DIE ERNÄHRUNG Österreichische Zeitschrift für Wissenschaft, Recht, Technik und Wirtschaft
VOLUME 42 | 03/04 2018
Österreich isst informiert Gutes Gewissen beim Essen Seite 4
Alles Bullshit? Seite 20 © Gerald Mollay
ÖSTERREICHISCHE POST AG MZ 14Z040109 M SPV PRINTMEDIEN GMBH, FLORIANIGASSE 7/14, 1080 WIEN
Eine Initiative der Lebensmittelindustrie
ABSTRACTED IN CHEMICAL ABSTRACTS ABSTRACTED IN SCOPUS
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Eurobox: Thermoboxen sind cool
wirtschaft economy
Logistik Die Zeiten, als die Verpackung lediglich eine Funktion hatte, nämlich eine Ware auf dem Transport von A nach B oder während der Lagerung zu schützen, sind längst vorbei. Verpackung und Verpackungssysteme der EuroBox in Theresienfeld in der Nähe von Wiener Neustadt (NÖ) für den österreichischen und deutschen Markt sind ein zentrales Element in der Logistik-Kette vom Produzenten bis zum Verbraucher – gleich, ob dies ein Weiterverarbeiter oder der Konsument ist.
Dementsprechend konzipiert, produziert und liefert EuroBox innovative, maßgeschneiderte Verpackungslösungen für alle Zwecke des Transports und der Lagerung. Qualität, Zweckmäßigkeit, optimaler Schutz, Hygiene und Kosteneffizienz sind dabei eine Selbstverständlichkeit. Eine immer größere Rolle spielt bei Verpackungssystemen der Aspekt der Nachhaltigkeit. Im Vordergrund stehen dabei der Einsatz umweltfreundlicher Materialien oder die Mehrfachverwendung.
Einweg-Thermoboxen aus EPS (expandiertes Polystyrol = Styropor) Unsere Isolierbehälter aus expandiertem Polystyrol (Styropor) sind hervorragend geeignet für einmalige und einfache Anwendungen. Das Material eignet sich aufgrund seiner vielfältigen Eigenschaften für den direkten Kontakt mit allen Arten von Lebensmitteln und ist sowohl geruchs- als auch geschmacksneutral, was unsere Boxen zur perfekten Lösung für den Frischeversand von Fleisch, Käse etc. macht. Als günstige Einweglösung sind unsere Styroporboxen für verschiedenste Aufgaben geeignet (der Art. 071-16020 ist beispielsweise perfekt für die Verwendung mit Bienenwaben geeignet) und können problemlos mit Post bzw. Paketdienst verschickt werden.
Mehrweg-Thermoboxen aus EPP (expandiertes Polypropylen) Thermoboxen und Isolierboxen für den professionellen Anspruch zum Kühl- bzw. Warmhalten: Besonders stabile Boxen für die Verwendung mit Gastronorm bzw. Eurobehältern oder für jegliche weitere Anforderung im Lebensmittel- und Cateringbereich. Mit den verschiedenen Grundmaßen und Höhen sind Sie ab sofort für alle Anwendungsfälle gerüstet. Ob Catering mittels Gastronorm-Behälter, Pizzakartons, Getränke oder für Süßspeisen finden Sie in unserem Sortiment alles, was der temperierte Transport von Lebensmitteln erfordert. Die Thermoboxen von EuroBox bieten Ihnen einzigartige Vorteile: Sie sind besonders robust, haben hervorragende Isoliereigenschaften in einem Spektrum von eiskalten –40° C bis zu kochend heißen +120° C. Der mittlere Temperaturverlust /-anstieg liegt zwischen 1° bis 3° C pro Stunde (unter der Voraussetzung einer optimalen Befüllung). Die Boxen sind stapelbar, einfach im Handling und komfortabel in der Pflege: Spülmaschinenfest bis zu 80° C und leicht zu reinigen. EPP ist zu 100 % recycelbar und frei von Schadstoffen.
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Isoliercontainer für große Volumen (Kunststoff ausgeschäumt) Der Isothermal Container wird vor allem für Lebensmittel oder Medikamente verwendet, die konstante Temperaturverhältnisse beim Transport benötigen. Er eignet sich besonders gut in Bereichen wie der Lebensmittelindustrie oder Pharmabranche. Die äußerst heikle Auslieferung von Produkten vom Lager bis zum Verkaufsort mit vielen Stationen wird durch diesen Behälter erheblich erleichtert. Er ist eine flexible Transportlösung, die sich optimal in die Logistik einfügt und mit hoher Zuverlässigkeit eine ununterbrochene Kühlkette garantiert. Für besondere Ansprüche kann der Container auch mit einer Kühleinheit ausgerüstet werden. Für alle Anforderungen ist der Behälter mit einem Volumen von 370, 500 oder 1.000 Liter erhältlich.
Der Thermobehälter der Serie MED Bestens geeignet für den temperaturüberwachten Transport und die Lagerung von biomedizinischen Produkten, wie Impfstoffen, Laborproben für klinische Tests bzw. Umweltanalytik, Arzneimittel, chemotherapeutische Mittel, Blut und Blutprodukte, Organe, sowohl in der biomedizinischen als auch in der pharmazeutischen Industrie, in Analyse-Anstalten und Laboratorien. Lückenlose elektronische Fernüberwachung sowie Dokumentation von Temperatur, Stromversorgung und Öffnungsaktivitäten des Deckels. Zusätzliche Alarmauslösung bei Temperaturabweichungen oder Spannungsabfall der Energieversorgung via SMS und E-Mail.
Eurobox Österreich A-2604 Theresienfeld, Gewerbeparkstraße 5 Tel.: +43(0) 2622 66770 | Fax: +43(0) 2622 66770-10 www.eurobox.at | E-Mail: office@eurobox.at
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INHALT —
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Liebe Leserin, lieber Leser,
WIRTSCHAFT economy
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04 Gutes Gewissen beim Essen 08 Fakten statt Mythen 20 Alles Bullshit? 24 Die Macht der Marke 28 Wissenschaft praxisnah 30 Glyphosat: Angst als Geschäftsmodell? 32 Risikobewertung im Fokus 35 Sichere Meeresfrüchte 36 † Klaus Smolka 1937–2018 38 Schlechte Einflüsse bleiben draußen
ist wirklich drin, was draufsteht? Sind E-Nummern böse? Und macht Zucker per se dick? Solche Fragen stellen sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich bin überzeugt: Wir müssen diese fundierten Fakten beantworten – nur so können wir Menschen erreichen und Mythen wirksam begegnen! Mit oesterreich-isst-informiert.at setzen wir diesen Anspruch in die Tat um.
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Die neue Online-Wissensplattform wurde beim Jahresempfang der Lebensmittelindustrie Ende Mai in der Wiener Hofburg präsentiert. Rund 300 Gäste waren dem Motto „Fakten, Mythen, Halbwahrheiten?“ gefolgt. Nach dem Auftakt durch Bundesministerin Elisabeth Köstinger ging „Bullshit Buster“ Axel Ebert in seiner launigen Keynote populären Irrtümern auf den Grund. Einen Rückblick in Bildern finden Sie ab Seite 8.
TECHNIK technology 40 Migration aus der Verpackung
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KURZMELDUNGEN news 42 Bio-Regelungen 42 Nachhaltigkeit im Fokus
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WISSENSCHAFT science 44 Palmöl-Boykott ist keine Lösung
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RECHT law 46 Kennzeichnungsrelevante Aspekte bei der Abgrenzung von Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffen 49 Codex Alimentarius Lebensmittelkennzeichnung – quo vadis? 52 EU-Binnenmarkt durch Herkunftskennzeichnung in Gefahr? 55 Entscheidungssammlung: VwG Wien zur „unmittelbaren Nähe“ von MHD und Aufbewahrungsbedingungen 34 Impressum
Ein heißdiskutiertes Thema war auch die geplante verpflichtende Herkunftskennzeichnung. Bei vielen Agrarrohstoffen in Österreich ist Selbstversorgung gar nicht möglich, sagt Herbert Fuchs, CEO von Gourmet, im Interview in dieser Ausgabe. Wie Interessengruppen Themen für ihre Ziele instrumentalisieren, zeigt Andreas Hensel vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung am Beispiel Glyphosat. In diesem Sinne: Bleiben wir kritisch und setzen wir weiterhin auf Fakten!
Katharina Koßdorff
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4 wirtschaft economy
GUTES GEWISSEN BEIM ESSEN DIE ERNÄHRUNG SPRACH MIT HERBERT FUCHS, GESCHÄFTSFÜHRER VON GOURMET, ÜBER DIE BESONDEREN HERAUSFORDERUNGEN BEI DER GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG, AUSGEWOGENE SPEISEPLÄNE, NACHHALTIGKEIT UND GUTES GEWISSEN BEIM ESSEN, REGIONALITÄT VON ROHSTOFFEN UND WIE MAN MENSCHEN GESUNDE ERNÄHRUNG SCHMACKHAFT MACHT. OSKAR WAWSCHINEK
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ie Ernährung: Immer mehr Mahlzeiten werden außer Haus konsumiert. Ihr Unternehmen hat sich auf die Gemeinschaftsverpflegung spezialisiert. Worauf kommt es dabei an, was ist das Erfolgsgeheimnis? Herbert Fuchs: Wir widmen unseren Kunden unsere ganze Aufmerksamkeit. Unser gesamtes Tun und Handeln ist darauf ausgerichtet, dass unsere Kunden auf einfache Art und Weise gute und individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Verpflegungslösungen in Anspruch nehmen können. Wir arbeiten dialogorientiert, partizipativ, transparent und nachhaltig. Außerdem sind wir als Marktführer der Benchmark für Sicherheit, Stabilität und Innovationskraft. Wie ist das Unternehmen aufgebaut und wie auf die Zukunft ausgerichtet? Fuchs: Wir haben mehrere, unterschiedliche Standbeine. Wir sind Gemeinschaftsverpfleger, Privat Label Anbieter und auch Gastronomen. Auf diese Vielseitigkeit setzen wir auch in Zukunft. Welche Schwerpunkte setzen Sie (Nachhaltigkeit, Infos speziell für Kinder, Zusammenarbeit mit WWF etc.)?
Fuchs: Als Marktführer in der Gemeinschaftsverpflegung haben wir nicht nur Verantwortung für unsere Gäste, sondern können viel für die Umwelt und das Klima bewirken. Deshalb nehmen wir die Nachhaltigkeit in unserem Unternehmen so ernst. Eigene Umweltteams arbeiten laufend an einer Verbesserung der Standards beim Energie- und Wasserverbrauch. Mehr als zwei Drittel aller Lebensmittel, die wir einkaufen, sind aus Österreich, viele davon in BIO-Qualität. Wir leben nach dem Prinzip der Öko-Effizienz. Gemeinsam mit dem WWF Österreich haben wir eine mehrjährige Partnerschaft gestartet und wollen unsere Gäste für klimafreundliche Ernährung begeistern. Beispielsweise mit Klimaschutz-Wochen in 2.000 Unternehmen, mit klimafreundlichen Speiseplänen beim Schulessen oder mit unserer Klima-Kochwerkstatt, ein interaktives Format, das Jugendlichen mit anschaulichen Beispielen vermittelt, wie wichtig eine gesunde Ernährung mit saisonalen und regionalen Lebensmitteln für das Klima und die Umwelt ist. Themen wie der ökologische Fußabdruck und Nachhaltigkeit werden so begreifbar und die Jugendlichen positiv motiviert, selbst einen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.
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Wie sehen Sie die Situation generell – welche Trends und Probleme beeinflussen Ihre Entscheidungen für das Unternehmen? Fuchs: Unsere Kunden wünschen sich immer unterschiedlichere, individuellere Ernährungslösungen. Das ist herausfordernd, bietet uns als erfahrenem und vielseitigem Unternehmen aber auch die Chance, uns noch klarer vom Mitbewerb abzugrenzen. Denn aufgrund unserer Größe und unserer hohen Koch- und Ernährungskompetenz ist es uns möglich, ganz individuelle Verpflegungslösungen für die jeweilige Zielgruppe zu entwickeln und anzubieten. Der aktuelle Trend zu gesundem und nachhaltig gekochtem Essen ist bei GOURMET schon lange angekommen. Ausgewogene Speisepläne, gesunde Gerichte, die schmecken und fit für die Schule oder die Arbeit machen, gehören zu unserem Selbstverständnis als verantwortungsvolles Unternehmen. Dazu gehört auch unser Fokus auf nachhaltige Zutaten und Öko-Effizienz in allen Bereichen. Was halten Sie vom Trend zu Regionalität? Wie gehen Sie damit um? Und wo kommen die Lebensmittel für Ihre Produkte her?
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Wie sieht es mit dem Bioanteil aus? Wie ist die Verfügbarkeit aus Ihrer Sicht? Fuchs: Als BIO-Pionier der Branche setzen wir so oft wie möglich auf natürliche, biologische Lebensmittel. Wir haben uns bereits 1997 BIO-zertifizieren lassen, als erster in der Gemeinschaftsverpflegung. Bereits ein Viertel aller Lebensmittel stammt aus ökologischer Landwirtschaft, damit sind wir ein wichtiger Abnehmer für den heimischen BIO-Sektor. Viele von unseren Partnerbetrieben sind gemeinsam mit uns über die Jahre gewachsen, sie kennen unser Qualitätsverständnis und unseren Bedarf ganz genau, so ist es möglich, fallweise auftretende, kurzfristige Engpässe zu überstehen. Wir könnten, mit gewisser Vorlaufzeit, auch einen deutlich höheren BIO-Anteil umsetzen. Voraussetzung dafür ist, dass die Konsumenten auch bereit sind, für BIO in der Gemeinschaftsverpflegung mehr zu zahlen. Was halten Sie von der heftig diskutierten verpflichtenden Herkunftskennzeichnung generell? Wie würden Sie damit umgehen? Fuchs: Unsere Einkaufsprinzipien sind bereits jetzt für unsere Kunden transparent und nachvollziehbar. Wir kommunizieren die Herkunft von Lebensmittelgruppen auf unterschiedlichsten Kanälen. Die verpflichtende Herkunftsangabe ist aus meiner Sicht
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Fuchs: Ich kann gut nachvollziehen, dass in unserer globalen, digitalen Welt die Menschen Sehnsucht nach Vertrautem haben. Wir kaufen selbst am liebsten bei Lieferanten in der Nachbarschaft unserer Küchen ein, insgesamt kommen bereits mehr als zwei Drittel unserer Zutaten aus Österreich. Wir arbeiten allein im Bereich Lebensmittel mit rund 350 bis 400 Lieferanten zusammen. Künftig wollen wir noch enger mit der Ur-Produktion kooperieren. Der neueste Trend – weg von der Region Österreich, hin zur Mikroregionalität – ist für die Gemeinschaftsverpflegung aber großteils nicht umsetzbar, abgesehen von der Obstjause oder dem Brot und Gebäck vom regionalen Bäcker. Die Branche kocht für hunderttausende Gäste täglich und braucht größere Mengen an Lebensmitteln in annähernd gleicher Qualität.
kontraproduktiv, denn es gibt einige Rohstoffe, bei denen der Selbstversorgungsgrad in Österreich nicht gewährleistet ist. Man wäre hier unter Umständen sogar gezwungen, alles in anderen Ländern einzukaufen, weil sich der administrative Aufwand und die Verpackungskosten durch mehrere Herkunftsländer sehr stark erhöhen würden. Bei einem nationalen Alleingang von Österreich hätten wir außerdem einen Nachteil gegenüber unseren Mitbewerbern, beispielsweise bei Ausschreibungen in
Deutschland oder im Lebensmitteleinzelhandel. Es gibt bereits verschiedene Systeme, die die Herkunft von Rohstoffen in der Gemeinschaftsverpflegung nachweisbar machen wollen, wie z. B. „Gut zu wissen“. Da wurde auch eine Richtlinie erarbeitet. Wie sehen Sie die Ergebnisse und was wünschen Sie sich? Fuchs: Ich finde jedes System, das der Differenzierung dient, sehr gut, insofern es auf Freiwilligkeit beruht und
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unterscheidet uns auch von vielen anderen Anbietern.
Wie schätzen Sie gesellschaftliche Trends wie vegan oder vegetarisch, glutenfrei bzw. generell „Free from …“ ein? Wie reagieren Sie darauf? Fuchs: Gesundheit und Individualisierung sind zwei der Trends, die uns als Unternehmen besonders beschäftigen. Viele unserer Kunden haben spezielle Ernährungs-Bedürfnisse, und wir wollen es ihnen ermöglichen, das zu essen, was ihnen guttut. Das ist unserer Ansicht nach gerade in der Gemeinschaftsverpflegung besonders wichtig, wenn die Gäste täglich oder zumindest mehrmals in der Woche bei uns essen. Wir bieten eine große Auswahl an vegetarischen Gerichten, aber auch gluten- und laktosefreie Speisen oder Sonderkostformen an. Denn wir beschäftigen nicht nur Köche, sondern auch eine Reihe von Ernährungsexperten und Diätologen. Das
Wie sehen Sie das Thema Ernährungsbildung? Wissen die Menschen genug über Lebensmittel und deren Verarbeitung? Sollte da die Regierung Maßnahmen setzen – z. B. in Schulen? Sie sind ja bereits aktiv geworden … Fuchs: Zum Thema Ernährung kann man gar nicht genug wissen. Denn wir sind täglich mit einer Flut an Informationen, aber auch falschen Mythen konfrontiert. Wir setzen als Unternehmen an mehreren Stellen an, um gesundes Essen und Wissen zum Thema Ernährung unter die Leute zu bringen. Auf unseren Websites und dem Unternehmens-Blog oder mit Vorträgen unserer Ernährungsexperten in Betrieben oder bei Elternabenden. Weil schon bei Kindern die Basis für das künftige Ernährungsverhalten gelegt wird, gehen wir auch regelmäßig zu Kochkursen in die Schulen. Rund 50
about
Zum Unternehmen —
GOURMET ist führender Experte für Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie und kocht für Kindergärten, Schulen, Unternehmen und Senioreneinrichtungen, den Einzelhandel sowie bei Events und in TopGastronomiebetrieben. Als österreichisches Unternehmen mit mehr als 40 Jahren Erfahrung bietet GOURMET gesunde, natürliche Produkte aus regionalen, saisonalen Zutaten, Qualität, Sicherheit und Verlässlichkeit. BIO-Qualität und Nachhaltigkeit haben dabei einen besonderen Stellenwert. Zu den Kunden von GOURMET zählen 2.500 Unternehmen, 2.700 Kindergärten und Schulen, 120 Senioren
einrichtungen, 2,2 Mio. Gäste pro Jahr in Gastronomiebetrieben sowie der Lebensmitteleinzelhandel, Diskont und Großverbraucher in Österreich und Deutschland. GOURMET ist ein Tochterunternehmen der VIVATIS Holding AG. So nachhaltig kocht GOURMET: • BIO-Zertifikat seit 1997 • MSC-Zertifikat seit 2008 • Interne Umweltteams • klimaaktiv Projektpartner • Partner der Initiative United Against Waste • ÖkoBusinessPlan-Betrieb • Partnerschaft für eine klima freundliche Ernährung mit dem WWF Österreich • 2017 & 2018 Nominierung für den Umweltpreis der Stadt Wien Mehr zu GOURMET unter: www.gourmet.at
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Mal im Jahr veranstalten wir diese Kinder-Kochwerkstätten. 10.000 Kinder haben wir so schon erreicht und mit ihnen gemeinsam Gesundes gekocht. Ein neues Schul-Projekt für ältere Kinder ist die GOURMET-Klimakochwerkstatt, die gemeinsam mit dem WWF Österreich entwickelt wurde. Hier erleben Schüler auf interaktive Weise, was gesunde Ernährung mit Klima und Umweltschutz zu tun hat. Sind Zucker- und Fettsteuern oder Werbe verbote ein gangbarer Weg? Sind das Möglichkeiten, die Ihrer Meinung nach gesellschaftliche Probleme wie Adipositas, Bluthochdruck etc. – meist im Zusammenhang mit mangelnder Bewegung – lösen können? Fuchs: Es geht darum, Menschen gesunde Ernährung schmackhaft zu machen. Denn achtsamer Genuss muss nicht Verzicht beim Geschmack bedeuten. Ich halte nichts von Verboten, weil ich selbst als Konsument auch nicht so behandelt werden will. Wir setzen Zutaten sorgsam ein und nutzen moderne, fettarme Zubereitungsmöglichkeiten. Vor allem aber informieren und sensibilisieren wir: Mit der Kinder-Kochwerkstatt in den Schulen, mit Aktionswochen in den Kantinen, auf unserem Unternehmensblog und durch unsere Kooperation mit dem WWF für eine ausgewogene und damit auch klimafreundliche Ernährung. Wie sehen Sie den Standort Österreich? Welche Vor- und Nachteile hat er (Stichworte Lohnnebenkosten, Bürokratie etc)? Haben Sie dazu Wünsche an die Bundesregierung? Fuchs: Österreich ist grundsätzlich kein schlechter Wirtschaftsstandort, insbesondere für unsere Branche,
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gute Kontrollmechanismen vorhanden sind.
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Zur Person
weil wir ja als Feinkostladen Europas gelten. Leider gibt es mittlerweile eine Überregulierung, die Investitionen und Wachstum hemmt, anstatt die Wirtschaft zu stärken. Der Wirtschaftsstandort könnte stärker an Attraktivität gewinnen, wenn die Lohnnebenkosten weniger und gesetzliche Rahmenbedingungen langfristiger planbar wären. Wie wird in Ihrem Unternehmen speziell mit dem Thema Nachhaltigkeit (Stichwort Food Waste) umgegangen? Fuchs: Lebensmittel verwenden statt verschwenden – das ist schon aus wirtschaftlicher Sicht für uns unerlässlich. Gleichzeitig wollen wir auch aktiv unsere Umwelt schützen, und das gelingt durch die Reduktion von Lebensmittel-Abfällen sehr gut. Denn betrachtet man die gesamte Nahrungsmittelkette, kommt ein gewichtiger Teil des ökologischen Fußabdrucks vom Lebensmittel selbst. Bei unserem erprobten Liefersystem kann die jeweilige Menge an Speisen besonders genau auf den Kunden abgestimmt werden. Unsere Erfahrung ist, wenn individuell bestellt und punktgenau erwärmt werden kann, landet entsprechend weniger Essen im Müll. Das wird in der gesellschaftspolitischen Diskussion von den Befürwortern kleiner, dezentraler Küchen oft negiert. In unseren Betriebsrestaurants setzen wir als Teil der Initiative United Against Waste eine Reihe von Maßnahmen zur Rettung von Lebensmitteln um. Außerdem darf ein Menü auch mal aus sein und bei Bedarf kurzfristig nachgekocht werden. Die Gäste haben dafür eigentlich meist Verständnis, wenn man dazu entsprechend kommuniziert. Zuletzt haben wir das wieder intensiv bei einer Kampagne gemeinsam mit unserem Partner WWF Österreich gemacht.
Biographie Herbert Fuchs, gebürtiger Kärntner, startete seine berufliche Karriere im österreichischen Handel. Weitere Erfolge und Erfahrungen im Lebensmittelbereich sammelte er unter anderem in der Systemgastronomie. Vor seinem Schritt zu GOURMET begleitete er die GOURMET Catering Service als Geschäftsführer. Im Juli 2007 übernahm Herbert Fuchs die Geschäftsführung der GOURMET Menü-Service GmbH & Co KG, 2008 die Geschäftsführung der Kulinarik Gastronomie und Frischküche GmbH, beides Unternehmen der GOURMETGROUP. Seit der firmenrechtlichen Zusammenführung dieser beiden Unternehmen im Jänner 2014 ist Herbert
Welchen Stellenwert haben Innovation und Qualitätsmanagement in Ihrem Unternehmen? Fuchs: Wir müssen uns am Markt differenzieren und Wettbewerbsvorteile schaffen. Das funktioniert nicht ohne Innovationsmanagement. Wir sind nicht nur offen für Neues, sondern nehmen uns auch die notwendige Zeit, damit wir unseren Kunden Lösungen mit Mehrwert anbieten können. In die strategischen Überlegungen, die wir anhand des BIG Picture Modells umsetzen, sind nicht nur Management und Innovationsmanager eingebunden, sondern alle kreativen Kräfte im Haus. Sicherheit und Qualität haben bei uns als verantwortungsvoller Caterer natürlich einen besonders hohen Stellenwert. Keine Speise verlässt unsere Küche, bevor sie von geschulten Teams verkostet und genau kontrolliert wurde. Unser Qualitätsmanagement stellt sicher, dass unsere hohen Ansprüche an Lebensmittelsicherheit und Qualität erfüllt werden. Wir stellen uns auch laufend externen, strengen Überprüfungen und schneiden dabei immer außergewöhnlich gut ab.
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Fuchs in der Geschäftsführung der GMS GOURMET GmbH und für die Bereiche Vertrieb, Marketing, Innovation und Entwicklung verantwortlich. Herbert Fuchs ist Vater einer Tochter.
Wie sehen Sie die verschiedenen Standards? Können Sie Audits für die Verbesserung Ihrer Betriebsabläufe nutzen? Fuchs: Wir sehen unabhängige, strenge Kontrollen als Chance, uns laufend zu verbessern. D.h. wir sind in diesem Bereich extrem ehrgeizig und gelten als „Musterschüler“. Standardisierte Abläufe und Spezifikationen, transparente Dokumentation, festgelegte Kontrollpläne und intensive Schulung der Mitarbeiter gehören bei uns zum Alltag. Die Benchmark sind dabei die höchsten internationalen Anforderungen, die oft weit über die gesetzlichen Vorgaben in Österreich hinausgehen. ISO, FSSC, IFS, BIO, ÖGE, MSC oder HG sind nur einige davon. Im Vorjahr waren es insgesamt 59 externe Audits, die wir gemeistert haben. Kochen Sie selbst? Was ist Ihr Lieblingsessen? Fuchs: Ich koche manchmal selbst, viel lieber aber gehe ich essen. Ich esse sehr gerne Hausmannskost, denn sie ist regional unterschiedlich und wenn sie gut gemacht ist, dann kann ich mich sehr dafür begeistern.
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FAKTEN STATT MYTHEN „FAKTEN, MYTHEN, HALBWAHRHEITEN?“ – UNTER DIESEM MOTTO LUD DIE ÖSTERREICHISCHE LEBENSMITTELINDUSTRIE AM 29. MAI 2018 ZU IHREM 17. JAHRESEMPFANG. IM ZENTRUM DES ABENDS STAND DIE FRAGE, WIE MYTHEN RUND UM LEBENSMITTEL ENTSTEHEN UND WELCHE ROLLE FAKTEN SPIELEN, UM VORURTEILEN ENTGEGENZUWIRKEN: DIE NEUE ONLINE-PLATTFORM „ÖSTERREICH ISST INFORMIERT“ BIETET WISSEN RUND UM LEBENSMITTEL UND EINBLICKE IN DIE HERSTELLUNG. OSKAR WAWSCHINEK
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und 300 Spitzenvertreter aus Wirtschaft und Politik sowie Partner entlang der gesamten Lebensmittelkette trafen im festlichen Ambiente des Zeremoniensaals der Hofburg Wien zusammen. Fachverbandsobmann Marihart fordert Entlastung zur Attraktivierung des Standorts Österreich Der Obmann des Fachverbands der Lebensmittelindustrie, GD KR DI Johann Marihart, wies auf das erfolgreiche Jahr 2017 für die Lebensmittelindustrie hin: „Trotz weiterhin fordernder Rahmenbedingungen haben die heimischen Lebensmittelhersteller wieder über 8 Milliarden Euro abgesetzt. Treiber war einmal mehr der Export: Hier haben wir um 8,5 Prozent zugelegt, insbesondere auf Märkten außerhalb Europas.“ Österreichische Lebensmittel sind auf über 180 Märkten weltweit gefragt – damit ist die Lebensmittelindustrie das internationale Zugpferd für den gesamten Agrar- und Lebensmittelsektor. Damit das so bleibt, fordert Marihart weiterhin Rückendeckung durch die Politik.
Viele von der neuen Bundesregierung angekündigte Vorhaben seien gut für unser Land, besonders jene zum Bürokratieabbau. Jetzt gelte es, diese auch umzusetzen. Als Beispiel hob Marihart die Vermeidung von Gold Plating – die Übererfüllung von EU-Regelungen – hervor. Die von der Regierung geplante verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln stehe dazu jedoch in Widerspruch. „Wir fordern einheitliche Spielregeln auf EU-Ebene und keinen nationalen Alleingang bei der Lebensmittelkennzeichnung. Das schwächt unsere mehr als zwei Drittel exportintensiven Betriebe!“, so Marihart.
Marihart:
Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir Initiativen, die unseren Standort unterstützen
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Bundesministerin Köstinger unterstützt Dialog mit der Lebensmittelwirtschaft Das AMA-Gütesiegel sei eine österreichische Erfolgsgeschichte, so die Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger. Bei der geplanten nationalen Herkunftskennzeichnung wolle man den Dialog mit den betroffenen Wirtschaftszweigen intensivieren. „Darüber hinaus werden wir auf europäischer Ebene weiterhin sehr intensiv an Regelungen zur Herkunftsinformation arbeiten“, erklärte Köstinger. „Die Verbraucher haben mit Recht den Wunsch, zu wissen, woher die Lebensmittel kommen.“ Zu der im Regierungsprogramm vorgesehenen Förderung der Gesundheitskompetenz sagte die Ministerin: „Den Konsum einzelner Nährstoffe oder Lebensmittel schlechtzureden oder durch Maßnahmen wie eine Lebensmittelampel zu steuern, ist der falsche Weg. Wir müssen mit Hausverstand an dieses Thema herangehen und die Eigenverantwortung der Verbraucher stärken.“ „Bullshit Buster“ Axel Ebert geht Halbwahrheiten auf den Grund Die bekannte ZIB-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann begrüßte auch den Key-
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Johann Marihart, Katharina Koßdorff, Elisabeth Köstinger, Marie-Claire Zimmermann, Axel Ebert
zielgruppengerechte Bilder und Wörter verwenden („Framing“) und sich auf wenige, stichhaltige Argumente fokussieren. Fachverbandsgeschäftsführerin Koßdorff präsentiert „Österreich isst informiert“ Für die Geschäftsführerin des Fachverbands, Mag. Katharina Koßdorff, zeigen aktuelle Beispiele wie die Debatte über Palmöl, wie rasch sich Vorurteile in den Köpfen festsetzen können. Gerade eine überspitzte mediale Diskussion führe bei vielen Konsumenten zu Verunsicherung und fördere die Entstehung von Mythen. „Um dem entgegenzuwirken und Menschen zu erreichen, bieten
wir verstärkt Wissen und Fakten zu Lebensmitteln und deren Herstellung an.“ Ein Beispiel ist das jüngste Projekt der heimischen Lebensmittel industrie: Mit der Online-Wissensplattform „Österreich isst informiert“ zeigen die Hersteller, wie sich moderne Lebensmittel zusammensetzen und geben Einblicke in die Produktion. Auf oesterreich-isst-informiert.at finden Interessierte Wissen zur Lebensmittelverarbeitung, Eckdaten zur Branche und Tipps zum Umgang mit Nahrungsmitteln. DI Oskar Wawschinek, MAS, MBA Pressesprecher für den Fachverband der Lebensmittelindustrie
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note-Speaker Axel Ebert. Der Buchautor („Bullshit Busters“) präsentierte bekannte Irrtümer, Halbwahrheiten und Mythen aus Vorträgen, TV und Büchern. Der Ernährungsbereich kämpfe vielfach ebenso mit Ideologien und „Fake News“ wie der Kommunikationsbereich, sagte der Experte. Es würden bewusst Halbwahrheiten verbreitet, um damit ein Ziel zu erreichen, so Ebert. Für diese Ignoranz gegenüber Fakten habe sich in der Philosophie seit rund 15 Jahren der Fachbegriff „Bullshit“ etabliert. Wie lassen sich aus Sicht von Ebert Menschen dennoch überzeugen, sich von „falschen“ Vorstellungen zu trennen? Die Empfehlung des Experten: Fakten betonen, Alternativen anbieten,
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10 empfang reception
Johann Marihart, Josef Moosbrugger
BM Elisabeth Köstinger, Johann Marihart
Siegfried Menz, Harald Hauke
Michael Blass, Birgit Wagner
Günter Griesmayr, Christian Gessl, Franz Stefan Hautzinger
ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 42 | 03/04 2018
11 empfang reception
Astrid Sibitz, Josefine Sinkovits, Daniela Nowotny, Birgit Howorka
Peter Loosen, Andreas Natterer, Angelika Mrohs
Joachim Stüssi, Christopher Mayr, Jürgen König
Katharina Koßdorff, Ferdinand Lembacher
Katharina Koßdorff, Siegfried Menz
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Stefan Obersteiner, Roland Raffer, Elisabeth Damm
Birgit Schöppl, Michael Meixner
Andreas Rauch, Josef Dietrich
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12 empfang reception
Gerald Hackl, Rochus Nepf
Katharina Koßdorff, Marcus Girnau, Daniela Muchna, Peter Loosen, Florian Tschandl, Andreas Natterer, Angelika Mrohs
Katharina Koßdorff, Walter Barfuß, Sylvia Paliege-Barfuß
Günter Griesmayr, Josef Moosbrugger
Angela Teml, Sonja Lemberger, Tina Kodritsch
Regina Aigmüller, Gisela Reinecke
Florian Fellinger, Robert Pichler
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empfang reception
Petra Zeinhofer, Lukas Stifter
Christoph Henöckl, Andreas Wolfsberger, Daniela Bogner
Christoph Neumayer, Birgit Wagner
Raimund Wachter
Helmut Röck, Maria Pein, Bernhard Gitl
Jürgen Hagenauer, Otto Prieler
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14 empfang reception
Josef Moosbrugger, Hermann Pfanner, Hermann Schultes
Irene Wallner, Julian Drausinger
Daniel Bsteh, Livia Kolmitz, Katharina Koßdorff, Peter Reinecke
Maria Panuschka, Christof Schwaiger, Hannes Scherbichler
Otto Prieler, Johannes Fankhauser
Katharina Koßdorff, Marie-Claire Zimmermann
Elisabeth Köstinger, Oskar Wawschinek
Birgit Wagner, Alfred Schrott, Karin Steinhart, Harald Bogner
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15 empfang reception
Andreas Urban, Klaus Möller
Johann Marihart, Katharina Koßdorff, BM Elisabeth Köstinger, Marie-Claire Zimmermann, Axel Ebert
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Nikolaus Berlakovich
volume 42 | 03/04 2018 ERNÄHRUNG | NUTRITION
16 empfang reception
Marie-Claire Zimmermann, Johann Marihart
Axel Ebert
Marie-Claire Zimmermann, Katharina Koßdorff, Johann Marihart
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17 empfang reception
Florian Hauk, Nicole Grab
© FACHVERBAND/NESVADBA
Günter Thumser, Ernst Klicka, Alfred Schrott, Wolfgang Hötschl
Walter Barfuß, Konrad Brustbauer
Josef Mayer, Walter Scherb
Andreas Pfahnl, Eva Pfahnl, Martin Kropfitsch, Marie-Christine Mantler, Otto Glanzer, Florian Hofer
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18 empfang reception
Margret Zeiler, Raimund Wachter
Andreas Urban, Jutta Kaufmann-Kerschbaum, Helmut Röck
Marco Glöckl, Franziska Zehetmayr
Stephan Mölls, Florian Hofer
Johann Sollgruber, Josef Domschitz, Alfred Schrott
Christine Schober, Herbert Schlossnikl
Hermann Pfanner, Christian Schügerl, Hans Peter Andres
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19 empfang reception
Rita Konstantin, Andrea Weinzetl, Stephanie Bartolich
Jürgen Brettschneider, Michaela Hysek-Unterweger, Stefan Schauer, Paul Unterweger
Marcus Girnau, Peter Loosen
Veronika Möller
Viola Kurz, Claudia Riedmann, Hannes Schwarzenhofer
Angelika Mrohs, Alexander Mansberger
© FACHVERBAND/NESVADBA
Richard Mauerlechner, Monica Rintersbacher, Walter Wallner
Florian Hauk, Birgit Wagner, Simone Hoepke, Günter Thumser
Wolfgang Hötschl, Sonja Lemberger, Maria Bauernfried, Andreas Pfahnl
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ALLES BULLSHIT? Warum Mythen und Irrtümer so populär sind KENNEN SIE DIE BOILED-FROG-STORY? DIE GEHT SO: WENN MAN EINEN FROSCH IN HEISSES WASSER WIRFT, SPRINGT ER SOFORT HERAUS. ABER WAS PASSIERT, WENN MAN IHN IN EINEN TOPF MIT LAUWARMEM WASSER SETZT UND ES DANN GANZ LANGSAM AUFKOCHT? AXEL EBERT
© THOMAS WOZAKX
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ird er sitzen bleiben, weil er die langsame Temperaturveränderung nicht bemerkt? Bis es zu spät und der Frosch totgekocht ist? So wird es in Vorträgen gern erzählt – selbst vom ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore, in seiner vielbeachteten Dokumentation zum Klimawandel 2006 „An Inconvenient Truth“. Die Boiled Frog-Story ist eine phantastische Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Phantasiegeschichte. Ein weit verbreiteter Mythos. Victor Hutchison, Biologie-Professor der University of Oklahoma, zeigte bereits 2002 in Experimenten, dass Frösche auch dann he raus hüpfen, wenn sich das Wasser sehr langsam erwärmt. Übrigens auch, wenn man die Temperatur absenkt und das Wasser langsam einfriert. Der Frosch ist wie wir – wenn es ungemütlich wird, verlässt er den Pool. Aber warum ist diese widerlegte Geschichte trotzdem so verbreitet? Wenn Vortragende darauf aufmerksam gemacht werden, dass diese Geschichte schlicht falsch ist, sagen diese gern: „Egal, ob es stimmt oder nicht: Hauptsache es dient meinem Ziel.“ Wichtig ist nur, dass die Story meine Botschaft verdeutlicht. Realismus, Wahrheit spielen keine Rolle. Für diese Art, mit der Realität umzugehen, hat Princeton-Philosoph Harry G. Frankfurt einen philosophischen Fachbegriff etabliert, nämlich: Bullshit. Dem Bullshit-Artist ist gleichgültig, ob
Axel Ebert
seine Aussage korrekt ist oder nicht. Hauptsache, sie dient seinem Ziel und er kommt damit durch. Dabei geht es nicht ums Lügen – denn der Lügner kennt die Wahrheit und verdreht sie bewusst. Für Lügner und Irrende hat die Wahrheit einen Wert – für Bullshitter nicht. Bull shit ist eine eigene Kategorie jenseits von Wahrheit und Lüge. Es geht um ein Phänomen der Oberflächlichkeit. Warum ist Bullshit so präsent? Dafür macht Frankfurt zwei Hauptursachen verantwortlich. Einerseits sieht er schlichte Überforderung als Ursache für immer mehr Bullshit. Wir reden häufiger über alle möglichen Themen – oft mit wenig spezifischem Wissen. Andererseits sieht Frankfurt den heute weit verbreiteten Antirealismus als wichtige Bull
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shit-Quelle. Naiver Konstruktivismus und postmoderne Philosophie versuchen uns ja schon lange davon zu überzeugen, dass es keine „Wahrheit“ gibt, sondern viele Wirklichkeiten. Wer nicht an die Realität glaubt, dem ist es nicht so wichtig, welche der vielen Wirklichkeiten er auswählt. Und für eine gefühlte Wahrheit nehmen Bullshitter gern in Kauf, dass ihre Geschichte nicht den Tatsachen entspricht. Dabei wird das Ideal der Richtigkeit zum Ideal der gefühlten Aufrichtigkeit. Denn wenn Tatsachentreue nicht mehr zählt, geht es nur noch darum, seinem Gefühl treu zu sein. Und wenn wir ehrlich sind: Wir sind wohl alle mehr oder weniger Bullshitter. Um bei einer Diskussion zu bestehen, sagen wir, was uns gerade einfällt und auf den ersten Blick plausibel klingt. Für eine spannende Geschichte opfern wir alle gern mal den Realismus. Das ist bei einer pointierten Anekdote vielleicht nicht besonders schlimm. Wenn es allerdings um Tatsachenbehauptungen und Forschungsergebnisse geht, ist dies allerdings problematisch. Denn damit wird das Renommee der Wissenschaft, mit ihren hohen rationalen Standards, als Bullshit-Quelle missbraucht. Und Mythen, die auf vermeintlich wissenschaftlichen Experimenten basieren, halten sich besonders hartnäckig. Dazu ein Beispiel aus dem Lebensmittelmarketing, das als die „Atombombe der Psychologie“ in die Geschichte einging: die subliminale Botschaft – die unterschwellige Beeinflussung. Der amerikanische Marktforscher James Vicary
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berichtete 1957 von einem Experiment, bei dem er in einen Kinofilm eine extrem kurze Werbebotschaft einblendete: Iss Popcorn, trink Coca-Cola! Für das Publikum war diese, nur eine dreitausendstel Sekunde dauernde Botschaft nicht bewusst wahrnehmbar – sie war einfach zu kurz, um über die Wahrnehmungsschwelle zu kommen. Angeblich reichte dies aber für einen Kaufbefehl an das Unterbewusstsein, denn anschließend erhöhte sich der Verkauf von Cola um 18 Prozent, der von Popcorn sogar um 58 Prozent. Eine Sensation, die wie ein Lauffeuer um die Welt ging. Trotz intensiver Forschung in den folgenden Jahren, ließen sich diese Ergebnisse allerdings nicht replizieren. James Vicary gab dann fünf Jahre später zu, dass er die Geschichte einfach erfunden hatte. Eine dreiste Lüge, die ihm Millionen eingebracht hatte und so sein verschuldetes Marketingunternehmen rettete. Seitdem wurde viel zu unterschwelligen Befehlen geforscht – große Effekte wurden aber nie gefunden. Und wenn man Effekte fand, hatten sie nichts mit in-
duzierten Befehlen zu tun, sondern nur mit geringfügigen Präferenzen bei der Auswahl von alternativen Produkten – und auch das nur bei hungrigen bzw. durstigen Probanden. Die überzogenen Behauptungen wurden also entkräftet: Subliminale Befehle kontrollieren nicht unser Verhalten. (Zum Glück übrigens für die Rockband Judas Priest, die deshalb von der Anklage freigesprochen wurde, zwei Männer durch unterschwellige Botschaften in ihren Musikstücken zum Selbstmord getrieben zu haben.) Doch der Mythos der subliminalen Beeinflussung stimulierte viele Bereiche und so finden wir heute Selbsthilfe-CDs mit subliminalen Botschaften oder CDs zum Sprachenlernen während des Schlafes. Leider alles ohne nachweisbare Wirkung! Mit James Vicary war der Mythos von der effizienten unterschwelligen Kontrolle unseres Unterbewusstseins geboren – und hält sich bis heute. „Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht,“ wusste schon Mark Twain.
Resistent gegen Aufklärung Doch wie kommt es, dass sich längst widerlegte Mythen so hartnäckig halten? Wir Menschen glauben, was wir gerne glauben wollen. Aussagen, die ins eigene Weltbild passen, werden gern unhinterfragt übernommen. So werden auch eher Studien gesucht, die unsere Vorurteile bestärken. Es ist einfach großartig für uns Menschen, wenn wir unsere gefühlte Wahrheit zur belegten Wahrheit upgraden können. Hier wird Wissenschaft häufig so verwendet, wie Betrunkene Laternenpfähle nutzen: zum Festhalten – nicht zum Ausleuchten des Weges. Wir bestätigen gern, was wir ohnehin denken und suchen nur Argumente, die zu unserer Einstellung passen. Die psychologischen Belege dieser verzerrten Selbstwahrnehmung sind überwältigend. All diese Effekte sind Teil unseres psychischen Bestrebens, Dissonanz zu reduzieren: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Widersprüche sind uns unangenehm, deswegen blenden wir sie
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einfach aus. Wer dem entgehen möchte, muss sich auf die mühsame Suche nach Fakten und ausgewogenen Einschätzungen machen. Der Bullshit-Detektor Was kann man tun, wenn man eine spannende Behauptung hört und wissen möchten, wie vertrauenswürdig die Aussage ist? Gesundes Misstrauen ist gegenüber allzu starken Behauptungen und Effekten angebracht: Unglaubliches ist leider oft unglaubwürdig. Bei Verdacht ist zumindest ein schneller Mythen-Check im Internet sinnvoll. Ergänzen Sie bei der Internetsuche das Thema mit Worten wie Mythos, Kritik, umstritten, widerlegt, enttarnt, falsch etc. Natürlich spült das Surfen im Internet auch viel Fragwürdiges an. Drei „Siebe“ sind sinnvoll für die Bewertung von Information: 1. Ist die Aussage plausibel? Ist die Argumentation logisch, kontextgerecht
und durch nachvollziehbare Fakten gestützt? 2. Ist die Quelle vertrauenswürdig? Sind Autor und Medium für zuverlässige Recherche bekannt oder werden sie dazu von renommierter Seite kritisiert? 3. Ist die Aussage in Fachkreisen akzeptiert? Gibt es bereits faktengestützten Zweifel? Wie plausibel und renommiert sind die Gegendarstellungen? Überbewertete Einzelstudien sind eine besonders häufige Irrtums-Quelle: aufsehenerregende Forschung, die noch nicht repliziert wurde, kann auf Verzerrungs-Phänomenen beruhen, wie z. B. p-Hacking oder Cherry-Picking. Denn wer in Daten wahllos nach Zusammenhängen fischt, findet schnell etwas, das rechnerisch signifikant aussieht – aber in Wahrheit rein zufällig ist. Belastbarer als Einzelstudien sind Meta-Analysen, die viele Studien zu einem Thema ab-
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gleichen. Fragwürdige Studien werden aussortiert und nur die verbleibenden, hochwertigen Studien werden auf Übereinstimmungen und Unterschiede hin ausgewertet. Auch wenn sich hier eher stabile Effekte zeigen, sind Verzerrungen möglich, z. B. aufgrund des Publication Bias, weil aufsehenerregende Studien eher publiziert werden. Fehlinterpretierte Statistik ist eine weitere Fehlerquelle, die zu Mythenbildung führt. Hier zwei häufige Fehlerquellen: 1. Signifikanz wird mit Relevanz verwechselt: Die Signifikanz eines Studien-Ergebnisses sagt noch nichts über seine Relevanz aus. Ein Effekt kann so schwach ausgeprägt sein, dass er real kaum eine Rolle spielt. Schauen Sie bei Studien neben der Signifikanz auf die Effekt-Stärke. 2. Korrelation versus Kausalität: Dass Eisverzehr zu Sonnenbrand führt, ist natürlich Blödsinn, trotz der Korrelation dieser Phänomene im Sommer.
Es reicht nicht, nur den statistischen Zusammenhang aufzuzeigen. Die Kausalitätsbehauptung braucht immer eine Erklärung, die den beobachteten Zusammenhang nachvollziehbar begründet. Leider ist es nicht immer einfach, eine realistische Einschätzung zu einer Aussage zu bekommen. Nicht alle Mythen und Irrtümer sind gut dokumentiert und schnell auffindbar. Doch die Suche lohnt, weil falsche Aussagen häufig mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind. Bevor man also aufsehenerregenden Behauptungen hinterherläuft, lohnt es sich zu warten, bis weitere Studien für den Sachverhalt sprechen. Erst dann können wir vermuten, dass tatsächlich ein inhaltlicher Zusammenhang besteht und wir keiner Scheinkausalität oder Verzerrung aufsitzen. Leben wir im postfaktischen Zeitalter? Weil so viele Falschmeldungen und Halbwahrheiten durch den Meinungs-
raum schwirren, wird heute gern von postfaktischen Zeiten gesprochen. Genau genommen müssten wir aber vom BullshitZeitalter sprechen, weil es uns nicht an Fakten mangelt, sondern Behauptungen einfach nur zu schnell und unreflektiert übernommen werden. Dieser gefährliche Hang zu populistischen Aussagen zeigt, wie wichtig die Aufklärung ist und wa rum auch die Ernährungsbranche mit aller Kraft um realistische Aussagen ringen sollte. Der Philosoph Antonio Gramsci fasst es so zusammen: „Die Herausforderung der Moderne besteht darin, illusionslos zu leben, ohne desillusioniert zu sein“. So wie die Frösche sollten wir uns also nicht einkochen lassen von erhitzten Facebook-Debatten und Trend-Gurus. Nur mit wachem Realismus und der Suche nach abgesicherten Fakten entkommen wir dem schleichenden Bullshit-Eintopf. Mag. Axel Ebert Diplom-Psychologe, Buch-Autor „Bullshit Busters“ und seit über 20 Jahren Trainer, Vortragender und Berater
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DIE MACHT DER MARKE Bedeutung und Herausforderungen von Marken STELLT MAN SICH DIE FRAGE, WELCHE MACHT MARKEN HABEN, MUSS MAN SICH VOR ALLEM MIT DER DEFINITION, DER BEDEUTUNG UND DEN HERAUSFORDERUNGEN VON MARKEN AUSEINANDERSETZEN. MARKEN SIND WEIT MEHR ALS EIN BEGRIFF ODER SYMBOL, WELCHES EIN PRODUKT ODER EINE DIENSTLEISTUNG KENNZEICHNET. SIE DIENEN DEN KONSUMENTEN ALS ENTSCHEIDUNGS- UND ORIENTIERUNGSFUNKTION UND RUFEN EIN BESTIMMTES VORSTELLUNGSBILD, ALSO DAS IMAGE EINER MARKE, HERVOR. GERLINDE SPICKO, GÜNTER THUMSER
M
arken bieten neben dieser Orientierungs- und Entscheidungshilfe auch Sicherheit und Vertrauen in Bezug auf Qualitätsansprüche und vermindern somit das mit einem Kauf verbundene Risiko. Aufgrund des emotionalen Zusatznutzens, den Marken schaffen, gewähren sie ein besonderes Konsumerlebnis und sind Mittel zur Selbstdarstellung.1 Wie grenzen sich Marken aber voneinander ab, welche Formen und Ausprägungen gibt es und wie wirken sich diese auf Kaufentscheidungen aus? Unterscheidung von Marken im Bereich der Fast-Moving-ConsumerGoods Dachte man bisher an Marken, wurden diese mehrheitlich mit Markenartikeln gleichgesetzt, also jenen Produkten, wo der Hersteller die Marke führt und pflegt. Heute führt der Handel
vielfach selbst ein eigenes Produkt-Sortiment, welches aber nicht mehr nur eine günstige Alternative zu Herstellermarken darstellt, sondern oft auch bis zum Premium-Segment hin reicht. Prinzipiell kann man bei Handelsmarken – also den Marken, die vom Handel geführt und gepflegt werden – die Positionierungsstrategien Discountmarkenstrategie, Imitationsmarkenstrategie und Präferenzmarkenstrategie unterscheiden.2 Handelsmarken erreichen einen ständig wachsenden Marktanteil, der sich im Jahr 2017 in Österreich auf 33,8% (wertm.) belief.3 Im Bereich der Fast-Moving-ConsumerGoods (FMCG) kommt noch die Konzentration des Handels hinzu. Die drei führenden Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in Österreich – REWE, Spar und Hofer – nahmen 2016 bereits einen Marktanteil von 87,6% ein.4 Die Fast-Moving-Consumer-Goods-Industrie stellt sich diesen immer neuen
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Herausforderungen mit intensiven Forschungsanstrengungen und permanenter Innovation. „Achten Sie auf die Marke“ Genau bei diesen Herausforderungen setzt auch der Österreichische Verband der Markenartikelindustrie (MAV) mit der Kampagne „Achten Sie auf die Marke“ seit über 20 Jahren an. Seit der ersten Kampagne 1997 liegt die Kreation bei der Agentur Demner, Merlicek & Bergmann. Ziel war es, eine Gemeinschaftskampagne zu starten, die einerseits die Vorzüge des Markenartikels aufzeigt, gleichzeitig auch jede einzelne Marke in den Mittelpunkt stellt. Die damals 1997 für 80 Marken entwickelten Sujets zeigen Markenprodukte, wobei der Markenname durch Fragestellungen oder Schlüsselwörter ersetzt wurde. Die Auflösung liefert die jeweilige Marke selbst und empfiehlt: „Achten Sie auf die Marke“ (Abbildung 1).
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Eine Studie des Institute for Marketing & Consumer Research (früher Werbewissenschaft und Marktforschung) an der WU Wien widmete sich 1997 dem aktuellen Thema „Marke vs. Handelsmarke“ und analysierte im Zuge der Studie auch die Kampagne „Achten Sie auf die Marke“ im Hinblick auf deren Wirkung. Die Kampagne wurde mit Zuordnungen wie neuartig, auffällig, gut gemacht und sympathisch positiv bewertet und erreichte einen gestützten Bekanntheitsgrad von 65 %.5 Zielgruppe der Kampagne waren aber nicht nur die Konsumenten, sondern auch der Handel. 80 % der Entscheidungsträger im Handel erinnerten sich an die Kampagne, 61 % fanden sie interessant und 50 % auch überzeugend.6 Mit 48.000 Plakaten, 17.000 Anzeigen und 100 TV-Schaltungen erregte die Kampagne auf Anhieb breites öffentliches Interesse (Abbildung 3) und wurde auch mit einer Staatspreis-Nominierung gewürdigt.7 Seit 1997 begegnet die Kampagne jähr-
Abbildung 1: Printsujets der ersten „Achten Sie auf die Marke“-Kampagne aus dem Jahr 1997
lich den neuen Herausforderungen und Marktgegebenheiten (Abbildung 2) und setzt kontinuierlich als zentrale Elemente das Markenprodukt selbst, Wortspiele und den Slogan „Achten Sie auf die Marke“ ein.
Die Sujets aus den einzelnen Jahren (Abbildung 1 und 2) zeigen sehr gut die kontinuierliche Linie der Kampagne, aber auch die Unterschiede der Botschaftsgestaltung, die immer auf die aktuellen Marktgegebenheiten einge-
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hen. In der ersten Kampagne im Jahr 1997 setzte man auf den hohen Bekanntheitsgrad der Marken und verdeutlichte dies durch die Ersetzung des Markennamens durch Schlüsselbegriffe. Wie auch Studienergebnisse verdeutlichen, wurden anonymisierte Testsujets mit einem durchschnittlichen Wert von 82% den richtigen Marken zugeordnet.8 Marken genießen somit einen hohen Bekanntheitsgrad und Wiedererkennungswert. Auf diesen setzte man auch in den nächsten Jahren und wies auf die Vorzüge der Markenartikel, wie Qualität, emotionalen Zusatznutzen und einer breiten Distribution hin. Weitere wichtige Themen für die Kampagnen waren auch die Reaktion auf die Imitationsmarkenstrategie des Handels und die Tendenz zur Schnäppchenjagd.
Abbildung 2: Jeweils ein beispielhaftes Sujet der „Achten Sie auf die Marke”-Kampagnen aus den Jahren 1998–2018
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Nicht nur die Marke, sondern auch die Situation macht den Unterschied In den aktuellen Kampagnen wird mit einer emotionalen Botschaftsgestaltung auf Bekanntheit, Vertrauen und Qualität der Markenprodukte hingewiesen. Diese Strategie ist auch im Hinblick auf das Entscheidungsverhalten der Konsumenten richtig gewählt, da Aspekte wie Qualität sowie Sicherheit und Vertrauen eine wesentliche Entscheidungsgrundlage bieten. Wie eine Studie des Institute for Marketing & Consumer Research an der WU Wien zeigte, entscheidet sich der Großteil der Konsumenten für die Herstellermarke, wenn Qualitätsunterschiede vermutet werden. Genauso dominiert die Herstellermarke, wenn es sich um eine sozial bedeutungsvolle Situation handelt, wie zum Beispiel den Kauf eines Geschenkes oder den Einkauf für Feiern und Gäste.9 Auch bei Produkten, wo Konsumenten ein hohes persönliches Risiko empfinden sowie Forschung und Entwicklung eine große Rolle spielen, wie beispielsweise bei Körperpflege-Produkten, dominieren mit einem wertmäßigen Marktanteil von 86% in Österreich eindeutig Herstellermarken. Im Bereich der verpackten Lebensmittel sieht dies aber ganz anders aus. Hier steigt der wertmäßige Marktanteil von Handelsmarken kontinuierlich und erreicht mittlerweile einen Anteil von 41%.10 Dies spiegelt sich auch in Studienergebnissen wider, wo bei Produkten für den Eigengebrauch gerne zur
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meist preisgünstigeren Handelsmarke gegriffen wird.11 Aus diesem Grund ist es für Herstellermarken besonders wichtig, weiterhin die Qualität ihrer Produkte in den Vordergrund zu stellen, mit Innovationen zu punkten und dies auch entsprechend an die jeweiligen Zielgruppen zu kommunizieren. Es stellt sich nämlich weniger die Frage der Macht von Marken, sondern vielmehr, welche Unterschiede starke Marken für Gesellschaft, Konsumenten und Wirtschaft bieten. Mag. Gerlinde Spicko Institut für Marketing und KonsumentInnenforschung, Wirtschaftsuniversität Wien; Mag. Günter Thumser Geschäftsführer des Österreichischen Verbandes der Markenartikelindustrie, Wien Literatur www.ernaehrung-nutrition.at
Abbildung 3: Zitate und Pressemeldungen zur ersten „Achten Sie auf die Marke“-Kampagne 1997
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Hochaktuelle Thematiken, praxisnah dargebracht Im Zuge des Events wurden aktuelle und aufkommende Fragestellungen wie IFS 6.1., Food Fraud, Mikrobiomforschung, Mineralölrückstände in Lebensmitteln, mikrobiologische Fehler analyse, Hygenic Design, Fremdkörper in Lebensmitteln, Führungskompetenzen, Validierung von HACCP-Konzepten und Cyber Crime behandelt: diese Themen, aufbereitet in einer lebendigen Mischung aus Vorträgen, Workshops und Podiums-
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eue Anforderungen setzen eine ständige We i t e r e n t w i c k l u n g der Führungskräfte innerhalb der Lebensmittelbranche voraus. Die bis auf den letzten Platz ausgebuchte und jährlich wachsende Veranstaltung beeindruckte auch dieses Jahr mit einer hochkarätigen Gästeliste, die sich wie ein „Whois-Who“ der Lebensmittelbranche liest. Von Handelsketten, Erzeugern aus allen Branchen, bis hin zu Universitäten und Dienstleistern – alle fanden sich ein, um sich in entspannter Atmosphäre über die kommenden Herausforderungen und Projekte der Branche zu informieren und auszutauschen. August Staudinger (GLi), Dr. Michael Stelzl (Hygienicum)
diskussion, bildeten die Eckpfeiler der Veranstaltung. Die vorgestellten abgeschlossenen, laufenden und zukünftigen Branchenprojekte der GLi stießen bei den Teilnehmern auf großes Interesse. Disseminationspapiere wurden diskutiert und zukünftige Projekte und deren mögliche Umsetzung besprochen. Nach den Einführungsworten des GLi-Geschäftsführers August Staudin-
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ger und Hygienicum-Institutsleiters Dr. Michael Stelzl tauchte man mit einem für den Sachverhalt ungewohnt erfrischenden Vortrag von Eric Hinzpeter, MSc der IFS Management GmbH in das spannende Thema „Food Fraud“ ein. Dieser Aspekt der Lebensmittelsicherheit nimmt in der neuen Auflage des IFS 6.1. eine zentrale Stellung ein: Die immer komplexeren Warenströme der globalisierten Wirtschaft bieten umfassende Angriffsflächen für kriminelle Energien, die sich einen ökonomischen Vorteil erschleichen wollen. Verwundbarkeitsanalysen, Risikomanagement und Monito ring des Marktes spielen eine essentielle Rolle, um vor diesen Attacken, wie beispielsweise falschen Deklarationen, gefeit zu sein. Generell sollte man sich hier auf den gesunden Menschenverstand verlassen: „Wenn etwas zu gut ist, um wahr zu sein, dann ist es meist nicht wahr“. Auch die teilweise Verknüpfung der IFS-Datenbanken inklusive Audits mit den zuständigen Behörden sowie den einhergehenden Konsequenzen für alle Beteiligten stieß auf große Aufmerksamkeit bei den Teilnehmern. Neuer Fokus bei Audits: Validierung bei IFS / HACCP Im Anschluss ging Dr.
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Michael Stelzl auf eine aktuelle Thematik ein: „Validierung im Sinne von IFS und HACCP“ – also die praktische Erprobung bei Prozessen auf ihre Wirksamkeit. Dieser Aspekt gewinnt im Verlauf von IFS-Audits stetig an Bedeutung. Er betonte, dass viele dafür notwendige Daten schon innerhalb der Firma vorhanden seien, es jedoch an deren Bündelung, geordneten Archivierung und Dokumentation scheitere. Auch ein von DI Marica Pfeffer-Larsson, MSc und Harald Kleber geführter Workshop beschäftigte sich mit diesem Thema, das bei den zuständigen QMs auf angeregtes Feedback stieß.
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zess von Gesetzen verstärkt miteinbezogen werden sollte.
Prof. Dr. Erich Leitner, TU Graz
Brisant: Mineralölablagerungen in Lebensmitteln Ein Thema, das die Lebensmittelbranche auf längere Sicht begleiten wird, behandelten Prof. Dr. Erich Leitner (TU Graz) und DI Jürgen Murhammer (Kluber Lubrication) in zwei separaten Vorträgen: „MOSH / MOAH – die Ablagerung von Mineralöl in Lebensmitteln“. Diese Thematik gewinnt innerhalb der EU und unter Lebensmittelexperten stark an Bedeutung. Die gesamte Wertschöpfungskette ist betroffen: vom Maschinenhersteller, Serviceprodukterzeuger, Verpacker, Logistiker und Produzenten bis zum Handel. Das demnächst startende Branchenprojekt „MOSH / MOAH“ der GLi bietet Unternehmen eine Möglichkeit, mit Experten zusammenzutreffen und zukunftsweisende Forschung auf diesem Gebiet zu betreiben. Evolution der Wissenschaft durch Mikrobiomfoschung Mit seinem lebhaften und anschaulichen Vortrag zum Thema „Das Potential der Mikrobiomforschung in der Lebensmittelkette“ begeisterte Prof. Dr. Martin Wagner seine Zuhörer. Europa ist in diesem Bereich federführend, und dieses Forschungsfeld bietet neue Möglichkeiten für die Lebensmittelherstellung in Hinblick auf verschiedene Reifungsprozesse. Prof. Wagner wies auch auf die Vergänglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse hin: So wurde seinerzeit der Lymphknoten als steril betrachtet – nun weiß man allerdings, dass er mehr als 600, teils gefährliche Bakterien beinhaltet, die über das Messer in die Lebensmittelprodukte gelangen können. Auch die Behandlung
der Schweine mit Breitbandantibiotika tötet, entgegen früherer Annahmen, nur einen minimalen Bruchteil dieser Bakterien und ist nahezu nutzlos. Natürlich künstlich – künstlich natürlich Ob Bio-Polymere immer bio sein müssen und was es mit dem Hype darum auf sich hat, beleuchtete der Verpackungsspezialist des OFI, Dr. Michael Washüttl, in seinem Vortrag. Grundsätzlich gilt: Die Verpackung muss zum Produkt passen. Dabei geht es vor allem darum, gegen welche Einflüsse von außen die Verpackung das Produkt wie stark schützen soll. Am Schluss wurde noch ein Blick in die Zukunft gerichtet und die Kunststoff-Hoffnung PEF – Polyethylenfuranoat vorgestellt. Dieses Material verfügt über wesentlich bessere Barriereeigenschaften als die Alternativen, ist jedoch derzeit mit Kosten im fünfstelligen Euro-Bereich pro kg noch ein wenig teuer. Drin, was nicht rein gehört Alle Lebensmittelproduzenten mussten sich schon mit dem Thema „Fremdkörperpartikel in Lebensmitteln“ auseinander setzen. Dr. Karl Dobianer, MAS und Dr. Dieter Stanislawski beleuchteten dieses Thema aus verschiedenen Perspektiven: einerseits aus Sicht der Risikobewertung eines Gutachters und andererseits aus gewebekundlicher Sicht in Bezug auf Knochensplitter. Generell wurde betont, dass der „Mensch mehr aushält als der Gesetzgeber glauben macht“ und dass vorhandenes Fachwissen der Experten beim Entstehungspro-
Gemeinsame Problembearbeitung Den Abschluss des ersten Tages bildeten verschiedene Workshops zu den Themen: Verpackungsmaterialen laut IFS, HACCP: Validierung und Verifizierung, Methodik mikrobiologischer Fehleranalyse, Hygienic Design und Führungskompetenzen in der Unternehmenskultur. Das Fachwissen von Dr. Michael Stelzl, DI Marica PfefferLarsson, MSc, Dr. Jürgen Hofmann, Dr. Johannes Bergmaier und Mag. Gottfried Schafzahl fand bei den Teilnehmern großen Anklang und führte zu regen Diskussionen während des Ausklangs beim Gala-Dinner des ersten Tages. DSGVO – Chance oder Qual? Zum Abschluss des zweiten Tages führte DI Oskar Wawschinek, gewohnt humorvoll, durch einen Vortrag mit anschließender Podiumsdiskussion zum allgegenwärtigen Thema Cybercrime, Datenklau und dessen Auswirkungen. Die Diskussionsteilnehmer Mag. Alexander Gaisch (Landespolizeidirektor-Stellvertreter), Dominic Neuman, MBA (Unternehmensberater und Sachverständiger für Informationstechnik), DI Markus Liebeg, BSc (Hofer Leitinger & Poppe Unternehmens entwicklung GmbH), Anton Leitner (CIO, Nöm AG) und Werner Stadler (Qualitätsmanagement Haberfellner Mühle) thematisierten notwendige Sicherheitsvorkehrungen und technologische Voraussetzungen, um die Betriebe zu rüsten. Mit dem eingängigen Satz: „Ein E-Mail ist eine Postkarte, erst die Verschlüsselung macht sie zu einem eingeschriebenen Brief“ führte der WKOExperte Leitner anschaulich vor Augen, woran es in vielen Betrieben hapert. Aufgrund des positiven Feedbacks der Teilnehmer veranstaltet die GLi auch nächstes Jahr im April 2019 das nunmehr 5. Symposium für Lebensmittel sicherheit: Die gesellige Atmosphäre, die hochkarätige Teilnehmerschaft und die inhaltliche Ausrichtung bilden die fulminante Mischung, die diese Veranstaltung so einzigartig macht. MMag. Andreas Staudinger, Staudinger & Partner, Neuzeug
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GLYPHOSAT: ANGST ALS GESCHÄFTSMODELL? ALS WISSENSCHAFTLICHE BEHÖRDE IST DAS BUNDESINSTITUT FÜR RISIKOBEWERTUNG (BFR) NEUTRAL, UNPARTEILICH UND UNABHÄNGIG. GENAU DIES WAR NACH DER BSE-KRISE POLITISCH GEWOLLT: WISSENSCHAFTLICHE EXPERTISE ZUR BERATUNG OHNE POLITISCHE EINFLUSSNAHME ODER DIE ANDERER INTERESSENGRUPPEN. IN UNSEREM URTEIL SIND WIR NUR DER WISSENSCHAFTLICHEN WAHRHEIT VERPFLICHTET. ANDREAS HENSEL
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araus resultiert eine klare Rollenzuweisung, nämlich der Auftrag durch den Gesetzgeber und die Legitimierung durch die Wissenschaft. Letztere ist es auch, die durch die fachliche Reputation des Instituts und all seiner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler getragen und repräsentiert wird. Dies limitiert jedoch auch die Möglichkeiten der Kommunikation in gesellschaftlich-politischen Debatten und begrenzt diese auf rein wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten. Das bedeutet zugleich, dass wir unser Mäntelchen eben nicht einfach in den Wind des Zeitgeists hängen können. Im Gegenteil: Dieser Wind kann einem, wie das Beispiel des Pflanzenschutzmittels Glyphosat zeigt, heftig ins Gesicht blasen. Das BfR ist trotz aller Kritik bei seiner Risikobewertung von Glyphosat geblieben, auch wenn damit der Konflikt mit manchen Interessengruppen unvermeidbar wurde. Lassen Sie mich vor diesem Hintergrund und aus Sicht des Präsidenten des BfR einige Hauptlinien der Kontroverse nachzeichnen, auch wenn sie nicht rein wissenschaftlich sein mögen. Beginnen wir in der jüngsten Vergangenheit, mit der Stiftung Warentest. Sie ist eine angesehene und als unabhängig geltende Einrichtung. Ihr Urteil über Produkte hat Gewicht. Mit ihrem kürzlich getroffenen Verdikt über alkoholfreie Biere („Fast jedes zweite ist gut“), sind die Berliner Warentester jedoch über das Ziel hinausgeschossen. Ein wesentlicher Qualitätsmaßstab war nämlich, ob sich Spuren des „umstrittenen“ Pflanzenschutzmittels Glyphosat im Getränk
Professor Dr. Dr. Andreas Hensel
fanden. Dass die Tester fündig wurden, machte Schlagzeilen. Zwei Biere wurden wegen zu viel Glyphosat abgewertet. Aber was heißt „zu viel“? Gemessen wurden einmal 28 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg), einmal 19 µg/kg. Von diesen Konzentrationen geht keinerlei Gefährdung des Verbrauchers aus. Die aus ihnen resultierende Glyphosat-Aufnahme durch das Bier liegt um mehr als das Tausendfache niedriger als die derzeit als unbedenklich geltende, lebenslänglich duldbare tägliche Aufnahmemenge. Das bedeutet: Ein Erwachsener müsste 1000 Liter von den inkriminierten Bieren trinken – täglich und lebenslang, wohlgemerkt! -, um überhaupt in gesundheitlich bedenkliche Glyphosat-Sphären vorzustoßen. Wohl bekomm’s. Da die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ (Gruppe 2A)
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eingestuft hat, bewerte man den Stoff „aus Verbrauchersicht ganz klar als unerwünscht“, argumentiert Stiftung Warentest. Damit lässt man außer Acht, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln in vertretbaren festgelegten Konzentrationen erlaubt sind, der Gesetzgeber hat sich nach Güterabwägung zu diesem für die Gesellschaft akzeptablem Restrisiko bekannt. Denn bekanntlich entscheidet die Dosis eines Stoffes über seine Giftigkeit, auch in Deutschland ist das so. Durchgerutscht ist den Warentestern übrigens eine Substanz, die von der IARC als sicher „krebserregend“ (Gruppe 1) eingestuft wurde – Ethanol, vulgo Alkohol. Bis zu 0,5 % Ethanol darf „alkoholfreies“ Bier enthalten. Mit einem Liter dieses Getränks nimmt man demnach bis zu 5.000.000 µg eines krebserregenden Stoffes auf! Ich habe dieses Beispiel aus jüngster Zeit so ausführlich zitiert, um zu demonstrieren, wie öffentlichkeitswirksam das Reizthema Glyphosat noch immer ist. Es reicht, es im Lieblingsgetränk der Deutschen aufzuspüren, und schon erregt man mediales Aufsehen. Zwar erhielt das Mittel nach einer erbitterten Kontroverse eine zunächst auf fünf Jahre befristete Verlängerung durch die EU. Nicht zu Unrecht feiern Anti-Glyphosat-Kampagnenbetreiber das jedoch als Erfolg. „Das gesamte Widerzulassungsverfahren für den Pflanzenvernichter“ sei „ins Wanken gebracht“ worden, kommentiert etwa der „Bund für Umwelt und Naturschutz“ (BUND), eine federführende Nichtregierungsorganisation (NGO) beim Kampf gegen Glyphosat. Was sind die Hintergründe? Seit mehr als 40 Jahren wird der herbizide Wirkstoff in der Landwirtschaft eingesetzt.
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Er ist heute das meistverwendete Pestizid weltweit. Seine günstigen toxikologischen Eigenschaften, die preiswerte Verfügbarkeit, verbunden mit vielen ackerbaulichen Vorteilen, und nicht zuletzt die Entwicklung und weltweite Einführung gentechnisch veränderter, glyphosatresistenter Nutzpflanzen machen ihn aber auch zur Projektionsfläche verschiedener weltanschaulicher Strömungen, die um die Deutungshoheit zukünftiger Entwicklungen in der Landwirtschaft ringen. Glyphosat ist der Platzhirsch unter den konventionellen „chemischen“ Pflanzenschutzmitteln. Wer ihn erlegt, hat mit den anderen Pestiziden umso leichteres Spiel. Der hohe Symbolwert und die garantierte Aufmerksamkeit machten den Wirkstoff zur lohnenden Zielscheibe von NGOs. Nicht falsch verstehen: Nichtregierungsorganisationen sind „im Spiel von Macht und Geld ein notwendiges Interessenkorrektiv“, wie Sebastian Frevel in einem Aufsatz über „Die Lobby der Guten“ in „Novo“ schreibt. Da sie jedoch für ihre Kampagnen auf Spenden angewiesen sind, müssen sie sich immer auch Themen suchen, die entsprechend brisant erscheinen. Ernährung und Gift, Umwelt und Chemie, Gentechnik und Industrie – die Glyphosat-Geschichte enthielt da die idealen Zutaten. Was dem ganzen fehlte, war ein entscheidendes Ingrediens namens Krebsrisiko. Die Aufschrift „Achtung Krebs“ rüttelt fast stets die Öffentlichkeit wach und weckt Ängste im Verbraucher. Als die IARC der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ einstufte, gab sie der Kampagne daher den nötigen Auftrieb. Zwar war die Bewertung durch die IARC wissenschaftlich höchst strittig und erfolgte nur auf der Basis eines Teils der Studien. Dennoch, nun hatten die Glyphosat-Gegner das wichtigste Argument zur Hand, geliefert noch dazu von einer als hochseriös eingeschätzten Institution. Um es klar zu sagen: Glyphosat ist einer der am besten untersuchten Stoffe der Welt. Aus Sicht der Risikobewertung ist er dementsprechend keine unbekannte Größe. Die Substanz wird seit Jahrzehnten untersucht, bewertet und überwacht. Die Überprüfung und Zulassung durch die zuständigen Behörden erfolgte mittlerweile mehrfach und heute auf der Basis von mehr als 1.000 Studien und allen aktuellen wissenschaftlichen Publikationen. Sämtli-
che Bewertungsbehörden weltweit, denen die Originaldaten und damit umfassende Informationen vorlagen, kamen nach eigener Bewertung zu dem Schluss, dass Glyphosat nach derzeitigem Stand des Wissens nicht als krebserregend für den Menschen einzustufen ist. Bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung ist keine Gesundheitsbeeinträchtigung für den Menschen zu erwarten. Das gilt für die Exposition über Lebensmittel wie für die Anwender und unbeteiligte Dritte. Zugegeben, wissenschaftliches Denken ist, wie es der amerikanische Chirurg und Autor Atul Gawande sagt, „unnatürlich und kontraintuitiv“. Es beruht auf Experimenten und Tatsachenbeobachtungen. Annahmen und Erwartungen werden unerbittlich überprüft. „Die Wissenschaft erklärt die Welt durch schrittweise Annäherungen“, hat der Astronom Edwin Hubble gesagt. Es ist ein nicht endender Prozess mit offenem Ausgang – das gilt auch für die Risikobewertung. NGOs haben es da oft einfacher. Ihre Gewissheiten sind nicht selten tief im kollektiven Bewusstsein verankert. Da ist „Bio“ gut und „Chemie“ automatisch böse, und da kämpft der kleine, unabhängige Forscher gegen das übermächtige wissenschaftliche Establishment, das mit der Industrie gemeinsame Sache macht. Mit dem offenen Prozess der Wissenschaft hat das eher wenig zu tun. Wenn die Kampagne der NGO beginnt, stehen die Wahrheiten in der Regel fest. Wissenschaft erscheint nur da von Nutzen, wo sie das Credo bestätigt. „Cherry Picking“ heißt das in der Fachsprache. Was nicht ins Bild passt, wird eher ausgeblendet und nicht selten diskreditiert. „Wenn Fakten eine politische Agenda durchkreuzen, werden eben die Fakten in Frage gestellt, nicht die Agenda“, hat der EFSA-Direktor Bernhard Url an dieser Stelle treffend kommentiert. Im Fall von Glyphosat: Die Ansicht der IARC („wahrscheinlich krebserregend“) wird für bare Münze genommen, die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung dagegen abgelehnt. Wer das eigene (Vor-)Urteil bestätigt, hat Recht? Das ist in etwa so, als wenn in der Klimaforschung nur die (Außenseiter-)Ansichten der Klimaskeptiker Gewicht hätten. Für die meisten NGOs wohl undenkbar. Wissenschaft mag vorläufig sein, aber sie ist deshalb nicht beliebig – das ist ein häufiges Missverständnis, dem auch die
Stiftung Warentest erlegen ist. „Ob eine krebserzeugende Gefahr von Glyphosat ausgeht, bewerten verschiedene Institutionen unterschiedlich“, behauptet sie. Die einen sagen dies, die anderen das? Das ist zwar formal richtig, doch von der Sache her trifft es nicht zu. Es gibt durchaus gesichertes Wissen, auch bei Glyphosat. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch besteht kein Krebsrisiko, ist das einhellige Urteil der wissenschaftlichen Risikobewertung. Die Warentester unterliegen noch einem weiteren Fehlschluss. „Solange das Risiko nicht abschließend geklärt ist“ solle der Glyphosat-Gehalt aus „vorsorgendem Verbraucherschutz“ gesenkt werden, fordern sie. Auch das ein häufig gehörtes Argument. Aber wie lange will man – nach 40 Jahren sicherer Anwendung und mehr als 1.000 Studien – noch „klären“, ob ein Pflanzenschutzmittel sicher ist? Ganz abgesehen davon, dass der Gesetzgeber mit seinen Regelungen zu Pflanzenschutzmitteln bereits Vorsorge getroffen hat. NGOs mögen sich im Vergleich zu Konzernen wie ein David gegen einen Goliath ausnehmen. Aber sie sind „mächtige Zwerge“ (Frevel). Im Fall von Glyphosat hatten sich die meisten deutschen Medienvertreter scheinbar vorbehaltlos auf ihre Seite geschlagen. Objektive Berichterstattung, kritische Fragen auch an NGOs? Leider oftmals Fehlanzeige. Ein Kollateralschaden der ganzen Affäre besteht darin, dass das Vertrauen in seriöse und wirklich unabhängige wissenschaftliche Institutionen Schaden genommen hat. Gerade sie aber sind in einer modernen Gesellschaft mit unablässigen Innovationen und neuen Produkten unverzichtbar. Es hat gute Gründe, dass die Politik sich bei wichtigen Entscheidungen auf das Urteil von Experten verlässt. Wechselnde Stimmungen der Öffentlichkeit als wesentlichen Maßstab zu nehmen, wie es nun am Beispiel von Glyphosat und anderer Pestizide gefordert wird, ist dagegen zweifelhaft. Der Verbraucher muss und kann in Einrichtungen wie das Bundesinstitut für Risikobewertung oder unsere europäische Schwesterbehörde EFSA Vertrauen haben. Auch wenn ihre Wahrheiten nicht jedem passen. Professor Dr. Dr. Andreas Hensel Präsident des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR), Berlin, Deutschland
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RISIKOBEWERTUNG IM FOKUS Aufgaben und Herausforderungen DER FACHBEREICH INTEGRATIVE RISIKOBEWERTUNG, DATEN UND STATISTIK DER AGES HAT UMFANGREICHE AUFGABEN WAHRZUNEHMEN. DER BOGEN REICHT DABEI VON DER WISSENSCHAFTLICHEN RISIKOBEWERTUNG ÜBER MEHRJÄHRIGE INTEGRIERTE KONTROLLPLÄNE, DIE ERSTELLUNG UND BEWERTUNG VON DATENMODELLEN BIS ZUR FORSCHUNG UND INTERNATIONALEN VERNETZUNG. DIE ERNÄHRUNG SPRACH MIT UNIV.-DOZ. DR. INGRID KIEFER, LEITERIN DES FACHBEREICHES RISIKOKOMMUNIKATION, DIE DEN FACHBEREICH RISIKOBEWERTUNG VORSTELLT. OSKAR WAWSCHINEK
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ie Ernährung: Ein Fachbereich der AGES ist die Integrative Risikobewertung, Daten und Statistik. Was sind genau die Aufgaben dieses Bereichs? Ingrid Kiefer: Der Fachbereich Integrative Risikobewertung, Daten und Statistik der AGES erstellt wissenschaftliche Risikobewertungen, unterstützt das Risikomanagement bei den Themenbereichen Gesundheit, Lebensmittel und Veterinärwesen und bei der Erstellung und Bewertung mehrjähriger integrierter Kontrollpläne (MIK) gemäß europäischer Vorschriften. Weiters zählen zu den Kernaufgaben der Aufund Ausbau von Risiko-Datenbänken und die Vernetzung mit externen Datenbanken inklusive Datentransfer zu europäischen Stellen. Wir erstellen hier auch umfassende statistische Datenanalysen, Modellierungen und Simulationen, betreiben Forschung und Methodenentwicklung für wissenschaftliche Risikobewertungen. Unsere Abteilung
für Ernährung und Prävention erstellt auch evidenzbasierte Ernährungsempfehlungen und evaluiert Präventionsmaßnahmen.
Kommission (JRC). Allein im Vorjahr waren 391 Experten der AGES in insgesamt 684 nationalen und internationalen Gremien tätig.
Wie arbeitet die AGES mit anderen europäischen Instituten wie der EFSA zusammen? Kiefer: In Österreich ist die AGES der „EFSA Focal Point“, also die Schnittstelle zwischen der EFSA und nationalen Behörden für Lebensmittelsicherheit, Forschungsinstituten, Verbrauchern und anderen mit der EFSA verbundenen Interessensgruppen. Kooperationen bestehen u. a. auch mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), dem Lebensmittel- und Veterinäramt der Europäischen Union (FVO), der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE), der Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO) und den Joint Research Centres der Europäischen
Wie stellen Sie die Ergebnisse zur Verfügung? Kiefer: Die Ergebnisse aus internationalen Kooperationen werden einerseits in Vorträgen und Schulungen, unter anderem für Behörden und Wirtschaftstreibende, aber auch über unsere Kommunikationskanäle wie AGES-Homepage und soziale Medien den österreichischen Verbrauchern zur Verfügung gestellt.
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Was ist der Risikobarometer, den die AGES herausgegeben hat? Kiefer: Der Risikobarometer Umwelt & Gesundheit wurde von uns gemeinsam mit dem Umweltbundesamt etabliert. Dabei handelt es sich um eine repräsentative Umfrage unter 1.018 Personen, mit der erhoben wurde, welche Themen die Österreicher derzeit am meisten beunruhi-
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person
Zur Person
gen. Gemeinsam mit dem bereits erstellten AGES-Risikokatalog und einer Bewertung der österreichischen Journalisten ergibt sich daraus ein ziemlich vollständiges Bild zur Risikowahrnehmung von Experten und Bevölkerung. Zusätzlich wurden unterschiedliche Risikotypen definiert, die sich in ihrer Besorgnis über Risiken, in ihrem Informationsgrad, in ihrer Nutzung von Informationsquellen, aber auch in ihrem Verhalten nach Berichten über Risiken unterscheiden. Für uns ist dies die Grundlage für zukünftige Kommunikationsstrategien. Welche Erkenntnisse lassen sich daraus ableiten, speziell für die Lebensmittelwirtschaft? Kiefer: Es hat sich gezeigt, dass die Lebensmittelsicherheit im Mittelfeld der Besorgnis der Österreicher liegt. Frauen sind bei diesem Thema signifikant beunruhigter als Männer und sind somit eine wichtige Zielgruppe für weitere Bewusstseinsbildungsmaßnahmen im Lebensmittelbereich. Wichtig sind auch vertrauensbildende Maßnahmen für die Wirtschaft, da der Wirtschaft nach Medien und Politik am wenigsten vertraut wird. Was ist der Unterschied zwischen Wissenschaft und Fake News? Wie kann die AGES dazu beitragen, den Menschen Sicherheit zu bieten? Kiefer: Für die Menschen wird es immer schwieriger, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und Meinung von Fakten zu unterscheiden. Jeder kann heute eine Online-Zeitung, einen Blog etc. einrichten bzw. steht hinter manchen Meldungen keine Person, sondern nur mehr ein Algorithmus. In dieser digitalisierten Welt mit rasanter Informationsweitergabe kann die AGES ein Korrektiv sein. Wenn jemand bei einem Thema beunruhigt ist, kann er sich bei den Aussagen der AGES sicher sein. Wir veröffentlichen diese erst nach eingehender wissenschaftlicher Bewertung
Biographie Univ.-Doz. Dr. Ingrid Kiefer, geboren in Kirchdorf an der Krems, Studium irregulare der Ernährungswissenschaften in Wien; Habilitation im Bereich Sozialmedizin an der Uni Wien. Gesundheitspsychologin. Wissenschaftliche Publikationen, Bücher und Buchbeiträge; Mitarbeit an zahlreichen Übersichtsarbeiten, u.a. den Österreichischen Ernährungsberichten 1998 und 2003. Funktionen im Gesundheitswesen, u.a. Mitglied des Obersten Sanitätsrates, der Kommission zur Herausgabe des Österreichischen Lebensmittelbuches (Codexkommission) und der FAO/ WHO Codex Alimentarium-Kommission (WECO). und stellen transparent dar, wie die zugrundeliegenden Daten erhoben wurden: Moderne Kommunikationsmöglichkeiten ermöglichen es uns heute, die Österreicher direkt am Frühstückstisch beispielsweise per App über Produktwarnungen zu informieren. Journalisten sind ein wichtiger Multiplikator, wenn es um Wissens-Aufbereitung und -Weitergabe geht. Da müssen wir investieren, das heißt vor allem in die zielgruppenspezifische Risikokommunikation. Wir müssen die Informationen dorthin bringen, wo sich die Österreicher informieren. Das sind allen voran das Internet und Soziale Netzwerke, das sind Freunde und Familie sowie das Fernsehen. Wichtig für die Kommunikationsarbeit der AGES ist die im Risikobarometer vorgenommene Erstellung der österreichischen Risikotypen – denn daraus leiten sich individualisierte Kommunikationsbedürfnisse und -kanäle ab. Wie werden generell Wirkstoffe – für Pflanzen, Tiere und Menschen – auf ihre Risiken hin untersucht? Kiefer: Die AGES erstellt gesundheitliche Risikobewertungen entlang der Lebensmittelkette. Für die Beurteilung, ob ein gesundheitliches Risiko besteht, werden zahlreiche Informationen berück-
© AGES/PETER NEMENZ
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sichtigt. Dazu gehören unter anderem auch Angaben über das Vorkommen von Stoffen und Mikroorganismen in Lebensmitteln sowie die Aufnahmemenge von Lebensmitteln (Expositionsabschätzung). In der Risikocharakterisierung wird das Risiko eines Stoffes oder von Mikroorganismen im Zusammenhang mit der Menge, der ein Mensch ausgesetzt sein kann, bewertet und so die Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Wirkung abgeschätzt. Für diese übergreifende Bewertung greift die AGES auf einen die ganze Lebensmittelkette umfassenden Expertenpool zurück: Humanmediziner, Veterinärmediziner, Toxikologen, Ernährungswissenschafter, Lebensmittelgutachter, Agrarwissenschafter, Statistiker, Biologen, Zoologen, Chemiker. Die Diskussion um Glyphosat hat ein Problem aufgeworfen. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Bewertung wurden von der Gesellschaft nicht akzeptiert, sondern von NGOs zur Diskussion gestellt. Damit wird aber die gesamte Methodik der Zulassung und Risikobewertung von Wirkstoffen in Frage gestellt. Wie sehen Sie das? Kiefer: Der Prozess der Risikobewertung basiert auf wissenschaftlichen Grundlagen. Die Ergebnisse sind für die
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Bevölkerung oft schwer verständlich. Auch der Risikobarometer hat gezeigt, dass die österreichische Bevölkerung die falschen Risiken beunruhigen. Unsere Aufgabe ist es, nicht nur die Risikobewertung durchzuführen, sondern auch die möglichen Risiken für Laien verständlich zu kommunizieren, um zu verhindern, dass letztendlich die Methodik wissenschaftlicher Bewertungen in Frage gestellt wird. Welche Rolle spielen heute Internet und Soziale Medien als Meinungs-/Stimmungsmacher? Ersetzen diese zunehmend die wissenschaftliche Bewertung? Kiefer: Eine wissenschaftliche Bewertung kann auf keinen Fall durch Internet oder soziale Medien ersetzt werden. Allerdings spielen Internet und soziale Medien heute eine große Rolle. Wie auch der Risikobarometer zeigt, ist die Hauptinformationsquelle der Österreicher das Internet. In der Fülle an unterschiedlichen Informationen ist es aber für die Menschen oft nicht mehr möglich, die für sie relevanten Informationen zu finden. Aus diesem Grund sind für die AGES das Internet, aber auch schon seit langer Zeit Facebook und Twitter wichtige und unverzichtbare Kommunikationskanäle, wo wir zielgruppenspezifische Informationen und Empfehlungen weitergeben.
Impressum — DIE ERNÄHRUNG Österreichische Zeitschrift für Wissenschaft, Recht, Technik und Wirtschaft ∙ NUTRITION Austrian journal for science, law, technology and economy ∙ redaktion@ernaehrung-nutrition.at ∙ Offizielles Organ des Fachverbandes der Nahrungs- und Genussmittelindustrie Österreichs und des Vereins zur Förderung der österreichischen Lebensmittelwirtschaft (foodalliance) ∙ Herausgeber: Fachverband der Lebensmittelindustrie; A-1030 Wien, Zaunergasse 1–3 ∙ Wissenschaftlicher Beirat: Generaldirektor Univ.Prof. Dr. iur. et rer. pol. Walter Barfuß,
Wie kann die AGES dazu beitragen, dass widersprüchliche Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt werden? Kiefer: Wesentlich ist für uns der Dialog mit allen betroffenen Interessensgruppen entlang der Wertschöpfungskette – vom Lebensmittelproduzenten bis zu Umweltschützern. Wir diskutieren bereits jetzt in Fachkreisen über die Zukunft des Pflanzenbaus und der Ernährungssicherung ebenso wie über Risikobewertungs- und Analytikfragen für sichere Lebensmittel. Da geht es um den fachlichen Austausch und verbesserte Überwachung, aber auch um ein einheitliches Auftreten in der Öffentlichkeit. Worin sehen Sie derzeit die Hauptaufgaben der Risikokommunikation der AGES? Kiefer: Hauptaufgabe der Risikokommunikation ist es, bei Themen, die der Bevölkerung Sorgen bereiten (wie GVO, Pestizide, Rückstände von Arzneimittel und Hormone, Zusatzstoffe, toxische Elemente, neue Technologien), die jedoch von den Experten als geringes Risiko eingestuft werden, Vertrauen zu schaffen und für Themen, die Experten im Gegensatz zu den Verbrauchern als risikoreich einschätzen (pathogene Mikroorganismen, Über- und Fehlernährung, Mykotoxine), Bewusstsein zu schaffen. Die größten Herausforderungen sind neben der unter-
em. Univ.-Prof. DI Dr. nat. techn. Emmerich Berghofer, Dr. Michael Blass, Hon.Prof. Dr. Konrad Brustbauer, Ass.-Prof. DI Dr. nat. techn. Klaus Dürrschmid, Prof. Dr. Christian Hauer, Univ.-Prof. Dr. Ing. Henry Jäger, OR Dr. Leopold Jirovetz, Univ.-Prof. DI Dr. nat. techn. Wolfgang Kneifel, Univ.-Prof. Dr. Jürgen König, Dr. Andreas Natterer, Ass.-Prof. Dr. Peter Paulsen, Univ.-Prof. Dr. Werner Schroeder, LL.M, Univ.-Prof. Dr. Veronika Somoza, Univ.-Doz. Mag. Dr. Manfred Tacker, Univ.-Prof. Dr. med. vet. Martin Wagner Dipl. ECVPH ∙ Chefredakteur: DI Oskar Wawschinek, MAS, MBA ∙ Redaktion Wissenschaft: Dr. Elisabeth Rudolph ∙ Redaktion Recht: Mag. Katharina Koßdorff ∙ Verleger: SPV Printmedien Gesellschaft m.b.H.; A-1080
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schiedlichen, subjektiven und intuitiven Dimension der Risikowahrnehmung der Umgang mit Wissen und Nicht-Wissen und dem Misstrauen gegenüber Informationen. Nachdem die Bewertung und Einordung von Informationen aber nicht nur von der vermittelten Wahrscheinlichkeit und messbaren Folgen abhängt, sondern auch von der Gestaltung der Informationen, ist für uns die Vermittlung von Gefahren und Risiken inklusive Framing, Risikodarstellung und Verständlichkeit von besonderer Bedeutung. Damit wollten wir mögliche Kommunikationsprobleme wie beispielsweise skandalisierende oder stigmatisierende Beiträge, Praxisferne, irreführende Darstellungen oder auch die Überforderung der Zielgruppe verhindern. Neben der Verständlichkeit sind Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Konsistenz, Offenheit und Transparenz die Grundlage unserer professionellen Risikokommunikation, um das Vertrauen bei den Adressanten zu erhöhen, um ihre Handlungsfähigkeit und ihre Entscheidungen zu erleichtern und so den Weg vom Wissen zum Handeln zu unterstützen. Univ.-Doz. Dr. Ingrid Kiefer Leitung des Fachbereichs Risikokommunikation AGES – Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH
Wien, Florianigasse 7/14; Tel.: 01/581 28 90; Fax: 01/581 28 90-23; onlineredaktion@b lickinsland.at ∙ Lektorat: Mag. Nina Wildzeisz-Rezner, MAS ∙ Satz: Gerald Mollay ∙ Herstellung: proprint.at ∙ Anzeigenleitung: Prok. Doris Orthaber- Dättel, Tel.: 01/581 28 90-12, daettel@ blickinsland.at, Büroleitung: Alexander Smejkal, Tel.: 01/581 28 90-27, smejkal@ blickinsland.at ∙ Ernährung/Nutrition – ISSN 0250-1554 – erscheint sechsmal jährlich. Nachdruck sämtlicher Artikel, auch auszugsweise, nur mit Quellen angabe, gegen Belegexemplar; Zitierung von wissenschaftlichen Beiträgen: Ernährung/Nutrition. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Autors wieder, die nicht mit jener des Herausgebers übereinstimmen muss.
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SICHERE MEERESFRÜCHTE EU-Projekt sucht innovative Lösungen für nahrhafte, sichere und nachhaltige Meeresfrüchte in Europa ZU EINER GESUNDEN, AUSGEWOGENEN ERNÄHRUNG GEHÖRT DER REGELMÄSSIGE VERZEHR VON FISCH. FISCHE UND MEERESFRÜCHTE SIND ALS HOCHWERTIGE PROTEINQUELLE UND LIEFERANTEN WERTVOLLER INHALTSSTOFFE WIE MINERALIEN, SPURENELEMENTE UND UNGESÄTTIGTE FETTSÄUREN VON BEDEUTUNG. JEDOCH IST DIE WAHRNEHMUNG DURCH DEN KONSUMENTEN DURCH BERICHTE ÜBER SCHADSTOFFBELASTUNG UND DIE DISKUSSION ÜBER FANG- UND ZUCHTMETHODEN GETRÜBT. CHRISTINE GRABLER
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© SEAFOODTOMORROW-PROJEKTKONSORTIUM
it SEAFOODTOMORROW startete im Rahmen von Horizon 2020 ein Projekt, das sich mit den Herausforderungen der wachsenden Marktbedürfnisse für sichere und nachhaltige Fischprodukte und Meeresfrüchte beschäftigt. Das Ziel von SEAFOODTOMORROW ist die Erarbeitung von innovativen und nachhaltigen Lösungen, um Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten und die besonderen Ernährungseigenschaften von Meeresfrüchten den Konsumenten in Europa nahezubringen. Die Lebensmittelnachfrage wird sich weltweit bis 2050 durch das prognostizierte Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum verdoppeln. Eine der größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts ist die Sicherstellung der ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit von
Lebensmittelproduktion und -konsum. SEAFOODTOMORROW wird für Fisch und Meeresfrüchte neue, umweltfreundliche und transparente Produktions- und Verarbeitungsmethoden entwickeln, die die Lebensmittelsicherheit der Produkte mit den Marktbedürfnissen in Einklang bringen, um so den regelmäßigen Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten zu fördern. Das dreijährige Projekt SEAFOODTOMORROW wird von IPMA (Institutio Português do Mar e da Atmosfera, Lissabon) koordiniert und vereint 35 Partner aus ganz Europa. Die LVA ist einer der Konsortialpartner, die ihre Expertise einbringen, um diese Herausforderungen technologisch, ökologisch und ökonomisch zu bewältigen. SEAFOODTOMORROW bezieht anerkannte Experten aus Industrie und Innovationsmanagement, Lebensmittelsicher-
heit und Umweltschutz mit ein. Durch diesen umfassenden Zugang bietet SEAF OOD TOMORROW eine starke und transdisziplinäre Partnerschaft, die innovative Lösungen für die Bereiche Fische und Meeresfrüchte findet, und sie unmittelbar an die Endnutzer in der Praxis weitergibt. Das Projekt SEAFOODTOMORROW hat durch das EU-Programm für Forschung und Innovation „Horizon 2020“ Förderungen unter Fördervertrag Nr. 773400 erhalten. DI Christine Grabler LVA Lebensmittelversuchsanstalt, Klosterneuburg
Aktuelle Nachrichten über SEAFOODTOMORROW finden Sie auf Twitter (@SEAFOOD_TMRW) und auf der Projektwebsite http://seafoodtomorrow.eu/
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† KLAUS SMOLKA 1937–2018 MICHAEL BLASS
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enn jemand stirbt, wenn die Todesnachricht einlangt, wird die Welt für einen Moment still. Die Zeit scheint sich zu verlangsamen. Welches sind die ersten, welches die stärksten Eindrücke, die ins Bewusstsein treten, wenn wir des Toten gedenken? Bei manchen, die uns verlassen, ist das einfach zu beantworten, weil sich eine ganz bestimmte Erinnerung in den Vordergrund drängt. Klaus Smolka gehört zu jenen, die ein Kaleidoskop persönlicher und menschlicher Qualitäten von großer Vielfalt auszeichnete, in Kontexten vom Wissenschaftlichen bis zum Anekdotischen, vom Philanthropischen bis zu seiner Rolle als Verteidiger von Prinzipien, vom konzilianten Vermittler bis zum argumentativ mit „feiner Klinge“ streitenden Diskutanten. Er war ein Mann mit vielen Facetten. Gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Fachverband der Nahrungs- und Genussmittelindustrie trat ihr Geschäftsführer sowohl als Generalist überzeugend als auch mit beeindruckendem Spezialistenwissen in Erscheinung. Seine Domaine war das Lebensmittelrecht, das er jahrzehntelang wissenschaftlich kommentierte und an der Universität für Bodenkultur und der Universität Wien las. Wer seine Vorlesungen besuchte, lernte nicht nur das Fach, sondern erlebte ebenso die Leidenschaft, die Klaus Smolka für seinen Gegenstand hegte. Auch was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Lebensmittelindustrie betrifft, erkannte er
die großen Zusammenhänge, ohne ein Detail zu übersehen. Themen des Erstattungswesens oder der Abschöpfungstechnik, Marktorganisationen und Freihandelsabkommen waren für ihn täglicher Konversationsstoff, auch noch lange nach dem Beitritt. Klaus Smolka pflegte einen Führungs- und Managementstil, der viele „Werkzeuge“ einsetzte und „Techniken“ verwirklichte, für die erst später ein Fachvokabular entwickelt wurde. Die Hierarchien in seinem Fachverband waren flach, er delegierte viel und bewusst. Delegieren bedeutete für ihn, Mitarbeitern ein hohes Maß an Autonomie zuzugestehen und bei Bedarf über Rückmeldungen seine Verantwortung für die Steuerung des Dossiers wahrzunehmen. Geduld und Toleranz schienen ihm in die Wiege gelegt, Fehler von Mitarbeitern erkannte er rasch, und Korrekturen erfolgten ohne Aufhebens, quasi „aus eigener Kraft“ wie Klaus Smolka in anderem Zusammenhang gerne zu sagen pflegte. Überhaupt war er ein Mann des Wortes. Oft gebrauchte er ein Zitat von Doderer, Herzmanovsky-Orlando oder einem anderen Großen der Literatur, das er auf eine berufliche Situation anwendete, um sie durch einen ironischen oder komischen Anstrich zu entspannen. Was er selbst zu Papier brachte, und seine Texte füllen viele tausend Seiten, war vor allem eines: in ungekünstelter Sprache verständlich geschrieben. Und je komplexer der Gegenstand oder Sachverhalt war, den er erklären wollte, desto einprägsamer wählte Klaus Smolka seine Beschreibungen und Bilder. Hinzu
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kam seine Freude an dem, was Jahre später als „die Rache des Journalisten“ bezeichnet werden sollte. Klaus Smolkas Archiv bestand aus einer großen Zahl an eigenen Veröffentlichungen, Aufsätzen, Briefen, Fachartikeln und vor allem aus dem reichen Material, das er uns in der Zeitschrift „Lebensmittel und Ernährung“ und ab 1977 in der „Ernährung“ hinterlässt. Er selbst sprach (und schrieb) wiederholt von einer „dicken Schicht an Humus aus Wissen“, die sich durch laufendes Publizieren mühelos aufbaut und den Boden für neue Überlegungen, Analysen, Schlussfolgerungen und Planungen bereitet. Dafür, dass er mit dieser Erklärung richtig lag, lieferte er selbst den Beweis: Viele bezeichneten sein Wissen als „lexikalisch“ oder Klaus Smolka als „lebendes Archiv“. Doch das wird ihm nicht, oder höchstens zum Teil, gerecht. Er war ein humanistisch geprägter Mensch, der viel Freundlichkeit und Fröhlichkeit ausstrahlte, der gewandt und souverän aufzutreten verstand, dabei sich selbst und seinen Idealen treu bleibend. Klaus Smolka war frei von den meisten Eitelkeiten seiner industriellen Umgebung, die er mit einem großzügigen Schmunzeln bedenken konnte, und er war selbstbewusst, wenn es darum ging, den Unterschied zu erklären. Dann sprach er vor allem über das, was ihm am wichtigsten war: seinen Glauben, seine Familie und die Macht der Fachkompetenz. So sicher und überzeugt Klaus Smolka im Leben stand, seine Biographie ist von vielfältigen Einflüssen, Entscheidungen und gewiss auch Wechselfällen geprägt.
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Manchmal sprach er von seiner Kindheit und Jugend im oberösterreichisch-bayrischen Grenzgebiet, seiner frühen Affinität zur Lebensmittelwirtschaft, hergeleitet vom Beruf seiner Eltern als Kaufleute. Politisches kam dann und wann zur Sprache und lässt vermuten, dass in Klaus‘ Kinderjahren wie bei vielen seiner Generation die Katastrophen und Verunsicherungen der Kriegs- und Nachkriegszeit eine erhebliche Rolle spielten. Sein Vater konnte ihm Halt und Kraft bieten und Klaus‘ zugeneigtes Sprechen über ihn machte den älteren Herrn Smolka auch für Menschen erlebbar, die ihn nie kennengelernt hatten. Als Erwachsener führte Klaus Smolkas Weg über eine innerösterreichische Bezirksstelle bald ins Herz der Wirtschaftskammer. Dort wurde der junge Jurist früh als Kandidat für eine der großen Karrieren in der Organisation gehandelt. Seine Bestellung zum Fachverbands-Geschäftsführer im Alter von nur 33 Jahren war für die damalige Zeit, man schrieb 1971, einmalig. Klaus Smolka wurde nicht nur in der eigenen Organisation und in einer Zeit,
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als diese Zuschreibung einen Ausdruck uneingeschränkter Wertschätzung bedeutete, mehrmals als ministrabel bezeichnet. Ihn selbst hat das nicht beeindruckt, er wusste um seinen Wert, an Tagen des höchsten Lobes wie an solchen der unangebrachtesten Kritik von außen. Letztere gab es tatsächlich: Zu Klaus Smolkas großem, freilich auch professionell verborgenen Schmerz, erreichte sie ihn am prononciertesten aus der eigenen Kammer. So war es eben leider in Zeiten, in denen noch das Disziplinarische und nicht Ermutigung und Motivation als wichtigste Führungsinstrumente zum Einsatz gelangten. Auch von „seinem“ Fachverband hat er sich – nicht erst nach seiner Pensionierung – manchmal mehr erwartet als der Verband leisten konnte ohne zu riskieren, dass Klaus Smolkas hohes Ansehen und die außerordentliche Wertschätzung, die er zu Recht genoss, einer Relativierung ausgesetzt worden wären. Klaus Smolka war, und das unterschied ihn von den meisten seiner Weggefährten, Kombattanten und Widersacher, ein furchtloser Mensch. Er
trug Konflikte aus, wenn sie nicht vermeidbar waren, zeigte sich dann vorbereitet, selbstgewiss, fair und energisch. Er trat für das ein, was er nach reiflicher Reflexion als richtig erkannt hatte, standhaft und unbeugsam, aber vor allem überzeugend in seinen Argumenten. Welche Position, welchen Status seine Antagonisten hatten, bedachte Klaus Smolka, Sorge bereitete es ihm nicht. Oft war ihm bewusst, dass er seinen Standpunkt nicht unmittelbar in der Diskussion durchsetzen würde. Aber er dachte – stets „lebendes Archiv“ und „lexikalisch wissend“ – in großen Zusammenhängen und in langen Zyklen. Im Angesicht der Ewigkeit und vor seinem Schöpfer behält Klaus Smolka in den allermeisten seiner Überzeugungen recht. Statt vieler Worte: Danke, lieber Klaus! R.i.P. Dr. Michael Blass Geschäftsführer Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH., Wien
Nachruf Dr. Klaus Smolka 11. Juli 1937–28. Mai 2018
Wir sind sehr betroffen von Deinem Ableben. Unser aufrichtiges Beileid gilt Deiner ganzen Familie! Als zwei Deiner getreuen Weggefährten denken wir sehr an Dich und sagen ein herzliches Dankeschön für Deine große Menschlichkeit. Die älteren unter den Leserinnen und Lesern dieser Zeitschrift werden sich sicher noch erinnern, dass Klaus Smolka über Jahrzehnte hinweg Geschäftsführer des Nahrungs- und Genussmittelverbandes und mit der Österreichischen Gesellschaft für Ernährungsforschung eng verbunden war. Klaus Smolka folgte der Generation des Wiederaufbaues nach dem Zweiten Weltkrieg; sie hatte Reformen vorzubereiten und umzusetzen. Er war damals zentraler Organisator für die Reform des Lebensmittelrechtes auf Seiten der Nahrungsmittelindustrie. Klaus Smolka holte neue Experten in die Beratungen, kümmerte sich um die universitären Entwicklungen der Fachgebiete für Ernährungsqualität und Ernährungssicherheit und stützte die politische Vernunft in Zeiten rauer ideologischer und institutioneller Auseinandersetzungen. Sein strategisches Geschick und sein Weitblick halfen ihm zu einem mehr als ehrenvollen Lebenswerk. In dankbarer Erinnerung! Raul Kneucker Generalsekretär der Rektorenkonferenz und des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung 1977–1991
Stefan M. Gergely Mitarbeiter und Konsulent des Fachverbandes der Nahrungs- und Genussmittelindustrie 1978–1994
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SCHLECHTE EINFLÜSSE BLEIBEN DRAUSSEN FachPack 2018 VERPACKUNGEN SIND FÜR DIE HALTBARKEIT VON LEBENSMITTELN UNVERZICHTBAR. SIE SCHÜTZEN DIE WARE VOR SCHÄDLICHEN EINFLÜSSEN UND VERHINDERN DAS WACHSTUM GESUNDHEITSSCHÄDLICHER KEIME. MODERNE LEBENSMITTELVERPACKUNGEN GEWÄHRLEISTEN HEUTE EIN HÖCHSTMASS AN SCHUTZ FÜR DIE VERBRAUCHER. DIE WICHTIGSTEN ANBIETER DIESER TECHNOLOGIE WERDEN IHRE WEITERENTWICKLUNGEN ERNEUT AUF DER FACHPACK 2018 VON 25. BIS 27. SEPTEMBER 2018 IN NÜRNBERG PRÄSENTIEREN.
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ie FachPack ist die europäische Fachmesse für Verpackungen, Prozesse und Technik. An drei kompakten Messetagen präsentiert sie ihr umfassendes Fachangebot rund um die Prozesskette Verpackung für Indus
trie- und Konsumgüter. Mit ihrem neuen Markenauftritt „Morgen entsteht beim Machen“ präsentiert sich die FachPack frischer, stärker und profilierter. Dabei ist sie lösungsorientiert, konkret und bleibt verlässlich sowie pragmatisch wie immer. Mit ihrem einzigartigen Messeportfolio
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aus den Bereichen Packstoffe und Packmittel, Packhilfsmittel, Verpackungsmaschinen, Etikettier- und Kennzeichnungstechnik, Maschinen und Geräte in der Verpackungsperipherie, Verpackungsdruck und -veredelung, Intra- und Verpackungslogistik sowie Services für die
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Verpackungsindustrie ist die FachPack der Branchentreff des europäischen Verpackungsmarktes, der Fachbesucher aus allen verpackungsintensiven Branchen anzieht: Lebensmittel/Getränke, Pharma/ Medizintechnik, Kosmetik, Chemie, Automotive sowie weiterer Konsum- und Industriegüter. Durch das Zusammenspiel aus optimalem Verpackungsmaterial, Haltbarmachung und langfristiger Dichtigkeit stehen für Lebensmittelhersteller optimal zugeschnittene Verfahren zur Verfügung. Lebensmittelverpackungen haben die primäre Aufgabe, Lebensmittel zu schützen. Sie sollen vermeiden, dass Produkte austrocknen, und die Entstehung von Keimen verhindern. Aber auch Licht, Sauerstoff, Wasserdampf, Verschmutzung und Fremdgeruch sind schädlich für Lebensmittel. In diesem Zusammenhang ist die Barrierewirkung besonders wichtig. Sie wird durch die technologischen Eigenschaften des Verpackungsmaterials bestimmt und bei Folienverpackungen stets an die Anforderungen des Produkts und der Produktion angepasst. Aktuell befassen sich Unternehmen und Forschungseinrichtungen damit, wie sich die Dicke dieser Verbundfolien reduzieren lässt. So ist es beispielsweise Ziel eines Forschungsprojekts des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, durch dünnere Folien den Verpackungsbedarf zu reduzieren, ohne dabei die Schutzfunktion zu verringern (Quelle: Fraunhofer Institut) Bei der Wahl der richtigen Barrierewirkung und Kombination geeigneter Polymere greifen die Hersteller auf langjährige Erfahrungen und neue Entwicklungen zurück, über die sie auf der FachPack im September 2018 umfassend informieren werden. Verbundfolien sind mit Sperrschichtfolien versehen, die nicht nur vor dem Luftsauerstoff schützen, sondern auch für das Verpacken unter Schutzatmosphäre (Modified Atmosphere Packaging, MAP) unerlässlich sind. Denn sie verhindern das Austreten von Schutzgasen wie Stickstoff oder CO2 aus der Verpackung. Durch den Einsatz von MAP wird die Haltbarkeit der Produkte um Tage, teilweise sogar Wochen verlängert, in denen sie dem Verbraucher zur Verfügung stehen. Als Vor-
teile werden genannt, dass sich dadurch die Verkaufszahlen so mit jedem zusätzlichen Tag erhöhen. In den letzten Jahren haben viele renommierte Unternehmen bewiesen, dass MAP zu erfolgreichen Produktverkäufen und vergrößerten Marktanteilen führen (Quelle: Linde Group). Nordamerika ist nach wie vor der größte Markt für MAP-Verpackungen, gefolgt vom asiatisch-pazifischen Raum und Europa. Europa ist laut der Studie von DecisionDatabase Deutschland der Markt mit dem größten Wachstum in diesem Bereich (Quelle: Facts Week). Unterschätzte Klassiker Der Klassiker mit der bis heute besten Barriereeigenschaft ist nach wie vor die Konservendose: Hermetisch versiegelt und keimfrei verpackt, schützt sie durch ihre Stabilität den Inhalt vor Schaden. Vorurteilen, dass sie schwer und beim Öffnen umständlich sei, entgegnet die Initiative Lebensmitteldose, dass viele Anbieter ihre Dosen inzwischen mit Öffnungslaschen und Peel-Deckel versehen, um dem Convenience-Gedanken entgegenzukommen. Ebenso wird berichtet, dass Hersteller das Gewicht der Weißblechdosen konstant reduzieren konnten (Quelle: Verband Metallverpackungen). In Form von Drehverschlüssen oder Kapseln wird Weißblech mit den Vorzügen von Glasbehältern kombiniert. Letztere punkten vor allem bei sauren Inhalten, Milchprodukten oder Babynahrung, da Glas nicht mit dem Inhalt reagiert und sich somit keine unerwünschten Stoffe lösen. Aufgrund dieser Vorteile hat Glas als Verpackungsmaterial seinen festen Platz für bestimmte Produktgruppen. Das Aktionsforum Glasverpackung spricht davon, dass etwa 26 Prozent aller produzierten Behältergläser später zur Verpackung von Lebensmitteln eingesetzt werden.
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MIGRATION AUS DER VERPACKUNG Vom Verdacht zur Bewertung MIGRATION – EIN AKTUELL IN VERSCHIEDENEN KONTEXTEN HEISS DISKUTIERTES THEMA. AM UNABHÄNGIGEN PRÜF- UND FORSCHUNGSINSTITUT OFI BESCHÄFTIGT MAN SICH SEIT JAHREN MIT DER MIGRATION AUS DER VERPACKUNG UND ARBEITET LAUFEND AN DER WEITERENTWICKLUNG VON METHODEN ZUR DETEKTION, IDENTIFIZIERUNG UND RISIKOBEWERTUNG.
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spiel in der Mikrowelle – erhitzt werden soll. Kurzgefasst: Die Verwendung und die Rezeptur des Materials müssen bekannt sein, um spezifische Migrationslimits von bestimmten Inhaltstoffen überprüfen zu können.
2011 hat die EU eine Verordnung zur Verwendung von Kunststoffen in Lebensmittelkontakt herausgegeben, die vorschreibt, welche Materialien zum Einsatz kommen dürfen und wie die Eignung nachzuweisen ist. Um die entsprechenden Eignungsprüfungen durchführen zu können, müssen einige Eckpunkte bekannt sein. So ist es wichtig vorab zu wissen, welches Lebensmittel schließlich verpackt werden soll. Fettige oder saure Lebensmittel haben ganz unterschiedliche Ansprüche an das Verpackungsmaterial und werden bei der Prüfung durch unterschiedliche Substanzen simuliert. Einen Unterschied macht es auch, ob eine Verpackung – zum Bei-
Neben der Weiterentwicklung von Rechtsgrundlagen und Richtlinien ist in den letzten Jahren auch eine verstärkte Auseinandersetzung der Bevölkerung mit (Kunststoff-)Verpackungen zu bemerken. Gefragt wird nicht nur nach Konsequenzen für die Umwelt, auch die Auswirkungen auf die eigene Gesundheit werden offen diskutiert. In diesem Kontext ist eine verstärkte Auseinandersetzung mit hormon aktiven Substanzen zu beobachten, die auch von Medien mit großem Interesse verfolgt wird. So standen vor einigen Jahren besonders PET-Flaschen unter Verdacht, hormonell wirksame Substanzen zu enthalten, die schädlich auf den menschlichen Organismus wirken könnten. Dieser Verdacht basierte allerdings auf der Untersuchung von Mineralwasser, also des Inhalts. Eine wenig erträgliche Situation für die Getränkeindustrie und insbesondere für die Hersteller von PET-Flaschen. Spekulationen durch eine direkte Überprüfung der Flaschen zu beenden, war nicht sofort möglich. Verlässliche Analysemethoden standen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung.
enn von Verpackungsmaterial gesprochen wird, rückt Kunststoff in den Fokus. Kein Wunder, dieser Werkstoff lässt sich gut formen, materialsparend einsetzen und auf das verpackte Gut abstimmen, sodass die Haltbarkeit von Lebensmitteln gesteigert und Lebensmittelmüll reduziert werden kann. Im Vergleich zu anderen Verpackungsmaterialien hat er trotzdem einen schlechten Ruf. Ihm wird nachgesagt, gefährliche Stoffe zu enthalten, die aus dem Verpackungsmaterial auf das verpackte Gut übergehen können.
ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 42 | 03/04 2018
Mit klassischen, chemischen Analysenmethoden konnten zwar bereits bekannte, hormonell wirksame Substanzen wie Bisphenol A oder Phthalate sehr empfindlich und ver- Michael Washüttl lässlich detektiert werden, bisher unbekannte hormonell wirksame Substanzen wurden damit allerdings nicht erfasst. Bestehende chemische Screening-Verfahren waren daher unzureichend, um die Vorwürfe zu entkräften. Am OFI hat sich ein junges Forscherteam rund um Dr. Christian Kirchnawy schließlich der Thematik angenommen. Ihm ist es gelungen, eine verlässliche Methode zum Nachweis und zur Identifizierung von hormonell wirksamen Substanzen zu entwickeln und zu validieren. Dabei setzen die Wissenschaftler auf eine Kombination von chemischer Spurenanalytik mittels GC-MS/FID und HPLC-MS³ und biologischen Tests mit Humanzellen. Mit in Kulturgefäßen gezüchteten Humanzellen kann durch biologische Tests die Wirkung von Hormonen im menschlichen Körper simuliert
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Im Zellkulturtest wird mittels gentechnischer Methoden das sehr leicht nachweisbare Luciferase-Gen, das für die Leuchtreaktion bei Glühwürmchen verantwortlich ist, eingebracht. Bindet ein Hormon oder eine andere hormonell wirksame Substanz an den Hormonrezeptor, führt das daher indirekt zu einer Leuchtreaktion. Sie ist mit freiem Auge nicht sichtbar, kann aber mit hochsensiblen Laborgeräten einfach und verlässlich nachgewiesen werden. Dadurch können nicht nur bereits bekannte hormonaktive Substanzen wie Bisphenol A (BPA) oder Phthalate, sondern alle Substanzen, die an die menschlichen Hormonrezeptoren für Östrogene, Androgene oder Schilddrüsenhormone binden, erfasst werden. Mit der entwickelten Methode konnte man am OFI mehr als 40 unterschied liche PET-Materialien untersuchen, von Granulaten über Preformen bis hin zu fertigen Flaschen, mit Recyclinganteilen von 0–100 %. Das Ergebnis war überaus beruhigend: In keiner der untersuchten Proben wurde eine hormonelle Wirkung nachgewiesen. Generelle Entwarnung für alle Kunststoffe bedeutet das aber nicht. In einem groß angelegten Screening von über 300 Verpackungen hat das OFI in einzelnen Verpackungsproben sehr wohl hormonelle Wirkungen festgestellt. Während hormonaktive Substanzen, unter anderem durch die Medien, eine gewisse Bekanntheit erlangt haben, wird
© OFI
werden. Die Bindung eines Hormons an den entsprechenden Hormonrezeptor führt auch im Zellkulturtest zur Aktivierung eines bestimmten Gens.
den NIAS (nicht absichtlich zugesetzte Substanzen) noch wenig Beachtung geschenkt. NIAS sind Abbau- oder Reaktionsprodukte, welche während der Herstellung, Verarbeitung und Anwendung von Verpackungsmaterialien entstehen oder unbemerkt hinein gelangen können. In weiterer Folge können sie die Ursache für ein auftretendes Fehlaroma der verpackten Ware sein. Traditionell lag der Fokus bei der Risikobewertung von Kunststoffen immer auf den Ausgangsmaterialien, die für die Herstellung der Kunststoffe eingesetzt werden. Zumindest in der Theorie wusste man daher, wonach man suchte. Bei NIAS weiß man das nicht – und das stellt die Branche vor ganz neue Herausforderungen. Wie sucht man nach etwas, ohne zu wissen, was es ist oder woher es kommt? Aufbauend auf dem Know-how, mit dem man hormonaktive Substanzen detektiert, arbeitet das OFI, unterstützt durch das Forschungsnetzwerk der ACR, nun daran, die Bioassay-Batterie auf andere kritische Gefahrenstoffe auszuweiten. Mit breitem Zuspruch der Lebensmittel- und Verpackungsindustrie forscht das OFI in Kooperation mit der FH Campus Wien aktuell an Methoden zur Erleichterung der Risikobewertung von unbeabsichtigt eingebrachten Substanzen (NIAS). Die Ergebnisse des Projek-
tes MIGRATOX sollen es ermöglichen, künftig nicht nur die Migration hormon aktiver, sondern genotoxischer Substanzen im Allgemeinen, auszuschließen. Die angeführten Entwicklungen der Beschäftigung mit Migration machen deutlich, dass hier noch einiges an Pionierarbeit geleistet werden muss. Wer mehr zum Thema erfahren will, hat am 15.+16. November beim OFI Workshop „Recht für Lebensmittelgebrauchsgegenstände“ die Chance. Als Spezialist für Migration und Verpackung beschäftigt sich das unabhängige Prüf- und Forschungsinstitut nicht nur intensiv mit der aktuellen Gesetzeslage, sondern initiiert auch aktiv innovative Forschungsprojekte. Dr. Michael Washüttl Leitung Verpackung & Lebensmittel OFI Technologie & Innovation GmbH Wien www.ofi.at
volume 42 | 03/04 2018 ERNÄHRUNG | NUTRITION
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