Bildung? Ja, bitte!
Bildung ist wichtig, darüber sind wir uns einig. Aber ist die Art und Weise, wie Inhalte vermittelt und gelernt werden, noch zeitgemäß? Auch Lehrmethoden und unser Bildungssystem müssen sich weiterentwickeln. Die SPIESSERAutoren haben sich für diese Ausgabe unter anderem mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Schule beschäftigt, fordern aber auch neue Lehrinhalte.
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Unterricht abseits der (Hetero-)Norm Ein Bericht über den Kölner SCHLAU e. V.
Künstliche Intelligenz im Klassenzimmer: Risiko oder Revolution unseres Schulsystems? Das Titelthema
„Bildungsgang. Bildung neu denken.“ Eine Rezension über den Dokumentarfilm
Die KI hat meine Hausaufgaben gefressen Ein Kommentar
Kreuzworträtsel Fast & Furious 10-Fanpakete, Neue Geschichten vom Franz-Pakete und As They Made Us auf DVD
„Am meisten habe ich aus Fehlern gelernt“ Chartstürmer KAMRAD aka
Tipps & Tricks So klappt's mit der ersten eigenen Wohnung
SPIESSER wissen mehr
Politik, Wirtschaft und gesellschaftliche Entwicklungen haben nichts mit euch zu tun? Falsch! Hier ein paar aktuelle Themen, über die ihr Bescheid wissen solltet.
Schüler rebellieren
Sachsen hat das Verbot der Genderschreibweise ausgeweitet
In Sachsen ist die geschlechtergerechte Sprache an Schulen und in der Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen nun verboten. Dies schließt auch Partnerorganisationen ein. Das sächsische Kultusministerium begründet dies mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung und fordert die Verwendung geschlechtsneutraler Formen. Die Entscheidung stößt auf heftige Kritik, vor allem bei Schülervertretern und auch bei den Linken im Sächsischen Landtag. Sie sehen darin eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Das Kultusministerium betont dagegen, man wolle die Sprache für alle verständlicher machen. Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache geht weiter.
6,2 Prozent der Schüler
ohne Abschluss
Sinkende Chancen auf dem Arbeitsmarkt ohne Abschluss der Sekundarstufe II
Im Jahr 2021 haben rund 47.500 Jugendliche die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen, was einem Anteil von 6,2 Prozent entspricht (gut die Hälfte von ihnen hatte allerdings einen Förderschulabschluss). Zugenommen hat dagegen die Zahl der Abiturienten. Im Jahr 2021 verließen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 34,3 Prozent der Schulabgänger die Schule mit der Hochschulreife und 43,5 Prozent mit einem Realschulabschluss. Der Hauptschulabschluss verlor an Bedeutung und lag nur noch bei 15,9 Prozent. Schüler ohne Schulabschluss haben es auf dem Arbeitsmarkt immer schwerer – sie haben kaum Chancen auf einen Ausbildungsplatz.
Studieren wird leichter
Der Anteil von Studiengängen mit Numerus clausus ist gesunken
Medizin, Psychologie, Jura – für diese Studiengänge gibt es an vielen Hochschulen Zulassungsbeschränkungen, besser bekannt als Numerus clausus (kurz: NC). Aber auch für Bewerber vieler anderer Studiengänge gab es in der Vergangenheit häufig Beschränkungen. Im Wintersemester 2013/2014 waren bundesweit noch 45,5 Prozent aller Studiengänge mit einem NC belegt. Inzwischen sind es nur noch rund 38 Prozent. Besonders hoch sind die Zugangshürden für einen Studienplatz in Hamburg und Berlin (jeweils über 60 Prozent mit NC). Leichter haben es die Bewerber dagegen in Thüringen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz. Grund für den Rückgang der NC-Quote ist die Ausweitung des Studienangebots bei gleichzeitigem Rückgang der Bewerberzahlen.
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Künstliche Intelligenz
im Klassenzimmer:
Risiko oder
Revolution unseres Schulsystems?
Künstliche Intelligenz (KI) ist in Deutschland zurzeit ein umstrittenes Thema – und macht auch vor den Schulen nicht halt. Ist die moderne Technik die Lösung der Probleme im Bildungssystem oder schafft sie sogar neue? Sind Hausaufgaben zukünftig überflüssig und braucht es in Zukunft überhaupt noch Lehrkräfte? Diesen Fragen ist SPIESSER-Autorin Fabienne nachgegangen.
Die Uhr an der Wand zeigt zwanzig nach neun an, als die Kinder der zweiten Klassenstufe an der Bramfelder Grundschule in Hamburg die Tablets vor sich auf ihren Tischen aufklappen. „Nun dürft ihr die letzten zehn Minuten bis zur Pause die Anton-App machen“, lautet die Anweisung der Klassenlehrerin. Verschiedene Ziffern werden nun von den Kindern in die Felder auf dem Bildschirm getippt, bei korrekter Lösung der Aufgaben wird weitergewischt. So oder so ähnlich gestaltet sich inzwischen der Alltag an vielen deutschen Schulen. Die Arbeit mit elektronischen Medien ist kein Fremdwort mehr und auch die Entwicklungen im Bereich KI sorgen immer stärker für Gesprächsbedarf in Bildungseinrichtungen. Deshalb wird auch im Schulsystem die Frage danach immer lauter, inwiefern die Digitalisierung hier ihren Platz finden kann –und sogar muss.
Als „Künstliche Intelligenz“ werden Software- und Hardwaresysteme bezeichnet, die autonom und zielorientiert arbeiten.
Schwache und starke KI
Unter starker KI werden humanoide Roboter verstanden, die wie in Science-Fiction-Filmen logisch denken und handeln können. Real sind starke KI-Systeme aktuell nur in Nischen wie etwa beim Schach. Starke KI, die es vermag, den Menschen in seinen Fähigkeiten zu übertreffen, ist aus aktueller Sicht unrealistisch.
Schwache KI hingegen umfasst Bereiche wie Spracherkennung, Navigation, Übersetzungshilfen oder personalisierte Werbung. Mithilfe von Algorithmen und unzähligen Daten aus Datenbanken bearbeitet eine schwache KI Aufgaben auf Basis vorher selbstständig erlernter Lösungsweisen. Diese Form der KI hat bereits Einzug in unser alltägliches Leben gehalten.
Sie zeichnet aus, dass sie eigenständig in der Lage sind, Probleme zu lösen, ohne dass jeder einzelne Schritt von einem Menschen programmiert wurde. Auf diese Weise gelingt es ihnen, rational und abstrakt zu handeln, was sonst ausschließlich menschlicher Intelligenz zugeschrieben wird. Da es in unserer Gesellschaft jedoch schwierig ist, festzulegen, was als „intelligent“ gilt, gibt es für KI keine allgemein festgeschriebene Definition. KI-Systeme werden durch Daten trainiert, um sich Wissen anzueignen; menschliches Zutun wird hierbei auch nur als Starthilfe benötigt.
KI bietet individuelle Lernangebote und Empfehlungen.
Denjenigen, die während der Entwicklung des World Wide Web zur Schule gegangen sind, wird der Gedanke kaum fernliegen, bei der Vorbereitung auf eine Mathe-Klausur zum Beispiel ein YouTube-Tutorial zur Auflösung nach X anzuschauen. Auch die Arbeit mit Laptops an Schulen wirkt mittlerweile standardmäßig. Nicht zu vergleichen ist dies allerdings mit dem noch weitaus folgenschwereren Schritt, in dem KI-Systeme offiziell als nächster Meilenstein in der Digitalisierung von Schule angestrebt werden.
In der Studie „KI@Bildung: Lehren und Lernen in der Schule mit Werkzeugen Künstlicher Intelligenz“ von der Telekom-Stiftung ist zunächst die Rede davon, dass KI-Systeme die Chance bieten, individuelle Förderung über den Schulunterricht hinaus zu unterstützen. Die Schulen in Deutschland stehen heutzutage vor der Herausforderung, dass immer mehr unterschiedliche Leistungsniveaus, Förderbedarfe sowie sozio-kulturelle Unterschiede unter den Lernenden vorhanden sind, dazu kommt der Nachholbedarf als Folge der Corona-Krise. Durch all das sind Lehrkräfte mehr gefordert denn je, während die Schulen gleichzeitig einen Mangel an Lehrpersonal beklagen. Das sind Problematiken, denen sich KI-Systeme in der Schule zukünftig widmen sollen.
KI-Systeme könnten laut der Erkenntnisse der Telekom-Stiftung durch „Learning Analytics“ und „Educational Data Mining“ den Lernstand der einzelnen Schüler sowie
mögliche kognitive und motivationale Probleme in kurzer Zeit feststellen. Infolgedessen kann KI individuell zugeschnittene Lernangebote und Empfehlungen anbieten. Virtuell verfügbare Tutoren und intelligente Assistenten wie Chatbots könnten dabei jederzeit und ortsunabhängig eingesetzt werden. Wird es somit real, dass künftig vermehrt auf Selbstlern-Angebote wie Lernspiele und Video-Tutorials gesetzt wird? Nach dem Bildungsgipfel im Herbst 2020 zeichnet sich das durchaus ab: Dort wurde vom Bund entschieden, die Bundesländer vermehrt mit innovativen digitalen Bildungsmedien auszustatten. Daraufhin wurde das intelligente tutorielle System „Aera9“, das in Dänemark und Großbritannien schon länger Teil des Schulalltags ist, an verschiedenen Schulen
Hausaufgaben werden
abgeschafft, sie funktionieren nur anders.
in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern getestet. „Aera9“ passt sich den Lernenden an, indem es die Fehler und den aktuellen Wissensstand berücksichtigt, und setzt damit auf personalisiertes Lernen.
Werden dann herkömmliche Hausaufgaben mit dem wachsenden Angebot an OnlineLearning-Hilfen und immer verfügbarem
nicht
Wissen, auf das digital zugegriffen werden kann, überflüssig? Die Hausaufgabenkontrolle durch Lehrkräfte erfordert schließlich einen hohen zeitlichen Aufwand, für den oftmals im Unterricht kein Platz ist. Den KI-Fachkundigen zufolge werden Hausaufgaben nicht abgeschafft, sie funktionieren nur anders. Die Unterstützung durch KI könnte dabei den Lehrkräften Arbeit abnehmen und den Schülern ein automatisches, maßgeschneidertes Feedback geben. Denn es zählt immerhin zu den bedeutendsten Einflussfaktoren auf den Lernerfolg und die Motivation der Lernenden. KI-Experten sehen direktes Feedback durch KI während der Hausaufgabenbearbeitung damit als Möglichkeit, die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem zu steigern.
Mehr als nur Lernhilfe
Nicht nur das Lernen als Bestandteil der Institution Schule könnte durch KI-Systeme modernisiert werden, sondern auch die Organisation im Schul-Management. Neben der Erfassung von schulischen Datenbeständen könnten KI-Systeme mit Schülern und Eltern über Online-Plattformen interagieren und damit den Schulleitungen einiges an Arbeit abnehmen.
Das leicht kurios erscheinende Zukunftsszenario, das in vielerlei Aspekten nach einem wahr gewordenen Traum für alle Beteiligten
Learning Analytics and Educational Data Mining
Die Erhebung, Analyse und Auswertung von Daten über Lernende innerhalb ihres Lernkontexts wird als „Learning Analytics” bezeichnet. „Educational Data Mining“ beschäftigt sich damit, Methoden zur Erforschung von Daten aus dem Bildungskontext zu erfassen. Beide zielen darauf ab, den Lernprozess von Lernenden zu durchschauen und darauf basierend zu verbessern.
innerhalb der Schule klingt, kann andererseits auch sehr kritisch hinterfragt werden. Vor allem, wenn es um die Befürchtung geht, dass die digitale Verfügbarkeit durch KI zu einer Abhängigkeit und dementsprechenden Vernachlässigung analoger Fähigkeiten wie Kopfrechnen und Schreiben mit der Hand führt.
Interessant ist auch die Frage, ob menschliche Interaktion so einfach durch Technik ersetzt werden kann. Schulen gelten neben ihrer Funktion, Wissen zu vermitteln, als Institution, in der Heranwachsende soziales Miteinander lernen. Bei sozialer Interaktion, zum Beispiel beim Vergleichen von Ergebnissen in
Meilensteine in der Entwicklung der KI
1966: Joseph Weizenbaum entwickelt das Programm „ELIZA“, das mit Listen und auf Basis einfacher Regeln Antworten geben kann.
Um 1973: Die Programmiersprache „PROLOG“, die mit der Verarbeitung von Fakten und Regeln auf mathematischer Logik beruht, wird erfunden.
1997: Das erste Mal treten Roboter innerhalb des RoboCups im Fußball gegeneinander an.
2010: Die Kommerzialisierung der KI in alltäglichen Anwendungen beginnt.
abbremsen, auch wenn wir dort ein Schild mit 120 km/h Maximalgeschwindigkeit sehen würden. Wir reagieren dabei auf unser Wissen, dass in Ortschaften eine Maximalgeschwindigkeit von 50 km/h erlaubt ist. Wenn sie mit unvollständigen oder unlogischen Informationen trainiert wurde, birgt KI somit das Risiko, gegebenenfalls falsche Informationen an Schüler zu vermitteln.
Das ist laut den Experten der Punkt, an dem den Lehrkräften auch in Zukunft eine sehr wichtige neue Rolle zukommt: Sie müssen kritisches Denken vermitteln. Was an Universitäten mittlerweile fast schon eine Selbstverständlichkeit geworden ist, ist die Vermittlung der Fähigkeit, die auch als „gesunder Menschenverstand“ gilt. Das ist etwas, das Künstliche Intelligenzen maßgeblich von Menschen unterscheidet. Nach KI-Expertin Maria Wirzberger müssen Schulaufgaben daher so gestaltet sein, dass von den Schülern selbst kritisch gedacht werden muss. Laut Dr. Andreas Dengel, Standortleiter am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, kann KI eine Lehrkraft ohnehin keinesfalls ersetzen, sondern immer nur in Verbindung mit ihr arbeiten.
pädagogisch und psychologisch gesehen eine Lehrperson noch ganz andere Einwirkmöglichkeiten hat, die sich schwer in KI-Systeme übertragen lassen.
Gruppenarbeiten, werden schließlich nicht zu unterschätzende Dinge wie das Allgemeinwissen gelehrt, das KI-Systemen bislang fehlt. Harald Schöning, Vizepräsident der Research Software AG, zufolge kann KI keine Kausalitäten (Zusammenhänge von Ursache und Wirkung) herstellen. Nur mit Korrelationen, losen Zusammenhängen, kann sie arbeiten, weshalb sie Inhalte nicht im Inneren durchdringen kann. Kristian Kersting, Universitätsprofessor für KI, vergleicht es damit, dass wir über Land fahren und bei der Ortseinfahrt
KI-Experte Prof. Christopher Schommer beschreibt es damit, dass „der Lehrer zum Architekten der Wissensvermittlung für alle“ werde. Vermieden werden sollte dabei im Sinne des Datenschutzes allerdings, dass KI dazu benutzt wird, dass mithilfe der Sammlung von Daten kontrolliert wird, ob die Lernenden interessiert sind und mitarbeiten. Sonst würden auf diese Weise Bewertungen geschaffen, die wiederum eine Situation der Ungleichheit hervorbringen – womit wir wieder weit entfernt von der gewünschten Chancengerechtigkeit wären. Technisch ist jedoch genau das schon möglich: Durch die fortschreitende Optimierung der digitalen Gesichtserkennung wird im Lernlabor des Deutschen Forschungszentrums für KI in Kaiserslautern an der Entwicklung von Schulbüchern gearbeitet, die registrieren, ob die Schüler den Inhalten folgen oder nicht. Wenn sie ihren Blick beispielsweise zu lange auf eine Textstelle richten, werden ihnen weitere Erklärungen eingeblendet.
Bei all diesen revolutionär, teilweise schon skurril anmutenden Möglichkeiten durch KI sollte berücksichtigt werden, dass
Laut Maria Wirzberger ist die menschliche Intuition von Lehrkräften ein wesentlicher Punkt, durch die sie die Stimmung der Lernenden schnell einschätzen und darauf reagieren können. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Japan oder China stehen die Deutschen dem Einsatz von KI in Schulen insgesamt noch vergleichsweise skeptisch gegenüber. Ob dies angebracht sein mag oder nicht: Eine kritische Herangehensweise an das Thema bietet die Chance, im Schulsystem künftig eine gesunde Balance zu schaffen – zwischen der Modernisierung durch KI und der Bewahrung herkömmlicher Kompetenzen wie Kopfrechnen oder handschriftliches Arbeiten.
Text von Fabienne Kollien, möchte trotz aller Vorteile technischer Errungenschaften die Interaktion innerhalb der analogen Welt nicht missen.Die KI hat meine Hausaufgaben gefressen
Was wird aus uns, wenn wir unsere Schulaufgaben einfach an eine Künstliche Intelligenz weitergeben?
KI ist seit Jahrzehnten Teil unserer Kultur und unserer Wirtschaft. Programme wie ChatGPT hingegen sind brandneu verfügbar für alle. Sie könnten unsere Arbeit deutlich vereinfachen. Aber: Wollen wir das?
Natürlich, ich verstehe das schon. Nichts klingt im ersten Moment cooler als, zu sagen: „Hey KI, schreibe einen Aufsatz über Napoleon.“ Das ist so viel einfacher, als auf Wikipedia zu gehen und selbst zu entscheiden, was es Wichtiges über diesen kleinen Mann zu sagen gibt. Das ist so viel chilliger, als dann womöglich noch eine zweite Homepage aufzurufen. Die KI nimmt es dir ab. Nur: Man lernt nicht, selbst Bezüge herzustellen. Das ist dir egal, weil die Französische Revolution Schnee von gestern ist?
Du willst einfach nur schnell deine Hausaufgaben erledigen, um dich mit deinen Leuten zu treffen?
Versteh ich total, aber so einfach ist das nicht. Bei manchen Themen hat die KI einfach noch nicht genug Wissen, um einen brillanten Aufsatz zu produzieren. Nicht jede KI greift automatisch auf das Wissen des Internets zu. Viele arbeiten mit „alten“ Daten. Die KI hat also nicht immer recht und kann deine Hausaufgabe auch vermasseln.
Schon gewusst? In den letzten Wochen haben viele Prominente gierig KIs zu sich selbst befragt; in den meisten Fällen konnte diese aber noch nicht mal zuordnen, wofür die Fragenden überhaupt berühmt sind. Jetzt könnte man sagen, je schlauer man seine Frage stellt, desto schlauer ist die Antwort. Aber: Wenn du schon so viel Gehirnschmalz für die Formulierung verwendest, dann könntest du auch gleich selbst ans Werk gehen, oder?
Mit der KI lernen Sicher, Künstliche Intelligenzen arbeiten genauer, je mehr man sie füttert. Da kann es vielleicht sogar eine Hilfe sein, mit ihr gemeinsam zu lernen. Aber haben wir dafür nicht ohnehin schon Tausende von Lehrbüchern, Homepages, Programmen? Ich lerne zum Beispiel Japanisch. Das kann sehr frustrierend sein; Japanisch ist eine der schwierigsten Sprachen der Welt. ChatGPT ist hier ein tolles Tool, um Lücken zu schließen. Beispielsweise, wenn ich mich bei einer Frage nur auf Google verlasse und dadurch einfach nicht weiterkomme.
Allerdings lebt die KI halt leider nicht als Mensch in Japan. Von echten Menschen zu lernen, gibt mir viel mehr. Denn Sprache ist so lebendig, dass es einfach Dinge gibt, die die KI nicht wissen kann. Ausdrücke, die nirgends im Internet stehen, weil sie
umgangssprachlich sind. Und speziell bei einer so komplexen Sprache wie Japanisch können viele unerwartete Bedeutungsnuancen entstehen, die die KI nicht nachempfinden kann. Ergo: Fettnäpfchen ohne Ende, wenn ich mich lieber mit einer Maschine unterhalte. Und ist das nicht auch das Verstörende, zu sagen: „Wir trainieren die KI ja noch“? Mir ist der Reiz für Konzerne klar. Schon heute kündigt die größte Tageszeitung Deutschlands Mitarbeitenden, weil sie Artikel in Zukunft durch KI erstellen lassen will. Ein großes, internationales Wirtschaftsmagazin hat bereits einen Artikel veröffentlicht, der kompletter Humbug war. Niemand hat es hinterfragt. Und genau das ist gefährlich. Im besten Fall wird es guten Journalismus immer geben, weil es Meinungsstücke braucht. Und diese zu schreiben erlernt man nur, wenn man seine Aufsätze über Napoleon nicht an die Maschinen abgibt. Wenn man selbst lernt, Schlüsse zu ziehen – und vor allem auch kritisch zu denken.
Ich möchte mir von der KI nicht mein kreatives Denken nehmen lassen.
Ohne KI lernen
Schulaufgaben haben nämlich – man möchte es kaum glauben – tatsächlich die Funktion, etwas zu lernen, wenn man sie erledigt. Ich persönlich gehöre zu denen, die alles, was in meinem Kopf bleiben soll, stumpf niederschreiben müssen. Wenn ich mich also zu einem Thema einlese und die Fakten dazu in eigene Worte fasse, kann ich mir sicher sein, dass diese auch für eine ziemlich lange Zeit in meinem Kopf bleiben.
Darüber hinaus droht so oder so der nächste Test. Würde ich mich blind auf Jasper Chat, Chat Flash, Chatsonic, YouChat, Bing Chat (oder sonst einen Chat) verlassen, wenn es um meine Hausaufgaben geht, würde das bei mir Ängste auslösen, in der Prüfung schlicht zu versagen. Und mal ehrlich, was machst du mit der frei gewordenen Zeit? Am Handy sein? Sind wir dann überhaupt noch eigenständig denkende Individuen oder nur noch in einer virtuellen Welt?
Mit der KI kreativ sein
Außerdem bleibt so die Kreativität auf der Strecke. Was bleibt von uns, wenn wir uns nicht mehr austoben dürfen? Ich selbst liebe es, zu schreiben, und wenn dieser Artikel, den du gerade liest, fertig sein wird, werde ich stolz darauf sein. Über manche Sätze werde ich mich richtig freuen, weil sie mir gelungen sind. Wenn der Text rund ist, bin ich glücklich. Wenn ich ihn aber nicht von Anfang an recherchiert, Sätze umgestellt und Wörter ausgetauscht hätte, wo bliebe da meine Befriedigung?
Neulich sah ich, wie jemand durch eine KI das viel zu berühmte Gemälde „Mona Lisa“ erweiterte. Und ich verstand nicht im Geringsten, was es so erstaunlich macht, zu sehen, dass außerhalb ihres Rahmens noch mehr Landschaft und möglicherweise eine kleine Hütte existieren. Es gibt einen Grund, warum da Vinci nur die Mona Lisa malte. Sie ist das wahrlich Interessante. Manchmal frage ich mich, ob Technik-Dudes so begeistert sind von KI, weil sie selbst keine Fantasie haben und nur in Nullen und Einsen denken. Wenn ich im Urlaub ein Foto von einem Wasserfall in Island schieße, gibt es einen Grund, warum ich den Berg aus Steinen daneben nicht fotografiere. Ich möchte mir von der KI nicht mein kreatives Denken nehmen lassen.
Was von uns bleibt
Ja, KI kann dir Arbeit abnehmen. Und warum brauchst du das? Hast du viel Stress? Dann sollten dir vielleicht eher andere Dinge abgenommen werden als Hausaufgaben. Stell dir mal eine Welt vor, in der wir easy durch alles durchkommen. In der wir keine Kritik mehr bekommen. Wie sollen wir da lernen? Uns verbessern? Herausfinden, was uns wirklich liegt? Es versuchen und zu scheitern, ist ein elementarer Bestandteil des Erwachsenwerdens.
Du merkst: Auch in einer Welt mit KI ist es durchaus sinnvoll, ein Geschichtsbuch hervorzuholen.
Text von Simone Bauer, die diesen Text niemals an die KI abgegeben hätte.„Am meisten habe ich aus Fehlern gelernt“
Learning by Doing – so lautet das Motto von Musiker KAMRAD. Warum er sich trotz 1,0-Abi letztlich gegen ein Studium und für die Musik entschieden hat, was er aus seiner Schulzeit mitgenommen hat und wie er über Künstliche Intelligenz in der Musikbranche denkt, hat er SPIESSER-Autorin Lara verraten.
Du hast 2016 dein Abitur mit Bestnote bestanden und ein Ingenieurstudium begonnen. Glücklich warst du damit aber nicht. Wie schwierig war es, nach der Schule den richtigen Weg für dich zu finden?
Tatsächlich sehr schwierig. Nach dem Abi hatte ich sehr viel Auswahl an Studiengängen, aber eigentlich auf nichts davon so richtig Lust. Ich hatte schon immer die eine große Leidenschaft: Musik. Ich dachte aber, dass ich nicht Musik studieren kann, sondern einen „richtigen Beruf“ brauche. Deshalb habe ich zuerst Wirtschaftsingenieurwesen studiert und bin später zu Wirtschaftswissenschaften gewechselt. Aber das war auch nicht das Richtige für mich. Ich war gerade volljährig und wollte damals eigentlich nur das machen, worauf ich Lust hatte – und das war eben Musik. Also habe ich schließlich das Studium abgebrochen und mich voll und ganz der Musik gewidmet.
Deine Eltern haben dich dabei unterstützt, was nicht selbstverständlich ist. Wie riskant war die Entscheidung rückblickend?
Ich glaube, dass es total riskant war. Für mich stand aber die Leidenschaft für die Musik im Fokus und nie der Gedanke, großen Erfolg zu haben und das große Geld zu verdienen. Ich will einfach den ganzen Tag lang Musik machen, am besten mein Leben lang. Für mich war es also kein Business-Gedanke, wie die Leute manchmal vermuten, sondern es war einfach ein Selbsteingeständnis, dass ich unglücklich wäre, wenn ich es anders machen würde. Natürlich war es irgendwann mein Wunsch, mit der Musik erfolgreich zu sein. Aber der Grund für meine Entscheidung war immer die Musik selbst.
Viele Leute kennen deine Musik, aber vielleicht nicht unbedingt dein Gesicht und deinen Namen. Stört dich das? Wirst du auf der Straße erkannt?
Ja, das ist da definitiv noch so. Diese Verbindung ist noch nicht zu hundert Prozent da, aber schon mehr als letztes Jahr. Aber bisher ist es noch nicht so, dass ich sage: „Oh Gott, ich kann nicht rausgehen.“ Das ist irgendwie auch ganz lustig und ganz schön. Mir geht es auch in privaten Runden so, bei denen Freunde von Freunden dabei sind und
fragen, was ich denn so mache. Wenn ich antworte, dass ich Musik mache, kommt oft die Frage, ob ich auf Hochzeiten und so spiele. Wenn ich sage: „Nee, vielleicht kennst du meinen Song ‚ I Believe‘“, dann finden sie es krass, dass ich das bin.
Irgendwann ist es natürlich mein Ziel, auch als Künstler so bekannt zu sein, dass nicht nur ein Song die Leute bewegt, zum Konzert zu gehen, sondern dass man eine Marke aufbaut. Aber prinzipiell bin ich erst mal total happy damit, dass die Leute überhaupt Songs von mir kennen. Dass ich rausgehe und nicht erkannt werde, ist für mich nichts Neues. Aber dass ich mich ins Auto setze und mein Song im Radio läuft, das ist ganz neu für mich und es ist auf jeden Fall schon mal ein sehr schöner Schritt.
Wenn du mit deiner Musik nicht so erfolgreich wärst, welchen beruflichen Weg hättest du dann eingeschlagen? Hättest du vielleicht noch mal einen anderen Studiengang begonnen oder hast du festgestellt, dass Studieren generell nichts für dich ist?
Ich hätte wahrscheinlich trotzdem Musik gemacht. Es gibt diesen Spruch vom Sänger der Band Green Day, der das auch mal gefragt wurde und gesagt hat: „Ich hätte auch Musik gemacht, nur für viel weniger Leute.“ So ähnlich ist es auch bei mir. Statt Songs zu schreiben, wäre ich vielleicht im Musikmanagement-Business gelandet. Aber irgendwas mit Musik wäre es auf jeden Fall gewesen. Das ist mein größtes Hobby, meine größte Leidenschaft.
Was ist das Wichtigste, was du aus der Schule für dein Leben mitgenommen hast?
Es gibt ein TikTok-Video, in dem du gemeinsam mit deinem Vater und Onkel eine polnische Version von „I Believe“ singst. Deine Eltern kommen aus Polen. Wie eng ist deine Verbindung zu ihrem Heimatland?
Nicht nur meine Eltern, sondern meine gesamte Familie kommt aus Polen. Deshalb sprechen alle Polnisch und wir feiern zum Beispiel auch Weihnachten traditionell polnisch – die Kultur ist also sehr präsent. Lustigerweise lief dann „I Believe“ in Polen sehr, sehr viel im Radio. Wir waren auch in Polen und da habe ich mich direkt total wohlgefühlt, weil es mich natürlich sehr an die Familie erinnert. Dementsprechend habe ich definitiv einen Bezug dazu, auch wenn ich nicht so oft da war.
KAMRAD
… eroberte 2022 mit seinem Hit „I Believe“ die deutschen Charts. Bereits 2016 veröffentlichte der 26-jährige Sänger und Songwriter seine erste Single „Changes“. KAMRAD, der mit vollständigem Namen Tim Kamrad heißt, stammt aus NordrheinWestfalen und entdeckte schon früh seine Leidenschaft für die Musik. Vor seinem endgültigen Durchbruch begleitete er unter
Das klingt vielleicht ein bisschen komisch, aber ich habe während meiner Schulzeit gelernt, zu lernen. Ich habe früh angefangen, für Klassenarbeiten und Klausuren zu lernen und es hat funktioniert. Ich habe in der ganzen Schulzeit nie wahnsinnig viel gemacht, aber vor den Prüfungen habe ich mich intensiv vorbereitet – mit Erfolg. Dadurch habe ich gelernt: Wenn man fleißig ist und seinen eigenen Weg findet, dann kann man das auch auf andere Sachen übertragen. Egal, ob man beispielsweise die Parabelformel in seinem Leben noch mal braucht oder nicht: Dieser Fleiß und dieses Erfolgserlebnis sind ein super Learning – und zwar für jeden Bereich.
Bildung endet ja nicht in der Schule oder im Hörsaal, sondern ist ein lebenslanger Prozess. Kannst du uns einen Einblick
anderem Sunrise Avenue, Lotte und Nico Santos als Supporting Act.
Ab September geht der sympathische Musiker endlich selbst auf Europatour und spielt unter anderem in Leipzig, Hamburg, Warschau und Amsterdam. Alle Termine findet ihr auf www.kamrad-music.com
geben, wie du dich heute in deinem Alltag weiterbildest?
Bei mir ist sehr viel Learning by Doing. Wenn ich zum Beispiel eine Bedienungsanleitung für ein neues Gerät habe, dann lese ich sie nicht, sondern baue es einfach auf und probiere es aus, bis es entweder kaputt ist oder ich herausgefunden habe, wie es funktioniert (lacht). Das ist vielleicht nicht der beste Weg, um schnell Dinge zu lernen, aber für mich ist das meine Methode. So ging es mir auch im Musik-Business. Am meisten habe ich aus Fehlern gelernt und mich sozusagen unterbewusst weitergebildet. Denn so mache ich diese Fehler nicht noch mal. Was die Musik angeht, lese ich sehr viel, höre wahnsinnig viel Musik und beschäftige mich mit Produktion und so weiter. Das ist meine Form von Weiterbildung, die sehr beschränkt auf Musik ist, fällt mir gerade auf (lacht)
Inwiefern kannst du auch als Musiker einen Beitrag zu Bildung leisten?
Ich denke, dass ich ein gutes Beispiel dafür bin, dass es auch eine Karriere abseits der
Musik ist mein größtes Hobby, meine größte Leidenschaft.
klassischen Berufe gibt. Das sollte man den Schülerinnen und Schülern, aber auch dem Lehrpersonal bewusst machen. Es gibt auch Talente, die in der Schule nicht erkannt werden können, weil das Schulsystem vielleicht nicht so darauf ausgelegt ist. Wir sollten uns darauf fokussieren, auch diese Talente zu entdecken und zu fördern. Man kann mit allem erfolgreich werden. Das Wichtigste ist, das zu machen, was man wirklich möchte. Trotzdem kann ich es jedem empfehlen, sich die beste Ausgangslage für die Zukunft zu schaffen. Auch wenn ich das Abitur als Musiker nicht gebraucht hätte, war es ein Erfolgserlebnis und ein wichtiger Schritt für mich persönlich.
Die KI ChatGPT ist mittlerweile in aller Munde. In letzter Zeit wird auch häufiger über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Musikbranche diskutiert. Was hältst du davon?
Ich bin da persönlich total interessiert und finde es unfassbar, was in kurzer Zeit alles
passiert ist – auch im Musikkontext. Fast alle Songwriter, die ich kenne – mich eingeschlossen – haben schon mal versucht, Texte damit zu schreiben. Und fast alle – mich eingeschlossen – sind daran gescheitert (lacht).
So weit ist es also noch nicht. Gerade Emotionen und der persönliche Bezug zu dem, was man selbst schreibt, sind bisher definitiv nicht künstlich imitierbar.
Ich sehe ChatGPT nicht als Konkurrenz.
Was ich aber echt krass finde, sind die KIStimmen-Imitationen. Gerade wird ja auch an einem neuen Beatles-Song gearbeitet, bei dem die Stimme von John Lennon mithilfe von Künstlicher Intelligenz aus einer Demo extrahiert wird. Als großer Beatles-Fan bin ich da wirklich sehr gespannt.
Als Musiker lässt man sich ja immer von allem Möglichen inspirieren und mit ChatGPT kommt nun noch ein weiteres Medium hinzu. Ich sehe es nicht als Kon-
kurrenz zu meiner Kreativität, sondern bin offen dafür, auszuprobieren, welche Möglichkeiten sich bieten.
Ende Juni ist deine neue EP „Not good at playing love songs“ erschienen. Was ist für dich das Besondere daran?
Es gibt endlich mehr Songs als nur einen (lacht). Es ist ein Release, bei dem man einen guten Eindruck bekommt, was ich in den letzten Jahren gemacht habe, seit „I Believe“ erschienen ist. Ich denke auch, dass man mich als Künstler und Mensch wirklich mal besser kennenlernen kann. Ich bin auf jeden Fall sehr happy damit!
Wenn du deine Musik in drei Worten beschreiben müsstest, welche wären es?
In drei Worten, das ist schwierig (lacht). Ich würde sagen: elektronisch, gitarrenlastig und mit einem Augenzwinkern. Ich nenne es immer elektronische Popmusik mit schlechtem Gitarrensound. Ich nutze nämlich viele alte Gitarren, die wir irgendwo gefunden haben. Mit Augenzwinkern klingt vielleicht komisch. Natürlich ist alles ernst gemeint, was ich singe. Aber ich versuche, diese Themen mit einem kleinen Twist rüberzubringen. Ich möchte das, was schon tausendmal gesagt wurde, mit anderen Worten ausdrücken – und zwar so, dass es sich für mich nicht cringe oder kitschig anfühlt, sondern einfach ehrlich ist.
Du bist ab Herbst 2023 auf Europatour. Worauf freust du dich am meisten?
Ich freue mich riesig, all die Menschen zu sehen und kennenzulernen, die meine Musik feiern. Das ist verrückt: Die Leute kommen zu meinem eigenen Konzert und nehmen sich einen ganzen Abend frei, nur um mir beim Musikmachen zuzuhören und gemeinsam zu feiern! Es ist mega, wenn man in den Charts ist und den eigenen Song im Radio hört. Aber was wirklich der Grund ist, warum ich Musik mache: die Menschen zu sehen und gemeinsam eine eigene Tour zu erleben. Das ist etwas sehr Besonderes und darauf freue ich mich!
Text von Lara-Sophie Radach, die ihr Studium nicht abgebrochen hat, aber dafür nicht singen kann.
3000 Kilometer –mit dem Zug ins Land der Datteln
Bahnreisen werden meistens mit Trips in benachbarte Städte oder mit Interrail in die angrenzenden europäischen Länder in Verbindung gebracht. Doch wie ist es, mit Bahn und Fähre auch über Europa hinaus auf einen anderen Kontinent zu gelangen? SPIESSER-Autorin Fabienne wollte es wissen und ist die rund 3000 Kilometer von Hamburg in den tunesischen Ort Hammamet ganz ohne Flugzeug gereist.
Schon seit meiner Jugend bin ich gern gereist und dafür häufiger ins Flugzeug gestiegen, um in andere Länder zu gelangen. Da gleichzeitig Klimaschutz für mich ein bedeutendes Thema ist, stellte sich mir mit der Zeit mehr und mehr die Frage: Umweltschutz und Fliegen – kann das überhaupt zusammen funktionieren? Bei Zielen, die innerhalb Europas erreichbar waren, begann ich, vorzugsweise Bus und Bahn zu nehmen. Dabei stellte ich fest, dass diese Art des Reisens manchmal sogar spannender sein kann, als ins Flugzeug zu steigen: Ich sah malerische Landschaften an mir vorbeiziehen, hatte Zeit, entspannt ein Buch zu lesen und konnte mich mit meinem Sitznachbarn darüber unterhalten, woher wir kamen und wohin es gehen sollte. Manche der einprägsamsten Momente auf Reisen habe ich erlebt, während ich mit Bus und Bahn unterwegs war.
Ein Masterplan für unsere Challenge
Mein Wunsch, über Europa hinaus die Welt zu entdecken, blieb, und da mein Freund die gleiche Einstellung zum Fliegen teilt wie ich, entwickelte sich rund ein Jahr vor Reiseantritt das Vorhaben, mit Bahn und Fähre durch Italien bis nach Tunesien zu reisen. Wir sparten das nötige Geld an und vereinbarten mit unseren Arbeitgebern eine Auszeit von insgesamt drei Monaten.
Für den ersten Monat bis zu unserer geplanten Ankunft in Tunesien buchten wir bereits von unserem Zuhause in Hamburg aus alle Unterkünfte sowie Bahn- und Fährfahrten. Im Gegensatz zu der Deutschen Bahn ist die italienische Staatsbahn Trenitalia ziemlich preisgünstig. Bei Zugverbindungen mit Umstiegen planten wir immer genügend Zeitpuffer wegen möglicher Zugverspätungen mit ein. Letztendlich bereisten wir die geplante Route innerhalb von zwei Monaten, bevor wir nach Hamburg zurückkehrten.
3000 Kilometer mit Bahn, Bus und Fähre
Lange Zeit mit Bus, Bahn und Fähre unterwegs zu sein, kann sehr entspannt, aber auch äußerst abenteuerlich sein. Während schneebedeckte Berge, Olivenhaine und pittoreske Städte am Fenster an uns vorbeizogen, hatte ich Gelegenheit, an dem vor uns aufgeklappten Tisch in mein Notizbuch zu schreiben, mir auf dem Weg durch den Gang die Beine zu vertreten und die letzte Etappe in Gedanken Revue passieren zu lassen. Da auf den
Zugstrecken durch Italien viele interessante Orte lagen, führte die Reise mit der Bahn dazu, dass wir uns für Zwischenstopps mit Übernachtung entschieden, die vorher noch nicht auf unserer Reise-Bucket-List gestanden hatten.
Von Hamburg ging es zunächst ganz unspektakulär mit dem ICE nach Venedig, wo ich die Magie des venezianischen Winters beim Karneval inmitten von kostümierten Menschen auf einer Bootsparade nachspüren konnte. Vier Stunden mit der italienischen Trenitalia entfernt lag Rom: In der Hauptstadt kostete ich den besten Espresso der Stadt, bevor unser nächster Zug uns nach Neapel führte. Dort bewegten wir uns zwischen vorbeibrausenden Vespas und PizzaStänden durch die Gassen, um uns danach in unserem nächsten Ziel Tropea ein paar Tage am Meer zu entspannen. Ein Zug, der mit auf die Fähre nach Sizilien fuhr, brachte uns von dort aus über die Straße von Messina auf die Insel an der Stiefelspitze Italiens. Diese zog uns mit ihren mediterranen Landschaften schon hinter dem Zugfenster sofort in ihren Bann. Nach einer Woche Karneval und Sightseeing auf Malta hatten wir dann noch mal eine Woche, um Sizilien in Ruhe zu erkunden, bevor es von der Hauptstadt Palermo endlich direkt nach Tunesien ging. Nach all diesen Stopps wartete schließlich Tunesien mit seinen bunten Türen, scharfen Speisen und dem warmen Klima auf uns.
Auf der Zugstrecke nach Italien lernten wir viele interessante Orte kennen.
Über Nacht im Zug oder auf dem Schiff
Die zehnstündige Fährüberfahrt von Palermo nach Tunesien stellte sich als Herausforderung dar, da die Stühle an unserem Tisch nicht sehr bequem waren und ich mich an die Schwankungen des Schiffs erst gewöhnen musste. In der tunesischen Hauptstadt Tunis kostete ich regionale Datteln, spazierte durch das belebte Gassenlabyrinth der altstädtischen Medina und trank stark gesüßten Minztee auf einer Dachterrasse. Ich fühlte mich wie in einer anderen Welt. In Hammamet, einem Ort voller blau-weißer Häuser am Meer, entspannten wir uns nach einigen aufregenden Wochen des Reisens zwischen rosafarbenen Sonnenuntergängen und MuezzinRufen aus den uns umgebenden Moscheen.
Besonders gern erinnere ich mich an die Strecke mit dem Nachtzug zwischen Paler mo und Bologna.
Auf der Rückreise nach Palermo fuhren wir über Nacht mit der gleichen Fährlinie und legten mehrere Stunden später als ursprünglich geplant in Tunis ab. Noch erschöpft von all den Eindrücken, Gerüchen und Farben Tunesiens verbrachten wir die Wartezeit am Fähranleger und waren überglücklich, als wir das Schiff betreten konnten. Die Fähre schaffte es, die verlorene Zeit wieder einzuholen, und auch der beeindruckende Blick in die Bucht von Palermo entschädigte uns für die Strapazen der Reise.
Besonders gern erinnere ich mich an die Strecke mit dem Nachtzug zwischen Palermo und Bologna. Diese dauerte 18 Stunden, kam uns bei Weitem aber nicht so lang vor. Dies lag auch daran, dass wir einen ganzen Nachmittag die Küste Siziliens entlangfuhren und dabei die Liparischen Inseln, die Vulkaninseln vor Sizilien, am Horizont beobachten konnten. Zudem hatten wir ein eigenes Waschbecken im Abteil zur Verfügung und bekamen ein Hygieneset sowie ein Frühstück gestellt. Die Fahrt mit dem Nachtzug habe ich als echt lohnenswertes Erlebnis empfunden, das ich gern wiederholen werde. Bei häufigen Fährüberfahrten werde ich es
weiterhin bevorzugen, nachts zu fahren, und habe daraus für künftige Reisen mitnehmen können, dass sich die Buchung einer Schlafkabine lohnt.
Wenn der Weg zum Ziel wird
Da ich nun um die Erfahrung, per Fähre auf einen anderen Kontinent überzusetzen, reicher bin, kann ich mir gut vorstellen, weitere Kontinente auf dieser Erde zu besuchen, ohne zu fliegen. Für mich ist es meine persönliche Challenge geworden, auf dem Boden zu bleiben und dennoch alle Ziele auf dieser Erde zu bereisen, die ich entdecken möchte. Diese Reise hat mir gezeigt, dass mein Verzicht aufs Flugzeug mich nicht davon abhält, die Welt zu sehen. Im Gegenteil: Dass ich mich mit Bahnen, Bussen und Fähren nach Tunesien fortbewegt habe, hat dazu geführt, dass ich noch viel mehr Orte gesehen und den Weg intensiver erlebt habe, als wenn ich von Hamburg direkt nach Hammamet geflogen wäre. Hätte ich zudem auch mit Zug und Fähre möglichst schnell nach Tunesien gelangen wollen, wäre dies auch mit wenigen Stopps machbar gewesen. Dafür hätten sich Bologna und Palermo mit einer Nachtzugfahrt angeboten, sodass wir innerhalb von drei Tagen angekommen wären.
Doch hätte ich dann den Karneval auf Malta, das beste Streetfood meines Lebens in den Straßen von Sizilien oder die Wanderung auf den Vulkankrater des Ätna erlebt? Wohl kaum.
Ich glaube, dass es gerade in einer auf Schnelligkeit getrimmten Welt ein großes Abenteuer sein kann, langsam zu reisen. Es ist, als würden wir einen Gehweg entlanglaufen – den Kopf voller Gedanken an den Zielort –, dabei plötzlich die farbenfroh blühenden Blumen am Wegesrand entdecken – und kurz innehalten, um den Anblick zu genießen, bevor wir lächelnd weitergehen.
Text von Fabienne Kollien, hat kurzzeitig den Alltag einer digitalen Nomadin nachgefühlt, während sie in ihrem Zimmer mitten in Dubrovnik diesen Artikel geschrieben hat.
Tipps und Tricks für eine längere Reise mit Bus und Bahn
• Einen Teil der Reise durchgeplant zu haben, sorgt für Sicherheit, einen Teil offen zu lassen, hingegen für Flexibilität.
• Zugreisen müssen nicht teuer sein: Wenn wir nach möglichst frühen oder späten Zeiten und außerhalb des Wochenendes nach Verbindungen gesucht haben, konnten wir mit etwas Geduld günstige Tickets ergattern.
• Es lohnt sich, vor der Reise alle bisherigen Buchungen von Unterkünften und Zugtickets auszudrucken und zusätzlich auf dem Handy alle Unterlagen zu speichern. So ist alles sowohl analog als auch digital griffbereit.
• Die beste Investition für unsere Reise: ein Besteckset in einer Plastikhülle und eine Metallbrotdose mit Dichtungsring. Damit war sowohl unterwegs als auch in Unterkünften die Grundausstattung für unser Essen vorhanden.
• Für längere Bahnfahrten kann es praktisch sein, sich Podcasts oder E-Books herunterzuladen.
• Ein kleines Näh-Set mit Nadeln und Garn habe ich öfter benutzt als erwartet, wenn etwas an unserer Kleidung kaputtgegangen ist.
In solch einer schnellen Welt kann langsam zu reisen ein großes Abenteuer sein.
Unterricht abseits der (Hetero-)Norm
Heterosexualität und Cisgeschlechtlichkeit (also das Gegenteil von Transidentität) sind in unserer Gesellschaft noch immer die Norm. Andere Identitäten werden zumeist als Abweichung wahrgenommen – und auch so behandelt. Der Verein SCHLAU e.V. hat es sich zum Ziel gesetzt, diesen diskriminierenden Vorstellungen so früh wie möglich entgegenzuwirken. Autor Pierre stellt ihn in diesem Porträt genauer vor und berichtet außerdem von seinen eigenen Erfahrungen.
In der Schule lernen wir nicht nur Multiplikation und Rechtschreibung. Der Unterricht soll uns auch auf das sogenannte „echte“ Leben vorbereiten. Wir lernen, was es bedeutet, eigenständige Erwachsene zu werden. Dazu gehört, sich mit gesellschaftlicher Teilhabe und dem wirtschaftlichen und politischen System, in dem wir leben, zu beschäftigen. Und damit auch die Auseinandersetzung mit geschlechtlicher und sexueller Identität. Das finden auch die Ehrenamtlichen, die sich bei SCHLAU e.V. engagieren. Der Verein bietet Antidiskriminierungsworkshops an Schulen an. Sie sollen helfen, Vorurteile gegenüber queeren Menschen abzubauen.
SCHLAU versteht sich als politisches Projekt
2000 aus einem Zusammenschluss mehrerer Aufklärungsprojekte entstanden, hat
SCHLAU sich anfangs vor allem in der Sexualpädagogik verortet. Nach und nach kamen jedoch auch politische, menschenrechtliche und moralische Aspekte dazu. Ziel der Workshops ist es, ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass alle sexuellen und geschlechtlichen Identitäten gleichberechtigt nebeneinander existieren können. Vielfalt soll als die Bereicherung für die Gesellschaft wahrgenommen werden, die sie ist.
SCHLAU agiert dabei aus intersektionaler Perspektive und bezieht auch andere Diskriminierungsformen mit ein – beispielsweise Rassismus, Klassismus oder Ableismus.
... dass alle sexuellen und geschlechtlichen Identitäten gleichberechtigt nebeneinander existieren können.
Bei persönlichen Erfahrungen ansetzen
Das Besondere dabei: Die ehrenamtlichen Workshopleitungen sind in der Regel selbst queer und können deshalb hautnah aus ihren eigenen Lebensrealitäten berichten.
Intersektionalität
Neben einem theoretischen Zugang zum Thema beantworten sie auch persönliche Fragen. So können teilnehmende Schulklassen besser verstehen, wie es ist, Teil der LGBTQ-Community zu sein, mit welchen Vorurteilen man zu kämpfen hat und wie man gegen diese gemeinsam vorgehen kann. Sie sehen, dass hinter all den Begriffen und Labels echte Menschen mit echten Gefühlen stecken.
Kinder werden nicht durch Workshops queer
Wenn es um das Thema Aufklärung an Schulen geht, werden oft Stimmen laut, die fragen: Ist es nicht viel zu früh für Kinder, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen? Und denken sie nicht umso mehr, dass sie lesbisch, schwul oder trans sind, wenn man ihnen auch noch alle Mög-
In der feministischen Bewegung beschreibt „Intersektionalität“ den Ansatz, dass Menschen aufgrund verschiedener Identitätsmerkmale Diskriminierung erfahren können, die sich analog zu einer Kreuzung (engl. „intersection“) überschneiden und zu einer spezifischen Erfahrung führen. Eine lesbische Frau beispielsweise hat eine andere Lebensrealität als eine schwarze Frau, eine schwarze lesbische Frau wiederum eine davon zu unterscheidende.
Angebote für queere Jugendliche lichkeiten auf „dem Silbertablett“ serviert?
Tatsache ist: Einige der Kinder und Jugendlichen müssen sich ohnehin damit auseinandersetzen – weil sie selbst queer sind. Das Wissen über vielfältige Identitäten kann ihnen dabei helfen, sich selbst zu finden und sich vielleicht zu trauen, sich zu outen. Dass Menschen sich dazu entscheiden, LGBTQ zu werden, ist ein Gerücht, das sich hartnäckig hält – auch damit können Workshops wie die von SCHLAU aufräumen.
Das Wissen über vielfältige Identitäten kann ihnen dabei helfen, sich selbst zu finden ...
Soziale Verantwortung lernen
Natürlich profitieren nicht nur queere Kinder von diesem Bildungsangebot. Auch ihre heterosexuellen Schulkameraden lernen, wie sie ihre Freunde am besten unterstützen können. Die Schule ist ein Mikrokosmos, in dem wir üben können, wie wir mit anderen Menschen umgehen wollen – auch und gerade dann, wenn sie anders sind als wir selbst. Dazu gehört auch, über bestehende Diskriminierungsformen zu lernen, um ihnen so früh wie möglich etwas entgegensetzen zu können. Die Verantwortung, gegen bestehende Ungerechtigkeiten zu kämpfen, kann und darf nicht immer nur bei den davon Betroffenen liegen.
Antidiskriminierungsarbeit beinhaltet nicht nur, Wissen zu vermitteln und über bestehende Probleme aufzuklären. Es braucht auch Empowerment für junge Menschen und Räume, in denen sie sich frei entfalten können. Zwei Beispiele dafür sind das Jugendnetzwerk Lambda e.V. sowie „TRANS*JA UND?!“, ein Jugendprojekt des Bundesverband Trans* e.V. Beide bieten Workshops an, bei denen sich queere Jugendliche kreativ austoben und untereinander austauschen können. Das alle drei Monate erscheinende Magazin „out!“ von Lambda beispielsweise wird komplett von jungen Menschen aus der Community gestaltet und mit Inhalten gefüllt.
LGBtQ *
transgender queer
auch: lgbtqia (+intersex, agender)
* non-binary, pansexual, two spirit, asexual/aromantic
Wofür stehen die farben der regenbogenflagge?
Rot: Leben
Orange: Heilung
Gelb: Sonne
Grün: Natur
Blau: Harmonie
lila: Spiritualität
wie kann man trans freunden helfen, die nicht geoutet sind?
Was ist euch beim outing am schwersten gefallen?
Wie habt ihr euch geoutet?
Habt ihr euch schon mal geschämt?
wie merkt man, dass man auf dasselbe geschlecht steht?
Steht ihr zu eurer sexualität?
Hattet ihr mal mit menschen zu tun, die etwas dagegen hatten?
ist es nicht viel schwieriger, einen partner zu finden? Fühlt ihr euch wohl?
Es braucht Verbündete, die sich der Probleme bewusst sind und mit uns gegen sie kämpfen können. Letztendlich geht es dabei um Menschenrechte. Ob im Kleinen in der Schule, wo Mobbing gegen queere Kinder und Jugendliche verhindert werden kann, oder im Größeren später in der breiten Gesellschaft.
Es braucht Verbündete, die sich der Probleme bewusst sind und mit uns gegen sie kämpfen können.
Jede Veränderung fängt klein an
Als ich in den 2000ern selbst zur Schule gegangen bin, war „schwul“ ein täglich verwendetes Schimpfwort und im Sexualkundeunterricht keine Rede von nicht heterosexuellen Beziehungen. Ich habe bis in meine 20er gebraucht, um mir meiner eigenen Queerness bewusst zu werden. Sie zu akzeptieren, steht noch auf einem anderen Blatt. Ein Workshop wie der von
SCHLAU hätte mir vielleicht die Möglichkeit gegeben, früher zu mir selbst zu finden.
Wenn wir zur Schule gehen, sind wir noch mitten in unserer Sozialisation. Alles, was wir dort lernen, sei es im Unterricht oder auf dem Pausenhof, nehmen wir mit in unser späteres Leben. Deshalb ist es umso wichtiger, sich gerade dort so früh wie möglich mit Lebensrealitäten auseinanderzusetzen, die von unserer eigenen abweichen, und diskriminierende Normen zu hinterfragen. So können Kinder und Jugendliche direkt eine positive Einstellung zu gesellschaftlicher Vielfalt entwickeln, bevor sich problematische Vorstellungen zu sehr festsetzen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ein Antidiskriminierungsworkshop ist eine davon und kann große Wellen schlagen.
Text von Pierre Hofmann, hat beim Recherchieren große Lust bekommen, sich selbst bei SCHLAU zu engagieren.
Andere BildungsprojekteBeim ABqueer e.V. leiten junge Menschen bis 27 Jahre Workshops für Schulklassen ab der 5. Stufe. Auch sie sind selbst queer und berichten so aus eigener Perspektive. Zusätzlich bietet der Berliner Verein mit teach out Fortbildungen zum Thema für Lehrkräfte an. Zu finden unter abqueer.de
QueerTausch ist aus dem AFS Interkulturelle Begegnungen e.V. entstanden und bietet eine Mischung an Workshops an. Die Themen reichen von geschlechtergerechter Sprache über queere Repräsentation in den Medien bis hin zu „How To Be a Better Ally“. Mehr dazu auf queertausch.de
Auf der Website queere-bildung.de ist eine Auflistung von Antidiskriminierungsprojekten zu finden –bundesweit wie auf lokaler Ebene.
„Bildungsgang. Bildung neu denken.“
Schule durch, Abschluss in der Hand. Und jetzt? Was bleibt von den bis zu 12000 Stunden, die jeder Mensch durchschnittlich die Schulbank drückt? Der Dokumentarfilm „Bildungsgang. Bildung neu denken.“ begleitet die Jugendlichen vom Verein Demokratische Stimme der Jugend e.V., die diese Frage und ihre ernüchternde Antwort beschäftigt. Stifte raus, Hefte auf, Popcorn bereitstellen, setzen! Wir reden heute über Schule, Bildung, Kinder, Freiheit und darüber, warum das alles besser werden kann – und muss.
Worum geht's?
So viel kann man schon mal vorwegnehmen: Die Initiative Bildungsgang ist mit dem aktuellen Schul- und Bildungssystem ganz und gar nicht zufrieden. „Wo gehört das Schulsystem hin? In die Tonne.“ Das sind die ersten Worte des Films, während symbolisch das Schulsystems in einem Sarg vor dem baden-württembergischen Kultusministerium zu Grabe getragen wird. Der Film begleitet dokumentarisch den Versuch junger Menschen, die Schule praktisch von unten, also aus der Rolle als Schüler heraus, zu demokratisieren und zum Besseren zu verändern. Viele der Protagonisten erzählen ihre persönlichen Erfahrungen mit der Schule. Sie sehen das aktuelle System als einengend und stellen für sich fest, dass Schule aktuell die Lust zum Lernen nimmt, statt sie
zu fördern. Sie fordern deshalb eine neue Art von Bildung und Schule und gehen die ersten Schritte auf dem Weg dahin. Um es mit ihren eigenen Worten zu sagen: „Wenn die Schule ein Sonnensystem ist, dann steht der Schüler im Mittelpunkt und Lehrer, Eltern und Pädagogen kreisen um ihn herum.“ Was die Protagonisten fordern, sind weniger Konkurrenz unter Schülern, kein unnötiger Druck durch Noten und Zeugnisse, sondern kreative Selbstentfaltung und Spaß am Lernen. Darum geht es. Und dafür kämpfen sie. Mit Demonstrationen, Plakaten, Stickern, Konferenzen und schlussendlich eben auch mit diesem Film. Regisseur ist Simon Marian Hoffmann. Er ist selbst Teil von Demokratische Stimme der Jugend e.V. und deshalb auch in vielen Szenen des Films zu sehen und zu hören.
„Viel Spaß in der Sackgasse. Ich hoffe, da sind schöne Blumen an die Wand gemalt, die sie weiterhin anschauen können.“
Sagt die „Bildungsgang“Aktivistin Malina Bar-Lev auf die Frage danach, wohin ihrer Meinung nach das aktuelle Schulsystem führt.
„Ich gehe dann mal den Weg in die Zukunft.“
Filmischer Augenschmaus?
Am Anfang stehen schnelle Schnittbilder, wie Plakate aufgehangen, Sticker geklebt, Flugblätter geworfen, Sprüche auf den Boden geschrieben und Banner gemalt werden. Man sieht viele junge Menschen auf Demonstrationen und bei Musikvideo-Drehs, die voller Tatendrang lachen, singen, tanzen, schreien. Die Stimmung ist ansteckend. Und gleich nach einem Schnitt befindet man sich plötzlich in einem in warmes Licht getauchten Raum, an der Wand baumelt eine Lichterkette und im Zentrum vor der Kamera sitzt eine Person, die aus ihrer Schulzeit berichtet. Und wieder kann man alles nachempfinden und fühlt die Schmerzen, die Leistungsdruck und „Notenprostitution“ mit sich gebracht haben. Da ist es auch nicht schlimm, wenn manche Aufnahmen von Workshops und Diskussionsrunden etwas amateurhaft wirken. Authentisch sind sie allemal.
Die Forderung nach der Demokratisierung der Schulen trifft den Nagel auf den Kopf.
Mit wem angucken?
Regisseur Simon Marian Hoffmann formuliert es im Interview mit der ARD-Sendung „titel thesen temperamente“ so: „Der Film ist eine Einladung an Eltern und an Lehrer, sich das Feedback von Schüler:innen anzuschauen und mal hinzufühlen: was wollen die eigentlich.“ Ich denke, dass er außerdem auch unbedingt mit anderen Schülern, Freunden und Bekannten geguckt werden sollte, denn was der Film ja selbst zeigt, ist: Gerade diejenigen, die selbst noch in der Schule sind, müssen für ihre Forderungen einstehen, da es ja sonst niemand tut.
Was macht man danach?
Erst mal macht man sich Gedanken. Wie das sein kann, dass Schüler voller Lebenslust in dieses System kommen und resigniert nach 9 bis 13 Jahren herausgestoßen werden. Und dann beginnt man sich zu emanzipieren, wird Teil einer Organisation (sei es für bessere Bildung oder etwas ganz anderes) und nutzt seine Kraft und Zeit, um wirkliche Veränderung zu fordern und umzusetzen.
In drei Worten: Bildungsrevolution, Mitbestimmung, empowernd
Persönliche Kritik
Die Dokumentation gibt an der einen oder anderen Stelle Anlass zur Kritik. Eine Frage, die der Film offen lässt, ist, was denn aber passiert, wenn es um Themen geht, für die Schüler sich nicht von selbst motivieren. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass mir das sture Auswendiglernen von historischen Daten ganz gewiss keinen Spaß gemacht hat und mich ohne den Notendruck wohl nichts und niemand dazu hätte motivieren können. Ich brauchte in diesem Fall den Notendruck, bis ich entdeckte, dass das Aneignen dieser Art von Wissen interessant und hilfreich ist. Dass diese Frage im Film keine Erwähnung findet, hinterlässt leider den leichten Nachgeschmack, dass die Aktivisten hin und wieder etwas naiv an die Sache herangegangen sind. Ein weiteres Problem besteht darin, dass ein im Film vorgestelltes Schulkonzept darauf basiert, dass sich jedes Kind individuell nach seinen eigenen Fähigkeiten und Interessen entfalten kann. Dafür würde es allerdings auch viel mehr Menschen brauchen, die im Bildungssektor arbeiten. Daran scheitern auch heute schon viele Lehrer, die vielleicht gerne eine neue Art von Unterricht realisieren wollen, dafür aber schlicht und ergreifend nicht genügend Kapazitäten haben. Aber nicht falsch verstehen: Der Mangel an Arbeitenden im Bildungssektor ist nicht der Grund, an dem die Revolution der Schulen scheitert. Der liegt nach wie vor woanders: der fehlende oder zumindest noch zu geringe Wille zur Veränderung in Politik, Wirtschaft, Bevölkerung und nicht zuletzt auch im Bildungssystem selbst. Das Ziel von „Bildungsgang“ ist es, diesen Willen hervorzurufen, zu verstärken und zu mobilisieren, damit es zu wirklicher Veränderung kommt. Der Dokumentation ist ein Zitat der schwedischen Schriftstellerin Astrid Lindgren vorangestellt: „Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.“ Fast schon eine Binsenweisheit, könnte man meinen. Aber genau darin steckt die Stärke des Films. Er zeigt, dass es kein Abitur braucht, um zu verstehen, dass das jetzige Schulsystem einige Veränderungen nötig hat. Und „Bildungsgang“ hat nicht nur ein oder zwei starke Argumente gegen das Schulsystem,
Es tut sich was: Unischule Dresden
Dass das Ganze nicht im Nebel verläuft, sondern der Gedanke von einer anderen Schule tatsächlich immer mehr Menschen umtreibt, sieht man beispielsweise an dieser von der Technischen Universität Dresden und der Stadt Dresden betreuten Gemeinschaftsschule. Dort lernt man nicht in Fächern, sondern in Projekten. Bis zum Ende der 8. Klasse gibt es keine Noten, sondern „Lernpfade“ und die Schüler haben keine Ferien, sondern Urlaub.
Mehr Informationen zur Unischule der TU Dresden gibt es auf: universitaetsschule.org
sondern benennt das Problem im Kern. Die Forderung nach der Demokratisierung der Schulen trifft den Nagel auf den Kopf. Denn dieses Ziel leben die Aktivisten bereits jetzt und sind somit das beste Argument für ihren Appell. Ja! Junge Menschen stecken voller Tatendrang und möchten gerne mitmischen! Die Energie von „Bildungsgang“ ist nicht nur bewundernswert, sie steckt an und löst das aus, was die Schule so oft erstickt: den Drang dazu, Veränderung selbst in die Hand zu nehmen.
Auf einen Blick:
Action:
Romantik:
Humor:
Niveau:
Bildungsfaktor:
Text von Simon Kretzschmar, der zwar jetzt mit der Schule fertig ist, sich aber trotzdem ein offeneres Schulsystem wünscht.Wissen checken
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Einsendeschluss: 12. November 2023
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Deine erste eigene Bude
Für jeden kommt irgendwann der Tag, an dem man bei den Eltern aus- und in die ersten eigenen vier Wände einzieht. Wir haben hier einige Tipps für euch rund um Wohnungssuche und Umzug.
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Spätestens zwei Wochen nach dem Umzug musst du deinen Wohnsitz beim Einwohnermeldeamt ummelden. Wenn du diese Frist nicht einhältst, musst du ggf. ein Bußgeld zahlen. Zur Ummeldung selbst brauchst du eine Bescheinigung des Vermieters oder deinen Mietvertrag.
Noch mehr praktische Tipps und Checklisten findet ihr zum Beispiel auf
… und abschalten
Wir freuen uns über jedes Feedback zu unseren Heften und Social-MediaAktivitäten, denn nur so können wir für euch besser werden. Das sind eure Rückmeldungen zu unserem vergangenen Heft.
Cover und Interview mit Sophie and the Giants
• Einfach nur cool!
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Musik war schon immer ein Teil von mir – was sagst du zum Interview mit Sophie and the Giants?
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Mitarbeiter dieser Ausgabe: Simone Bauer, Pierre Hofmann, Fabienne Kollien, Simon Kretzschmar
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Der nächste SPIESSER erscheint am 13. November 2023.
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