i m g e sp rä c h
Ein wirklich außergewöhnliches Jahr Blick ins land: Im Vorjahr hat es eine wohl einmalige Situation für Gemüse-, Obst- und Weinbauern gegeben. Wir erinnern uns an Reisebeschränkungen, Charterflüge, Nachtzüge, geschlossene Geschäfte, Hotellerie und Gas tronomie. Davon ist heuer keine Rede? Stefan Hamedinger: Es gibt wieder eine außergewöhnliche Situation, quasi das Gegenteil vom Vorjahr. In einem Satz zusammengefasst: Im Vorjahr gab es sehr früh gutes Wachstum und es waren viel zu wenig Leute für die Ernte verfügbar. Heuer haben wir die Leute frühzeitig bekommen, weil wir vorgesorgt hatten, aber die Ware steht in dem sonst üblichen Umfang nicht auf den Feldern. Im Vorjahr galt: zu wenig Leute und zu viel Ware, und heuer gilt wegen des Wetters bis dato: viel zu wenig Ware und daher oft zu wenig Arbeit. 4
Die pandemischen Begleitmaßnahmen haben dazu geführt, dass gewisse Berufsgruppen eine starke gesellschaftliche Aufwertung erfahren haben. Supermarkt-Arbeiter haben Prämien wegen der Megaumsätze ihrer Unternehmen bekommen. Bauersein wurde als systemrelevante Schlüsselqualifikation gerühmt. Ist bei den Bauern auch eine Art Corona-Prämie angekommen? Hamedinger: Eine Corona-Prämie ist insofern angekommen, als die Nachfrage im Obst- und Gemüsesektor das gesamte vergangene Jahr gut war. Es hat nie einen echten Durchhänger gegeben. Der Durchschnittserzeugerpreis lag bei fast allen Gemüse- und Obstarten über dem des langjährigen Durchschnitts. Insofern war das Jahr ein wirtschaftlich gutes, so gesehen gab es auch für uns eine Corona-Prämie.
Die Gewerkschaft hatte im Vorjahr Schwächen und Mängel bei den Unterkünften der Saisonarbeiter aufgezeigt. Hat man da raus gelernt? Hamedinger: Tatsächlich laufen Verhandlungen zwischen Bundesobst- und -gemüsebauverband, Landarbeiterkammer (LAK), LKÖ und Gewerkschaft. Das neue Landarbeitsgesetz, das ab 1. Juli gilt, regelt über eine Arbeitsstättenverordnung hoffentlich in einem guten Kompromiss, wie die Unterkünfte auszusehen haben. Gewerkschaft und LAK haben schon angekündigt, dass sie heuer Oberösterreich besonders im Fokus haben werden. Die LAK hat bereits eine vielsprachige Infokampagne per Post an die Saisonniers verschickt.
Landarbeiter zu knüpfen. Dieses Vorhaben würde, behaupten die Befürworter, unsere arbeitsintensive Landwirtschaft vor Sozialdumping der Konkurrenz schützen. Hamedinger: Die Ministerin hat sich dagegen verwehrt, über diese Verlinkung Förderungskürzungen durchsetzen zu wollen. Die weit über südspanischen oder süditalienischen Verhältnissen liegenden österreichischen Standards werden durch die Land- und Forstinspektion schon viele Jahre gleichsam „hochkontrolliert“. Es bedarf eher einer intensiven Suche, um trotzdem schwarze Schafe aufzuspüren. Es gibt in Österreich stark unterschiedliche Gegebenheiten, was die Unterbringung betrifft. In Ostösterreich wird regelmäßig grenzüberschreitend heimgefahMinisterin Köstinger hat sich gegen ren, im Westen wohnen die ArPläne ausgesprochen, GAP-Prämi- beiter die ganze Saison hindurch en obligat an Sozialstandards für am Hof. Bl ick i ns L a n d 6–7 / 2 021
Foto: © Volker Weihbold
Im Frühling 2020 wurden die Staatsgrenzen dicht gemacht. Gewohnheiten wurden umgekrempelt und Corona zum Thema Nummer eins. Sorge und Unsicherheit standen auf der Tagesordnung. ALOIS BURGSTALLER hat mit dem Geschäftsführer des Verbands der oö. Obst- und Gemüsebauern Stefan Hamedinger über die Nachwirkungen gesprochen.