Frühjahr 2022 Nr. 191 SPIESSER.de
Selbst & ständig du Multitalent Fynn Kliemann im Interview über seine Art,
Projekte abzuschließen, und Tipps für junge Gründer. Ab Seite 14
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Gründen – gleiche Chance für alle?
Diverse Teams sind erfolgreicher
Titelstory
Mittagspause
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Inhalt
Initiative zeigen, erfolgreich werden?
Überall sehen wir sie – junge, hippe, hoch qualifizierte und mutige Menschen, die mit ihren Ideen die konservative Wirtschaft aufmischen. Was wir nicht sehen, das sind die Hürden, die diese krassen Persönlichkeiten überwinden mussten, die Rückschläge und privaten Probleme, die aus dem starken Ehrgeiz entstehen. Und wir sehen nicht die gescheiterten Ideen. Für unsere neue Ausgabe haben wir junge Gründer und Selbstständige getroffen und mit ihnen über diese Dinge gesprochen – die in der öffentlichen Wahrnehmung gern zu kurz kommen.
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News Was es Neues gibt
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Gründen: Gelten gleiche Chance für alle? Drei Gründer und ihre Geschichten
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„Ich habe eine Durchzugsquote von 100 Prozent “ Fynn Kliemann über Erfolg & Mut
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Hobby als Beruf – eine gute Idee? Ein Pro&Contra
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Im Künstlerdschungel überleben Erfahrungen einer Jungschauspielerin
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„Diverse Teams sind erfolgreicher “ Mittagspause mit Ooia-Gründerin Kati
Wege in die Selbstständigkeit Schaff ich das auch?
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Kreuzworträtsel Boss Baby 2-Fanpaket, Notizbücher von Mata Books, Jugendbuch „Neue Schule“
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Tipps & Tricks Nachhaltig & plastikfrei duschen
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Frisch gewagt Euer Feedback zum letzten Heft
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News
SPIESSER wissen mehr Politik, Wirtschaft und gesellschaftliche Entwicklungen haben nichts mit euch zu tun? Falsch! Hier ein paar aktuelle Themen, über die ihr Bescheid wissen solltet.
Atomkraft? Nein danke! Atomausstieg 2022
Zehn Jahre ist die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima nun her. Auch auf Deutschland hatte das Unglück von 2011 Einfluss. Die Bundesregierung beschloss daraufhin die stufenweise Abschaltung aller deutschen Kernkraftwerke. Trotz höchster Sicherheitsstandards entschied man sich gegen die weitere Nutzung von Kernenergie – was auch am immer noch fehlenden Endlager für Atommüll liegt. Bis Ende dieses Jahres ist es endlich so weit und auch die letzten drei deutschen Kernkraftwerke gehen vom Netz. Den genauen Fahrplan und Antworten auf wichtige Fragen zum Atomausstieg hat die Bundesregierung auf ihrer Website www.base.bund.de zusammengefasst.
Einmal durchzählen, bitte Zensus 2022 – Deutsche Bevölkerung wird gezählt
Wie viele Menschen leben eigentlich aktuell in Deutschland? Um diese Frage zu beantworten, wird am 15. Mai 2022 die deutsche Bevölkerung gezählt. Alle zehn Jahre wird der sogenannte Zensus statistisch erhoben. Die letzte Zählung fand 2011 statt, seitdem erfassen die Einwohnermelde- und Standesämter die amtlichen Einwohnerzahlen fortlaufend – unter Berücksichtigung von Geburten, Sterbefällen, Weg- und Zuzügen. Die Volkszählung soll diese Daten prüfen. Die Ausgangslage dazu liefern die Melderegister der Kommunen. Zusätzlich wird mittels einer Stichprobe ein Teil der Bevölkerung in einer Haushaltebefragung direkt befragt. Und wozu? Die erhobenen Zahlen bilden die Grundlage für viele Entscheidungen und Planungen im Bund, in den Ländern und Gemeinden.
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Mehr in der Tasche Die Mindestausbildungsvergütung steigt
Wie beim gesetzlichen Mindestlohn für Beschäftigte ab 18 Jahren ist seit 2020 auch die Mindestvergütung für Auszubildende im Berufsbildungsgesetz festgeschrieben. So soll eine angemessene Vergütung der Auszubildenden gesichert werden. Dieser Satz muss mit fortschreitender Ausbildung, mindestens jährlich, ansteigen. Alle Auszubildenden erhalten demnach im zweiten Lehrjahr 18 Prozent, im dritten 35 Prozent und im vierten 40 Prozent Aufschlag auf den jeweiligen Einstiegsbetrag für das erste Ausbildungsjahr. Die Mindestausbildungsvergütung für Lehrverträge, die seit dem 1. Januar 2022 laufen, ist nun auf 585 Euro angehoben worden.
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Verhaltensnoten in der Schule bedeutungslos Ergebnisse der Ifo-Studie zu Kopfnoten
Laut einer Ifo-Studie ist die umstrittene Bewertung des Verhaltens von Schülern für den Bildungserfolg und den Berufseinstieg völlig bedeutungslos. Das Verhalten, die Leistung oder die Erwerbstätigkeit der Schüler richte sich nicht danach, ob Kopfnoten vergeben werden oder nicht. Grundlage der Untersuchung bildeten Daten aus Bundesländern, in denen diese Zensuren eingeführt oder abgeschafft wurden. Diese Unterschiede wurden ausgewertet. Aber: Die Studie untersuchte nicht, ob Schüler mit guten Kopfnoten generell erfolgreicher sind als solche mit schlechten.
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Titelstory
Gründen: Gelten gleiche Chancen für alle?
Drei Geschichten, drei Unternehmen, drei Visionen. Simeon, Mary und Alice sind drei junge Gründer, die den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben. SPIESSER-Autorin Noelia hat sie in ihren Unternehmen besucht und herausgefunden, wie unterschiedlich die Wege in der Unternehmensgründung sein können.
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Titelstory
In einem Aachener Büro brennt um 20 Uhr noch das Licht, einige geben Codes in ihre Tastatur ein, andere nehmen VoiceOvers für Erklärvideos auf. Der Arbeitstag ist noch nicht vorbei. Simeon, 27, macht sich gerade seinen dritten Kaffee. Heute bleibt er mal nur bis 1 Uhr. Es gab aber auch schon Tage, an denen er erst um 2 Uhr nachts den Rechner herunterfuhr. Seit fast zwei Jahren arbeitet er an seinem „Baby“ mit dem Namen Anny. Das ist eine Plattform, auf der man alles buchen kann. Die Idee: „Wenn ich einen Produkt kaufe, dann suche ich es auf Amazon. Wenn ich ein Service brauche, gehe ich auf Anny“, erklärt Simeon, Gründer des Tools, seine Vision. Sein Team arbeitet mit Schwimmbädern, Co-Working-Spaces und vor allem mit Universitäten zusammen: Ihr Buchungstool wird aktuell für die Raumbuchung, den Hochschulsport und sogar für Impftermine genutzt. Während andere Gründer regelmäßig Kunden akquirieren müssen, braucht Simeon nur auf seinen Monitor zu schauen: „Ich habe in den letzten vier Stunden acht neue Kundenanfragen per E-Mail erhalten“, stellt er fest. Pro Tag sammeln sich über 100 Anrufe.
Mehr Kunden und mehr Wachstum bedeuten auch mehr Verantwortung.
Es fing alles mit Techno-Parties an Der 27-jährige BWL-Absolvent (Anm. d. R.: BWL steht für Betriebswirtschaftslehre) blickt nostalgisch zurück: „Wir haben angefangen, Techno-Parties zu organisieren. Für die Events haben wir ein TicketSystem geschrieben. Total rudimentär. Für die erste Party haben wir Tickets verkauft und hatten nicht einmal die Scan-App fertig, um die Tickets zu validieren“, lacht der junge Gründer, „wir haben eigentlich nur auf die Tickets geguckt und die Leute reingelassen.“ Zwei Jahre später wurde aus diesem kleinen Business ein Unternehmen mit einem zwölfköpfigen Team. „Wir hatten immer die Vision, eine Plattform zu machen, auf der man alles für ein Event buchen kann. Also: DJs, Boxen,
Soundanlagen, Tische, Zelte. Und dafür braucht man eben Ressourcenmanagement und Buchungssysteme“, erklärt Simeon. Im Herbst 2021 verkaufte er sein EventUnternehmen namens BookingBuddy und schaut in die Zukunft. „Die Reise geht jetzt weiter mit Anny“, freut er sich. Simeon ist sich sicher: Um ein guter Gründer zu sein, braucht man keinen Abschluss in BWL. „Alles, was ich gelernt habe im Studium, brauche ich heute nicht“, bestätigt er. „Ich lerne auf der Arbeit hier jeden Tag mehr als im ganzen Studium.“ Eine Fähigkeit müsse man aber besitzen: Stressresistenz. Die Corona-Pandemie habe viele Branchen kaputt gemacht, und damit viele potenzielle Kunden für Anny. 16 Stunden – 7 Tage die Woche Viele denken, Chefs haben die wenigste Arbeit im Unternehmen. Aber Simeons Arbeitstag besteht aus zwei Jobs: Tagsüber kümmert er sich um das operative Geschäft, nachts arbeitet er den strategischen Teil ab, checkt E-Mails und neue Anfragen. Früher waren es acht Stunden pro Tag, aber mehr Kunden und mehr Wachstum bedeuten auch mehr Verantwortung. Ende 2021 wurde diese sogar auf die Probe gestellt. Sie wurden angegriffen. „Ein Cyberangriff – wahrscheinlich von einem Mitbewerber von uns“, vermutet Simeon. Ihre Website hatte plötzlich 800 Millionen Seitenaufrufe aus China und Nordkorea. Das führte dazu, dass Anny für eine Weile „down“ war. „Wir mussten am Sonntag alle die Server retten und neue Schutzmaßnahmen ergreifen“, erinnert sich Simeon zurück. „Du kriegst dementsprechend viele Anrufe. Wie: Ich stehe gerade vor dem Krankenhaus und habe die Geburt meines Sohnes verpasst, weil ich mein Corona-Zertifikat nicht herunterladen konnte.“ Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Am Sonntag freimachen komme für Simeon aber aktuell ohnehin nicht in Frage. „In den zwanzig Minuten, in denen die Seite platt war, haben einige Kunden mehrere Tausend Euro verloren“, erklärt er. Von seinen Freunden und Bekannten bekomme er oft gut gemeinte Ratschläge, die aber in seiner Arbeitswelt leider wenig helfen würden „Manche Bekannte verstehen das einfach nicht. Aber wenn unsere Server nicht funktionieren – selbst für nur zwei Minuten –,
Gründen in Deutschland* 2020 gab es insgesamt
537.000 neue Gründer 36 Prozent
der Gründer in Deutschland sind zwischen 25 und 34 Jahre alt
40 Prozent
der Gründer sind Frauen
Jede 4. Gründung ist ein digitales Unternehmen
*Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, www.bmwi.de
Tagsüber kümmert Simeon sich um das operative Geschäft von Anny und tauscht sich mit seinem Team aus, nachts arbeitet er den strategischen Teil ab, checkt E-Mails und neue Anfragen.
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Titelstory
dann hat das Auswirkungen für 100.000 Menschen. Sie können diese Verantwortung nicht nachvollziehen.“ KuKuMu – Gründen ohne Eigenkapital Ganz anders als bei Anny geht es bei den Gründern von KuKuMu um Kunst, Kultur, Musik und Kaffee. Ihre Idee: Der wirtschaftliche Betrieb eines Cafés trifft auf verschiedene kulturelle Veranstaltungen. Daher sollen wechselnde Parties, Konzerte und Workshops ihren nachhaltigen CaféBetrieb abrunden. Die Idee und der Name entstanden an einem entspannten Abend unter Freunden. Mary und Lukas sind Teil von KuKuMu. Ihr Background: Die 26-Jährige studiert Technischen Umweltschutz und hat eine Ausbildung zur Mediatorin absolviert. Lukas hat das gleiche Studium längst abgeschlossen und arbeitet hauptberuflich als Lehrer an der MontessoriSchule. Ein Freund von ihnen sah vor mehr als einem Jahr den Open Call eines Cafés in BerlinMoabit. Es bewarben sich 20 Gruppen mit 20 Ideen und am Ende stand ein GewinnerTeam. Mit einer zehnköpfigen Mannschaft holte sich KuKuMu den Sieg: Das Café gehört seit einem Jahr ihnen. „An meinem Geburtstag war die Abgabe“, erinnert sich Mary. Mitten in Corona-Zeiten einen Betrieb gründen, das hatten die beiden nicht geplant. „Viele hatten Langeweile und viel Zeit. Wir haben es geschafft, online produktiv zu arbeiten. Und das war der guten Gruppendynamik geschuldet“, erklärt Lukas.
So finanzieren sich Gründer
40 %
Darlehen und Geschenke von Freunden und Bekannten
25 % Bankdarlehen 25 % Förderkredite 15 % Zuschuss
der Bundesagentur für Arbeit
10 % Kontokorrentkredit *Quelle: www.businessinsider.de / Statista– das Statistik-Portal
Viel Arbeit, viel Teamwork, viel Expertise „Wir hatten gar nicht damit gerechnet, dass wir mit unserer Idee beim Open Call gewinnen“, erinnern sie sich. Doch ihr Business-Plan überzeugte – und das ohne jeglichen akademischen BWLHintergrund. Keiner aus dem Kollektiv hatte jemals etwas mit Finanzen oder Steuern gemacht. Einen Anwalt und Steuerfachmann zu beauftragen war aus dem Grund unumgänglich. „Wir haben viel Arbeit reingesteckt. Wir hatten ein Onlinedokument, in dem wir alle gleichzeitig an dem Plan gearbeitet haben“, beschreibt Mary. Das Kollektiv, das zum größten Teil aus sehr guten Freunden besteht, teilte sich in kleine Teams auf. Jeder brachte eine Expertise in einem bestimmten Feld mit: So übernahm ein Team das Thema Finanzen, andere die Themen Raumplanung, Musik oder Gastronomie. Mary arbeitete früher für eine längere Zeit im Barbetrieb. „Ich trinke eigentlich gar keinen Kaffee“, lacht sie. Aber ihre Erfahrung in der Gastro erweiterte sie mit ihrer Ausbildung zur Mediatorin. Im Kollektiv berät und unterstützt sie in den Themen Projektkoordination, Kommunikation und Teambuilding. Low Hierarchy: Lass es machen! Aktuell ist KuKuMu als Verein eingetragen. Es gibt keinen Geschäftsführer, die Hierarchien sind flach gehalten. „Es ist alles ein Prozess, wir wissen nicht genau, ob es alles so funktioniert, wie wir es denken“, erklärt Lukas. Die ein oder andere Sinnkrise habe es da natürlich auch schon gegeben. „Verschiedene Menschen können verschiedene Vorstellungen haben. Können wir die festgelegten Werte erreichen? Sind wir so, wie wir uns geben? Und kriegen wir das alles unter einen Hut? Das sind einige Fragen gewesen, die im Kollektiv aufkamen“, beschreibt Lukas. Das Lokal soll als „Safe Space“ dienen, antidiskriminierend und divers. Jeder soll willkommen sein. Ihre bisherigen Einnahmen erzielten sie über Crowdfunding: „Wir hatten schon Parties, Open-Air-Veranstaltungen, Aus-
stellungen und Live-Streams mit Spendenaufruf“, erzählt Mary. 18.000 Euro kamen dabei bereits zusammen, das eigentliche Ziel von 17.000 Euro wurde also übertroffen. Das meiste Geld kam aber von Freunden und Bekannten. „Es war ein harter Struggle im Sommer. Wir dachten, wenn wir das Geld nicht zusammenkriegen, dann können wir hier und jetzt aufhören", sagt die Studentin. Die meisten Mitglieder des Kollektivs sind Studenten, keiner von ihnen hat Rücklagen. Dies war auch ein maßgeblicher Grund für die Berliner, einen Verein statt eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft zu gründen. „Der Verein kann insolvent gehen, ohne dass wir persönlich und finanziell haften müssen“, erklärt Mary. Aktuell wird das Café ausgebaut. Geplant sind in Zukunft wöchentlich wiederkehrende Veranstaltungen wie Jazz oder BackWorkshops am Wochenende. „Das alles wachsen zu sehen, ist schon schön. Mittlerweile haben wir über 1.600 Follower auf Instagram, obwohl das Café noch nicht einmal richtig eröffnet hat“, freut sich Julia.
Zwei Jahre nach der Gründung zählen sie bereits 31 Mitarbeiter. Vier Freunde, vier Ärzte, eine Vision Länger im Business-Game sind die vier Freunde Ole, Estefánia, Alice und Patrick. „Wir haben Online-Kurse für Ärzte gegeben, auf Deutsch, Englisch und Spanisch. Medilogin war sozusagen unser Startprojekt“, erklärt Alice. Und dann kam das zweite Unternehmen dazu: Dermanostic. „Wir haben über WhatsApp immer ganz viele Nachrichten bekommen von Menschen, die keinen Termin beim Arzt bekommen haben. Sie wollten wissen, was sie haben. Estefania und ich haben dann überlegt, wie wir die Informationen am besten zur Verfügung stellen können“, berichtet die 30-Jährige. Die zwei Freundinnen holten daraufhin ihre Ehemänner mit an Bord und gründeten im Oktober 2019 ihre Plattform Dermanostic, die Hautärzte und Patienten digital zusammenbringt.
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Start-ups
Eines haben wohl alle Gründerinnen und Gründer gemeinsam: Sie sind diszipliniert und stehen zu hundert Prozent hinter ihrer Idee.
Nach einigen Rückschlägen kann das Gründerteam von Dermanostic heute bereits auf einige Erfolge zurückblicken.
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Titelstory
Eine gute Idee setzt sich am Ende durch, das wissen Alice und ihr Mann Ole aus eigener Erfahrung.
Die ersten digitalen Behandlungen starteten im April 2020. „Die Ärzte, die wir haben, stellen wir sozusagen ein und wir prüfen die Qualität. Es ist ein Unterschied, ob du jemanden vor Ort siehst, wo du dir die Haut angucken und anfassen kannst. Sie kriegen eine spezielle Schulung und müssen eine spezielle Aufnahmeprüfung bestehen“, beschreibt Alice das Vorgehen bei Dermanostic. Nur die besten Ärzte würden bei ihnen behandeln. Ihre TopÄrztin habe Befundungszeiten von einer Minute. Bei komplizierten Fällen gäbe es nach etwa drei Minuten eine Diagnose. Zwei Jahre nach der Gründung zählt das Unternehmen bereits 31 Mitarbeiter. Keiner von den vier Gründern habe einen BWL-Hintergrund. „Wir sind alle aus der Klinik“, erzählt Alice. Jeder von ihnen übernimmt einen Geschäftsbereich: Ole ist Geschäftsführer, Estefánia übernimmt als Dermatologin die medizinische Leitung, Alice kümmert sich um den Presse- und Marketingbereich und Patrick um die Kooperationen.
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„Wir schaffen das“ Die bisher größten Hürden gab es zu Anfangszeiten. Entgegen Simeons Behauptung, sei es für das Gründer-Quartett von Dermanostic zunächst sehr schwierig gewesen, Investoren zu finden. Das Problem: Dass keiner der vier Gründer einen BWL-Abschluss hat, hat potenziellen Investoren gar nicht gefallen. „Wir befinden uns zudem auch noch im Gesundheitsmarkt, der sehr stark reguliert ist. Du darfst nicht einfach so Werbung schalten. Du musst gucken, wie du das machst. Du kannst sehr schnell angeklagt werden“, erklärt Alice. Hinzu kam noch: Investoren haben nicht an die Gründer-Konstellation geglaubt – zwei Frauen und zwei Männer. Estefánia war zu dem Zeitpunkt auch noch schwanger. Die Teilnahme an einem Ideenwettbewerb vor zwei Jahren zeigte den Gründern dann abschließend, dass in der Gründerwelt oft nicht auf die Vision oder die Idee geschaut wird, sondern auf das Team dahinter. Für Alice eine ganz persönliche und bedeutende Story: 50.000 Euro Preisgeld standen auf dem Spiel. Sie belegten Platz 2. „Die Jury fand die Idee und das Konzept toll. Alles fein, aber: Estefánia war schwanger. Dann waren wir zwei Frauen im Team und alle vier Ärzte“, erinnert sich die 30-Jährige. „Nachträglich kam eine Frau aus der Jury zu mir und sagte mir, sie schäme sich. Sie hatte lange mit sich gehadert. Sie fand, wir hätten das alles toll gemacht. Sie stand hinter unserer Idee und hätte uns gerne unterstützt. Sie hatte auch gegen ihre JuryKollegen argumentiert und für uns als Sieger gestimmt.“ Die Jury bestand aus zwei Frauen und acht Männern. Zwei Jahre später besitzen die beiden Paare schon zwei Unternehmen und beschäftigen über 30 Mitarbeiter: „Wir haben uns noch nie gestritten. Wir ergänzen uns ganz gut: Estefánia ist super kreativ, Ole super strukturiert und analytisch. Er sagt dann immer: Lass uns erst mal auf das Budget gucken, lacht Alice. Sie ziehen immer gemeinsam an einem Strang. Ihr Credo: Wenn nicht alle überzeugt sind, suchen sie andere Lösungen. „Gründen ist nicht fair“ Wer ein Unternehmen gründen will, muss hart arbeiten mit wenig Geld. „Es kommt
auch darauf an, was du machst. Wenn du ein Hardware-Produkt hast, brauchst du viel Kapital. Aber an sich hatten wir auch kein Geld“, erklärt Simeon von der Anny Company. Sie haben damals das sogenannte Gründerstipendium bekommen: 1.000 Euro für jedes Teammitglied und das ein Jahr lang. Um sich dafür zu bewerben, braucht man keinen Business-Plan. Ein Pitch reiche komplett aus. „Es gibt schon krasse Förderprogramme, wenn du noch an der Uni bist. Du kriegst 2.500 Euro Gehalt, wenn du einen Bachelor hast und gründen willst“, so Simeon weiter.
Das Wichtigste ist, die Firma in den Mittelpunkt zu stellen – wie ein Baby. Darüber hinaus gäbe es auch GründerUnis, die Kooperationsprogramme und ein gutes Alumni-Netzwerk anbieten würden. Die sind aber meistens eher privat: „Du kannst da sagen, ich brauche zehn Millionen Euro und dann hat es jemand da, wenn du an der privaten Universität bist“, mutmaßt Simeon. Er habe diese Kontakte nicht gehabt, dafür aber einen anderen großen Vorteil: Kunden und ein gutes Produkt. „Alles, was wir haben, haben wir durch unser eigenes Geld finanziert. Wir haben kein Fremdkapital drin. Wir hatten zum Glück sehr früh sehr viele Kunden“, so der 27-Jährige. Das Wichtigste sei es, die Firma in den Mittelpunkt zu stellen – wie ein Baby. „Wenn es dir wichtiger ist, abends mit Freunden Glühwein trinken zu gehen, dann wird es nichts mit der Gründung. Ich war seit einem Jahr nicht mehr feiern", stellt Simeon zum Schluss fest. Auch Alice stellte Dermanostic seit Beginn an in den Mittelpunkt und kündigte damals ihren sicheren Job in der Klinik: „Du sagst nicht, du gründest, um reich zu werden. Dann hätte ich auch in der Klinik bleiben können. Du willst die Idee und die Vision, die du hast, verwirklichen.“
1.+ 2. April 2022
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Fynn Kliemann
„Ich habe eine Durchzugsquote von 100 Prozent “
Fynn Kliemann, der Schrottdesigner, Unternehmer, YouTuber, Musiker, Künstler und Webdesigner ist ein regelrechtes Energiebündel und erschwert es seinen Fans, bei all seinen Projekten einen Überblick zu bewahren. Worauf es bei seinen zahlreichen Ideen ankommt und ob ein Fynn Kliemann auch mal scheitert, hat er SPIESSER-Autor Daniel bei einem Besuch im Kliemannsland selbst verraten. Ob das Kliemannsland, das Plattenlabel twoFinger Records, die Werbeagentur herrlich media oder die ODERSO-Kollektion – deine Liste an Projekten lässt sich beliebig weit fortführen. Findest du die Ideen oder finden die Ideen dich? Ich glaube, das bedingt sich gegenseitig. Es fängt meistens damit an, dass ich etwas für mich selbst brauche und dann sehe, dass das auch andere Menschen benötigen. herrlich media haben wir zum Beispiel nur gegründet, um eigene Applikationen zu bauen. Dafür benötigten wir aber zur Unterstützung mehr Menschen. Um die bezahlen zu können, haben wir die Applikationen auch an Kunden verkauft. Es gibt Milliarden von Problemen, und die löse ich dann, indem ich etwas baue oder gründe. Und so ist bis jetzt alles entstanden, was ich bisher gemacht habe. Wie kriegst du denn diese Vielzahl an Projekten unter einen Hut? Hast du dein Zeitmanagement perfektioniert? Ich habe mit Abstand das schlechteste Zeitmanagement auf dem Planeten. Immer bin ich zu spät, immer folgen drei Termine auf Halbe-Stunde-Slots. Da kann es schnell passieren, dass ich Sachen einfach versäume.
Es gibt daher die Regel, dass ich selbst keine Termine vereinbaren darf. Ansonsten geht alles in die Hose. Deshalb habe ich Antje als Assistentin, die für mich alles im Blick behält. Da kommt es auch mal vor, dass ich meine Kumpels auf Antje verweisen muss und sie frage, ob sie einen freien Termin für uns zum gemeinsamen Grillen findet.
Probleme sind völlig normal. Sie sind ständig da und wiederholen sich auch. Bei so vielen Projekten bleiben ein paar Ideen bestimmt auch mal auf der Strecke. Was ist dir wichtig, wenn du dich für neue Herausforderungen entscheidest? Dass es keine langfristigen Projekte sind, sondern die mich immer kurzfristig mit neuen Sachen konfrontieren. Ansonsten wird mir schnell langweilig. Sind es aber Projekte wie das Kliemannsland, bleibt es spannend. Dieses Projekt ist ein sich wandelnder Organismus und hier verändert sich jeden Tag etwas. So ist es auch mit der Musik. Da kannst du eigentlich alles machen, was du möchtest.
Aber auch bei herrlich media machen mir viele Sachen immer noch Spaß, die neu sind. Für andere Angelegenheiten, die mir am Anfang viel Spaß bereiten, mit der Zeit jedoch langweilig werden, hole ich mir dann Menschen zur Unterstützung und widme mich stattdessen neuen Herausforderungen. Wer deinen Werdegang verfolgt, kann schnell den Eindruck bekommen, dass dir scheinbar alles gelingt und du mit all deinen Vorhaben erfolgreich bist. Gibt es auch mal Momente, in denen du scheiterst oder die dir Probleme bereiten? Probleme sind völlig normal. Sie sind ständig da und wiederholen sich auch. Schwierig wird es, wenn sich Probleme krass in die Länge ziehen, weil du sie nicht richtig adressieren kannst. Doch bei all den Erfahrungen, die ich mache, legt sich das mit der Zeit. Denn viele Probleme sind sehr ähnlich. Es ist wie mit dem Lernen einer Sprache. Verstehst du beispielsweise Französisch, Englisch und Deutsch, kannst du ganz viele andere Sprachen auch verstehen. Probleme bauen aufeinander auf. Diese Erfahrung hilft einem, sie leichter wegzustecken und dafür Lösungen zu finden.
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Interview
Und wie sieht es mit dem Scheitern aus? Natürlich scheitere auch ich. Zu meinen Stärken zählt aber auch, dass ich eine 100-Prozent-Durchzugsquote habe. Einfach nur, weil ich am Ende sagen möchte, dass es erfolgreich war. Die meisten Menschen hören nämlich auf und geben sich mit dem Scheitern zufrieden. Aber wenn du scheiterst, scheiterst und scheiterst und dann am Ende doch noch fertig wirst, dann ist das ganze Projekt dein Erfolg. Und ich finde es viel schöner zu sagen: Geiles Ding, fertig und tschüss! Und jetzt das nächste Projekt, bitte! Wann gilt für dich ein Projekt als abgeschlossen? Meine Projektarbeit lässt sich ganz gut damit vergleichen, wie ich mit Lego baue: Es gibt Menschen, die bauen mit Lego-Steinen etwas zusammen und spielen im Anschluss viel damit. Ich mach das selten. Ich habe nur Bock, etwas fertigzubauen. Wenn ich die Anleitung in meinem Kopf gebaut hab und weiß, was ich alles zur Umsetzung benötige, ist das Projekt für mich abgeschlossen, sobald der letzte Stein gesetzt ist. Für viele bist du nicht nur der „Schrottkönig “ aus dem Kliemannsland, sondern auch ein erfolgreicher Unternehmer. Welche Tipps kannst du jungen Menschen geben, die selbstständig werden oder sich großen Projekten widmen möchten und noch ganz am Anfang stehen? Für gute Ideen gibt es immer Geld. Aus meiner Sicht sitzt das Geld bei Investoren momentan echt locker, denn da sitzen Leute mit so prallen Portemonnaies, die nur darauf warten, das Geld irgendwo raufschmeißen zu können. Außerdem habe ich festgestellt, dass alle Projekte, die ich mit mehr als einer Person umgesetzt habe, miserabel waren. Ich würde daher nicht mit großen Gruppen gründen. Am besten klappt es, wenn man das ganz alleine macht, sich einzelne coole Leute dazu holt und die am Erfolg beteiligt. Und ich bin davon überzeugt, dass du in dem Bereich, in dem du etwas bewegen möchtest, richtig gut sein musst. Wenn du eine Idee für ein Format hast, aber überhaupt nicht mit der
Kamera umgehen kannst, noch nie ein Script geschrieben hast oder keine Videos schneiden kannst, dann solltest du an dir arbeiten, bis du es kannst. Und sobald du es kannst, kannst du dir Leute suchen, die dich ergänzen oder unterstützen. Es ist wichtig, die Thematik selbst zu verstehen, für die du brennst.
Für gute Ideen gibt es immer Geld. Was ist für dich ein erfolgreiches Unternehmen? Ein erfolgreiches Unternehmen ist für mich eins, dass auf seinem Weg niemanden auf der Strecke lässt und nichts auf dem Rücken seiner Mitarbeitenden austrägt. Eines, das natürlich Geld verdient – so funktioniert unsere kapitalistische Welt –, aber nicht gierig ist und bestenfalls seine Gewinne in neue Mitarbeitende investiert, andere coole Projekte unterstützt oder auch mal spendet. Alles, was mit Vollgas Geld verdienen will, ist für mich nicht erfolgreich. Text von Dan iel Koren ev, 25,
entschied sich anstelle eines Praktikums im Kliemannsland fürs Schreiben über Start-ups aus Mitteldeutschland. Foto s vo n Tony Haupt
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Fynn Kliemann
Ist das Kunst oder kann das weg? Im Kliemannsland findet alles seine Bestimmung.
Fynn Kliemann … ist ein waschechter Tausendsassa. Ob als Handwerker, Unternehmer, Webdesigner, Musiker oder Künstler – packt Fynn etwas an, wird es zum Erfolg. So scheint es zumindest. Für sein limitiertes Debütalbum „nie“ (2018) erhielt er eine Goldene Schallplatte, er hat seinen eigenen Dokumentarfilm produziert und stand mit dem Musiker Olli Schulz für die Netflix-Dokumentation „Das Hausboot“ vor der Kamera. Fynns Zeit ist kostbar – so spart er einzelne Minuten auch mal durch die Wiedergabe von Sprachnachrichten in doppelter Geschwindigkeit.
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Debatte
Hobby als Beruf – eine gute Idee? Die Eltern sagen: Lern was Richtiges, womit du auch mal Geld verdienen kannst, denn wenn du deine Leidenschaft zum Beruf machst, hast du bald keinen Spaß mehr dran. Aber stimmt das? Unsere SPIESSER-Autoren Sophia und Pierre sind da geteilter Meinung.
PRO „Ein Beruf, bei dem man seiner Leidenschaft nachgeht, steigert auch die Lebensqualität und Zufriedenheit.“ In der Schulzeit habe ich mir oft die Frage gestellt, was ich wirklich gut kann und was ich später einmal machen möchte. Schon im Alter von zwölf Jahren stand für mich fest, dass ich mit dem Schreiben einmal mein Geld verdienen werde. Schreiben kann ich gut. Schreiben macht mir Spaß. Ich nahm also meine Fähigkeit des Schreibens und habe mir überlegt, was ich damit beruflich machen kann. Ich wollte kreativ sein. Ich wollte die Herausforderung und direkt mit Menschen arbeiten. Ich wollte (und will auch heute noch) mit meinen Worten etwas bewegen. Also bin ich meinen Weg zum Wunschberuf über mein Hobby gegangen – und das kann ich nur jedem raten! Warum soll ich 40 Jahre oder länger einen Job ausüben, der mir zwar meine Brötchen auf den Tisch bringt, aber leider so gar keinen Spaß? Für mich kam das nie in Frage! Die Studie „Meaning of Work, Deutschland 2020“ im Auftrag der Jobseite Indeed gibt mir Recht: 2.042 Arbeitnehmer wurden dort gefragt, was ihnen im Job am wichtigsten ist. Das Ergebnis: Spaß an der Arbeit kommt noch vor dem Gehalt und der
Selbstverwirklichung. Außerdem bin ich der Meinung, dass durch einen Beruf, bei dem man seiner Leidenschaft nachgeht, auch Lebensqualität und Zufriedenheit gesteigert werden. Einige Forschungen deuten auch darauf hin, dass Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen durch eine Arbeit, die Spaß macht, reduziert werden könnten. Ich finde, wir alle sollten weniger aufs Geld schauen, sondern vielmehr darauf, ob der erlernte Beruf auch unser Leben erfüllt. Wir wollen uns doch alle weiterentwickeln und frei entfalten. Hobbys können einfach ein guter Wegweiser für die Berufswahl sein. Wenn jemand also gerne Sport macht, muss diese Person zwar nicht gleich Profi werden, aber kann Studium oder Berufsausbildung danach ausrichten. 2016 hat das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest eine Umfrage zum Traumberuf der Deutschen gestartet. Darin wird ersichtlich, dass besonders Jugendliche und junge Erwachsene der Überzeugung sind, dass der Traumberuf kein Traum bleiben muss. In der Altersgruppe der unter-30-Jährigen gaben sogar
rund 66 Prozent an, aktuell ihren Wunschberuf auszuüben. Ich finde das großartig! Heute, nachdem meine Schulzeit schon über zehn Jahre her ist, blicke ich auf dieses kleine zwölfjährige Mädchen zurück, das damals vom Schreiben geträumt hat – und bin froh, dass sie es tat! Ich habe inzwischen Kunstgeschichte und Journalismus studiert und bin gerade noch in der Weiterbildung zur Drehbuchautorin. Ich tue das, was mich erfüllt. Ich habe mich 2019 mit meiner Schreiberei sogar selbstständig gemacht. Mein Motto: Freiheit vor Sicherheit (und ja, damit kann man Geld verdienen!). Freiheit bedeutet für mich auch, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Klar gibt es Dinge, die mal nicht so gut laufen in der Selbstständigkeit. Aber die Verantwortung liegt dann auch zu hundert Prozent bei mir. Meine Selbstständigkeit lässt mich wachsen. Für mich ist genau das der richtige Weg. Text von S ophia Förts ch, 28,
geht Bouldern oder ins Kino, wenn ihr die Schreiberei mal über den Kopf wächst.
CONTRA „Hobbys sind genau deshalb so schön, weil sie das Gegenteil eines Jobs sind.“ Viele Dinge können ein Hobby sein. Ein Instrument erlernen. Eine Wohnung voller Pflanzen grün und lebendig halten. Im Tierheim Katzen streicheln. Stundenlang kleinste Felder eines Mandalas ausmalen. Fünf-stöckige, aufwendig verzierte Torten backen. Sogar Münzen oder Briefmarken sammeln. Aber vor allem sind all diese Dinge eines nicht: ein Job. Die Vorstellung, aus dem liebsten Hobby einen Beruf zu machen und damit den ganzen Tag lang nichts anderes mehr machen zu müssen, hatte sicher jeder schon. Wie oft habe ich schon von einer neu entdeckten Leidenschaft erzählt, und die erste Reaktion eines Freundes war: „Damit könntest du richtig Kohle machen!“
Und im ersten Moment klingt es natürlich auch absolut traumhaft, zum Beispiel Geld damit zu verdienen, das liebste Computerspiel zu zocken. Oder die liebevoll selbstgestrickten Socken im Internet zu verkaufen. Das Problem ist jedoch: Ist die eigene Leidenschaft einmal dem Zwang einer kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen, macht sie längst nicht mehr so viel Spaß. Denn Hobbys sind doch gerade deshalb so schön, weil sie genau das Gegenteil eines Jobs sind. Niemand sagt mir, was ich zu tun habe und wann. Niemand bewertet die Ergebnisse meiner unbeholfenen Basteleien. Und das beste von allem: Es gibt keine Deadlines! Hobbys zeichnet es aus, dass sie stattfinden, wenn die Arbeit getan ist und endlich Raum für freie Entfaltung ist. Keine Ahnung wie es euch geht, aber ich möchte mich mit meinem Hobby entspannen – und mir nicht noch mehr Stress aufhalsen. Die hoch gepriesene Work-Life-Balance ginge damit sicher auch flöten. Denn, wer für die eigene Arbeit richtig brennt, ist auch schneller bereit, Überstunden zu machen. Es wird dann also umso schwerer, am Ende des Tages zu entspannen. Denn um nach der Arbeit Stress abzubauen, nutzen wir laut einer Stressstudie der Techniker Krankenkasse von 2016 vor allem unsere Hobbys. Vom Berufsleben verursachter Stress lasse sich demnach vor allem dann nicht ausgleichen, wenn es keine klare Trennung
zwischen der Arbeit und dem Privatleben gebe und ich zum Beispiel auch nach Feierabend immer erreichbar bin. Wenn ich mein Hobby zum Beruf mache, sehe ich darin genau diese Gefahr. Die Leidenschaft für den Job ist eben eine gute Ausrede, um sich selbst keine Grenzen mehr zu setzen. In der Leistungsgesellschaft, in der wir leben, wird uns vorgegaukelt, wir müssten alles zu Geld machen. Unseren Selbstwert verknüpfen wir sehr stark mit unserem beruflichen Erfolg. Dem gegenüber können sich vermeintlich sinnfreie Hobbys natürlich schnell wie verschwendete Zeit anfühlen. Klar, manchmal sitze ich auch vor etlichen Klopapierrollen, aus denen ich kleine, süße Koalafiguren gebastelt habe, und frage mich, wohin die Zeit verschwunden ist. Aber der Punkt ist, ich hatte Spaß dabei. Und ich habe für ein paar Stunden einmal nicht über meine Sorgen nachgegrübelt. Ich glaube, das beste Mittel gegen den Verlust des eigenen Selbstwertgefühls in unserer Leistungsgesellschaft ist, sich wenigstens die eigenen Leidenschaften zu bewahren. Ganz für sich selbst. Als im Sinne des Kapitalismus sinnfreie, damit aber auch stressfreie Tätigkeiten.
Text von Pierre Hofman n , 26,
möchte die Ergebnisse seiner Bastelarbeiten lieber nur den engsten Freunden zeigen, statt sie auf Plattformen wie Etsy zu verkaufen.
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Erfahrungsbericht
Im Künstlerdschungel überleben Jede Person hat Talent – das war das Erste, was SPIESSER-Autorin Anja hörte, als sie die Hallen ihrer Schauspielschule betrat. Die Frage, die sich ihr damals stellte: Wie schaffst du es, dein Talent in Disziplin, Ehrgeiz und Geduld umzuwandeln? Hier beschreibt sie für euch ihren Weg in die Schauspielerei und gibt ein paar Tipps. Denkt man an die Schauspielerei, den künstlerischen Beruf und die Branche, kommen jedem von uns Berühmtheiten, rote Teppiche und ein Leben in Glitzer in den Sinn. Dieser Traum von Ruhm und Erfolg platzt allerdings sehr schnell, sobald man sich in der Realität wiederfindet. Plattformen, auf denen man berühmt werden kann, gibt es zahlreiche, worauf es aber ankommt, ist neugierig zu sein, tief greifende Geschichten durch die Ähnlichkeit der Rolle zum eigenen Selbst zu erzählen und Menschen zu bewegen. Das ist der Sinn von Schauspielerei. Für mich persönlich war, auf der Bühne oder vor der Kamera zu stehen, jemand anderes und doch ich selbst zu sein, über Grenzen zu gehen und einfach laut, eigenartig, „too much“ zu sein, schon immer wie nach Hause kommen. Kurzfilme und Theateraufführungen brachten mich meinem Traum über die Jahre näher. Mit der Unterstützung meiner Eltern und Freunde im Gepäck, ging ich daher direkt nach dem Abitur auf die Schauspielschule. Die Schauspielschule ist ein Ort zum Fehler machen und voller Möglichkeiten des Ausprobierens. Die intime Beschäftigung mit sich selbst und das permanente Arbeiten außerhalb der eigenen Komfortzone sind aus meiner Sicht wohl die hilfreichsten und wertvollsten Erlebnisse und Tools, auf die man
sein ganzes restliches Leben zurückgreifen kann – egal, ob man als Person in Zukunft tatsächlich einmal die Mega-Karriere in der Schauspielbranche macht oder nicht. In Fächern wie Szenenarbeit, Filmanalyse, Tanz, Bewegung und Stimmtraining wurde ich jeden Tag gepusht, mehr aus mir selbst herauszuholen. Das war nicht nur physisch, sondern auch psychisch unfassbar anstrengend – aber auch außerordentlich bedeutend für mich. Diese intensive Zeit förderte meine Kritikfähigkeit und Reflexion ungemein.
Wir jungen Schauspieler müssen fast alle in Nebenjobs arbeiten. Raus in die Welt? Aus der Schauspielschule, einer Blase voller gleichaltriger Talente mit großem Ego, die davon ausgehen, dass Hollywood anruft, bekam ich vor allem eins: Absagen. Absagen von Castern, Agenten und Filmstudenten. Kein Wunder – immerhin gibt es über 20.000 arbeitslose Schauspieler in Deutschland, die darauf hoffen, ein paar Minuten irgendwo gesehen zu werden.
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Schauspielerei
Und so ist der Alltag von mir und meinen Kollegen davon geprägt, auffallende Bewerbungen zu schreiben, das eigene Demoband mit zwei bis drei Szenen und die Fotos auf den wichtigsten Datenportalen möglichst aktuell zu halten. Und fast alle müssen wir in Nebenjobs arbeiten. Ja, die Miete will ja auch bezahlt werden. Jeder einzelne Drehtag ist dann ein echtes Highlight und eine Bestätigung für die eigenen wochenlangen Anstrengungen. Dieser Moment, wenn ich eine E-Mail oder den Anruf erhalte und es heißt, dass sich eine Produktion für mich entschieden hat, ich mich gegen Hunderte von anderen Bewerbern durchgesetzt habe und der gemeinsamen Arbeit nichts mehr im Wege steht, ist einfach ein tolles Gefühl. Sobald ich dann am Set oder auf der Bühne ankomme, verfliegt jede Wut auf die Branche. Endlich kann ich zeigen, was ich kann. Dieser pure Genuss, das machen zu können, was komplett erfüllend und belebend ist, ist unbeschreiblich schön.
Meistens liegt es gar nicht am Spiel, ob man für eine Rolle gebucht wird. Wie läuft ein Casting ab? Häufig wird man ausgesiebt, bevor man sich überhaupt im Sieb befand. Hat man dann mal das Glück und passt gut auf eine Rolle, wird stattdessen jemand aus berühmteren Gründen besetzt und passend gemacht. Gerade die Anfänge in der freischaffenden Schauspielerei sind von kleinen Tagesund Nebenrollen mit ein bis zehn Sätzen gekennnzeichnet. Wer fünf bis zehn Drehtage im Jahr hat, darf sich nicht beschweren – erst recht nicht, wenn die Person kein Kinderschauspieler war, Connections hat oder die Familie in der Filmbranche tätig ist. Castings findet man entweder in Ausschreibungen auf Castingplattformen, über Schauspielcoaches oder Agenturen. Um aber in eine Agentur zu kommen, braucht man Referenzen, und die guten kriegt man eben über eine Agentur. Ein nie endendes Hamsterrad also. Inzwischen gibt es sehr viele Agenturen, daher ist der Ehrgeiz groß, in eine wirklich gute zu kommen.
Wird man zum Casting eingeladen, wird meistens erst ein E-Casting mit ein bis zwei Spielszenen und einer kurzen Vorstellung erwartet. Überlebt man die erste Runde, wird man zur nächsten Live-Runde gebeten. Vorher werden meistens das Drehbuch und eine neue Szene geschickt, welche in verschiedenen Varianten vorbereitet werden muss. Im Live-Casting sind manchmal auch schon der Regisseur und Spielpartner anwesend, die mit einem an den Szenen arbeiten. Nach der zweiten Runde folgt entweder ein drittes Casting oder bereits die Entscheidung. Was nie vergessen werden darf, ist, dass die Caster nie alleine über Besetzungen entscheiden und lediglich Vorschläge machen. Die Geldgeber, also die Produktion und der Regisseur, sind letztendlich diejenigen, die die Macht haben. Meistens liegt es also gar nicht am Spiel, ob man für eine Rolle gebucht wird, sondern an Faktoren wie Typ, Kompatibilität zu den anderen Rollen und der bisherigen Erfahrung. Du willst Teil der Schauspielbranche werden? Herzlichen Glückwunsch zur härtesten, mühseligsten und ausdauerndsten Berufswahl, die es gibt. Verfolge deinen Traum, aber sei dir bewusst, dass die Konkurrenz niemals schläft, es immer Menschen gibt, die besser sind und härter arbeiten als du. Vielleicht findest du das eine Ding, das dich von anderen unterscheidet, kannst das richtig einsetzen, zu deinem Vorteil machen und dahin gehen, wo du mit deiner Art, deinem Typ und deinen Skills gebraucht wirst. Ja, vielleicht gehörst du dann zu diesem einen Prozent der Nachwuchsschauspieler, die keinen Nebenjob brauchen. Aber halte dir vor Augen: Schauspielerei ist eine Berufung, die eine große Portion Glück braucht. Aufgeben steht nicht zur Debatte. Denn ein einziger Mensch, der von dir begeistert ist, reicht schon aus, um gesehen zu werden und etwas bewegen zu können. Und wenn die letzte Klappe geschlagen wurde und der Vorhang fällt, war es die ganze Mühe und Energie wert. Ich jedenfalls liebe meinen Beruf. Text von Anja Lukassek, 25,
hat Schauspiel studiert und ist als freischaffende Schauspielerin tätig.
„Diverse Teams sind nicht einfach, aber erfolgreicher“
Laut dem Female Founders Report waren 2020 nur 17,9 Prozent der Gründer in Deutschland Frauen. Aber wieso ist das so? Dr. Kati Ernst, eine der beiden Gründerinnen der Periodenunterwäschemarke Ooia, berichtet SPIESSER-Autorin Katharina bei der Mittagspause, wie es ist, in einem tabuisierten Markt als Frau zu gründen. Wie seid ihr, also du und die andere Geschäftsführerin von Ooia, Kristine Zeller, an die Produktforschung und Unternehmensgründung herangegangen? Ich sehe immer wieder, wie neue Gründer ausschließlich am Produkt und erst zum Schluss an der Marke tüfteln. Viele Produkte sind kopierbar, deswegen muss man eine Marke schaffen, die den Kunden an einen bindet. Deshalb haben wir uns zu Beginn die erste Hälfte des Tages über das Produkt und die zweite Hälfte über die Marke unterhalten. Zuerst haben wir uns überlegt, wie so ein Perioden-Panty funktionieren
könnte, welche Anforderungen wir an das Produkt stellen und welche Materialien diese am besten erfüllen. Monatelang haben wir in ristines Küche mit verschiedenen Stoffkombinationen herumprobiert. Und parallel haben wir uns bei der Markenentwicklung gefragt: Wie heißt die Marke? Wie fühlt sie sich an? Und welche Werte verfolgt die Marke? Daraus haben wir dann unser Konzept entwickelt.
Starte mit deinem Produkt, wenn du zu 90 Prozent zufrieden bist.
Woher konntet ihr eure Erfahrung in Sachen Unternehmensgründung und -leitung nehmen? Bei der Gründung eines Unternehmens ist nicht nur fachliches Wissen wichtig, sondern auch Management-Fähigkeiten. Genau diese Fähigkeiten konnten Kristine und ich uns bereits in unseren vorherigen Jobs aneignen. Ich war bei einer großen Unternehmensberatung und Kristine als Führungskraft bei Zalando tätig. Dennoch haben wir vorher noch nie allein ein funktionales Kleidungsstück entwickelt, eine Marke oder eine Webseite aufgebaut. In den Bereichen, in denen wir keine Erfahrung hatten,
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Ooia
haben wir daher Experten hinzugezogen und einfach viel ausprobiert. Wann ist der richtige Zeitpunkt in der Produktentwicklung, um mit seinem Produkt auf den Markt zu gehen? Da gibt es ein nettes Sprichwort: „If you are happy with your first product you launched it too late.“ Erst wenn viele Menschen dein Produkt ausprobiert haben, kannst du wissen, was du verbessern musst. Ich würde raten, mit einem Produkt zu starten, wenn man zu etwa 90 Prozent zufrieden ist. Am besten legt man für sich selbst fest, welche Punkte perfekt sein müssen und welche auch später noch optimiert werden können. Welche Tipps könnt ihr an junge Menschen weitergeben, die eine Idee haben, aber keine Expertise und nicht wissen, wie sie loslegen sollen? Das ist einfacher als anders herum. Bei sehr jungen Menschen würde ich empfehlen, sich Unterstützung zu suchen. Es gibt tolle Programme für junge Gründer, wie der Wettbewerb „Startup Teens“. Dort können sich Teenager mit einer Geschäftsidee bewerben und bekommen einen Mentor zur Seite gestellt. Es gibt aber auch behördliche Stellen, wie die Gründerzentren, die einen gut unterstützen.
Von Frauen geführte Unternehmen sind statistisch gesehen erfolgreicher. Unterscheiden sich eurer Meinung nach die Herausforderungen, denen Männer und Frauen in der Unternehmensgründung begegnen, voneinander? Ja, da gibt es auf jeden Fall Unterschiede und das ist keine Meinung, sondern wissenschaftlich belegt. Frauen haben vor allem Nachteile dabei, Kapital zu finden und Netzwerke aufzubauen. Sie haben keine Zugänge zu Machtzirkeln, weil diese nur aus Männern bestehen. Das führt dazu, dass ihnen die Führungskompetenz abgesprochen wird, sie systematisch
Ooia
benachteiligt und schlechter beim Pitchen beurteilt werden. Dabei sind frauengeführte Unternehmen statistisch gesehen sogar erfolgreicher: Ihre Unternehmen haben eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit, sind innovativer und sogar an der Börse erfolgreicher. Woher kommen diese Unterschiede? Der Grund, warum Frauen benachteiligt werden, ist der Unconscious Bias (Anm. d. R.: die „unbewusste Voreingenommenheit“).
… ist ein Berliner Unternehmen, das sich Female Empowerment und Nachhaltigkeit groß auf die Fahne geschrieben hat. Mit ihren nachhaltig und fair produzierten Periodenunterhosen und Still-BHs wollen sie Frauen unterstützen und bestehende Tabus rund um das Thema Menstruation auflösen. Die beiden Gründerinnen, Dr. Kati Ernst und Kristine Zeller, haben mit Ooia das Thema Periodenunterwäsche seit 2018 in Deutschland etabliert.
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Mittagspause
Das führt dazu, dass viele Menschen immer die Leute unterstützen die ihnen ähneln, da sie davon ausgehen, dass genau diese gleichen Eigenschaften sie damals selbst zum Erfolg geführt haben. Da fast ausschließlich Männer in hohen Positionen tätig sind, werden auch weiterhin meistens nur Männer befördert. Auch bei kulturellen Hintergründen tritt dieses Problem auf.
Die Generation von heute ist aufgeklärter als die letzten. Was würdet ihr Frauen gern mit auf den Weg geben, die selbst gründen möchten? Ich würde raten, sich eine Co-Gründerin zu suchen. Gemeinsam sind die Höhen höher und gleichzeitig die Tiefen nicht so tief. Viel wichtiger als ergänzende Fähigkeiten zu haben, ist dabei, dass man sich gut versteht und gut miteinander funktioniert. Jede Kompetenz kann man einkaufen, aber Vertrauen und Sympathie nicht. Der zweite wichtige Punkt ist die aktive Vernetzung mit Menschen und Mentorinnen. Ein wichtiges Anliegen eurer Unternehmensstruktur und auch ein Grund für eure Unternehmensgründung war eine familienfreundliche Arbeitsstruktur für Frauen. Inwiefern unterscheidet sich euer Arbeitsalltag von dem in anderen Unternehmen? Da Kristine und ich beide Mütter sind, war uns klar, dass wir eine Firma gründen wollen, die die Flexibilität ermöglicht, die man braucht, wenn man aktiv am Heranwachsen seiner Kinder beteiligt sein möchte. Aber was für den einen Mitarbeitenden die eigenen Kinder sind, ist für andere ein zeitintensives Hobby neben dem Beruf. Deswegen geben wir all unseren Angestellten die Möglichkeit, orts- und zeitunabhängig zu arbeiten. Abgesehen davon leben wir in gleichberechtigten Partnerschaften und teilen uns die
Care-Arbeit gleichmäßig auf. Bei mir übernimmt mein Mann mittlerweile sogar 85 Prozent der Kinderbetreuung. Um alles unter einen Hut zu bringen, nutzen wir ein breites Spektrum als Unterstützungsnetzwerk, wie Großeltern, Babysitter, Schule und Kita. Wie hoch ist der Männeranteil in eurem Unternehmen? Welche Motivation bringen Männer mit, die sich bei euch bewerben? Momentan haben wir einen Mann in der Firma, aber es werden bald noch mehr dazukommen. Natürlich haben sie weniger Bezug zum Produkt als weibliche Mitarbeiterinnen, aber das Produkt allein ist ja nicht die einzige Motivation für einen Job. Das können auch die Arbeitszeit, die Unternehmenswerte oder das Gehalt sein. Uns alle bei Ooia verbindet, dass wir in einem innovativen Unternehmen arbeiten wollen, das etwas bewegt. Uns ist es wichtig, ein diverses Team zu haben – zwar ist es schwieriger, diverse Teams zu leiten, aber die Endergebnisse sind viel besser. Gender ist dabei für uns nur eine Dimension: Es geht vielmehr um unterschiedliche Persönlichkeiten als um unterschiedliche Geschlechter. Wie läuft der Prozess zusammengefasst ab, von der Idee bis zum fertigen Produkt? Zunächst überlegen wir uns, wie das neue Modell aussehen soll und fertigen dazu Skizzen an. Unsere externe Produktentwicklungsagentur stellt dann das Schnittmuster für uns her. Um die Transparenz der Wertschöpfungskette zu gewährleisten, kaufen wir jedes Teil, also alle Stoffe, selbst ein. Diese werden dann zusammen mit dem Schnittmuster an die Näherei geschickt. Erst werden Samples angefertigt, die von Frauen mit verschiedenen Größen anprobiert werden. Wenn wir zufrieden sind, geht es in die Produktion. In eurem „Teenage Topic “ habt ihr Frauen aus eurer Community zu ihrer ersten Periode befragt. Es zeigt sich, dass Scham und Unsicherheit im Zusammenhang mit der ersten Periode heute weniger empfun-
den werden als früher – Angst und Traurigkeit nehmen allerdings zu. Woran könnte das liegen? Die Generation von heute ist aufgeklärter als die letzten, da der Zugang zu Aufklärungsangeboten leichter ist. Anders als noch vor einem Jahrzehnt übernehmen heutzutage Influencer einen großen Teil der Aufklärungsarbeit. Das führt aber nicht unbedingt dazu, dass Teenager weniger Angst haben. Durch soziale Netzwerke sind Jugendliche generell mehr mit Angst konfrontiert und auch die Rate an depressiven Jugendlichen ist höher. Durch diese Faktoren erkläre ich mir den
Anstieg an Angst und Traurigkeit. Um dem entgegenzuwirken, müssen sichere Räume für Gespräche und Fragen geschaffen werden. Wir versuchen mit Ooia einen Raum zu kreieren, in dem sich ausprobiert werden darf und der Unsicherheiten auflöst.
Text von Katharina Ziegler, 22,
wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für gesellschaftliche Tabuthemen. Fot o s vo n To ny H aupt
Früher war Kati in der Unternehmensberatung tätig – heute ist sie selbst Unternehmerin. Gemeinsam mit ihrer Freundin Kristine hat sie Ooia gegründet.
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Infografik
Wege in die Selbstständigkeit
Du bist neugierig geworden auf das Thema Unternehmensgründung oder träumst selbst von einer Laufbahn als Start-up-Gründer bzw. selbstständige Unternehmerin? Finden wir mega! Darum haben wir ein paar Infos zusammengetragen, die dich dabei unterstützen können, dein Ziel zu erreichen und die entscheidende Frage beantworten: Bringst du alle wichtigen Eigenschaften für die Selbstständigkeit mit?
Wichtige Förderprogramme für junge Start-ups
IW JUNIOR Die Tochter des Instituts der deutschen Wirtschaft bietet Schülern wie dir Schulungen, Veranstaltungen und Wettbewerbe, die dich optimal auf deine Zukunft als Fach- und Führungskraft vorbereiten. Gerade Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Eigenverantwortung und Selbstständigkeit kannst du hier ausbauen. Auch Unterrichtsbesuche sowie Informations- und Unterrichtsmaterialien können von deinen Lehrern genutzt werden. Mehr Infos: iwjunior.de
GRACE Die Beratungsagentur Grace – Accelerate Female Entrepreneurship unterstützt explizit Frauen mit Gründungsambitionen dabei, ihre Gründungsidee weiterzuentwickeln und umzusetzen. Durch kostenlose Veranstaltungen und Workshops bekommen Frauen die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen. Mehr Infos: www.grace-accelerator.de
STARTUP TEENS Du bist noch nicht volljährig, aber hast bereits eine tolle Idee oder interessierst dich für die Selbstständigkeit? Die Non–Profit Organisation Startup Teens bietet jungen Menschen kostenlose Workshops an, stellt ihnen Mentoren zur Seite und finanziert Ideen mit spannenden Wettbewerben. Mehr Infos: www.startupteens.de
EXIST-GRÜNDERSTIPENDIUM Das Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz richtet sich an gründungsinteressierte Studierende, Absolventen oder Wissenschaftler und soll das Gründungsklima an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen verbessern. Wer alle Bedingungen erfüllt, bekommt hier ein Stipendium für zwölf Monate, um einen Businessplan zur eigenen technologieorientierten oder wissensbasierten Geschäftsidee zu entwickeln. Mehr Infos: www.exist.de
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Selbstständigkeit
Die 5 Schritte der Unternehmensgründung
Geschäftsidee entwickeln
Beratung und Vorbereitung
Businessplan erstellen
Finanzierung planen
Gewerbe anmelden
Wenn du noch keine Idee hast, frage dich: Was kann ich gut? In welchem Bereich kenne ich mich gut aus? Falls du bereits eine Idee hast, prüfe, ob die Idee erfolgversprechend ist und welche Expertise du dafür brauchst. Und vor allem: Checke, ob ein Konkurrent bereits die gleiche Idee umgesetzt hat.
Mit der Idee im Gepäck solltest du dich informieren, wie der Arbeitsalltag in der Selbstständigkeit aussieht. Nicht für jeden sind die Verantwortung und der Druck ideal. Auch kann es helfen, Seminare zu besuchen oder Bücher zu lesen, die dich auf die Selbstständigkeit vorbereiten.
Überlege dir, wie du deine Idee am besten umsetzen kannst und entwickle ein Konzept, das du im sogenannten Businessplan festhältst. Darin enthalten sind u.a. eine Marktanalyse, deine Zielgruppe, Marketingstrategien und ein Finanzierungsplan. Auch deinen Markennamen kannst du bereits festlegen.
Im Finanzplan hast du bereits festgelegt, wie viel Kapital du benötigst. Suche dir jetzt gezielt Förderprogramme, Sponsoren oder Wettbewerbe, mit denen du deine Idee finanzieren kannst. Falls du bereits volljährig bist, kommt auch ein Kredit in Frage.
Bevor du beim Gewerbeamt deine Selbstständigkeit offiziell anmeldest, legst du die Rechtsform deines Unternehmens fest. Anschließend kannst du bei den Behörden dein Unternehmen anmelden. Dazu gehören zum Beispiel das Finanzamt sowie die Industrie- und Handelskammer.
Bist du für die Selbstständigkeit geeignet?
Damit die Selbstständigkeit gelingt, ist es wichtig, dass du an dich selbst und deine Idee glaubst. Gerade, wenn du deine Idee potenziellen Unterstützern präsentierst, musst du entschlossen sein, um zu überzeugen.
Am Anfang der Selbstständigkeit braucht es Durchhaltevermögen und Geduld. Auch bei Misserfolgen ist es wichtig, weiter an seine Idee zu glauben und diese zu verfolgen.
AUSDAUERND
SELBSTBEWUSST ORGANISIERT
In der Selbstständigkeit erwarten dich unglaublich viele Aufgaben, gerade zu Beginn geht die Arbeitszeit oft über eine 40-StundenSTRESSRESISTENT Woche hinaus. Deshalb ist es wichtig, dass du in diesen Situationen einen kühlen Kopf bewahrst und mit der Aufgabenflut umgehen kannst.
FLEXIBEL & KREATIV
Da du keine Vorgaben von anderen bekommst, musst du dir deine Aufgaben selbst sinnvoll einteilen und priorisieren. Es hilft, sich schon früh ein gutes Zeitmanagement anzueignen, damit man nicht im Chaos und Stress versinkt.
Als Selbstständiger erwarten dich viele unvorhersehbare Hindernisse, die du bewältigen musst. Falls du zudem am Anfang alleine bist, musst du viele verschiedene Aufgaben übernehmen. Flexibilität und Kreativität helfen dir dabei, um die Ecke zu denken und Lösungen zu finden.
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Rätsel
Nur Mut 1x Boss Baby Fanpaket Wie viele Boss-Babys verträgt eine Familie? Finde es heraus, denn zum Heimkinostart von Boss Baby – Schluss mit Kindergarten (auf 4K Ultra HD, Blu-ray, Blu-ray 3D, DVD & Digital erhältlich) verlosen wir ein Paket mit einem signierten Poster, der 3D Blu-ray des neuen Films, Boss Baby 1 auf BD, sowie einer Wasserflasche, Lunchtasche, einem Kissen & einem Blu-ray-Überraschungspaket. 3x vegane Notizbücher von Matabooks Matabooks ist der erste vegane Verlag, der Print-Produkte aus Graspapier produziert. Mit den Notizbüchern aus Graspapier sind deiner Kreativität keine Grenzen gesetzt und du hast den Duft einer Sommerwiese immer griffbereit dabei. Ob nun als umweltfreundliches Notizbuch, Tagebuch oder Skizzenbuch – dein Matabook passt. www.matabooks.de 5x das Buch „Neue Schule“ Neue Schule, erschienen im Claassen Verlag, vereint die erste Riege der jungen deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Die Erzählungen sind nah an der Wirklichkeit und den Problemen, die uns das Leben heute in der Jugend stellt. Dieses Buch, herausgegeben von Leander Steinkopf, ist die perfekte Einstiegsdroge für eine lebenslange Lesesucht. www.ullstein-buchverlage.de
Auf SPIESSER.de/gewinnen klicken oder per Post mit dem Stichwort „Rätsel“, Name, Alter und Adresse senden an: Orange YC GmbH SPIESSER-Redaktion Fetscherstraße 32 01307 Dresden Einsendeschluss: 03. April 2022
Mit unserem Kreuzworträtsel kommst du auf neue Gedanken und kannst mal vom (Schul-)Alltag abschalten. Mit etwas Glück und dem richtigen Lösungswort kannst du als Belohnung einen unserer Gewinne abstauben.
Nachhaltig & plastikfrei duschen Fast jedes Produkt, das uns beim Einkaufen begegnet, wird in Plastik verpackt. Viele dieser Verpackungen werden nur einmal verwendet und landen bei uns zu Hause direkt im Müll. Recycelt wird leider nur ein kleiner Teil davon. Am effektivsten und schnellsten lässt sich diese globale Plastikkrise durch die Verminderung des Plastikkonsums bekämpfen. Plastikmüll, der nicht entsteht, landet am Ende auch nicht im Müll – oder schlimmstenfalls in der Umwelt! Produkte wie feste Shampoos und Seifen helfen, unnötige Verpackungen zu vermeiden. Das Social Impact Start-up NICAMA aus Dresden hat es sich zum Ziel gesetzt, mit seinen festen Shampoos und Seifen der globalen Plastikkrise entgegenzutreten. Die Produkte verzichten auf unnötige Plastikverpackungen und finanzieren zudem mit jedem Verkauf die Bergung von 100 Gramm Plastikmüll in küstennahen Regionen.
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Tipps & Tricks
Tipps & Tricks rund um festes Shampoo
Was ist das? Im Gegensatz zum flüssigen Pendant befindet es sich in festem Zustand, daher schäumt es eure Haare erst bei der Nutzung in Verbindung mit Wasser ein. Durch den festen Zustand braucht das Shampoo keine Einweg-Plastikverpackung, wie es bei flüssigen Shampoos der Fall ist.
Festes Shampoo vs. Haarseife Ein festes Shampoo ist nicht zu verwechseln mit einer Haarseife. Festes Shampoo ist deutlich einfacher in der Anwendung und besser für die Haarwäsche und -pflege geeignet, da es den optimalen ph-Wert von 5,5 hat. Der deutlich höhere ph-Wert (oft zwischen 8-9) der Haarseife sorgt dafür, dass sich das Haar nach der Wäsche „strohig“ anfühlt, weswegen viele Nutzer noch eine spezielle Haarspülung verwenden, um den ph-Wert wieder auszugleichen.
Du bist neugierig geworden? Wir verlosen gemeinsam mit NICAMA drei vielseitige Produktsets „Plastikfrei Duschen – Set für Körper und Haar“! Im Set enthalten sind zwei feste Naturkosmetik-Shampoos, zwei Duschseifen, ein Sisal-Säckchen und eine Luffa-Scheibe. Nach dem Duschen kannst du deine Seife auf die Luffa-Scheibe oder in das Sisal-Säckchen legen, so wird sie schnell wieder trocken. Jetzt teilnehmen auf SPIESSER.de/gewinnen/nicama
Anwendung Mit dem festen Shampoo direkt über die nassen Haare streichen oder zwischen den nassen Händen reiben, bis Schaum entsteht. Den Schaum einmassieren, einwirken lassen und gründlich mit Wasser ausspülen. Das feste Shampoo sollte nach der Verwendung trocken gelagert werden, damit du lange etwas davon hast.
Die Vorteile Festes Shampoo ist in den meisten Fällen ergiebiger und platzsparender, da es bis zu zwei herkömmliche Shampoo-Flaschen ersetzt. Dadurch eignet es sich auch wunderbar zum Reisen.
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Blattkritik/Ausstieg
Frisch gewagt …
SPIESSER erscheint bundesweit mit einer Druckauflage von 200.000 Exemplaren (IVW IV/2021). Herausgeber
… ist halb gewonnen. Doch bevor ihr jetzt euer eigenes Start-up gründet, werft doch noch einen Blick auf das Feedback zum letzten SPIESSER.
Cover mit Johannes Mickenbecker
Orange YC GmbH Fetscherstraße 32 01307 Dresden Geschäftsführer: Björn Peters (V.i.S.d.P.) Telefon: 0351 288549-000 Fax: 0351 288549-549 Web: SPIESSER.de Mail: info@SPIESSER.de Redaktionsleitung: Tabea Grünert Layout: Paula Kuchta
Sehr sympathisch und lädt zum Lesen ein!
Lektorat: Ute Nitzsche Redaktion: Caroline Böhme, Frieda Rahn, Katharina Ziegler Koordination: Susann Thannert Mitarbeiter dieser Ausgabe: Sophia Förtsch, Pierre Hofmann, Daniel Korenev, Anja Lukassek, Noelia Sanchez Barón Wir lieben alle SPIESSER, egal welchen Geschlechts. Damit aber trotzdem alles im SPIESSER und auf SPIESSER.de gut lesbar ist, verwenden wir weibliche und männliche Sprachformen als Paarformen oder das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen sind bei uns wie Farben – sie sind für alle da.
Video-Interview mit Johannes Mickenbecker
Fotos/Illustration: Tony Haupt, Noelia Sanchez Barón www.flaticon.com, www.freepik.com, www.unsplash.com
Es ist so schön, dass Johannes Philipps Botschaft weiterträgt. So bleibt Philipp echt lebendig!
Telefon: 0351 288549-000 Mail: redaktion@SPIESSER.de Mediaberatung: Anke Bai, Stephan Kraus
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Titelstory „Wie Jugend ihren Glauben
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Keine Haftung für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Fotos usw.; Nachdruck von Beiträgen, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Die Redaktion behält sich vor, zugesandte Beiträge zu kürzen.
lebt“
Cooler Einblick in das Leben von Menschen, das sehr anders ist als das eigene.
Unsere neue Kategorie SPIESSER-News
Sehr coole Idee.
Erfahrungsbericht über Mexiko
Der war sehr interessant – da möchte ich auch noch hin!
Ohne euch ist der SPIESSER nichts – Werdet Autoren, Fotografen oder Videojournalisten! Einfach auf SPIESSER.de/autor anmelden.
Titelfoto: Fynn Kliemann Bildnachweis: Tony Haupt
Der nächste SPIESSER erscheint am 25. April 2022.
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