinsam.Denken.

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Editorial

Kurswechsel

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ir haben früh aufs Recycling gesetzt und bei der Energiewende sind wir Pioniere. Man könnte also meinen, dass wir Deutschen gegenüber weiteren Ideen des Klimaschutzes aufgeschlossen sind. Mitnichten. Für diese Ausgabe haben wir knapp 100 Städten, Universitäten, Stiftungen und Kirchen fünf Fragen gestellt. Wir wollten wissen, in welche Unternehmen sie ihr Vermögen investiert haben – und ob sie als institutionelle Anleger, die auch mit Steuergeldern arbeiten, die Kohle-, Öl- oder Gasindustrien unterstützen. Eine Kampagne, die darauf abzielt, Investoren zum Umdenken zu bewegen und klimaschädli-

Je die Ge tzt des Un winner ter Wettbe nehmerw bestim erbs men! w w w.e norm -m

chen Branchen das Geld zu entziehen, stammt aus den USA. Sie läuft seit drei Jahren und erzielt in zahlreichen Ländern bemerkenswerte Erfolge. An Deutschland beißen sich die Initiatoren allerdings die Zähne aus. Unsere Umfrage zeigt: Es gibt Verantwortliche, die das Problem erkannt haben. Viele sind es aber nicht. Sicherheit und Rendite, das suchen die Anleger. Dagegen ist zunächst nichts zu sagen. Wenn das Investment aber auf diese zwei Kriterien reduziert wird, läuft etwas falsch (ab Seite 72). Oder ist die Kampagne zum Scheitern verurteilt – weil sie ohnehin zu wenig bewirken würde? Die Aktivistin und Journalistin Naomi Klein fordert, tiefer anzusetzen. Sie will den Kapitalismus abschaffen. Dass das utopisch klingt, weiß sie. Andererseits sei der Klimawandel so weit fortgeschritten, dass es „nur noch radikale Optionen“ gebe (Seite 36). – Was meinen Sie? Hilft inzwischen nur die Vollbremsung oder haben wir den richtigen Kurs bereits eingeschlagen? Schreiben Sie mir: mw@enorm-magazin.de Zum Schluss noch ein Hinweis auf unseren Wettbewerb für Sozialunternehmer: Vier Start-ups sind im Finale – jetzt bestimmen Sie den Sieger. Die Porträts der Kandidaten und das Voting finden Sie unter www.enorm-magazin.de/voting.

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MARC WINKELMANN, CHEFREDAKTEUR

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FOTO Paolo Castagnola

Herzlichst, Ihr


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Titelgeschichte

Projekt Ich Schöner, gesünder, optimierter – immer mehr Menschen arbeiten verbissen an sich selbst. Auch aus Angst, abgehängt zu werden. Darüber vergessen wir, dass es etwas viel Wichtigeres zu verbessern gilt TEXT Julia Friedrichs

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FOTOS Julius Steffens/bobsairport

ls ich ein Kind war, verliefen nicht nur der Anfang und das Ende des Tages nach einem wiederkehrenden, verlässlichen Muster, sondern auch die Mitte hatte ihr Ritual: Meine Familie aß gegen 13 Uhr. Dann räumten wir den Tisch ab. Dann legte mein Vater sich auf die Couch. Er hielt Mittagsschlaf. An einem Abend, beim Wein, erzählte ich Freunden von dieser Angewohnheit, die mir gewagt und beneidenswert zugleich erschien. Eine Freundin sagte: Mein Vater hat’s genauso gemacht. Ein anderer Freund gestand: Meiner auch, das hatte ich ganz vergessen.

Wir kicherten, als hätten wir uns von geheimen Drogenerfahrungen unserer Eltern berichtet. Mittag für Mittag, nachdem erst die Hälfte des Tagewerks erledigt ist, zu ruhen – das erschien uns fern, wie eine Erzählung aus einer anderen Epoche. Einfach Pause machen? Ohne zu arbeiten? Mails zu checken? Sport zu treiben? Ohne auch nur einen Punkt auf der Todo-Liste abzuhaken? Die hatten Nerven, dachten wir. Und: Heute wäre das unmöglich. Dabei trennt uns nur eine Generation. Dabei sind unsere mittagsschlafenden Väter gerade erst in Rente


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Titelgeschichte

Luft nach oben ist immer: Und trotzdem sind viele Menschen heute entschlossen, mit Hilfe von Ratgebern und Apps, Pillen und Programmen, das Bestmรถgliche aus sich herauszukitzeln. Doch wer aus sich einen Superhelden machen will, merkt schnell, dass die nur selten mal die Beine baumeln lassen


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Titelgeschichte

gegangen. Auch sie hatten Arbeit, Kinder, viel zu tun – wie wir. Was ist seitdem eigentlich passiert? Warum fanden sie die Muße, sich auf dem Sofa auszustrecken? Und wir nicht? Wenn ich meinen Vater nach seinem Leben frage, wenn ich wissen will, wie er seine Karriere geplant hat, warum er sich entschied, in der Stadt zu bleiben, in der er geboren wurde, warum er genau in der Straße, in der ich aufwuchs, ein Haus gebaut hat, dann antwortet er oft: Na ja, das kam halt so. Dann denke ich: Das kam halt so? Und merke, dass uns viel mehr trennt als der eingesparte Mittagschlaf. Denn ich weiß: Uns soll nichts „halt so“ passieren. Der Drang, unser Leben im Griff zu haben, zu managen, zu planen, ist viel beschriebener Zeitgeist. Unsere soziale DNA. „Wenn es so etwas wie ein allgemeines Credo in den westlichen Demokratien gibt, dann dieses: Du musst immer besser werden“, schreibt der Journalist Klaus Werle in seinem Buch „Die Perfektionierer.“ Wir, stellt er fest, sehen uns als Unternehmer des eigenen Selbst. Und betrachten unsere Leben folglich als „etwas, das sich verfeinern, überarbeiten und verbessern lässt“, analysiert die Philosophin Renata Salecl. Dieser Idee hätten wir unsere Identität komplett unterworfen, meint der Psychoanalytiker Paul Verhaeghe. Es zähle nur eins: „Du musst dich selbst erschaffen“, schreibt er. Wir seien, so der Soziologe Hartmut Rosa, getrieben von dem Anspruch „möglichst viele Optionen zu realisieren aus jener unendlichen Palette der Möglichkeiten, die die Welt uns eröffnet“. Die amerikanische Journalistin Jennifer Niesslein ist 32. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem siebenjährigen Sohn in einem hübschen Haus, hat einen Job, der ihr Spaß macht, aber zu wenig Geld einbringt, hat nicht viele, aber enge Freunde. Sie schreibt: Meistens fühle ich mich okay, ein bisschen besser als neutral. Und sie fragt sich: Reicht mir das? Könnte ich nicht viel glücklicher sein? Erfolgreicher? Vermögender? Ein besserer Mensch? Müsste ich mir nicht einfach nur mehr Mühe geben? Jennifer Niesslein startet ein zweijähriges Experiment. Sie unterzieht ihr Leben einer gründlichen Prüfung und versucht mit Selbsthilfe-Büchern und Optimierungsprogrammen alles, wirklich alles zu perfektionieren. Ihr Haus? Ist gemütlich, aber schlampig. Niesslein entrümpelt, ordnet neu, engagiert einen Online-Coach, der sie mehrmals täglich an ihre

Wie hole ich das Optimum heraus aus diesem Tag?

„Chaos-Hotspots“ erinnert. Ihre Ehe? Ist prima, aber manchmal etwas eingeschlafen. Niesslein liest SexRatgeber und quält sich und ihren Mann durch Beziehungstrainings. Ihr Körper? Gefällt ihr eigentlich. Aber sie ist zu dick und fühlt sich oft schlaff. Sie beginnt mit einem täglichen Acht-Minuten-WorkoutProgramm, verweigert sich Kohlenhydrate und das abendliche Bier. So geht es weiter: Finanzen, Freundschaften, Kindererziehung, Gefühlshaushalt. Niesslein arbeitet sich, wenn ich mich nicht verzählt habe, durch sagenhafte 43 Selbsthilfe-Ratgeber. Und mit jedem Programm wächst das Gefühl, noch mehr tun zu müssen, noch mehr verbessern zu können. Jennifer Niessleins Experiment liest sich lustig, aber natürlich ist es auch kalkuliert bizarr. Und so schlägt man das Buch darüber zu. Aber merkt, wie die Fragen bleiben: Sind wir von diesem Trip tatsächlich so weit entfernt? Jennifer Niesslein mag eine Streberin sein, aber letzten Endes sind wir doch alle ihre Klassenkameraden, oder? Stellen wir uns doch permanent ähnliche Aufgaben: Wie mache ich mehr aus meinem Leben? Wie organisiere ich meinen Tag effizienter? Wie werde ich leistungsfähiger? Fitter? Schöner? Schlauer? Gesünder? Wie hole ich das Optimum raus, aus diesem Tag, aus dem nächsten, aus jedem?

BESTANDSAUFNAHME

Werfen wir ein paar Blitzlichter, zuerst an den Anfang oder präziser: vor den Anfang des Lebens. Kinder entstehen heute nicht mehr „halt so“. Sie sind meist geplant, gewünscht. Es ist aus Sicht der allermeisten wohl unbestrittener Fortschritt, dass der Sex von der Geißel der ungewollten Schwangerschaft befreit ist. Wer aber in seinem Körper eine gerade befruchtete Eizelle zum Arzt trägt, der spürt, wie radikal wir den Anfang des Lebens der menschlichen Planung, dem Drang nach Perfektion unterworfen haben. Sofort werden Tests angekündigt, die den Zellhaufen auf Gesundheit prüfen. Messung der Nackenfalte? Fruchtwasseruntersuchung? Zu vage. Zu riskant. Nicht perfekt genug und damit sicher bald veraltet. Denn inzwischen steht ein Verfahren vor dem Durchbruch, das lange nach Science-Fiction klang: Mit einem nicht-invasiven Pränataltest können Ärzte schon vor der zehnten Schwangerschaftswoche das Erbmaterial des kaum fingergroßen Fötus auf Defekte überprüfen. Alles, was sie dazu brauchen, ist eine Blutprobe der Mutter. Solch ein Test kann Leid mindern: Spätabtreibungen nicht lebensfähiger Föten verhindern, die Zahl von Fehlgeburten minimieren. Aber solch ein Test führt den modernen Menschen an existenzielle Fragen:­


Der Weg zum Perfekten Ich ist lang: Optimieren lassen sich schließlich nicht nur Körper und Karriere, Partnerwahl und Familienplanung. Wer aber jeden Aspekt seines Lebens perfekt gestalten will, läuft Gefahr zu verlernen, auf seine Intuition zu vertrauen

Mehr dazu im neuen Heft 2 _2015 ========================


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Unternehmen & Gesellschaft

NAOMI KLEIN, 44,

wurde in Montreal, Kanada, geboren und wuchs in einer politisch aktiven Familie auf, sperrte sich zun채chst aber gegen deren Ideale: Ihre Jugend verbrachte sie vorwiegend in Shopping Malls. Erst als Studentin und Journalistin begann sie, sich zu engagieren


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Unternehmen & Gesellschaft

„Es gibt nur noch radikale Optionen“ Naomi Klein ist der Star der Globalisierungskritik. Jetzt fordert sie nichts weniger als die Abschaffung des Kapitalismus. Eine Begegnung TEXT Marc Winkelmann

FOTO Suzanne DeChillo/New York Times/Redux

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den friedlichen Zusammenschluss zweier Bestseller, der in 28 Sprachen übersetzt wurde, Bewegungen plädiert: Die Aktivisten, die beschrieb sie die Macht globaler Marken. In für Klimagerechtigkeit kämpfen, sollten „Die Schock-Strategie“ (2007) zeigte sie, wie sich mit den Kritikern der EU-Austeritäts- Marktradikale wirtschaftliche Schocks oder politik vereinen. Naturkatastrophen ausnutzen, um SozialKlimagerechtigkeit meint, dass systeme zu deregulieren und Privatisierunder CO2-Ausstoß sowie die Folgen der gen voranzutreiben. Erderwärmung weltweit gleichmäßig In „Die Entscheidung“ vertritt sie eine neue verteilt werden sollten. Was hat das mit Europas Sparpolitik zu tun? „Ich bin nicht optimistisch. Wir haben es mit einem Konflikt zwischen dem Kapitalismus und dem Klima zu tun. Ich habe nur noch nicht aufVor dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 hatte Europa bei der Bekämpfung des Kli- gegeben zu glauben, dass der mawandels eine Führungsrolle übernomWandel gelingen kann“ men. Südeuropa zum Beispiel boomte bei regenerativen Energien. Jetzt ist alles anders. In der Krise wird die Umwelt geopfert. Vor den Küsten Italiens und Griechenlands wird verstärkt nach Öl und Gas gebohrt, auch Fracking wird gefördert. Das sei nötig, damit die Länder ihre Schulden abbauen, heißt es. Die unnachgiebige Sparpoli======================== tik führt dazu, dass Regierungen nicht investieren können – die privaten Rohstoffproduzenten hingegen schon. Dabei ließen Frau Klein, in Ihrem Buch rufen sich mit dem Ausbau der erSie dazu auf, den Kapitalismus sofort neuerbaren Energien schnell und radikal zu verändern. Ist Gewalt Jobs schaffen. Deshalb sollten beide Bewegungen zusammen legitim, um dieses Ziel zu erreichen? Nein. Ich weiß nicht, was an dem Mor- arbeiten. gen in Frankfurt passiert ist. Ich bin am Nachmittag eingetroffen und meine BotBekannt geworden ist Naomi Klein schaft war auch eine andere. Ich habe für vor 15 Jahren mit „No Logo!“. In dem

ie Globalisierungskritikerin empfängt im Salon Bel Etage. Hier, im Designhotel Stue, mitten im Berliner Botschaftsviertel, hat der Verlag Naomi Klein einquartiert. Die Kanadierin ist in Deutschland, um ihr Buch „Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima“ vorzustellen. Es ist ihre jüngste Abrechnung mit dem Neoliberalismus, ihrem Lebensthema – diesmal verbindet sie es mit dem Klimawandel. Auf 700 Seiten plädiert sie dafür, „in großen Maßstäben zu denken, ganz tief unten anzusetzen und den erdrückenden Marktfundamentalismus zu beseitigen“. Der Grund: Nur so ließen sich die Folgen der Erderwärmung begrenzen. Die 44-jährige Aktivistin und Journalistin erzählt aber auch von Alternativen und Initiativen, die sich weltweit formen. Einige davon unterstützt sie. Ein paar Tage vor diesem Interview sprach sie bei der BlockupyDemonstration in Frankfurt, die sich gegen den harten Sparkurs der EU richtete, unter dem etwa die Griechen leiden. Während der Veranstaltung griffen Teilnehmer Polizisten an und setzten Streifenwagen in Brand. Mehr als 200 Personen wurden verletzt.

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Unternehmen & Gesellschaft

Tödliche

Gier

In Afrika ermorden Wilderer so viele Nashörner und Elefanten wie lange nicht mehr – angefeuert durch die Nachfrage nach Horn und Elfenbein aus Asien. Eine Spurensuche TEXT & FOTOS Kirsten Milhahn


Bodyguard in Tarnfarben: Die Ranger, die im kenianischen TsavoNationalpark auf Patrouille gehen, riskieren immer wieder ihr Leben f端r die Elefanten


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ine Wolke aus rotem Staub wirbelt auf, als Ian Craig seinen Geländewagen stoppt. Um ihn herum: trockenes Buschland, soweit das Auge reicht. Der Kenianer mit britischen Wurzeln kennt das Gebiet – er ist hier aufgewachsen. Und hier hat er auch die Lewa Wildlife Conservancy ins Leben gerufen, ein privates Naturschutzgebiet knapp vier Autostunden nördlich der Hauptstadt Nairobi. Craig lehnt sich aus dem Wagenfenster. Sein Gesicht glüht. Die Sonne steht schon hoch am Himmel. Er ruft herüber: „Ein Elefant wurde getötet, vermutlich in der Dämmerung. Irgendwo am Mount Kenya. Die Nachricht kam gerade über Funk von einem unserer Ranger. Ganz frisch. Noch nichts bestätigt. Ich gebe Bescheid.“ Dann tritt er aufs Gas und rast davon. Seit 30 Jahren schon versucht Ian Craig, Kenias Dickhäuter vor dem Aussterben zu retten. Er stemmt sich damit gegen ein verheerendes Verbrechen an Afrikas einmaligem Naturerbe: die gierige Jagd nach dem Horn des Nashorns und nach Elfenbein. Die Wilderei ist ein weltumspannendes Geschäft, bei dem ganze Kartelle viele Millionen verdienen. Nur wenige Menschen sind bereit, offen über die Hintergründe zu sprechen. Denn ob Tier oder Mensch – wer Wilderern in die Quere kommt, muss um sein Leben fürchten. Von Kenia bis Südafrika schmücken sich viele Länder Afrikas mit ihren Naturschät-

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zen. Touristen aus aller Welt strömen in die Savannen, um die „Big Five“ zu bestaunen: Löwe, Leopard, Büffel – aber auch Elefant und Nashorn. Heute hängt die Wirtschaft vieler dieser Länder großenteils am Tropf des Tourismus. Die Wilderei gefährdet diese dringend benötigte Einnahmequelle. Vor allem aber gefährdet sie das Überleben der größten Landsäuger der Erde. Kaum einem Tier auf der Welt wird derzeit so hartnäckig nachgestellt wie dem Afrikanischen Elefanten und dem Rhinozeros. Sie werden erschossen, erstochen oder vergiftet, um ihnen anschließend die Stoßzähne oder die Hörner aus dem Schädel zu hacken. Die Kadaver der mächtigen Tiere bleiben liegen und verdorren in der

Längst bangen Naturschützer nicht mehr um die Schicksale einzelner Tiere. Sie fürchten um den Erhalt der Arten Hitze der Savanne. Für Elefanten und Nashörner war die Lage in den 80er-Jahren schon einmal verheerend. Zwischenzeitlich hatten internationale Kampagnen für Entspannung gesorgt. Doch heute ist die Wilderei in Afrika schlimmer als je zuvor. Seit 2010 fallen den Wilderern jährlich rund 35 000 Elefanten zum Opfer. Angesichts einer Gesamtpopulation von nur noch 400 000 bis 600 000 Tieren eine gewaltige Zahl. Für die Nashörner sieht es noch schlechter aus. Nur rund 25 000 Tiere leben noch in Afrika, die meisten von ihnen in Südafrika, Namibia, Kenia und Simbabwe. Zwar sind die Bestände seit den 90er-Jahren wieder gewachsen, doch zugleich steigt auch die Zahl illegal gejagter Nashörner. Allein in Südafrika töteten Wilderer 2014 mehr als 1000 Tiere. Längst bangen Naturschützer

wie Ian Craig nicht mehr um die Schicksale einzelner Tiere. Sie fürchten um den Erhalt der Arten. Craig blättert durch einen Stapel Papiere, der sich auf seinem Schreibtisch türmt. Draußen vor dem Fenster, im Garten der Rangerstation der Lewa Wildlife Conservancy, grasen friedlich ein paar ImpalaAntilopen. Craigs Großeltern hatten hier 1922 eine Farm gegründet und ihren Lebensunterhalt zunächst mit Viehzucht bestritten. Als ihr Enkel die Farm erbte, verwandelte er sie in ein privates Reservat für bedrohte Nashörner. „Als wir 1983 anfingen, war das Spitzmaul-Nashorn in Kenia durch Wilderei fast ausgerottet“, sagt Ian Craig. „Von einst 20 000 Tieren waren gerade noch 200 übrig.“ Die kenianische Regierung initiierte damals ein Rettungsprogramm für die Nashörner. „Wir haben die in Kenia noch verstreuten Tiere eingesammelt, nach Lewa gebracht und einen Elektrozaun um das Reservat gezogen“, erinnert sich Craig. „Hätten wir das nicht gemacht, wären sie heute alle weg.“ Seit zwei Jahren zählt das Schutzgebiet sogar zum UNESCO-Weltnaturerbe. Als 1989 auf der Artenschutzkonferenz CITES das internationale Handelsverbot für Elfenbein und Nashorn beschlossen wurde, jubelten die Tierschützer. Heute ist die Euphorie verflogen. Warum, das weiß Tom Milliken. Seit mehr als drei Jahrzehnten verfolgt der Leiter des Elefanten- und Nashornprogramms des Artenschutznetzwerkes TRAFFIC Spuren von Wilderern, ermittelt gegen Schmuggler, dokumentiert Fundstellen und Tatorte. „Die Wilderei ist ein globalisiertes Geschäft“, sagt Milliken. In China zum Beispiel sind Schnitzereien aus Elfenbein heiß begehrt, Nashornmehl wird als Mittel in der Traditionellen Chinesischen Medizin eingesetzt. In Vietnam und Thailand wiederum ist Nashornpulver wegen seiner angeblich aphrodisierenden Wirkung begehrt. Früher waren in diesen Ländern Elfenbein oder das Horn des Nashorns für die meisten unerschwinglich. Der Wohlstand der neuen, kaufkräftigen Mittelschicht habe in diesen Ländern neue Märkte geöffnet,

FOTOS James Morgan/WWF-Canon/Panos Pictures/VISUM

Unternehmen & Gesellschaft


Zwar gelingt es immer wieder – wie hier in Gabun – Stoßzähne sicherzustellen und den Wilderern ihre Waffen abzunehmen (oben). Die Tatsache, dass sich aus Stoßzähnen und Schnitzereien ein Scheiterhaufen im Gesamtwert von rund 10 Millionen Dollar auftürmen lässt, macht jedoch klar, wie viel Geld Abnehmer in China und Südostasien für das „weiße Gold“ zu zahlen bereit sind (unten)


Aber bitte mit ohne Der verunsicherte Konsument verzichtet bei Bauchgrummeln und Abgeschlagenheit vorsichtshalber auf Laktose, Gluten oder Fruktose. Den Einzelhandel erfreut dieser Trend. Mit den „Ohne-Produkten“ und Superfoods lässt sich gutes Geld verdienen TEXT Bastian Henrichs ILLUSTRATION Nina Eggemann

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as Paradies liegt ein wenig versteckt in einem Gewerbehof in Hamburg-Altona. Ein kleiner Supermarkt mit einem schmalen Angebot. Es gibt keine Eier, keine Milch, keine Butter, kein Fleisch und keinen Fisch, noch nicht einmal Honig. Alle Produkte sind rein vegan. In den Regalen drängen sich außerdem „Superfoods“, „Wholefoods“ und „Visionary Foods“. Statt Kartoffel- gibt es Grünkohlchips, 63 Gramm für 5,49 Euro. Daneben stehen pulverisierte Chlorella-Algen, MacaPulver aus Peru und Gerstengras-Pulver aus China. Und es gibt kaum ein Produkt, auf dem nicht gut sichtbar draufsteht, was nicht drin ist: laktosefrei, glutenfrei, fruktosefrei, frei von Nüssen, Hefe, Soja und Konservierungsstoffen und ohne Gentechnik hergestellt. Es entsteht der Eindruck: Wer hier einkauft, setzt sich nicht nur für den Tierschutz ein. Er scheint auch von Allergien geplagt und immer auf der Suche nach dem nächsten Wunder-Nährstoff zu sein. Die Supermarktkette Veganz hat ihre erste Filiale 2011 im Berliner Prenzlauer Berg eröffnet, seitdem sind sechs weitere in deutschen Großstädten dazugekommen, sowie je eine in Wien und Prag. Bald sind laut Geschäftsführer Jan Bredack Amsterdam und London dran. Über Kooperationen bringt Veganz seine pflanzlichen Mit-vielohne-Lebensmittel und Superfoods auch in den klassischen Handel. Tengelmann, Metro und die Drogeriekette dm gehören bereits zu den Partnern. Der Umsatz hat sich 2014 laut Bredack im Vergleich zum Vorjahr auf 10 Millionen Euro verdoppelt. Die Expansion von Veganz entspricht einem Trend, der vielerorts zu beobachten ist. Er fing an mit den Vegetariern. Dann kamen die Veganer. Heute gibt es immer mehr Konsumenten, die ihr gesundheit


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Verbraucher

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Weitere Highlights der Ausgabe 2_2015 AUFTAKT Am Anfang » ............................................................... Seite 6 Zwei Wienerinnen erwecken ausrangierte Snowboards zu neuem Leben – sie zimmern daraus Longboards für die Straße

UNTERNEHMEN & GESELLSCHAFT Herr Hildebrandt sorgt vor » .............................. Seite 30

Im Schwarzwald zeigt ein Unternehmer, wie sich gleichzeitig die Gesundheit der Bürger verbessern und Geld sparen lässt

Weg mit dem Dreck! »............................................ Seite 72 Die Divestment-Bewegung aus den USA wächst rasant. Sie fordert dazu auf, klimaschädliche Investments abzustoßen

VERBRAUCHER Ex und hopp » ......................................................... Seite 84

Die Mehrwegflasche stirbt aus – auch, weil kaum einer im Pfandsystem durchblickt. Ein Aufklärungsversuch

Weitere Themen dieser und aller bisherigen Ausgaben finden Sie unter

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