DIE ERNÄHRUNG VOLUME 41 | 01. 2017

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DIE ERNÄHRUNG Österreichische Zeitschrift für Wissenschaft, Recht, Technik und Wirtschaft

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Vielfalt zählt © Fotolia – Ztudio_neosiam

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Leidenschaft und Unternehmertum

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Top -­ Thema: Bio ­ diversität

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ABSTRACTED IN CHEMICAL ABSTRACTS ABSTRACTED IN SCOPUS


2 kurzmeldungen news

Spitz startet Lehrlings­ programm LEHRBERUFSUCHENDE können bei Spitz eine Ausbildung im Bereich Le­ bensmittel-, Metallbau- sowie Elek­ trotechnik oder zur/zum Industrie­ kauffrau/-mann und IT-TechnikerIn absolvieren. Dabei hat Spitz eine lange Tradition: Bereits seit 1961 stellt das Fa­ milienunternehmen konstant Auszubil­ dende ein. Bei der Suche wird verstärkt auf Kooperationen mit Schulen, Fach­ hochschulen und Universitäten gesetzt. Ein wichtiges Ziel des Lehrlingspro­ gramms ist es, neben einer praxisorien­ tierten und erfolgreichen Ausbildung künftige Führungskräfte heranzubil­ den. 2015 wurde Spitz als vorbildlicher Lehrbetrieb mit dem INEO Award aus­ gezeichnet. „Unsere jahrzehntelang ge­ sammelte Erfahrung in der Lebensmit­ telindustrie sowie die Qualifikation von Fachkräften ermöglicht uns, Lehrlingen höchste Qualität in der Berufslehre zu garantieren“, erklärt Geschäftsführer Josef Mayer das Programm. Spitz bie­

Brau Union im Finale  BEIM EUROPEAN BUSINESS­AWARD  werden Erfolg, Wachstum und Innovati­ onsführerschaft ausgezeichnet. Die Brau Union ist einer der 110 Finalisten in den insgesamt 11 Kategorien. Generaldirek­ tor Markus Liebl: „Wir sind stolz, dass wir Österreich als National Champion vertreten dürfen und jetzt sogar unter den 10 besten europäischen Unterneh­ men unserer Kategorie sind!“ Die Sie­ gerehrung wird am 4. Mai in Dubrovnik stattfinden. tet nach Abschluss der Lehre abwechs­ lungsreiche Aufstiegsmöglichkeiten sowie Spezialisierungen in unterschiedli­ chen Unternehmensbereichen an.

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3 inhalt content

INHALT —

Liebe Leserin, lieber Leser, —

04

WIRTSCHAFT economy 04 Leidenschaft und Unternehmertum 07 Greening 10 EU-Kreislauf­wirtschaftspaket

14

TECHNIK technology 14 Mineralöl-­Rückstände in ­Lebensmitteln 16 Zukunft Smart Food F ­ actory?

20

WISSENSCHAFT science 20 Genbanken 26 Früher war alles … vielfältiger! 29 Hot Spots in der Ernährung 32 Vielfalt zählt

34

RECHT law 34 Die Kennzeichnung von Fleischersatzprodukten 38 Von sauberen Etiketten: Das Urteil des Hanseatischen OLG zu „Clean Labelling“ 40 120 Jahre amtliche Lebensmittelunter­suchung in Österreich 45 Die religiösen Reinheits- und Speisevorschriften in der jüdischen, islamischen und christlichen Gemeinschaft 54 Kosten einer Rückrufaktion 31 Impressum

TOP-THEMA

Biodiversität liegt im Trend. Doch was meint der Begriff eigentlich? Beate Koller, Geschäftsführerin der Arche Noah, bringt es im Interview auf den Punkt: Er umfasst „die gan­ ze Vielfalt des Lebens“. Da Lebens­ mittel in erster Linie „Mittel zum Leben“ sind, haben wir uns auf den folgenden Seiten mit dem Thema Biodiversität auseinandergesetzt. Die sichere Versorgung der Konsu­ mentinnen und Konsumenten steht für die Lebensmittelhersteller an erster Stelle. Über die Jahrzehnte haben sich daher bestimmte Pflan­ zen- und Tierarten als geeignet er­ wiesen und sich für die Herstellung von Lebensmitteln durchgesetzt. Dass nun auch ältere oder seltene Sorten in manchen Nischen einen Platz erobern, macht die Regale bunter. Wie ein heimisches Famili­ enunternehmen mit diesen Heraus­ forderungen umgeht, erfahren Sie im Gespräch mit Erwin Kotányi. Er hat das Sortiment erfolgreich wei­ terentwickelt – zu einem vielfältigen Potpourri an Gewürzen, Kräutern und Gewürzmischungen. Der thematische Bogen dieser Aus­ gabe spannt sich vom Greening in der gemeinsamen EU-Agrarpolitik über Genbanken für Arten- und Sortenvielfalt bis hin zur Kreislauf­ wirtschaft. Fest steht: Der politische Wille zu Nachhaltigkeit und Res­ sourcenschonung ist vorhanden, vieles davon ist auch bereits gelebte Praxis in der Branche. Wie sich die politischen Ideen im In­ teresse der Lebensmittelin­ dustrie im Detail umsetzen lassen, steht allerdings noch auf einem anderen Blatt.

Bio ­ diver sität

Katharina Koßdorff

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LEIDENSCHAFT & UNTERNEHMERTUM Interview DIE ERNÄHRUNG SPRACH MIT MAG. ERWIN KOTÁNYI, GESCHÄFTSFÜHRER DES GLEICHNAMIGEN FAMILIENUNTERNEHMENS, ÜBER ERFOLGSFAKTOREN, EXPORT, INNOVATION ALS „LEBENSELIXIER“ UND DIE VIER WERTE, DIE DAS ­UNTERNEHMEN ZU EINEM INTERNATIONALEN TOP-PLAYER GEMACHT HABEN. OSKAR WAWSCHINEK

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wir in all den Jahren gute Verbindungen zu großen internationalen Handelsunter­ nehmen aufgebaut, was uns den Einstieg in neue Märkte erleichtert und unseren Produkten die benötigte Regalfläche und gute Logistik bietet.

Was haben Sie im Jahr 2017 geplant? Kotányi: Wir wollen auch 2017 wei­ ter wachsen und unsere Position interna­ tional weiter ausbauen. Großes Potenzi­ al sehen wir nach wie vor in Russland. Natürlich wollen wir unseren hohen Marktanteil in Österreich halten, aber Wachstum kann nur mehr über Innova­ tion, territorial und über Distributions­ ausweitung gehen. Eine möglichst stabile politische Situation in neuen Zielmärk­ ten ist sehr wichtig. Zum Glück haben

Welche Bedeutung hat der Export in Ihrem Unternehmen? Wie hoch ist der Exportanteil? Kotányi: Der liegt bei rund 70 %. Unser Erfolg war auch darin begründet, dass wir viele Märkte schon sehr früh zu bearbeiten begonnen haben. Als dann die großen Handelsunternehmen in diese Märkte kamen, waren wir schon da und konnten unsere Erfahrungen einbringen und durch dieses Detailwissen gemein­ sam den Markt weiter erschließen. Und gerade in Osteuropa wird es von vielen Kunden sehr geschätzt, dass ich als Ei­ gentümer sehr oft persönlich den Kon­ takt suche und die Kunden ­treffe. Generell braucht es im Geschäft mit Osteuropa eine hohe Flexibilität, die wir entwickelt haben. So konnten wir im Lauf der Zeit auch mit den Sanktionen in Russland umgehen und Lösungen fin­ den. Zum Beispiel muss dann eben das

ie Ernährung: Wie ist Ihr Unternehmen aufgebaut und wie auf die Zukunft ausgerichtet? Welche Schwerpunkte setzen Sie? Erwin Kotányi: Unser Familienun­ ternehmen besteht seit mittlerweile 135 Jahren. Von der Zentrale in Wolkersdorf in Niederösterreich aus beliefern wir 20 Länder, vor allem in Zentral- und Ost­ europa. In den Top-Ländern haben wir eigene Niederlassungen, wie in Russ­ land, unserem wichtigsten Markt, wo 100 Mitarbeiter tätig sind. In anderen Ländern sind wir über Distributeure ver­ treten.

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Salz in Gewürzmischungen aus Ländern der Nicht-EU kommen. In anderen Ländern wie Brasilien oder Thailand beginnen wir oft nur mit unse­ rer Mühle, die quasi als Door Opener für den Markt fungiert. Das war die stärkste Innovation der letzten Jahre und hat uns viele Möglichkeiten eröffnet. Wie sehen Sie die Situation und Marktmacht im österreichischen Handel – wie gehen Sie damit um? Kotányi: Wir haben gelernt, mit die­ ser hohen Konzentration im Lebensmit­ teleinzelhandel zu leben. Wir sind den Weg gegangen, unsere eigene Marke zu stärken und so stark wie nur möglich zu machen. Dabei spielt Innovation eine große Rolle. Wenn wir „Innova­ tions-Leader“ bleiben, werden es andere Marken schwerer haben. Wie sehen Sie die Eigenmarkenentwicklung des Lebensmitteleinzelhandels? Ist das eine Gefahr für Markenartikel? Kotányi: Die Eigenmarken haben aus meiner Sicht die Zeit des größten Wachstums hinter sich und sind die letz­ ten zwei bis drei Jahre eher stabil geblie­


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person

Zur Person — Mag. Erwin Kotányi 1957 in Wien geboren Matura Kollegium Kalksburg WU-Absolvent 1981 übernahm der damals 24-jährige WU-Absolvent Erwin Kotányi die Firmenleitung

ben. Unser Vorteil ist, dass das Segment aufgrund geringer Preissensibilität nicht so stark belegt ist. Wir punkten mit lau­ fender Innovation und eigenen neuen Produktlinien.

Verheiratet mit Michaela Kotányi, Tochter Laura geboren 2007 Hobbies: Skifahren (Heliskiing), Tennis, Reisen

Was ist das Erfolgsgeheimnis Ihres Unter­nehmens? Kotányi: Sicher laufende Innovation und intensive Marktbearbeitung. Um zum internationalen Player zu werden, braucht es viel Einsatz und harte Arbeit aller. Wir haben im Unternehmen vier Werte, die uns leiten: Leidenschaft, Kre­ ativität, Familiensinn und Unternehmer­ tum. Unsere Mitarbeiter in 20 Ländern bringen viele Erfahrungen und Einschät­ zungen ein, die uns helfen, immer an der Spitze mitzumischen.

aus das weltweite Geschäft. Natürlich haben Mitbewerber vor allem in Ost­ europa ein viel niedrigeres Lohnniveau. Uns belasten die im Vergleich hohen Lohnnebenkosten in Österreich, die zu mehr Automatisierung führen. Das soll­ te unbedingt angepasst werden, ebenso wie die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Wir haben viele Kunden weltweit und wenn es Sonderbestellungen gibt, sind die Einschränkungen durch die Arbeits­ zeitvorschriften erheblich. Der adminis­ trative Aufwand insgesamt ist für uns gerade noch vertretbar, was wir uns aber wünschen würden, wäre in vielen Fällen eine klarere Gesetzgebung, um Ausle­ gungsunterschiede zu vermeiden. Und die Gruppenbesteuerung sollte aus unse­ rer Sicht erhalten bleiben.

Welche Vor- und Nachteile hat der Standort Österreich aus Ihrer Sicht? Welche Wünsche haben Sie an die Politik? Kotányi: Mit unserem Standort in Niederösterreich sind wir im Großen und Ganzen zufrieden und denken eher in Richtung Ausweitung, wenn das Un­ ternehmen weiter wächst. Wir bekennen uns zu Österreich und managen von hier

Was halten Sie von Ansätzen wie Zucker- und Fettsteuern oder Werbeverboten? Können diese Ihrer Meinung nach gesellschaftliche Probleme wie Adipositas, Bluthochdruck etc. – meist im Zusammenhang mit mangelnder Bewegung – lösen? Kotányi: Aus meiner Sicht sind das alles staatliche Eingriffe, die der Geld­

© KOTÁNYI

© KOTÁNYI

2007 unter den Top-3-Finalisten Ernst & Young Entrepreneur of the Year; Obmann des Verbandes der Gewürzindustrie

beschaffung dienen und am Ziel einer Verbesserung der Gesundheit insgesamt vorbeigehen. Denn durch solche Steuern verursachte Preissteigerungen dürfen trotzdem das Produkt nicht unleistbar für die Menschen machen. Denn der höhere Preis wird Menschen nicht da­ von abhalten, zu essen, was sie wollen. Die Salzsteuer in Ungarn hat das gut ge­ zeigt. Produkte mit Salz wurden besteu­ ert und mussten angepasst werden, aber zu Verhaltensänderungen hat das nicht geführt. Da müsste der Staat meiner Meinung nach mehr Wert auf Bildung, Erziehung und mediale Information le­ gen und auf die Bedeutung von ausrei­ chender Bewegung und Sport hinweisen. Zum Teil passiert das auch schon, wie ich an meiner neunjährigen Tochter mit­ erlebe. Wie ist Ihre Reaktion als Unternehmen auf gesellschaftliche Trends wie vegan oder vegetarisch, glutenfrei bzw. generell „Free from …“? Kotányi: Wir beobachten genau, welche Essgewohnheiten die Menschen entwickeln. Unsere Produkte passen wir darauf an. So haben wir mehr Ge­

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6 © KOTÁNYI

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Wie wird in Ihrem Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit umgegangen? Wir haben eine eigene CSR-Politik ent­ wickelt, die wir konsequent verfolgen. Auch einen Code of Conduct für Mit­ arbeiter und Lieferanten haben wir uns gegeben. Das ist Teil unserer Kultur ge­ worden. Derzeit arbeiten wir gerade an unserem Nachhaltigkeitsbericht. Da vie­ le Gewürze aus klimatischen Gründen nur in bestimmten Teilen der Welt wach­ sen, sind Transporte und CO2-Emissio­ nen nicht zu vermeiden. In Abstimmung mit den Spediteuren versuchen wir eine Minimierung. Wo es möglich ist, ver­ wenden wir heimische Ware wie z.B. einige 100 Tonnen Kümmel aus Oberös­ terreich. Welchen Stellenwert haben Innovation und Qualitätsmanagement in Ihrem Unternehmen? Kotányi: Innovation hat für uns höchsten Stellenwert und ist gewis­ sermaßen ein „Lebenselixier“ für uns. Das ist nicht nur eine Marketing-Auf­ gabe, sondern hat strategische Be­ deutung und ist für jeden im ganzen Unternehmen wichtig. Es gibt eigene Meetings dazu, wir laden auch manch­ mal externe Unternehmen dazu ein. Über das Intranet binden wir die Mit­ arbeiter in den 20 Ländern ein und nutzen deren Ideen. Und es gibt sogar Prämien dafür. So sind auch die Lini­ en im Premium-Segment wie „Secrets of …“ und die „Erwin Kotányi Selecti­ on“ mit Kreationen wie „Smoked Chi­ lis“ oder „Himalayasalz mit Blüten“ entstanden. Qualitätsmanagement reicht bei uns von der Lebensmittelsicherheit bis zu den Standards. Wir bauen ein integriertes Qualitätsmanagement-System auf, das alle Aspekte abdeckt. Wir wollen eine Mainstream-Marke bleiben und da darf es keinen Kompromiss bei der Qualität

geben. Es ist Teil unserer Markenpolitik, dass wir allen Kunden die gleich hohe Qualität liefern. Wie gehen Sie mit immer wieder auftauchenden Themen der Lebensmittelsicherheit wie Glyphosat-Rückständen, mikrobiellen Problemen etc. um? Kotányi: Ausgehend von unserem Qualitätsanspruch haben wir Prozes­ se installiert, die eine umfassende und sorgfältige Behandlung der Rohstoffe ­sicherstellen. Wir untersuchen selbst und durch externe Labors und führen Be­ dampfungen z.B. bei Pfeffer durch, um mikrobielle Probleme auszuschließen. Wie sehen Sie die verschiedenen Standards wie IFS und BRC? Können Sie diese Audits für die Verbesserung Ihrer Betriebsabläufe nutzen? Kotányi: Da wir nicht nach England liefern, ist BRC kein Thema bei uns. ISO 9001 und Bio haben wir seit Jahren und IFS seit 2014 regelmäßig auf höherem Niveau. Wir lernen aus jedem Audit und Kunden in Europa bestätigen uns, dass wir eine Vorreiter-Rolle in der Branche einnehmen. Wie stehen Sie zum Thema Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA? Kotányi: Die Diskussion über TTIP hat sich wohl mit dem neuen Präsi­ denten der USA erübrigt (lacht). Ge­ nerell bin ich sehr für Freihandel, aber wichtig ist mir, dass wir die erreichten Qualitätsstandards beibehalten. Wir ge­ hen vom mündigen Konsumenten aus, der entscheidet, was er kaufen möch­ te. Dazu soll aber aus meiner Sicht auf Waren, die unseren Standards nicht entsprechen, eine klare und auffällige Kennzeichnung auf der Vorderseite sein. Dann kann jeder selbst entscheiden, was wichtig ist: niedriger Preis oder Qualität. Was ist Ihr Lieblingsessen? Kotányi: Mein Lieblingsgewürz ist Rosmarin. Ich liebe den aromatischen Geschmack sehr und so ist mein Lieb­ lingsessen ein herrliches Rosmarin-Huhn in Olivenöl, das meine Frau kocht.

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about

Zum Unternehmen — 1881 Unternehmensgründung durch Janos Kotányi im ungari­ schen Szeged, erste Paprikamühle 1884 Gründung der ersten Filiale in Wien-Döbling 1912 Ernennung zum k.u.k. Hoflieferanten Ende 80er/Anfang 90er Jahre In­ vestitionen in Ungarn, Tschechi­ en, Polen, Rumänien, Slowenien, Slowakei. Darüber hinaus werden Lettland und Litauen beliefert. Weitere südosteuropäische Märkte wie Serbien, Bulgarien, Bosnien-­ Herzegowina sowie die Ukraine folgen. Markteintritt in Deutsch­ land, Italien und Russland 1989 Übersiedung nach Wolkers­ dorf und Eröffnung der neuen Zentrale, einer der modernsten Gewürzbetriebe der Welt 2007 Eröffnung eines neuen Logis­ tikzentrums in Wolkersdorf, das die komplette Endkundenversor­ gung für Österreich, Deutschland und Italien abwickelt 2009 Kotányi ist nach 20 Jahren wieder zu 100% ein Familienun­ ternehmen 2013 Marktführerschaft in Russ­ land 2016 Kotányi feiert 135-jähriges Jubiläum, Erreichung eines Umsat­ zes von 150 Mio. Rund 540 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sortiment weltweit rund 4.500 Produkte

© KOTÁNYI

würzmischungen für Gemüse und Kar­ toffelgerichte entwickelt und auch fürs Grillen gibt es neben den Fleisch-Ge­ würzmischungen vermehrt Produkte für Gemüse. Wir haben auch in den letzten Jahren gesehen, dass Kräuter generell stärker nachgefragt werden, und haben entsprechende Mischungen entwickelt. Auch die neue Linie „Secrets of …“ trägt dieser Entwicklung Rechnung.


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GREENING Ökologisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik DIE GEMEINSAME AGRARPOLITIK (GAP) UND DIE STELLUNG DES GREENING INNERHALB DER GAP KARL BAUER

D

etabliert. Im Rahmen dieser zweiten Säule wurden u.a. die Steigerung der Wertschöpfung im Ländlichen Raum – Stichwort Ziel-1- oder Ziel-5b-Gebie­ te – oder etwa Agrarumweltprogramme sowie die Unterstützung für Betriebe in benachteiligten Gebieten geschaffen bzw. ausgebaut. Österreich hat im Zuge des EU-Beitritts ein sehr umfangreiches Agrarumweltprogramm geschaffen. Mittlerweile ist die fünfte Auflage in Umsetzung. Die Akzeptanz dieses frei­ willigen Programmes ist immens hoch, rund 80% der landwirtschaftlich ge­ nutzten Fläche sind umfasst. Österreich ist damit EU-weit an der Spitze. Mit der Fischler-Reform 2003 erfolgte eine völlige Neuausrichtung der GAP in Form von der Produktion entkoppelter Zahlungen für die Landwirte, die an die Einhaltung der Rechtsbestimmungen aus den Bereichen Umwelt-, Tierschutz und Lebensmittelsicherheit sowie den guten landwirtschaftlichen und ökolo­ gischen Zustand der Flächen gebunden wurden. Zum Beispiel sind die Fau­ na-Flora-Habitatrichtlinie oder die Vo­ gelschutzrichtlinie (Stichwort Natura 2000) Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen. Die Einstiegsschwelle

(Baseline) für freiwillige Agrarumwelt­ programme wurde damit angehoben. Welche Wirkungen bringt das Greening? In der allgemeinen Diskus­ sion zur GAP im Allgemeinen und zum Greening im Besonderen wird nach den Leistungen des Greening gefragt. Die Antworten dazu sind wohl am besten in den drei Maßnahmen selbst zu fin­ den: Alle drei nachfolgend dargestellten Maßnahmen tragen jede für sich, aber gerade auch bei überregionaler Betrach­ tungsweise gemeinsam zur Verbesserung der ökologischen Leistungen einer ge­ pflegten Kulturlandschaft bei. Dauergrünland ist für eine artenreiche Kulturlandschaft – gerade wie sie sich in Österreich darstellt – unverzichtbar. In den Ackerbauregionen mit einem tradi­ tionell geringeren Anteil an Dauergrün­ land stellt Greening dessen Erhalt sicher. Darüber hinaus leisten diese Flächen einen enormen Beitrag zum aktiven Kli­ maschutz. Die CO2-Speicherung im Bo­ den verringert die Treibhausgaswirkung. Der Erosionsgefahr wird durch längere oder dauerhafte Bodenbedeckung deut­ lich entgegengewirkt. Eine Fruchtfolge am Acker unterstützt unter anderem

©  LK ÖSTERREICH, ANNA SCHREINER

ie Gemeinsame Agrar­ politik ist die einzige vollständig vergemein­ schaftete Politik der EU und das seit den Anfän­ gen legitimiert in verfassungsmäßigen Rechtsakten der EU. Gerade im heuri­ gen Jahr, wenn das 60-jährige Bestehen der Römischen Verträge gefeiert wird, ist dies von besonderer Bedeutung. Gemessen an den gesamten öffent­lichen Ausgaben der 28 Mitgliedstaaten und der EU selbst beträgt der Anteil der Ausgaben für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum weniger als 1%. Zentrale Aufgabe der GAP ist die Ver­ sorgung mit leistbaren und den ge­ forderten Standards entsprechenden Lebensmitteln. Damit ist die GAP ein fundamentaler Pfeiler des Friedenspro­ jekts Europäische Union. Seit ihrem Bestehen wurde die GAP in mehreren Schritten auch in Richtung mehr ökolo­ gische Ausrichtung weiterentwickelt. Mit der GAP-Reform 2013 wurde eine weitere Vertiefung der Ökologisierung in der Gemeinsamen Agrarpolitik vor­ genommen. Das „Greening“ wurde in die Gemeinsame Agrarpolitik aufge­ nommen. Die Umweltausrichtung der GAP ist allerdings damit keineswegs neu geschaffen worden. Es erfolgte vielmehr eine Weiterentwicklung. Zum besseren Verständnis wird kurz auf die bereits bestehende ökologische Ausrichtung der GAP eingegangen. Die einzelnen Reformschritte der GAP werden übli­ cherweise mit den Namen der jeweiligen handelnden Agrarkommissare verbun­ den. Bereits in der GAP-Reform 1992 (Mc­ Sharry-Reform) wurde neben den Markt­ordnungsregelungen und -zah­ l­ungen die zweite Säule der GAP, die sogenannte Ländliche Entwicklung,

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Greening – Ökologisierung der GAP

Dauergrünlanderhaltung Anbaudiversifizierung

ökologische Vorrangflächen

(auf Acker)

(auf Acker)

Welche Bestimmungen stehen hinter dem Begriff Greening? Die Cio­ los-Reform des Jahres 2013 hat mit dem Greening eine Bindung (30% der Direktzahlungen) an die Einhaltung von Ökologisierungsmaßnahmen normiert. Greening kann auch als die Sichtbar­ machung von Gegenleistungen der GAP für die Gesellschaft gesehen werden. Zu diesen Maßnahmen zählen folgende drei Bestimmungen, die jedermann mit offe­ nen Augen in der Landschaft nachvoll­ ziehen kann:

Greening – Übersicht der Auflagen Greening Verpflichtung Muss zusätzlich erbracht werden wenn:

Gilt als erfüllt wenn:  Biobetriebe (green by definition)  Betriebe < 10 Acker  Grünland/Feldfutter anteil > 75 %  Ackerbaubetrieb mit Feldfutter > 75 %

Ökologische Vorrangfläche

AnbauDiversifizierung (Fruchtfolge)  Acker: 10-30 ha 2 Kulturen  Acker > 30 ha 3 Kulturen

 Acker > 15 ha  mind. 5% vom Acker Teilnahme an Grünbrache (= brachliegende Flächen) ÖPUL-UBB stickstoffbindende Pflanzen ODER (Äquivalenz) Zwischenfrüchte Landschaftselemente Niederwald im Kurzumtrieb

Zahlen, Daten Fakten: Greening in Österreich 2016 Gesamt BIO Kleinerzeuger Betriebe < 10 ha Acker Andere (> 75 % GL, Futterpfl.) Greening gilt als erfüllt

Betriebe Anteil in % 104.000 100,0 18.900 18 14.400 14 44.000 42

LN in ha 2.533.000 540.800 61.500 725.500

Anteil in % 100,0 21 2,5 28

7.400

7

183.900

7

84.700

81

1.511.000

58

Traditionell seit 1995 hohe Teilnahmerate der österreichischen Landwirte am Agrarumweltprogramm ÖPUL, EU-weit Spitzenreiter bei BIO und im EU-Vergleich hoher Grünlandanteil an der landwirtschaftlichen

©  LK ÖSTERREICH

Nutzfläche: Rund 80 % der Betriebe mit 60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) N leisten freiwillig mehr, als die Greening-Verpflichtungen vorgeben bzw. erfüllen; Greening gemäß GAP. Quelle: BMLFUW, Werte gerundet

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• die Artenvielfalt, • den Erosionsschutz, • die CO2-Speicherung, • die Nutzung von Stickstoff aus der Bodenluft, • den verringerten Einsatz von ­Pflanzenschutzmitteln, • den Erhalt des Lebensraums für heimische ­Tierarten.

1. Erhalt von Dauergrünland Auf na­ tionaler Ebene ist sicherzustellen, dass der Dauergrünlandanteil an der gesam­ ten landwirtschaftlichen Nutzfläche um nicht mehr als 5% abnimmt. Dabei geht ein Flächenverbrauch von Dauergrün­ land z.B. für Infrastrukturzwecke zu Lasten dieses Verhältnisses. Dauergrünland hat besondere ökologi­ sche Bedeutung durch die Artenvielfalt im Bestand, die Fähigkeit der CO2-Spei­ cherung im Boden, die Vermeidung der Abschwemmung von wertvollem Ober­ boden insbesondere in Hanglagen oder bei Winderosionsgefahr oder aber die Offenhaltung der Kulturlandschaft. Dies bringt neben den ökologischen Vorteilen auch ökonomische Effekte besonders im Bereich Tourismus, Gastronomie oder Wellness und Freizeit. Bestimme Grünlandgebiete sind als „umweltsensibles Dauergrünland“ ein­ gestuft. Das sind im Besonderen Flächen im (sub-)alpinen Bereich. Hier ist jegli­ cher Grünlandumbruch untersagt. 2. Fruchtfolge am Acker (Anbaudiversifizierung) Unter diesem Begriff ist der Anbau unterschiedlicher Kul­ turen für Betriebe mit Ackerflächen zu verstehen. Betriebe mit mehr als 30 ha Ackerfläche müssen jährlich mindestens drei unterschiedliche Kulturen und Be­ triebe zwischen 10 und 30 ha jährlich


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mindestens zwei unterschiedliche Kul­ turen auf ihren Feldern anbauen. Damit werden Monokulturen ausgeschlossen. Eine aufgelockerte Fruchtfolge mit ei­ nem Wechsel an Kulturen trägt nicht nur zur biologischen Vielfalt bei, es be­ stehen günstige Auswirkungen auf das Bodenleben, die Nährstoffverfügbarkeit, den Humusgehalt der Böden. Zu un­ terschiedlichen Zeitpunkten blühende Pflanzen sind gerade für Insekten wie Bienen oder andere Bestäuber ein wich­ tiger Lebensraum und eine bedeutende Nahrungsquelle. Die zeitliche Abfolge von Getreide, Hackfrüchten wie Kartof­ fel oder Mais, Eiweißpflanzen, Ölsaaten wie Raps oder Ölkürbis wirkt sich güns­ tig auf die Fruchtbarkeit der Böden aus und steigert die biologische Vielfalt. 3. Ö kologische Vorrangflächen Als ökologische Vorrangflächen gelten jene Teile der Kulturlandschaft, die aufgrund ihres Pflanzenbestandes, ihrer beson­ deren Bewirtschaftungsart, ihrer Be­ deutung als Lebensraum oder sonstiger günstiger Umweltwirkungen wie die Ver­ wertung von Stickstoff aus der Bodenluft zur Pflanzenernährung besonders positi­ ve Umweltwirkungen haben. Zusätzlich ist vorgesehen, dass nach der Ernte einer Leguminose (= stickstoffbindende Pflan­ ze) auf ökologischen Vorrangflächen der Anbau einer Nachfolgekultur noch im selben Jahr zu erfolgen hat. Damit wird sichergestellt, dass der verfügbare Stick­ stoff im Boden bestmöglich im pflanzli­ chen Wachstumskreislauf genutzt wer­ den kann und erhalten bleibt sowie eine unerwünschte Auswaschung in tiefere Bodenschichten vermieden werden kann. Die Auswahl, welche Art von Flächen als ökologische Vorrangflächen aner­ kannt werden können, trifft innerhalb eines EU-weit gültigen Rahmens der Mitgliedstaat. Auch im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Agrarumwelt­ programmes sind folgende Flächen in Österreich ausgewählt worden: • Flächen mit stickstoffbindenden Kul­ turen: Dazu zählen Kulturen wie z.B. Erbsen, Ackerbohnen, Lupinen, Soja­ bohnen, Kleearten und Luzerne. • Zwischenfrüchte: Bei Zwischenfrüch­ ten erfolgt im Gegensatz zu den soge­ nannten Hauptfrüchten keine Nutzung des Aufwuchses, vielmehr wird durch den Anbau eine vegetationslose Zeit

zwischen zwei Hauptkulturen vermie­ den; ebenso wird durch den Anbau von Zwischenfrüchten der Erosionsge­ fahr und damit dem Verlust von wert­ vollem Oberboden entgegengewirkt. • Brachliegende Flächen: Die Nutzung des Aufwuchses von Bracheflächen ist verboten, der Pflanzenbestand muss aber z.B. durch Häckseln gepflegt werden, wodurch der Aufwuchs auf der Fläche verbleibt. • Niederwald im Kurzumtrieb: Dazu zählen heimische, schnellwüchsige Holzarten wie Weide und Pappel, die für die Erzeugung von fester Biomasse verwendet werden. • Gesetzlich geschützte Landschaftsele­ mente Wie wirkt Greening auf die betroffenen Landwirte? Mit dem Greening wurde ein neuer zusätzlicher gesetzlicher Rahmen geschaffen, der verpflichtend einzuhalten ist. Die Landwirte sind ver­ pflichtet, ihre Greening-Flächen jähr­ lich in Ausmaß und Lage genau an die zuständige Behörde (Agrarmarkt Aus­ tria – AMA) zu melden. Die AMA als Zahlstelle hat die Einhaltung sämtlicher für den Erhalt von Leistungsabgeltungen erforderlichen Auflagen zu überprüfen. Somit werden auch die Greening-Be­ stimmungen in der Verwaltungskontrol­ le und vor Ort auf den landwirtschaft­ lichen Betrieben kontrolliert. Ohne zusätzlichen Aufwand sowohl in der Natur wie auch in der organisatorischen Abwicklung ist die Gegenleistung in Form der Greening-Zahlung nicht oder nicht vollständig sichergestellt. Ausnahmen von der Einhaltung der Greening-Bestimmungen Das EU-Recht sieht vor, dass bestimmte Betriebe auf­ grund ihrer wirtschaftlichen Ausrich­ tung oder flächenmäßigen Ausstattung von der Einhaltung der Greening-Be­ stimmungen ausgenommen sind: • Biobetriebe, diese gelten als „green by definition“; die GAP anerkennt Bio­ betriebe als ökologisch im Sinne des Greening. • Betriebe mit sehr hohem Grünlandan­ teil (über 75%); auch für diese Betrie­ be gelten die Greening-Bestimmungen als eingehalten. • Kleinerzeuger (bis max. 1.250 Euro Direktzahlungen pro Jahr); als Zei­

chen eines klaren Bekenntnisses zu ei­ ner kleinstrukturierten Landwirtschaft entfallen auch für diese Betriebe die Greening-Bestimmungen. Besonderheiten durch das Österreichische Agrarumweltprogramm (ÖPUL) Seit dem Beitritt zur EU 1995 ist das ÖPUL eine Erfolgsgeschichte für Gesellschaft und Landwirtschaft. Die Grundsätze der multifunktionalen Landwirtschaft wie Landschaftsschutz, Offenhaltung der Kulturlandschaft, flächendeckende Bewirtschaftung, an­ gepasste Bestandsführung der landwirt­ schaftlichen Kulturen sind als höchste ökologische Leistungen anzusehen. Die Einhaltung der ökologischen Vor­ rangflächen kann auch durch die ÖPUL-Teilnahme (konkret durch die Maßnahme Umweltgerechte und Bio­ diversitätsfördernde Bewirtschaftung) geleistet werden. Man spricht hier von einer Äquivalenzmaßnahme. Durch die Einführung von Greening wurde aber die „Baseline“ für das Ag­ rarumweltprogramm angehoben und damit indirekt die Höhe der Leistungs­ abgeltung im Agrarumweltprogramm verringert, obwohl die Landwirte nicht weniger Umweltleistungen als vorher er­ bringen. Eine Schlussfolgerung der anderen Art Die Einführung von Umweltleistun­ gen im Rechtsrahmen der GAP führt langfristig nur dann zum gewünschten Erfolg, wenn die wirtschaftliche Grundla­ ge der Betriebe weiterbesteht. Das heißt, das Budget für die Land- und Forstwirt­ schaft in der GEMEINSAMEN Agrarpo­ litik auch zukünftig sicherzustellen. Darüber hinaus entscheiden wir als Konsumenten bei jedem Lebensmit­ teleinkauf, ob diese Umweltleistungen der heimischen Bäuerinnen und Bauern langfristig gesichert werden können. Die Kennzeichnung österreichischer Lebens­ mittel bietet z.B. in Form von AMA-Gü­ tesiegel und AMA-Biozeichen dafür die Gewähr. Konsequenterweise ergibt sich die Forderung, dass auch bei Import­ produkten die Einhaltung der Standards nachvollziehbar gesichert ist. DI Karl Bauer Referat INVEKOS und GAP Landwirtschaftskammer Österreich, Wien

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EU-KREISLAUF­ WIRTSCHAFTSPAKET Neue Regelungen für Rohstoffe, Produkte und Abfälle LEBENSMITTELABFÄLLE ZUNEHMEND IM FOKUS DER ABFALLPOLITIK OLIVER DWORAK

N

achdem die Europäische Kommission Ende 2014 ihren ersten Legislativ­ vorschlag zu Abfällen zurückgezogen hatte, legte sie – nach öffentlicher Konsultati­ on und einer Konferenz zur Kreislauf­ wirtschaft – am 2. Dezember 2015 mit „Closing the loop – An EU action plan for the Circular Economy“ ein ehrgeizi­ ges neues Maßnahmenpaket vor. Es soll, durch die Weiterentwicklung der Abfall­ politik, den Übergang Europas zu einer Kreislaufwirtschaft, in der Ressourcen nachhaltiger genutzt werden, fördern, die globale Wettbewerbsfähigkeit Eu­ ropas steigern, Treibhausgasemissionen reduzieren, ein nachhaltiges Wirtschafts­ system begünstigen und neue Arbeits­ plätze schaffen. Kontext und Ziele Der europäischen Wirtschaft gehen in den Abfallströmen beträchtliche Mengen potenzieller Se­ kundärrohstoffe verloren. So fielen nach Angabe der EU-Kommission im Jahr 2013 rund 2,5 Mrd. Tonnen Abfälle an, von denen nur rund 0,9 Mrd. Tonnen (36%) wiederverwendet bzw. recycelt wurden. Weitere rund 0,6 Mrd. Ton­ nen hätten nach Expertenschätzungen wiederverwendet bzw. recycelt werden können, um damit die Ressourceneffizi­ enz zu verbessern und eine stärker kreis­ lauforientierte Wirtschaft zu schaffen.

Auch bestehen zwischen den Mitglieds­ staaten der EU erhebliche Unterschiede in der Intensität der Abfallbewirtschaf­ tung, die die Kommission beseitigen möchte. Die nun vorgeschlagenen Maßnahmen sollen dazu beitragen, den Kreislauf der Produktlebenszyklen durch mehr Recycling und Wiederverwendung zu schließen. Die EU-Kommission verfolgt dabei das Ziel, eine maximale Wert­ schöpfung und Nutzung aller Rohstof­ fe, Produkte und Abfälle zu erreichen. Energieeinsparungen zu fördern und die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Vorschläge decken den gesamten Le­ benszyklus ab: von der Produktion über den Verbrauch bis hin zur Abfallbewirt­ schaftung und zum Markt für Sekundär­ rohstoffe. Finanziell unterstützt werden die Ziele dieses Pakets insbesondere aus den ESI-Fonds mit rund 650 Mio. EUR, aus dem EU-Finanzierungsprogramm für Forschung und Innovation „Hori­ zon 2020“, mit rund 5,5 Mrd. EUR aus den Strukturfonds für die Abfallbewirt­ schaftung sowie durch Investitionen in die Kreislaufwirtschaft auf nationaler Ebene. Mehr Jobs, weniger Ressourcenverbrauch? Durch Abfallvermeidung, Öko­ design, Wiederverwendung und ähnli­ che Maßnahmen lassen sich jährliche

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Nettoeinsparungen von rund 600 Mrd. EUR bzw. 8% des Jahresumsatzes der europäischen Unternehmen erzielen, rechnet die EU vor. Das Paket, das in der Europäischen Kommission ressort­ übergreifen erarbeitet wurde, reiht sich durch Behandlung von Klimawandel und Umweltfragen bei gleichzeitiger Förderung von Beschäftigung, Wirt­ schaftswachstum, Investitionen und so­ zialer Gerechtigkeit in die umfassenden politischen Prioritäten ein. Nach dem Willen der Kommission sendet es ein klares Signal an die Wirtschaftsteilneh­ mer, dass die EU alle verfügbaren Mittel nutzt, ihre Wirtschaft umzuformen und den Weg für neue Geschäftsmöglichkei­ ten zu ebnen. Die weitgreifenden Maß­ nahmen zur Änderung des gesamten Produktlebenszyklus gehen über eine reine Konzentration auf das Ende der Lebensdauer hinaus und unterstreichen die deutliche Absicht, die EU-Wirtschaft zu verändern. Die Kreislaufwirtschaft verfügt demnach laut Europäischer Kommission über das Potenzial zur Schaffung von rund 170.000 Arbeits­ plätzen in Europa bis 2035, zur Senkung der Treibhausgasemissionen um rund 600 Mio. Tonnen (entspricht etwa 3% der EU-Gesamttreibhausgasemissionen), bewahrt darüber hinaus wertvolle und zunehmend knappe Ressourcen und ver­ ringert die Auswirkungen der Ressour­ cennutzung auf die Umwelt.


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©  FOTOLIA – MALP

wirtschaft economy

Inhalte und Schlüsselthemen Der Legislativvorschlag umfasst, neben der bereits oben genannten Mitteilung der Kommission, Änderungsvorschläge für sechs Richtlinien, nämlich • die EU-Abfallrahmenrichtlinie, • die EU-Verpackungsrichtlinie, • die EU-Deponierichtlinie, • die EU-Elektro- und -Elektronik­ altgeräterichtlinie, • die EU-Altfahrzeugrichtlinie und • die EU-Batterienrichtlinie. Mit dem Vorschlag zur Änderung der Abfallrahmenrichtlinie wird der Ver­

pflichtung zur Überprüfung der Abfall­ bewirtschaftungsziele nachgekommen. Die Vorschläge des Pakets stehen im Einklang mit den Zielen des Fahrplans für ein ressourcenschonendes Europa und des 7. Umweltaktionsprogrammes, zu denen die vollständige Umsetzung der Abfallhierarchie in allen Mitgliedsstaa­ ten, die Senkung des Pro-Kopf-Abfall­ aufkommens, die Verwendung recycelter Abfälle als wichtige Rohstoffquelle zäh­ len. Sie tragen weiters zur Durchführung der EU-Rohstoffinitiative bei und gehen auf die Notwendigkeit ein, Lebensmit­ telverschwendung zu vermeiden.

Schlüsselelemente des Kommissionsvor­ schlags für die Abfallbewirtschaftung sind insbesondere • eine EU-weite Zielvorgabe von 65% für das Recycling von Siedlungsabfäl­ len bis 2030, • eine EU-weite Zielvorgabe von 75% für das Recycling von Verpackungsab­ fällen bis 2030, • eine EU-weite Zielvorgabe zur Be­ schränkung der Deponierung von Abfällen auf höchstens 10% der Sied­ lungsabfälle bis 2030, • ein Verbot der Deponierung getrennt gesammelter Abfälle,

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12 wirtschaft economy

Aktueller Stand der Verhandlungen Die Bearbeitung des Dos­ siers läuft wie gewohnt parallel im Europäischen Rat und im Parla­ ment, also einerseits in den Sitzun­ gen der Ratsarbeitsgruppe Umwelt und im Umweltministerrat, ande­ rerseits in den zuständigen parla­ mentarischen Ausschüssen (ITRE: 1. Lesung 13.10. und ENVI: ­1. Le­ sung 24.1.2017).

• die Förderung wirtschaftlicher Instrumente zur Abkehr von der Deponierung, • stärkere Harmonisierung und Vereinfachung des Rechtsrah­ mens für Nebenprodukte sowie für das Ende der Abfalleigen­ schaft, • neue Maßnahmen zur Förderung der Vermeidung von Abfällen, einschließlich Lebensmittelabfäl­ len, und der Wiederverwendung, • vereinfachte und verbesserte Definitionen und harmonisier­ te Berechnungsverfahren für Recycling­raten, • Best Practices für Abfallma­ nagement in der Industrie durch BREF-Dokumente sowie • wirtschaftliche Anreize für Er­ zeuger, die umweltfreundliche Erzeugnisse auf den Markt brin­ gen, und Unterstützung von Verwertungs- und Recyclingsys­ temen (z.B. für Verpackungen, Batterien, elektrische und elekt­ ronische Geräte, Fahrzeuge). Lebensmittelabfälle im Fokus Im September 2015 hatte die UN-Ge­ neralversammlung die Nachhaltigkeits­ ziele für 2030 festgelegt. Eines dieser Ziele lautete, auf Einzelhandels- und Verbraucher­ebene die Lebensmittelver­ schwendung pro Kopf zu halbieren und Lebensmittelverluste entlang der Pro­ duktions- und Lieferkette zu reduzieren. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, diese Ziele umzusetzen. Im Vorschlag für die neue Abfallrahmen­ richtlinie werden die Mitgliedsstaaten da­ her aufgefordert, Lebensmittelverschwen­ dung auf jeder Stufe der Lieferkette zu reduzieren, ihren Umfang zu beobachten und darüber Bericht zu erstatten, um den Informationsaustausch über die erreich­ ten Fortschritte zu erleichtern. Lebensmittelverschwendung ist aus Sicht der Europäischen Kommission ein großes Problem: Expertenschätzun­ gen zufolge werden jährlich europaweit rund 100 Mio. Tonnen Lebensmittel verschwendet. Diese Verluste erstrecken sich nach ihrer Meinung über die gesam­ te Lieferkette: von der Landwirtschaft über die Verarbeitung und Herstellung bis zum Handel, zur Gastronomie und

Die Bundessparte Industrie der WKO hat zu den Hauptpunkten des Abfallpakets Stellung genom­ men und dabei kritische Punkte insbesondere zu den Themen Er­ weiterte Herstellerverantwortung, Wiederverwendung und Recycling, der mangelnden Berücksichtigung der Abfallmitverbrennung und der eher starren Fokussierung auf um­ weltgerechte Produktgestaltung aufgezeigt. Weitere Punkte werden laufend ergänzt und im Zuge der industriepolitischen Interessenver­ tretung kommuniziert. zu den Haushalten. Neben ökonomi­ schen und ökologischen Auswirkungen sollten hier auch soziale Aspekte stärker berücksichtigt werden, indem das Spen­ den überschüssiger Lebensmittel erleich­ tert wird. Der Entwurf sieht zum Thema Lebens­ mittelabfälle konkret vor, dass die Euro­ päische Kommission eine gemeinsame Methode zur Messung von Lebensmit­ telverschwendung erarbeitet und dies­ bezügliche Indikatoren festlegt; weiters soll eine Plattform eingerichtet werden, die die Mitgliedsstaaten und alle Akteu­ re der Lebensmittelversorgungskette zu­ sammenführt, um die Maßnahmen zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele festzulegen, nachahmenswerte Verfah­ ren auszutauschen und erreichte Fort­ schritte mitzuteilen. Schließlich sollen Maßnahmen zur Wiederverwendung von Nahrungsmitteln und Nebenprodukten der Nahrungsmittelkette bei der Futter­ mittelherstellung ergriffen und Wege zur Verbesserung der Verwendung von Da­ tumsangaben in der Nahrungsmittelkette, insbesondere des Mindesthaltbarkeitsda­ tums, geprüft werden.

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Zum Thema Lebensmittelabfälle wurde gefordert, dass Abfallvermei­ dung nur auf freiwilliger Basis erfolgen soll und viel mehr auf Anreizsysteme wie Informationskampagnen für Kon­ sumenten und Unternehmen, Unter­ stützung bei der Verwendung regionaler Produkte etc. gesetzt werden soll. De­ zidiert abgelehnt wurde die Verpflich­ tung, Betriebe mit diversen, erst zu ent­ wickelnden Messverfahren zu belasten, um ihre Fortschritte bei der Verringe­ rung von Lebensmittelverschwendung zu erfassen. Aktuell werden in einer Arbeitsgruppe mit Experten der Abteilung für Um­ welt- und Energiepolitik sowie aus den hauptbetroffenen Fachverbänden die im Zuge der parlamentarischen Behandlung vorgelegten fast 2.000 Änderungsvor­ schläge evaluiert und auf dieser Basis Abstimmungsempfehlungen für die in den zuständigen Gremien des Parlaments tätigen österreichischen EU-Parlamenta­ rier ausgearbeitet. DI Oliver Dworak Bundessparte Industrie Wirtschaftskammer Österreich, Wien


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eneraldirektor KR Dipl.-Ing. Jo­ hann Marihart (65), Vorstands­ vorsitzender der AGRANA Beteiligungs-AG, wurde mit dem Rit­ terorden der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet. Botschafter Pascal Teixei­ ra da Silva ehrte Marihart für seine wirt­ schaftlichen Verdienste um Frankreich. Johann Marihart startete nach Ab­ schluss des Studiums der Technischen Chemie in Wien seine berufliche Karrie­ re 1975 und gestaltete AGRANA vor al­ lem als Mitglied des Vorstands seit 1988 und ab 1992 als dessen Vorsitzender entscheidend mit: von der Bündelung der Aktivitäten der österreichischen Zu­ cker- und Stärkeindustrie und Gründung der AGRANA Beteiligungs-AG, der Ex­ pansion nach Osteuropa, hin zur Di­ versifikation in den Bereich Frucht und damit zu einem auf allen Kontinenten

©  C.MARI, AGRANA

Agrana-Generaldirektor Johann Marihart wurde Ritter der Ehrenlegion

GD Marihart (li.) mit Botschafter Pascal Teixeira da Silva

tätigen Veredler agrarischer Rohstoffe in den Geschäftssegmenten Zucker, Stärke und Frucht. Heute ist AGRANA einer der größten Produzenten von Zucker und Stärke in Zentral- und Osteuropa und darüber hi­ naus im Segment Frucht Weltmarktfüh­ rer bei Fruchtzubereitungen sowie einer der führenden Produzenten von Frucht­ saftkonzentraten in Europa.

sident des Comité Européen des Fabri­ cants de Sucre (CEFS) und als Aufsichts­ rat der Saint Louis Sucre S.A. AGRANA betreibt in Frankreich auch zwei Frucht­ zubereitungswerke in Mitry, nahe Paris, und in Valence im Rhônetal. www.agrana.at

Neben seiner Tätigkeit bei AGRANA bekleidet Johann Marihart zahlreiche Funktionen und Aufgaben, u.a. als Prä­

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14 technik technology

MINERALÖL-­ RÜCKSTÄNDE IN ­LEBENSMITTELN Schwierigkeiten einer seriösen Einschätzung IN JÜNGSTER ZEIT KAM ES VERSTÄRKT ZU MEDIEN-MELDUNGEN ÜBER MINERALÖL-­RÜCKSTÄNDE IN LEBENSMITTELN. DIE DADURCH VERURSACHTE VERUNSICHERUNG BEI KONSUMENTEN UND LEBENSMITTELPRODUZENTEN WIRD WOHL NOCH LÄNGERE ZEIT NACHWIRKEN, DA DIE PROBLEMSTELLUNG KOMPLEX UND MÖGLICHE LÖSUNGSSTRATEGIEN ANSPRUCHSVOLL SIND. CHRISTINE GRABLER

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ie Definition der Pro­ blematik und der da­ mit zusammenhän­ genden Fragen von Rückstandsanalytik und Grenzwertfestlegung sind Grundlage langjähriger Diskussionen unter Exper­ ten der Lebensmittelbranche. Involviert sind von Herstellern bis hin zu Über­ wachungsorganen, von Analyselabors bis hin zum Gesetzgeber praktisch alle Akteure auf dem Gebiet der Herstellung, Verpackung und Vermarktung von Le­ bensmitteln. Im Zuge der aktuellen Be­ richterstattung ist auch das Interesse von Konsumentenvertretern enorm. Um das Themenfeld zu beleuchten, über die Problematik aufzuklären und den aktuellen Stand der Wissenschaft mit­ zuteilen, wurde von der Lebensmittel­ versuchsanstalt am 1. Dezember 2016 eine Informationsveranstaltung initiiert. Ausgewiesene Experten für Lebensmit­ telkontaktmaterialien stellten in ihren Vorträgen ihr Wissen über Mineralöl­ kohlenwasserstoffe in Theorie und Praxis dar. Das Interesse an diesem Thema beim

Fachpublikum war überwältigend. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung war die Veranstaltung ausgebucht. Die Vortragenden DI Johanna Foisner (LVA GmbH) und Dr. Thomas Gude (SQTS Schweiz) sahen sich einem äußerst interessierten und angeregt mitdiskutie­ renden Publikum gegenüber. DI Foisner als Expertin für Food Contact Mate­ rials führte in das Thema ein. Welche Lebensmittel sind am ehesten von einer Mineralölkontamination betroffen und warum? Wie kommt das Mineralöl über­ haupt ins Lebensmittel – woher kann es abgesehen vom üblichen Verdächtigen, der Primärverpackung, noch stammen? Dr. Gude, stv. Leiter des Schweizer Prüfinstituts SQTS, stellte detailliert den analytischen Nachweis der Mine­ ralölfraktionen MOSH/POSH/PAO/ MOAH dar. Beginnend bei den chemi­ schen Grundlagen zur Charakterisie­ rung der relevanten Kohlenwasserstoffe in den jeweiligen Fraktionen wurden die Zuhörer über die diversen Analysen­ methoden mittels Gaschromatographie (GC-FID, LCxLCxGC/FID, GCxGC/

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ToF …) an die Interpretation der Chro­ matogramme herangeführt. Mineralölverbindungen werden zumeist mit Erdöl assoziiert, allerdings enthalten auch einige Pflanzen von Natur aus ge­ sättigte Kohlenwasserstoffe in Form von Pflanzenwachsen, und die sogenannten „weißen Paraffine“, die in der (Haut-) Pflege eingesetzt werden, sind ebenfalls positiv besetzt. Die Ähnlichkeit der ge­ sättigten Mineralöle in ihrer chemischen Struktur ist die Ursache für Probleme in der Analyse und Auswertung, da die Verbindungen schwer bis nicht vonein­ ander zu unterscheiden sind. Die Ausführungen zur Analytik und der anspruchsvollen Auswertung der Mess­ ergebnisse erlaubten einen Einblick in die Schwierigkeiten einer korrekten chemisch-analytischen Messung und eine Abschätzung der Wahrscheinlich­ keit von falsch-positiven Befunden. Die Beherrschung der Methoden und der komplexen Auswertung kann nicht von vielen Laborinstituten nachgewiesen werden. Das Wissen von erfahrenen Experten ist unabdingbar, um die Her­


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STUD – PZ OTO LIA ©  F

ausforderungen und Stolperfallen in der Mineralölanalytik zu meistern. Mit der Schwierigkeit der korrekten Messung im Zusammenhang steht die Tatsache, dass bis dato keine rechtlich festgesetzten Grenzwerte existieren. Ein Vorschlag aus Deutschland bezieht sich unter Berücksichtigung der analytischen Einschränkungen lediglich auf Grenz­ werte für Mineralöl in rezykliertem Karton/Papier und für damit verpackte Lebensmittel. Die Bemühungen auf europäischer Ebe­ ne, bis 2018 eine EU-weite Regelung für MOSH und MOAH zu entwickeln, beziehen diesen Vorschlag und eine von Deutschland zur Notifikation vorgelegte Druckfarben- bzw. Mineralöl-Verord­ nung mit ein. Trotz aller Unwägbarkeiten kam es be­ reits zu wirtschaftlich einschneidenden Konsequenzen seitens des Lebensmittel­ handels. Die Lebensmittelversuchsan­ stalt sieht es als ihre Aufgabe an, gründ­ lich zu informieren und in der aktuellen Diskussion eine seriöse Argumentations­ grundlage zu stellen, um eine adäquate

IO.PL

technik technology

Unterstützung der Lebensmittelherstel­ ler in der jetzigen Lage anzubieten. Die Lebensmittelversuchsanstalt wird auch 2017 über die aktuellen Entwick­ lungen bei Mineralölrückständen und weiteren FCM-relevanten Themen in­ formieren. DI Christine Grabler F&E Projekte Lebensmittelversuchsanstalt, ­Klosterneuburg volume 41 | 01. 2017  ERNÄHRUNG | NUTRITION


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ZUKUNFT SMART FOOD ­FACTORY? Veränderte Prozesse sollen mehr Wertschöpfung generieren MANCHMAL VISION, MANCHMAL REVOLUTION, ZUM TEIL ABER AUCH SCHON REALITÄT: INDUSTRIE 4.0 IST EINES DER ZENTRALEN THEMEN DER LEBENSMITTELINDUSTRIE. MARTIN SCHÖGGL

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on außen sieht die Fabrik der Zukunft so aus wie die Fabrik von heute. Das Neue zeigt sich in den Pro­ zessen und in der Art und Weise, wie kommuniziert wird. In prak­ tisch allen Bereichen der Lebensmittelin­ dustrie sollen intelligente Produktions­ systeme entstehen, in denen Maschinen, Bauteile und Produkte sich selbst orga­ nisieren, steuern und kontrollieren. Will­ kommen im Zeitalter von Industrie 4.0. Dabei geht es vor allem um eines: Wert­ schöpfung. Wird das Szenario der ver­ netzten Produktion eines Tages Wirk­ lichkeit, könnte die Produktivität der Unternehmen um bis zu 30 Prozent steigen, heißt es bei der Deutschen Aka­ demie der Technikwissenschaften „aca­ tech“. Ziel ist eine intelligente Fabrik, die ihre komplexen Abläufe perfekt be­ herrscht, resistent ist gegen Ausfallzeiten und jederzeit flexibel auf Änderungen

im Produktionsprozess reagieren kann. Weil durch das autarke Steuern der Pro­ duktion keine Ausfallzeiten und Still­ stände mehr zu beklagen und die Ma­ schinen immer optimal ausgelastet sind, wird zudem weniger Energie notwendig sein. Auch der Materialverbrauch sinkt, da weniger Ausschuss anfällt – das schont nicht nur die Finanzen, sondern auch die knapper werdenden Rohstoffe. Diesem Potenzial werden sich Lebens­ mittelproduzenten vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen stellen müssen: • Teilweise schrumpfende Märkte füh­ ren zu verschärftem Verdrängungs­ wettbewerb • Steigende Kosten drücken auf die Rentabilität • Erhöhter Erwartungsdruck der Gesell­ schaft, z.B. Tierwohl, Abfallvermei­ dung • Sinkendes Vertrauen der Verbraucher

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• Nötige Flexibilisierung durch immer kleinere Losgrößen Eine Schlüsselrolle auf diesem Weg wird die Informationstechnologie überneh­ men. Gerade bei den komplexen Pro­ zessen in der Lebensmittelbranche liegt der größte Effekt in einer integrierten Planung, bei der die ERP-Welt sehr eng mit der technischen Produktions-Welt zusammenwächst. Eine Revolution in der Produktion? Inhaltlich bedeuten die neuen Möglich­ keiten der Smart Food Factory einen Umbruch. Allerdings existieren viele der Basistechnologien schon heute. Einige Ideen, welche Industrie 4.0 für sich beansprucht, sind in der Lebens­ mittelverarbeitung bereits Realität. Maschinen- und Betriebsdaten etwa werden schon längst online und direkt


17 technik technology

im Prozess erfasst. Die Anbindung von Manufacturing-Execution-Systemen an ERP-Systeme, also die Vernetzung des Shop Floors mit dem Top Floor, ist auch keine neue Entwicklung. Gleiches gilt für die Kommunikation von Maschine zu Maschine, etwa wenn es um die Er­ mittlung von Energieverbräuchen oder die Maschinenperformance geht. Die in­ telligente Fabrik kommt nicht von heute auf morgen, sondern als Evolution in vielen kleineren Schritten. Produktionslinien optimal auslasten Steigt der Automatisierungsgrad, dann wächst auch der Bedarf an Kontrolle. Engpässe, Stillstände, schlechte Ma­ schinenperformance und unzureichende Kapazitäten müssen rechtzeitig erkannt werden. Realdaten aus Produktion und Logistik werden damit zu kritischen Erfolgsfaktoren. Diese Daten müssen genau dann verfügbar sein, wenn sie

gebraucht werden. Sie sind die Entschei­ dungsgrundlage für das Management und die Produktionsleitung. Will man sie nutzen, um mit ihnen die Wertschöpfung zu erhöhen, dann ist Integration gefragt. Allein an den Maschinen sind die Infor­ mationen nur begrenzt hilfreich – zu ei­ ner besseren Prozessüberwachung tragen sie bei, wenn sie auch im ERP-System zur Verfügung stehen. Erst dann lassen sich die Informationen auch für unter­ schiedliche Kontexte aufbereiten. IT-Applikationen zur Aufzeichnung von Leistungsdaten liefern alle Informatio­ nen über die aktuelle Auslastung und die Leistungen sowohl der einzelnen Maschi­ nen als auch der gesamten Produktionsoder Verpackungslinie – in Echtzeit. Eng­ pässe und Störfälle können anschaulich visualisiert und dadurch schneller beho­ ben werden. Weil Anlagenstillstände und Ausfallzeiten auf ein Minimum reduziert werden, bleibt die Gesamtanlageneffekti­

vität (OEE – Overall Equipment Efficien­ cy) auf einem konstant hohen Level. Automatisierte Rohstoffbewertung Konkretes wirtschaftliches Potenzial versprechen auch Bildverarbeitungstech­ nologien, beispielsweise zur Bestimmung von Handelsklasse und damit Qualität bei Schlachtschweinen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit mo­ dernster Bildverarbeitung ist auch die vollautomatische Identifizierung, Sor­ tierung und Verzielung von Artikeln via Bildanalyse; beispielsweise zur maschi­ nellen Sichtprüfung am Ausgang einer Zerlegeabteilung. Im Gegensatz zu häu­ fig fehlerhaften menschlichen Prüfungen sichert diese Technologie eine konstante und gleichmäßige Qualitätsmessung. Damit ist sie auch für andere Branchen interessant, etwa wenn es darum geht, Obst und Gemüse nach Qualitätsstufen zu sortieren.

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Cloud als treibende Technologie Ein Stützpfeiler von Industrie 4.0 ist die Cloud. Sie wird eine der treibenden Tech­ nologien auf dem Weg zur Smart Food Factory sein. Cloud Computing gilt als eine der Basistechnologien, um das Da­ tenvolumen der Smart Food Factory be­ herrschbar zu machen. Wenn die Vision einer umfassenden Vernetzung zwischen Rohstoffen, Maschinen und allen an der Wertschöpfungskette beteiligten Prozes­

sen Wirklichkeit wird, werden nicht nur Effizienz und Flexibilität steigen. Es wer­ den auch Unmengen von Daten entste­ hen. Flexibel gestaltete IT-Ressourcen via Cloud sind hervorragend dazu geeignet, die immer komplexer werdende Infor­ mationsverarbeitung zu bewältigen. So ermöglicht die Integration cloudbasierter Systeme einen räumlich verteilten Zugriff auf Informationen über Rohstoffbedarf, Liefermengen und Kapazitäten.

person

Zur Person — Mag. Martin Schöggl ist Geschäfts­ führer der CSB-System Austria GmbH. Mit seinen skalierbaren Lösungen in den Bereichen Automatisierung, Di­ gitalisierung, Integration und Virtu­ alisierung begleitet CSB-System seine Anwender dabei, sich Stück für Stück der Smart Food Factory zu nähern. www.csb.com

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Virtualisierung der Supply Chain Ein transparenter Informationsfluss von der Beschaffung über die Produktion bis zum Service für die Kunden ist der Wunsch je­ des produzierenden Unternehmens. Aktuelle Praxisbeispiele zeigen, dass es schon heute möglich ist, Produkte und ihre Entstehung vom Feld bis auf den Teller vorauszuplanen und auch zu­ rückzuverfolgen. Die Wertschöpfungs­ kette ist lückenlos visualisierbar, denn die Informationen werden im laufenden Prozess konsequent und automatisiert von Prozessschritt zu Prozessschritt weitergegeben. Das führt so weit, dass Konsumenten heute an der IT-gestütz­ ten Rückverfolgung von Produkten partizipieren können. Wer Fleischpro­ dukte kauft, kann oftmals via Smart­ phone schnell und unkompliziert sämt­ liche Rückverfolgungsinformationen ermitteln. Ähnliche Beispiele existieren auch in anderen Branchen. Kontrollen werden in der Gemüseproduktion häufig bereits auf den Feldern durchgeführt. Verarbei­ tungsbetriebe kennen die Qualität der Rohstoffe, bevor sie angeliefert werden. Damit kann nicht nur die Produktion effizienter geplant werden, mit dieser In­


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formationsqualität können die Lieferan­ ten besser bewertet werden. Schritt für Schritt von der Vision zur Realität – aber wo anfangen? Die selbstständig arbeitende Lebensmittelfa­ brik ist zwar noch eine Vision, doch vie­ le Elemente der Produktionsarbeit von morgen finden sich bereits heute in der Lebensmittelindustrie. Jetzt geht es da­ rum, aus ihnen eine Gesamtlösung zu etablieren. Aber wo ist der Startpunkt? Es empfiehlt sich eine schrittweise Heran­ gehensweise. Lebensmittelproduzen­ ten sollten zunächst prüfen, wo es sich lohnt, Prozesse zu ändern und neue Technologien einzuführen. Diese Stra­ tegie ist erfolgversprechender, als direkt nach den Industrie-4.0-Sternen zu grei­ fen. Ein guter Einstieg kann die Einfüh­ rung mobiler Lösungen in Produktion und Logistik und die Implementierung produktionsnaher IT-Funktionen sein. Damit wäre die Basis gelegt, die einzel­ nen Prozesse vollständig digital abzubil­ den, wie zum Beispiel die Betriebsdaten­ erfassung oder die Rückverfolgung. Martin Schöggl, Geschäftsführer CSB-System Austria GmbH, Wien

FRUCHTSAFT ALS TÄGLICHE OBST­ERGÄNZUNG? —

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regelmäßige Verzehr von Obst und Gemü­ se trägt bei Jung und Alt zu einer optima­ len Versorgung des Körpers mit Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Ballast­ stoffen und sekundären Pflanzenstoffen bei. Deshalb empfiehlt die Weltgesundheits­ organisation (WHO), täglich mindestens 400 Gramm Obst und Gemüse zu essen.

[1] Eurostat, statistisches Amt der Europäi­ schen Union: „Verzehr von Obst und Ge­ müse in der EU“. Stand: 14. Oktober 2016 [2] Bundesministerium für Frauen und Ge­ sundheit: „Die österreichische Ernäh­ rungspyramide“. Stand: 30. November 2016 [3] Bundesrecht konsolidiert: „Rechts­ vorschrift für Fruchtsaftverordnung“. Stand: 1. Dezember 2016

INFORMATION: www.fruitjuicematters.eu

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Obst und Gemüse in der Ernährung Eine gesunde Ernährung fördert Leistung und Wohlbefinden und gibt dem Organismus, was er braucht. Der

Literatur ©  ISTOCK – BADMANPRODUCTION

n Österreich nahmen 2014 nur 7,2 % der Erwachsenen die emp­ fohlene Tageszufuhr von 5 Por­ tionen Obst und Gemüse zu sich.1, 2 Fruchtsäfte, wie 100% Orangensaft, die ohne Zusätze wie Zucker, Farbund Konservierungsstoffe abgefüllt werden 3, sind eine hervorragende Möglichkeit, um die Obstzufuhr un­ kompliziert zu steigern. In Maßen konsumiert, zum Beispiel ein Glas mit 200 ml pro Tag, kann Orangensaft so zu einer gesunden Lebensweise beitra­ gen.


55 recht law

TERMINE __

07.–10.03.2017

19.–22.03.2017

10.04.2017

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FooD-STA-Workshop: New Ventures and Business Modeling ISEKI-Food Association

www.pro2pac.co.uk

office@iseki-food.net

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franz.ernstbrunner@wko.at

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22.–23.03.2017 WIEN

15.03.2017 WIEN

Der Pathogenentag/­ Grundlagen der pathoge­ nen Keime, Epidemiologie, ­Risikopotential LVA-Verein seminare@lva.at

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Grundlagen Lebensmittel­ recht: Einführung in das Lebensmittelrecht, Sorgfalts­ pflichten des Unternehmers, Rückverfolgbarkeit, Kenn­ zeichnung, Hygiene und amt­ liche Kontrolle LVA-Verein

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25.–27.04.2017 WIEN

GREENFOODS-Training Training zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energi­ en in der Lebensmittel- und ­Getränkeherstellung Energieinstitut der Wirtschaft office@energieinstitut.net

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seminare@lva.at

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