Illertisser Schloss Dialog

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AUFBRUCH

M U Z G N U L M M A S AUFSATZ G O L A I D S S O L H C S 2. ILLERTISSER VOM 07.10.2016

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INHALT Das Leistungsverständnis in der Gesellschaft verändert sich........8 Leistung ist nicht (mehr) gleich Erfolg................................................................................................................................................................................. 8 Organisationen im Aufbruch müssen Leistung neu denken................................................................................................ 9 Duales Coaching - Starkes Tool für Aufbruch in lernenden Organisationen................................... 11 Literatur und Quellenverzeichnis................................................................................................................................................................................................... 17

Mut zum Aufbruch - Aufbruch zum Mut............................................20 Das vermeintlich Sichere verlassen!......................................................................................................................................................................................... 20 Geschichte des Aufbruchs............................................................................................................................................................................................................................. 20 Angeborener Forschergeist........................................................................................................................................................................................................................ 21 Mut in Veränderungsprozessen von Organisationen.......................................................................................................................... 22 Mut als Lebenselixier von Einrichtungen....................................................................................................................................................................... 23 Mut zum Scheitern /Fehlerkulturtoleranz der Organisation................................................................................................ 24 Mut als Führungskraft.............................................................................................................................................................................................................................................. 24 Aufbruch, Wandel und Veränderung....................................................................................................................................................................................... 25 Können Mitarbeiter Mut zum Aufbruch lernen?............................................................................................................................................. 25 Organisations- und Unternehmenskultur.................................................................................................................................................................... 26 Vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre ........................................................................................................................................................................................ 27 Kommunikation und Informationskultur....................................................................................................................................................................... 28 Beratung im Aufbruchsprozess ........................................................................................................................................................................................................ 29 Mut in Beratung.................................................................................................................................................................................................................................................................... 30 Sicherheit

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Entdeckungen.......................................................................................................................................................................................................................................................................... 30 Literaturverzeichnis...................................................................................................................................................................................................................................................... 33

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Tradition und Innovation: Zukunftsperspektiven für Soziale Organisationen..........................36 Alles neu? Angepasste Strukturen für moderne Menschen................................................................................................... 36 Nachhaltigkeit in der Produkt- und Personalentwicklung....................................................................................................... 38 Social Entrepreneurship und Wohlfahrtsstaat – wem gehört die Zukunft?................................................................................................................................................................................................................................ 40 Aufbruch in Organisation: Innovation in der Produktentwicklung........................................................................ 42 Literatur und Quellenverzeichnis................................................................................................................................................................................................... 46

Aufbruch - Change Management Prozesse, unter der Berücksichtigung von Persönlichkeit und den damit einhergehenden Beziehungsdynamiken, professionell begleiten..........................................................................49 Aufbruch - Aktuelle Anlässe für Change Management Prozesse............................................................................... 50 Kennzeichen von Change Management Prozessen............................................................................................................................... 51 Widerstand in Change Management Prozessen............................................................................................................................................ 52 Persönlichkeit........................................................................................................................................................................................................................................................................... 52 Persönlichkeitstypen – ihre Entwicklung und Bedeutung....................................................................................................... 53 Verfahren zur Kategorisierung von Persönlichkeiten.......................................................................................................................... 53 Das Riemann-Thomann-Modell....................................................................................................................................................................................................... 54 Das Riemann-Thomann Modell für das Change Management nutzen......................................................... 55 Pol Dauer - Der Revisor im Change Management Prozess.................................................................................................... 56 Pol Wechsel – Der Visionär im Change Management Prozess...................................................................................... 56 Pol Nähe - Der Teamplayer im Change Management Prozess....................................................................................... 57 Pol Distanz – Der Stratege im Change Management Prozess......................................................................................... 58 Grenzen und Möglichkeiten von Verfahren zur Kategorisierung von Persönlichkeiten im Change Management Prozess.............................................................................................................. 59 Quellenverzeichnis:..................................................................................................................................................................................................................................................... 60

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Aufbruch in eine neue Zeit des wirtschaftlichen Handelns............62 Was ist Corporate Social Responsibility?....................................................................................................................................................................... 62 Jedes KMU kann jedoch auch jetzt schon von der CSR-Berichtspflicht profitieren. ....................................................................................................................................................................................... 62 Wie können Unternehmen die Anforderungen aus den CSR-Berichten im eigenen Betrieb analysieren und was sind Ansatzpunkte zur Umsetzung?.................................................................................... 64 Worum geht es dabei?........................................................................................................................................................................................................................................... 64 Fazit................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 70 Verwendete und zitierte Literatur:............................................................................................................................................................................................... 70

Aufbruch - Die Reaktion der Ärzte auf die Veränderung in der Krankenversorgung ..........................................73 Management Summary.........................................................................73 Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................................................................................................................................................ 73 Einleitung........................................................................................................................................................................................................................................................................................... 73 Aktuelle Situation im der stationären Krankenversorgung...................................................................................................... 74 Wirtschaftliche Situation................................................................................................................................................................................................................................... 75 Auswirkung der aktuellen Situation auf die Ärzte....................................................................................................................................... 75 Lösungsansätze und Lösungsmöglichkeiten Aufbruch ins Ausland.................................................................... 76 Aufbruch in die Industrie oder ganz aus dem Beruf des Arztes.................................................................................... 77 Aufbruch in die Niederlassung............................................................................................................................................................................................................. 77 Aufbruch in eine neue Ära.............................................................................................................................................................................................................................. 78 Zusammenfassung......................................................................................................................................................................................................................................................... 78 Literaturquellen.................................................................................................................................................................................................................................................................... 79 Internetquellen...................................................................................................................................................................................................................................................................... 79

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Mut zur Offenheit...................................................................................81 Chancen und Risiken eines LGBTIQ-freundlichen Personalmanagements........................................ 81 LGBTIQ.................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 81 Störungen der Geschlechtsidentität........................................................................................................................................................................................ 82 LGBTIQ in Organisationen............................................................................................................................................................................................................................ 83 Allgemeines Gleichstellungsgesetz........................................................................................................................................................................................... 84 Chancen und Risiken für Organisationen..................................................................................................................................................................... 84 Lernende Organisation (stabile Agilität)........................................................................................................................................................................... 85 Mut-Schaukel............................................................................................................................................................................................................................................................................ 85 Literaturverzeichnis...................................................................................................................................................................................................................................................... 86

Digitalisierung und der Aufbruch zur Sinngesellschaft..................89 Exponentielle Chancen oder digitaler Schiffbruch?.............................................................................................................................. 89 Bisher gilt – Gesellschaftlicher Aufstieg durch Leistung ist möglich................................................................ 90 Digitalisierung als Verlustereignis – Kann der Selbstwert künftig noch durch Leistung definiert werden?......................................................................91 Messen und Vergleichen – Die Grundlage der Leistungsgesellschaft............................................................ 91 Vorwärtskommen durch Selbstoptimierung.......................................................................................................................................................... 93 Erfolgskriterien der Eltern – Auch ein zukunftssicheres Modell für die Kinder?....................... 93 Digitaler Wandel erfordert Umdenken................................................................................................................................................................................ 94 Von der Leistungsgesellschaft zur Sinngesellschaft.............................................................................................................................. 95 Wie soll die Gesellschaft der Zukunft aussehen?......................................................................................................................................... 96

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Das Leistungsverständnis in der Gesellschaft verändert sich Ein Beitrag von Monika Firsching und Dominik Hillebrand

Leistung ist nicht (mehr) gleich Erfolg Was meint eigentlich Leistung? Das germanische Wort laistjan steht u.a. für “einer Spur nachgehen”, aber auch “einem Gebot folgen”.1 Aus der germanischen Geschichte ist bekannt, dass es um die Wirkungen von sozialen Formen der persönlichen Nachfolge geht (Dodd 2013: 209 f.). Leistung ist historisch betrachtet untrennbar mit dem Begriff eines sozialen Verbandes verknüpft. Mit Beginn der Industrialisierung prägte die Wirtschaft das Bild, dass Leistung Effizienz bedeutet und darum von Arbeitnehmern möglichst viel Arbeit in möglichst kurzer Zeit erledigt werden muss. Unterstützung findet diese Interpretation in der physikalischen Formel “Arbeit durch Zeitbedarf”. Weiterhin meint “leisten” im rechtssprachlichen Kontext ‘einer Verpflichtung nachkommen’, etwa einen Leistungsnachweis erbringen, Arbeitsstunden oder eine Geldbuße leisten. Im (Leistungs-)Sport erbringt ein Mensch eine Leistung, die klar messbar ist, wie z.B. die Höhe oder Weite eines Sprungs. Schließlich sei zudem der sogenannte ‘Dienstleistungssektor’ erwähnt, der unter Leistung jeglichen Vorgang zwischen Anbieter und Kunde meint. Leistungen beinhalten in der sozialen Marktwirtschaft stets Gegenleistungen. Eine Versicherung kostet Geld, wer effizienter arbeitet, bekommt mehr Lohn, wer Leistungen nach SGB VIII erhält, muss ein Soll an Bewerbungen erfüllen, für den Weltrekord im Weitsprung winkt insbesondere hohe Anerkennung der Gesellschaft. Der Maßstab des Leistungsgedanken und die Bewertungsgrundlage von Leistung verändern sich jedoch zunehmend. Die Generation Y z.B. hinterfragt ihr Handeln und sucht verstärkt nach Sinn, währenddessen die ’digitale‘ Generation Z insbesondere nach Anerkennung ihrer Taten strebt.2 Gesellschaftlich diskussionsfähig ist sicherlich auch die Frage, in welchem Verhältnis Leistung und Solidarität gedacht werden müssen, um eine Willkommenskultur für Asylsuchende zu gewährleisten. Fragwürdig ist auch die Verteilgerechtigkeit von Löhnen und Gehältern. Hat ein Topmanager, der 300mal mehr verdient als eine Putzfrau im Unternehmen auch tatsächlich 300mal so viel geleistet? Wie wird die Höhe der Anstrengung gemessen, wer definiert die Leistungsnormen, wer setzt sich im Kampf um Anerkennung von Leistung in der sozialen Marktwirtschaft durch? „Die Leistung, die sich lohnen soll, muss sich nicht nur rechtfertigen vor jemandem, der darauf Anspruch hat, sondern auch vor der Gesellschaft, der die Leistung letztlich zugute kommt. Leistung ist zunächst einmal Arbeit, aber eben eine, von der andere Menschen etwas haben.” (Eppler 2011: 72) Wer etwas leistet, handelt in irgendeiner Weise, verliert dabei aber die Mitmenschen nie aus dem Blick. Erfolg, der sich aus Leistung generiert, ist hier an die Prämisse gekoppelt, dass die Leistung für

1 http://germanisches.deacademic.com/10285 2 http://green.wiwo.de/generation-z-chef-mach-mal-ohne-mich/

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die Gesellschaft von Relevanz ist. Wenn Leistungen nun also die Gutverdiener noch reicher und die Bedürftigen noch ärmer machen, dann entsteht ein gesellschaftliches Missverhältnis. Nach Bundesminister a.D. Erhard Eppler ist es wesentlich für das humane Zusammenleben, wenn Menschen wissen, dass Leistung und Erfolg getrennt zu betrachten sind. Dieses Bewusstsein fördert eine gerechtere Gesellschaft (Eppler 2011: 77). Organisationen bilden einen wichtigen Teil unserer Gesellschaft ab. Auch sie müssen sich dem Leistungsdenken der Gegenwart stellen. Doch wie kann ein erfolgversprechender Aufbruch gelingen? “Money is not the way to happiness. We make ourselves happy by making other people happy“ 3 , so der Friedensnobelpreisträger Professor Mohammed Yunus. Für Unternehmen und Organisationen sollte sich die Frage stellen, wie sie einen Beitrag für die Gesellschaft leisten können, ohne ihre Orientierung am Profit aufgeben zu müssen. Sozialunternehmen, sogenannte “Social Entrepreneurs”4, geben ein lebendiges Beispiel für einen hohen gesellschaftlichen Nutzen gepaart mit wirtschaftlichem Erfolg. Natürlich haben nicht alle Organisationen ein Interesse daran, sich plötzlich zu sozialen Unternehmen zu wandeln. Der Druck der Gesellschaft zur Mitverantwortung von Organisationen im Bereich von ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit5 wächst. Die geforderte ‚Corporate Social responsibility‘ ist auch ein Wunsch nach mehr gesellschaftlicher Solidarität.

Organisationen im Aufbruch müssen Leistung neu denken Wenn sich nun das Leistungsverständnis in der Gesellschaft verändert, kann das in Organisationen nicht unbemerkt bleiben. Der Unterschied im Erfolg oder Misserfolg einer Organisation liegt zuerst im Denken. Innovative Ideen und Konzepte bereiten den Boden für die Zukunft. Aussichtsreiche Ideen zu generieren und zu realisieren sind Kernaufgaben jedes Unternehmens, das sich im globalen Marktsystem behaupten will. Woher kommen die Ideen in Unternehmen und wie wird deren Umsetzung sichergestellt? Der Blick ist erneut auf den einzelnen Mitarbeiter und seine schöpferischen Fähigkeiten gerichtet, die es zu fordern und fördern gilt. So werden aus Humanressourcen Menschen mit Werten, Gefühlen und individuellen Ideen. Dem alten hierarchischen Führungsmodell wird mit der Umsetzung dieser Erkenntnis im Unternehmen eine Absage erteilt. Kreative Spontaneität und Innovationsgeist entwickeln sich weder innerhalb straffer Prozessrationalitäten (Sprenger 2005: 290), noch durch Kontrolle oder unter strenger Aufsicht. Moderne Führung (vgl. Hofmann 2011: 182) stellt das Individuum ins Zentrum und regt Selbstführung und Selbstorganisation an (ebd. 171). In der modernen Beratungsliteratur wird die Notwendigkeit betont, dass Führungsstile sich mehr in Richtung Coaching für Mitarbeiter entwickeln müssen, um kreative Ergebnisse zu erzielen. 3 http://www.grameenfoundation.org/blog/update-professor-yunus#.Vu3BNeZ5U4A 4 http://www.social-startups.de/social-entrepreneurship/ 5 Ab 2017 besteht für EU Unternehmen mit öffentlichen Interesse (> 500 Mitarbeiter), Berichtspflicht im Kontext der Corporate Social responsibility, CSR. www.muenchen.ihk.de/de/standortpolitik/CSRGesellschaftliche-Verantwortung/ infopool-csr/csr-berichtspflichten

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Ein Beitrag von Monika Fiersching und Dominik Hillebrand

Eine besondere Förderung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter hat auf allen Ebenen innerhalb der Organisation weitreichende Konsequenzen. Für die Headfunktion bedeutet es z.B. Strategien und Leitsätze anzupassen und der Mitarbeiterschaft eine klare Form der Teilhabe zu geben, die nicht aus der Pflicht entlässt, jedoch das freie Denken und Experimentieren ermöglicht. Das Management muss Abschied vom altbekannten „Messen und Werten“ nehmen. Für diesen Aufbruch müssen ausreichend Mittel für Organisations-und Personalentwicklung zur Verfügung stehen. Die mittlere Führungsebene, also Führungskräfte mit Leadershipfunktion, sind wichtige Schnittstellen zur Freisetzung von Kreativität und Innovation im Unternehmen. Als direkte Vorgesetzte sind sie nahe an den Mitarbeitern und haben die Möglichkeit, Rahmenbedingungen zu verändern und „allumfassende uneingeschränkte Unterstützung“ zu gewährleisten (vgl. Schulte 2015: 55, 63 ff.). Das Kapital der Organisationen ist das Individuum mit seiner unverwechselbaren Persönlichkeit und den dazugehörigen Fähigkeiten, Talenten und Kompetenzen. Individualität zahlt sich als Wettbewerbsvorteil für und in Unternehmen aus (Sprenger 2005: 280). „Alle Unternehmen suchen nach unentdeckten Wertreserven. Die menschliche Individualität ist die größte. Aber sie ist, anders als andere Naturkräfte, eben individuell, nicht einheitlich.” (ebd. 290 f.) Die persönliche Haltung des Einzelnen zu Aufgabe, Wirkung, Rolle und Umfeld entscheidet über die individuelle Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme. Aus diesen Komponenten ergibt sich der richtige, individuelle, einzigartige Platz (Happich 2015: 10). Das würde bedeuten, dass jeder dort, wo er mit seinem Handeln und Können eingesetzt ist, seine bestmögliche Leistung erbringt. Ziele, Missionen und gemeinsame Visionen fungieren als Anreize, um Leistungspotential abzurufen (Buchner 2003: 159). Organisationen, die auf den Paradigmenwechsel im Leistungsverständnis im Kontext Führungskultur und mit Blick auf jeden einzelnen Mitarbeiter angemessen reagieren wollen, brauchen eine neue, gemeinsame Vision, die Leistung und Leichtigkeit zusammenbringt. Der Schlüssel dazu liegt im Anreizsystem für das Individuum. Saaman (2012: 164 f.) möchte durch Rollenzuweisung und Verantwortungsübernahme zu Augenblicksleistung anspornen. Schulte (2015:51) hält “Monetäre Anreizsysteme” zur Leistungssteigerung für wenig nützlich. Er unterstreicht am Beispiel von Spitzenverdienern (ebd. 8), dass das Geld “Verlockungen und Verwirrungen” (ebd. 56) auslöst. Der Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung wiegt schwerer als Geld. Wenn jeder Einzelne also eine Herausforderung erhält, die ihn so motiviert, dass er sich persönlich in diesem Bereich entwickeln möchte, dann würde er seine Leistung auch für wenig Geld erbringen. In einer Organisation wäre die Bewusstheit darüber wichtig, dass Aufgaben und Personen interdependent zueinander stehen. “Die Menschen möchten Leistung und Leichtigkeit gleichzeitig. Das geht nur gemeinsam, als Mannschaft.”(ebd. 3)

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Organisationen, die ihre Agilität und Flexibilität behaupten wollen, müssen nicht nur den Aufbruch wagen, Leistung neu zu denken, sondern sich von herkömmlichen Strukturen gänzlich loslösen, mit alten Strukturen brechen. Sie entwickeln sich, indem sie auf individuelle und gemeinsame Gegebenheiten Rücksicht nehmen, eine reflexive Unternehmenskultur fördern und dafür Sorge tragen, dass konstruktives Feedback und eine wertschätzende Fehlerkultur implementiert werden. Es ist nötig zu lernen, sich auf jede nur erdenkliche Unwägbarkeit einzustellen, um denkbeweglich zu bleiben und mit größter Anpassungsgeschwindigkeit reagieren zu können (Saaman 2012: 161 ff.). Organisationales Lernen beinhaltet individuelles Lernen und Teamlernen. Damit der Prozess im Blick behalten wird, braucht es nach Senge (2011: 268) einen helfenden “Begleiter, der den Dialog ‘zusammenhält’“. Hier kann aus Sicht der Verfasser die Beratung in Form von Dualem Coaching ansetzen.

Duales Coaching - Starkes Tool für Aufbruch in lernenden Organisationen Im Kontext des Sports ist Coaching auf allen Ebenen zu finden: vom ehrenamtlichen Trainer des Bambini-Fussballs bis zum Spitzencoach von Hochleistungsteams im Profibereich. Die Erfahrungen aus diesem Feld führten zu einem gewissen Selbstverständnis im Einsatz und der Wirkung von Coaching sowie Beratung und Training. Dabei hat sich gezeigt, dass das Entwickeln einer Person im Einzelcoaching, untrennbar mit der zielgerichteten Unterstützung des Teams in Form von Training und Beratung verwoben ist. Diese Vorgehensweise des Dualen Coachings, also der Beratung auf zwei Ebenen, ist daher vielfach erprobt und hat sich im Sport bestens bewährt. Organisationen in Umbruchphasen und Aufbruchssituationen, müssen auf eine Art “Sportlichkeit” beweisen, um Anforderungen zu erfüllen und Ziele zu erreichen. Dabei ist Agilität im Denken und Handeln im wirtschaftlichen ebenso wie im Dritten Sektor gefordert. Im Folgenden wird das Duale Coaching näher beschrieben, um die Importanz als starkes Tool der Organisationsentwicklung herauszuarbeiten und deren Bedeutung an einem Beispiel aus der Praxis zu belegen. Das Individuum sowie die dazugehörigen Systeme in Entwicklungsprozessen zu fordern und zu fördern, ist geleitet von der Vision, Unternehmen auf dem Weg zur lernenden Organisation wirksam zu unterstützen. Als wesentliches Merkmal von Organisationsentwicklung gilt: Ohne Personalentwicklung (PE), keine Organisationsentwicklung (OE). Schulte (2015: 25) verstärkt diese Grundhaltung obendrein, indem er dazu rät, die historische, künstliche Trennung von OE und PE abzulegen. Er sieht Mitarbeiter und Organisationen als schlichtweg “identisch”. Bereits Luhmann (1988: 22) erklärte, dass ein System nicht autark ist, auch wenn es als autopoetisch gilt. Es bestehen Interdependenzen. Systeme müssen Anpassung leisten (ebd. 56, 479), um in der Umweltkomplexität zu überleben. Systemisch betrachtet, bringt sich das Individuum mit seinen Eigenschaften als Person im Unternehmen ein und ist somit ein Teil des Gesamtsystems. Dies geschieht über jedwede Form der Kom-

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Ein Beitrag von Monika Fiersching und Dominik Hillebrand

munikation von verbal, nonverbal bis zur Nicht-Anwesenheit (ebd. 192 f., 208). Das Interesse sich selbst zu erhalten, verlangt sowohl dem einzelnen Akteur als auch der gesamten Organisation Entwicklung und Leistung ab. Systeme können dabei immer nur einen Teil der Komplexität verarbeiten und reagieren in Um- und Aufbruchssituationen paradox: Sie vergrößern die eigene Komplexität und versuchen darüber die Umweltkomplexität zu reduzieren (ebd. 44 ff., 249 ff.). Hier bietet vor allem Coaching die Option, über Reflexion und Perspektivenänderung, die Chance zu neuer Ordnung, Orientierung und Zielausrichtung. Im Individualcoaching können persönliche Stärken, Werte und Potentiale (vgl. Happich 2015: 107) herausgearbeitet werden, um mit diesem persönlichen Wissensschatz bewusst und erfolgreich wichtige Anpassungsprozesse zu meistern. Es ist eben nicht der Stärkste, der überlebt, “sondern derjenige, der seine Stärken und Eigenarten am Besten kennt und sich perfekt an sich permanent ändernde Rahmenbedingungen anpasst” (ebd. 16). In der Regel werden in Unternehmen entweder Lösungen zu expliziten Aufgaben- oder Problemstellungen durch internes Fachpersonal aus dem eigenen System oder durch externe Berater favorisiert. Externe Berater kommen meist erst dann hinzu, wenn verantwortliche Leistungsträger an persönliche und strukturelle Grenzen stoßen, d.h. sich das Problem nicht mehr aus den eigenen Reihen bewerkstelligen lässt. In der Vergangenheit zeichneten sich im Coaching zwei Hauptgruppen ab. Eine vertrat die Meinung, dass Individual- bzw. Einzelcoaching der beste Weg für Veränderung sei, da Menschen “nur unter vier Augen” bereit wären “über ihre wahren Anliegen” zu sprechen. Die andere Gruppe hielt Teamcoaching für den einzigen Weg, weil “ein Team dann - und nur dann - besser wird, wenn alle gemeinsam daran arbeiten” (Schulte 2015: 78 f.). Losgelöst von diesen Polen stellt Schulte klar, dass Unternehmen auf ihrem Weg zum Erfolg weder durch externe Berater in ihrem “Mannschaftsspiel” (ebd. 27) verbessert, noch auftauchende Probleme über Beratung “wegtrainiert werden können” (ebd. 37). Unternehmenskultur und Führung der Organisation bilden die Basis dafür, dass die kulturellen Aspekte einer Organisation, Kommunikation und Leitungsstil, nur von Führungskräften und Mitarbeitern aus den eigenen Reihen gelebt, entwickelt und verändert werden. Das Hervorrufen einer Hochleistungskultur würde Führungsqualität auf hohem Niveau bedeuten, und unter “leistungsfördernder Unternehmenskultur” ist ein Höchstmaß an Kultur zu verstehen (Saaman 2012: 61 f.). Mit Blick auf das Duale Coaching wird hier erkennbar, dass ausschließliche, externe Beratung die Entwicklung einer Unternehmenskultur in der Hauptsache nur begleiten kann. Es ist daher relevant, den externen und internen Blick als interdependent zu betrachten. Organisationscoaching (Schulte 2015: 27 ff.), Duales Coaching und Projektmanagement bieten einen Weg zur Unternehmenskultur. “Organisationscoaching ist das Coaching einer ganzen Organisation, bei der ein Coach oder ein Stab von Coaches eine Organisation dabei begleitet, ihr Mannschaftsspiel zu verbessern und ihre Organisationsziele zu erreichen. Dabei werden die beteiligten Mitarbeiter, Teams und Gruppen individuell im Sinne des übergeordneten Auftrags der Organisation gecoacht.” (ebd. 35) Damit sich Mitarbeiter-, Team-, Führungs- und Organisationsziele am “übergeordneten Auftrag” ausrichten, also Coaching für alle Beteiligten Sinn stiftend stattfindet, kann das Duale Coaching z. B. in Verbindung mit Projektmanagement durchgeführt werden.

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Duales Coaching (Schulte 78 ff.) bedeutet sowohl Individual- als auch Gruppencoaching, findet durch mehrere Coaches, interne und externe, statt, benötigt ein gut eingespieltes Team von Coaches, weil Organisationscoaching “Coaching der Mannschaft + Coaching der Einzelnen (in Abhängigkeit der Mannschaft)” (ebd. 80) bedeutet, Einzelcoaching kann von jedem Mitarbeiter beansprucht werden. Entweder durch einen externen Coach oder dem Vorgesetzten, der in seiner Rolle als Führungskraft hierzu weitergebildet wurde. Einzelcoaching verlangt Koordination mit, sowie Anbindung und Ausrichtung an die Gesamtorganisation, und ist idealerweise an der übergeordneten Strategie ausgerichtet, betrachtet Zugehörigkeiten und “Abhängigkeiten der Mannschaft”, untersucht sie und erfasst strukturelle Kopplungen, wäre, je nach Bedarf, für alle Mitarbeiter und Rollen nutzbar, z.B. Führungskräfte, Vorgesetzte, Teams, Coaching für den internen Coach, ist darauf ausgerichtet, keine fertigen Lösungen von Außen mitzubringen, sondern einzelne Akteure in ihrer Individualität mittels “Mannschaftsspiel” darin zu unterstützen, ihre Lösungsprozesse selbstbestimmt und eigenverantwortlich für das Gesamte zu gestalten, zielt darauf ab Verantwortungsträger in ihrer Rolle zu belassen und sie mit ihrer Fachkompetenz aktiv in den Prozess einzubinden. Duales Coaching fordert für den erfolgreichen Transfer Reflexion und vernetzte Kommunikation der eingesetzten internen und externen Coaches untereinander. Grundsätzlich benötigt es dafür zum einen mehr ausgebildete Coaches (ebd. 33) und zum anderen deren Bereitschaft, sich für einen längeren Prozess im Team mit anderen Beratern zur Verfügung zu stellen. Eine große Herausforderung für externe Berater bestünde darin, sich vom Einzelkämpfertum zu verabschieden. Darüber hinaus ist eine umfassende Einbindung von internen Coaches in den Beratungsprozess unabdingbar. “Ein guter Vorgesetzter ist in der Regel ein guter Coach und Mentor” (ebd. 32), aber Vorgesetzte in der Rolle als Coach haben eine Doppelrolle. Zur Klärung ihrer Möglichkeiten und Grenzen benötigen sie selbst Coaching, z.B. mit Blick auf Stärken und Entwicklungspotentiale der Balance zwischen Schonen und Fordern und der Arbeit an der eigenen Rolle und Haltung. Folgendes Fallbeispiel skizziert einen möglichen Organisationsentwicklungsprozess: Einem kleinen, mittelständischen Familienunternehmen mit ca. 80 Mitarbeitern, steht ein Generationenwechsel auf der obersten Führungsebene bevor. Der Seniorchef plant die Geschäftsübergabe an seine Tochter. Sie wollen die bevorstehende Umbruchsituation als Impuls mit allen daran geknüpften Chancen und Risiken optimal nutzen und suchen eine Beratungsfirma. Die Wahl der

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adäquaten Beratungsleistung ist gerade für unerfahrenere Unternehmen schwierig und kann durch sog. Meta-Consulting6 im Vorfeld sehr hilfreich sein. Diese Form der „Beratung der Beratung“ bietet konkrete Hilfestellung, um durch eine Analyse des aktuellen Beratungsbedarfs und der Auswahl der Berater z. B. nach Branche, Kompetenzen und Erfahrungshintergrund die optimale professionelle Begleitung zu finden. Ein Ergebnis der Meta-Beratung könnte sein, dass die Juniorchefin ein konkretes Unternehmensziel wählt, für das sie persönlich ´brennt´. Sie möchte ihre Idee konkret planen und realisieren. Der Vater bietet dafür Rückhalt z.B. durch interne Beratung. Die Juniorchefin entscheidet sich für eine Beratungsfirma, die sie hinsichtlich der Ziele „Erweiterung des Betriebes und/oder des Produktsortiments“ mit Projektmanagement begleitet. Projektmanagement (Henn 2004) bietet dabei allen beteiligten Akteuren in einem vorgegebenen Rahmen (Zeit, Inhalt, Finanzen, Entscheidungs-, Kontrolltermine), Lern- und Erfahrungsfelder, sowie Experimentierräume. Innerhalb von 18 Monaten sammeln alle Teil- und Gesamtsysteme (Mitarbeiter, Team, Führungskräfte, Unternehmen) Erfahrungen mit Ausrichtung auf den zu erreichenden Zielzustand. Das interne Expertenwissen wird hier bewusst als „Schatz“ gehoben und eingesetzt, um persönliche, strukturelle, unternehmerische Weiterentwicklung zu fördern. Die Überprüfung des Ist-Status, Austausch und Reflexion zu vorhandenem, und während der Beratung erworbenem Wissen, findet dabei in verbindlichen Auswertungsterminen statt. Dies gewährleistet, dass Auftrag, Entwicklung und Verlauf stets im Fokus bleiben. Sie dienen der Qualitätssicherung der Beratungsleistung. Die Mitarbeiter erleben, dass Erfolg und Lösung nicht von Außen geliefert oder verordnet werden kann, jedoch die Unterstützung durch externe Coaches Kompetenzen im Unternehmen erschließt und nutzbar macht. In Verbindung mit dem firmenspezifischen Projektziel ereignet sich organisiertes Lernen im Unternehmen als lebendige Erfahrung für das gesamte System. Die vorgesehenen Zwischenauswertungen bieten zuverlässige Reflexion, implementieren Feedback als elementares Tool für Entwicklung und zeigen den jeweils notwendigen Beratungsbedarf auf. Dieser kann entweder von Experten aus eigenen Reihen oder/ und von Außen erfolgen. So können verschiedene Inhalte im unterschiedlichen Settings umgesetzt werden, z.B. Juniorchefin - Seniorchef: Innovation ermöglichen und erleichtern, Zukunftsfähigkeit, Investitionen. Junior- und Seniorchef – externer Coach: Übernahme und Übergabe Unternehmensleitung, Dauer, Art des Einund Ausstiegs. Juniorchefin - Abteilungsleiter: Mentoring des Abteilungsleiters bezüglich Mitarbeiterführung und -entwicklung. externe professionelle Beobachtung (Teamdynamik, Leitungspotentiale) und Feedback; darauf aufbauend Einzel-, Teamcoaching.

6 http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/17902/metaconsulting-v7.html

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Austausch über Entwicklungspotentiale zu einzelnen Mitarbeitern, z. B. mit Blick auf Führungsqualitäten, Erweiterung des Aufgabenspektrums. Coaching der Juniorchefin von externer Seite, um z.B. ihren authentischen Führungsstil zu heraus zu arbeiten; geschützte Reflexion im 1:1 zu Themen wie Angst vor Scheitern, Akzeptanz durch die Mitarbeiter; Würdigung des Erbes. Juniorchefin und Seniorchef erhalten durch externes Coaching Stabilität, um den Wandel im Unternehmen in Verbindung mit den Werten aktiv und zukunftsgerichtet zu gestalten. Einzelcoaching für den Seniorchef von extern z. B. zu Loslassen, Abschied nehmen, Sinn und Erfüllung als Privatier. Das Unternehmen gliedert sich in fünf Unterabteilungen, die jeweils eine Teamleitung mit Leadershipfunktion beinhalten sowie eine kleine Managementabteilung und schließlich dem Head der Firma, das sich aktuell aus Vater und Tochter in Assistenzfunktion darstellt. Das Duale Coaching bedient alle Ebenen in der Organisation. Die zwei Reflektoren (Innen- und Außenperspektive) bieten dabei verschiedene Sichtweisen. Diese stehen nicht automatisch im Gegensatz zueinander, sondern es können aufgrund verschiedener Blickwinkel die beobachtbaren Phänomene zusammengeführt werden und eine “erweiterte Wirklichkeit” abbilden. Die hierdurch gewonnene Ist-Stand-Analyse ist Ausgangspunkt für planvolles und zielgerichtetes Vorgehen und überlegtes Handeln. In einer Auftaktveranstaltung wird die Belegschaft für den Gesamtprozess sensibilisiert und der Ablauf erklärt. Nachfolgend findet z.B. im acht-Wochen-Rhythmus externes Teamcoaching für jede Abteilung statt. Parallel dazu läuft das interne Coaching durch die Vorgesetzten in ihren Abteilungen. Head, Management und Abteilungsleitungen treffen sich im Gremium zeitversetzt ebenfalls im achtWochen-Rhythmus mit den externen Beratern. Zudem erhält jede Abteilungsleitung neben den gemeinsamen Sitzungen an vier Terminen zusätzliches Individualcoaching, um sie in ihrem Selbstverständnis und Selbstvertrauen im Umgang mit den Mitarbeitern zu stärken. Hier haben auch Themen wie z.B. die Trennung der Rolle von Coach und Vorgesetztem, Schonen und Fordern von Mitarbeitern, ihren Platz. Das Management trifft sich vier Mal intern mit Senior und Junior, sowie weitere vier Mal mit externer Beratung. Vater und Tochter nutzen für ihre Entwicklungsprozesse gemeinsame Coachingtermine wie auch Einzelsitzungen mit den externen Beratern. Der Bedarf wird individuell festgelegt und so erforderlich angepasst. Alle Erkenntnisse und Ergebnisse, die sich auf die Übergabe der Firmenleitung oder das Projektmanagement im Kontext des Projektes der Tochter beziehen, werden vierteljährlich durch eine zuvor gebildete Querschnittsgruppe der Mitarbeiter des gesamten Unternehmens gesammelt. Diese Gruppe formiert sich aus drei Führungskräften (Tochter als Head, je eine Managementund Abteilungsleitung), zehn Mitarbeitern (zwei pro Abteilung). Durch zwei externe Berater können Erfahrungs-, Wahrnehmungsfeedbacks und Entwicklungspotentiale aller Ebenen gebündelt und genutzt werden, ähnlich einem „reflecting team“.7

7 http://www.coaching-report.de/lexikon/reflecting-team.html

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Ein Beitrag von Monika Fiersching und Dominik Hillebrand

Die Tochter wird über ihre Aktivität in der Querschnittsgruppe und federführend in der Realisierung ihres Projektes innerhalb der 18 Monate sukzessive als neues Head der Firma eingesetzt. Sie lernt im begleiteten Experimentierraum ihre zukünftige Tätigkeit kennen und kann an ihrer eigenen Vision für das Unternehmen arbeiten. Der Senior gibt den Prozess der Organisationsentwicklung bewusst an die Tochter ab und kann seine Erfahrungen intern wie extern platzieren. Er behält weiterhin die Leitung und hat ausreichend Zeit, um sich kontinuierlich mit der Stab-Übergabe auseinander zu setzen. Die anderen Führungskräfte gewinnen für ihr eigenes Rollenverhalten Klarheit und entwickeln sich sowohl als Vorgesetzte wie auch als Coaches. Die Mitarbeiter werden als Experten im neuen Projekt gehört und können ihre Bedürfnisse im Zusammenhang mit dem Generationenwechsel reflektieren. Sorgen, Ängste und Bedenken können dabei reduziert werden, während Ideen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge als Stärken weiter ausgebaut werden. Zudem ist es möglich, dass individuelle Visionen von Mitarbeitern zur Firma auf eine Weise Raum erhalten und gewinnen, dass es die Entwicklung der Gesamtvision konstruktiv voranbringt. Außergewöhnliche kreative Leistung benötigt für ihr Reifen bestimmte Rahmenbedingungen, z.B. Prozesse mit Chaos-Ordnungs-Dynamiken (Hofmann 2011:155 ff, 176). Lernende Organisation passiert nicht einfach und nicht zufällig. Die Vision, eine leistungsfördernde und reflektierende Unternehmenskultur (Saaman 2012: 61 ff.) zu verwirklichen, kann nur über das individuelle Erfahren und im Kontext gemeinsamen Erlebens stattfinden. Damit ein Unternehmen eine lernende Organisation ist und werden kann, braucht es Experimentier- und Freiräume, sowie die Bereitschaft jedes Einzelnen zur Kooperation und Kommunikation. (Kobi 2016: 72 f.). Durch Duales Coaching können individuelle und institutionelle Herausforderungen rückgekoppelt und passende Lösungen erarbeitet werden. Duales Coaching ist demzufolge ein starkes und wirkungsvolles Tool, um Organisationen zu begleiten. Organisationen, die den Aufbruch wagen, können Leistung neu denken und lernen, Veränderung im Unternehmen und somit auch in der Gesellschaft zu gestalten. Idealerweise gelingt es mit dem „Streben nach tieferer Einsicht und Klarheit“ (Senge 2011: 267) im Dialog auf Augenhöhe, dass mit angewandter Organisationsentwicklung der Gedanke der solidarischen Leistungsgesellschaft zur (wieder-)belebten Realität werden kann.

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Literatur und Quellenverzeichnis Buchner, Dieter u. Schmelzer, Josef A. (2003): Führen und Coachen. Wie sie Energie und Inspiration der Mitarbeiter freisetzen und Spitzenleistungen fördern. Praxisleitfaden mit Arbeitsblättern. Wiesbaden. Dodd, William John (2013): “Der Mensch hat das Wort”. Der Sprachdiskurs in der Frankfurter Zeitung 1933-1943. Berlin/Boston. Eppler, Erhard (2011): Eine solidarische Leistungsgesellschaft. Epochenwechsel nach der Blamage der Marktradikalen. Bonn. Happich, Gudrun (2015): Was wirklich zählt. Leistung, Leidenschaft und Leichtigkeit für Top-Führungskräfte. 2. Auflage. Wiesbaden. Henn, Gertrud (2004): Projektmanagement im Non -profit-Bereich. Veröffentlicht am 02.04.2004 in socialnet Materialien unter http://www.socialnet.de/materialien/17.php, Datum des Zugriffs 17.03.2016. Hofmann, Bernd (2011): Führen aus der Hängematte. Mit Leichtigkeit zu Leistung und Erfolg durch eine entspannte Führungsatmosphäre. 1. Auflage. Wiesbaden. Kobi, Jean-Marcel (2016): Neue Prämissen für Führung und HR-Management. Mehr Leistung durch Sicherheit und Verbundenheit. Wiesbaden. Lotter, Wolf (2009): Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industrie-kapitalismus? Hamburg. Luhmann, Niklas (1988): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt/Main. Saaman, Wolfgang (2012): Leistung aus Kultur. Wie aus „Arbeit-Nehmern“ Bestleister werden. Wiesbaden. Schulte, Thomas (2015): Leistung und Leichtigkeit. Das wahre Potential von Organisationen. Wiesbaden. Senge, Peter M. (2011): Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation. 11. Auflage. Stuttgart. Sprenger, Reinhard K. (2005): Aufstand des Individuums. Warum wir Führung komplett neu denken müssen. Limitierte Sonderausgabe. Frankfurt/New York. http://www.coaching-report.de/lexikon/reflecting-team.html

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Mut zum Aufbruch - Aufbruch zum Mut Ein Beitrag von Monika Danisch, Silke Englisch und Andrea Gemkow

Das vermeintlich Sichere verlassen! Was bewegt Menschen zum Aufbruch und was hat Aufbruch mit Mut zu tun?

Geschichte des Aufbruchs Schauen wir zurück auf unsere Geschichte, auf eine Zeit der Entdecker, der Abenteurer, der Helden und Eroberer. Menschen haben sich immer schon auf den Weg gemacht, haben ihren Lebensraum verlassen, um Neues kennen zu lernen. Um den Planeten zu entdecken, schreibt Daniel J. Boorstins in seinem Buch: „Die Entdecker“ (S. 89), musste sich die Menschheit von alten Hoffnungen und Ängsten befreien und das Tor zur Erfahrung aufstoßen. Die größten Dimensionen des Raums, die Erdteile und Ozeane, offenbarten sich nur langsam. Das Abendland erwies sich als hohe Warte und sollte während des größten Teils der Geschichte Entdecker sein, der Osten jedoch entdeckt werden. Die ersten Vorstöße des Westens zur anderen Hälfte des Planeten wurden von einsamen Landreisenden gemacht, die keine Mühsal scheuten. Doch die volle Ausdehnung des Planeten konnte nur durch organisiertes Wagnis auf dem Meere erschaut werden, das zu großen Überraschungen führen sollte. Die Gründe der Menschen aufzubrechen und umliegende Gegenden zu erforschen waren zahlreich, beschreibt Karen Farrington in Ihrem Buch „Atlas der Expeditionen“. Zu Beginn waren die Absichten der Entdecker offen und klar – die Suche nach neuen Wasserquellen und Nahrungsvorräten. Nach und nach änderten sich aber die Motive der Entdecker: Hinzu kamen das Streben nach neuen Reichtümern, die Notwendigkeit des Handels, die Gier nach Macht, die Unterdrückung und religiöse Bekehrung anderer, Flucht oder einfach Neugierde und Abenteuerlust (S. 6/8). Kommunikation und Kooperation waren schon immer der Schlüssel zum Überleben. Der Austausch neuer Informationen und Technik entschied über Sieg oder Niederlage. Für manche Kulturen bildeten wilde Flüsse und Bergketten eine natürliche Barriere. Für andere taten sie das nicht. Entdeckung und Entwicklung gehen dann Hand in Hand (S. 8). Es überlebten also jene, die die Angst vor Neuem überwanden, die den Mut aufbrachten das Bekannte, das vermeintlich Sichere zu verlassen und Unbekanntes und Neues zu finden und zu entdecken. Also ohne Aufbruch, ohne Mut zum Aufbruch, kein Weiterkommen!? So wie die Entdecker sich auf Gefahren einließen, so waren auch die Vertreter der Philosophie, die sich für unbekanntes, neues Gedankengut einsetzten vielen Gefahren ausgesetzt. Auch sie brauchten Mut um ihre Thesen weiter zu tragen und wurden für ihren Mut bisweilen gefoltert oder gar getötet.

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Mut als Lebenselixier von Einrichtungen Mut zur Veränderung in Einrichtungen benötigt: das Vertrauen in die eigenen Entscheidungen das Zutrauen, dass dieser Veränderungsprozess gelingen wird das Zutrauen in die Flexibilität und Veränderungskompetenz der Mitarbeiter Mut, Zutrauen und Vertrauen sind aneinandergekoppelt und nicht voneinander zu trennen. Wichtige Fragen um einen Wandel mutig, zukunftsgerichtet und zielgerichtet einzuleiten und durchzuführen: Was sind wir in der Lage zu tun? Wo gibt es Unsicherheiten? Wo sind unsere Stärken?  Durchführung SWOT-Analyse Wo liegen unsere Fähigkeiten, Kompetenzen, Personalressourcen um die neuen Aufgaben, die durch die Veränderungen, die auf uns zukommen zu meistern? Wie gelingt es, unser eigentliches Ziel nicht aus den Augen zu verlieren? Wie konkret sind die daraus resultierenden Anforderungen? Welche Risiken gibt es, und wie werden wir mit den Risiken umgehen können? In welchem Verhältnis stehen Risiken und Chancen? Wie können die Mitarbeiter mitgenommen werden? Welche Ängste und Befürchtungen von Seiten der Mitarbeiter sind zu erwarten? Welchen Einfluss hat der Wandel der Einrichtung auf die Lebensbedingungen der einzelnen Mitarbeiter? Wie angstbehaftet ist diese Vorstellung der einzelnen Mitarbeiter von dem angestrebten Wandel? Welche Gefühle und Empfindungen werden bei den Mitarbeitern ganz subjektiv angesprochen? Welche Phantasien und “Angstszenarien“ entstehen“ Wie können die individuellen und subjektiven Ängste und Befürchtungen in den Veränderungsprozess miteinbezogen, bzw. bearbeitet werden? Stellen die Mitarbeiter eine Ressource oder ein Hindernis dar, wie kann damit positiv und konstruktiv umgegangen werden?

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Ein Beitrag von Monika Danisch, Silke Englisch und Andrea Gemkow

Mut zum Scheitern /Fehlerkulturtoleranz der Organisation Nicht jeder Fehler ist ein Scheitern! Unabhängig vom Veränderungsprozess sollte in der Organisation eine Fehlerkultur herrschen, die es erlaubt Fehler machen zu dürfen, um diese dann als Entwicklungschance zu begreifen und bearbeiten zu können. Angst vor Fehlern engt ein, blockiert, hemmt und verhindert somit erfolgreiches, kooperatives Arbeiten und erschwert und/oder verhindert das Erreichen der gemeinsamen Ziele. Gibt es diese gelebte Fehlertoleranz in der Organisation wird die Akzeptanz von möglichen Schwierigkeiten und Fehlern innerhalb des Veränderungsprozessen größer und unterstützender sein.

Mut als Führungskraft „Mut ist eine Führungskompetenz, bei der es darum geht, voller Selbstvertrauen eigenen Entscheidungen zu treffen und innovativ vorgehen zu können, obwohl das Ergebnis dieser Entscheidung und Innovation nicht sicher vorhersehbar, also mit dem Risiko behaftet ist“ (Engelmann, 2013, S.8889). Mit dem Wissen, dass man die Verantwortung für die Organisationen, aber auch für eine große Anzahl von Mitarbeitern (natürlich auch Klienten, Kunden etc.) trägt, sind folgende Voraussetzungen für das Vertrauen in die eigenen Entscheidungen unabdingbar: Analysefähigkeit der Gesamtsituation, der gesellschaftlichen Anforderungen, der Bedarfe, sowie der gewollten, angestrebten Entwicklung Kritische Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion der eigenen Führungskompetenz, sowie der Organisation Fokussierung ,Konzentration und Ausdauer „Führungskräfte benötigen Mut, um gegen Widerstände zu handeln“ (Engelmann, 2013, S.89) und müssen sich frei machen von dem Wunsch es jedem Mitarbeiter recht machen zu können und alle Bedürfnisse berücksichtigen zu können. Denn trotz gutem Veränderungsmanagement und dem Führen der Gedanken und Gefühle, wird es nicht immer gelingen allen mit ihren Vorstellungen und Erwartungen gerecht zu werden. Der Wille des Mitarbeiters zur Veränderung, zum Wandel kann nicht erzwungen werden. Die Führungskraft muss sich auch klar darüber sein, dass Fehler passieren können. Die Angst vor Fehlern lähmt und hemmt den Handlungsspielraum und kann zur Handlungsunfähigkeit führen. Fehler dienen dazu die Handlungsweise zu überdenken und zu überarbeiten, und sind letztlich Erfahrungswerte die zu positiven (und evtl. ungeahnten) Entwicklungen führen können. Martina Schmidt-Tanger plädiert in ihrem Buch“ Change-Raum für Veränderung“ für mehr Glaubwürdigkeit und Vertrauen: „Führungskräfte, die in der Lage sind, glaubwürdig zu sein und Vertrauen zu schaffen, etablieren widerstandsfähige Führungssituationen, die robust gegen Führungsfehler sind, die eigentlich täglich passieren! Führungsfehler zu machen bedeutet nicht, dass sie eine schlechte Führungskraft sind; es stärkt im Gegenteil Ihre soziale Normalität und Attraktivität. Wer immer alles schönredet, dem glaubt man sowieso nur am Anfang. Seien Sie klar und verlässlich statt populär und beliebt“(Schmidt-Tanger, 2012, S.63-64).

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Aufbruch, Wandel und Veränderung Wir leben heute in einer schnelllebigen und sich ständig wandelnden Gesellschaft. Wandel ist zur Norm geworden und verlangt flexible Menschen, bzw. flexible und innovative Mitarbeiter. Eine der zentralen Führungsaufgaben scheint heute zu sein diesen Wandel zu managen und zu erklären. Wichtig hierbei scheint zu sein, dass mutige Führungskräfte den Wandel, den Aufbruch selbst in die Hand nehmen und ihn initiieren, und nicht warten, bis der Wandel von außen erzwungen und auferlegt wird. So ist es gerade in der sehr von gesellschaftlichen Bedingungen abhängigen Jugendhilfe wichtig mutige und wegweisende Führungskräfte zu haben, die den Aufbruch nicht scheuen, und bereit sind neue Wege, und vielleicht auch zuerst unangenehme Wege zu gehen. Sie müssen sich immer einen Eindruck der aktuellen Situation mit den daraus resultierenden Bedürfnissen und Angebote für die Jugendhilfe machen und innovativ, mutig ihren erkannten Weg gehen. „In Zeiten schnellen Wandels muss man harte Arbeit und das Risiko, die Wandel immer mit sich bringt, auf sich nehmen, bevor man unter Zugzwang steht. Wer nämlich zu lange wartet, wird nicht überleben, weil andere bereits die Chance genutzt haben. Change Leader-Menschen, oder Organisationen, die den Wandel anführen, begreifen Wandel als Chance (Arnold, 2010, S.127). Genauso wie es eine mutige und wandelerkennende Führungskraft bedarf, bedarf es mutigen und innovativen und kooperativen Mitarbeitern. Mitarbeitern, die mutig sind ihre Meinung zu äußern, sich einbringen, Ideen vorantreiben oder auch blockieren. Durch die Auseinandersetzung mit diesen mutigen (vielleicht auch nicht immer einfachen und zum Teil widerspenstigen) Mitarbeitern wächst der Mut der Führungskraft und wahrscheinlich auch der Wille und die Motivation gemeinsam den Wandel konstruktiv zu begehen. „Führen heißt auf Probleme zugehen. Wer mutig führt, spricht nicht beschönigend von Herausforderungen, wenn er Schwierigkeiten meint, sondern erkennt die Probleme, benennt sie und geht auf sie zu, um Lösungen anzustoßen. Ein handfestes Problem ist immer ein guter Anfang für positive Veränderungen. Feige Führungskräfte glauben, bereits das Wort Problem bringe Unglück. Mutige Führungskräfte lieben Probleme“ (Verweyen, 2013, S.60).

Können Mitarbeiter Mut zum Aufbruch lernen? Um Veränderungen in Organisationen umzusetzen bedarf es somit Mut von allen Beteiligten. Um gemeinsam in Richtung eines Zieles aufzubrechen ist Mut in verschiedenen Bereichen und auf allen Ebenen gefragt. Darüber hinaus braucht es in einer Organisation stetigen Mut. Mut zum Risiko, Mut zur Innovation, Mut zu Fehlern und Konflikten, Mut zur Integration, passiver Mut zur Stabilität und Mut zum Aufbruch. Wie wichtig der Mut in Veränderungsprozessen ist und dass er entscheidend sein kann für den Erfolg einer Organisation, haben wir erläutert. Die weiteren Fragen sind nun: Wie und wo zeigt sich der Mut in einer Organisation? Kann ich den Mut meiner Mitarbeiter fördern und ist Mut überhaupt lern- und planbar? Und wie kann die Beratung dabei unterstützen und Einfluss auf eine erwünschte steigende Mutquote in der Organisation nehmen. Nachfolgende Aspekte stellen einen Teilbereich dar und sind nicht abschließend zu sehen. Was ist es also, was Mitarbeiter dazu ermuntert, trotz bestehenden Ängsten, Risiken und bisherigen Erfahrungen die eigene Komfortzone zu verlassen und sich mutig neuen Aufgaben zu stellen um damit Veränderungen in Gang zu bringen? Kann man Mut überhaupt trainieren? Laut Fr. Dr. Anne Frey Diplompsychologin kann Mut und

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Zivilcourage gelernt werden, da es uns nicht angeboren ist. Es gibt kein „Mut-Gen“, nur den angeborenen Forschergeist. Mut kann aber in ganz vielen Alltagssituationen trainiert werden. Einmal am Tag mutig sein, kann schon ein Training darstellen. Diese und noch viele weitere Trainingsmethoden lassen sich lt. Frey trainieren (Rytina, 2009), wenn die Bereitschaft und die Notwendigkeit vorhanden ist. Somit ist es ebenfalls offensichtlich, dass nicht aus jedem Mitarbeiter ein mutiger Mitarbeiter gemacht werden kann, da nicht jeder über diese Grundlage verfügt. Über die Persönlichkeitseigenschaften, das Erfahrungswissen und die persönlichen Kompetenzen, die nach unserer Auffassung Mut fördernd sind, haben wir im Anhang eine Liste während unserer Recherchetätigkeiten zusammen gestellt. Diese Liste hat nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und beinhaltet negative, sowie positive Mut Aspekte die uns Menschen ausmachen.

Organisations- und Unternehmenskultur Rechte und Pflichten fördern den Mut Erfolgreiche Unternehmen haben gemeinsam, dass sie ihre Mitarbeiter über ihre konsistenten Rechte und Pflichten informieren. Diese sind entscheidend für die Entfaltung einer Unternehmenskultur die auf Partnerschaftliche Zusammenarbeit aufgebaut ist. Liz Mohn (2007, S.191) weißt dabei auf vier tragende Säulen hin: positives Menschenbild> Mitarbeiter sind kreativ und wollen partizipieren gemeinsames Zielverständnis >gemeinsamer Nenner von Unternehmensinteresse und Mitarbeiterinteresse Wertegemeinschaft > Partnerschaftskultur die das Unternehmen zusammenhält gemeinschaftlich gelebtes Leitbild >gesellschaftliche Leistungserbringung

Leitziele/Leitbilder fördern den Mut Die gemeinsamen Ziele sollten ein positives humanitäres Weltbild zu Grunde legen und für alle Mitarbeiter Gültigkeit besitzen. Das Leitbild stellt eine gemeinsame verpflichtende Handlungsorientierung aller Beteiligten dar und kann als „Zweiter Arbeitsvertrag“ gesehen werden (Mohn, 2007, S.194). Durch die Formulierung von gemeinsamen Zielen wird die personale Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und das WIR-Gefühl gefördert und kann dazu beitragen, dass beide Interessen, die des Mitarbeiters und die des Unternehmens auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Dadurch entsteht ein Gefühl der Zufriedenheit, der Sicherheit und des Vertrauens und der Mitarbeiter fühlt sich am richtigen Platz und zur richtigen Zeit in der Organisation (Arbeitszeit=Lebenszeit!). Dies wiederum fördert das Selbstbewusstsein und das Zutrauen in das eigene Handeln der Mitarbeiter. Wenn Organisationen das Leitbild nicht nur als leere Worthülsen betrachten, sondern diese tatsächlich von allen bekannt und gelebt werden, dann kann es aus manchen Mitarbeitern mutige Mitarbeiter machen.

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Mut fördernde Führungsstile Carsten C. Schermuly bezieht sich in dem Text „Führung und psychologisches Empowerment“ auf empirische Ergebnisse aus der Führungsforschung. Erstens ist es erwiesen, dass strukturelle Arbeitsgestaltungsmaßnahmen den höchsten Einfluss auf das psychologische Empowerment der Mitarbeiter haben (wie bereits ausgeführt). Die zweite größte Auswirkung auf die Mitarbeiter und deren Verhalten, haben positive Formen von Führungsstilen (Schermuly, 2015, S. 305). Positive Führungsstile wie zum Beispiel transformationale, charismatische, ethische, leistungsabhängig belohnende Führung, haben einen nachgewiesenen positiven Einfluss auf das aufgabenbezogene und freiwillige Arbeits- und Innovationsverhalten der Mitarbeiter (Wesche, May, Muck, 2015, S. 248). Psychologisches Empowerment im soziostrukturellen Kontext besteht nach Gretchen M. Spreitzer aus vier Dimensionen: Kompetenz, Bedeutsamkeit, Einfluss und Selbstbestimmung (Schermuly, 2015, S. 304).

Der autoritäre Führungsstil kann ebenfalls zu mutigen Handlungen inspirieren. Dabei gehen wir davon aus, dass es zu keiner übereinstimmenden Wertehaltung zwischen Mitarbeiter und Führung kommt und der Mitarbeiter aus Zorn und Wut eine Handlung ausführt. Dies führt aus Erfahrung eher zu einem destruktiven Ergebnis. Dagegen schaffen freiwilliges Engagement und Muthandlungen die aus wohl überlegten und wertfreien Absichten erfolgen konstruktive Ergebnisse und können Problemlösungen herbeiführen.

Zusammenarbeit im Team fördert Mut Durch eine optimale partnerschaftliche Zusammenarbeit im Team lässt sich ebenfalls der Mut der Mitarbeiter fördern. Voraussetzung dafür ist, dass ein vertrauensvoller und offener Umgang und Austausch der Teammitglieder mit- und untereinander, sowie das Wissen um die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen vorhanden ist. Die Stärken sollten durch Arbeitsteilung genutzt werden, mit dem Ziel die beste Leistung für das Team zu erbringen. Gemeinsame Werte und Ziele, eine gute Information- und Kommunikationskultur schaffen ein WIR-Gefühl im Team, das Sicherheit und Vertrauen herstellt und Unterstützung und Authentizität der Teammitglieder gewährleistet. Dieses Sicherheitsgefühl und dieses Teambewusstsein können es ermöglichen, dass Mitarbeiter so sind wie sie sind, sich nicht verstellen müssen und wenn es notwendig wird, mutig handeln (Erger, 2012, S. 12ff).

Vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre Toleranz und Fehlerfreundlichkeit fördert Mut Um Mut in Unternehmen bewusst zu machen und zu fördern bedarf es einer gewissen Toleranz und Fehlerfreundlichkeit (wie bereits ausgeführt). Die Diplom-Psychologin Frau Dr. Frey vertritt die Meinung, dass es wichtig sei, sich über mögliche Fehler im Vorfeld bewusst zu sein und rät ab von

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zu großem eigenen oder fremden Perfektionismus. Denn dieser verhindert oftmals den Mut der notwendig ist um neues zu wagen (Rytina, 2009).

Mitarbeitermotivation fördert Mut Die Verantwortung für die Teammotivation liegt bei der Führungskraft. Dies kann durch entgegengebrachte Wertschätzung und Anerkennung der Leistung erfolgen. Ein Schlüssel für den Erfolg ist dabei, die Individualität des Einzelnen zu berücksichtigen und deren unterschiedliche Hauptmotivatoren zu kennen (Verweyen, 2013, S. 86). Respekt, Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit dient dabei als Grundlage um mutige Mitarbeiter zu fördern. Auch das Führen der Gedanken und Gefühle ist hierbei wichtig. Der Mitarbeiter fühlt sich akzeptiert, gesehen und identifiziert sich mit den Leitzielen der Organisation und kann im Interesse des Unternehmens handeln. Unsere Motivatoren ermöglichen es uns, die in uns liegenden Kräfte freizusetzen und unsere Handlungen mit Freude und Leidenschaft auszuführen. Die Bereitschaft zu handeln wird von unseren Zielen und dem Nutzen bestimmt, welche eine Handlung hervorbringt. Dadurch wird der Mitarbeiter ebenfalls in seinem Selbstwertgefühl bestärkt und zu mutigen Handlungen ermuntert.

Willensfreiheit und Meinungsfreiheit fördert Mut Richard Egger, sieht die Willensfreiheit als eine innere Freiheit an, die das Bewusstsein über das Wissen voraussetzt, was ICH wirklich will. „Sie orientiert sich an dem, was ich als selber denkender Mensch für richtig - und vor allem innerhalb meines Lebenskonzepts für vertretbar halte. Sie ist damit auch nicht ohne Mut zu haben, weil das, was am wenigsten schreckt selten das Richtige ist. Sie setzt eine geistige Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt voraus, und sie realisiert sich dadurch, dass das Resultat dieser Auseinandersetzung mein Handeln bestimmt“ (Egger, 2007, S. 204). Durch die Akzeptanz der Willensfreiheit, der Meinungsfreiheit und der kreativen Freiheit, wird das Selbstbewusstsein, das Verantwortungsbewusstsein und das Engagement der Mitarbeiter gefördert und das schafft viele Denker! Liz Mohn Vorstandsmitglied und Aufsichtsrätin der Bertelsmann Stiftung schreibt in ihrem Buch: Werte. Was die Gesellschaft zusammenhält, dass: „Eigeninitiative, Mitsprache und Beteiligung sowie auch die Freiheit aus unternehmerischen Fehlern zu lernen, setzen Kreativität und ungeahnte Fähigkeiten frei“ (2007,S. 193).

Kommunikation und Informationskultur Ehrlichkeit und Feedback fördert Mut Ehrlichkeit, Transparenz und konstruktives Feedback fördern ebenfalls ein offenes und vertrauensvolles Arbeitsklima. Wenn jeder Mitarbeiter sich so zeigen kann wie er ist, dann ist die Angst falsch verstanden zu werden oder selbst verletzt zu werden oder zu versagen, so gut wie nicht vorhanden. Und das ist eine weitere Voraussetzung um Mitarbeitern das Gefühl zu geben, dass ihre Arbeit und

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Leistung geschätzt wird. Um ehrlich zu sein erfordert es Mut von allen Beteiligten, der sich lohnt. Denn: „Wenn Du nicht Teil der Lösung bist, dann bist Du Teil des Problems“ (Verweyen, 2013, S. 71). Gegenseitiges Feedback im Team kann durchaus eine effektive Wirkung hervorrufen um Mut in Organisationen zu fördern und ein Klima der Ehrlichkeit und des Vertrauen herzustellen. Voraussetzung dafür ist, dass alle Mitarbeiter einverstanden sind und sich darauf einlassen, ehrliches und konstruktives Feedback zu geben und auch zu erhalten. Je mehr Offenheit, je direkter das Feedback ausfällt, umso mehr Mut ist dafür notwendig. Ehrlichkeit und Mut sind untrennbar miteinander verbunden (Verweyen, 2013, S.73).

Supervision und Coaching erfordert und fördert Mut Auch in der Supervision und im Coaching ist die Offenheit unserer Klienten eine Voraussetzung um diese in Krisen zu unterstützen. Dabei geht es im Coaching u.a. darum, selbst weiterzukommen, die eigene Persönlichkeit und damit auch die Organisation weiter zu entwickeln und das System zu dynamisieren. Supervision dagegen steht im Spannungsfeld zwischen dem Mitarbeiter und dem Unternehmen und bearbeitet problematische und unüberbrückbare Differenzen, die aufgrund der internen Mitarbeiterkonstellation oft nicht von alleine gelöst werden können. Supervision hat das Ziel das Arbeitssystem in einer Organisation zu stabilisieren und Psychohygiene durchzuführen (Brüderlin, 2015, Vorlesung). Hierfür erfordert es von allen beteiligten Mitarbeitern sehr großen Mut, Ehrlichkeit, Offenheit, Fehlerfreundlichkeit und Kritikfähigkeit. Wenn Supervision gelingt und dadurch eine Offenheit im Unternehmen entsteht fördert es den persönlichen Mut jedes Mitarbeiters.

Beratung im Aufbruchsprozess Wenn mutiges Verhalten der Mitarbeiter von der oberen Leitungsebene gewollt und unterstützt wird, dann kann externe Beratung durch Zuhören und aufmerksamer Beobachtung den vorhandenen Mut-Level, die Schwachstellen und Veränderungspotentiale in einer Organisation erkennen und durch gezielte Informations-und Wissensvermittlung die Mitarbeiter sensibilisieren und ein Bewusstsein für eine Aufbruchsstimmung schaffen. Es muss für die Mitarbeiter erkennbar sein, dass die Notwendigkeit für einen Aufbruch auf allen Ebenen vorhanden ist und dass es der Führung wichtig ist, alle Mitarbeiter auf dem Weg dorthin mitzunehmen. Beratung kann zusätzlich durch Verbesserungsvorschläge, Einfluss auf die Organisationsstruktur nehmen. Die Ziele sollten dabei klar formuliert und von allen akzeptiert sein. Für die Beratung kann daraus abgeleitet werden, dass Mut trainiert werden kann, aber nur bei den Menschen die dafür die Bereitschaft und den Veränderungswillen mitbringen.

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Mut in Beratung Mut – Schaukel Während unserer Recherchen zum Thema: „Aufbruch zum Mut, Mut zum Aufbruch“, ist das Beratungsmodell der Mut – Schaukel entstanden. In Supervision, Organisationsberatung und Coaching heißt es, einen Denkrahmen zu gestalten, indem es Kunden möglich wird, neue Lösungen zu finden (Daniel Meier, Peter Szabo, S. 11). Egal ob der Schwerpunkt der Beratung auf der beruflichen Orientierung liegt, oder die Persönlichkeitsentwicklung in den Blick genommen wird, unser Modell der Mut – Schaukel könnte so einen Denkrahmen bilden. Die Arbeit mit Bildern, wie Maren Fischer-Epe es beschreibt, ist auch eine Form, im Coaching den Überblick zu behalten, durch Visualisierungen. Komplexe und vielschichtige Situationen lassen sich oft in Bildern anschaulicher und prägnanter darstellen als mit Worten (2015, S. 49). Durch Visualisierungen können Kernaussagen auf den Punkt gebracht werden und Verständnisfragen geklärt werden. Systemische Zusammenhänge können sichtbar werden und ein Perspektivenwechsel wird möglich, denn das Modell der Mut - Schaukel kann nicht nur eindimensional auf Papier gezeichnet werden, sondern auch real als kleine Wippe auf dem Tisch, oder Groß auf dem Boden stehen. Je nach Bearbeitungsfrage ist es auch möglich mit verschiedenen Figuren und Gegenständen zu arbeiten, diese stehen beispielhaft für Menschen, Hindernisse, Wünsche oder Begebenheiten. Natürlich wäre auch ein Ausflug zum Spielplatz, auf dem eine Wippe steht, möglich.

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MUT Die Mut - Schaukel

Die zentralen Inhalte sind: Erkenne, was dich am Boden fest hält, suche nach Möglichkeiten, um die Bodenhaftung zu verlassen, um mutig zu sein, um mutig neue Wege zu gehen! Und spüre danach das Gefühl der Leichtigkeit, beim Träumen von neuen Erfahrungen, Eroberungen und Entdeckungen. Denn der Mut ist die Mitte: Abwägen, Innehalten, Reflektieren, nicht zu viel Mut und nicht zu wenig Mut, gerade richtig!

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Folgt der Coachee der Einladung des Beraters, sein Anliegen mit dem Modell der Mut – Schaukel zu visualisieren, wäre der erste Schritt das Hervorholen von Erinnerungen an das Schaukeln auf der Wippe, oder das reale Tun. Jeder ist schon einmal auf einer Wippe gesessen. Jeder kennt das Gefühl, von Bodenhaftung, weil man selbst zu schwer ist und das Gegenüber zu leicht. Wir wissen von der Kraftanstrengung die es am Anfang bedarf, bis ein Geben und Nehmen entsteht und Jeder kennt das Kribbeln im Bauch, beim Übergang vom Steigen zum Fallen. Das Modell der Mut – Schaukel ist entstanden durch die Auseinandersetzung mit philosophischen Aussagen zum Thema Mut. Aristoteles sagt: „Mut ist die Mitte!“ Daraus lesen wir, dass Mut, der Punkt ist, der etwas verändert, der etwas in Gang bringt. Visualisiert ist Mut der Drehpunkt, der Wendepunkt. Im Beratungskontext ergibt sich für uns daraus die Frage: „Warum bewegt sich nichts?“. Zwei zentrale Elemente haben sich herauskristallisiert: Das Sicherheitsbedürfnis und die Angst, sie hindern Menschen einen neuen Weg zu gehen.

Sicherheitsbedürfnis / Angst Solange uns ein Sicherheitsbedürfnis auf dem Boden fest hält, solange uns die Angst vor Neuem, die Angst Fehler zu machen lähmt, solange werden wir daran gehindert neue Entdeckungen zu machen. ❶ Erarbeiten wir mit dem Coachee die Frage: Was hält mich am Boden fest? Warum kann sich die Schaukel nicht bewegen? Hierzu können auch Gegenstände auf die Schaukel gestellt werden, geschrieben oder gemalt werden, die eine Seite „schwer“ machen. Mögliche Reflexionsthemen: Sicherheitsbedürfnis Ängste: vor Neuem, vor Zurückweisung, Fehler zu machen… Gewohnheit, es war schon immer so… Glaubenssätze: „Du kannst das nicht!“ Erfahrungen Zwänge

Entdeckungen ❷ Erarbeiten wir mit dem Coachee, die Frage: Was könnte mich erwarten, wenn ich den Mut aufbrächte, die Bodenhaftung zu verlassen? Was würde ich Neues entdecken? Welche Chancen würden sich ergeben? Die Anleitung, die man als Coach zur Entwicklung eines Zukunftsentwurfs gibt, soll dem Coachee helfen, gewohnte Denkmuster zu überwinden um Zugang zur eigenen Intuition zu finden, schreibt Maren Fischer-Epe in ihrem Buch: Coaching, Miteinander Ziele erreichen (2015, S. 171). Dazu ist es aber erst notwendig die gewohnten Denkmuster mit dem Coachee heraus zu filtern. Die Erkenntnis über die eigenen Denkmuster

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Ein Beitrag von Monika Danisch, Silke Englisch und Andrea Gemkow

ist meist schon der erste Schritt zu neuen Entdeckungen und Möglichkeiten. Wieder können Gegenstände gelegt werden, diesmal für die Ziele und Wünsche des Coachee. Zuerst in der möglichen Entfernung oder Nähe zur Wippe, wie dies der Coachee gerade empfindet. Danach wäre der richtige Zeitpunkt die Schaukel in Bewegung zu bringen. Der Coachee wird gebeten, sein Gebilde (z.B. Bauklötze), das für die Wünsche und Ziele steht, auf die Wippe zu stellen. Was passiert? Mit welcher Qualität, Schwere oder Leichtigkeit… tut dies der Coachee? Beobachtungen des Beraters sind hier sehr wertvoll: Was passiert mit dem Coachee, wenn sich plötzlich etwas bewegt? Wir erarbeiten die Frage, was hat das Entstandene mit dem Coachee zu tun? Rückfragen sind hier sehr wichtig: „Ich sehe, sie sind sehr erstaunt über das Ergebnis, was ist gerade passiert?“ Hier ist auch ein guter Moment um Wechselwirkungen deutlich zu machen. Es kann so lange mit der Schaukel „gespielt“ werden, bis neue Erkenntnisse bzw. eine gute Lösung für den Coachee deutlich wird. Wünsche könnten sich dabei verändern, oder neue Ideen entstehen. Varianten könnten durchgespielt werden.

Mut ❸ Erarbeiten wir mit unserem Coachee, die Frage: Was würde mir helfen mutig zu sein, welche Strategien, welche Tipps könnten hilfreich sein? Die Belohnung für Mut heißt Freiheit, schreibt Richard Egger in seinem Buch, (Mut, Kardinaltugend der Menschenführung, S. 187) und meint damit die Handlungsfreiheit in unseren Zielsetzungen (S. 190). Egger gibt aber zu bedenken, dass mit der Handlungsfreiheit aber auch die realen Folgen bedacht werden müssen (S.194). Bei allen mutigen Gedanken und neuen mutigen Zielsetzungen, die wir im Gespräch mit dem Coachee sammeln, sollten wir als Coach immer auch die möglichen Folgen mit besprechen. Den Coachee anzuregen weiter zu denken, zu träumen und neue Visionen zu entdecken ist bestimmt in den meisten Fällen sehr hilfreich, doch gerade beim Thema Mut dürfen auch die „Grenzen des Mutes“ nicht außeracht gelassen werden. Legen wir uns, wie Thomas Stölzel (S. 247) es beschreibt, die Frage vor, wo und wodurch für uns ein weiterführender, blicköffnender, neue Perspektiven und Entscheidungsmöglichkeiten ins Gewahrsein bringender Mut aufhört.

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Ein Beitrag von Mauren Kuwertz, Andreas Pfisterer und Heiner Riegel

Geschäftsleitung dezidiert für das Thema verantwortlich ist (vgl. Ramge, 2010). Dazu gehört, sich der eigenen Ressourcen bewusst zu sein und Organisation und Struktur, Personal und Produktportfolio spezifisch anhand von Fitting-Instrumenten aufeinander abzustimmen und weiterzuentwickeln.

Social Entrepreneurship und Wohlfahrtsstaat – wem gehört die Zukunft? Eine Form sozialen Unternehmertums, die sowohl ein hohes Identifikationspotential aufweist als auch Prinzipien der Nachhaltigkeit und Innovation integriert, ist Social Entrepreneuship, das als Antwort auf sich verändernde gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen in jüngerer Vergangenheit von sich Reden gemacht hat. Galt der deutsche Wohlfahrtsstaat bis Anfang der 1990er Jahre „als Idealtypus des konservativen Wohlfahrtstaates mit einem dominierenden Sozialversicherungsprinzip, einer Dezentralisierung residualer Leistungen und stark korporatistisch geprägten Dienstleistungsstrukturen“ (Heinze et al., 2001, S. 86), führte die Politik nach und nach wettbewerbliche Strukturen ein, die die Akteure im Dritten Sektor dazu zwangen, zunehmend marktorientierter zu agieren. Dadurch wurden aus Mitgestaltern der Sozialpolitik und Anwälten für die Betroffenen soziale Dienstleistungserbringer, die sich zunehmend mehr der Erfüllung von Effizienzvorgaben verpflichtet sahen (vgl. Liga der freien Wohlfahrtspflege in Hessen e.V., 2007, S. 9). Die „Manageralisierung“ und „Ökonomisierung“ der sozialen Arbeit verfolgte neben dem Ziel der Kosteneinsparung auch das Ziel, den Markt zu öffnen. Hatten die Wohlfahrtsverbände und ihre Mitgliedsorganisationen bis dato quasi eine Monopolstellung, ermöglichte die Umstellung privaten Anbietern, ihre Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Ein Phänomen privaten sozialen Unternehmertums ist Social Entrepreneurship, das vor allem im Ausland als Chance gesehen wird, „soziale und ökologische Missstände effektiv und nachhaltig zu bekämpfen“ (Scheuerle et al. 2013, S. 7). Für Deutschland stellt sich allerdings die Frage, wie sich Social Entrepreneurship in die bestehenden Strukturen einfügen kann. Denn trotz der oben erwähnten Umgestaltung des Sozialstaates und der damit verbundenen Veränderung der koporatistischen Strukturen treffen Sozialunternehmer nach wie vor auf relativ stabile, weil über langen Zeitraum gewachsene wohlfahrtsstaatliche Strukturen, die den etablierten Anbietern Vorteile verschaffen. Nichtsdestotrotz zwingt die „Abkehr vom Kostendeckungsprinzip hin zum Budgetprinzip“, die „Einführung wettbewerblicher Elemente bei der Vergabe von öffentlich finanzierten soziale Dienstleistungen und“ die „zumindest partielle Gleichstellung privat-gewerblicher mit den ehemals privilegierten freigemeinnützigen Dienstleistungsanbietern“ (Heinze et al. 2001, S. 89) die Wohlfahrtsverbände respektive ihre Mitgliedsorganisationen dazu, innovative Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Treten also Social Entrepreneurships und etablierte Dienstleistungsanbieter in Konkurrenz? Ist die Existenz der althergebrachten sozialen Einrichtungen bedroht? Oder werden es vielmehr Social Entrepreneurship in Deutschland aufgrund der erwähnten ausgeprägten staatlichen Aktivitäten im sozialen Dienstleistungssektor schwer haben sich zu etablieren?

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Social Entrepreneurships sind Unternehmen, die innovativ und zielgerichtet soziale Probleme angehen, um sie langfristig zu lösen und gesellschaftlichen Nutzen zu stiften; im Gegensatz zu Einrichtungen innerhalb der Wohlfahrtsverbände, die ihre sozialen Dienstleistungen zum größten Teil von der öffentlichen Hand finanzieren lassen, muss der Social Entrepreneur –wie jeder Unternehmerseine finanziellen Mittel selbst akquirieren und sein Geschäftsmodell so gestalten, dass er Einnahmen erwirtschaftet, die es ihm ermöglichen, seine Ziele zu verwirklichen. Für Social Entrepreneurs existiert „keine klare öffentliche Finanzierungsverantwortung“, „korporatistische Routinen überwiegen“ (Heinze et al. 2001, S. 95) weiterhin, die Märkte sind für neue Anbieter kaum zu erschließen. Zudem begegnet privaten Anbietern innovativer Angebote erhebliches Misstrauen von Seiten der öffentlichen Kostenträgern (vgl. ebd., S. 95). Diese Eigenverantwortung hinsichtlich der Finanzierung birgt selbstverständlich ein hohes unternehmerisches Risiko; gleichzeitig eröffnet es aber auch Chancen. Denn anders als Einrichtungen, die eingebettet sind in einen Träger, der wiederum einem der großen Wohlfahrtsverbände untergeordnet ist, sind Social Entrepreneurships unabhängiger und flexibler. Sie können mit neuen Ideen schneller auf den Markt drängen, da sie keinem übergeordneten Apparat Rechenschaft schuldig sind. Das wiederum macht sie für (private) Geldgeber attraktiv, zumal sie den Anspruch haben, zumindest kostendeckend zu sein, gegebenenfalls sogar auch noch Profit zu erwirtschaften, der in den weiteren Bestand des Unternehmens einfließt. Zudem impliziert eine hohe Eigenverantwortung ein hohes Maß an Selbstbestimmung und somit auch eine hohe Motivation. Ein weiteres wesentliches Merkmal von Social Entrepreneurship ist der innovative Ansatz. „Soziale Innovationen sind Lösungen für bestehende, sich abzeichnende, gesellschaftliche Probleme, Bedarfe und Herausforderungen. Sie umfassen die Entwicklung und Erprobung neuer Ansätze sowie die Weiterentwicklung und Anpassung bestehender Konzepte. Dabei können sich soziale Innovationen auf die Veränderung und Dynamik von Institutionen, Prozessen und Strukturen sowie auf die Bereitstellung von verbesserten oder neuen sozialen Dienstleistungen bzw. Produkten beziehen“ (DRK). Etablierte Anbieter sozialer Dienstleistungen hingegen beziehen teilweise ihre Legitimation daraus, dass sie ein berechenbares, verlässliches Angebot für Zielgruppen vorhalten, deren Erwartungsanforderungen ebenfalls konstant sind. Sie sind meist in Trägerstrukturen mit klaren Aufgabengebieten eingebunden. Daher können sie nur bedingt innovativ sein, da das Aufmerksamkeitsspektrum für soziale Herausforderungen durch die Aufgabenstellung der Trägers limitiert ist. Diese Limitierung ist oft gewollt, da sie einen ganz bestimmten Bedarf abdeckt; Einrichtungen der Behindertenhilfe beispielsweise sind so ausgerichtet, dass sie ihrem Klientel ein verlässliches, auf Dauer angelegtes Unterstützungsangebot zukommen lassen können. Innovation scheint hier zunächst keine Rolle zu spielen. Unabhängige Sozialakteure jedoch unterliegen keinen Kategorisierungen; vielmehr halten sie gezielt Ausschau nach sozialen Herausforderungen, die es zu meistern gilt und nehmen sich derer an, die sie durch innovative Ideen zu lösen können glauben. Auch in dieser Hinsicht sind Social Entrepreneurships flexibler. Nichtsdestotrotz findet soziale Innovation –wie bereits angedeutetauch innerhalb der Strukturen der Wohlfahrtsverbände und ihrer Mitgliedsorganisationen statt. Dies findet aber in der öffentlichen

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Ein Beitrag von Mauren Kuwertz, Andreas Pfisterer und Heiner Riegel

Wahrnehmung kaum Niederschlag, was zum einen am Image der Wohlfahrtspflege –nämlich träge und verkrustet –, zum anderen an der Selbstvermarktung liegen könnte. Dabei bieten die Organisationsstrukturen der Wohlfahrtsverbände und das dort vorhanden Know-how reichlich Unterstützungspotential für Soziale Innovationen – sowohl für interne als auch für externe Innovatoren, deren Ideen zum Teil auch schon in Form von Social Intrapreneurship aus den Wohlfahrtsverbänden heraus umgesetzt werden. Um soziale Innovationen gezielter, strukturierter, schneller und nachhaltiger umsetzen zu können, scheinen also Kooperationen aller Akteure im sozialen Dienstleistungssektor als unausweichlich. Leider sind diese noch die Ausnahme, da sich Wohlfahrtsverbände und Social Entrepreneurs mit Misstrauen begegnen: „Wohlfahrtsverbände halten Sozialunternehmer für Konkurrenz, Sozialunternehmer Wohlfahrtsverbände für innovationsfeindlich“ (Höll/Oldenburg, S.3). Neben diesen Vorbehalten steht einer gelingenden Kooperation jedoch auch im Weg, dass es keine Plattformen für Austausch und Vernetzung gibt. Um auf die Eingangsfrage zur Zukunftsfähigkeit beider Angebotsformen sozialer Arbeit zurückzukommen: beide Angebotsformen scheinen ihre Daseinsberechtigung zu haben und zu behalten. Und beide haben Stärken, die sich ausgezeichnet ergänzen: Flexibiiltät und Innovation auf der einen, Stabilität, gewachsene (Infra-) Struktur und ein hohes Maß an Know-how auf der anderen Seite. Wenn es gelänge, Synergien nachhaltig nutzbar zu machen durch verbesserte Vernetzung und Kooperation (durch Transferagenturen und Gründerzentren) vereinfachte Finanzierung (im Sinne von Venture Philanthropy/Soziales Risikokapital) standardisierte Wirkungsmessung (z.B. Social Reporting Standard SRS) Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen Förderung der Innovationskraft innerhalb der Wohlfahrtsverbände (durch Organisations-, Personalentwicklung und Coaching). ließe sich der gesellschaftliche Impact jedoch noch immens steigern.

Aufbruch in Organisation: Innovation in der Produktentwicklung Die vorangegangenen Ausführungen machen deutlich, dass sich soziale Arbeit verschiedenen Herausforderungen gegenübersieht, denen es zeitgemäß zu begegnen gilt. Um flexibel und zielgerichtet agieren zu können, erscheint es zunehmend wichtig, innovatives Management auch in den Feldern sozialer Arbeit zu implementieren. Die Anforderung für das Management sozialer Einrichtungen besteht darin, die Unternehmenskultur so zu steuern, dass Innovationen entstehen können: durch ideenfördernde Rahmenbedingungen, innovative Mitarbeiter und die notwendigen Methoden und Techniken. Eine solche Vorgehensweise soll im Folgenden nun dargestellt werden: das Fitting von Nachfrage und Produktportfolio. Dieser Ansatz beschäftigt sich dezidiert mit der Betrachtung und Bewertung von Ressourcen, Produkt und Nachfrage unter Berücksichtigung der Perspektiven Organi-

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sationsentwicklung, Nachhaltigkeit und Innovationspotential. Unter dem Begriff „Produkt-Fitting“ verstehen die Autoren eben nicht nur die die Passgenauigkeit von Angebot und Nachfrage, sondern ausdrücklich auch die Bewertung der Ressourcen des Unternehmens im Hinblick darauf, ob eine Kundennachfrage nachhaltig bedient werden kann. Angebote und Dienstleistungen in der sozialen Branche als Produkt zu bezeichnen, ist in der Bundesrepublik Deutschland unüblich. Die Vermutung liegt nahe, dass die Bezeichnung Produkt Assoziationen mit Wirtschaftsgütern hervorruft und diese nicht auf Angebote und Dienstleistungen übertragen werden sollen, die in der sozialen Arbeit eine starke ethische Komponente enthalten. Die Autoren haben sich entschieden, dezidiert diese Bezeichnung aufzugreifen, um gerade die wirtschaftliche und organisationale Dimension von Produkten hervorzuheben, die auch in der sozialen Branche mit Zunahme der Herausforderungen des Arbeitsmarktes eine immer stärkere Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus kann anhand des Lebenszyklus eines Produkts veranschaulicht werden, in wie fern die Stärken unterschiedlicher Akteure in der sozialen Branche – in diesem Fall diejenigen etablierter Träger und Social Entrepreneurs – für die Entwicklung nachhaltiger und zukunftsweisender Produkte genutzt werden können. Dabei fokussieren die Autoren das Interesse hauptsächlich auf die Phase vor Einführung eines Produkts, also diejenige, in der die Entwicklung und Vorbereitung erfolgt. In dieser Phase werden Ressourcen genutzt, ohne dass das Produkt bereits Gewinne erzielt, d.h. der Anbieter muss in Vorleistung gehen und als first mover bei Produkteinführung von Beginn an Umsätze erzielen. Dieses Risiko scheuen etablierte Träger in der sozialen Branche, zumal mit den bestehenden Produkten mittels abgeschlossener Leistungsvereinbarungen ein sicherer und planbarer Umsatz erzielt wird. In einem Szenario, in dem gerade diese Produkte aufgrund sich verändernder Rahmenbedingungen (z.B. Fachkräftemangel, Kostendeckelung seitens der Kostenträger, etc.) nicht mehr oder nur noch mit größten Anstrengungen erbracht werden können, müssen auch etablierte Akteure neue Wege eingeschlagen – die Autoren zeigen hier anhand des Fittings in der Produktentwicklung einen möglichen Weg auf, die Nachfrage weiter bedienen zu können und gleichzeitig attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen.

http://images.google.de/imgres?imgurl=https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/48/Produktlebenszyklus2.png

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Ein Beitrag von Mauren Kuwertz, Andreas Pfisterer und Heiner Riegel

Die Merkmale von Social Entrepreneurs (dynamisch, innovativ, markt- und problemlösungsorientiert, vernetzt) und diejenigen etablierter Träger in der sozialen Branche (renommiert, verantwortungsvoll, (markt-) mächtig, kooperativ, netzwerkorientiert, finanzstark) lassen sich ideal in einem sog. „think tank“ vereinen. Ursprünglich stammt das Konzept des think tanks aus der Politik und wurde später als Innovationsinstrument von der Wirtschaft aufgegriffen und ausgebaut. Konzerne wie google und Daimler, aber auch die NASA, unterhalten think tanks, um Ideen und daraus nicht nur neue Produkte zu generieren, sondern auch die Weiterentwicklung des Produktportfolios und damit der eigenen Struktur voranzutreiben. Kennzeichnend für einen think tank sind die Dimensionen Vorhersehung, Beratung, Netzwerk und Interdisziplinarität. Es werden Zukunftsszenarien entworfen, aus denen sich die konkreten Aufgabenstellungen für erfolgreiches (unternehmerisches) Handeln ableiten lassen. Die Autoren halten diese Methode in Kombination mit einem Produkt-Fitting als sehr gut geeignet für die soziale Branche, zumal an unterschiedlichen Stellen die Stakeholder und damit auch die Klienten und die Belegschaft in den Zukunftsprozess einbezogen werden können. Für das Produkt-Fitting schlagen die Autoren das Value Proposition Canvas vor, das sich dezidiert mit der Abstimmung von Werteangebot seitens des Anbieters und Kundenwunsch/Nachfrage beschäftigt. Das Value Proposition Canvas ist eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Business Model Canvas, beide erarbeitet von Alexander Osterwalder und Yves Pigneur (für weitere Informationen s. „Business Model Generation“ und „Value Proposition Design“).

http://shiftkeylabs.ca/calendar/getting-fit/

Die Systematik des Value Proposition Canvas geht davon aus, dass der Anbieter mit seinen Produkten und Dienstleistungen für den Kunden Benefits generiert oder verstärkt (Gewinnmaximierung, stärkere Mitarbeiterbindung, Qualitätsverbesserung, etc.) oder aber Unzulänglichkeiten lindert (Kostensenkungen, Effizienzsteigerung, Imageverbesserung, etc.). Für diese Vorgehensweise ist eine sehr gute Einschätzungsfähigkeit unabdingbar, und zwar sowohl bezüglich des eigenen

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Persönlichkeitstypen – ihre Entwicklung und Bedeutung Bereits seit der Antike bestehen Bemühungen den Menschen in seiner Vielfalt und individuellen Persönlichkeit bestimmten Typen zuzuordnen. Bis heute sind hier die Begriffe Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker und Sanguiniker geläufig. Mittlerweile gibt es jedoch weitaus differenziertere, persönlichkeitstheoretische Grundmodelle. Einer der wichtigsten Vertreter der Typenlehre ist bis heute der Schweizer Carl Gustav Jung (1875 – 1961). Jung entwickelte Typologien der Persönlichkeiten und unterschied in Introversion und Extraversion. Dieses Gegensatzpaar steht für eine stabile Persönlichkeitseigenschaft. Demnach richten Extravertierte ihre Energie nach außen und Introvertierte die Energie in ihre innere Welt. Mit dem Modell der Extraversion – Introversion gekoppelt mit den vier Bereichen: Denken, Fühlen, Empfinden und Intuieren, hat er ein Grundkonzept für die heute angewendeten Modelle geschaffen (vgl. Simon, 2007, S. 30ff.). Auch das später vorgestellte Riemann-Thomann-Modell basiert darauf. Als Ergebnis lässt sich demnach festhalten, dass sich Organisationen darauf einstellen müssen, dass ihre Mitarbeiter eine bereits festgelegte Persönlichkeit haben. Diese gilt es, im Rahmen eines Change Management Prozesses, ausreichend zu berücksichtigen. Hilfreich ist hier die Kategorisierung von verschiedenen Persönlichkeitstypen, um einen Leitfaden für eine stärkenorientierte Beteiligung für den Aufbruch in nachhaltige Veränderung zu entwickeln.

Verfahren zur Kategorisierung von Persönlichkeiten Die heutigen Modelle sind neben dem Gedankengut von Jung zudem von der Haltung geprägt, dass formelle und informelle Beziehungen am Arbeitsplatz Einfluss auf die Produktivität haben. Erstmals wurde diese Erkenntnis von der Human Relation Bewegung (ab 1930) formuliert. Der Gedanke führte in seiner Weiterentwicklung zur Berücksichtigung von Beziehungsdynamiken in Unternehmen. Diese werden, basierend auf der Persönlichkeit, ebenso mit Hilfe der Verfahren analysiert. Grundsätzlich gibt es in der Kategorisierung von Persönlichkeiten zwei unterschiedliche Verfahrensweisen. Zum einen stark differenzierte „Persönlichkeits-Struktur-Tests“, die differenzierte Skalenwerte erfassen und mit einer Referenzgruppe vergleichen und zum anderen sogenannte „Typenbildende Verfahren“, worunter das Riemann-Thomann-Modell fällt (vgl. Graf, 2014, S.8). Hier werden Teilnehmer entweder befragt und anschließend, anhand ihrer Antworten, Kategorisierungen abgeleitet, oder die Einordung erfolgt durch Fremdbewertung von Vorgesetzten oder Beratern. Die Typenbildenden Verfahren können mit relativ geringem Aufwand eingesetzt werden und eignen sich deshalb sehr gut für Trainings, Seminare, Coachings und lassen sich insbesondere im Prozess der Veränderung sehr gut anwenden. Bevor die gezielten Interventionen im Change Management Prozess auf Basis des Riemann-Thomann-Modells erläutert werden, erfolgt eine theoretische Hinführung.

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Das Erleben von Situationen und Ereignissen innerhalb der zugeordneten Pole wird als angenehm empfunden und daher werden diese persönlichkeitsentsprechenden Punkte Heimatgebiete genannt. Der heimatliche Schwerpunkt ist demnach mit dem Pol verbunden, der größtmögliche Sicherheit und Wohlbefinden auslöst. Ausgehend vom individuellen Schwerpunkt im Heimatgebiet ergeben sich Kombinationen aus Abgegrenztheit und Berechenbarkeit, die der Aufrechterhaltung der seelischen Stabilität dienen. Hier hat jeder Mensch seinen individuellen Toleranzbereich und macht darin sein seelisches Heimatgebiet fest. Der Bereich innerhalb dieses Gebiets wird mit seelischer Sicherheit verbunden, der Bereich außerhalb mit Unsicherheit. Sobald die Grenze des Heimatgebietes überschritten wird, entsteht Unsicherheit. Als Schatten wird im Riemann-Thomann-Kreuz, in Anlehnung an C.G. Jung, das maximale Unsicherheitsempfinden durch Fremdheit bezeichnet. Der Schatten befindet sich punktsymmetrisch zum Heimatgebiet. Stahl spricht auch von einer „Antiheimat“ und dem „Reich der Unsicherheit“ (vgl. Stahl, 2002, S. 234). Viele Menschen verspüren gegenüber dem Schattenbereich eine Ambivalenz zwischen Bedrohung und Anziehung. Oftmals ist ein ferner Blick auf den Schatten voller Sehnsucht möglich. So kann der Gegenpol der eigenen Persönlichkeit durchaus eine Anziehung haben, solange ausreichend Distanz besteht. Werden allerdings Situationen aus dem Schattenbereich tatsächlich erlebt, so fühlen sich Personen zunehmend bedrängt und reagieren ängstlich, ablehnend bis intolerant.

Das Riemann-Thomann Modell für das Change Management nutzen Das Riemann-Thomann-Modell hilft dem Berater, aber auch den Führungskräften das Empfinden, die Wahrnehmung und das Verhalten Einzelner und Gruppen besser zu verstehen. Neben den fachlichen und sachlichen Argumenten werden persönliche Eigenschaften transparent. Dadurch kann die Führungskraft Stärken und Schwächen des Einzelnen besser identifizieren und diese Erkenntnisse für den Aufbruch nutzen. Die Erhebung der Persönlichkeitstypologien kann mit Befragungen oder durch das Ausfüllen von Fragebögen erfolgen. Über die Auswertung und die Zuordnung zu den Persönlichkeitskategorien, erfolgt die Evaluierung. Die Ergebnisse können dem Mitarbeiter mit folgenden Zielstellungen verbal oder visualisiert gespiegelt werden:  Entwicklung eines Verständnisses gegenüber dem eigenen Empfinden und Handeln in Veränderungsprozessen. Persönliche Stärken im Heimatgebiet werden sichtbar und eine Heranführung an die eigenen Schatten (Ängste) wird eingeleitet.  Dynamiken in Veränderungsprozessen werden verdeutlicht. Ein besseres Verständnis für das Verhalten des Anderen kann erreicht werden. Unterschiedliche Stärken werden wahrgenommen. Darüber hinaus kann der Berater, auf der Basis der Analyse, hypothetische Verhaltensweisen und Dynamiken ableiten, die während des Prozesses auftreten könnten und die Führungskraft dafür sensibilisieren. Diese Hypothesen gilt es jedoch während des Beratungsprozesses kontinuierlich zu überprüfen, um nicht im Schubladendenken zu verharren. Erfahrungsgemäß sind diese Muster

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Quellenverzeichnis: Bartscher, Thomas/Stöckl, Juliane (2011), Veränderungen erfolgreich managen, Freiburg: Haufe-Lexware GmbH & Co.KG Fisseni, Hermann-Josef (1991), Persönlichkeitspsychologie, Göttingen. Toronto, Zürich: Hogrefe Verlag für Psychologie Groth, Alexander (2009), 30 Minuten Stärkenorientiertes Führen, Offenbach: GABAL Verlag GmbH Leao, Anja/Hofmann, Mathias (Hrsg.) (2007), Fit for Change, Bonn: managerSeminare Verlags GmbH Mil, Richard (1999): IO-Management Nr. 11, Band 68, Erfolg dank Authentizität, S. 84-89, Zürich Schlichtel, Alexandra 2010: Change Management für Dummies, WEINHEIM: WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA Schulz, Benjamin (2015), 30 Minuten Personality, Offenbach: GABAL Verlag GmbH Schulz von Thun, Friedemann (2009): Riemann-Thomann Modell. URL: http://www.schulzvon-thun.de/index.php?article_id=105 Simon, Walter (2007), GABALs großer Methodenkoffer Persönlichkeitsentwicklung, Offenbach: GABAL Verlag GmbH Stahl, Eberhard (2002): Dynamik in Gruppen. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Stahl, Eberhard (2011), Dynamik in Gruppen. 3. Aufl, Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Zimmer, Mareike (2013): Wann das „Denken in Schubladen“ hilfreich sein kann. http://mzcoaching. com/2013/10/16/wann-das-denken-in-schubladen-hilfreich-sein-kann/

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Aufbruch in eine neue Zeit des wirtschaftlichen Handelns Ein Beitrag von Petra Denne und Michael Frauscher Für kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern beginnt 2017 ein neues Zeitalter. Sie müssen dann nach einem Beschluss der Europäischen Kommission über ‚nichtfinanzielle Informationen‘ ihrer Geschäftstätigkeit berichten (Corporate Social Responsibility-Berichtspflichten).

Was ist Corporate Social Responsibility? Unter “Corporate Social Responsibility” oder kurz CSR wird die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen als Teil des nachhaltigen Wirtschaftens verstanden. CSR betrifft das Kerngeschäft, das durch die Globalisierung ökonomische, soziale und Umweltzustände überall auf der Welt beeinflusst. Es wörtlich zu übersetzen greift zu kurz: es ist deutlich mehr als nur die soziale Verantwortung von Unternehmen gemeint. Im eigentlichen Verständnis von CSR geht es darum wie Gewinne erwirtschaftet werden und nicht, was mit ihnen geschieht. Es geht nicht (nur) um Stiften, Spenden, Sponsern oder so genannte gute Taten, wie es viele Unternehmen aktuell leben. Sondern das Kerngeschäft zeigt, dass soziale und ökologische Unternehmensverantwortung sowie nachhaltig ausgerichtetes Wirtschaften mit ökonomischem Erfolg einhergehen. Corporate Social Responsibility als Rahmen verstanden, begreift und beschreibt das Unternehmen als ganzheitliches System, das sowohl den Blick selbstkritisch nach Innen und nach Außen richtet. 1 Verpflichtend ist der CSR-Bericht offiziell zwar erst für Unternehmen mit öffentlichem Interesse ab einer Größe von 500 Angestellten. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind damit erstmal nur mittelbar von dieser Pflicht betroffen. Lieferanten und Subunternehmer mit wenigen Mitarbeitern könnten aber bald mit in die Pflicht genommen werden. Denn immer öfter wollen auch Kunden, gemeinnützige Organisationen, Träger öffentlicher Interessen und Lieferanten etwas über die Wahrnehmung von unternehmerischer Verantwortung (Corporate Social Responsibility) und der Nachhaltigkeit eines Unternehmens erfahren. Die konkreten Auswirkungen werden sich erst in der Umsetzung zeigen.

Jedes KMU kann jedoch auch jetzt schon von der CSR-Berichtspflicht profitieren. Viele Klein- und Mittelständische Unternehmer, als ehrliche Handwerker und ehrbare Kaufleute, nehmen soziale Verantwortung bereits ‚aus dem Bauch heraus‘ wahr, weil sie wissen, wie wichtig stabile Kundenbeziehungen, zufriedene und motivierte Mitarbeiter/innen, ein gutes Verhältnis zum gesellschaftlichen und politischen Umfeld und nicht zuletzt ein guter Ruf und Leumund sind. Was bringt dann ein CSR-Bericht?

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vgl. https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/corporate_social_responsibility_unternehmerische_1499.htm

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Im Vorwort des Leitfadens zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) heißt es dazu: „Mit dem DNK können Unternehmen in die Berichterstattung einsteigen beziehungsweise diese vertiefen und Nachhaltigkeit besser managen. Daraus ziehen sie erhebliche Vorteile: Beispielsweise senken Effizienzmaßnahmen die Energiekosten, betriebliche Gesundheitsvorsorge stärkt die Mitarbeitermotivation, Regeln gegen Korruption mindern Reputationsrisiken. Der DNK birgt zudem für Unternehmen die Chance, ihr Engagement und ihre guten Leistungen für eine nachhaltige Entwicklung besser und öffentlich wahrnehmbarer darzustellen. Das stärkt sie im Wettbewerb um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder bei der Positionierung gegenüber Kunden und ihren Partnern in Banken und Sparkassen. Und nicht zu vergessen: Die Berichterstattung über Nachhaltigkeit ist auch ein Signal gegenüber den Beschäftigten, dass dieses Thema im Unternehmen tatsächlich einen hohen Stellenwert hat. Sie kann so helfen, die Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit zu erhöhen und damit die Unternehmenskultur zu beeinflussen.“ 2 Darüber hinaus hat die Beschäftigung mit den im Nachhaltigkeitskodex vorgelegten, nicht-finanziellen Aspekten unternehmerischen Handelns auch Vorteile für dieses Handeln selbst: „So betrachtet, ist bei einer ernsthaften Beschäftigung mit Nachhaltigkeit und CSR das Entstehen von Innovation fast ‚unvermeidbar‘. Nachhaltigkeit und CSR sind vom Grundprinzip her entwicklungs-, lern- und innovationsorientierte Ansätze. Die Auseinandersetzung mit der Organisation selbst, den Anforderungen der Anspruchsgruppen, die Suche nach Verbesserungen für Umwelt und Gesellschaft bringen Impulse für Veränderung und Innovation. Innovation heißt, wie einleitend dargestellt, Neues zu entwickeln und umzusetzen – sei es intern, wenn es sich um organisatorische Veränderungsvorhaben handelt, oder auch am Markt, wenn es sich etwa um eine Produkt- oder Geschäftsinnovation handelt.“ 3 Aus diesen Gründen zwingt verantwortliches unternehmerisches Handeln zum Umdenken bei der Entwicklung von Produkten, beim Entwerfen von Prozessen und den Auswirkungen die dadurch erreicht werden. Weltweite Studien zeigen, dass Unternehmen, die sich für das Gemeinwesen engagieren und CSR ernsthaft in ihren Business-Alltag integrieren, Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterzufriedenheit signifikant erhöhen. Darüber hinaus gelingt es ihnen besser, engagierte und loyale Mitarbeiter zu rekrutieren. So fühlen 87% der Beschäftigten in Europa stärkere Loyalität zu sozial engagierten Unternehmen. Bei Mitarbeitern von Unternehmen, die sich gesellschaftlich engagieren, wurde ein Zuwachs von Motivation und Leistungsbereitschaft um 30 Prozent festgestellt. In einer weiteren Studie gaben 42 Prozent der Befragten an, dass das soziale Engagement eines Unternehmens sie in ihrer Entscheidung positiv beeinflusst habe, gerade dort einen Job anzunehmen.“ 4 Bei CSR geht es demnach nicht um Philanthropie. CSR findet im ureigenen Interesse der Unternehmen statt. Denn nur, wer für seine Mitarbeiter sorgt, hat im Wettbewerb um Aufträge und die besten Mitarbeiter auch zukünftig eine gute Ausgangslage. So erklärt sich auch, dass das Thema Diversity aktuell immer mehr Raum bekommt. Nur wenn sich Mitarbeiter verschiedener Kulturkreise, Nationalitäten oder Religionen in einem Unternehmen wohlfühlen, bindet es langfristig Fachkräfte. 2 3 4

DNK 2014, S. 4 Schneider 2015, S. 585. Schneider 2015, S. 648f.

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Doch Berichterstattung hat auch eine starke Wirkung auf das Unternehmen selbst: Berichten heißt nicht nur Daten sammeln, sondern auch genau hinschauen und analysieren. So werden Schwachstellen, aber auch ungenutzte Möglichkeiten sichtbar. Das Unternehmen erkennt, ob es alle Gesetze und Regeln einhält (Compliance). Ein weiterer wichtiger Effekt: Die Belegschaft wird für nachhaltiges Handeln sensibilisiert und motiviert.“ 5 Die vier Kapitel des Nachhaltigkeitskodexes beschäftigen sich mit den Themen Strategie, Prozesse, Umwelt (Ökologie) und Gesellschaft (Politik und Soziales). Innerhalb dieser Kapitel werden 20 Kriterien entwickelt, die es zu überprüfen gilt:

DIE 20 KRITERIEN DES DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSKODEX (DNK) STRATEGIE 01 Strategische Analyse und Maßnahmen 02 Wesentlichkeit 03 Ziele 04 Tiefe der Wertschöpfungskette

PROZESSMANAGEMENT 05 Verantwortung 06 Regeln und Prozesse 07 Kontrolle 08 Anreizsysteme 09 Beteiligung von Anspruchsgruppen 10 Innovations- und Produktmanagement

UMWELT 11 Inanspruchnahme von natürlichen Ressourcen 12 Ressourcenmanagement 13 Klimarelevante Emissionen

GESELLSCHAFT 14 Arbeitnehmerrechte 15 Chancengerechtigkeit 16 Qualifizierung 17 Menschenrechte 18 Gemeinwesen 19 Politische Einflussnahme 20 Gesetzes- und richtlinienkonformes Verhalten“ 6

5 6

DNK 2014, S. 7. DNK 2014, S. 2.

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