Christophoribote 3/2021 (155)

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Die englische Königin und Teschen Królowa angielska i Cieszyn Martina Metzele Was haben die Queen, ein Kirschzweig, ein Papagei, ein Tennisball und Teschen gemeinsam? Richtig. Propst Andrzej Fober. Als Partnergemeinde von Lauban, war Pfarrer Ryszard Borski über lange Jahre unser Ansprechpartner. Insbesondere als Frau Eichert, die Initiatorin unserer Partnerschaft so tragisch bei einem Verkehrsunfall, im Einsatz für unsere Laubaner Gemeinde ums Leben kam. Unsere Heimatgemeinde St. Matthäus in Aschaffenburg befand sich in der Vakanz, dazu kamen Glasnost und Perestroika, politische Umbrüche, von denen keiner wusste wie sie enden würden. In dieser Zeit war Pfarrer Borski der Fels in der Brandung. Nun kam für ihn der Ruf als Bischof nach Warschau. Wer sollte und könnte ihn ersetzen? Mit Pfarrer Borski fing eine glanzvolle Ära der deutschen Gemeinde an. Pfarrer Fober setzte genau da an und brachte die Gemeinde in Breslau zur Blüte. Eine meiner ersten Begegnungen mit Pfarrer Fober war 2002 in Breslau. Wir statteten ihm einen Besuch ab, natürlich mit den entsprechenden Geschenken. Bananen, Kaffee, Spielzeug und Süßigkeiten für die Kinder. Er jonglierte all diese Dinge auf seinen Armen und gleichzeitig nahm er ein Telefonat an. Martinas spontaner Kommentar dazu war: »Das ist ein Manager-Pfarrer«. Das hat sich bewahrheitet. Wir waren begeistert, wie er die Gemeinde voran brachte. Breslau ist eine moderne Stadt, während unsere Gemeinde in Lauban und die Gemeinden herum eher sehr langsam im Fortschritt voran kamen. Pfarrer Fober schafft es, beide Welten zu bedienen und

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auch zu verbinden. Mit großem Aufwand holte er Menschen aus diesen deutschen Gemeinden in der »Provinz« in den Rat der Gemeinde. Er ermöglichte es, dass diese Menschen in Breslau an einem Sommerfest teilnehmen konnten. Bei aller Geschäftigkeit in der Stadt Breslau hatten wir das Gefühl, auch unsere Partnergemeinde kam nie zu kurz. Es folgten sehr schnell Besuche, auch mit Gemeindegliedern, bei uns. Diese Begegnungen brachten uns den »Neuen« sehr schnell, sehr nahe. Der spontane Gedanke »der Manager-Pfarrer« hat sich dann immer wieder und immer deutlicher gezeigt. Im Gemeindezentrum in Zimpel tat sich ungemein viel. Je weiter sich Polen dem Westen öffnete, desto schlechter wurde der Handy-Empfang im Grenzgebiet – auch in unserer Partnergemeinde. Breslau wurde restauriert und renoviert und deshalb versuchten wir den Mitfahrern Breslau zu zeigen. Und der beste Handy-Empfang, um Kontakt mit den Lieben zuhause aufzunehmen, war im Gemeindezentrum. Warum? Im Gemeindezentrum waren Mobilfunkmasten installiert. Eine Investition, die sich bis heute, im wahrsten Sinne des Wortes, für die Gemeinde auszahlt. Jeder, der sich für Niederschlesien interessierte, dem legten wir ans Herz, auch Breslau zu besuchen. Eine wichtige Frage ist dann natürlich, »wo man übernachten kann«. Natürlich im Gemeindezentrum. Es sind wunderschöne Gästezimmer entstanden. Man kann »anonym« da wohnen, oder eben mit Familienanschluss. Pfarrer Fober, seine Frau und die Familie sind immer für die Gäste da gewesen. Ganz diskret, aber jeder-

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zeit ansprechbar. Das Frühstück im Hause ist legendär (Rührei usw.). Natürlich kommt man sich über 21 Jahre auch persönlich näher. Pfarrer Fober stammt aus Teschen. Das betont er bei jeder Gelegenheit. Die Geschichte Teschens und die Unterbewertung erinnerte uns immer an Franken, woher wir kommen, ein kleiner Teil in Bayern. Wir konnten ihm beibringen, dass Franken wichtig war in der europäischen Geschichte. Für uns natürlich heute noch wichtig ist. Genau wie Teschen. Der aufrichtige Respekt vor der Queen (Elizabeth II) ist uns ebenfalls gemeinsam. Natürlich unterhalten wir uns auch oft über Gemeinde, Gemeindeführung, Christsein in der heutigen Welt und Bedeutung der Kirche(n) heutzutage und seine Liebe zu Fußball, England, Austin Martin, Österreich und natürlich – Teschen. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, die Gespräche darüber sind immer von Respekt und größter christlicher Nächstenliebe getragen und fördern dadurch natürlich auch abendliches Nachdenken über die Position des anderen. Es verbinden uns viele Begegnungen in allergrößter Nächstenliebe und Zugewandtheit. Eine tolle Aktion, die uns trotz der Entfernung, tief beeindruckte, war, als Pfarrer Fober eines unserer Laubaner Gemeindeglieder, das sich sehr für die afrikanische Tierwelt interessierte, zum 100. Geburtstag von einem Ort, nahe Bogatynia, abholte, zum Africarium nach Breslau fuhr, ihr dort einen wunderschönen Tag bescherte und sie auch wieder zurückbrachte.

Wir begleiten die Laubaner Gemeinde seit nunmehr nahezu 40 Jahren. Es hat sich vieles verändert, sowohl im Westen als auch im Osten. »Unsere« schlesischen Pfarrer waren immer verlässlich und jederzeit machten sie es möglich, dass wir gebührend empfangen wurden. Nach 21 Jahren Propst Fober kann man sagen, es geht eine Ära zu Ende. Wir hoffen auf einen würdigen Nachfolger, der ebenfalls mit so viel Energie und Aufwand, aber auch mit Weisheit und Weitsicht in den deutschen evangelischen Gemeinden in Niederschlesien waltet. Ach so, was hat es nun mit Papagei, Kirschzweig und Tennisball auf sich? Das gehört zu den beeindruckendsten Gesprächen mit Pfarrer Fober. Er las zu diesem Zeitpunkt die Predigten des Bischofs von Canterbury, Rowan Williams, im Original und erzählte uns, dass diese Dinge für fiktive englische Hirten wichtig waren, dem Christuskind darzubringen. Dem Christuskind ist es egal. Christus gehört zu uns und wir zu ihm, egal, was uns wichtig ist, ihm zu bringen. So wurden auch Kirschzweig, Tennisball und Papagei zu wunderbaren Symbolen einer gelungenen Partnerschaft und grenzüberschreitenden Freundschaft, die im besten christlichen Sinne, weit über die Partnerschaft einer Kirchengemeinde hinausgeht. Uns bleibt nur zu wünschen, dass er und seine Familie den Ruhestand, bei bester Gesundheit, »so Gott will« genießen können. Mit schlesischem Gott befohlen: Christa Metzele, Martina Metzele, Erika Piontkowski und Anneliese Wintterlin.


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