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Ein wirklich außergewöhnliches Jahr

im Frühling 2020 wurden die Staatsgrenzen dicht gemacht. gewohnheiten wurden umgekrempelt und corona zum thema Nummer eins. Sorge und Unsicherheit standen auf der tagesordnung. ALOiS BUrgStALLer hat mit dem geschäftsführer des Verbands der oö. Obst- und gemüsebauern SteFAN hAmediNger über die Nachwirkungen gesprochen.

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Blick ins land: im Vorjahr hat es eine wohl einmalige situation für Gemüse-, Obst- und Weinbauern gegeben. Wir erinnern uns an Reisebeschränkungen, charterflüge, nachtzüge, geschlossene Geschäfte, Hotellerie und Gastronomie. davon ist heuer keine Rede? Stefan hamedinger: Es gibt wieder eine außergewöhnliche Situation, quasi das Gegenteil vom Vorjahr. In einem Satz zusammengefasst: Im Vorjahr gab es sehr früh gutes Wachstum und es waren viel zu wenig Leute für die Ernte verfügbar. Heuer haben wir die Leute frühzeitig bekommen, weil wir vorgesorgt hatten, aber die Ware steht in dem sonst üblichen Umfang nicht auf den Feldern. Im Vorjahr galt: zu wenig Leute und zu viel Ware, und heuer gilt wegen des Wetters bis dato: viel zu wenig Ware und daher oft zu wenig Arbeit. die pandemischen Begleitmaßnahmen haben dazu geführt, dass gewisse Berufsgruppen eine starke gesellschaftliche aufwertung erfahren haben. supermarkt-arbeiter haben Prämien wegen der Megaumsätze ihrer Unternehmen bekommen. Bauersein wurde als systemrelevante schlüsselqualifikation gerühmt. ist bei den Bauern auch eine art corona-Prämie angekommen? hamedinger: Eine Corona-Prämie ist insofern angekommen, als die Nachfrage im Obst- und Gemüsesektor das gesamte vergangene Jahr gut war. Es hat nie einen echten Durchhänger gegeben. Der Durchschnittserzeugerpreis lag bei fast allen Gemüse- und Obstarten über dem des langjährigen Durchschnitts. Insofern war das Jahr ein wirtschaftlich gutes, so gesehen gab es auch für uns eine Corona-Prämie. die Gewerkschaft hatte im Vorjahr schwächen und Mängel bei den Unterkünften der saisonarbeiter aufgezeigt. Hat man daraus gelernt? hamedinger: Tatsächlich laufen Verhandlungen zwischen Bundesobst- und -gemüsebauverband, Landarbeiterkammer (LAK), LKÖ und Gewerkschaft. Das neue Landarbeitsgesetz, das ab 1. Juli gilt, regelt über eine Arbeitsstättenverordnung hoffentlich in einem guten Kompromiss, wie die Unterkünfte auszusehen haben. Gewerkschaft und LAK haben schon angekündigt, dass sie heuer Oberösterreich besonders im Fokus haben werden. Die LAK hat bereits eine vielsprachige Infokampagne per Post an die Saisonniers verschickt.

Ministerin köstinger hat sich gegen Pläne ausgesprochen, GaP-Prämien obligat an sozialstandards für landarbeiter zu knüpfen. dieses Vorhaben würde, behaupten die Befürworter, unsere arbeitsintensive landwirtschaft vor sozialdumping der konkurrenz schützen. hamedinger: Die Ministerin hat sich dagegen verwehrt, über diese Verlinkung Förderungskürzungen durchsetzen zu wollen. Die weit über südspanischen oder süditalienischen Verhältnissen liegenden österreichischen Standards werden durch die Land- und Forstinspektion schon viele Jahre gleichsam „hochkontrolliert“. Es bedarf eher einer intensiven Suche, um trotzdem schwarze Schafe aufzuspüren. Es gibt in Österreich stark unterschiedliche Gegebenheiten, was die Unterbringung betrifft. In Ostösterreich wird regelmäßig grenzüberschreitend heimgefahren, im Westen wohnen die Arbeiter die ganze Saison hindurch am Hof.

zur pErSoN

Ing. Stefan Hamedinger ist Geschäftsführer des Verbands der Obst- und Gemüseproduzenten Oberösterreichs.

im Vorjahr wurde mit der Website „die lebensmittelhelfer“ versucht, arbeitskräfte zu requirieren. sehnsucht nach Wiederholung? hamedinger: Der Versuch war gut gemeint, aber selbst die Proponenten haben eingestehen müssen, dass der Erfolg sehr überschaubar war. Deswegen hat man heuer auch gar nicht daran gedacht, diese Plattform wiederzubeleben.

Man hört teilweise von großer Betriebstreue der Erntearbeiter. Manche kommen seit mehr als zehn Jahren zum selben Betrieb. das ist doch ein gutes Zeichen für die Qualität des arbeitsplatzes! hamedinger: Die Betriebe in OÖ, Tirol, NÖ und Stmk. rufen immer stärker nach Ukrainern und anderen Drittstaats-Saisonarbeitern. Jahrelang treue EU-Arbeiter gehen in Pension und Junge kommen von dort nicht nach. Manche Saisonarbeiter überlegen es sich kurzfristig anders und kommen dann doch nicht. Diese Probleme nehmen zu. Deutschland hat jüngst 5.000 Georgiern ein Visum zur Erntearbeit Satzspiegel - 2pt Rahmen gegeben. 80.000 Georgier hatten sich um diese Plätze beworben. Wenn von den 12.000 in Österreich bestehenden Arbeitsverträgen mit EU-Bürgern nur 10 Prozent nicht mehr ernten kommen, dann brauchen wir jährlich 1.200 Drittstaatssaisonniers zusätzlich, um diese zu ersetzen. Wer dafür nicht vorsorgt, geht an der Realität vorbei und schwächt unsere gesellschaftlich sehr erwünschte österreichische Erzeugung von Gemüse und Obst.

nach eineinhalb Jahren Pandemie: Was hat sich in dieser Zeit in der Vermarktung von Gemüse und Obst verändert? hamedinger: Sowohl die großen Verarbeiter als auch die Veredler wie der industrielle Tiefkühlgemüseerzeuger mit 3.600 ha Vertragsfläche im Marchfeld, der bereits 20 Prozent der österreichischen Gemüseproduktion verarbeitet, haben ein historisch hervorragendes Jahr erlebt, einfach weil die Verbraucher wochenlang gehamstert haben. Auch der Sauergemüseerzeuger Efko konnte sich eines Ansturms auf seine Produkte erfreuen. Essiggurkerl, Sauerkraut und Co. verkauften sich super. Es haben sowohl die großen Verarbeiter als auch die kleinen Direktvermarkter auf allen Linien profitiert. So ein Jahr hat es absatzmäßig noch nie gegeben. Der Regionalkonsum und der Bezug zum Urproduzenten, zum Bauern, profitierte davon, dass sich die Konsumenten mit Lebensmitteleinkauf und -zubereitung die Zeit vertrieben. Sie hatten auch Zeit, um sich die Waren direkt beim Hofladen oder Marktstandl abzuholen, weil ja viele Leute mehr oder weniger freiwillig daheim waren. Das hat dem Direktabsatz einen Turbo verpasst. Schlechter wurde die Lage für jene Betriebe, die zuvor höhere Umsatzanteile an die Gastronomie und den Tourismus verkauft hatten. Die haben Verluste über ein, zwei Monate hinnehmen müssen, haben aber ihre Ware schlussendlich doch verkaufen können, weil der Gesamtmarkt diese Ware aufgenommen hat. Großverarbeiter sprangen gleichsam statt der Gastronomie als Abnehmer ein.

Was von all diesen Veränderungen kann Bestand haben, und was wird nicht wieder kommen? hamedinger: Die Verlagerung des Absatzes von der Gastronomie zu den Supermarktketten wird sich wieder zurückentwickeln. So ein Gemüse- und Obstabsatz wird in die Geschichte als Einzelereignis eingehen. Sogar die überdurchschnittlich hohe Ernte konnte dem Preis nichts anhaben.

Wie erklärt man sich diese plötzliche Verbesserung der nachfragestruktur? hamedinger: Das Erstaunliche war, dass selbst wenn die Millionen Touristen ausbleiben, der Markt nicht zusammenfällt, weil die Österreicher im Gegenzug daheimblieben und konsumierten. Die Vermutung liegt nahe, dass billige Importware durch Inlandsprodukte ersetzt worden ist. Diese Chance gilt es, langfristig über die nächsten Jahre zu nutzen. W

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Betrachtungen zur BoKu

die führende Bildungseinrichtung des heimischen Agrarsektors, die BOKU, feiert 2022 ihr 150-jähriges Jubiläum. mANFried WeLAN, Lehrender, rektor, Querdenker, Wissenschafter, Buchautor und Visionär, stellt dazu seine Betrachtungen an.

Über 100 Jahre war mit der 1872 gegründeten Hochschule für Bodenkultur ein agrarischer Duft verwoben. Hier kann man Land- und Forstwirtschaft studieren; das wussten viele. Kulturtechnik und Wasserwirtschaft war schon weniger bekannt, etwas mehr vielleicht die Gärungstechnik – Bierbrauerei. Heute ist die damalige Hochschule – seit 1975 Universität für Bodenkultur – als erste Instanz in allen Aspekten der Nachhaltigkeit und speziell für die Fachbereiche Biotechnologie, Umweltschutz und Landschaftsarchitektur bekannt. 20 Prozent der Studierenden widmen sich der Lebensmittel- und Biotechnologie, 21 Prozent dem Umwelt- und Ressourcenmanagement, 18 Prozent den Agrarwissenschaften, 12 Prozent der Landschaftsplanung und -architektur, ebenso viele den Umweltingenieurwissenschaften (vormals Kulturtechnik und Wasserwirtschaft) und 11 Prozent studieren Forst- und Holzwirtschaft. Diese rund 11.000 Studierenden, wovon die Hälfte Frauen sind, werden von rund 2.000 Wissenschaftlern betreut, bei denen der Frauenanteil immerhin auch über 40 Prozent beträgt. Das nichtwissenschaftliche Personal stieg in den letzten 50 Jahren von 160 auf 2.020 Personen. Von diesen hängt der Alltag einer Universität ab.

zur zeit ihres 100. geburtstags

1972 hatte die BOKU nur rund 1.000 Studierende, 30 Professoren und 300 Assistenten. Wie kaum eine andere Universität Österreichs hat sich die BOKU in den letzten 50 Jahren in Qualität und Quantität dynamisch entwickelt. Das drückt sich auch in der baulichen Entwicklung aus. Waren 1972 nur im Wesentlichen drei Gebäude auf der Türkenschanze BOKU, sind es jetzt dort allein zehn größere Gebäude; dazu kommen in der Muthgasse im 19. Bezirk drei große Komplexe und außerhalb Wiens in Tulln fünf ansehnliche Häuser, Außenstellen der BOKU sind die Versuchsanstalt in Groß-Enzersdorf (NÖ), das Versuchszentrum Jedlersdorf im 21. Bezirk, die Knödelhütte samt Forstlichem Versuchsgarten im 14. Bezirk und die Außenstellen für Soziale Ökologie in der Schottenfeldgasse und jene in der Silbergasse im 19. Bezirk. Dazu kommen noch der große Lehrforst am Heuberg in der burgenländischen Rosalia und die reizvolle Außenstelle Lunz am See mit dem BOKU WasserCluster in Niederösterreich. Als ich Rektor war, war die BOKU von der österreichischen Hochschulpolitik vernachlässigt. Sie war in zwei ehemaligen Spitälern und in einem ehemaligen Wirtshaus untergebracht. Erst langsam konnte sie sich durch ihre wissenschaftliche Dynamik und die Anziehungskraft auf Studierende zu der mittelgroßen, dezentralisierten Universität von heute entwickeln. Die BOKU wurde nach einer langen erfolgreichen Geschichte die „Universität des Lebens und der Nachhaltigkeit“. Von ihr werden wissende Absolventen und Expertisen des Wissens zu den Wechselwirkungen von Mensch und Umwelt, der Technik sowie der Gesellschaft – insbesondere der Wirtschaft erwartet.

manfried Welan

Dieses profil vermittelt der

BoKu eine einzigartige Position in der österreichischen Universitätslandschaft. Daher setzte sie sich eine Reihe von Zielen, die insgesamt eine Vision ausmachen: Sie ist eine der besten Nachhaltigkeitsuniversitäten Europas, Vorreiterin in der inter- und transdisziplinären Forschung und Lehre und sie nimmt eine führende Rolle im Austausch von Wissenschaft und Studierenden mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ein. Sie stellt sich ihrer Mission, die den Schutz und die Verbesserung der Lebensgrundlagen, das Management natürlicher Ressourcen, die Sicherung von Ernährung und Gesundheit und die nachhaltige gesellschaftliche und technische Transformation beinhaltet.

ausgehend von dieser Mission hat die BOKU sechs Kompetenz felder definiert: Ökosystemmanagement und Biodiversität;

hANS gmeiNer, Freier JOUrNALiSt, SALZBUrger NAchrichteN

Beamte auf dem traktorsitz

in Österreich sei die öffentliche diskussion über die Landwirtschaft „sehr von romantik getrieben“, meinte kürzlich die Landwirtschaftsministerin. da ist ihr nur beizupflichten. das freilich gilt auch für die diskussion innerhalb der Landwirtschaft, respektive für die agrarpolitische diskussion. Auch sie scheint, schaut man sich die Forderungen rund um die eU-Agrarreform und das ÖpUL an, durchaus von romantik getrieben zu sein. im eifer helfen zu wollen, im Streben um Stimmen und freilich oft genug auch, um die eigene existenz zu sichern, übersieht man, wie sehr die dinge in der Landwirtschaft und in der Agrarpolitik längst aus dem Lot geraten sind. Schaut man genau hin, wird schnell klar, dass die Agrarpolitik über die Jahre ein Konstrukt geworden ist, das mit der realität immer weniger zu tun hat. Vor allem kann sie all den Bemühungen zum trotz vielen Bauern kaum mehr perspektiven bieten. im Schnitt machen die Förderungen bereits 70 prozent des einkommens aus. Schlimm genug. Noch besorgniserregender ist, dass bei 60 prozent der Bauern die Förderungen höher sind als das einkommen, das ihnen bleibt, wie die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft errechnete. der Nettoumsatz dieser Bauern liegt unter 40.000 euro, das einkommen, das sie erzielen, beträgt trotz Ausgleichszahlungen und Förderungen in der höhe von 13.600 euro nur magere 7.740 euro. im Klartext: Sechs von zehn österreichischen Bauern rackern das ganze Jahr über, um von 13.600 euro, die ihnen AmA und eU aufs Konto überweisen, 7.750 euro als einkommen zu retten. Freilich kann man sagen, dafür wird ein Beitrag zur Sicherung der Lebensmittelversorgung und Landschaftserhaltung geleistet und werden auch Arbeitsplätze in der vor- und nachgelagerten Wirtschaft gesichert. man kann das aber auch geldvernichtung nennen, Vernichtung von Steuergeldern gar. darüber freilich mag niemand reden. Schon gar nicht in der Landwirtschaft. Auch nicht darüber, dass vor dem hintergrund der obigen Zahlen sechs von zehn Bauern nichts anderes sind als Beamte auf dem traktorsitz, die völlig am tropf des Staates hängen und ihm mit haut und haar ausgeliefert sind. das soll freilich keine häme sein, sondern aufrütteln. es braucht ganz andere Antworten als die, die derzeit die diskussion bestimmen. So verständlich die Forderung nach höheren Förderungen für kleine Betriebe ist, eine tragfähige Lösung für die Zukunft kann das nicht sein, treibt sie die Bauern nur noch mehr in die Abhängigkeit von öffentlichen geldern. Nur Zyniker sagen, bei der müllabfuhr oder bei Lehrern sei das nicht anders. Bauern verstehen sich anders. darum braucht es andere Ansätze, zumal das gros dieser Betriebe am öffentlichen tropf auch im Nebenerwerb bewirtschaftet wird und die preise sich nicht über Nacht verdoppeln werden. Neue Ansätze braucht es auch bei der Förderung, die nach Ansicht von experten zu sehr auf klassische produktionsformen abzielt und sich kreativen Lösungen verweigert. es ist hoch an der Zeit, sich Fragen wie diesen zu widmen. Viel zu lange schon wurde das verabsäumt. Auch weil sich die Agrarpolitik in den vergangenen Jahren allein auf das Aufstellen von geldmitteln für die Bauern reduzierte. Landwirtschaftliche Produktion und Lebensmittel; Nachwachsende Rohstoffe und neue Technologien; Biotechnologie; Landschaft, Wasser, Lebensraum und Infrastrukturen sowie Ressourcen und gesellschaftliche Dynamik. Jedes dieser Kompetenzfelder wird durch mehrere Departements interdisziplinär bearbeitet; jedes eröffnet forschungsgeleitete Lehre, passend zu den drei Säulen der BOKU: Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, inklusive Rechtswissenschaft. Die Studierenden waren immer der Mittelpunkt der BOKU; die forschungsgeleitete Lehre orientiert sich an ihren Bedürfnissen. Landschaftsgestaltung und -ökologie, ökologischer Landbau, Weinwirtschaft, Angewandte Genetik und Zellbiologie, Biotechnologie und Nanobiotechnologie kennzeichnen die BOKU in ihrer modernen Entwicklung. Das gilt auch für die 8 Bachelor- und 29 Masterstudien, von denen hier nur die Bachelorstudien genannt werden sollen: Umwelt- und Bioressourcenmanagement, Lebensmittel- und Biotechnologie, Holz- und Naturfasertechnologie, Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur, Umweltingenieurwissenschaften (vormals Kulturtechnik und Wasserwirtschaft), Agrarwissenschaften und Forstwirtschaft; das Bachelorstudium Pferdewissenschaften wird in Kooperation mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien durchgeführt.

Die 29 Masterstudien entsprechen der Verzweigung, Ver-

tiefung und Erweiterung der früheren BOKU-Bereiche. Entsprechend der Internationalisierung von Forschung und Lehre werden bezeichnenderweise die zehn Doktoratsstudien und PhD-Programme in Englisch präsentiert. Bei der Betrachtung von außen fällt einem vor allem die Erhöhung der Studierendenzahlen von rund 1.000 (1972) auf rund 11.000 auf. Ähnlich hat sich die Zahl der Professorinnen und Professoren von rund 25 (1972) auf knapp 230 vermehrt. Aber über diese zahlenmäßigen und räumlichen Veränderungen, die schon etwas Einmaliges darstellen, sind meines Erachtens vor allem die Internationalisierung in Forschung und Lehre hervorzuheben, die früher unvorstellbare Anzahl von Frauen im Studium und in der Wissenschaft sowie die Ökologisierung, die überall eingetreten ist. Schon 1993 hat sich die BOKU ein besonderes Leitbild gegeben. Es sollte die Identifikation und Motivation aller Universitätsangehörigen ohne Fremdbestimmung erfüllen. Es geht vor allem auch um die Selbststeuerung der Beteiligten und Betroffenen, die insbesondere bei dem Wachstum, bei der Verzweigung und Spezialisierung, ja Individualisierung eine ethische Notwendigkeit ist.

leopold Kohr, mit dem ich den Ausbau der BOKU besprach, sagte mir: „Lassen sie die BOKU nicht zu sehr wachsen!“ Ich antwortete: „Ja, ich weiß, small is beautiful. Aber wir brauchen für unsere vielen Probleme mehr Geld, Personal und Raum.“ Er lächelte und sagte: „Ja, small is a mühevoll, aber gerade deshalb schön.“ Er ermunterte mich, an der BOKU ein „Akademisches Wirtshaus“ einzurichten – mit ständigen Diskussionen. Ich habe es versucht, auch durch die „BOKU-Medienakademie“, die „BOKU-Gespräche“ und die „Wissenschafts Stammtische“. Mein Nachfolger, Leopold März, legte Wert auf Humanities, Kulturwissenschaften in allen Studienrichtungen und Zusammenarbeit von Künstlern und Kulturwissenschaftern in allen Bereichen der BOKU. Jetzt, vor dem 150. Geburtstag der BOKU, wäre zu diskutieren, wer und was an ihr zu kurz kommt. Vor allem auch das Thema Gemeinschaftsgefühl, das für die BOKU so eine Tradition ist, sowie die Verbindung von Forschung und Lehre, Lehrenden und Studierenden, Theorie und Praxis. Diesem Gemeinschaftsgefühl war der Aufstieg der BOKU in den letzten 50 Jahren zu verdanken. W

prof. dr. manfried Welan, ehemaliger rektor der BOKU Wien.

Anmerkung: die BOKU ist seit Jahrzehnten auch mit BLicK iNS LANd verbunden, war sogar herausgeberin des mediums. heute ist sie Quelle für Berichte und reportagen aus dem Forschungsuniversum, die wir so einer breiten Öffentlichkeit vorstellen können.

Biobetriebe bangen um ihre Existenz

„damit die eU-Bio-Verordnung eine positive entwicklung der Bio-Landwirtschaft in europa erzielen sein kann, muss sie praxisgerecht angewandt werden“, sagte BiO AUStriA Obfrau gertraud grabmann anlässlich der online abgehaltenen Fachtagung zu tierhaltung und Weidemanagement im Bio-Landbau.

Es sei wesentlich, dass bei der Auslegung von gesetzlichen Vorgaben durch die EU-Bio-Verordnung die unterschiedlichen Gegebenheiten von Mitgliedsstaaten und auch innerhalb eines Landes berücksichtigt werden. Ansonsten drohe ein Rückschritt für Tier und Mensch sowie ein massiver Eingriff in die bäuerlichen Strukturen, befürchtet Grabmann.

Die Fachtagung habe gezeigt,

dass Biobauern in Österreich, die sich seit Jahrzehnten mit ganzem Herzen der Bio-Landwirtschaft verschrieben haben, durch die neuen Vorgaben teilweise mit größten Herausforderungen konfrontiert sind. Eine Online-Befragung im Rahmen der Veranstaltung hat ergeben, dass 12 Prozent der anwesenden Landwirte sich derzeit nicht im Stande sehen, die Vorgaben zu erfüllen und daher damit rechnen, aus der Bio-Landwirtschaft aussteigen zu müssen. „Das ist ein Alarmsignal, das in Politik und Verwaltung gehört werden muss. Eine solche drohende Entwicklung gilt es zu verhindern“, betont Grabmann. Die biologische Landwirtschaft biete für viele Betriebe aufgrund der höheren Wertschöpfung die einzig mögliche landwirtschaftliche Perspektive. „Es darf nicht sein, dass gesetzliche Vorgaben durch fehlende Spielräume zu unüberwindlichen bürokratischen Hürden werden, und bäuerliche Familienbetriebe dadurch letztlich um ihre Existenzen gebracht werden. Daher braucht es praxistaugliche Lösungen, die es den Höfen ermöglichen, unter den lokalen Bedingungen bestmöglich zu wirtschaften“, so Grabmann. W

aMa legt Masterplan für Schweinefleisch vor

das zweite AmA-Fleischsymposium widmete sich der Kritik am Fleisch und an der Fleischproduktion. experten diskutierten adäquate Antworten und handlungsstrategien. die AmA stellte dabei ihren masterplan für die Weiterentwicklung der Schweinehaltung vor.

Michael Blass, Geschäftsführer der AMA-Marketing, definierte zu Beginn die Aufgabe des AMA-Fleischsymposiums und die Rolle der AMA: „Wir hören genau zu, welche Bedürfnisse die Fleischbranche hat. Gleichzeitig hören wir auf die Bedürfnisse der Gesellschaft und spiegeln diese – einem Resonanzkörper gleich – zurück an die Branche. Martin Greßl, Leiter des AMAQualitätsmanagements, stellte den mittel- und langfristigen Masterplan zur Weiterentwicklung des AMA-Gütesiegels bei Schweinefleisch vor. Derzeit werden jährlich rund zwei Millionen Schweine im AMA-Gütesiegelprogramm gehalten, 100.000 Schweine unter „mehr Tierwohl“ und zusätzlich ca. 100.000 Schweine biologisch. Ziel der AMA ist es, diese besonderen Produktionssparten auszubauen und bis 2030 eine Million „Schweine ohne Vollspalten“ abzudecken. „Dafür brauchen wir alle Vertriebsformen. Nur mit dem Lebensmittelhandel können wir dieses Ziel nicht erreichen. Eine wesentliche Rolle wird auch die öffentliche Beschaffung spielen“, appelliert Greßl.

Neben dem Ausbau der freiwil-

ligen Module will die AMA auch die Basisanforderungen schrittweise anheben. Ab nächstem Jahr sollen Stall-Neubauten mehr Platz und eine planbefestigte Liegefläche bieten. Für bestehende Stallungen ist eine stufenweise Anhebung des Platzangebots vorgesehen, beginnend mit 2022 um zehn Prozent. Die GVO-freie Fütterung soll als Gesamtpaket mit den besonderen Haltungsformen eingeführt werden, also mehr Tierwohl und europäisches Soja. „Die Mehrkosten der Umstellung müssen nachhaltig am Markt erlösbar sein. Daher sehen wir die Chancen vor allem in Segmenten, die auf langfristige Lieferverträge und Partnerschaften setzen, wie bei den Modulen oder Marken- und Regionalprogrammen“, so Greßl.

Der AMA-Masterplan für die Wei-

terentwicklung liegt nun als Diskussionspapier auf dem Tisch. „Wir werden das Paket in den nächsten Wochen intensiv besprechen und ich ersuche alle, sich aktiv beim Feintuning der Maßnahmen einzubringen. Der Markt verlangt Differenzierung und Wertigkeit. Mit dieser Weiterentwicklung können wir wertgebende Themen für die gemeinsame Kommunikation schaffen und die Kritik am Fleisch reduzieren“, fasst Greßl die Strategie der AMA und das Symposium zusammen. INFORMATION: www.amainfo.at

gemeinsames dach für die herkunft

Vor 18 Jahren wurde mit dem dAc-Konzept eine klare herkunftskennzeichnung beim österreichischen Wein eingeführt. Nun versucht man in Niederösterreich, eine dabei entstandene Lücke zu schließen.

Die Definition ist sehr eindeutig: Jedes Weinbaugebiet legt für sich fest, welche Weine für die Region besonders typisch sind und wie diese dann auszubauen sind, um das begehrte DAC-Kürzel tragen zu dürfen. „Districtus Austriae Controllatus“ (kontrollierte österreichische Herkunft), so lautet der meist nur als Buchstabenfolge bekannte Code in ganzen Worten.

Begonnen hat die umsetzung

2003 mit dem Grünen Veltliner im Weinviertel. Viele andere Gebiete, Rebsorten und Weinstile folgten. Der Erfolg der Idee ist unbestritten, hat aber auch seine Schattenseiten: Da die Konzeptionierung weitestgehend in den Händen der regionalen Weinkomitees gelegen ist, ist ein Flickenteppich aus unterschiedlichsten Regelungen entstanden. Was genau wo gilt, müssen selbst Experten im Regelwerk nachschlagen. Und all jene Sorten, die nicht expliziert angeführt sind, dürfen nicht unter der Bezeichnung des Weinbaugebiets (wie zum Beispiel Weinviertel), sondern nur noch unter „Niederösterreich“ verkauft werden. Das ist aber eigentlich der Löwenanteil der Weine, rechnet Konrad Hackl vor: „Bei uns werden jährlich 150 Millionen Liter Wein produziert und 120 Millionen davon zur staatlichen Prüfnummer eingereicht. 22 Millionen Liter sind DAC. Bei grob 100 Millionen steht also Niederösterreich am Etikett.“

hackl soll daher gemeinsam mit ulrike hager als Geschäftsführer der Dachmarke „Wein Niederösterreich“ den Wert des Bundesländernamens heben. „Jede Region hat ihre eigenen Strategien entwickelt“, meint der neu gewählte NÖ Weinbaupräsident Reinhard Zöchmann. „Nun bündeln wir die Kräfte, um ein gemeinsames Dach für das ganze Bundesland zu schaffen und dem Konsumenten ein einheitliches Bild zu vermitteln.“ Das Konzept soll dabei weit über den eigentlichen Weinbau hinaus strahlen, so Hager. „Wir wollen auch die Kunst und Kultur, die Kulinarik und den Tourismus einbinden und reihen diese wie Perlen zu einer Wertschöpfungskette aneinander.“ W

www.weinniederoesterreich.at

NÖ. AgrArLANdeSrAt StephAN perNKOpF

Ländlicher raum muss gewinner bleiben

ein corona-ende und die rückkehr zur Normalität nahen endlich wieder. das Land und die Landschaft blühen wieder auf. Schnell ist vergessen, was voriges Jahr war: geschlossene grenzen und hamsterkäufe. Wer aber immer da war, sind die Bäuerinnen und Bauern. Sie sorgen für das tägliche Brot. Und sie investieren in die regionale Wirtschaft. Vor allem während der corona-Krise haben die Konsumentinnen und Konsumenten vermehrt zu heimischen Lebensmitteln gegriffen. Und das ist gut so. Wer regional kauft, stärkt die Betriebe in der heimat. Aber regionalität endet nicht bei den Lebensmitteln – sie ist auch in anderen Bereich von großer Bedeutung. das wissen auch und vor allem die Bäuerinnen und Bauern. Sie selbst profitierten vom trend zum regionalen einkauf, geben aber auch selbst wieder regional zurück: die Bäuerinnen und Bauern investieren pro Jahr rund 700 millionen euro, ein guter teil davon betrifft natürlich bauliche tätigkeiten. dabei setzen sie auf die bewährte partnerschaft mit den Wirtschaftstreibenden aus der region, mit handwerkern und gewerbe. Ableiten lässt sich diese starke entwicklung auch von den Anträgen im rahmen der investitionsförderung. Bereits im Jahr 2020 wurden rund 50 prozent mehr Anträge zur investitionsförderung gestellt als im langjährigen durchschnitt. dieser trend hat sich nochmal verstärkt. So wurden seit Jänner 2021 bereits mehr als 2.000 Förderanträge eingereicht. das ist mehr als das doppelte, verglichen mit dem gleichen Zeitraum der Vorjahre. Bei der Umsetzung der investitionsvorhaben setzen die Landwirte auf die Kompetenz, expertise und hohe Qualität der regionalen gewerbebetriebe. das trägt dazu bei, dass die produktion und letztendlich die Versorgung in Niederösterreich langfristig und nachhaltig abgesichert werden können. die Landwirtschaft kurbelt also auch in Krisenzeiten den Wirtschaftsmotor an. Unsere heimischen Bäuerinnen und Bauern arbeiten intensiv mit den Unternehmen und dienstleistern in den regionen zusammen. denn wenn es um die Versorgung vor Ort geht, spielen ebenso heimische rohstoffe und vor allem auch regionale dienstleistungen eine wichtige rolle. Und mehr regionalität wirkt sich positiv auf die gesamte Wertschöpfungskette aus. dabei gehen Landwirtschaft und Wirtschaft hand in hand. Und eines ist klar: Wer Betriebe vor Ort will, der muss ihnen auch Aufträge geben und produkte bei ihnen einkaufen. Zusätzlich gilt: corona ist ein gamechanger für den Ländlichen raum, viele Nachteile sind jetzt zu Vorteilen geworden: Aus dem Klischee „viel Landschaft und wenig Arbeitsplätze“ wurde „der perfekte Arbeitsplatz zuhause im grünen“. hat man bisher die Anonymität in der Stadt als Vorteil erachtet, so schätzt man jetzt die Nachbarschaftshilfe am Land. Wir sehen das ganz konkret an einer immens verstärkten Nachfrage nach Wohnmöglichkeiten am Land und an einer verstärkten Nachfrage nach regionalen produkten. Und wir sehen, wie gut homeoffice dort funktioniert, wo man platz und raum hat, und wo vor allem dort, wo schnelles internet und guter handyempfang zuhause sind. Seit einem Jahr sehen wir eine wahre renaissance des Ländlichen raums. All das müssen wir nun auch nützen, die chancen stehen gut. der Ländliche raum wurde zum gewinner, und das muss auch so bleiben.

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